Rede von
Moritz-Ernst
Priebe
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Soforthilfegesetz, das seinerzeit vom Wirtschaftsrat beschlossen worden ist, führt den Namen „Gesetz zur Milderung dringender sozialer Notstände".
Die Sozialdemokratie hat in diesem Gesetz von jeher nur einen recht unzulänglichen Versuch gesehen, soziale Notstände zu mildern. Wenn wir nun die Oppositionspartei wären, als die man uns gern hinzustellen pflegt, so sollten wir jede Gelegenheit benutzen, Anträge zu unterstützen, die alle weiteren Rentenzahlungen ohne Anrechnung auf die Unterhaltshilfe fordern. Wir tun es nicht, weil wir die finanzielle Lage des Bundes und vor allen Dingen auch der Soforthilfe kennen. Wir wissen, daß man mit 70 DM im Monat kein menschenwürdiges Leben führen kann. Wir wissen, daß diejenigen, die keinerlei Reserven an vollen Möbelschränken und vollen Wäschetruhen, an Hausrat usw. besitzen, mit diesem Betrag von 70 DM nicht die Anschaffungen machen können, die sie brauchen. Wir wissen darüber hinaus, daß es sich um Menschen handelt, die nicht in der Lage sind, durch zusätzliche Arbeit weiteren Verdienst zu haben, und bedauern außerordentlich, daß es uns nicht möglich ist, einer restlosen Auszahlung aller Renten- und sonstigen Leistungen, zum Beispiel Leistungen aus dem KB-Leistungsgesetz, zustimmen zu können. Solange noch eine große Zahl von Soforthilfeempfängern auf Auszahlung der Hausratshilfe warten muß und denjenigen gegenüber benachteiligt wird, die diese Hausratshilfe schon erhalten haben, solange der Mangel an Mitteln zu äußerster Sparsamkeit zwingt, können wir nicht anders, als dem Ausschußantrag zuzustimmen. Wenn wir etwas anderes täten, würden wir darüber hinaus innerhalb des Kreises der Unterhaltshilfeempfänger aus der Soforthilfe eine bestimmte Gruppe bevorzugen. Wir würden diejenigen, die Ansprüche auf Renten haben, in einem nicht zu verantwortenden Maße gegenüber den anderen Soforthilfeempfängern hervorheben. Wir können infolgedessen nur immer wieder fordern, daß das von der Regierung zugesagte Lastenausgleichsgesetz so bald wie möglich dem Hohen Haus vorgelegt wird und daß durch dieses Lastenausgleichsgesetz erhöhte Leistungen für alle Unterhaltshilfeempfänger bereitgestellt werden.
Naturgemäß wird sich nach wie vor der Abgabepflichtige, insbesondere der Kleinbesitzer, über die Lasten beklagen, die das Soforthilfegesetz ihm auferlegt. Aber die rein menschlichen Gründe, die uns veranlassen sollten, an die Hilfebedürftigen zu denken, die uns außerdem zwin-
gen müßten, die schreiende Not, die unter den Kriegsvertriebenen und Bombengeschädigten herrscht, zu sehen, führen uns dazu, auch von dieser Stelle aus zu fordern, daß die Leistungen für die Soforthilfe nach Möglichkeit und so rasch wie möglich aufgebracht werden. Nicht zuletzt aber glaube ich darauf hinweisen zu müssen, daß in den Flüchtlingsländern wie Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Bayern ein wachsender Radikalismus um sich greifen wird und nicht zuletzt unter den Unterhaltshilfeempfängern um sich greifen wird, wenn wir nicht so rasch wie möglich das erhöhen können, was wir ihnen zur Verfügung zu stellen bereit sein sollten. Meine Fraktion wird also dem Antrage des Ausschusses zustimmen und bittet die Mitglieder des Hohen Hauses, auch ihrerseits durch ihre Zustimmung dem Antrag zur Annahme zu verhelfen.