Meine Damen und Herren! Ehe ich mich dem Heimkehrergesetz zuwende, habe ich eine Bitte an den Herrn Präsidenten. Ich glaube, alle Redner, die einmal hier stehen, werden mir zustimmen, er möchte doch diese fünf Wassergläser, die vom frühen Morgen bis Mitternacht hier stehen, abends einmal auf Bakterien untersuchen lassen.
Es ist einem Redner nicht zuzumuten, nach stundenlangem Stehen dieser Wassergläser einen Schluck daraus zu nehmen. Ich glaube bestimmt, in der tropischen Hitze der kommenden Monate werden wir abends Quallen darin vorfinden.
Ich hätte mich eigentlich gar nicht zum Worte gemeldet; denn über diesem Gesetzentwurf stehen schon die beiden Worte „sehr spät", und wenn wir uns mit diesem Gesetz nicht sehr beeilen, dann können die beiden Worte lauten „zu spät", und das möchte naturgemäß jeder hier vermeiden. Aber mein alter Freund Renner hat mich hier auf den Plan gerufen. Mein lieber Kollege Renner, wenn Sie sagen, es habe sich in diesem Gesetz gegenüber den bisherigen Länderanordnungen nichts geändert, dann haben Sie entweder das Gesetz nicht gelesen, oder Sie haben es nicht verstanden. Aber da Sie ein so kluger Mann sind, glaube ich das zweite nicht annehmen zu dürfen.
Der alte Hegel hat einmal gesagt: Unter allen meinen Schülern hat mich einer verstanden, und dieser eine hat mich mißverstanden.
Herr Kollege Renner, ich war früher als junger Mensch etwas idealistisch veranlagt und immer geneigt, manche positiven Werte auch bei den Kommunisten zu entnehmen.
Aber ich bin im Jahre 1931 einmal in eine kalte Dusche gesteckt worden, und seitdem begegne ich allen Ihren Anträgen mit großem Mißtrauen. Ich sehe vor mir den alten Präsidenten des Reichstages, den Kollegen Löbe, sitzen, und der Kollege Löbe wird mir recht geben können, wenn ich folgendes erzähle: Wir haben im Jahre 1931 die letzte Haushaltsberatung im alten Reichtstag vorgenommen, und es wurde gerade oben am Präsidententisch ein Antrag abgegeben, in diesen Haushaltsplan 500 000 Mark für die Kinderspeisung einzusetzen. In diesem Augenblick, als der Abgeordnete Torgler diesen Antrag oben beim Präsidenten abgab, wurde unten der gedruckte Antrag der sozialdemokratischen Fraktion verteilt, der einen Tag vorher abgegeben worden war, eine Million Mark für die
Kinderspeisung einzusetzen. Zehn Minuten später war Herr Torgler wieder oben und brachte einen neuen Antrag, drei Millionen für die Kinderspeisung einzusetzen.
Wir werden den Wettlauf nach dieser Richtung hin mit Ihnen nie gewinnen; denn es kommt Ihnen nicht darauf an, zu helfen, sondern die anderen Parteien zu diffamieren.
Wenn wir uns im Ausschuß sehr •eingehend
mit diesem Gesetz beschäftigt und manche positiven Werte in der Frage der Arbeitslosenversicherung und der Sozialfürsorge ermittelt haben,
dann bin ich doch der Auffassung, jeder einzelne,
der dem Ausschuß angehört und an dieser
Stelle hier sprechen muß, wird ein Gefühl der
Enttäuschung nicht verbergen können; denn er
weiß, daß er immer nur einen kleinen Teil dieses
großen Problems angepackt hat und daß er viele
von den Hunderttausenden, die vor Jahr und
Tag zurückkehrten, enttäuschen muß. Aber wir
sagen auch nicht, daß das der Abschluß unserer
Heimkehrerbetreuung an sich sein soll, sondern
ein Glied in der Kette von Maßnahmen, die sich
noch hier in diesem Parlament entfalten müssen.
Diesen Menschen, die vor den Toren des Lebens — und daran sind wir nun unschuldig — so lange stehen mußten und die sich oftmals heute im Gestrüpp unseres zivilen und wirtschaftlichen Lebens verfangen, wollen wir nur die erste Hilfestellung geben. Wir sind uns ganz klar darüber, daß in der Kriegsgefangenenfrage, in der Heimkehrerfrage auf uns etwas zukommt, was uns noch sehr viele große Sorgen machen wird, was uns aber nicht daran hindern wird, jegliche Teillösung des Problems — eine Generallösung gibt es nicht bei der Variantenhaftigkeit des Problems — anzustreben.
Ich darf noch sagen. wenn mein Gedanke betreffend die Rückerstattungspflicht, den ich letzthin hier angekündigt habe und den ich in dem Gesetz verwirklichen wollte, in dem Gesetz nicht verankert ist, so hat das sein Bewenden darin, daß uns von dem Vertreter des Innenministeriums die feste Zusicherung gegeben worden ist, daß ein Gesetzentwurf diese Frage besonders behandeln und demnächst dem Hohen Hause vorgelegt wird. Wir glaubten uns auf diese Zusicherung des Innenministeriums verlassen zu dürfen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte deshalb nicht die ganzen Einzelgebiete, Vollstreckungsschutz und was wir noch in das Gesetz hineingebracht haben, hier besonders anklingen lassen. Wir haben einträchtig in drei Ausschüssen an diesem Gesetz gearbeitet, und wir werden auch in der zukünftigen Gesetzgebung einen Weg zu finden versuchen, der draußen den Heimkehrern das Gefühl vermittelt: sie werden von uns nicht vergessen.