Rede von
Heinrich
Höfler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! An dem vorliegenden Gesetz ist viel und, wie man sagen darf, auch hingebungsvoll gearbeitet worden. Drei Ausschüsse — nicht weniger! — haben es sich manche Stunde kosten lassen, um die Regierungsvorlage, die die Grundlage des Gesetzes bildet, den berechtigten Forderungen der Heimkehrerkreise anzunähern, unter Berücksichtigung freilich der Armut, die in unserem Volke die Wirklichkeit ist. Das Heimkehrergesetz entsprach auch jener Ehrenpflicht des deutschen Volkes, welche wir Hunderttausenden seiner Söhne und Töchter gegenüber fühlten, die als Gefangene die letzten und vielleicht am ärgsten gequälten Opfer eines Wahns waren, der unser Volk an den Abgrund brachte. Ein Heimkehrerverband verlangte von diesem Gesetz, es müsse „den Sinn haben, dem Heimkehrer das Gefühl der Anerkennung seiner vor allen anderen und für alle anderen Deutschen geleisteten Arbeit zu geben und es ihm zu ermöglichen, den Anschluß an ein normales Arbeitsleben zu finden". Dieses Ziel zu erreichen ist wirklich in den Ausschußberatungen versucht worden.
Die Einleitung des Gesetzes bringt den Begriff des Heimkehrers. Er schließt alle ein, die das Schicksal des Heimkehrers zu tragen haben. Mit
hineingenommen sind auch diejenigen Deutschen, die auf Grund eines geschlossenen Arbeitsvertrages in einem Gewahrsamsland als Kriegsgefangene diesen Kriegsgefangenenzustand mit dem des Zivilarbeiters vertauschten. Einbezogen sind ferner diejenigen Deutschen, die wegen ihrer Volkszugehörigkeit oder ihrer Staatsangehörigkeit im Ausland interniert waren, diese freilich mit der Einschränkung, daß sie nicht in Frage kommen, wenn ihre Inhaftierung und Internierung wegen nationalsozialistischer Betätigung erfolgte. Ein unverschuldetes Verzögern der Rückkehr ist in die Frist von zwei Monaten nicht mit einzurechnen.
Der Abschnitt I bringt die Bestimmungen über das Entlassungsgeld und die Übergangsbeihilfe. Während der Regierungsentwurf ein Entlassungsgeld von 50 DM vorsah, war man in sämtlichen Ausschüssen mit Einhelligkeit der Meinung, daß es angemessen wäre, ein Entlassungsgeld von 100 DM zu geben. Die Ausschüsse konnten sich allerdings nicht dem Beispiel eines deutschen Landes, Bayerns, und einem vorliegenden Antrag auf Erhöhung des Entlassungsgeldes auf 150 DM an schließen. In einer längeren Debatte erklärten damals Regierung und Bundesrat, daß eine Erhöhung wohl auf 100 DM tragbar wäre, nicht aber eine Erhöhung auf 150 DM, weil die Erhöhung auf 150 DM für den Heimkehrer einen Mehraufwand von 8,7 Millionen DM zur Folge hätte und damit das Gesetz wahrscheinlich in seiner Annahme sowohl seitens der Regierung wie seitens des Bundesrates gefährdet gewesen wäre. So beschloß der- Ausschuß, bei einem Entlassungsgeld von 100 DM zu bleiben.
Einen gewissen Ausgleich soll dafür die Übergangsbeihilfe für Bekleidung oder Gebrauchsgegenstände in Höhe von 250 DM bieten. Diese kann auf Antrag auch in bar ausgezahlt werden. Aus sehr verständlichen Gründen glaubte man dieses Entgegenkommen der Barauszahlung dem Heimkehrer gegenüber schuldig zu sein, weil er aus verständlichen und nur allzu berechtigten psychologischen Gründen über das, was ihm zusteht, endlich auch einmal selbst verfügen wollte, etwa wenn er sich einkleidete, nachdem er wahrhaftig lange genug auf die Klamotten angewiesen war, die ihm irgendein Unteroffizier auf der Kammer beim Militär oder später ein Lumpenverwalter im Gefangenenlager an den Kopf bzw. vor die Füße warf. Dergleichen Rücksicht auf die gebotene Schonung von Gefühlen und berechtigten Empfindungen entfloß auch die Bestimmung des § 3 Abs. 2, daß bei Feststellung der Bedürftigkeit Großzügigkeit zu walten hat und daß demgemäß von der Anwendung der Prüfungsbestimmungen der Reichsfürsorgepflichtverordnung Abstand genommen werden soll. Darum hat man auch die Auszahlung der Beträge an die Heimkehrer durch die Arbeitsämter und nicht durch die Wohlfahrtsämter veranlaßt.
Es darf gesagt werden, daß die Bestimmungen des Gesetzes über Zuzugsgenehmigung, Wohnungszuteilung, Arbeitsplatzsicherung, Kündigungsschutz, Arbeitsvermittlung und Wohnungsfürsorge nach jeder Richtung hin wohlüberlegt wurden. Es handelt sich dabei um weitere gesetzliche Hilfen, die dem Heimkehrer seine nur allzu verständliche Sorge und Befürchtung um sein Verbleiben, um die Sicherung seines vielfach noch von Lebensangst und Lebensenge überschatteten Daseins mildern sollen. Jene oft genug grausam
wirkenden Bestimmungen über Zuzugsgenehmigung sind für den Heimkehrer für die ersten sechs Monate nach seiner Rückkehr ausgeschaltet. Der Wahnraum ist für ihn und seine Angehörigen gesichert. Das Recht auf den alten Arbeitsplatz lebt auf. Ein weitergehender Kündigungsschutz und bevorzugte Arbeitsvermittlung gehören ebenfalls zu seinen Rechten.
Einen besonderen Hinweis verdient § 9 Abs. 2, in dem bestimmt wird. daß, soweit für die Einstellung in den öffentlichen Dienst eine Altersgrenze besteht, diese für den Heimkehrer um die Zeit heraufgesetzt wird, die seit dem 1. Juni 1945 bis zum Tage der Heimkehr verstrichen ist.
Die in dem Gesetz enthaltenen Formulierungen über Berufsfürsorge und Eingliederung des Heimkehrers ins Berufsleben betrachtet der Ausschuß als ein Herzstück seiner Bemühungen. Was da über Berufs- und Arbeitsberatung, über Ausbildungs- und Umschulungshilfe gesagt ist, darf wohl als ein Versuch bezeichnet werden, jene schmerzlichen und tragischen Opfer wiedergutzumachen, die eine ganze unglückliche Generation deutscher Jugend dem Dämon des Hakenkreuzes zu bringen einfach gezwungen wurde. Die Maßnahmen der Berufsfürsorge nach den Richtlinien zur Förderung der Arbeitsaufnahme und Wirtschaftsausbildung auf Grund der §§ 132 bis 137 und des § 140 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung bedeuten gegenüber dem Regierungsentwurf eine erfreuliche Verbesserung.
Leider ist vorauszusehen, daß es bei vorhandenem gutem Willen aller in Frage Kommenden zuletzt doch nicht gelingt, allen Heimkehrern den geschuldeten Arbeitsplatz zu garantieren. Mit den Bestimmungen über Arbeitslosenhilfe wird darum erstrebt, dem Heimkehrer über unfreiwillige Feierzeiten wenigstens menschenwürdig hinüberzuhelfen.
Während der bemerkenswert einhelligen Beratungen der beteiligten Ausschüsse zu diesem Gesetz überhaupt und zur Frage der Arbeitslosenhilfe im besonderen ergab sich ein guter Wetteifer um eine befriedigende Regelung der Berechnung für die Arbeitslosenunterstützung. Dabei wurde ein Antrag gestellt, die Unterstützung nach einem Arbeitsentgelt von wöchentlich 48 DM statt 42 DM zu bemessen, im Hinblick darauf, daß es sich bei dem Heimkehrergesetz nicht um ein Dauergesetz, sondern um ein sogenanntes auslaufendes Gesetz handele und weil man den Spätheimkehrern eine großzügige Behandlung zubilligen müsse, da sie die längste Zeit in der Gefangenschaft verbringen und Schlimmstes durchmachen mußten. Schließlich wurde auf mittlerer Linie eine Einigung gefunden. Nach § 15 bemißt sich jetzt die Höhe der Arbeitslosenunterstützung mindestens nach einem Arbeitsentgelt von 45 DM wöchentlich, wobei im Einzelfall Hauptunterstützung und Familienzuschläge zusammen bei einem Arbeitsentgelt bis zu 48 DM wöchentlich 80 % des Arbeitsentgelts nach Abs. 1 erreichen können.
Die bei dem Sonderfall des Heimkehrers selbstverständlich gebotene Großzügigkeit kommt auch dadurch zum Ausdruck, daß der § 19 bestimmt, dem Heimkehrer zusätzlich Mietzuschläge und Sonderbeihilfen unter Wegfall der Bedürftigkeitsprüfung zu gewähren. Ebenso bleibt das Arbeitseinkommen des Heimkehrers für die Dauer von 26 Wochen oder die Arbeitslosenunterstützung nach dem gegenwärtigen Gesetz bei der Bedürf-
tigkeitsprüfung außer Bertracht, wenn Angehörige, die mit dem Heimkehrer in Haushaltsgemeinschaft leben, Arbeitslosenfürsorgeunterstützung oder sonstige Mittel aus öffentlicher Fürsorge beziehen.
Die §§ 21 bis 24 regeln dann die Sozialversicherung des Heimkehrers. Sie begründen einen erhöhten Schutz des Heimkehrers auf dem Gebiet der Krankenhilfe und der Familienkrankenhilfe, wobei statt der üblichen Mindestleistungen der Kasse deren Mehrleistungen in Ansatz kommen. Bemerkenswert scheint der Hinweis auf den § 23, der dem Heimkehrer aus Kriegsgefangenschaft den Anspruch auf völlig kostenlosen Zahnersatz garantiert.
Schließlich schien es dem Ausschuß angebracht, über die Regierungsvorlage hinaus dem Heimkehrer für bestimmte Fälle und in gewissem Umfang einen Vollstreckungsschutz zu gewähren. Die in § 25 a enthaltenen Bestimmungen erscheinen geeignet, den Heimkehrer vor einem immerhin denkbaren Überfall sozusagen der Gerechtigkeit zu schützen, ohne daß er mit diesem zeitweiligen Privileg Mißbrauch treiben könnte.
Die Aufwendungen im Sinne des Gesetzes sind Kriegsfolgelasten. Daher werden sie den Trägern der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 26 Abs. 1, den Ländern nach Maßgabe eines auf Grund von Art. 120 des Grundgesetzes noch zu schaffenden Gesetzes vom Bund erstattet.
Der Ausschuß beantragt, der Bundestag möge dem Gesetzentwurf zustimmen und auch die aus der Drucksache ersichtlichen Entschließungen annehmen, damit das Gesetz mit Wirkung vom 1. April dieses Jahres gültig wird. Wir wünschen, daß das Gesetz seinen Zweck erfüllt: dem Heimkehrer bei der Neugestaltung seines persönlichen Lebens als Privatmann und auch als Bürger eines Volkes der Arbeit und des guten Willens zu helfen. Es wäre auch schon etwas erreicht, wenn es gelänge, mit den Mitteln dieses Gesetzes aus dem Heimkehrer bald einen in Wahrheit Heimgekehrten zu machen.