Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz ist die Abgeltung einer Ehrenpflicht des deutschen Volkes gegenüber den Kriegsgefangenen, hat hier der Herr Berichterstatter gesagt. Um Illusionen zu zerstören, einige grundsätzliche Feststellungen.
Das Gesetz ändert an der seit Jahren auf Länderbasis bestehenden Regelung in keiner Beziehung auch nur etwas in positivem Sinne. Deutlicher gesagt: das Gesetz stellt sogar in entscheidenden Punkten eine Verschlechterung der bisherigen, in gewissen Ländern gegebenen Leistungen dar. Das einzige Positive an dem Gesetz ist, daß die Länder als Lastenträger abgelöst werden und daß der Bund die Lasten übernimmt.
Wir haben von dem Vertreter der Bayernpartei soeben gehört, was das Land Bayern bisher auf dem Gebiet der Betreuung der Kriegsgefangenen geleistet hat. Dort wird ein Entlassugsgeld in Höhe von 150 DM gegeben. Das Land Hamburg und andere Länder zahlen bisher bereits 300 DM Übergangsbeihilfe. Nach der hier vorgelegten Regelung soll das Entlassungsgeld auf 100 DM festgelegt werden. Unter den Protestierenden — ich hätte beinahe gesagt:
unter den Protestanten — befindet sich in diesem Falle auch der Herr Kollege Dr. Horlacher; er ist im Augenblick nicht im Hause, aber ich vermute, daß er sich von seinem Finanzminister und Fraktionskollegen in diesem Falle bei der Abstimmung wird vergewaltigen lassen.
Unsere Stellungnahme zu dem Gesetz haben wir bei der ersten Beratung hier dargetan. Ich wiederhole noch einmal die von der Mehrheit in den Ausschüssen und im Plenum abgelehnten Anträge, die wir Kommunisten gestellt haben. Wir haben verlangt, daß ein Entlassungsgeld in der Höhe von 200 DM gegeben wird. Wir hatten verlangt, daß die Übergangsbeihilfe in der Höhe von 300 DM gegeben wird, und zwar in bar. Wir hatten verlangt, daß diese Übergangsbeihilfe unabhängig vom Vorhandensein der Bedürftigkeit gegeben wird. Wir hatten verlangt, daß diese Beihilfe nicht rückerstattungspflichtig gemacht werden darf. Alle diese Anträge sind abgelehnt worden.
Wir haben im großen und ganzen gesagt, daß dieses Gesetz weiße Salbe in die Augen der Heimkehrer bedeutet. Darf ich dafür einige Beispiele anführen. Da steht z. B., daß bei der Wohnungszuteilung die Heimkehrer mit ihren Familien bevorzugt zu berücksichtigen sind. Eine ähnliche Bestimmung gibt es seit Jahr und Tag für die politisch Geschädigten. Wo wohnen sie? In Kellerlöchern, in Elendswohnungen zum größten Teil! Was kaufe ich mir für eine derart nichtssagende Bestimmung in einem Gesetz? Sicherung des früheren Arbeitsverhältnisses! Schön und gut. Was nützt eine solche Bestimmung einem Heimkehrer, wenn sein alter Arbeitsplatz nicht mehr existiert? Bevorzugte Arbeitsplatzzuteilung! Die Arbeitsämter sollen den Heimkehrern bevorzugt Arbeit zuteilen. Bei beinahe zwei Millionen Erwerbslosen, die wir im Augenblick haben, soll mir einer erklären, was sich ein Heimkehrer auf Grund dieser laxen Bestimmung in diesem Gesetz kaufen kann! Die Ausbildungsbeihilfe ist sogar in diesem Gesetz ausdrücklich nur als Kann-Bestimmung festgelegt. Wo ich nur hinpacke: vage, nichtssagende Bestimmungen, größtenteils hinter den derzeitigen Leistungen zurückbleibende Aufwendungen für diesen Personenkreis.
Wir haben in den Ausschüssen und im Plenum — und damit komme ich auf den einzigen als positiv anzusprechenden neuen Punkt in diesem Gesetz — verlangt, daß die Basis für die Berechnung der Arbeitslosenunterstützung, die heute auf einem angenommenen Arbeitsentgelt von 45 DM pro Woche beruht, erhöht werden muß. Wir haben mit Rücksicht auf die Tatsache, daß ja auch, wenn ein Anspruch auf höhere Alu besteht, dieser Anspruch nur bis zum Höchstprozentsatz von 80 vom Hundert gewährt zu werden braucht, verlangt — und ich wiederhole das heute noch einmal —, daß das Arbeitsentgelt, das die Basis für die Berechnung der Arbeitslosenfürsorge darstellt, auf 55 DM erhöht werden soll. Aber das wurde abgelehnt.
Ich fasse zusammen. Wir haben unsere grundsätzliche Kritik an diesem Gesetz ehrlich und klar zum Ausdruck gebracht. Alle unsere Bestrebungen, das Gesetz in positivem Sinne zu ändern, d. h. zu verbessern, sind im Plenum bzw. in den Ausschüssen abgelehnt worden. Wir
machen die Kriegsgefangenen ausdrücklich darauf aufmerksam, daß das Gesetz nichts, überhaupt nichts wesentlich Neues gegenüber den bisherigen Regelungen enthält.
Ich erkläre zum Abschluß, daß wir dem Gesetz zwar zustimmen werden, daß wir aber unsern Kampf mit Hilfe der von Ihnen als politisches Instrument mißbrauchten Kriegsgefangenen weiter fortsetzen werden, mit dem Ziel, eine ausreichende Fürsorge für die Heimkehrer durchzusetzen.