Meine Damen und Herren! Kollege Renner hat dieses Heimkehrergesetz als schlecht bezeichnet. Das sollte uns nicht wundern; denn es gibt ja nichts in diesem Hause, was nach der Auffassung der Kommunisten bisher nicht schlecht gewesen wäre.
Ich wünschte nur, Herr Renner hätte diese Rede einmal den Heimkehrern in Friedland und Moschendorf oder denjenigen gehalten, die nicht das Glück haben, in der Bundesrepublik unter dieses Heimkehrergesetz zu fallen, sondern die das Unglück haben, ihre Heimat dort zu haben, wo es kein Heimkehrergesetz gibt.
- Die Dienstverpflichtung, die Tätigkeit in den Uran-Bergwerken oder bei der Volkspolizei! Ich glaube, Herr Renner und die Kollegen von links, wir sind uns über die Zustände, die Sie so großzügig verteidigen, so sehr im klaren, und wir haben so viele Opfer dieser Zustände hier in der Bundesrepublik, daß sich in dieser Diskussion jedes weitere Wort erübrigt.
Wenn man diesem Heimkehrergesetz eine Präambel geben sollte, so müßte sie lauten: Die Jahre in russischer Gefangenschaft zählen für jeden doppelt und dreifach. Selbst wenn es nur zwei oder drei Jahre waren, ging für die jungen Menschen ein ganzer Lebensabschnitt verloren. Ihn aufzuholen ist unmöglich; den Verlust weniger schmerzlich zu machen, das einzig Erreichbare.
Das Heimkehrergesetz ist nach einer zu langen Zeit endlich in die zweite und dritte Lesung gekommen. Wir bedauern es sehr, daß es 61/2 Monate Zeit bedurfte, um hier zur zweiten und dritten Lesung zu kommen. Dafür aber wird ,das Heimkehrergesetz weitestgehend den Wünschen der Heimkehrer gerecht, und ich werde Ihnen, Herr Renner, noch manchen sachlichen Irrtum nachweisen. Wenn Sie behaupten, daß bisher die Heimkehrer in den Ländern zum Teil mehr bekamen, so ist das unrichtig.
Denn der Höchstsatz, der bisher in Hamburg in Höhe von 300 DM gezahlt wurde, ist niedriger als die materielle Gesamthilfe, die nach diesem Heimkehrergesetz 350 DM beträgt. In den meisten Fällen betrug sie nicht einmal 150 DM.
Ich komme damit gleich zu dem Entlassungsgeld. Es ist hier erhöht worden, wie überhaupt manches in diesem Heimkehrergesetz vom Referentenentwurf bis zu dieser Fassung wesentlich verbessert wurde. Meine Damen und Herren,
draußen in der Öffentlichkeit ist ab und zu der falsche Eindruck entstanden, als wenn die Abgeordneten zu den Gesetzentwürfen der Regierung lediglich ja oder nein zu sagen hätten. An diesem Gesetz zeigt sich, wieviel Verbesserungen durch die Ausschußarbeit an einem Gesetz erzielt werden, und der Referentenentwurf und die Fassung, wie sie der Ausschuß ausgearbeitet hat, unterscheiden sich insofern erheblich voneinander, als dieser Ausschußentwurf weitestgehend den praktischen Erfordernissen, wie wir sie uns draußen aus dem Leben herangeholt haben, gerecht wird. Damit erklärt sich vielleicht auch die gewisse Länge, die zeitlich bis zur endgültigen Verabschiedung erforderlich war.
Das Entlassungsgeld ist auf 100 DM erhöht worden. Jawohl, es sind von verschiedenen Seiten Wünsche geäußert worden, es auf 150 DM zu erhöhen, und auch die FDP hat in dem Ausschuß für 150 DM plädiert. Wir haben jedoch schließlich den Einwenden Rechnung getragen, und zwar einstimmig mit Ausnahme des Vertreters der Bayernpartei und der WAV, die sich der Stimme enthielten. Sicher: in Bayern sind 150 DM gezahlt worden; aber, meine Damen und Herren, in Bayern sind keine 250 DM an Überbrückungshilfe gezahlt worden. Das ist entscheidend. In Bayern sind lediglich Naturalleistungen erfolgt, die nach den Ausschußangaben im Geldwert um 70, 80 oder 90 DM schwankten, weil Bayern ,durch großzügige Einkäufe recht billige Anzüge und Gebrauchsgegenstände liefern konnte. Wir haben schließlich festgestellt, daß bei der Erhöhung des Entlassungsgeldes auf 100 DM und bei der Möglichkeit, die Überbrückungshilfe auch noch in bar ausgezahlt zu bekommen, insgesamt für den Heimkehrer - 350 DM ausgeschüttet werden.
Ich muß sagen: ich bin einigermaßen überrascht, daß aus Bayern nun drei Abänderungsanträge vorliegen, die das Entlassungsgeld wieder auf 150 DM erhöhen und die damit unsere Einigung im Ausschuß zunichte machen. Ich möchte betonen: auch die SPD, die als Oppositionspartei ja noch viel eher als die Regierungsabgeordneten die Möglichkeit gehabt hätte, hier Änderungen vorzuschlagen, hat sich den Einwendungen nicht verschlossen, das Entlassungsgeld bei 100 DM zu belassen. Warum? Weil uns gesagt wurde: eine Erhöhung des Entlassungsgeldes auf 150 DM bedeutet eine Mehrausgabe von rund 9 Millionen DM; das bedeutet, daß der Bundesrat nein sagen wird. Er hat den Antrag Bayerns auf Erhöhung des Entlassungsgeldes auf 150 DM bereits abgelehnt, und zwar durchgehend mit Ausnahme der Stimmen Schleswig-Holsteins, soweit mir bekannt ist.
Aber noch etwas anderes spielt hier eine Rolle. Der Vertreter der Heimatvertriebenen brachte zum Ausdruck, daß das Entlassungsgeld ja ohne Prüfung der Bedürftigkeit gezahlt werde, während die Überbrückungsbeihilfe je nach Bedürftigkeit zu zahlen sei, wobei ein großzügiger Maßstab anzulegen sei. Wenn wir hier das Entlassungsgeld erhöhen, so kann es uns passieren, daß bei der Überbrückungshilfe, bei der gerade die Bedürftigen besonders bedacht werden sollen, entsprechend gekürzt werden muß. Eine solche Maßnahme würde sich unsozial auswirken, denn sie träfe in erster Linie die Bedürftigen, die durch den Nachweis ihrer Bedürftigkeit noch zusätzlich in den Genuß der 250 DM kommen sollen. Auch diesen Einwendungen entsprechend haben
wir davon abgesehen, uns in eine Diskussion über 150 DM einzulassen, und wir haben, wie eben gesagt, es fast einstimmig bei der im Gesetz niedergelegten Regelung belassen.
In den übrigen Abschnitten, z. B. im Abschnitt II, sind der Zuzug und die Wohnraumzuteilung so generell geregelt, daß sie auch den Familien zugute kommen. Und auch das, Herr Renner, hat es bisher nicht gegeben! Schon in diesem Punkte bedeutet das Gesetz eine Verbesserung. In diesem Punkt ist auch zum Ausdruck gebracht, daß eine Unterbringungszeit in Krankenanstalten und Erholungsheimen nicht eingerechnet wird. Sehen Sie, Herr Renner, auch das mußten wir .in das Gesetz bringen. Warum? Weil leider der größte Teil unserer Heimkehrer zunächst einige Monate Zeit braucht, um sich nach der unmenschlichen Behandlung überhaupt erst wieder menschenwürdig zu machen, um wieder in das Existenzleben treten zu können. Und es ist mir unverständlich, wie Sie bei dieser Sachlage den Mut haben, zu behaupten, das Heimkehrergesetz brächte nichts Neues.
Im folgenden Abschnitt sind die Sicherung des früheren Arbeitsverhältnisses und der Kündigungsschutz gesetzlich geregelt, und ich betone hier, daß das, was im Gesetz steht, nicht nur für den privaten Arbeitgeber, sondern auch für den Staat und für die öffentlichen Bediensteten gilt.
Sicher, hier kann man in einzelnen Ländern durch die Bestimmungen der Entnazisierung vielleicht die Wirkung des Gesetzes wieder neutralisieren. Wir haben uns auch hier Gedanken gemacht, ob es nicht richtig gewesen wäre, im Heimkehrergesetz grundsätzlich zu regeln, daß die Heimkehrer von den Bestimmungen der Entnazisierung und der Entmilitarisierung nicht mehr betroffen werden. Aber hier kamen wir bereits in einen Kompetenzstreit. Sie wissen ja, daß sich Bund und Länder urn die Frage der Zuständigkeit im Entnazisierungsgesetz streiten. Fest steht: dieser Abschnitt zur Sicherung des Arbeitsverhältnisses und des Kündigungsschutzes wird vor allem bei den öffentlichen Bediensteten eine wesentliche Erleichterung bringen, wenn die Länder diese Paragraphen großzügig interpretieren.