Meine Damen und Herren! Wir ersuchen ,die Regierung um Vorlegung eines Gesetzentwurfes zur Verwendungsordnung der ERP-Zuwendungen, was sich formal daraus begründet, daß der Art. III des beschlossenen Gesetzes über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten von Nordamerika und der Bundesrepublik gilt. Danach sind die Gegenwertmittel eine ausländische Staatsanleihe und als solche ein Bundessondervermögen. Dieses Sondervermögen unterliegt der Beschlußfassung des Parlaments. Die Regierung wäre längst verpflichtet gewesen, von sich aus eine Vorlage über die beabsichtigte Verwendung vorzulegen. Sie hat bisher nur einen interministeriellen ERP-Mittel-Verteilungsausschuß, der kein Ersatz für einen parlamentarischen Ausschuß sein kann, da er eine reine Verwaltungsangelegenheit" ist.
Über diese Würdigung des Tatbestandes besteht im ERP-Ausschuß des Bundestages weitgehend Einmütigkeit, und der Herr Vorsitzende des Ausschusses Dr. Pünder hat bereits entsprechend an den Herrn Minister Blücher geschrieben, ist aber bis jetzt leider nur vertröstet worden. Das Kabinett ist in dieser Angelegenheit bis jetzt nicht zu einer Entscheidung gekommen.
Wichtiger als diese formale Begründung, die ohne Zweifel die Zustimmung des ganzen Hauses haben wird, ist die sachliche Begründung dieser Verzögerung. Bei den ERP-Mitteln handelt es sich um die Zuführung von Anlagekapitalien an wichtigste Punkte des Aufbaues, d. h. zur Bekämpfung der Erwerbslosigkeit. Diese Verteilung der Kapitalien ist das A und 0 jeder Arbeitsbeschaffungspolitik. Das Parlament und insbesondere die Abgeordneten des ERP-Ausschusses werden mit Zahlenmaterial derart überhäuft, mit Zahlen, die alle möglichen wirtschaftichen Vorgänge belegen, daß selbst der Interessierte von dem Wust des Materials erstickt wird. Alle diese Planzahlen wechseln aber in ihrem Bestande ständig, da sie bis zur Stunde keinerlei gesetzliche Grundlage haben. Dadurch ist jede Übersichtlichkeit hinsichtlich der Verwendung dieser Gelder inzwischen verlorengegangen.
Ebensowenig übersichtlich wie in dieser Verwendung der ERP-Gelder ist die Politik der Regierung in dem, was sie Arbeitsbeschaffungsplanung genannt hat. Für diese Arbeitsbeschaffungsplanung werden ERP-Gelder gebraucht. Die Bundesregierung hat bei der großen Debatte in diesem Hause über die Bekämpfung der Erwerbslosigkeit ein Programm ad hoc vorgelegt, welches, wie Sie sich erinnern werden, damals nicht die Billigung dieses Hauses gefunden hat. Die Regierung hat sich über die Forderung des Hauses, ein neues Arbeitsbeschaffungsprogramm vorzulegen, hinweggesetzt, und erst dieser Tage lasen wir in der Zeitung, daß ein solches Programm für den Herbst vorgelegt werden soll. Schon bei erster Durchsicht auch dieses neuen Programms ergibt sich aus den Angaben der Milliardenzahlen, daß seine Durchführung völlig im Reich der Phantasie liegt.
Die Planlosigkeit der Kapitalverwendung ohne gesetzliche Grundlage scheint mir ihre Ur-
sache in dem wirtschaftspolitischen Dogmatismus der Regierung zu haben, die den Grundsatz befolgt, nicht in den Bereich der Wirtschaft einzugreifen. Es ist paradox, daß einer der dogmatischsten Vertreter des sogenannten Neoliberalismus, eben der Herr Minister Blücher, sich zur Aufgabe gestellt hat, die Gelder des Marshallplanes „planmäßig" — wie schon der Name sagt — zu verwenden. Eine solche prinzipielle Planlosigkeit, losgelassen auf eine notwendig planmäßige Kapitalverwendung, muß zu diesem Durcheinander in unserer Arbeitsbeschaffungs-
und in unserer ERP-Planung führen. Aber man muß auch feststellen, daß die Vereinigten Staaten an dem Planungsdurcheinander nicht völlig unschuldig sind. Ich möchte Ihnen nur ein kleines Beispiel dafür geben, wie hier vorgegangen wird. Die Hohe Kommission und ihre Wirtschaftsberater haben zum Beispiel für das erste Quartal die Einfuhr von 150 000 t Sojabohnen vorgesehen. Im Laufe des Quartals wurde der Plan urn-geworfen, und statt dessen wurden Öle und Fette eingeführt, womit zugleich in der Ölmühlenindustrie natürlich eine Depression und Arbeiterentlassungen ausgelöst wurden.
Mit einer solchen „Planung", die jeder Kontinuität entbehrt, kann man nicht zu dem von allen Beteiligten angeblich geforderten Ergebnis kommen, der Erwerbslosigkeit nachhaltig zu Leibe zu rücken. Meine Herren von den Regierungsbänken, ich glaube, die Regierung wird augenblicklich im Volk wesentlich danach beurteilt, was sie gegen die Erwerbslosigkeit zu unternehmen bereit und in der Lage ist. Bisher haben wir nichts als Vertröstungen gehört. Das Mißtrauen der Bevölkerung gegen die Wirtschaftspolitik dieser Regierung ist deshalb im Ansteigen. Die öffentliche Kontrolle der ERP-Kredite, die hier beantragt wird, ist nur ein kleiner Ausschnitt aus der gesamten wirtschaftspolitischen Konzeptionslosigkeit der Regierung von heute. Sie hat bisher nicht bewiesen, daß sie bereit wäre, in dieser Richtung eine Besserung eintreten zu lassen.
Deshalb bitte ich das Hohe Haus abschließend, unserem Antrag seine Zustimmung zu geben. Der Antrag enthält nur das, was auch der ERP-Ausschuß bereits einstimmig gefordert hat, ohne allerdings von dem Minister bisher darauf eine positive Antwort erhalten zu haben.