Gesamtes Protokol
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Der Ältestenrat hat sich in seiner gestrigen Sitzung
darauf verständigt, die Frist für die Einreichung von Fra-
gen für die Fragestunde am Dienstag, dem 9. Februar
2010, auf Donnerstag, den 4. Februar 2010, 10 Uhr, vor-
zuverlegen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 18 a und 18 b auf:
a) Erste Beratung des von der Bundesregierung einge-
brachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stabilisierung
der Finanzlage der Sozialversicherungssysteme
und zur Einführung eines Sonderprogramms mit
Maßnahmen für Milchviehhalter sowie zur Än-
– Drucksache 17/507 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
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b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE LINKE
Versicherte in der Krise schützen – Finanzsitua-
tion der gesetzlichen Krankenversicherung
und der Bundesagentur für Arbeit entschärfen
– Drucksache 17/495 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Nach einer interfraktionellen Vereinbarun
die Aussprache eineinhalb Stunden vorgeseh
höre dazu keinen Widerspruch. Dann ist das so
sen.
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Guten Morgen, Herr Präsident! Meine sehr verehrtenamen und Herren! Die soziale Marktwirtschaft als dieirtschafts- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepu-lik ist keine Schönwetterveranstaltung. Sie hat sich inrer mehr als 60-jährigen Geschichte vor allen Dingenei großen Herausforderungen bewährt. Dabei kam esns allen zugute, dass unsere Wirtschafts- und Gesell-chaftsordnung kein statisches System ist, sondern sichtändig fortentwickelt hat.Der Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkriegar die Geburtsstunde und zugleich die erste Bewäh-ngsprobe einer Ordnung, die Freiheit und Verantwor-ng miteinander verknüpft. Sie hat wesentlich dazu bei-etragen, dass viele von dieser Phase als der Zeit desirtschaftswunders sprechen. Diese Ordnung hat Staatnd Markt so miteinander verknüpft, dass die Verhei-ung vom „Wohlstand für alle“ sich nicht lediglich fürenige erfüllte.extDie Wiedervereinigung war eine große Bewährungs-probe, aber auch eine Bestätigung für das Konzept dersozialen Marktwirtschaft, in dem Maß und Mitte einezentrale Rolle spielen. Mit der Wirtschafts-, Währungs-und Sozialunion wurde die soziale Marktwirtschaft alsdie Ordnung für das gesamte Deutschland fortentwi-ckelt. In einer beispiellosen Solidaritätsaktion wurdendie Folgekosten des Sozialismus übernommen und derGrundstein für eine Erfolgsgeschichte der Ideen vonLudwig Erhard, Wilhelm Röpke und Alfred Müller-Armack gelegt.
eiten der beiden ersten großen Heraus-serer Ordnung ist es wiederum einele Regierung, die die soziale Marktwirt-stab für ihre Handlungen in der Kriseg sind füren. – Ich beschlos-Wie zu den Zforderungen unchristlich-liberaschaft als Maß
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1738 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Parl. Staatssekretär Steffen Kampeternimmt, dieses Mal für die Wiedererlangung von Wachs-tum und Stabilität nach der weltweit größten Wirt-schafts- und Finanzkrise nach dem Zweiten Weltkrieg.Die Rezession ist vorbei; die Gefahr von Rückschlägenkann jedoch nicht ausgeschlossen werden. In jedemFalle sind die Krisenfolgen allerorten noch deutlichspürbar. Dies gilt nicht nur für die Finanzmärkte, diedurch eine internationale Aktion stabilisiert wurden; diesgilt auch für die sozialen Sicherungssysteme, die krisen-bedingt unter einem erheblichen Stress stehen.Wir, die christlich-liberale Regierung, wollen die An-passungslasten in den sozialen Sicherungssystemennicht ausschließlich den Beitragszahlern aufbürden. Ineiner sozialen Marktwirtschaft, so wie wir sie verstehen,gilt es jetzt, Beschäftigung und die sozialen Sicherungs-systeme in einer gleichwohl ungewöhnlichen Solidari-tätsaktion zu stabilisieren. Diesem Ziel, dieser Fortent-wicklung der sozialen Marktwirtschaft, dient der heuteeingebrachte Gesetzentwurf.
Wir wollen konjunktur- bzw. krisenbedingte Minder-einnahmen in der Arbeitslosenversicherung und in dergesetzlichen Krankenversicherung mit Steuermittelnauffangen und damit sowohl die Lohnzusatzkosten alsauch die Nettoeinkünfte der sozialversicherungspflichtigBeschäftigten stabilisieren. Das heißt, im Bereich derBundesagentur für Arbeit soll das nach bisherigerRechtslage im Haushaltsjahr 2010 zu gewährende Darle-hen in einen Zuschuss an die Bundesagentur umgewan-delt werden.Der Regierungsentwurf zum Bundeshaushalt 2010sieht hierfür einen Betrag in Höhe von 16 MilliardenEuro vor. Ausschlaggebend ist: Ohne diesen Zuschussdes Bundes müsste der Beitragssatz zur Arbeitslosenver-sicherung spürbar erhöht werden. Nur so würde die Bun-desagentur für Arbeit in die Lage versetzt werden, dassonst notwendige Darlehen zeitnah zurückzuzahlen. Ichbin sicher, dass Sie meine Meinung teilen: Eine signifi-kante Erhöhung des Beitragssatzes zur Arbeitslosenver-sicherung wäre in der gegenwärtigen arbeitsmarkt- undkonjunkturpolitischen Lage gelinde gesagt mehr als kon-traproduktiv. Sie gilt es zu vermeiden.
Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherungsoll der Gesundheitsfonds im laufenden Jahr einen ein-maligen zusätzlichen Zuschuss in Höhe von 3,9 Milliar-den Euro erhalten. Ohne diesen einmaligen Zuschuss zurKompensation krisenbedingter Einnahmeausfälle im Be-reich der gesetzlichen Krankenversicherung würde sichder Druck auf die gesetzlichen Krankenkassen – Stich-wort Zusatzbeiträge – noch weiter erhöhen, als es zumgegenwärtigen Zeitpunkt bedauerlicherweise der Fall ist.Unter Berücksichtigung dieses zusätzlichen Zuschus-ses erhält der Gesundheitsfonds im laufenden Jahr Zu-schüsse aus dem Bundeshaushalt in Höhe von fast16 Milliarden Euro; das sind rund 5 Prozent der von derRegierung veranschlagten Ausgaben für das Jahr 2010.Nehmen wir die Bereiche Arbeitslosenversicherung undgliMledtiwddeaMbtiöpwGlidEwecIm4ufeinBsnruMdKLjaDkihLtetedregin
Zur Unterstützung der milcherzeugenden Land-irte schaffen wir einen Ausgleich der konjunkturell be-ingt schwierigen Einnahme- bzw. Liquiditätssituationer deutschen Landwirte. Es geht auch darum, im Sinneiner nachhaltigen Entwicklung leistungsfähige Betriebem Markt zu erhalten. Uns ist es besonders wichtig, dieilchproduktion an sogenannten Grünlandstandorten zuewahren. Auf Grünland besteht häufig keine Alterna-ve zur Milchproduktion. Gleichzeitig ist Grünland auskologischen, aber auch aus landschaftskulturellen As-ekten ein Milcherzeugungsstandort, der in der gegen-ärtig schwierigen Situation auch unter konjunkturellenesichtspunkten einer besonderen Beachtung bedarf.
Neben dem Grünlandmilchprogramm, dessen wesent-cher Bestandteil das Milchsonderprogramm ist und füras der Bund im laufenden Jahr ungefähr 300 Millionenuro aufbringt, wird der Bereich Landwirtschaft miteiteren Maßnahmen unterstützt. Wir stabilisieren durchinen Zuschuss die landwirtschaftliche Unfallversi-herung. Zudem gibt es Liquiditätshilfen für Landwirte. Jahr 2010 sind für die Landwirtschaft insgesamt25 Millionen Euro zusätzlich vorgesehen. Es bleibt beinserer Festlegung, die wir im Koalitionsvertrag getrof-n haben: Wir werden den Bereich der Landwirtschaft diesem und im kommenden Jahr auf Initiative derundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner mit insge-amt 750 Millionen Euro zusätzlich unterstützen.
Neben diesen drei finanziellen Unterstützungsmaß-ahmen enthält der Entwurf dieses Gesetzes auch Ände-ngen im Bereich der Arbeitsmarktpolitik; denn sozialearktwirtschaft bedeutet auch, in dieser Krisensituationie Lebensleistung der Menschen zu berücksichtigen.onkret: Wir verdreifachen das Schonvermögen fürangzeitarbeitslose von 250 auf 750 Euro pro Lebens-hr.
ie Menschen, die infolge der Finanz- und Wirtschafts-rise ihre Arbeit verlieren, sollen nicht gezwungen sein,re private Altersvorsorge aufzulösen, um damit ihrenebensunterhalt zu finanzieren, und dies im schlimms-n Fall mit der möglichen Folge, dass sie im Alter un-rstützungsbedürftig werden. Demgegenüber erfordertie von uns vorgeschlagene gerechtere Vermögensan-chnung mehr Eigenverantwortung. Sie ist ein wichti-er Beitrag zur Vermeidung von Altersarmut. Sie stärkt allen Bevölkerungsgruppen die Anreize, für das Alter
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Parl. Staatssekretär Steffen Kampetervorzusorgen. Sie ist gelebte soziale Marktwirtschaft, sowie sie die christlich-liberale Koalition versteht.
Bundesminister Schäuble hat bereits in der vergange-nen Haushaltswoche bekräftigt: Der Bundeshaushalt2010 ist ein wichtiger und zentraler Meilenstein zur Über-windung der Finanz- und Wirtschaftskrise. Wir schreibendie Konjunkturpakete I und II und das Bürgerentlas-tungsgesetz fort, und wir entwickeln das Sofortpro-gramm der christlich-liberalen Koalition weiter. Aber erstmit dem Inkrafttreten des heute vorgelegten Entwurfs desSozialversicherungs-Stabilisierungsgesetzes können dieMaßnahmen tatsächlich umgesetzt werden. Der Bundes-haushalt auf der einen und dieses Gesetz auf der anderenSeite sind eng miteinander verzahnt.Beide tragen dazu bei, dass die Lasten bei der Bewäl-tigung der großen Finanz- und Wirtschaftskrise nichteinseitig und ungerecht verteilt werden.Zulasten der öffentlichen Haushalte haben wir dasÜberleben des Finanzsektors unseres Landes gesichert.Jetzt wollen wir der Gesamtheit der Beitragszahler zuden sozialen Sicherungssystemen in einer entsprechen-den Weise Teile der Lasten abnehmen. Das ist die Ziel-setzung dieses Gesetzesvorhabens.So richtig und wichtig es ist, in der gegenwärtigenKrise zu stabilisieren, so richtig und wichtig ist es auch,auf eine konsistente und geordnete Strategie für denAusstieg aus den staatlichen Stabilisierungsmaßnahmenzu achten und diese – das haben wir angekündigt – ent-schieden durchzusetzen. Das heißt auch: Wir müssen unsjetzt mit Bedacht mit den Strukturen des Bundeshaushal-tes und mit den Strukturen unserer sozialen Sicherungs-systeme beschäftigen. Wir müssen gerade im Hinblickauf die neue Schuldenregel im Grundgesetz ganz genauhinschauen: Wo gibt es Ineffizienzen? Was können wirbesser machen? Wo besteht über dieses Gesetz hinausordnungspolitischer Handlungsbedarf?Dabei ist für uns die soziale Marktwirtschaft im21. Jahrhundert Maßstab des Handelns zur Wiedererlan-gung von Wachstum und Stabilität.Das bedeutet für diese Bundesregierung: Wir lassendie Menschen nicht im Stich. Konsolidierung und Ge-rechtigkeit sind kein Widerspruch, nein, sie bedingeneinander. Auf unsere Wirtschaftsordnung, die sich in derKrise so handlungs- und reaktionsfähig zeigt, sollten wirstolz sein. In diesem Sinne werbe ich um die Zustim-mung zu diesem Gesetz.
Das Wort hat nun Bettina Hagedorn für die SPD-
Fraktion.
Verehrter Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-gen! Herr Kollege Kampeter, ich bin Ihnen eigentlichshEvbdwksddEmlejaüabndgvfrdvgdKa2RKhsdMriZssAreGbg
Wir reden heute über den Entwurf eines Gesetzes mitem prägnanten, aber leicht irreführenden Titel „Sozial-ersicherungs-Stabilisierungsgesetz“. Die Gesetzesbe-ründung gibt vor, die in der Wirtschaftskrise notleiden-en sozialen Sicherungssysteme bei Arbeitslosigkeit undrankheit jeweils mit einem einmaligen Steuerzuschussbsichern zu wollen – ich sprach schon davon:0 Milliarden Euro sollen es laut Haushaltsentwurf deregierung sein –, um Beitragserhöhungen mitten in derrise zu vermeiden und die Lohnnebenkosten stabil zualten. Ein prinzipiell guter und richtiger Gedanke, demich auch die SPD prinzipiell sofort anschließen kann.Aber Achtung: Nur weil jemand einen richtigen Ge-anken zu haben vorgibt oder ein richtiges Ziel wie eineonstranz vor sich herträgt, will er noch lange nicht diechtigen Instrumente gesetzlich festlegen, um diesesiel auch tatsächlich zu erreichen.
Mit den Namen von Gesetzen ist es bei dieserchwarz-gelben Koalition ja so eine Sache, wie wirchon in den ersten Regierungsmonaten lernen mussten.uf der Verpackung steht manchmal etwas ganz ande-s, als drin ist.
emeinhin ist dieser Tatbestand als Etikettenschwindelekannt. Das war schon beim Wachstumsbeschleuni-ungsgesetz so,
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Bettina Hagedornvon dem alle Sachverständigen der Republik überein-stimmend sagen, dass es weder zu wirtschaftlichemWachstum führt noch dieses etwa beschleunigt.
Schuldenbeschleunigungsgesetz oder Hotelierförderge-setz wären zutreffendere Namen.
Wie dem auch sei, wer keinem Etikettenschwindel auf-sitzen will, der ist gut beraten, sich den Inhalt kritischanzuschauen und auch das Kleingedruckte zu lesen.Was also steckt im sogenannten Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetz? Es steckt ein ganzer Bauchladendrin, ein Maßnahmebündel, das teilweise gut und richtigist
und teilweise in die falsche Richtung geht. Da ist zu-nächst das Sonderprogramm für Milchviehhalter inHöhe von knapp 200 Millionen Euro pro Jahr. Da sinddie Gründland- und die Kuhprämie, für die im Gesetz-entwurf minutiös 54 Rinderarten aufgelistet sind. Das istsicherlich weder ein Beitrag zum Bürokratieabbau à laFDP noch einer zur Stabilisierung der sozialen Siche-rungssysteme.
Mein Kollege Wilhelm Priesmeier wird noch im Detaildarauf eingehen.Als weitere Maßnahme sieht der Gesetzentwurf dieVerdreifachung des sogenannten Schonvermögens vor,das Menschen, die Arbeitslosengeld II beziehen, zurVorsorge für das Alter absichern soll. Dieser Maßnahmestimmt die SPD mit ganzem Herzen zu. Schade ist nur,liebe Kollegen der CDU/CSU, dass Sie solche vernünfti-gen sozialen Maßnahmen, solange wir gemeinsam re-giert haben, stets blockierten und erst jetzt auf solchevernünftigen Vorschläge kommen.
Das könnte mit dem sozialeren Teil Ihrer Partei und mitbevorstehenden Wahlen in NRW zu tun haben. EinSchelm, der Böses dabei denkt! Wie dem auch sei, mitdieser Maßnahme helfen wir zu Recht einer Bevölke-rungsgruppe. Leider ist dies nur eine sehr kleine; dennnach Zahlen der Bundesagentur für Arbeit aus dem drit-ten Quartal 2009 können nur 0,2 Prozent der Antragstel-ler auf Arbeitslosengeld II von dieser Regelung profitie-ren. Immerhin, für diejenigen, die jahrzehntelanggearbeitet, gespart oder geerbt haben und jetzt gerade inder Krise – entgegen der Unterstellung von Ministerprä-sident Koch meist trotz großer Bemühungen um einenneuen Arbeitsplatz – ohne Chance auf einen Job bleiben,isBzkisAwsdgHspfüsEgimWn1sssdtishsweduinddsdEhz
t es tröstlich und gerecht, dass ihnen dieser stattlicheetrag zur zusätzlichen Altersvorsorge bleibt.
Ferner sieht dieser Gesetzentwurf einen steuerfinan-ierten einmaligen Zuschuss an die gesetzliche Kran-enversicherung von 3,9 Milliarden Euro vor. Auch dast eine grundsätzlich positive und richtige Maßnahme.llerdings bleibt die Frage, warum in diesem Gesetzent-urf krisenbedingte Einnahmeausfälle im Bereich Ge-undheit in Höhe von 3,9 Milliarden Euro genannt wer-en und bei der Bundesagentur für Arbeit der komplettleiche Sachverhalt nicht mit einer klaren Zahl wie imaushaltsentwurf, nämlich 16 Milliarden Euro, be-chrieben wird, sondern mit einer ausgesprochen kom-lizierten Formulierung. Dies wird automatisch dazuhren, dass die Bundesagentur für Arbeit bis Ende die-es Jahres ihre momentane Rücklage von 3 Milliardenuro komplett plündern muss. Denn uns wurden niedri-ere Arbeitslosenzahlen prognostiziert; dies wurde uns Jahreswirtschaftsbericht diese Woche gezeigt.
enn man das zugrunde legt, dann kommen wir auf ei-en steuerfinanzierten Zuschuss an die BA nicht von6 Milliarden Euro, wie Sie uns glauben machen wollen,ondern von ungefähr 10 Milliarden Euro.
s war durchaus das Ziel unserer gemeinsamen Bemü-ungen, den Arbeitslosenversicherungsbeitrag von 6,5 Pro-ent auf aktuell 2,8 Prozent zu senken. Dadurch sind Ar-
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Bettina Hagedornbeitnehmer und Arbeitgeber in den letzten Jahren um70 Milliarden Euro entlastet worden.
Diese 70 Milliarden Euro haben dann aber logischer-weise der Bundesagentur für Arbeit gefehlt.Wenn Sie nicht ab 2011 wieder einen angemessenenArbeitslosenversicherungsbeitrag erheben oder Steuer-zuschüsse über 2011 hinaus gewähren, werden Sie – daswollen Sie offensichtlich – die aktive Arbeitsmarktpoli-tik der Bundesagentur für Arbeit an die Wand fahren.
Das Problem ist doch: Der Zuschuss, über den hier heuteberaten wird, ist einmalig, das Defizit aber nicht.Als Herr Weise im Dezember im Haushaltsausschussden Haushalt der Bundesagentur für Arbeit für 2010vorgestellt hat, hat er, auf Nachfrage, auch gesagt, dassdie BA in Krisenzeiten wie den jetzigen, um auskömmli-che Einnahmen zu haben, einen Arbeitslosenversiche-rungsbeitrag von 4,5 Prozent bis 4,8 Prozent bräuchte.Bei dem Berichterstattergespräch, das vor ein paar Tagenim Bundesministerium für Arbeit stattfand – auch FrauWinterstein und Herr Fischer waren dabei –, hat HerrWeise gesagt: Auch wenn wir keine Krise hätten,bräuchte er, um auskömmlich wirtschaften zu können,einen Arbeitslosenversicherungsbeitrag von 3,25 Pro-zent. Da der Arbeitslosenversicherungsbeitrag aber bei2,8 Prozent liegt und der von Ihnen vorgeschlagene Zu-schuss ein einmaliger Zuschuss sein soll, ist eines klar:Dieses Gesetz trägt die Beitragserhöhung ab 2011 schonin sich.
Mehr netto vom Brutto entpuppt sich unter diesemGesichtspunkt als reine Augenwischerei.
Die Koalition hat dieses Ziel insbesondere im Wahl-kampf wie eine Monstranz vor sich her getragen. InWahrheit wird mit den Differenzen zwischen Haushaltund Gesetz, die ich gerade zu erläutern versucht habe,der Wählerbetrug offenbar. Was Sie ab 2011 machen, be-deutet doch nichts anderes, als dass – das ist hier ange-legt – der Arbeitslosenversicherungsbeitrag massiv stei-gen muss. Sie wollen es nur noch nicht zugeben, vorallen Dingen nicht vor der Wahl in NRW.Den Gesundheitsbereich stützen Sie einmalig mit3,9 Milliarden Euro aus Steuermitteln. Ab 2011 wollenSie aber die Arbeitgeberbeiträge deckeln. Auch dasgeht zulasten der Arbeitnehmer; denn in dieser Maß-nahme ist versteckt, dass die Zusatzbeiträge – im Mo-ment ist davon die Rede, dass ein Zusatzbeitrag von8 Euro erhoben werden soll – massiv steigen müssen.Hinzu kommt, dass Sie wollen, dass auch für die Pflegeprivat vorgesorgt wird. Rechnet man all das zusammen,erkennt man, dass für die normale Familie, für den nor-malen Arbeitnehmer in Deutschland spätestens ab 2011erheblich weniger netto vom Brutto übrig bleiben wird.DteBKDfitedssZdueSSsDKRSFHSHAJgvS
ieses Gesetz stabilisiert die sozialen Sicherungssys-me leider nur für ein Jahr. Dieses Gesetz verhinderteitragserhöhungen bei Arbeitslosenversicherung undrankenversicherung leider nur für ein Jahr.
ieses Gesetz ist eine unehrliche Antwort auf die Unter-nanzierung der sozialen Sicherungssysteme. Diese Un-rfinanzierung wird zwar, wie wir alle wissen, durchen demografischen Wandel verursacht; durch die mas-iven Steuersenkungen, die Sie vornehmen wollen, ver-chlimmern Sie diese Unterfinanzierung aber mutwillig.
u diesem Gesetzentwurf muss – da sind wir uns beiiesem Volumen und dieser Brisanz für unseren Staatnd für die sozialen Sicherungssysteme sicherlich einig –ine Anhörung stattfinden.Ich sage abschließend: Mit diesem Gesetz spannenie tatsächlich, wie Sie es dargestellt haben, einenchutzschirm auf – allerdings für die Kälte, die Sieelbst erzeugen.
as ist mitnichten eine Solidaritätsaktion, Kollegeampeter. In Wahrheit ist es so, als würden Sie einenadiator gegen die Kälte anstellen und gleichzeitig dentrom abschalten.Ich danke Ihnen.
Das Wort hat nun Claudia Winterstein für die FDP-
raktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Wir befassen uns hier mit dem zweiten Teil derofortmaßnahmen der Koalition, nämlich – Frauagedorn hat es schon gesagt – dem Schutzschirm fürrbeitnehmer. Nach der steuerlichen Entlastung zumahreswechsel durch das Wachstumsbeschleunigungs-esetz werden hiermit weitere Punkt aus der Koalitions-ereinbarung umgesetzt.Frau Hagedorn, haben Sie eine Glaskugel, oder legenie Karten?
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Dr. Claudia WintersteinIch frage mich, wie Sie zu Ihrem Urteil über das Wachs-tumsbeschleunigungsgesetz kommen, das gerade ein-mal seit vier Wochen in Kraft ist. Warten Sie es docheinfach ab! Sie werden ganz sicher positiv überraschtwerden.
Das geplante Darlehen an die Bundesagentur für Ar-beit wird in einen Zuschuss umgewandelt. Der Gesund-heitsfonds erhält einen zusätzlichen Bundeszuschuss.Das Gesetz beinhaltet eine besonders gute Nachricht fürdie Menschen – das ist schon gesagt worden –, die der-zeit vielleicht Sorge um ihren Arbeitsplatz haben oderseit einiger Zeit arbeitslos sind und möglicherweise indie Lage kommen, Arbeitslosengeld II beziehen zu müs-sen: die Anhebung der Freibeträge für die Altersvor-sorge. Diese Freibeträge werden – wie vor der Wahl ver-sprochen und in der Koalitionsvereinbarung festgelegt –von 250 Euro auf 750 Euro pro Lebensjahr erhöht unddamit verdreifacht. Hierzu wird mein Kollege JohannesVogel nachher Näheres berichten.Das Gesetz beinhaltet außerdem zwei gute Nachrich-ten für alle Beitragszahler in der Sozialversicherung: Diekonjunkturell bedingten Mindereinnahmen in derKrankenversicherung und der Arbeitslosenversicherungwerden nicht in vollem Umfang den Beitragszahlern auf-gebürdet, sondern mit einem Zuschuss vom Bund aufge-fangen. Beide Versicherungen müssen 2010 mit einemerheblichen Defizit rechnen; das ist uns allen klar. DerBund deckt das erwartete Defizit bei der Krankenver-sicherung mit seinem Zuschuss zu mehr als der Hälfte ab– Frau Hagedorn, das ist ein festgelegter Betrag in Höhevon 3,9 Milliarden Euro –, bei der Arbeitslosenversiche-rung sogar in vollem Umfang. Insofern ist hier nicht voneiner Kürzung die Rede. Es gibt diese unterschiedlichenBeträge, weil wir eben noch nicht genau wissen, wiehoch das Defizit ausfallen wird. Die Höhe des Zuschus-ses richtet sich nach der Größe des Defizits.
Wirtschaftskrisen wirken sich bei der Bundesagenturfür Arbeit immer besonders stark aus, weil sie sowohl beiden Einnahmen wie auch bei den Ausgaben betroffen ist:Die Einnahmen brechen weg, weil es weniger Beschäf-tigte gibt und die Versicherung somit geringere Einzah-lungen erhält; die Ausgaben steigen, weil es mehr Ar-beitslose gibt, von denen Leistungen bezogen werden.Mit dem Defizit aus dem Jahr 2009 in Höhe von 13,9 Mil-liarden Euro ist die Bundesagentur ja noch selber zurecht-gekommen, weil sie Geld aus der Rücklage entnehmenkonnte. Im Jahr 2010 sieht das anders aus: Wir müssenvon einem Defizit von bis zu 17,8 Milliarden Euro ausge-hen. Wir wissen aber noch nicht, ob das Defizit so hochsein wird, und warten die weitere wirtschaftliche Ent-wicklung ab. Dementsprechend wird der Zuschuss aus-fallen:
vielleicht 16 Milliarden, 14 Milliarden oder 17 Milliar-den Euro. Wir wissen es noch nicht. Frau Hagedorn, ichdenke, als Haushälterin sollten Sie sich freuen, wenn esleEcHBInbcdwhwddddgssbudBJtrklidz2daaSDfotiK–
Schon von der vorherigen Regierung war im erstenaushaltsentwurf für 2010 verankert worden, dass dieundesagentur ein entsprechendes Darlehen bekommt.sofern sind wir einen Schritt weitergegangen: Wir ha-en gesagt, dass ein Darlehen zum jetzigen Zeitpunkt si-her ein Problem wäre, weil die Bundesagentur nicht iner Lage wäre, dieses zurückzuzahlen, es sei denn – dasollen wir nicht –, die Beiträge würden erhöht. Daheraben wir uns entschlossen, hier einen Zuschuss zu ge-ähren. Das ist zwar eine hohe Belastung für den Bun-eshaushalt – das muss man ganz klar sehen –; aber ichenke, es ist die einzige praktikable Lösung, die es iniesem Jahr gibt.Es ist aus meiner Sicht wichtig, hinzuzufügen, dassiese Entlastungsmaßnahmen natürlich für das Jahr 2010elten und nicht auf Dauer angelegt sind. Ich habe auchchon in der Beratung zum Einzelplan 11 deutlich ge-agt: Wir wollen, dass die im Koalitionsvertrag verein-arte Aufgabenkritik sehr bald zu konkreten Ergebnissennd damit eben auch zu Kostensenkungen bei der Bun-esagentur führt; denn wir wollen eine Erhöhung dereitragssätze vermeiden.Auch beim Gesundheitssystem strahlt die Krise insahr 2010 aus. Die Einnahmen aus den Versichertenbei-ägen werden nicht ausreichen, um alle Gesundheits-osten abzudecken. Deswegen müssen wir nun zusätz-ch und – ich betone – einmalig 3,9 Milliarden Euro ausem Bundeshaushalt zur Verfügung stellen. Der Steuer-uschuss an den Gesundheitsfonds wächst damit im Jahr010 auf 15,7 Milliarden Euro an. Bedenklich ist, dassamit das Geld für die Krankenkassen noch immer nichtusreicht. Millionen Versicherte werden Zusatzbeiträgen ihre Kassen zahlen müssen.Das ist kein Betriebsunfall und schon gar nicht diechuld des jetzigen Gesundheitsministers.
er Zusatzbeitrag in Kombination mit dem Gesundheits-nds war der faule Kompromiss in der Gesundheitspoli-k der Großen Koalition, zwei völlig gegensätzlicheonzepte zu vereinen.
Nein, nein.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1743
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Dr. Claudia WintersteinDie Ausgabeseite wurde dabei von Ulla Schmidt völ-lig vernachlässigt. Als Folge davon wurden die Ausga-ben der Kassen – das muss man sich einmal vorstellen –von 144 Milliarden Euro im Jahre 2005 auf über167 Milliarden Euro im Jahre 2009, also um 23 Milliar-den Euro, angehoben. Die Zeche zahlen jetzt die Versi-cherten.Durch die jetzt entstandene Situation wird überdeut-lich gezeigt, dass wir die Gesundheitsfinanzierungdringend neu organisieren müssen. Die Regierungskom-mission wird hierzu ja auch Vorschläge unterbreiten.Es geht aber natürlich auch darum, Effizienzreservenim System ausfindig zu machen. Wir wollen die Ausga-ben durch mehr Wettbewerb dämpfen und müssen prü-fen, ob wir durch bessere Organisationsstrukturen effek-tiver mit den Beitragsgeldern umgehen können.
Auch die Kassen sind aufgefordert, ihre Ausgaben aufEinsparpotenziale zu durchforsten.
Immer mehr Steuermittel in ein nicht funktionierendesSystem zu leiten, ist keine Lösung.Das letzte Element dieses Gesetzentwurfs ist ein Son-derprogramm mit Hilfen für Milcherzeuger, das soge-nannte Grünlandmilchprogramm. In diesem Sonder-programm sind für die Jahre 2010 und 2011 besondereGrünlandprämien vorgesehen, wodurch den Milchbau-ern geholfen wird, die existenziellen Auswirkungen derWirtschaftskrise zu überwinden.Noch eine letzte Bemerkung. Alle Belastungen, diedieser Gesetzentwurf für den Bundeshaushalt mit sichbringt, sind im Haushaltsentwurf 2010 bereits berück-sichtigt. Die Nettoneuverschuldung musste gegenüberdem ersten Haushaltsentwurf von FinanzministerSteinbrück nicht erhöht werden. Wir satteln also nichtdrauf.
Dies ist aus Haushältersicht eine durchaus positiveNachricht.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Kollegin Kathrin Senger-Schäfer
für die Fraktion Die Linke.
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Sie tarnen den radikalen Bruch in der gesetzlichenrankenversicherung als notwendige Reform.
amit wollen Sie Millionen von Krankenversichertenuschen. Das ist unverantwortlich.
Zu diesem Vorgehen passt dann auch das Konzepton Herrn Schäuble, das er zur Sicherung der Sozialsys-me auf den Weg bringen will. Der von ihm geplantechutz der Arbeitnehmer ist in Wirklichkeit ein Schirmum Schutz der Arbeitgeber. Die Arbeitnehmerinnennd Arbeitnehmer lässt er in der Finanzkrise in unchrist-cher Art im Regen stehen.
as ist unredlich. Es ist unsozial und entspricht auchicht dem Gedanken, dass starke Schultern mehr tragenollten als schwache.
Das ist typisch für diese Regierung. Herr Rösler, Sieollen in der gesetzlichen Krankenversicherung dieusfälle des Gesundheitsfonds mit 3,9 Milliarden Eurous Steuermitteln auffangen.
ir ist schleierhaft, wie Sie mit 3,9 Milliarden Euro einoraussichtliches Finanzloch von sage und schreibe,9 Milliarden Euro stopfen wollen. Ich sage Ihnen jetztchon voraus, dass diese Regierung den Rest den Versi-herten aufs Auge drücken wird.Zur Wahrheit gehört auch, dass der Gesundheits-nds nicht ausschließlich durch die Finanzkrise in dieerzeitige schlechte Lage gebracht wurde. Der Gesund-eitsfonds war und ist von Anfang an – ich behaupte: be-usst – mit unzureichenden finanziellen Mitteln ausge-tattet worden.Im Übrigen handelt es sich hierbei um eine Hinterlas-enschaft der Großen Koalition, also auch der SPD.
on Anfang an war gewollt, dass einzelne Krankenkas-en über die sprichwörtliche Klinge springen sollten, um
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1744 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Kathrin Senger-Schäferdamit den Wettbewerb zu verschärfen. Diese Wettbe-werbsverschärfung führt aber weder zu einem fruchtba-ren Wettstreit um die besten Leistungsangebote noch zueiner besseren Qualität der Versorgung. Weil die Kassenin diesem Fall das Sonderkündigungsrecht ihrer Versi-cherten fürchten, sind sie sich mehrheitlich einig, Zu-satzbeiträge zu erheben.Wir erleben dazu nun einen großen Aufschrei, undselbst Frau Merkel verzieht dabei die Miene und ruftjetzt nach dem Kartellamt. Aber: Gesundheit ist keineWare. Dabei bleibt die Linke.
Alle Menschen in unserem Land haben einen Anspruchauf eine gute, solide und gerechte Gesundheitsversor-gung. Wettbewerb hat im Gesundheitswesen nichts ver-loren.
Ich frage auch Sie: Wer muss Ihre grandiosen Wettbe-werbsideen bezahlen? Das sind die 70 Millionen Versi-cherten der gesetzlichen Krankenversicherung und auchdie Arbeitslosengeld-II-Beziehenden, die ohnehin jedenCent zweimal umdrehen müssen. Das ist, mit Verlaub,zutiefst unsozial.
Zweifellos gibt es zusätzliche Leistungen der gesetz-lichen Krankenversicherung, die wir auch wollen. Dazugehört zum Beispiel die spezialisierte ambulante Pallia-tivversorgung, also die Betreuung und Versorgung vontodkranken Menschen. Das ist aber nur dann möglich,wenn man sich vorher überlegt hat, wie man das bezah-len will. Der Gesundheitsfonds ist aber chronisch unter-finanziert. Genau dieses Dilemma ließe sich durch denAntrag meiner Fraktion Die Linke verhindern.
Zurzeit zahlt der Staat einen festgelegten Pauschal-betrag von derzeit 126 Euro im Monat für alle Arbeits-losengeld-II-Beziehenden als Beitrag zur Krankenversi-cherung. Das reicht längst nicht, und das wissen Sie,meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen von derKoalition. Wir haben vorgeschlagen – und dabei bleibenwir auch –, diesen Betrag auf circa 260 Euro im Monatund pro Mitglied zu erhöhen. Das brächte rund5 Milliarden Euro mehr für die gesetzliche Krankenver-sicherung, was zweifelsohne die gesundheitliche Versor-gung verbessern würde.
Das wäre jedenfalls ein sinnvolleres Sofortprogrammfür die Krankenversicherung als die unsinnige Ein-führung von kleinen oder großen Kopfpauschalen, ge-tarnt als Zusatzbeitrag bzw. Gesundheitsprämie. Damiterübrigte sich jede Diskussion um die Zusatzbeiträgeund auch darüber, ob die Arbeitslosengeld-II-Beziehen-den die Zusatzbeiträge selber zu tragen hätten. Für dieLinke bleibt aber im Grundsatz die solidarische Bürge-rinnen- und Bürgerversicherung, in die alle einzahlen,dKDMsfüBAinGsSddTwKdKsdvFsAlogsdrulaQAtemlePdJ
Vielen Dank.
Werte Kollegin, das war Ihre erste Rede im Deut-
chen Bundestag. Gratulation und alle guten Wünsche
r Ihre weitere Arbeit in diesem Hause!
Das Wort hat nun Markus Kurth für die Fraktion
ündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!llein der Titel des Gesetzentwurfes, über den wir heute erster Lesung beraten, ist ein Täuschungsmanöver:esetz zur Stabilisierung der Finanzlage der Sozialver-icherungssysteme. Das, was Sie von der Regierung alstabilisierung bezeichnen, ist in Wahrheit nicht mehr alsas notdürftige Verpflastern von Wunden am Sozialstaat,ie größtenteils oder jedenfalls zu einem nicht geringeneil erst durch Sie und die Vorgängerregierung gerissenurden.
Beginnen wir mit dem Zuschuss zur gesetzlichenrankenversicherung. Sie von der Union haben dochie strukturelle Unterfinanzierung der gesetzlichenrankenkassen in die Wege geleitet, indem Sie gemein-am mit der SPD den Gesundheitsfonds beschlossen undie mutwillige Senkung der Beitragssätze in der GKVorgenommen haben.
rau Aigner, dass Sie jetzt über die Erhebung von Zu-atzbeiträgen jammern, ist schon scheinheilig genug.ber dass Sie sich nun selbst für einen Steuerzuschussben, der zumindest in dieser Höhe gar nicht notwendigewesen wäre, wenn Sie nicht den Gesundheitsfonds miteinen Unterdeckungsregeln beschlossen hätten, istreist. Ein besonderes Licht auf Ihren Stil der Stabilisie-ng der Sozialversicherungssysteme wirft etwa die Ent-ssung von Herrn Sawicki, dem Leiter des Instituts fürualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen.nstatt die Voraussetzung für eine Dämpfung des Kos-nanstiegs etwa bei den Arzneimitteln zu schaffen, neh-en Sie das Geld der Steuerzahler. Die Steuerzahler sol-n nach Ihrem Willen für die Interessen vonharmaindustrie bis hin zu Apothekern aufkommen. Wirürfen vielleicht schon auf die Spendenzahlungen desahres 2010 gespannt sein.
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Markus Kurth
Kommen wir zur Arbeitslosenversicherung. Auchbei der Arbeitslosenversicherung ist ein Großteil des bis-herigen Defizits der erheblichen Senkung des Beitrags-satzes auf bis zu 2,8 Prozent geschuldet, die ebenfallsmit der SPD beschlossen wurde, zu einem Zeitpunkt, alsdie Krise bereits am Horizont erschien. Sei’s drum! Inder gegenwärtigen Situation gibt es natürlich keine Al-ternative zum Defizitausgleich durch den Bund. Sie blei-ben aber jegliche Aussage schuldig, wie es ab 2010 wei-tergehen soll. Wie soll denn die Bundesagentur fürArbeit das für 2011 erwartete Defizit in Höhe von11,3 Milliarden Euro decken?
Wie soll denn das in der mittelfristigen Finanzplanungder Bundesagentur für Arbeit vorgesehene Gesamtdefi-zit in Höhe von 25,4 Milliarden Euro gedeckt werden?Es ist schlechterdings nicht vorstellbar, dass die Bundes-agentur dies als Darlehen schultert oder sogar zurück-zahlt. Sie wissen genauso gut wie ich, dass man ein De-fizit in diesem Umfang, selbst wenn man harteinschneidet, nicht durch Einsparungen auffangen kann.
Was also mit Sicherheit kommen muss, ist eine Erhö-hung des Beitragssatzes. Nach unseren Berechnungen istein Anstieg auf 4,5 Prozent notwendig, um den Haushaltder Bundesagentur für Arbeit dauerhaft zu stabilisieren.Aber dazu schweigen Sie natürlich. Es wäre ja auch zupeinlich, wenn Sie bereits wenige Wochen nach Ihremmerkwürdigen Klientelbegünstigungsgesetz zugebenmüssten, dass etwa die Kindergelderhöhung bei den Bei-tragszahlern gar nicht ankommt, weil Sie ihnen dasdurch Beitragssatzsteigerungen wieder wegnehmen.Also wird munter mit Steuerzuschüssen weiter geflickt,um über den Termin der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hinwegzukommen.
Damit Sie das Ganze als Wohltat verkaufen können,garnieren Sie Ihre Mogelpackung noch mit zwei Zücker-chen: der Erhöhung des Schonvermögens für die Alters-vorsorge im Rahmen des Arbeitslosengeldes II und ei-nem Sonderprogramm für Milchviehhalter.
Zu Letzterem wird nachher mein Kollege FriedrichOstendorff etwas sagen. Deshalb kann ich mich jetzt aufdie Erhöhung des Schonvermögens konzentrieren. Sosinnvoll das im Grundsatz natürlich ist, so sehr geht esdoch an den Sorgen und Nöten der Masse der Langzeit-arbeitslosen vorbei;
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er Masse der Langzeitarbeitslosen wäre sehr viel mehrtwa durch eine Erhöhung des Regelsatzes geholfen, undiese Erhöhung hätte überdies auch noch positive kon-nkturelle Effekte, weil sie unmittelbar der Steigerunger Binnennachfrage zugute käme.
Vollends absurd wird Ihre Behauptung einer Stabili-ierung des Systems der sozialen Sicherung, wenn manich anschaut, was Sie sonst noch planen und bereits tun.ie deckeln etwa die Mittel für das Programm „Job-erspektive“ und verringern damit die beinahe einzigehance für Langzeitarbeitslose mit besonderen Vermitt-ngshemmnissen, eine sozialversicherungspflichtigeeschäftigung zu bekommen. Die Arbeitsministerin be-itet die Zerschlagung der Jobcenter vor, die vor Ortirklich niemand will, weil absehbar ist, dass sich dieetreuung der Betroffenen vor Ort verschlechtern undie Bürokratie sich verdoppeln wird.
Meine Damen und Herren von der Regierung, was Sieit diesem Gesetz stabilisieren, sind Ihre Klientelinte-ssen.
as Sie mit diesem Gesetz stabilisieren, ist ein berech-gtes Misstrauen mit Blick auf die Zukunft. Sie versu-hen, den Patienten Sozialstaat noch einmal mit Pflas-rn aufzuhübschen, aber Sie wissen schon genau, dassie ihn nach der NRW-Wahl amputieren wollen.
Wir vom Bündnis 90/Die Grünen werden dafürämpfen, dass dieses Manöver nicht aufgeht; denn dieürgerinnen und Bürger in diesem Land und besondersiejenigen in Nordrhein-Westfalen wollen mehr vom So-ialstaat als nur einen Torso.Vielen Dank.
Das Wort hat nun Georg Schirmbeck für die CDU/SU-Fraktion.
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Herr Abgeordneter Kelber, auf diesen Punkt kommenwir noch bei der zweiten und dritten Beratung des Bun-deshaushaltes zurück. Dann werden Sie den Saal hierunter Tränen verlassen; das verspreche ich Ihnen jetztschon.
Das Pulver wird trocken gehalten. Sie können michheute nicht provozieren, das schon jetzt zu verschießen.Aber, meine sehr geehrten Damen und Herren, wennman sich die Debatte hier eine Zeit lang anhört, könnteman depressiv werden, und man hat den Eindruck, wirwären hier in einem Entwicklungsland, einem Land je-denfalls, das mit Deutschland überhaupt nichts zu tunhat. Können wir auf diesen Sozialstaat, so wie wir ihnheute ganz konkret erleben, nicht stolz sein, darauf, dasswir es gemeinsam geschafft haben, dass wir fleißigeBürgerinnen und Bürger haben?
Wo ist die Krankenversicherung wesentlich besser als inDeutschland? Wo ist die Unfallversicherung wesentlichbesser als in Deutschland? Wo wird sich um Arbeitslosewesentlich besser gekümmert als in Deutschland? Dashaben wir doch gemeinsam auf den Weg gebracht. Ha-ben wir nicht wirklich Grund, darauf stolz zu sein?Was wir als Große Koalition jetzt machen, ist Folgen-des: Wir helfen im ländlichen Raum den Bauern – –
– Meine sehr geehrten Damen und Herren, man ist jamanchmal nicht so auf den neuesten Terminus einge-stellt; das ändert sich auch manchmal. Die liberal-christ-liche Koalition, das kriegen wir ja auch gut hin.Was wir konkret gemacht haben und was wir konkrettun, besteht darin, dass wir bei unseren Bauern die Bei-träge für die landwirtschaftliche Unfallversicherungdurchschnittlich um 45 Prozent senken. Das ist doch einErgebnis für alle im ländlichen Raum.
– Frau Hagedorn, Sie haben ja schon nicht verstanden,was Sie vorhin vorgetragen haben. Deshalb kann ichauch nicht erwarten, dass Sie das verstehen, was ich jetztvortrage. Das ist eben ein bisschen zu schwierig.
Ich sage Ihnen dazu eines. Es ist nach wie vor wahr:Wenn die Bauern, auch wenn es wenige geworden sind,im ländlichen Raum gute Stimmung haben, wenn siesich unternehmerisch etwas vornehmen, dann ist guteStimmung im ganzen Dorf. Es führt dazu, dass in denDörfern etwas unternommen wird, dass dort investiertwird, dass sich etwas bewegt, und dann haben viele imländlichen Raum Arbeit. Das ist es doch, was wir wol-levruvgkmmdsfrSnddmcMüsahewkmmkdedkdasfagdPgdladVdnssmd
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Der Sozialausgleich – danke für diesen netten Zwi-chenruf – sieht so aus, dass der Ausgleich – so sagt derinister, und das nehme ich ihm ab – nicht mehr überie Sozialbeiträge, sondern über Steuern erreicht werdenoll.
Hören Sie zu, dann lernen Sie noch etwas!
err Schäuble aber sagt: Dafür habe ich kein Geld, es seienn, wir würden eine Sondersteuer zur Finanzierunges Gesundheitssystems einführen. Das ist die aktuelleaktenlage.Hinzu kommt, dass ab Februar 2010 eine Kommis-ion zur Gesundheitsreform tagen wird. Die Arbeit die-er Kommission kann sich hinziehen. Das Ergebnis die-er Arbeit wird auf jeden Fall nicht dazu führen, dass wir den nächsten Monaten und Jahren eine größere Orien-erung bekommen. Bekanntlich braucht aber das Ge-undheitssystem jetzt Orientierung. Von daher sehe ichas ein bisschen anders.Der Herr Minister hat eine klare Botschaft verkündet.r will in eine neue Richtung marschieren, aber er weißoch nicht, wie das umgesetzt werden soll. Das schafftei den Akteuren im Gesundheitswesen nicht mehr Ver-auen, sondern Unsicherheit en masse.
Es geht um die 3,9 Milliarden Euro, die innerhalb der5,7 Milliarden Euro Gesamtzuschüsse an den Gesund-eitsfonds geleistet werden sollen. Dieser Betrag ergibtich ja aus drei Komponenten: zum ersten die beitrags-eie Mitversicherung der Kinder und der Jugendlichen Ausbildung, zum zweiten die zum 1. Juli 2009 nochon der Großen Koalition – Herr Kollege Schirmbeck,ie sehnen sich danach zurück; ich kann es auch verste-en – induzierte Beitragssatzsenkung von 15,5 Prozentuf 14,9 Prozent. Der dritte Bestandteil ist die krisenbe-ingte Komponente in Höhe von 3,9 Milliarden Euro,ie in der Änderung des Fünften Buches Sozialgesetz-uch vorgesehen ist. Aber es geht um mehr.Diese Woche ist von der Debatte über die Zusatzbei-äge beherrscht, die allerorten für Aufmerksamkeitorgen. Der Presse habe ich entnommen, dass die Bun-eskanzlerin, Frau Angela Merkel, mit einem großennwohlsein auf diese Zusatzbeiträge reagiert hat. Dasanze ist schon ein Riesenproblem. Dem werten Kolle-en von den Grünen muss man es noch einmal erklären:ir als Sozialdemokraten wollten bekanntlich damalsie Regelung nicht, nach der bis zu 8 Euro Zusatzbeitrag einem vereinfachten Verfahren erhoben werden kön-en. Wir wollten den Zusatzbeitrag paritätisch finanziertaben. Wir wollten, dass im Rahmen eines Prüfverfah-ns nachgewiesen werden muss, dass die Kassen einenolchen Zusatzbeitrag unbedingt benötigen, weil sie
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Ewald Schurersonst mit ihrer Finanzierung nicht mehr zurechtkommen;immerhin geht es um 71 Millionen Versicherte und Mit-versicherte der GKV in Deutschland.
Es gab dann in der Großen Koalition, die der HerrSchirmbeck noch so emotional in sich trägt, einen sehrschwierigen Kompromiss mit gewissen Hilfskrücken,den wir – Sie haben an der Stelle recht – mitgetragen ha-ben.Herr Minister, Sie müssen in der Zukunft einen wirk-lichen Dialog mit den Kassen führen. Sie müssen dieSteuerungsfunktion der Krankenkassen ernsthaft einfor-dern. Es geht darum, ein Kostenmanagement in denSektoren des Gesundheitswesens zu etablieren, in denendie Kosten seit Jahren und Jahrzehnten steigen, etwa inder Medizintechnik oder bei den verordneten Medika-menten.
Sie müssen versuchen, die Steuerungsfunktion der ge-setzlichen Krankenkassen, der Volkskassen, zu aktivie-ren. Sie müssen mit den Krankenkassen auch darüberdiskutieren, welche Instrumente sie brauchen, um genü-gend Substanz zu haben, um wirklich steuern zu können.Das sind die Fragen, die anstehen. Es geht nicht darum,darüber zu reden, wie wir künftig vielleicht mit irgend-welchen Zusatzbeiträgen agieren, die letztendlich denLeuten mit geringem Einkommen zum Nachteil gerei-chen, weil sie die Zusatzbeiträge nicht von der Steuerlastabsetzen können und damit erneut eine soziale Benach-teiligung erfahren.Zum Schluss, meine werten Kolleginnen und Kolle-gen, Folgendes: Es gilt, in der Gesundheitspolitik wiederOrientierung zu geben. Das vermag die derzeitige Regie-rung nicht zu leisten.
Wenn man ein bewährtes Finanzsystem an Haupt undGliedern reformieren will, dann muss man auch sagen,wie das gehen soll. Ich sage Ihnen voraus, Herr Minister,bei aller persönlichen Sympathie: Sie werden eine Kom-missionsarbeitszeit von ein, zwei Jahren nicht durchhal-ten. Sie werden schon eher sagen müssen, wie Sie dasmachen wollen. Sie werden eine riesige Hürde zu über-winden haben. Die Bundeshaushalte 2011 und 2012 mitden strukturellen Defiziten werden Ihnen nicht mehrSpielräume geben, sondern weniger. Das heißt, das Um-switchen von der Beitragsfinanzierung auf eine Steuer-subvention wird so nicht funktionieren.Die 3,9 Milliarden Euro werden heute von Ihnen vor-geschlagen. Sie sind – das gebe ich zu – eine Hilfsmaß-nahme. Sie werden aber große Mühe haben, uns davonzu überzeugen, wie es nach Ihrem Willen weitergehensoll. Ich hoffe jedenfalls, dass sich der Arbeitsmarkt soghufitiHbOmEdhusNdforemSzOdgdm–GloInsDdREz
Das Wort hat nun Johannes Vogel für die FDP-Frak-
on.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Schurer, ich fand es interessant, dass Sie gesagt ha-en: Wir müssen in der Gesundheitspolitik wiederrientierung geben. – Ich glaube auch, dass wir das tunüssen.
s muss nur eine andere Orientierung sein als die voner früheren Gesundheitsministerin Schmidt; denn dieat das System überhaupt erst an die Wand gefahren,nd das hat zu den Problemen geführt, die wir heute lö-en müssen.
Schauen wir doch einmal, was die Regierung vorhat!atürlich geht es beim vorliegenden Gesetzentwurf aucharum, kurzfristig einen Zuschuss an den Gesundheits-nds zu geben, um die Einnahmeausfälle zu kompensie-n. Aber es ist nicht so, dass wir darüber hinaus nichtsachen. Wir sind nämlich der Meinung, dass es keineninn macht, in ein Gefäß mit einem Leck Wasser nach-uschütten, damit vorübergehend wieder Wasser drin ist.hne dass das Leck gestopft wird, werden die Problemeieses Systems nicht gelöst. Wir führen eine grundle-ende Reform durch, damit dieses System an sich wie-er funktioniert.Liebe Frau Kollegin Senger-Schäfer, ich glaube, Sieachen einen Denkfehler: Sie sind davon überzeugt das war auch bisher ihr Problem im Hinblick auf dasesundheitswesen –, dass Wettbewerb dort nichts ver-ren hat. Ich sehe das anders. Wettbewerb ist genau dasstrument, das dieses System und damit die beste Ge-undheitsversorgung für alle langfristig finanzierbar hält.eshalb ist mehr Wettbewerb zwischen den Kassen, alsoas, was Gesundheitsminister Rösler vorhat, genau dasichtige für das Gesundheitssystem.
Immer wieder wird kritisiert, das sei sozial ungerecht.s ist sehr sozial, den Faktor Arbeit weniger als bisheru belasten; denn das schafft Arbeitsplätze. Außerdem
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Johannes Vogel
wollen wir den Sozialausgleich über das Steuersystemorganisieren. In das Steuersystem zahlen nämlich alleein, auch diejenigen, die besonders viel verdienen, weiles da keine Beitragsbemessungsgrenze gibt. Das kannich nur als gerecht empfinden. Das Gesundheitssystem,wie es bisher besteht, ist ungerecht, weil der Solidaraus-gleich nicht vollständig funktioniert. Insofern würde dieUmsetzung unserer Vorschläge das System gerechtermachen.
Ich möchte auf einen anderen Aspekt dieses Gesetzeseingehen, nämlich auf den Zuschuss an die Bundesagen-tur für Arbeit. Frau Kollegin Hagedorn, ich habe michsehr darüber gewundert, dass Sie die Regierung quasidafür kritisiert haben, dass sie möchte, dass die Bundes-agentur für Arbeit erst einmal ihre Reserven auf-braucht und dass erst dann über die Höhe des Zuschussesentschieden wird. Sie tun so, als ob das ein Problemwäre. Wenn der Zuschuss niedriger ausfällt, als im Bun-deshaushalt angesetzt – mit 16 Milliarden Euro –, dannheißt das doch nur eines: Die Konjunktur ist wieder an-gesprungen, und weniger Menschen als befürchtet sindarbeitslos. Das kann ich nur als gute Nachricht empfin-den. Wie Sie daraus Kritik ableiten, ist mir völlig schlei-erhaft.
– Herr Poß, lassen Sie mich doch ausreden. – Dass wirdiesen Zuschuss gewähren, ist Ausweis dessen, dass dieKritik, diese Regierung entlaste die Bürger auf der einenSeite bei den Steuern und belaste sie auf der anderenSeite bei den Abgaben – diese Kritik wird gelegentlichvorgebracht –, nicht richtig ist. Die Sicherstellung diesesZuschusses ist der Ausweis dafür, dass dieser Vorwurfabsurd ist. Wir wollen die Bürger entlasten, statt sie zubelasten.
– Ja, daran können sie mich gerne erinnern, Herr Kurth. –Das zeigt sich in diesem Gesetz.
– Herr Kurth, es ist schön, dass Sie dazwischenrufen.Ich will auf einen weiteren Aspekt dieses Gesetzent-wurfs zu sprechen kommen, nämlich auf die Verdreifa-chung des Schonvermögens. Ich freue mich sehr, dassSie diesen Punkt gelobt haben. Sie haben ihn als grund-sätzlich sinnvoll bezeichnet. Das hörte sich im letztenHerbst noch anders an. Man konnte damals der Presseentnehmen, dass Sie das als Symbolpolitik gegeißelt ha-ben. Ich will Ihnen sagen, warum ich glaube, dass daseine ganz entscheidende Maßnahme ist und keine Sym-bolpolitik.Es wird immer wieder das Argument geäußert, dasbetreffe so wenige Menschen. Dieses Argument grenztinddAnhbtiAAwhKdDWsfikHmfüscAbmwdsssSDtidleKhvaw
ann es sein, dass jemand, der eigenverantwortlich füras Alter vorsorgt, dafür bestraft wird?
as ist doch eine völlig falsche Herangehensweise.
An so einer Stelle spürt eine Gesellschaft, welcheertvorstellungen ihr zugrunde liegen. Diese Wertvor-tellungen sind entscheidend dafür, ob etwas Akzeptanzndet und ob die Solidargemeinschaft funktioniert. Esann nicht sein, dass jemand, der bedauerlicherweise inartz IV rutscht, also die Unterstützung der Solidarge-einschaft braucht, dazu gezwungen wird, Geld, das err das Alter angespart hat – vielleicht hat er sich müh-am eine kleine Rentenversicherung abgespart –, mögli-herweise sogar mit Verlust antasten muss und später inltersarmut rutscht. Es ist nicht fair, Menschen dafür zuestrafen, dass sie für das Alter vorgesorgt haben. Wirüssen Eigenverantwortung belohnen.Selbst wenn die Erhöhung des Schonvermögens nochenige Menschen betrifft – in Zukunft wird sich das än-ern –, ist sie genau das richtige Signal an die Gesell-chaft; denn dadurch machen wir das Grundsicherungs-ystem, das Hartz-IV-System, fairer, und wir korrigiereno die Fehler, die die rot-grüne Bundesregierung in dasystem eingeführt hat.
iese Maßnahme der Regierung ist insofern völlig rich-g. Ich würde mich freuen, wenn Sie Ihre Aussage, dassas grundsätzlich sinnvoll ist, aufrechterhielten. Viel-icht trägt die Tatsache, dass auch Sie, Kolleginnen undollegen von der SPD, das in Ihrem Wahlprogramm ste-en hatten, nur in den letzten Jahren, als Sie Regierungs-erantwortung trugen, nicht die Kraft gehabt hatten, dasuch durchzuführen, dazu bei, dass Sie dem Gesetzent-urf in dritter Lesung zustimmen.Vielen Dank.
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Das Wort hat nun Matthias Birkwald, Fraktion Die
Linke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten
Damen und Herren! Für dieses Jahr rechnet die Bundes-
agentur für Arbeit mit einem Defizit in Höhe von gut
18 Milliarden Euro.
Das ist ein trauriger Nachkriegsrekord. Nur einen Bruch-
teil davon kann die Bundesagentur selbst aus ihren
Rücklagen ausgleichen. Wie konnte es dazu kommen?
Die Krise sei schuld gewesen, sagt die Bundesregierung.
Das ist aber nicht die ganze Wahrheit. Die Politik der
ganz großen Koalition aus CDU/CSU, SPD und FDP hat
es vermasselt.
Sehenden Auges hat diese ganz große Koalition die
Finanzen der Bundesagentur an die Wand gefahren.
Meine Damen und Herren von der Union, Sie haben,
in wechselnder Besetzung, grob fahrlässig gehandelt, in-
dem Sie die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung
mehr als halbiert haben. Sie haben die Gewitterwolken
aufziehen sehen. Sie haben alle Unwetterwarnungen von
Experten in den Wind geschlagen. Jetzt stellen Sie sich
hin, beklagen die Löcher im Dach der Bundesagentur
und spannen Schutzschirme für die Banken. Gerecht
geht anders!
Die Bundesregierung will die Beiträge stabil halten. Das
waren sie doch. 14 Jahre lang, bis Ende 2006, lagen sie
bei 6,5 Prozent. Ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, als die
ersten Anzeichen der Krise für jede und jeden sichtbar
wurden, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt wurde der
Beitragssatz auf unter 3 Prozent gesenkt. Das ist der
niedrigste Wert seit 1975. Doch wer hier Beiträge kürzt,
hat Sozialabbau im Sinn.
Beim Arbeitslosengeld war es zunächst anders-
herum, aber nicht anders: Rot-Grün hat die Bezugsdauer
des Arbeitslosengeldes I massiv verkürzt und die Ar-
beitslosenhilfe gleich komplett gestrichen. Dann wurden
die Beitragssätze gesenkt. Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen von Schwarz-Gelb: Wer heute auf Teufel komm raus
niedrige Beiträge sät, wird morgen größere Defizite ern-
ten. Und was machen Sie dann? Das Arbeitslosengeld I
kürzen? Wir Linken sagen: Das Gegenteil ist richtig. In
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um Beispiel bei Siemens, wo jetzt, wie heute Morgen in
en Nachrichten zu hören war, 2 000 Stellen gestrichen
erden sollen.
Der Gesetzentwurf, den Sie nun vorlegen, ist reine
lickschusterei. Die Linke sagt: Die Bundesagentur
uss grundsätzlich wieder solide finanziert werden. Wir
rauchen eine Staatsgarantie für die Sozialversicherun-
en, keinen einmaligen Zuschuss, sondern eine dauer-
afte Defizithaftung.
Heute Morgen konnte man einer Pressemitteilung der
üddeutschen Zeitung mit dem Titel: „Koalitionshaus-
älter wollen Zuschüsse für Sozialkassen kürzen“ – sie
ef auch über den Ticker – entnehmen, dass Ihnen der
uschuss von 16 Milliarden Euro zu hoch ist und auf
1 Milliarden Euro gesenkt werden soll und dass dafür
nter anderem Qualifizierungsprogramme der BA ge-
trafft werden sollen. Ich sage Ihnen: Es ist komplett der
lsche Weg, auch noch bei den Qualifizierungsmaßnah-
en zu sparen. Auch hier wäre der umgekehrte Weg
chtig; denn wir brauchen mehr Bildung und bessere
ualifikation.
Mit dem sogenannten Eingliederungsbeitrag werden
tztendlich die Beitragszahler mit 5 Milliarden Euro da-
r haftbar gemacht, dass es Langzeiterwerbslosigkeit
ibt. Das darf nicht sein; denn die Lösung gesamtgesell-
chaftlicher Probleme muss auch von der gesamten Ge-
ellschaft finanziert werden.
Das Schonvermögen für die Altersvorsorge von
artz-IV-Betroffenen deutlich anzuheben, ist richtig.
it dieser Forderung ist die Linke bei der Wahl angetre-
n. Bleiben Sie uns treu: Heben Sie die Vermögens-
eigrenzen an! Erhöhen Sie den Hartz-IV-Regelsatz auf
00 Euro! Streichen Sie die unwürdigen Sanktionen und
chikanen für Hartz-IV-Betroffene und führen Sie end-
ch – das ist ganz dringend – eine eigenständige Min-
estsicherung für Kinder ein! Im Übrigen bin ich der
einung: Hartz IV muss überwunden werden.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun Friedrich Ostendorff für die Frak-on Bündnis 90/Die Grünen.
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
ren! Ministerin Aigner musste leider schon gehen. Das
vorliegende Artikelgesetz enthält als zweiten Teil das
Sonderprogramm mit Maßnahmen für Milchviehhalter,
besser bekannt unter dem Namen „Kuhschwanzprämie“.
Herr Schirmbeck, dieses Programm bringt einem durch-
schnittlichen Milchviehbetrieb mit 30 Milchkühen, der
in 2009 Milchgeld in Höhe von 13 Cent pro Liter bzw.
insgesamt 20 000 Euro verloren hat, zwei Jahre lang
jährlich 1 600 Euro bzw. 1 Cent pro Liter Milch mehr.
Natürlich sagen die Bäuerinnen und Bauern, auch meine
Frau daheim, nicht Nein, wenn der Staat ihnen Geld
schenken will, so wie auch der Autokäufer letztes Jahr
nicht Nein gesagt hat, als er für das Auto, das er sowieso
verschrotten wollte, noch 2 000 Euro geschenkt bekam.
Aber so wie die Abwrackprämie für Autos der Wirt-
schaft insgesamt geschadet hat, wird auch diese Ab-
wrackprämie für Milchbauern dem Milchsektor mehr
schaden als nützen.
Dieses Grünlandprogramm zeigt erneut das vollkom-
men widersprüchliche Vorgehen der Bundesregierung.
Sie gerieren sich als Vertreter der reinen Marktlehre,
doch sieht ihre Realpolitik ganz anders aus. Dort zünden
Sie erst einmal eine Subventionsrakete, wie ich sie in
40 Jahren Agrarpolitik selten erlebt habe – 750 Millio-
nen Euro extra, einfach so, ohne Qualifizierung, ohne
Fokussierung, ohne Lenkungswirkung. Das Problem ist
nicht, auf Marktkräfte zu bauen, und auch nicht, gesell-
schaftliche Solidarität in einer Notsituation zu leisten.
Beides ist richtig und notwendig. Das Problem ist, wie
Sie es machen. Ihre sogenannte Marktorientierung ba-
siert auf einer vollkommen falschen Marktanalyse. Bei
Ihrer Förderpolitik vergessen Sie das Wichtigste, näm-
lich die Lenkungswirkung der Fördergelder zu beden-
ken.
Wenn Sie sich den Milchmarkt einmal ansehen würden,
so wie es das Bundeskartellamt gerade getan hat, so wür-
den Sie feststellen, dass dieser Markt total verzerrt ist
und eine eklatante Benachteiligung der Milcherzeuger
gegenüber den Molkereien besteht. Diesen Markt sich
selbst zu überlassen, hieße nicht, die Marktkräfte zum
Zuge kommen zu lassen, sondern hieße, allein die Mo-
nopolisten zu stärken, meine Damen und Herren Markt-
experten von der FDP.
Wir brauchen jetzt Maßnahmen, um diesen Markt erst
einmal wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Wir müs-
sen die Erzeugerseite stärken und in gesunde regionale
Marktstrukturen investieren. Das bedeutet: Wir brauchen
jetzt eine Bündelungsinitiative zur Förderung bäuerli-
cher Erzeugergemeinschaften,
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ie es das Bundeskartellamt empfiehlt. Die Bundes-
gierung ist hier gefordert, mit einer gezielten
undesweiten Kampagne den Zusammenschluss der
ilcherzeuger unabhängig von Molkereien und Genos-
enschaften zu unterstützen. Als Beispiel kann hier die
estehende bundesweite Milcherzeugergemeinschaft,
as Milch Board, dienen. Das wäre ein marktorientierter
nd solidarischer Ansatz zugleich und würde den Steuer-
ahler keine 750 Millionen Euro, sondern gerade mal
Prozent davon kosten.
Wahrheit wollen Sie der bäuerlichen Landwirtschaft
ben nicht helfen. In Wahrheit wollen Sie mit diesem
ammutprogramm Ihre politische Haut retten; ansons-
n verfolgen Sie ganz andere Ziele.
„Wir haben die Antworten für die Probleme der
elt“, hat der selbsternannte CSU-Export-Staatssekretär
üller diese Woche im Agrarausschuss großspurig er-
lärt.
as klingt wie eine Drohung gegenüber den ärmsten
ändern der Welt und ist wohl auch als Drohung ge-
eint, wie man annehmen muss, wenn man sich ansieht,
ie Sie mit Ihrer Exportstrategie die Welt mit billigem
leisch und billiger Milch überschwemmen wollen.
as Sie hier treiben, zerstört das, was der Weltagrar-
ericht als das Zukunftsmodell zur Lösung der globalen
erausforderungen im ländlichen Raum bezeichnet: die
äuerliche Landwirtschaft, die nachhaltig Umwelt, Na-
r und Tiere schont und schützt.
Das Wort hat nun Stefanie Vogelsang für die CDU/
SU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen undollegen! Mit dem Entwurf dieses Gesetzes führen wiraßnahmen zur Bekämpfung der Finanz- und Wirt-chaftskrise fort, mit denen wir in der Großen Koalitionegonnen haben. Gestern haben wir hier über den Jah-swirtschaftsbericht debattiert und zur Kenntnis genom-en, dass es erste Anzeichen einer langsamen Erholungibt. So erfreulich das Ende der Abwärtsdynamik auch
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1752 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Stefanie Vogelsangist: Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiterhin in ei-nem tiefen Tal. Die leicht positiven Signale für das lau-fende Jahr geben keinen Anlass zu euphorischen Ein-schätzungen.Jetzt ist es von besonderer Bedeutung, die beginnendeErholung in ihren Kräften zu stützen und weitere Im-pulse in Richtung Wachstum zu setzen.Richtig war es, dass wir in der Großen Koalition ge-meinsam den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherunggesenkt haben. Richtig war es, dass wir den Beitragssatzzur gesetzlichen Krankenversicherung festgeschriebenhaben.Aus dieser nicht in Deutschland verursachten interna-tionalen Krise konnten wir etliche Erkenntnisse gewin-nen; internationale Handlungsnotwendigkeiten zur Ver-hinderung einer erneuten Krise dieses Ausmaßes wurdendeutlich. Unsere Wirtschafts- und Gesellschaftsordnungder sozialen Marktwirtschaft hat sich als durchaus kri-senfest erwiesen. Deutschland hat diese Krise deutlicherbesser überstanden als viele andere Länder.
Frau Kollegin Senger-Schäfer, wie sozial und wie ge-recht ein System ist, das ohne Wettbewerb funktioniert,mussten viele Menschen in unserem Land viele Jahr-zehnte ertragen. Ich glaube nicht, dass wir in diese Rich-tung wollen.
Eines ist ganz klar und deutlich geworden: Unsere so-zialen Sicherungssysteme sind in erheblichem Maßekonjunkturabhängig. Dieser Gesetzentwurf enthält ne-ben dem Sonderprogramm mit Maßnahmen für Milch-viehhalter, der Anhebung des Schonvermögens und demZuschuss für die Bundesagentur für Arbeit auch den Zu-schuss an die gesetzliche Krankenversicherung, auf denich mich jetzt konzentrieren möchte.Gerade wegen der hohen Konjunkturabhängigkeit istes richtig, die gesetzliche Krankenversicherung zu-nehmend von dem Faktor Arbeit zu entkoppeln. Dafürhaben wir die Einrichtung einer Regierungskommissionbeschlossen, die uns den Weg für eine neue Basis füreine gerechte und solidarische Finanzierung unseres Ge-sundheitssystems erarbeiten wird. Herr Kollege Schurer,Sie können ganz sicher sein, dass die christlich-liberaleKoalition
auf diesem Weg die Orientierung hat und die Richtungweiter vorgeben wird.Noch in der Großen Koalition haben wir beschlossen,den Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherungstabil zu halten. Wir alle waren erleichtert, dass im Jahr2009 das im zweiten Nachtragshaushalt beschlosseneüberjährige Liquiditätsdarlehen des Bundes an den Ge-sdRzkeGHssswhtedauvsg–wWadsenaFKwDuw3ükgg
Wir haben schon in der ersten Lesung des Bundes-aushalts letzte Woche über die Etatisierung dieser Mit-l geredet. Derzeit berät der Haushaltsausschuss überen Etat. Lassen Sie uns diesen Gesetzentwurf ebenfallsn den Haushaltsausschuss überweisen. Meine Damennd Herren vor allen Dingen von der SPD, aber auchon den Grünen, dieser Schutzschirm, den wir jetzt auf-pannen, ist, um im Farbenspiel zu bleiben, ein schwarz-elber Schutzschirm.
Frau Kollegin, er ist ein Schutzschirm für 2010. Wirarten ab und schauen, wie sich die Lage entwickelt.ir alle können das nicht vorhersehen oder Prognosenbgeben. – Ich glaube, dass es der Kontinuität Ihres Han-elns und der Verantwortung, die Sie in Ihren Wahlkrei-en Ihren Bürgerinnen und Bürgern gegenüber haben,ntsprechen würde, wenn Sie ganz gründlich darüberachdenken würden, ob ein solcher Schutzschirm nichtuch rote und grüne Farbpunkte tragen sollte.Danke.
Das Wort hat nun Wilhelm Priesmeier für die SPD-
raktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Wer bislang noch nicht ge-usst hat, was ein Kuhschwanz wert ist, dem sei gesagt:ie Regierung hat Maßstäbe gesetzt, es sind 20 Euro,
nabhängig davon, wie lang er ist, unabhängig davon, zuelcher Kuh er gehört, unabhängig davon, ob die Kuh 000 Liter oder 10 000 Liter Milch gibt. All das wirdber einen Kamm geschoren. Jede Kuh in Deutschlandann jetzt froh sein: Vor dem Gesetz sind sie alleleich. – Hervorragend! Kompliment, das habt ihr gutemacht! Ihr habt das Fass in Feierlaune aufgemacht. Da
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1753
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Dr. Wilhelm Priesmeierwird Party gefeiert, Geld ausgeteilt, und keiner kümmertsich um die Rechnung. Das ist die derzeitige Politik imAgrarbereich. Ihr verschenkt heute die finanziellenSpielräume, die ihr in den nächsten Haushaltsjahrennoch dringend brauchen werdet.
Es wurde angesprochen: Die Agrarhaushalte 2011, 2012und 2013 werden von drastischen Einsparungen nichtverschont werden; das ist jedem klar.
Heute feiert ihr noch einmal kräftig, heute teilt ihr nocheinmal Geschenke aus.Kollege Ostendorff hat gerade deutlich gemacht, wodie strukturellen Schwächen dieses Programms liegen.Das, was hier geplant ist, ist für die Agrarpolitik ord-nungspolitisch ein Super-GAU sondergleichen.
Die FDP sitzt daneben und hat die Prinzipien der Agrar-politik, die sie sonst vertreten hat, grundlegend verraten.
Geschuldet ist dies dem Kompromiss, den man eingehenmusste, nachdem im Vorwahlkampf in Bayern schonmal eine hauseigene Prämie gezahlt wurde. Das hat nichtviel genutzt; die Bauern sind trotzdem von der CSUweggelaufen. Jetzt will man nachlegen, die Dimensionvergrößern, in der Hoffnung, man könne die Bauern kau-fen. Das ist keine Strategie. Langfristig kann man dieBauern nicht kaufen; auch die CSU in Bayern kann dasnicht.Frau Ministerin Aigner ist nicht mehr da. Sie kannjetzt mit der Gießkanne durch Bayern fahren und jedenHektar begießen. Die Frage ist, was dies nützt. Das hatnichts mit strukturierter Agrarpolitik zu tun. Wir brau-chen den Strukturwandel, wir müssen ihn begleiten; dasist unabdingbar. Das Programm, das hier aufgelegt wor-den ist, begleitet nichts, erzeugt nur Mitnahmeeffekteund hat unterm Strich keine strukturellen Folgewirkun-gen. Der Strukturwandel wird aufgeschoben und behin-dert.
Dabei wäre es doch notwendig, dafür zu sorgen, das um-zusetzen, was im Vorbericht zur Sektoruntersuchung sei-tens des Bundeskartellamts – Kollege Ostendorff hat esangesprochen – klar und deutlich gesagt worden ist, umden Milchsektor zu stärken.
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Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
chirmbeck?
Ja.
Herr Kollege Priesmeier, Sie sind eigentlich ein sehrachlicher Kollege und beschäftigen sich inhaltlich mitiesen Themen. Ich weiß nicht, welche Zahlen man Ih-en vorgelegt hat. Ich weiß aber, dass der zuständige Be-mte im Landwirtschaftsministerium sehr solide rechnet.ieht man sich die mir vorliegenden Zahlen vor demintergrund des Pakets an, das wir geschnürt haben,ozu natürlich auch die Gasölverbilligung und die Zu-chüsse zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung ge-ören, dann ergibt sich, dass Bayern einen Anteil von5,63 Prozent an der Milchproduktion in Deutschlandnd einen Anteil von 26,35 Prozent an den Mitteln hat,ie der Landwirtschaft jetzt zur Verfügung gestellt wer-en. Jetzt zu behaupten, das sei zugunsten eines Bundes-ndes, das geht an diesen Zahlen vorbei. Ich frage Sie,b Sie andere Zahlen haben und ob die Zahlen, die miras Ministerium zur Verfügung gestellt hat, falsch sind.
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1754 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Herr Schirmbeck, fragen Sie einmal in Mecklenburg-
Vorpommern nach, warum es im Bundesrat gegen das
Gesetz gestimmt hat.
Das Missverhältnis zwischen den süddeutschen Bundes-
ländern wie Baden-Württemberg und Bayern und den
norddeutschen ist belegbar. Sobald ich Zeit habe, suche
ich die Zahlen heraus. Dann können wir uns später gerne
darüber unterhalten. Die Beweisführung scheue ich
nicht. Sie konstruieren hier Gesamteffekte aus dem Be-
reich Agrardiesel und anderen Einzelmaßnahmen im
Rahmen der Unfallversicherung. Die Aussage, die ich
getroffen habe, bezieht sich allein auf das Grünland-
Milchprogramm, das Sie vorgelegt haben.
– Vielen Dank, Herr Kollege. Genau darum geht es.
Haben Sie eine Nachfrage? – Gestatten Sie das, Herr
Kollege?
Ja.
Herr Kollege Priesmeier, wenn wir fair miteinander
umgehen wollen, dann müssen wir das Gesamtkonstrukt
sehen, das wir für den ländlichen Raum vorgesehen ha-
ben. Meine Frage: Die Zahlen für die neuen Bundesländer
belegen, dass sie einen Milchanteil von 22,57 Prozent ha-
ben; ihre Zuschüsse belaufen sich auf 21,18 Prozent. Ich
weiß nicht, ob Sie sich einen Schlüssel vorstellen kön-
nen, der diese Mittel bei den zugegebenermaßen unter-
schiedlichen Strukturen, die wir in Deutschland haben,
noch gerechter aufteilt; es ist ohnehin schwierig, das mit
einem einheitlichen Maßstab auf den Weg zu bringen.
Zugegebenermaßen ist es so, dass die Milchviehbe-
triebe in der Relation weniger Agrardiesel beziehen als
die Ackerbaubetriebe. Allein daraus ergibt sich, dass
Ihre eben vorgetragene Annahme nicht ganz richtig sein
kann.
Ich kann nur an Sie appellieren: Streichen Sie die
300 Millionen Euro für das Grünlandprogramm aus dem
Haushalt und kommen Sie Ihrer gesamtstaatlichen Ver-
antwortung nach! Diese 300 Millionen Euro sind schul-
denfinanziert. In der jetzigen desaströsen Haushaltslage
ist es nicht angemessen, diese Form von Geschenken zu
machen.
Vielen Dank.
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Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kolle-
in Happach-Kasan.
Sowohl in der letzten Debatte als auch durch die Fra-en und Antworten der Kollegen Schirmbeck undriesmeier ist deutlich geworden, worum es in dieserebatte geht. Es geht um das Sonderprogramm Land-irtschaft, das wir, die christlich-liberale Koalition, ge-einschaftlich im Koalitionsvertrag vereinbart haben,
eil wir der Auffassung sind, dass gerade Milchviehbe-iebe durch die Wirtschaftskrise, durch den absolutiedrigen Milchpreis geschwächt worden sind und dassie eine Unterstützung brauchen, damit sie durchhaltenönnen, damit sie die Chance haben, zu überleben.
Unsere Maßnahmen umfassen drei Teile. Zum einenibt es das Grünlandprogramm. Ich finde es schon et-as seltsam, dass der grüne Abgeordnete sein umwelt-olitisches Gewissen total aufgegeben und verloren hat.
ie alle wissen, dass Grünland gebraucht wird. Die Nut-ung von Grünland ist nur durch Milchviehhaltung,urch Tierhaltung möglich. Deswegen ist es richtig,enn wir ein Umbruchverbot für Grünland haben, dassir die Betriebe stärken, die es nutzen.
Zur landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Wirissen, dass gerade tierhaltende Betriebe mehr Unfälleaben und dass sie gestützt werden, wenn wir die land-irtschaftliche Unfallversicherung stärken.Wir haben auch eine „Kuhschwanzprämie“ vorge-ehen.
Vielen Dank für die Heiterkeit im Plenum, aber für dieetriebe ist das eine ernste Angelegenheit. – Es ist in deresamten Diskussion ein Wermutstropfen für uns Libe-le, dass sie auf 178 Kühe begrenzt wird. Wir kritisierenn dieser Kuhprämie, dass sie strukturkonservativ ist,ass sie keine lenkende Aufgabe hat und letztendlich deremeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“ntgegenwirkt. Auf ihrer Grundlage wurden Programmentwickelt, die gewährleisten, dass gute Betriebe ge-tärkt werden und schwache Betriebe eine Möglichkeitum Ausstieg bekommen, damit wir einen sozialverträg-chen Strukturwandel haben. Das kritisieren wir. Hierehen wir Verbesserungsbedarf im Bereich der Kuhprä-
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Dr. Christel Happach-Kasanmie. Wir hoffen auf Unterstützung, insbesondere aus derOpposition.Danke schön.
Herr Kollege Priesmeier.
Verehrte Kollegin Happach-Kasan, vielen Punkten Ih-
rer Analyse kann ich ohne Weiteres zustimmen. Das
würde ich ohne Weiteres unterschreiben. Ich weiß, wie
sich die Situation der FDP in den Koalitionsverhandlun-
gen dargestellt hat. Es war sicherlich nicht einfach, diese
Kröte zu schlucken. Es war sicherlich nicht einfach, auf
die Begehrlichkeiten der Bayern in dieser Weise einge-
hen zu müssen. Das entspricht an sich nicht der agrarpo-
litischen Tradition der FDP.
Ich kann Ihnen versichern, dass wir bei dem Szenario,
das Sie aufgezeigt haben, wenn es um die Linie und die
Strukturpolitik geht, durchaus kompromissfähig sein
können. Zu dem vorgelegten Programm, wie es sich jetzt
darstellt, gibt es aber nur ein ganz klares Nein. Ich kann
Sie unterstützen: Hoffentlich setzen Sie sich mit Ihrer
Position innerhalb der Koalition durch. Das wäre zum
Vorteil für die deutsche Landwirtschaft. Da würde Ihnen
einiges an Ärger und Folgekosten erspart bleiben.
Vielen Dank.
Das Wort hat nun Paul Lehrieder für die CDU/CSU-
Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen!Werte Kollegen! Bisher hat Deutschland die Wirtschafts-und Finanzkrise im Vergleich mit anderen von der Krisebetroffenen Staaten verhältnismäßig gut überstanden.Das entschlossene Handeln der Bundesregierung imletzten Jahr hat den Finanzmarkt stabilisiert und die Tal-fahrt der Wirtschaft gestoppt. Offensichtlich greifen dieMaßnahmen zur Konjunkturbelebung.Positiv hat sich in Deutschland vor allem die Auswei-tung der Regelung für das Kurzarbeitergeld ausge-wirkt. Wir haben erst gestern Abend hier darüber disku-tiert. Der Anstieg der Arbeitslosigkeit konnte so starkbegrenzt werden wie in keinem anderen Industrielandweltweit. Der zu Beginn der Wirtschaftskrise vorausge-sagte Anstieg der Arbeitslosigkeit auf über 4 Millionenist erfreulicherweise nicht eingetreten.
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– ich habe es bewusst gesagt, Herr Kollege, damit SieIhren Zuruf machen können – beschlossen, als eine derersten Maßnahmen den Freibetrag beim Schonvermögenim SGB II deutlich anzuheben. Ich freue mich ganz be-sonders, dass dieser Beschluss in den Koalitionsvertragzwischen Union und FDP Eingang gefunden hat. Ge-meinsam mit unserem Koalitionspartner haben wir unsdarauf geeinigt, die Freibeträge für das Altersvorsorge-vermögen von 250 auf 750 Euro je vollendetem Lebens-jahr zu verdreifachen. Kollege Vogel von der FDP hat inseiner Rede darauf hingewiesen.Unsere Botschaft lautet: Wer für das Alter vorsorgt,hat auch für den Fall der Arbeitslosigkeit richtig gehan-delt.
Ich weiß, auch vonseiten der Opposition gab und gibt esForderungen und Anträge in diese Richtung. Wir aberwollten einen vernünftigen und ordentlich ausgearbeite-ten Gesetzentwurf. Dieser liegt Ihnen jetzt vor. Damithaben wir unser Versprechen eingelöst.Noch einen weiteren Aspekt, der für die Arbeits-marktpolitik von Bedeutung ist, wird das Sozialversiche-rungs-Stabilisierungsgesetz regeln. Durch die krisenbe-dingten Einnahmeausfälle und steigenden Ausgabenverzeichnete die Bundesagentur für Arbeit für das ver-gangene Jahr ein Defizit von 10,9 Milliarden Euro. DieRücklage der BA ist zum Jahresende 2009 auf rund1,9 Milliarden Euro gesunken. Für das Haushaltsjahr2010 erwartet die BA bei einem unveränderten Beitrags-satz in Höhe von 2,8 Prozent ein Defizit in Höhe vonrund 17,9 Milliarden Euro. Dies entspricht einem Fehl-bestand von rund 16 Milliarden Euro am Jahresende.Wenn Herr Kollege Birkwald von der Linkspartei hierausführt, es sei ein Fehler gewesen, die Arbeitslosenver-sicherungsbeiträge von damals 6,5 Prozent auf heute2,8 Prozent zu reduzieren, so sei Ihnen, aber auch den Zu-schauern auf den Tribünen und am Fernseher gesagt:Wenn wir die Beitragssätze bei 6,5 Prozent belassen hät-ten, wäre die Konsequenz gewesen, dass jeder Arbeitneh-mer und natürlich jeder Arbeitgeber – das Ganze ist ja pa-ritätisch finanziert – Monat für Monat 3,7 Prozentpunktemehr an Sozialabgaben hätte zahlen müssen. Wenn Sieden Wunsch erfüllen wollen, müssen Sie den Forderun-gen der Linkspartei folgen.KzwhhduzutrgüvüdeddztiluKKzÜWcEnmdsktewwdhfü
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Birkwald?
Ja, natürlich. Ich bitte darum.
Herr Kollege Lehrieder, sind Sie bereit, zur Kenntnis
u nehmen, dass der Wunsch der Linken ist, dass alle Er-
erbslosen in der Krise 24 Monate Arbeitslosengeld er-
alten? Dafür braucht man Geld, und es ist sinnvoller, hö-
ere Beiträge zu zahlen, damit man dann, wenn man auf
as Pflaster geworfen wird, einen gewissen Schutz hat
nd erst später in das unsoziale Hartz-IV-System gelangt.
Herr Kollege Birkwald, sind Sie bereit, zur Kenntnisu nehmen, dass wir genau diesen Schutzschirm habennd dass wir in diesem Gesetzentwurf vorsehen, die Bei-äge zur Bundesagentur stabil zu halten und den Aus-leich des Defizits aus steuerfinanzierten Mitteln zubernehmen? Es ist ja auch ein Wunsch, den Sie als Um-erteilungspartei hier regelmäßig vortragen, dass wirber steuerfinanzierte Leistungen die Arbeitnehmer, alliejenigen, die im Berufsleben stehen, ein Stück weitntlasten sollen. Da sind wir mit Sicherheit sozialer alsie Linkspartei.
Dieser Fehlbestand soll nun nicht als zurückzuzahlen-es Darlehen, sondern als einmaliger Bundeszuschussur Verfügung gestellt werden. Wie wir auch im Koali-onsvertrag festgeschrieben haben, muss die Auszah-ng dieses Zuschusses selbstverständlich an strengeriterien gebunden werden.Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen undollegen, mit dem hier vorliegenden Gesetzentwurf set-en wir einen weiteren Markstein auf dem Weg zurberwindung der Krise und ihrer Folgen. Aus demachstumsbeschleunigungsgesetz und dem Sozialversi-herungs-Stabilisierungsgesetz ergeben sich steuerlicherleichterungen. Allein mit dem Wachstumsbeschleu-igungsgesetz entlasten wir die Bürger und Unterneh-en um insgesamt rund 8,5 Milliarden Euro. Wir wollenie Sozialbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmerntabil halten – hier unterscheiden wir uns von den Lin-en – und die Lohnnebenkosten nicht zusätzlich belas-n. Es gilt, im Rahmen des haushaltspolitisch Verant-ortbaren zusätzliche Impulse zu geben. Nur so werdenir das Vertrauen von Investoren und Konsumenten inie Kontinuität der künftigen Steuer-, Finanz- und Haus-altspolitik stärken und damit langfristig die Weichenr mehr Wachstum und Beschäftigung stellen.
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Paul LehriederNur so wird es uns gelingen, dabei zu helfen, dass dieUnternehmen die Krise meistern, Beschäftigungsver-hältnisse erhalten und mehr Arbeitsplätze schaffen. Wirkönnen es uns nicht leisten, in der konjunkturellen Tal-sohle zu verharren und sehenden Auges zuzulassen, dassdie Unternehmen und damit die Arbeitsplätze immerstärker unter Druck geraten.Ich weiß, liebe Kolleginnen und Kollegen von derOpposition, dass Sie das eigentlich genauso sehen. Des-halb möchte ich Sie einladen, uns auf unserem Weg zuunterstützen und diesen Gesetzentwurf mitzutragen.Danke schön.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
Drucksachen 17/507 und 17/495 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie
damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die
Überweisungen so beschlossen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich rufe nun die Ta-
gesordnungspunkte 19 a bis 19 c auf:
a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Nicolette
Kressl, Joachim Poß, Ingrid Arndt-Brauer, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
Maßnahmenbündel gegen Spekulationen auf
den Finanzmärkten und ungerechtfertigte
Banker-Boni
– Drucksache 17/526 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr. Carsten Sieling, Nicolette Kressl, Joachim
Poß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
SPD
Die Lasten der Krise gerecht verteilen, Speku-
lationen eindämmen – Internationale Finanz-
transaktionsteuer einführen
– Drucksache 17/527 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss
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Troost, Dr. Barbara Höll, Eva Bulling-Schröter,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE
LINKE
Finanztransaktionsteuer international voran-
treiben und national einführen
– Drucksache 17/518 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
ie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich
öre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
ollegen Joachim Poß für die SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fi-anzmarktkrise, in der wir seit gut zwei Jahren stecken,t für uns insgesamt eine große Zäsur, und zwar eine ge-ellschaftliche Zäsur und nicht nur eine vordergründigolitisch-ökonomische.Wir mussten erfahren, dass unsere Abhängigkeit vonanken und Finanzindustrie größer und tiefer ist, als wiris dahin vielleicht gedacht hatten. Die Verantwortungs-sigkeit und Gier, die Risikobereitschaft und manchmalogar die Dummheit von Bankern, Finanzmanagern unduch von Verwaltungsräten öffentlicher Landesbankenprengen das bisher Vorstellbare.Hier setzt unsere gemeinsame Aufgabe ein, meineamen und Herren, die Aufgabe der Politik: Wir müsseniese Leute aus der Parallelwelt holen, in der sie sich jede Äußerung dieser Tage macht das deutlich – nochmer befinden.
Ich rede von denen, die offenkundig auch im Namennderer sprechen. Ich halte überhaupt nichts vonckermann-Bashing; aber Herr Ackermann ist nun ein-al ein Sprecher der ganzen Branche,
nd jede Äußerung von ihm belegt, dass wir die Brancheus ihrer Parallelwelt holen müssen.
Nehmen wir als Beispiel nur die Diskussion über dieoni. Welche Rechtfertigung gibt es denn für ein solchesonisystem? Arbeiten die Arbeitnehmerinnen und Ar-eitnehmer, für die es kein solches System gibt, nichtuch motiviert? Solche Fragen muss man stellen. Einigeaben sich eingerichtet in diesem System und haben po-
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Joachim Poßlitische Unterstützer gefunden. Da müssen wir umkeh-ren.
Nur dadurch, dass die Notenbanken und die Staatenbis an die Grenzen ihrer Möglichkeiten und Mittel ge-gangen sind, konnte ein flächendeckender Kollaps derFinanzmärkte verhindert werden. Uns allen, meine Da-men und Herren, muss klar sein: Noch eine solche Krise,wie wir sie in den letzten zwei Jahren erlebt haben,könnte auch Deutschland nicht mehr bewältigen. Darauslässt sich nur eine Konsequenz ziehen: Die Strukturenin der Finanzindustrie, die Bankenwelt und die Finanz-märkte insgesamt sind so zu verändern, dass sich einesolche Krise möglichst nicht mehr wiederholt.
Wenn man die Berichte aus Davos verfolgt, bekommtman mit, dass – polemisch gesprochen – beim Champa-gner schon wieder gesagt wird: Das darf aber nicht zuweit gehen. Nach der Obama-Rede haben HerrAckermann und andere aus der Branche in die gleicheRichtung argumentiert – Originalton –: Die Regierungenwerden jetzt doch nicht die falschen Schlussfolgerungenziehen, weltweit und europäisch!
Angesichts dessen muss man sich fragen: In welcherWelt leben diese Menschen? Sie sollten Davos schnellverlassen und sich einmal die soziale Realität, zum Bei-spiel in der Bundesrepublik Deutschland, anschauen.
Das ist eine der zentralen Gestaltungsaufgaben diesesHauses: Wir müssen uns nicht den Kopf zerbrechen, obund wie wir für diesen oder jenen noch mehr Steuernsenken können; das aber machen Sie in dieser Koalitionhauptsächlich. Sie müssen endlich zu Potte kommen undeine Strategie entwickeln, wie wir mit nationalen, euro-päischen und internationalen Maßnahmen die Aufgabe,die ich beschrieben habe, endlich in den Griff bekom-men.
Da ist bei Ihnen Pause, Ende der Durchsage. Warumdenn? Es ist doch ein Skandal, dass sich diese schwarz-gelbe Koalition in einer der zentralen Fragen unsererZeit nicht verständigen kann,
bei der Finanzmarkttransaktionsteuer unterschiedlicherMeinung ist.Frau Merkel äußert Verständnis. Aus der CSU kom-men sozialdemokratische Töne.
DdeteWKs–RRDlekPinsRteoFMregmtiKdDswreWktrwdwurid
as wurden hier, auch während der Zeit der Großenoalition, für Reden gehalten, von Frau Merkel, philo-ophisch von Ihrem Herrn Röttgers – –
Röttgen. Röttgers ist die Mischung aus Rüttgers undöttgen; denn die beiden tun sich da nicht viel: Großeeden, nichts dahinter!
ie Rede von Herrn Röttgen war philosophisch ange-gt, blieb aber ohne Konsequenzen. Wenn es um Kon-retes geht: Ende der Durchsage. Sie sind in diesemolitikfeld blank, so wie in der Gesundheitspolitik und anderen Politikfeldern. Sie haben für die Zukunft un-eres Landes konzeptionell nichts zu bieten. Das ist dieealität; darüber wird hinweggetäuscht.
Eine solche Haltung können wir uns nicht mehr leis-n: Es werden immer nur Fensterreden von Frau Merkelder von Herrn Schäuble gehalten. Jetzt wird eineinanzmarktkonferenz abgehalten, aber nicht erst imai, sondern schon im April,
chtzeitig vor einer wichtigen Landtagswahl, um zu sa-en: Irgendwann werden wir uns um die Probleme küm-ern. Was ist das für eine Regierung, die in dieser Situa-on nicht die Ärmel aufkrempelt!
Man kann fast den Eindruck haben, dass in dieseroalition nicht die schwäbische Hausfrau Merkel, son-ern die schwäbische Drossel Homburger das Sagen hat.
a fragt man sich doch, welche speziellen Interessenich hier durchsetzen. Wir werden einmal recherchieren,elche Spenden da vielleicht unterwegs sind oder wa-n.
ir haben es doch nicht vergessen: Kurz vor der Wahlamen einige ganz dicke Spenden aus der Finanzindus-ie bei den jetzigen Koalitionspartnern an. Da wird dochohl kein Zusammenhang zu dem konkreten Nichthan-eln bestehen?Sie sind von der letzten Obama-Rede aufgeschrecktorden. Erst muss der amerikanische Präsident kommennd etwas zur Begrenzung von Bankenmacht und hoch-skanten Finanzgeschäften ausführen; dann kommt dieeutsche Regierung und sagt: Wir halten eine Konferenz
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Joachim Poßzu diesem Thema ab. Das ist in der Tat ein Armutszeug-nis. Es muss wirklich anders gehen. Wir brauchen drin-gend so etwas wie einen deutschen Aktionsplan, einkonkretes Konzept, wie Deutschlands Beitrag zur nach-haltigen und dauerhaften Stabilisierung der Finanz-märkte und des Bankensektors aussehen soll.Viel Zeit wurde vertan. Wir haben diese Diskussionschon in der Großen Koalition geführt, auch über eineSonderabgabe des Bankenbereichs. Da haben Sie blo-ckiert. Ich habe mit Ihnen in einer Gruppe zur Begren-zung von Managergehältern verhandelt. Ein Dreiviertel-jahr lang mussten wir Ihnen Stück für Stück notwendigegesetzliche Veränderungen regelrecht aus der Nase zie-hen, je nachdem, wie hoch der Druck in der Finanz-marktkrise gerade war. Bei der Frage der Begrenzungder steuerlichen Abzugsfähigkeit von Gehältern und Ab-findungen – dazu zählen Boni – haben Sie sich vonvornherein verweigert.Was ist denn das für eine Haltung! Auch da müssenSie sich bewegen.
Sie müssen doch auf nationaler Ebene machen, was aufnationaler Ebene möglich ist. Diese Chance nutzen Sienicht. Sie machen unverbindliche Gedanken- und Mei-nungsaustausche und gehen die Probleme nicht an. Wirhaben auch auf nationaler Ebene Regelungsbedarf. Siesind nicht glaubwürdig.Auch Frau Merkel, die ein internationales Renommeehat – wer wollte das denn bestreiten! –, kann mit ihremeuropäischen oder internationalen Renommee überhauptnichts anfangen, weil sie gar nicht weiß, wofür sie sichbei den Gipfeltreffen in Europa oder den G-20-Treffen inder Welt nachhaltig einsetzen soll; denn sie hat kein ein-deutiges Mandat dieser Koalition. Dieser Zustand musssich ändern.Um Ihnen da auf die Sprünge zu helfen, haben wirzwei Anträge formuliert, die heute im Einzelnen nochgut begründet werden. Wir werden dann ja sehen, wieSie sich dazu verhalten.Die Zeit des Stillstands auf einem zentralen Politik-feld in Deutschland muss vorbei sein. Ihre Zeit ist in die-sem Punkt jedenfalls abgelaufen. Bewegen Sie sichbitte!
Das Wort hat nun Leo Dautzenberg für die CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Poß, durch Ih-ren Beitrag haben Sie im Grunde wieder bekundet, dassSie sich hier unter Wert darstellen. Das gilt insbesondereimKshnfübwwdsvliBrewvimgsnreslizVzHusunvjelewnmdFtikrezfodB
Ich darf vielleicht daran erinnern, was wir beispiels-eise hinsichtlich der Vergütungsstrukturen schon aufen Weg gebracht haben, was wir gemeinsam beschlos-en haben. Wir waren eben nicht bereit – das ist nach wieor richtig –, bei den Vergütungsstrukturen unter steuer-chen Gesichtspunkten zwischen guten und schlechtenezügen bzw. Einkünften und Ausgaben zu differenzie-n. Das ist der falsche Ansatz.Man setzt zu spät an, wenn man damit anfängt – dasurde auch in England teilweise vollzogen –, Boni zuersteuern. Diese Boni dürfen den Bereich der Banken Grunde gar nicht verlassen, sondern sie sollten dafürenutzt werden, die Eigenkapitaldecke der Banken zutärken. Das wäre der bessere Beitrag als der, hier zu ei-em späteren Zeitpunkt eine Besteuerung herbeizufüh-n, die über andere Vergütungssysteme teilweise wiedero ausgeglichen wird, dass Sie das, was Sie damit eigent-ch beeinflussen wollen, gar nicht erfassen.
Deshalb geht es darum, systematisch die Dinge fort-usetzen, mit denen wir bereits begonnen haben. Dieerabschiedung des Finanzmarktstabilisierungsgeset-es, dem bis auf die Linke alle Fraktionen in diesemause zugestimmt haben, war national der richtige Weg,m eine Stabilisierung zu erreichen. Das muss fortge-etzt werden.Wenn wir uns anschauen, was auf europäischer Ebenend international momentan diskutiert wird und was wirational in der Pipeline haben, dann sehen wir, dass dieson folgenden Zielen gekennzeichnet ist:Wir stimmen Ihnen zu, dass sich die Krise, die sichtzt mit all ihren Folgen ereignet hat, so nicht wiederho-n darf. Sie können nie ausschließen, dass es immerieder Krisen geben wird, aber aufgrund der Erkennt-isse, die man aus der aktuellen Krise gewonnen hat,uss man jetzt die notwendigen Maßnahmen ergreifen,amit sich eine solche Krise mit den entsprechendenolgen nicht wieder ereignet.Mit allen Anträgen, die hier von den Oppositionsfrak-onen gestellt worden sind, greifen Sie im Grunde zuurz, da Sie nur über Abgabesysteme und Belastungenden. Es wird nicht gesagt, wie wir systematisch undielgenau die Erkenntnisse aus der Krise ziehen, die er-rderlich sind, um die entsprechenden Maßnahmenurchführen zu können.Als weiteres Ziel gilt es deshalb in der Tat, bestimmteanken – die, die gerettet wurden; über die Rettung er-
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Leo Dautzenbergfolgte eine Stabilisierung und wurde ein Nutzen erzielt –an den Kosten zu beteiligen. Man muss nur fragen, mitwelchen Instrumenten dies geschehen soll. Dies mussauch differenziert geschehen.
– Wie lange wir brauchen? Wir sind jetzt seit einembzw. zwei Monaten dabei. Durch Schnellschüsse, wieSie sie fordern, wird uns hier nicht weitergeholfen, son-dern das muss durch eine nationale, europäische und in-ternationale Vereinbarung im System verankert werden.
Deshalb war es richtig, dass Herr Obama zumindestVorschläge unterbreitet hat. Das ist die Grundlage dafür,dass man annehmen kann, dass sich etwas bewegt. Bis-her war es das größte Problem bei der internationalenAbstimmung, dass man das Stichwort „Regulierung“den Vertretern des angelsächsischen Raums gegenüberim Grunde gar nicht ansprechen konnte. Herr Steinbrück
und Frau Merkel haben doch das Thema Regulierungmit Recht immer betont. In Heiligendamm ist vereinbartworden, dass wir auch im angelsächsischen Bereich einestärkere Regulierung erreichen müssen.Wenn der Obama-Vorschlag etwas Gutes enthält,dann ist es die Öffnung für Maßnahmen. Dabei müssenwir uns aber fragen, ob die vorgeschlagenen Maßnah-men in unserer europäischen und nationalen Banken-struktur, Finanzmarktstruktur und auch Finanzmarktkul-tur adaptierbar und umsetzbar sind. Müssen wir nichtbesser von der nationalen Ebene ausgehend bis hin zureuropäischen Ebene Maßnahmen in die Diskussion ein-bringen, die unserer Finanzmarkt- und Bankenstrukturentsprechen?
Obamas Vorschlag bedeutet nämlich eine Rückkehrzum Trennbankensystem. Dadurch werden die Invest-mentbanken und damit die Banken begünstigt, die unsteilweise mit in die Krise geführt haben. Universalban-ken aber dürfen keinen Eigenhandel mehr machen. Esgeht doch nicht um die Frage, ob Eigenhandel zugelas-sen wird, sondern darum, in welchem Umfang er zuläs-sig ist. Das muss aufsichtsrechtlich mit Eigenkapital-anforderungen geregelt werden.
Je risikoreicher und systemisch relevanter, desto höhersollte die Eigenkapitalunterlegung sein, Herr Poß. Dasist die richtige Antwort, um Krisen und Blasenbildung indiesem Bereich zu verhindern,sdzAind–VdmZtodncgwDcpaAmfüpmg–wmswT
Richtig. – Der vom Bundesbankvorstand unterbreiteteorschlag, nicht nur die Bankenaufsicht, sondern auchie Solvenzaufsicht über die Versicherungen zu überneh-en, war im Grunde zu kurz gesprungen,
udem wurde in der Frage der Eingriffsverwaltung be-nt, dass in schwierigeren Fällen weiterhin das BMF fürie Rechts- und Fachaufsicht zuständig sein soll. Das isticht zu akzeptieren.
Wir können die Unabhängigkeit der Bundesbank si-herstellen, Kollege Poß. Es lässt sich organisatorischestalten, indem einzelne Teile voneinander getrennterden und dadurch die Aufsicht ausgeklammert wird.arin sind wir nicht weit auseinander. Das lässt sich ma-hen.Ferner muss die Aufsicht mit mehr präventiven Kom-etenzen ausgestattet werden. Im HRE-Untersuchungs-usschuss wurde immer wieder vorgetragen, dass dieufsicht auf das Geschäftsmodell keinen Einfluss neh-en kann. Wenn aber Geschäftsmodelle in den Ruinhren, dann muss die Aufsicht die Möglichkeit haben,räventiv auf die Tätigkeit der Bank Einfluss zu neh-en.
Das zeigt, dass wir auf einem guten Weg sind. Der re-ulatorische Ansatz ist besser geeignet.
Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Damit werdenir schon klarkommen. Ich wünsche mir nur, dass Sieit Ihren Vorschlägen konsistent zu dem stehen, was wirinnvollerweise gemeinsam gemacht haben. Dann wärenir schon einen wesentlichen Schritt weiter.
Nun kommen wir zu Obamas weiterem Vorschlag desrennbankensystems. Wir haben ein Universalbanken-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1761
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Leo Dautzenbergsystem. Das ist unsere Kultur bis hin zu den kleinstenEinheiten der Sparkassen und Genossenschaftsbanken.Wollen Sie die alle mit der von Ihnen gewünschtenFinanztransaktionsteuer erfassen? Sie waren doch an denUrsachen der Finanzkrise gar nicht beteiligt.
Lassen Sie uns doch die systemischen Banken heran-ziehen, die entsprechend gesichert worden sind. Damitsind wir wieder bei der Frage der Eigenkapitalunterle-gung.Gleichzeitig müssen wir in Basel dafür kämpfen, dasseine bestimmte Qualität des Eigenkapitals, was dasKernkapital anbelangt, erhalten bleibt. Wenn nämlichMezzanine-Kapital, also stille Beteiligungen, demnächstnicht mehr zum Kernkapital gehören, ist das ein Schlaggegen unsere Finanzierungskultur bei den Banken so-wohl auf nationaler als auf europäischer Ebene. Hiermüssen wir dem angelsächsischen Raum etwas entge-gensetzen, der hier zum Nachteil des deutschen und deseuropäischen Bankensystems interessengeleitet ist.Wenn Sie bereit sind, dabei mitzumachen, sind wir wie-derum einen Schritt weiter.
Herr Kollege Poß, mit der Reform der Finanzaufsichtmuss ein Insolvenzrecht für Finanzinstitute einherge-hen.
– Nein, hier können wir auf das aufbauen, was schonwährend unserer Zeit in den Häusern erarbeitet wurde.
Es dürfen hier keine Verzögerungen entstehen, nur weilman sich in den Ministerien nicht einig ist, wer hier dieFührung übernehmen soll.
Wir werden parallel dazu im Parlament darüber befin-den, welcher Ausschuss dafür zuständig ist.
Da wir im Insolvenzrecht für Finanzinstitute, im Grundeabgehoben vom gewerblichen Teil des Insolvenzrechts,im Wesentlichen Besonderheiten für Finanzinstitutebrauchen, werden sich die Änderungen überwiegend aufdas KWG konzentrieren. Die entsprechenden Arbeitenlaufen bereits. Aber der Gesetzentwurf muss seriös erar-beitet sein. Nach wie vor muss nämlich die Leitmaximein der sozialen Marktwirtschaft gelten, dass auch Finanz-institute scheitern können. Sie dürfen nicht immer auf-grund von „too big to fail“ oder der Systematik vomSteuerzahler gerettet werden müssen.
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Kollege Poß, wir haben aus der Krise gelernt underden die richtigen Maßnahmen sowohl auf nationalerls auch auf europäischer und internationaler Ebene er-reifen. Herr Zöllmer, mit Schnellschüssen ist uns nichtedient. Wir werden uns an unseren Leitgedanken orien-eren.
Ich war doch schon konkret genug. Sie haben offenbaricht zugehört oder haben eine selektive Wahrnehmung,eil Sie vielleicht das, was ich vorgeschlagen habe,icht erwartet haben.
Mit den drei Anträgen, die sich alle nur auf eine Maß-ahme konzentrieren, können Sie die vor uns liegendenerausforderungen jedenfalls nicht bewältigen. Wir sindit unseren Vorstellungen auf einem besseren Weg.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Axel Troost für
ie Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ur Diskussion stehen zwei Anträge zur Finanztrans-ktionsteuer.
as ist in der Tat nicht alles, worum es geht. Aber esandelt sich zumindest um eine ganz konkrete Maß-ahme. Wer die zwei Anträge der SPD und der Linkenu dieser Steuer genau liest, wird eine sehr große Über-instimmung feststellen, und das ist auch gut so.
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1762 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Dr. Axel TroostWir Linken begrüßen insbesondere die Analyse, diesich die SPD in ihrem Antrag zu eigen gemacht hat. Ichmöchte kurz zitieren:Die Ursachen der Krise liegen in weltweit liberali-sierter Regulierung und Aufsicht als Ergebnis einermarktradikalen Ideologie, bei der es nur um dieMaximierung von Profit, Kapitalrenditen undhöchstmögliche Boni ging und die die ursprünglichdienende Funktion von Finanzmärkten und derenFunktionen für das Gemeinwohl oft vollständigignorierte.
Sehr wohl, das ist das, was die Linke hier in den letztenJahren immer gesagt hat.
Wir sind froh, dass sich bei der SPD diese Erkenntnisjetzt auch durchgesetzt hat,
und wir hoffen, dass die Politik jetzt auch entsprechendausfallen wird, wenn auch erst in der Opposition.In unserem Antrag fordern wir die Bundesregierungzu Folgendem auf. Erstens: Die Bundesregierung sollsich in internationalen Organisationen wie UNO und In-ternationalem Währungsfonds, in einzelnen Staatengrup-pen wie G 20 und OECD und in der Europäischen Unionnachdrücklich für die Einführung der Finanztrans-aktionsteuer einsetzen.
Zweitens: Über den Fortgang dieser Verhandlungensoll die Bundesregierung das Parlament und die Öffent-lichkeit regelmäßig informieren.Drittens: Während diese Verhandlungen laufen, solldie Bundesregierung parallel einen Gesetzentwurf zurEinführung einer Finanztransaktionsteuer in Deutsch-land vorlegen.
Wenn die Verhandlungen sich dann in die Länge ziehen,sollen wir gemeinsam, Bundesregierung und Bundestag,unsere Glaubwürdigkeit dadurch unter Beweis stellen,dass die Finanztransaktionsteuer mit einem niedrigerenSteuersatz im Alleingang bereits eingeführt wird.
Wir wissen, es kommen immer wieder zahlreiche Ge-genargumente; auf zwei davon will ich eingehen: Ers-tens wird vorgebracht, eine solche Steuer treffe Unschul-dige und die kleinen Leute. Wenn man sich das inunserem Antrag genau ansieht, so ist zu erkennen, dasswir davon ausgehen, dass bei einem nationalen Allein-gang ein Steuersatz von 0,01 Prozent umgesetzt wird. ImMkDvnw1c1–Vw–usthgGesEzLbinbwCdBmgmPdpecwdB
Das ist doch ganz einfach. Das sind 1 bis 2 Prozent desolumens, und das ist das, was an Bankgebühr verlangtird.
Nein, das ist einmalig; beim Erwerb wird dies fällig,nd unabhängig davon, ob ich jeden Monat 100 Europare oder einmal 10 000 Euro, ergibt die Summe ma-ematisch immer das Gleiche, Herr Kollege.Zweitens wird immer wieder gesagt, das gehe nurlobal. Das war sicherlich früher ein weit verbreitetesegenargument. Heute ist es aus unserer Sicht nur nochine ignorante Schutzbehauptung, denn es gibt inzwi-chen viele Untersuchungen, die die Einführung auf EU-bene für machbar und für funktional halten.
Hinzu kommt, dass sich weltweit Regierungen positivur Finanztransaktionsteuer äußern, gerade auch vonändern mit großen Finanzzentren, zum Beispiel Groß-ritannien. Ich appelliere daher an alle in diesem Haus,sbesondere an diejenigen, die immer wieder sagen, wirrauchten eine weltweite Finanztransaktionsteuer – ichende mich also insbesondere an die Kollegen in derDU –, die gegenwärtige Gunst der Stunde zu nutzen,ass der Premierminister Großbritanniens, Gordonrown, sich im Augenblick so weit hervorgewagt hat.
Wir halten es für sinnvoll, auch ins deutsche Parla-ent einen entsprechenden Vorratsbeschluss einzubrin-en, wie ihn das belgische und das französische Parla-ent gefasst haben. Nur zur Information: Das belgischearlament hat am 1. Juli 2004 ein Gesetz beschlossen, inem sich Belgien mit einem Vorratsbeschluss selbst ver-flichtet, eine Tobinsteuer einzuführen, sobald die EUinen entsprechenden Beschluss fasst.
Die französische Nationalversammlung hat das Glei-he bereits im Herbst 2001 gemacht. Beide Staaten – dasar die damalige Diskussion – haben jetzt schon entwe-er eine Besteuerung auch von Börsenumsätzen wie inelgien oder aber wie in Frankreich einen Präsidenten
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1763
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Dr. Axel TroostSarkozy, der sich ganz eindeutig für die Einführung derFinanztransaktionsteuer einsetzt.
Die G 20 haben in Pittsburgh den InternationalenWährungsfonds beauftragt, nach Möglichkeiten zu su-chen, wie der Finanzsektor stärker zur Finanzierung derKrisenkosten herangezogen werden kann. Das ist ausunserer Sicht eine etwas salomonische Umschreibungder Tatsache, dass geprüft werden soll, ob eine Einfüh-rung einer solchen Finanztransaktionsteuer möglich istund wie sie entsprechend umgesetzt werden könnte. Wirglauben, dass die gegenwärtige Situation dafür reif ist,eine solche Steuer wirklich national und internationaleinzuführen.
Bitte denken Sie daran: Es geht nicht darum, der SPD,der Linken oder den Grünen einen Gefallen zu tun. Esgeht um sinnvolle Regulierung. Es geht um dringend be-nötigte Staatseinnahmen. Es geht um nachholende Ge-rechtigkeit, nämlich die Beteiligung der bisherigen Pro-fiteure des Finanzmarktkapitalismus an den Kosten dergrößten Finanz- und Wirtschaftskrise seit 1930.
Wenn Sie sich für eine solche Finanztransaktionsteuerentscheiden, tun Sie uns allen einen Gefallen, denn un-sere traurigen Staatsfinanzen können Einnahmen gut ge-brauchen. Wir gehen davon aus, dass selbst bei einemminimalen Steuersatz von 0,01 Prozent – ich sage esnoch einmal – insgesamt jährliche Mehreinnahmen inder Größenordnung von 15 bis 18 Milliarden Euro ent-stehen.
Dabei ist zum Teil ein Rückgang bis zu 80 Prozent, zumBeispiel im Bereich der Derivate, unterstellt. Das istauch gut so, denn es geht eben nicht nur um die Einnah-men, sondern auch um eine Entschleunigung.
Es darf bei diesen Einnahmen aus unserer Sicht nichtnur um die Bedürfnisse des Inlandes gehen. Wir schla-gen deswegen vor, die Mehreinnahmen zur Hälfte fürden sozial-ökologischen Umbau zu verwenden und dieandere Hälfte für Umwelt- und Klimaschutz sowie fürdie Finanzierung von Entwicklung und Armutsbekämp-fung in Ländern des Südens.
Deshalb unser dringender Appell: Werden Sie IhrerVerantwortung in dieser besonderen Konstellation ge-recht und nutzen Sie die Chance, einen internationalenProzess nicht nur anzustoßen, sondern ihn auch mitzuge-stalten. Denken Sie bitte auch daran, dass sich über65 000 Bürgerinnen und Bürger in einer Petition für dieEinsetzung der Finanztransaktionsteuer ausgesprochenhaben,dnaacbdIcrigkAwdd–imWsdDduvnDFwcwSS
ass viele gewerkschaftliche und kirchliche Organisatio-en, Hilfswerke, Nichtregierungsorganisationen unduch Attac die Bundesregierung in einem offenen Briefufgefordert haben, entsprechende Aktivitäten zu entwi-keln.
Wenn man sich mit Vertretern der Finanzbranche einisschen unterhält, dann weiß man auch, dass diese miter Einführung einer solchen Steuer durchaus rechnen.h habe vor zwei Tagen ein Gespräch mit einer Vertrete-n der Deutschen Börse geführt, die schon davon aus-eht, dass diese Diskussion ganz konkret auf sie zu-ommt.Viele von uns waren gestern beim parlamentarischenbend des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes,o Herr Haasis genau diese Frage angesprochen undeutlich gemacht hat: Wenn man Maßnahmen ergreift, umie Finanzwirtschaft an diesen Kosten zu beteiligen – –
Herr Dautzenberg, Sie sagen immer wieder, Sie wollen Prinzip die Finanzindustrie an den Kosten beteiligen.
enn die Einführung dieser Steuer die geringste derchlimmen Maßnahmen ist, dann lassen Sie uns dieseoch ergreifen.
ie Alternative ist, dass Sie gar nichts machen. Das istoch der Punkt.Deswegen der dringende Appell an die Kolleginnennd Kollegen von der CDU: Befreien Sie sich endlichon dem Blockadegriff der FDP, die jede Art von Maß-ahme auf diesem Gebiet verhindern will. Es kann aufauer nicht sein, dass der Schwanz, in diesem Fall dieDP, mit dem Hund – das ist der Rest des Parlaments –ackelt und sagt: Wir wollen die Einführung einer sol-hen Steuer nicht. Angesichts der letzten Umfrageürde ich sagen: Der Schwanz ist inzwischen ein kleinertummelschwanz geworden.Danke schön.
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Frankchäffler das Wort.
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1764 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Wenn man die Debatte verfolgt, die jetzt zumwiederholten Male hier im Parlament stattfindet – in dernächsten Sitzungswoche wird sie übrigens noch einmalgeführt –,
dann erkennt man: Sie beschäftigen sich viel mit denWirkungen der Finanzkrise, aber mit den Ursachen be-schäftigen Sie sich, ehrlich gesagt, viel zu wenig. Wirtun das.
Die Justizministerin hat angekündigt, ein neues Insol-venzrecht, insbesondere für den Bankenbereich, vorzule-gen, um letztendlich dem Ordnungsrahmen in Europaund vor allem in unserer sozialen Marktwirtschaft wie-der Geltung zu verschaffen. Das heißt, derjenige, der Ri-siken eingeht, hat nicht nur die Früchte zu ernten, son-dern, wenn es schiefgeht, im Zweifel auch zu haften.Das ist die andere Seite der sozialen Marktwirtschaft.Wir werden dafür eintreten, dass das in Deutschlandwieder zusammengehört.
Es gibt noch einen Bereich, mit dem wir uns beschäf-tigen werden. Die Bankenbranche muss für das, was siebei HRE und WestLB verursacht hat
– die Commerzbank nehme ich gern hinzu –, wofür bis-her der Steuerzahler eintritt, im Rahmen eines Versiche-rungssystems geradestehen und dafür entsprechendeGebühren und Beiträge entrichten, sodass am Ende die-jenigen, die von den Rettungsaktionen profitiert haben,auch dafür bezahlen. Darüber müssen wir uns in dennächsten Wochen und Monaten unterhalten. Da ist einSchnellschuss nicht möglich. Vielmehr müssen wir unsdarüber Gedanken machen, inwieweit wir den SoFFindahin gehend weiterentwickeln können.Entscheidend ist, dass Sie viel über die Symptomeund zu wenig über die Ursachen der Krise sprechen.Die Ursache der Krise ist eine Kredit- und Geldschöp-fung aus dem Nichts. Um es einfacher zu sagen: Die Ur-sache der Krise ist das verstärkte Gelddrucken der No-tenbanken und hier vorneweg der amerikanischen Fed.
– Ich will das auch mit Zahlen belegen. Zwischen 1998und 2009 stieg das reale Bruttoinlandsprodukt in Ame-rika – in Europa war es ähnlich – um rund 20 Prozent.
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In der modernen Ökonomik greift zunehmend die Er-enntnis Platz, dass billiges Geld, das nicht aus Erspar-issen besteht, zu Fehlinvestitionen führt, die Investi-onsblasen entstehen lassen und am Ende Finanzkrisenerursachen.
Es ist auch nicht so, dass dies von niemandem erkannturde.
chon vor der Weltwirtschaftskrise 1929 haben Ökono-en wie Ludwig von Mises und Friedrich August vonayek dieses Phänomen beschrieben.
o war es auch in dieser Krise. Ökonomen haben vor derolitik des billigen Geldes gewarnt. So schwer es ist, wirüssen diese Politik des billigen Geldes beenden.
Ihr Vorschlag ist ein Ablenkungsmanöver und letzt-ndlich der falsche Weg, weil es damit nicht an die Ursa-hen geht.
Wenn die von Ihnen gewünschte Steuer so richtig ist,ie Sie es beschrieben haben,
ann frage ich Sie: Wieso haben Sie die Finanztransak-onsteuer in den letzten elf Jahren im Deutschen Bun-estag nicht durchgesetzt? Wenn es mit der Union nichtegangen ist, hätten Sie es immerhin mit den Grünenmsetzen können. Sie haben es nicht gemacht. Sie haben
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Frank Schäfflerkurz vor der Bundestagswahl die Kurve gekriegt undsind jetzt in der Opposition angekommen.
Herzlichen Glückwunsch!
Völlig absurd ist jedoch, dass Sie sich im Zweifel füreinen nationalen Alleingang aussprechen und als beson-deres Beispiel England, also Großbritannien, anführen.Wer sich mit der in Großbritannien eingeführten Stem-pelsteuer beschäftigt hat, weiß, dass damit zig Ausnah-men verbunden sind – nicht ohne Grund –:
Ausländische Wertpapiere werden nicht berücksichtigt;britische Staatsanleihen werden nicht berücksichtigt;neue Wertpapiere werden nicht berücksichtigt; Derivatewerden nicht berücksichtigt.
Schweden hat 1984 die Börsenumsatzsteuer einge-führt. Eine Woche nach Einführung dieser Steuer gingder Handel mit Rentenpapieren um 85 Prozent zurück.
Das Handelsvolumen von Futures und Optionen sankum 98 Prozent. Das Handelsvolumen der wichtigstenschwedischen Wertpapiere ging in der gleichen Zeit um50 Prozent zurück und hat sich nach England verlagert.
Dennoch wollen Sie eine solche Steuer bei uns einfüh-ren. Wenn Sie die Arbeitsplätze von 75 000 Menschen,die in Frankfurt im Bankbereich arbeiten, vernichtenwollen, dann müssen Sie diese Steuer einseitig einfüh-ren, so wie es in zweien Ihrer Anträge gefordert wird.
Herr Kollege, gestatten Sie am Ende Ihrer Redezeit
eine Zwischenfrage der Kollegin Hendricks?
Bitte schön.
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arin sei die Position der Bundesregierung dargestellt.
Jetzt frage ich Sie, Kollege Schäffler – Sie sind
chließlich Mitglied dieser Koalition –: Wollen Sie der
undesregierung gerade hier ganz bewusst in den Rü-
ken fallen?
Frau Kollegin Hendricks, Sie waren lange genug Mit-lied der Bundesregierung
nd wissen, dass es durchaus einen Unterschied zwi-chen Bundesregierung und Parlament gibt. Ich bin Par-mentsvertreter. Die Regierung sitzt dort auf der Bank.
Entscheidend ist in einer Koalition, was im Koali-onsvertrag steht. Für die christlich-liberale Koalitionilt – so steht es im Koalitionsvertrag –:
as wir den Wählerinnen und Wählern vor der Bundes-gswahl versprochen haben, gilt auch danach; Steuer-rhöhungen zur Krisenbewältigung kommen für unsicht infrage.
eshalb bin ich ganz entspannt, was dieses Thema be-ifft. Wir wollen keine Steuererhöhungen. Wir sind viel-ehr angetreten, um in Deutschland Steuern zu senken.ir wollen die Kleinsparer und die Kleinverdiener in
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1766 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Frank SchäfflerDeutschland nicht mit zusätzlichen Steuern belasten. Siewollen mit einer Transaktionsteuer – die etwas verkürztemathematische Betrachtung von Herrn Troost lasse icheinmal außen vor – Kleinsparer abzocken. Das wollenwir nicht, und deshalb werden wir ein solches Ansinnenablehnen.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gerhard Schick
für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Was wir heute seitens der Koalition erlebt haben, warnichts als Herumgeeiere.
Was ist die Position der Bundesregierung zur Finanzum-satzsteuer? Wir wissen es nach wie vor nicht.
Wie sinnvolle internationale Verhandlungen möglichsein sollen, wenn die Bundesregierung keine Ahnunghat, was ihre Position ist, das müssen Sie uns erst einmalerläutern.
Es geht hier um konkrete Maßnahmen. Der geschätzteKollege Schäffler hat über die Währungsordnung philo-sophiert. Wenn die FDP politisch relevant ist, dannmüssten die Börsen jetzt verrücktspielen, weil Sie ge-rade den Euro zur Disposition gestellt und ein wettbe-werbliches Währungssystem vorgeschlagen haben. Ichglaube allerdings, dass die Börsen davon unbeeindrucktsind, weil die FDP in dieser Frage zum Glück irrelevantist.
Aber es ist ja noch schlimmer. Sie sind völlig getriebenvon den internationalen Entwicklungen. Was sind die ei-genen Beiträge? Praktisch nichts. Erst musste der ameri-kanische Präsident Barack Obama auf die massiven Wi-derstände der Bankenlobby reagieren und verkünden: Ichpacke den Stier bei den Hörnern und will etwas tun. Ge-nau das passiert doch in den USA. Angesichts der Mil-lionenspenden der Banken, die dazu dienen, sinnvolle Fi-nanzregeln zu verhindern,
sagt die dortige Regierung: Wir werden uns nicht nieder-ringen lassen, sondern wir vertreten die Interessen derBzaskKundBwlieMwkNKirssEsFle–AV
ündigt der Bundesfinanzminister an, wir werden eineonferenz veranstalten
nd daraufhin weitere Maßnahmen verkünden. Man istun ganz stolz darauf, dass es die Ankündigung gibt,ass ein Gesetzentwurf zum Thema „Insolvenzrecht füranken“ erarbeitet werden soll. Meines Wissens hattenir im Sommer schon zwei entsprechende Entwürfe vor-egen. Jetzt wird ein neuer angekündigt – ein großes Er-ignis!
an kann nun sagen: Wenigstens im nationalen Bereichird Großartiges getan. – Ja, bevor noch irgendein kon-retes Ergebnis des ersten Kreditklemmegipfels vomovember letzten Jahres vorliegt, wird schon der zweitereditklemmegipfel für März angekündigt. Auch das istgendwie leer. Was tun Sie denn wirklich konkret?
Zur Bonusbesteuerung sagen Sie: Es sei nicht Ihr An-atz, so vorzugehen, wie wir es vorschlagen. Aber wieieht denn Ihr Ansatz aus? Wir würden ihn gerne sehen.
s macht mir richtig Sorgen, Herr Dautzenberg, dassich diese Regierung auf dem zentralen Politikfeld derinanzmarktpolitik treiben lässt und bisher nichts vorge-gt hat.
Ja, Herr Dautzenberg, Sie wollen keinen Aktionismus.ußerdem haben Sie gesagt, die Opposition lege nurorschläge zu einzelnen Punkten vor.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1767
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Dr. Gerhard Schick
Entschuldigung, das Wesen eines parlamentarischen An-trages ist häufig, dass man eine Idee aus einem Gesamt-konzept, das man verfolgt, in den Vordergrund stellt.
Schauen wir doch einmal in den Koalitionsvertrag, indem Sie in einer umfassenden Sicht ganz systematischzusammengeschrieben haben, was Sie vorhaben.
Da werden erst schöne Prinzipien genannt, und dannkommt der entscheidende Satz:Dazu werden wir insbesondere folgende Maßnah-men ergreifen: …
Dann schaut man, und dann schaut man, aber von Maß-nahmen ist nicht die Rede.
Da stehen dann Aussagen wie:… die Kreditwirtschaft muss sich ihrer Verantwor-tung als Finanzierungsgeber der deutschen Wirt-schaft bewusst sein.Eine sehr konkrete Maßnahme!
Weiter steht da:Wir wollen verhindern, dass Staaten in Zukunft vonsystemrelevanten Instituten zu Rettungsmaßnah-men gezwungen werden können.Aber wie wollen Sie es tun?
Deswegen würde ich sagen: Gehen Sie noch einmalauf „Start“! Legen Sie uns einmal vor, welches Bild Sieaus der Ursachenanalyse gewonnen haben und welcheRichtung in Bezug auf die Finanzmärkte eingeschlagenwerden soll. Eines sage ich Ihnen für meine Partei ganzdeutlich: Nur ein paar Regeln für den Finanzmarkt vongestern zu schrauben, damit es dann wieder wie vorherweitergehen kann, das darf es nicht geben, und das wirdes mit uns nicht geben.
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Dass die damals nicht zustimmen konnte, hatte sicher-ch etwas mit der CDU/CSU zu tun. Das will ich garicht anprangern.
ber man kann Ihnen, meine Damen und Herren von derPD, nicht durchgehen lassen, dass es dazu noch nichtinmal ein Gutachten aus dem Hause Steinbrück gab.ie müssen sich die Frage gefallen lassen, warum es dasicht gab und man nicht einmal die entsprechende Ideeorangetrieben hat. Daran hätte Sie kein Koalitionspart-er hindern können.
Die Kollegin Wieczorek-Zeul hat etwas gemacht, abericht Herr Steinbrück. – Vielmehr hat Herr Steinbrückls Erbe in dieser Frage nur eine leere Schublade hinter-ssen, und Sie müssen jetzt in der Opposition ziemlichei Null anfangen.
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
ieling?
Selbstverständlich.
Herr Kollege, bitte.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Dass wir nichts ge-acht hätten, ist eines der Zerrbilder, die in diesen De-atten gerne gebracht werden. Kollege Troost nimmt denteuervorschlag für die Linke in Anspruch. Darum willh an dieser Stelle einmal sagen, dass auch das Argu-ent des fehlenden Gutachtens nicht stimmt. Die SPDat schon 1999 auf einem Bundesparteitag die Einfüh-ng einer Finanztransaktionsteuer auf den internatio-alen Finanzmärkten gefordert und beschlossen. Eineolche Steuer ist schon damals geprüft worden.
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1768 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Dr. Carsten SielingDie Ministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul hat 2005 inihrem Ministerium ein Gutachten dazu erstellen lassen,um das zu prüfen.
Bundeskanzler Schröder hat 2005 dafür geworben, zumBeispiel in Davos. Die Problematik war, dass dafürkeine Mehrheiten zu finden waren,
übrigens auch, als wir gemeinsam in einer Koalition wa-ren. Deshalb frage ich Sie: Worauf beziehen Sie das? Ichbitte Sie, diese Falschdarstellung zu beenden.
Herr Kollege Sieling, ich habe sehr bewusst for-muliert, wie Sie feststellen konnten, wenn Sie zugehörthaben. Ja, die Entwicklungshilfeministerin HeidemarieWieczorek-Zeul hat damals ein Gutachten bei HerrnSpahn in Frankfurt in Auftrag gegeben, das den altenGedanken der Tobinsteuer in einer bestimmten Weiseweiterentwickelt hat. Ihr heutiger Antrag hat allerdingsmit dem damaligen Gutachten relativ wenig zu tun.
Vielmehr ist es ein anderes Konzept.
– Richtig. Aber genau diese Weiterentwicklung wurdeim Hause Steinbrück nicht vorangetrieben. Das ist das,was ich kritisiert habe. Im Hause Steinbrück wurde – dasist das schwere Erbe, das Sie zu tragen haben – noch bisweit in die Finanzkrise hinein das alte Paradigma derDeregulierung und der Finanzmarktförderung im Inte-resse der Finanzindustrie und nicht der Bürgerinnen undBürger dieses Landes vertreten. Das hat übrigens HerrSteinbrück mit einem Hauch von Selbstkritik im Unter-suchungsausschuss zur Hypo Real Estate auch einge-räumt.
Es ist ja richtig, in der Opposition jetzt einen Neustartzu machen. Aber Sie hätten wesentlich mehr tun können;dann hätten wir jetzt eine andere Grundlage. In Öster-reich hat die Große Koalition ein entsprechendes Gut-achten in Auftrag gegeben, auf das wir uns jetzt bezie-hen können und das der Debatte weiterhilft. Aus demHause Steinbrück gab es so etwas nicht.
Ich will noch einmal zu dem zentralen Argumentkommen, das viele FDP-Vertreter und auch Teile derUnion immer wieder vorbringen, wenn es um die Finanz-uaMnsbcsgPe2mtiglaDreAsdvhstikdzbzeBsLRdsDvde
ie wirklichen Umsätze im Finanzmarkt liegen in ande-n Bereichen. Die Spot-Market-Umsätze im Bereichktien und Bonds machen genau 2 Prozent der Ge-amtumsätze aus. Deswegen wird die Hauptbelastungort entstehen, wo Futures, Optionen und andere Deri-ate zwischen institutionellen Anlegern hin und her ge-andelt werden. Das wird den Kleinanleger nur in einero minimalen Größenordnung belasten, dass es den posi-ven Aspekt auf jeden Fall nicht überkompensierenann. Sagen Sie da endlich einmal die Wahrheit, nämlichass Sie genau diese Elemente des Finanzmarktes nichtur Kasse bitten wollen, obwohl von ihnen große Insta-ilitäten ausgehen! Das Argument, dass der Kleinanlegerahlt, ist falsch.
Herr Kollege, der Herr Kollege Schäffler würde gerne
ine Zwischenfrage stellen. Gestatten Sie diese? – Ja. –
itte.
Herr Kollege Schick, die Rechnung, die Sie aufge-tellt haben, kann ich nicht nachvollziehen.
ebensversicherungssparer, Fondssparer oder auchiester-Sparer sparen nicht nur einmal und lassen dannas Geld liegen, sondern sie sparen jeden Monat bei-pielsweise 50 oder 100 Euro.
ieses Geld wird immer wieder neu angelegt. Wenn Sieon diesem Geld jedes Mal 0,05 Prozent wegnehmen,ann ergibt sich über den Zinseszinseffekt langfristigine erheblich geringere Wertsteigerung. Das bayerische
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1769
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Frank SchäfflerFinanzministerium hat zusammen mit dem damaligenGeneralsekretär der CDU ausgerechnet,
dass ein Riester-Sparer, der langfristig über 20 Jahreanspart, am Ende 5 000 Euro weniger in der Tasche hat.Nehmen Sie das zur Kenntnis?
Ich glaube, dass wir uns damit einmal intensiver aus-einandersetzen müssen,
da Sie die wesentlichen Grundzüge, wie am Finanzmarktangelegt wird, noch nicht zur Kenntnis genommen ha-ben.
Wenn ich im Rahmen eines Fondssparplans jeden Mo-nat etwas einzahle, dann heißt das nicht, dass jedes Malalles umgeschlagen wird. Das entscheidende Problem,über das sich auch viele Anleger kritisch mit ihren Fondsauseinandersetzen, ist, dass in manchen Fonds zulastender Anleger eine viel zu hohe Turn-over-Ratio herrscht,das heißt, dass viel zu häufig umgeschlagen wird.
Gerade das wollen wir dadurch korrigieren, dass wir denAnlegerschutz verbessern. Damit bleibt folgender Ef-fekt: Über 90 Prozent der Einnahmen aus einer Finanz-transaktionsteuer werden aus den Bereichen der derivati-ven Geschäfte kommen,
die für die langfristige Anlage eine vernachlässigbareRolle spielen.
Machen wir folgende Rechnung auf – auch Sie wissen,dass man als Finanzwissenschaftler sauber rechnenmuss –:
Wenn Sie die Einnahmen nicht über eine Finanzum-satzsteuer erzielen, sondern über die allgemeine Um-satzsteuer – irgendwoher muss das Geld kommen, wennwir Aufgaben finanzieren –, dann würden Sie den Nor-malbürger wesentlich mehr belasten. Unser Instrumentder Finanzumsatzsteuer ist wesentlich gerechter als das,was Sie durch Kürzungen und Gebührenerhöhungenauslösen. Das müssen Sie zur Kenntnis nehmen. Die Fi-nanzumsatzsteuer wird die Gerechtigkeitsteuer sein.–riDeaMIcAInddsWoHsminkemsckmWswVwddkmS
Herr Dautzenberg, wenn Sie eine Frage haben, dannchten Sie sie direkt an mich.
Ich will auf den Punkt zurückkommen, den Herrautzenberg zu Recht angesprochen hat. Wir brauchenin Leitbild, wie die Finanzmärkte von morgen wirklichussehen sollen, und wir müssen die verschiedenenaßnahmen genau darauf abstimmen.
h höre aber von diesem Leitbild nichts.
uch von der Regierung höre ich nur Diskussionen überstrumente. Wollen Sie wirklich einen Finanzmarkt, inem es weniger komplex zugeht? Wenn Sie das wollen,ann müssten Sie gerade einer Finanzumsatzsteuer zu-timmen.
ollen Sie einen Finanzmarkt, der weniger kurzfristigrientiert ist und auf dem nachhaltiges, langfristigesandeln belohnt wird? Wenn Sie das wollen, dann müs-en Sie endlich etwas hinsichtlich der Boni tun. Dannüssten Sie hier zustimmen. Wollen Sie wirklich, dass Zukunft die Banken kleiner sind, damit das Haftungs-riterium wieder funktionieren kann und damit der Steu-rzahler nicht gezwungen ist, große Banken retten zuüssen? Wenn dem so ist, dann müssten Sie als CDUagen, dass wir das Instrument der Entflechtung brau-hen, um gegebenenfalls große Banken entflechten zuönnen. Wenn Sie wirklich wollten, dass der Finanz-arkt in Zukunft wieder Dienstleistungen für die realeirtschaft erbringt, dann müssten Sie schauen, dass er ineiner Größe und Bedeutung ein wenig zurückgeht undirklich wieder Investitionen in die Realwirtschaft imordergrund stehen und nicht das Hin- und Herschiebenie beispielsweise bei Carry Trades. Dann müssten Sieer Finanzumsatzsteuer zustimmen. Sie verweigern sichieser Leitbilddiskussion, indem Sie alle möglichen Dis-ussionen führen und über die verschiedensten Instru-ente bis hin zur Währungsordnung debattieren.
agen Sie, was Ihr Leitbild ist.
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Dr. Gerhard SchickSie werden erkennen: Wenn Sie am Finanzmarkt wirk-lich etwas ändern wollen, dann werden Sie genau dieVorschläge, die wir vortragen, in Zukunft auch zu denIhren machen müssen, sonst geht alles so weiter wie bis-her – aber mit uns nicht.
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Hans Michelbach
für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es istrichtig: Der Finanzmarkt ist im Rahmen der Globalisie-rung außer Kontrolle geraten. Die globale Wirtschafts-und Finanzkrise stellt Deutschland wie die internationaleStaatengemeinschaft vor eine gewaltige Herausforde-rung. Die schwerste und gefährlichste Finanzkrise hatdie Welt der Banken nachhaltig verändert. Sie hat Ver-trauen, Kapital und Arbeitsplätze in hoher Zahl zerstörtund insbesondere das Ansehen der Marktwirtschaft inhohem Maße beschädigt.Zweifellos zerstört es unsere Gesellschaftsordnung,wenn Gewinne im Finanzsektor privatisiert, Verlustesozialisiert sowie Risiken und Haftung immer weiterentkoppelt werden. Deshalb sollten wir uns darüber ei-nig sein, dass jetzt gezielte Maßnahmen mit fachlicherKompetenz und sachlicher Vernunft notwendig sind;denn die Exzesse, die wir auf den Finanzmärkten erlebthaben, dürfen sich nie mehr wiederholen. Der Schaden,der zulasten des normalen Bürgers hervorgerufen wurde,war zu groß.Was wir aber nicht brauchen – das sage ich hier deut-lich –, sind Einzelmaßnahmen, Placebos, nationale Al-leingänge und unqualifizierte Schnellschüsse, wie diesin den Anträgen der Opposition zum Ausdruck kommt.
Wir brauchen gezielte, nachhaltige und vor allem diffe-renzierte Lösungen für die einzelnen Säulen im Finanz-markt. Sie können doch die Regionalbanken nicht in ei-nen Topf mit den Investmentbanken werfen. Hierbraucht es differenzierte Lösungen, die letzten Endes derRealwirtschaft helfen.
Zunächst möchte ich in Erinnerung rufen, dass wirbereits einige wichtige Maßnahmen umgesetzt haben.Ich denke dabei an das Gesetz zur Stärkung der Finanz-markt- und Versicherungsaufsicht, das im August 2009in Kraft getreten ist. Hier haben wir die Befugnisse derFssKariueDStuDeImwDruhbwNdtumWMseawKdV
nd beschlossen, dass variable Vergütungsbestandteileine mehrjährige Bemessungsgrundlage haben sollen.
as haben Sie mit uns zusammen gemacht.
ie verstecken sich heute dahinter; das ist doch die Si-ation.
enken Sie an das Bilanzmodernisierungsgesetz, dasin antizyklisches Sicherheitspolster vorsieht.
Rahmen des Bilanzmodernisierungsgesetzes habenir als Gesetzgeber Lehren aus der Finanzkrise gezogen.as gilt für die Bewertung von Finanz- und Finanzie-ngsinstrumenten und für Konzernabschlüsse. Im An-ang und im Lagebericht müssen jetzt genauere Anga-en zu entsprechenden Risiken gemacht werden. Dasar unser Weg.Natürlich muss dieser Weg weiterbeschritten werden.atürlich ist die Krise noch nicht vorbei. Deshalb sindie Vorlage eines Maßnahmenkatalogs und die Aufarbei-ng der Krise in Form von weiteren Finanzmarktrefor-en nötig.
ir hatten einen klaren Ansatz und haben konkreteaßnahmen ergriffen. Wir wollen keinen Aktionismus,ondern ein Gesamtkonzept. Herr Schick, Sie wolleninfach nicht verstehen, dass Einzelmaßnahmen nichtusreichend sind.
Ich darf Ihnen sieben Punkte, die der CDU/CSUichtig sind, verdeutlichen:Erstens die Umsetzung der geänderten Banken- undapitaladäquanzrichtlinie sowie weitere Reformen iniesem Zusammenhang. Schwerpunkt wird hierbei dieerschärfung der Kapitalanforderungen für das Handels-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1771
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Dr. h. c. Hans Michelbachbuch und für Verbriefungen sein. Aber auch ein neuesInsolvenzrecht für Finanzinstitute gehört dazu, damitBanken geordnet in die Insolvenz gehen können, ohnedass der gesamte Finanzmarkt wieder in Mitleidenschaftgezogen wird.
Zweitens. Die EU-Ratingverordnung mit Regulierungund Beaufsichtigung der Ratingagenturen wird natio-nal umgesetzt.
Drittens. Die Finanzaufsichtsstruktur wird auf na-tionaler und europäischer Ebene effektiver und weitrei-chender gestaltet.Viertens. Die Regulierung und Beaufsichtigung derHedgefonds-Manager wird EU-weit ausgeweitet.Fünftens. Die Vergütungsstrukturen auf dem inter-nationalen Finanzsektor sollen mithilfe der G-20-Staatenstärker auf längerfristigen Erfolg ausgerichtet werden.Es nutzt doch nichts, wenn wir auf nationaler Ebene et-was regeln und die Bankentochter im Ausland das Ge-genteil macht.
Sechstens. Das grenzüberschreitende Krisenmanage-ment im Bankensektor und die Konsultation zur Eigen-kapitalreform im Baseler Ausschuss soll im Laufe desJahres 2010 eine Festlegung erfahren. Die Verhandlun-gen sollen natürlich – darauf müssen wir Wert legen –unter Parlamentsvorbehalt geführt werden. Bei Basel IIImüssen wir uns ebenso einmischen wie bei Basel II.
Das ist ein notwendiger Auftrag, damit keine Überforde-rung unserer Realwirtschaft stattfindet. Eigeninteressen,insbesondere aus den USA, dürfen nicht zulasten unsererKreditwirtschaft gehen. Das ist ein wesentliches Krite-rium, auf das wir achten müssen.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
Kollegin Hendricks?
Ich möchte noch den siebten Punkt im Zusammen-
hang bringen, sonst behauptet Herr Schick wieder, es
gebe kein Gesamtkonzept.
Siebtens die Beteiligung des Finanzsektors an den
Kosten der Krisenbewältigung. Zur Diskussion steht un-
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nd der Fraktion, insbesondere was die Managervergü-ngen angeht. Unsere Fraktion hat ein Jahr lang mit Ih-r Fraktion verhandeln müssen,
m die Punkte durchsetzen zu können, die nach unseremafürhalten noch nicht ausreichend berücksichtigt wa-n. Es wurde dann im August verabschiedet. Das habenie richtig gesagt. Aber es hat uns ein Jahr gekostet.Ist Ihnen bekannt, dass alle diese Vorschläge letztend-ch auf den G-20-Gipfel im September des vergangenenahres hin von Peer Steinbrück und seinen verantwortli-hen Mitarbeitern erarbeitet worden sind
nd die Kanzlerin sich dies zu eigen gemacht hat? Sindie sich mit mir einig, dass das Dilemma dieser Regie-ng darin besteht, dass die FDP das alles noch nicht ak-eptieren will und Sie als CDU/CSU das alleine nichtmsetzen können? Das ist doch das Dilemma, vor demir stehen.
as wird auch auf internationaler Ebene offenbar, weiliese Regierung nicht handelt.
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1772 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Frau Kollegin Hendricks, ich kann Ihnen nur sagen:Das Schlimme an der ganzen Sache ist, dass Sie sich vonden richtigen Ansätzen des Herrn Steinbrück verabschie-det haben und auf den Kurs der Linken einschwenken.
Das ist die Situation. Lesen Sie Ihren Antrag.
In Ihrem Auftrag, Frau Kollegin Hendricks, heißt eszum Beispiel: Reiche lenken ihr Geld am Fiskus vorbei.
Das ist doch eine unsägliche Pauschalverurteilung. Siekönnen doch leistungsbereite Menschen nicht verurtei-len, so wie die Linken das tun.
Das Problem ist doch, Frau Kollegin Hendricks, dass Sieletzten Endes mit uns die Herausforderung einer guten,konsequenten und erfolgreichen Krisenbewältigung, vorder wir standen, gemeistert haben. Darauf können Sie– auch Sie als Staatssekretärin – mit Recht stolz sein.Aber es geht doch nicht an, dass Sie sich in einem An-trag davon lückenlos verabschieden.
Das ist das Problem, das Sie haben. Das ist die Wahr-heit, meine Damen und Herren.
Sie fordern eine 50-prozentige Besteuerung auf Bonibei den Bankern. In Großbritannien, wo das eingeführtwurde, wird das natürlich von den Banken übernommen.Das heißt, für die handelnden Personen ergibt sich über-haupt keine Veränderung. Solche Placebos bringen unsdoch nicht weiter. Wenn die 50-prozentige Besteuerungauf Boni – das ist Ihr Ziel – von den Banken übernom-men wird, dann ist das letzten Endes ein Nullsummen-spiel. Das schafft keine Veränderungen.
Natürlich dürfen Sie nicht grundsätzlich gegen An-reizsysteme sein. Ihr Antrag erweckt aber den Eindruck,dass Sie grundsätzlich gegen Gewinne von Bankensind. Das ist ein Anschlag auf die Ordnungspolitik dersozialen Marktwirtschaft. Das ist die Situation.DSwUGuwSFslögmhveEsWreesAteAhnDknmLNgk
as passt mehr oder weniger zu dem Weg, den Herrteinbrück damals gegen die Schweiz gefahren ist: Erollte die Kavallerie dort hinschicken. Das ist genausonsinn gewesen, wie dies Unsinn ist.
Auch die Begrenzung der Absetzbarkeit vonehältern ist Willkür. Was sind denn gute Einnahmen,nd was sind schlechte Einnahmen des Staates? Wennir im Steuerrecht so verfahren, entsteht im deutschenteuerrecht noch mehr Wald, als es ohnehin schon derall ist.Deswegen appelliere ich: Neben der Regulierung –ie ist wichtig; sie ist ein wesentlicher Teil der Problem-sung –
eht es auch um die Wirtschaftsethik, die wir hier an-ahnen müssen. Ohne Eigenverantwortung ist das frei-eitliche System der sozialen Marktwirtschaft nichtorstellbar. Wir müssen auch daran denken, dass es auchine Verantwortung für unsere Eliten gibt. Auch dieseliten müssen sich den Regeln der sozialen Marktwirt-chaft unterordnen. Das ist das, was wir im Bereich derirtschaftsethik anmahnen müssen.
Zu dem Thema, das hier immer wieder besondersizt, zur Einführung einer neuen Steuer, zum Beispieliner Finanztransaktionsteuer, muss ich Ihnen deutlichagen:
uch Herr Tobin hat letzten Endes nur grenzüberschrei-nde Maßnahmen besteuern wollen. Wohlgemerkt, dernhänger einer Besteuerung von Finanzdienstleistungenat immer gesagt: Meine Steuer, mein System funktio-iert nur grenzüberschreitend.
as heißt, das, was Sie auf nationaler Ebene fordern,ann gar nicht funktionieren. Deswegen stehe ich dieserationalen Besteuerung sehr kritisch gegenüber. Finanz-arktakteure hätten es leicht, ihre Geschäfte in andereänder zu verlagern.
ationale Alleingänge und neue Wettbewerbsverzerrun-en sind doch das Falscheste, was wir uns wünschenönnen.
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Dr. h. c. Hans Michelbach
Schlechte und gute Kapitalbewegungen müssten durchbürokratische Regulierungen unterschieden werden.
Deswegen dürfen wir immer wieder bemerken: DasGanze muss auf Wirksamkeit überprüft werden. DieAuswirkungen auf die Realwirtschaft müssen über-prüft werden; denn zum Schluss dürfen nicht die Fal-schen die Zeche zahlen. In Europa haben sich einige we-nige Länder dazu bekannt. Die USA und Kanadadagegen haben derartige Pläne bisher abgelehnt. Es wirdsehr spannend sein, zu beobachten, was geschieht, wennder Bundesfinanzminister im April mit seinen Fachleu-ten zusammenkommt und er auf dem G-20-Gipfel einenLösungsvorschlag einbringt,
und zu sehen, welche Konsequenzen gezogen werdenkönnen. Wichtig ist, dass wir die Attraktivität der Aktieund die steigende Volatilität an den Märkten ernst neh-men.
Herr Kollege, der Kollege Poß würde gerne eine Zwi-
schenfrage stellen.
Bitte sehr.
Bitte sehr.
Lieber Herr Kollege Michelbach, wie stehen Sie denn
zu den Vorschlägen Ihres CSU-Vorsitzenden, des Minis-
terpräsidenten Seehofer, der sich in den letzten Mona-
ten mehrfach öffentlich dahin gehend eingelassen hat,
dass er sowohl den SPD-Vorschlag zur Begrenzung der
steuerlichen Abzugsfähigkeit von Gehältern und Abfin-
dungen begrüßt – allerdings ist dieser Aussage keine Ini-
tiative im Bundesrat gefolgt – als auch die Finanztrans-
aktionsteuer für ein sinnvolles Instrument hält? Wenn
ich richtig informiert bin, sind Sie wirtschaftspolitischer
Sprecher der CSU. Wie stehen Sie zu den Vorschlägen
Ihres CSU-Vorsitzenden?
Herr Kollege Poß, die CSU hat eine hohe Wirtschafts-kompetenz,
nd deswegen haben wir natürlich auch hier eine einheit-che Meinung. Ich kann Ihnen sagen, dass unser Partei-orsitzender im Parteivorstand klargemacht hat, dass erich diese Maßnahmen international vorstellen kann
nd den Finanzplatz Deutschland durch einen nationalenlleingang nicht schädigen oder gefährden möchte.
eswegen sage ich ganz klar: Internationale Maßnah-en sind hier angedacht und nicht nationale Allein-änge, wie Sie das in Ihrem Antrag leider fordern.
Eines ist sicher: Die Einführung einer Finanztrans-ktionsteuer kann nur bei weltweiter Erhebung effektivein. Davon bin ich überzeugt. Gerade angesichts globa-r Finanzmärkte würden die Marktteilnehmer ansons-n auf Finanzplätze ohne Finanztransaktionsteuer aus-eichen. Damit würde im Ergebnis eine Schwächungnseres inländischen Finanzmarktes einhergehen.
Abschließend möchte ich Ihnen anbieten, dass wironkrete Ziele gemeinsam vorantreiben, um Exzesse iner Zukunft zu vermeiden. Ich warne noch einmal vorationalen Alleingängen.
eien Sie bitte bereit, davon Abstand zu nehmen. Natio-ale Lösungen greifen zu kurz. Vielmehr müssen sie, umrfolgreich zu sein, international abgestimmt werden.eutsche Alleingänge bringen nichts und wird es mitieser Bundesregierung in dieser Form nicht geben. Eseht nicht um die Frage des passenden Etiketts, sondernarum, wie wir unsere Ziele gemeinsam erreichen kön-en.Wir müssen Maß und Mittel wahren; ansonsten gerätie Kreditversorgung unserer Realwirtschaft in Gefahr.as Wesentliche ist, dass wir bei Basel III und letztenndes bei allen Vorsorgemaßnahmen die Schraube nichtberdrehen. Denn auch bei den Banken gilt der kauf-ännische Grundsatz: Eigenkapital kann man nur ein-al ausgeben. Die Banken sollen insbesondere Eigenka-ital schaffen, um ihrem Ziel für die Realwirtschaftachkommen zu können, eine klare, volkswirtschaftlichend gute Kreditversorgung für die Zukunft zu schaffen,amit Arbeitsplätze in unserem Land sicher bleiben.
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1774 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Dr. h. c. Hans MichelbachHerzlichen Dank.
Nun hat für die SPD-Fraktion das Wort der Kollege
Dr. Carsten Sieling.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Wir befinden uns mitten in der größten Finanz-
und Wirtschaftskrise. Wir diskutieren am heutigen Frei-
tagmorgen über das zentrale Problem dieser Finanz- und
Wirtschaftskrise. Wir haben in Deutschland, so sagt man
zumindest, eine neue Regierung, die sich viel vorge-
nommen hat.
– Ja, Herr Dautzenberg, wenn ich das einmal gehört
hätte.
Wir haben hier eine Debatte geführt, in der sich die
Koalitionsvertreter als Parlamentsvertreter von ihrer ei-
genen Regierung distanziert haben.
Sie haben philosophiert und allgemeine Grundprinzipien
dargelegt,
aber keinen konkreten Vorschlag gemacht, wo es hin-
geht. So eine Regierung brauchen wir in dieser Zeit
nicht.
Ich darf vielleicht einmal darauf hinweisen, dass es
hier um eine wichtige Frage geht. Herr Schäffler und
Herr Dautzenberg, wir sind uns doch einig, dass dies
eine zentrale Frage ist. Erklären Sie mir bitte, wie sich
die Bundesregierung bei der Debatte über diese Frage so
präsentieren kann, wie sie sich hier präsentiert. Sie zeigt
kaum Präsenz; hier ist niemand.
Das geht so nicht. Ich befürchte, Herr Schäffler, die Ver-
treter der Bundesregierung sind nicht zur Debatte ge-
kommen, weil sie sich nicht anhören wollen, wie Sie hier
sagen, Sie seien Parlamentsvertreter, und das, was die
Regierung macht, sei nicht Ihr Thema.
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Bitte.
Herr Kollege Dautzenberg, bitte.
Herr Kollege Sieling, teilen Sie meine Auffassung,ass wir eine Parlamentsdebatte haben, dass wir uns auf-rund Ihrer Anträge verständigt haben, diese Debatteier im Parlament zu führen?Wenn Sie zugehört hätten, wüssten Sie, dass dieDU/CSU-Fraktion viele Vorschläge gemacht hat.
h betone nochmals: Wenn Sie das nur an den Anträgenstmachen, die Sie hier vorlegen, ist das zu eng.
Herr Kollege Poß, das, was Sie hier fordern, muss abereil eines stimmigen Gesamtkonzepts sein.
as halten Sie der Regierung doch immer vor. Deshalbssen wir uns von Ihnen nicht vorhalten, was wir zu dis-utieren haben.
Vieles von dem, was die Prüfaufträge angeht, ist – dast betont worden – auf Herrn Steinbrück zurückzufüh-n. Herr Kollege Sieling, wäre diese Regierung und wä-n wir als Fraktionen nicht gut beraten,
Hinblick auf die Finanztransaktionsteuer einen Prüf-uftrag an den IWF zu geben mit der Bitte, die welt-eiten Auswirkungen dieser Maßnahme zu untersuchennd Vorschläge zu unterbreiten?
Auch wenn Sie das schon alles wissen, Herr Kollegeoß, auch wenn Sie schon wissen, wie sich eine solcheteuer auswirkt, ist es doch sinnvoll, zuerst abzuwarten,is das Ergebnis vorliegt, ehe man die Bewertung über-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1775
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Leo Dautzenbergnimmt, dass eine solche Steuer ein Instrument, eine Op-tion für ein mögliches Vorgehen darstellt.
Sie hätten zuhören sollen, was wir als Fraktion – da-mit bin ich wieder im parlamentarischen Bereich – vor-geschlagen haben, nämlich ein Gesamtpaket: Finanz-institute, Insolvenzrecht für Finanzinstitute und dessenAbsicherung, Verbesserungen in der Aufsicht, das allessind Punkte, wo wir national etwas umsetzen wollen undwo Vorarbeiten gemacht worden sind. Zu Regelungenfür die Begrenzung von Vergütungen liegt ein Referen-tenentwurf vor, den Sie schon zur Kenntnis genommenhaben müssten. Alles das, was wir national beeinflussenkönnen, ist also schon auf den Weg gebracht.
Was international gemacht wird, Herr Kollege Sieling,muss von dem Ergebnis bestimmter Prüfaufträge abhän-gig gemacht werden. Wenn Sie ohne die Grundlage vonAnalysen Entscheidungen treffen wollen, werden Sie da-mit fehlgehen.
Herr Kollege, das war ein bisschen der Versuch, IhreRede zu wiederholen und diese Punkte anzubringen.
– Sie haben mehrere Fragen gestellt. Ich will sie gernenacheinander aufrufen.
Die erste, wichtige Frage betrifft Ihren Hinweis, dassdies eine Parlamentsdebatte sei. Ich habe bisher nichtgewusst, dass es üblich ist, dass in einer Parlamentsde-batte die Bundesregierung nicht dabei sein muss.
– Natürlich ist die Bundesregierung vertreten – gar keineFrage –; aber normalerweise erwartet man bei wichtigenFragen die entsprechenden Repräsentantinnen und Re-präsentanten und eine Vertretung in größerer Breite. Dasist doch ein relevanter Punkt, Herr Dautzenberg. Des-halb würden wir uns wünschen, dass die Ministerinnenund Minister, die Kabinettsmitglieder der Debatte bei-wohnen. Das ist jedenfalls meine Auffassung.
Ich will ganz klar sagen, dass wir Sozialdemokratennatürlich der Auffassung sind, dass wir ein breites Bün-del an Maßnahmen brauchen.–SAmJmDSkJlewNsBBghhDsFnTunhuDkswdgbtigw
Da meine ganze Rede eine Antwort auf Sie ist, dürfenie sich gerne setzen, Herr Dautzenberg.
ber ich kann das nicht entscheiden.Ich will auch sehr deutlich sagen, dass Bundesfinanz-inister Peer Steinbrück derjenige war, der im letztenahr die Vorschläge für entsprechende Maßnahmen ge-acht hat.
as ist die Grundlage, auf der wir jetzt aufbauen können.ie werden bei den Sozialdemokraten in diesem Hauseeinen finden, der zu dem, was Peer Steinbrück letztesahr angeschoben hat, nicht steht. Das will ich ein für al-mal festhalten.
Der zweite Vorwurf, der ausgeräumt werden muss – hiererden immer wieder Missverständnisse aufgebaut –:atürlich schlagen wir ein Gesamtkonzept vor. Wir wis-en – Kollege Poß hat das bereits gesagt –, dass es einündel von Maßnahmen geben muss: Natürlich müssenonizahlungen durch eine strengere Besteuerung ange-angen werden. Und natürlich müssen wir im Zusammen-ang mit Basel III die Eigenkapitalproblematik hart ange-en. Da sind wir uns einig.
as gehört dazu. Es gehört auch dazu, die Finanzauf-icht mit mehr Schlagkraft zu versehen. Das ist gar keinerage; da sind wir nah beieinander. Das allein reicht abericht. Sie müssen auch den Mut haben, zum Beispiel dashema Steueroasen
nd viele andere Dinge anzugehen. Es reicht überhaupticht aus, hier Präsident Obama für sein mutiges Vorge-en zu loben und dann seine Vorschläge Strich für Strichnd Punkt für Punkt zu zerreden.
as geht nicht; das offenbart Ihre fehlende Ernsthaftig-eit an dieser Stelle. Sie beziehen sich nur auf zwei Vor-chläge: zur Finanzaufsicht und zum Eigenkapital. Soird man diese Finanzkrise nicht in den Griff kriegen;as wird nicht ausreichen, um die Probleme zu lösen.Deshalb schlagen wir heute in unserem Antrag eineanze Reihe von Maßnahmen vor, legen den Fokus da-ei aber auf die Einführung einer Finanztransak-onsteuer. Ich will an dieser Stelle sagen: Was ich hierehört habe, sind verzweifelte Versuche, von Aussagenegzurudern, die aus der eigenen Koalition stammen.
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Dr. Carsten SielingDas ist nichts anderes als der verzweifelte Versuch, andieser Stelle abzulenken.Viele Kolleginnen und Kollegen im Hause haben ges-tern erlebt, wie der Präsident des Deutschen Sparkassen-und Giroverbandes, Herr Haasis, die verschiedenenPunkte aus seiner Sicht diskutiert hat. Er ist zu demSchluss gekommen, dass es sich bei der internationalenFinanztransaktionsteuer natürlich nicht um ein unkom-pliziertes Instrument handelt – wer will das behaupten! –,dies aber der Weg ist, der beschritten werden müsse.
Wir fordern Sie dazu auf: Hören Sie auf die Stimmen ausder Finanzwirtschaft! Folgen Sie den Vorschlägen, diebreite Unterstützung finden!
Herr Dautzenberg, ich sage noch einmal: Sie rettensich nicht damit, dass Sie immer wieder dieselben zweiVorschläge machen und den Kernpunkten ausweichen.Sie können das hier nicht wegfilibustern.Man muss sich vor Augen führen – das ist in diesemZusammenhang noch nicht ausreichend geschehen –, wo-rum es dabei geht: Erstens. Die Finanztransaktionsteuerist ein Instrument, das nicht nachsorgend reagiert, son-dern die Bedingungen dafür schaffen würde, dass be-stimmte Spekulationsentwicklungen nicht wieder erfol-gen könnten.
Sie ist eine Steuer, die dem Wort „Steuer“ wirklich ge-recht wird: Sie ist zum Steuern da; sie greift in die wirt-schaftlichen Abläufe ein und nimmt schädlichen Speku-lationen den Schwung. Das führt dazu, dass wir einenvolkswirtschaftlichen Nutzen auch im Bereich der Fi-nanzindustrie erzielen. Darum ist der Vorschlag richtig,darum wird er weitreichend unterstützt.
Sie können rufen und schreien, wie Sie wollen: Wirmüssen ein Problem lösen. Heute läuft dasselbe Wertpa-pier 100-mal um den Globus, ohne einen Deut zur Wert-schöpfung beizutragen.
Wer kann denn sagen, dass das sinnvoll ist? Lassen Sieuns zusammen vorangehen und uns sagen: Deutschlandschließt sich als große Industrienation dem Vorschlag an;wir wollen das einschränken.
– Das können Sie vielleicht auch über Regulierung er-reichen; aber diese Krise ist so komplex, dass man einBündel, einen Komplex von Maßnahmen braucht. Des-halb dürfen Sie den einzelnen Punkten nicht ausweichen.fabdSrikSDEMsSncAafeHASgGslecbmreIhSav–w
ie umfasst alle Finanztransaktionen. Deshalb ist sie daschtige Mittel, insgesamt Wirkung zu entfalten undeine Schlupflöcher offenzulassen.
Drittens: die Höhe der Steuer. Es wird über einenteuersatz zwischen 0,01 und 0,05 Prozent diskutiert.as heißt, bei einer Transaktion in Höhe von 100 000uro – ich nenne eine Summe, die man mit normalemenschenverstand überschauen kann – geht es um eineteuerliche Belastung von 50 Euro.
o viel kostet eine Taxifahrt aus dem Obertaunus bisach Frankfurt; diese Belastung wird man bei schädli-hen Investitionen hinnehmen können.
uch deshalb ist die Steuer vertretbar und richtig.Es gibt das Argument – das muss ich noch einmalufgreifen –, dass insbesondere die Kleinanleger betrof-n sein werden.
err Schäffler, Sie haben sich hier noch einmal auf dieussagen von Herrn Pofalla und – ich glaube – Herrntaatsminister Fahrenschon bezogen. Ich würde wirklicherne einmal wissen, was genau dahintersteckt.
Erstens. Bei 80 Prozent aller Riester-Verträge sind dieelder überhaupt nicht fondsbezogen angelegt. Dafürpielt das also überhaupt keine Rolle.Zweitens. Sie haben das Beispiel genannt, dass die re-vante Summe bei einem Riester-Sparer ein Betrag vonirca 30 000 Euro sei. Aufgrund Ihrer Tätigkeit – Sie ha-en wahrscheinlich schon viele Verträge persönlich ver-ittelt; hoffentlich nicht im gefährlich-spekulativen Be-ich – werden Sie wissen, dass der Sparer bei den inrem Beispiel gewählten 30 000 Euro im Monat einenparbeitrag in Höhe von 87 Euro hat. Bei unserer niedrigngesetzten Finanztransaktionsteuer wäre das innerhalbon 20 Jahren eine Belastung von 10 bis 20 Euro.
Natürlich. Wenn Sie den Dreisatz beherrschen, dannerden Sie das sehen.
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Dr. Carsten SielingSie reden hier von 4 700 Euro. Wissen Sie, wann Siedie Zahl erreichen? In 9 000 Jahren! Sie machen hiereine Milchmädchenrechnung. Fragen Sie in der Branchenach! Keiner wird Ihnen diese Rechnung bestätigen.
Ich sage Ihnen hier: Sie verschrecken die Leute und ma-chen ihnen Angst,
und das nur, damit dieses richtige Instrument, die Fi-nanztransaktionsteuer, verhindert wird. Das können wirnicht akzeptieren.
Ich will an dieser Stelle sagen, dass in der Tat ein wei-teres sozusagen nichtfachliches Element nötig ist, wennman eine Steuer neu einführen will. Das Argument spieltbei vielen Menschen eine große Rolle. Natürlich mussman weitere Steuerbelastungen und neue Steuern gut be-gründen. Es geht darum, dass man für einen solchen Vor-schlag nicht nur gute Argumente, sondern auch Unter-stützung braucht.Ich will an dieser Stelle einmal sagen, dass ich hierauch deshalb argumentiere und wir als SPD-Fraktionauch deshalb einen Antrag in dieser Richtung vorgelegthaben, weil es in Deutschland eine Petition mit60 000 Unterschriften gibt, in der das gefordert wird,
und es sind noch viel mehr Menschen, die das fordern.Das ist keine isolierte Sache, sondern das wird gesell-schaftlich breit getragen. Das geht weit in die Gesell-schaft hinein – auch in Ihr Spektrum, also auch in denBereich der CDU und der CSU. Ob jemand von der FDPdabei ist, weiß ich nicht.Sie wissen auch, dass weite Teile der Wissenschaftdas mittragen. Amerikanische Ökonomen, Nobelpreis-träger: Alle stehen dahinter.Der Bundespräsident
– Horst Köhler, CDU – hat uns aufgefordert, eine inter-nationale Finanztransaktionsteuer einzuführen.
Darum frage ich mich, warum Sie hier so lange redenund darum herumgehen.
Wir schlagen hier einen Dreistufenplan vor.
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ann kommt die nächste Finanzkrise schneller, als wirucken können. Herr Kollege Dautzenberg, wir habenar keine Zeit mehr, zu prüfen. Wir müssen handeln.
s muss ein Konzept auf dem Tisch liegen, damit die 20 dieses umsetzen kann.Das ist der Kern unseres Antrags. Deshalb will ichas einmal herunterdeklinieren:Die internationale Finanztransaktionsteuer: Rela-v wenige hier – Herr Schäffler tut das immer, aber fürndere gilt das weniger – haben dagegen geredet. Dieseaßnahme auf internationaler Ebene wird breit gestützt.err Michelbach hat sich als Einziger aus der Koalitionositiver dazu geäußert, weil er wahrscheinlich auch dasterview mit Herrn Dobrindt, Ihrem Generalsekretär,elesen hat, der sehr, sehr deutlich gesagt hat, dass wirine internationale Finanztransaktionsteuer brauchen.
chließen Sie sich diesem Punkt in unserem Antrag des-alb doch bitte an.
Herr Kollege, ich darf Sie auf die Redezeit hinweisen.
Ich komme zum Ende.
Wenn man auf der internationalen Ebene nicht zu einerinigung kommt, dann – das sagte Bundesfinanzministerchäuble in einem weiteren Interview in den letzten Ta-en – einigen wir uns eben auf europäischer Ebene.
as ist der zweite Punkt, den wir Ihnen vorschlagen.arum schließen Sie sich auch dem nicht an,
amit wir in Deutschland einmal wissen, wo es hingeht?
Wenn die einzige Kontroverse darüber besteht, dassir Sozialdemokraten meinen, dass man im Notfall auchational handeln muss, dann bitte ich Sie und fordere Sieuf, Herr Dautzenberg – ich bin gespannt, ob Herr
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1778 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Dr. Carsten SielingSchäffler auch dabei ist –: Lassen Sie uns aus dem Vor-schlag einen Gruppenantrag machen. Lassen Sie uns indiesem Parlament etwas Gemeinsames auf den Wegbringen, damit wir die Finanztransaktionsteuer hinbe-kommen,
statt die ganze Zeit nur drumherum zu reden und zu phi-losophieren. Nur Argumente dafür zu suchen, dass Sienicht handeln wollen, sondern immer nur prüfen, istkeine Politik. Die Finanzkrise braucht mehr. AuchDeutschland braucht mehr.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Björn
Sänger das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Sehr geehrter Herr Poß, Sie haben von einer
Parallelwelt gesprochen, in der der eine oder andere aus
der Finanzbranche lebt. Darauf, dass es im Internet eine
Gruppe gibt, die in ihrer eigenen Welt lebt, habe ich an
dieser Stelle schon einmal hingewiesen.
Ich gebe Ihnen sogar recht darin, dass der eine oder
andere in einer Parallelwelt lebt. Ich habe aber den Ein-
druck, dass auch die SPD zumindest seit der Bundes-
tagswahl in einer Parallelwelt lebt.
Ich weiß nicht, was Sie zu sich nehmen, um Ihre Wahler-
gebnisse zu verarbeiten, aber Sie sollten besser damit
aufhören. Denn es scheint Ihr Erinnerungsvermögen ins-
besondere bezogen auf die letzten elf Jahre erheblich zu
beeinträchtigen.
Ich möchte Ihnen deshalb ein bisschen auf die Sprünge
helfen.
Sie schreiben sehr zu Recht, dass eine Fehlregulie-
rung des Finanzmarktes gepaart mit Gier krisenursäch-
lich ist.
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Zum Thema Gier möchte ich noch anmerken, dass es
erselbe Hans Eichel ist, der als Ministerpräsident und
hemaliger Bundesminister derzeit eine Rente von
151,05 Euro pro Monat bezieht und noch einen zusätz-
chen Rentenanspruch von 5 900 Euro aus seiner Zeit
ls Oberbürgermeister der Stadt Kassel einklagen möchte.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage der
ollegin Hendricks?
Wenn es der Wahrheitsfindung dient.
Bitte sehr.
Herr Kollege, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen,ass es in diesem Hause Mindestanforderungen an dasiveau gibt? Das gilt übrigens auch für Ihren Kollegenus Berlin, der gestern gesprochen hat.
uch er hat die Mindestanforderungen an das Niveauieses Hauses nicht eingehalten.Wollen Sie bitte auch zur Kenntnis nehmen, dass esnen höchstwahrscheinlich auch mit Unterstützung er-hrener Kollegen aus Ihrer Fraktion nicht gelingt, nach-uweisen, dass die FDP in den vergangenen elf Jahrengendwann einen Antrag zur schärferen Regulierung derinanzmärkte eingebracht hat?
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1779
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Frau Kollegin Hendricks, herzlichen Dank für die
Fragen. Wenn ich die Debatten verfolge, brauche ich
mir, glaube ich, von der linken Seite des Parlaments
nichts über das Niveau erzählen zu lassen.
Wir sind bei der Frage, wie wir die Krise in den Griff
bekommen wollen. Wir alle haben das Ziel, Vorsorge zu
treffen, dass sich ein derartiges Desaster nicht wieder-
holt. Sie aber servieren uns jetzt, 14 Tage vor Karneval,
eine ziemlich angegammelte Kamelle, nämlich die
Finanztransaktionsteuer. Das ist ein gänzlich untaugli-
ches Mittel zur Bewältigung dieser Krise. Denn die
Krise ist nicht durch Spekulationen vorangetrieben wor-
den, sondern durch Wertpapiere, die nicht nachhaltig
waren, und von Ratingagenturen, die Fehler gemacht ha-
ben.
Das muss zwar angegangen werden, aber das erreicht
man nicht mit einer Finanztransaktionsteuer.
Mit der Finanztransaktionsteuer treffen Sie auch die
Kleinsparer, Herr Kollege Schick. Das ist wieder ty-
pisch: Es wird über Menschen geredet, die in der Lage
sind, 30 000 oder 100 000 Euro anzulegen. Die stört das
nicht. Darin gebe ich Ihnen völlig recht.
Aber die Mitte der Gesellschaft, die Leistungsträger, die
Riester-Verträge abschließen, werden über Gebühr be-
lastet.
Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Raabe?
Nein. Das bringt nichts.
Folglich müssen wir darüber nachdenken, welches In-strument besser als eine Finanztransaktionsteuer in derLage ist, steuernd einzugreifen. Ich greife das auf, wasder Kollege Schäffler richtigerweise gesagt hat. Ein Ver-sicherungssystem ist deutlich besser;
denn dann sind die Einlagen der Sparerinnen und Sparerabgesichert und ist das System stabilisiert. Notwendig istzudem, ein Insolvenzrecht für Banken einzuführen, da-mit ein Institut aus dem Markt geordnet ausscheidenkann.wliAssmwhcwdvDgDawAhSwsote–kwznBawFhrecinErihdbbsV
Lassen Sie mich nun zu den Bankerboni kommen.er eine oder andere in der Branche hat den Schuss nichtehört.
abei sind Boni, also Leistungsanreize in der Vergütunguf breiter Ebene, nicht das schlechteste Instrument,enn man Leistung fördern will.
ber das muss mit einer entsprechenden Verantwortunginterlegt sein. Freiheit und Verantwortung sind zweieiten derselben Medaille; sie gehören zusammen. Esird gesagt, es helfe nichts, wenn ein Bankmanager miteiner Villa im Tessin genauso wie der Bäckermeisterder der Elektromeister vor Ort mit ihren Häuschen haf-n müssen. Aber die Aussicht, dass das Häuschen oder beim Bankmanager – die Villa im Tessin weg seinönnte, wird den einen oder anderen sicherlich dazu be-egen, Entscheidungen, bevor er sie trifft, gründlicheru überdenken und das eine oder andere Papier etwas ge-auer zu lesen. Hier muss ein Zusammenhang zwischenoni auf der einen Seite und Verantwortung und Haftunguf der anderen Seite geschaffen werden. Das werdenir leisten müssen; denn nur so können wir die dienendeunktion der Finanzdienstleistungsbranche aufrechter-alten.
Der Bundesbankpräsident Weber hat vollkommencht: Es ist außerordentlich ratsam für die Finanzbran-he, die Gewinne, die momentan wieder erzielt werden, das Eigenkapital anstatt in Boni zu stecken; denn dieigenkapitalanforderungen werden sicherlich nicht ge-nger werden. In eine Kreditklemme wollen wir nichtineinlaufen. Es gibt schon entsprechende Hinweise ausem Markt, aus der Realwirtschaft. Die Bosch GmbHeendet – ich unterstütze das ausdrücklich – Geschäfts-eziehungen mit Banken, die Boni zahlen. Das ist einehr gutes marktwirtschaftliches Instrument, um zu einererhaltensänderung zu kommen.
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1780 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Björn Sänger
Ich komme zum Schluss. Die Linken in Nord-rhein-Westfalen verkaufen T-Shirts, auf denen steht: Wirwollen linke Spinner sein. – Vorher hatte ich noch Hoff-nung, aber nach der heutigen Diskussion kann ich nurempfehlen: Kaufen Sie sich diese T-Shirts und ziehenSie sie an! Mit Ihren Anträgen haben Sie das eindrucks-voll unter Beweis gestellt.Herzlichen Dank.
Nun hat das Wort zu einer Kurzintervention der Kol-
lege Dr. Raabe.
Sehr geehrter Herr Kollege, ich will zwei Feststellun-
gen treffen. Die erste ist: Sie haben gesagt, dass die Idee
einer Finanztransaktionsteuer eine olle Karnevals-
kamelle sei. Da die Bundeskanzlerin diese Idee aber
unterstützt, frage ich mich, ob sie in Ihren Augen eine
Fastnachtsnärrin ist. Es ist erstaunlich, dass die Bundes-
kanzlerin immer bekundet, für die Einführung einer sol-
chen Steuer zu sein, dies aber von Ihrer Seite dermaßen
ins Lächerliche gezogen wird. Das liegt auf der Linie Ih-
res Entwicklungsministers Niebel, der im Entwicklungs-
ausschuss wörtlich gesagt hat: Was interessiert mich,
was die Kanzlerin sagt? Ich habe eine andere Meinung.
Ich komme zu meiner zweiten Feststellung. Mein
Kollege Sieling hat zu Recht auf die Petition verwiesen,
in der 60 000 Menschen die Einführung einer Finanz-
transaktionsteuer fordern. Sie fordern sie deshalb, weil
sie sagen: Wir brauchen Geld für die Entwicklungszu-
sammenarbeit, um die Folgen der Wirtschafts- und
Finanzkrise gerade für die ärmsten Menschen abmildern
zu können. Deswegen ist das selbstverständlich ein ganz
wichtiger Schritt, der auch dazu dient, die vereinbarten
Stufensteigerungen des sogenannten ODA-Plans reali-
sieren zu können, also den Anteil der Mittel für die öf-
fentliche Entwicklungszusammenarbeit am Bruttonatio-
naleinkommen, der eigentlich in diesem Jahr 0,51 Prozent
betragen müsste, bis zum Jahr 2015 auf 0,7 Prozent zu
steigern, wozu wir uns verpflichtet haben.
Ich frage mich, wie Sie das erreichen wollen, wenn
Sie eine solche Finanztransaktionsteuer ablehnen. Sie
brechen ja bereits mit diesem Haushalt Ihr Versprechen,
die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit zu steigern.
Es ist doch völlig unglaubwürdig, ohne eine solche
Steuer eine Quote von 0,7 Prozent im Jahr 2015 errei-
chen zu wollen. Das spricht für die fehlende Glaubwür-
digkeit dieser Regierung und dafür, dass Sie auf dem Rü-
cken der ärmsten Menschen dieser Erde eine Politik
zugunsten der Multimillionäre betreiben. Das wird mit
uns nicht zu machen sein.
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Was Sie wollen, ist das, was der Erfinder dieser
teuer, James Tobin, selbst als einen Fehler erkannt hat,
ämlich zusätzliche Einnahmen generieren. Sie möch-
n hierbei nicht steuernd eingreifen, denn dann müssten
ie über andere Maßnahmen nachdenken.
as wollen wir an dieser Stelle nicht, sondern wir wol-
n, dass die Branche an den Kosten dieser Krise adäquat
eteiligt wird. Wir sind der Auffassung, dass diese
teuer nicht das richtige Mittel ist. So steht es auch im
oalitionsvertrag – der Kollege Schäffler hat darauf hin-
ewiesen –, und danach handelt die Bundesregierung.
Herzlichen Dank.
Als letzter Redner in dieser Debatte hat nun das Wort
er Kollege Ralph Brinkhaus für die CDU/CSU-Frak-
on.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habeben einmal zur Tribüne hochgeblickt – da waren nochre Vorgänger –, und da war Kopfschütteln. Ich glaube,as Bild, das wir als Parlament hier heute abgeben,chtfertigt dieses Kopfschütteln: Wir debattieren hiericherlich die dringendste, die wichtigste Aufgabe, dieir neben denjenigen hinsichtlich des Klimawandels inieser Legislaturperiode zu erfüllen haben, und streitenns darüber, wer wann was gesagt hat, in welchem Pa-ier was stand, darüber, wer welche T-Shirts anziehenoll.
h halte das für nicht angemessen; denn die Menschenind zu Recht ziemlich sauer,
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1781
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Ralph Brinkhaus
und ich habe großes Verständnis dafür. Es ist ein Skan-dal, dass wir als Staat letztlich mit dem Volumen vonzwei Bundeshaushalten in die Haftung für das Banken-system gehen müssen. Als Mitglied des Gremiums ge-mäß § 10 a des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes seheich das jeden Freitagmorgen. Es ist ganz gut, dass manes jeden Freitagmorgen sieht, Herr Kollege Sieling, umsich das ganze Ausmaß des Skandals noch einmal vorAugen zu führen.
Es ist auch völlig unverständlich, dass wichtige Teileder internationalen Finanzwirtschaft den Eindruck erwe-cken, dass es so weitergehen kann wie bisher. Wir sehenes an der Art der Geschäfte und auch an den Vergütungs-modellen.Es ist beschämend – das muss auch einmal gesagtwerden –, dass es der gesamten Branche scheinbar andem Willen oder der Kraft fehlt, aus sich selbst herausumfassende Reformen zur Eigenregulierung und zurSystemstabilität zu organisieren.
Die Maßstäbe, die wir an einen Hartz IV-Empfänger an-legen, müssen wir auch an die Bankenwelt anlegen.
Zur Ehrlichkeit gehört aber auch, dass wir alle – viel-leicht mit wenigen Ausnahmen – selbst an den Ursa-chen dieser Krise in irgendeiner Art und Weise beteiligtwaren, denn weder die Politik noch die Verwaltung, we-der die Wissenschaft noch die Medien haben die Risikenin dieser Form richtig eingeschätzt und entsprechend ge-handelt. Wir alle haben als Konsumenten von den gutenZinsen profitiert. Ich frage einmal hier in den Saal hi-nein, wer 2007 nicht zu seinem Bankberater gegangenist und gesagt hat: Zwei Prozent mehr, oder ich bin weg.
Wir alle haben als Kreditnehmer davon profitiert – sei esim privaten Bereich zum Beispiel für Eigenheime oderin der Industrie –, dass wir unsere Investitionen günstigfinanzieren konnten. Wir haben als Staat gern die hohenSteuereinnahmen mitgenommen. Allein die DeutscheBank hat 2007 ein Steueraufkommen von mehr als3,5 Milliarden Euro gehabt. Es ist also nicht so einfach,wie man vielleicht meint.Abseits jeder Moral, des Bedürfnisses nach Rechen-schaft für die Verantwortlichen oder der Strafe für dieje-nigen, die scheinbar nichts gelernt haben, bleibt docheine Erkenntnis: Es gibt keine absolute Sicherheit im Fi-nanzsystem. Niemand hat den Masterplan. Unwahr-scheinliche Ereignisse, die nicht denkbar waren, tretenein. Weil die Welt so komplex ist, meine Damen undHggAsnEzmDusdsswKnramIcanrabeEinbganInkSVletisgdInmm
s gibt auch keine Garantie dafür – auch das gehört mitur Ehrlichkeit –, dass der Staat das Bankensystem nieehr mit Steuergeldern stabilisieren muss.
as ist ernüchternd. Trotzdem glaube ich aber, dass esns gelingen kann, ein besseres Finanzsystem zu organi-ieren, als wir es in der Vergangenheit gehabt haben. Nurarum geht es.Insofern ist es wichtig, ein Maßnahmenpaket zuchnüren; der Kollege Michelbach hat es eben schon ge-agt. Dieses Maßnahmenpaket ist auf den Weg gebrachtorden, und zwar mit einer gewissen Systematik, Herrollege Schick. Es geht darum, eine konsequente Inter-ationalisierung der Problemlösungsstrategien vo-nzutreiben. Die G 20, nicht allein die nationalen Parla-ente, sind der richtige Platz.
h sage aber auch an die Adresse der Bundesregierung,n Herrn Koschyk: Wir haben hohe Erwartungen an denächsten G-20-Gipfel in Kanada. Dabei muss etwas he-uskommen. Es reicht nicht, wenn wir weiter im Unver-indlichen bleiben.
Es ist auch wichtig, dass wir ein Frühwarnsysteminrichten. Wir sehen eine ganz zentrale Rolle beimuropäischen Ausschuss für Systemrisiken. Dieser muss enger Zusammenarbeit mit der EZB frühzeitig Pro-leme identifizieren und Handlungsempfehlungen aus-eben, und zwar möglichst schnell. Wir müssen auch diektuellen Risikofelder, über die momentan wiederiemand redet, im Auge behalten. Dazu gehören dieflation, die Überhitzung der Rohstoffmärkte, die spe-ulativen Geldmengen, die in die Entwicklungs- undchwellenländer fließen, und auch der Zustand vonolkswirtschaften hier in der EU. Im Auge behalten al-in reicht jedoch nicht. Wir müssen aus der Identifika-on der Risiken Handlungen erwachsen lassen; denn dasehe ich momentan leider zu wenig.Wir brauchen einen starken Ordnungsrahmen. Dazuehört die Beseitigung von regulierungsfreien Bereichenes Kapitalmarktes.
sofern ist es zu begrüßen, dass die Europäische Kom-ission das Projekt Gewährleistung sicherer Derivate-ärkte auf den Weg gebracht hat. Ich wünsche mir, dass
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1782 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Ralph Brinkhauswir darüber mehr sprechen. Es ist gut, dass wir mit derRegulierung von Hedgefonds durch die AIFM-Richtlinieangefangen haben. Es ist auch richtig, dass die EU-Richtlinie zur Regulierung von Ratingagenturen schnellin deutsches Recht umgesetzt wird.
Ein Ordnungsrahmen muss aber auch stringent über-wacht werden. Dazu ist im August 2009 das Gesetz zurStärkung der Finanzmarkt- und Versicherungsaufsicht inKraft getreten. Es ist darüber hinaus nachhaltig zu be-grüßen, dass Ecofin das neue Konzept zur europäischenFinanzaufsicht, über das wir noch zu diskutieren haben,in diesem Jahr auf den Weg gebracht hat.Wir brauchen aber auch – das ist der Kern – ein gan-zes Paket von Eigenkapitalmaßnahmen. Dazu gehörtnicht nur die Umsetzung der geänderten Banken- undKapitaladäquanzrichtlinie. Dazu gehören auch die durchdie G 20 angestoßenen Aktivitäten des Baseler Aus-schusses zur stärkeren Unterlegung von Eigenkapital;denn die Verknüpfung von Eigenkapitel und Risiko istsicherlich einer der entscheidendsten Faktoren zur Si-cherung der Finanzmärkte.
Wir müssen die Angemessenheit der Vergütungs-strukturen sicherstellen. Hierzu ist im August 2009 dasGesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung inKraft getreten. Wichtig war auch die Einigung auf Ver-gütungstandards auf dem G-20-Gipfel in Pittsburgh,durch das BaFin-Rundschreiben vom Dezember 2009umgesetzt und auch für deutsche Unternehmen verbind-lich.Wir müssen uns aber auch vor Augen halten, dass esimmer wieder zur Krise kommen kann. Deswegen brau-chen wir ein Instrumentarium zum Krisenmanagement.Hier hat die EU-Kommission die Initiative zur Schaf-fung eines grenzüberschreitenden Krisenmanagementsauf dem Bankensektor ergriffen. Das ist gut und richtig.Was aber dringend notwendig ist – das ist eine unserervordinglichen Aufgaben in dieser Legislaturperiode –,ist die Schaffung eines nicht nur finanzmarktspezifi-schen Insolvenz-, sondern auch Abwicklungsrechtes;denn es muss möglich sein, dass eine Bank oder einFinanzdienstleister geordnet abgewickelt oder in einegeordnete Insolvenz überführt wird.
Weiterhin werden wir auch über grenzüberschreitendeSicherungsfonds diskutieren müssen. Ich möchte diesesThema aber nicht überschätzen. Die Krise hatte diesmaleine Dimension, die kein Sicherungsfonds hätte auffan-gen können.Ich fasse zusammen: internationale Lösungen,Frühwarnsystem, starker Ordnungsrahmen, stringenteÜberwachung dieses Rahmens, ein Bündel von Eigenka-pitalmaßnahmen, angemessene Vergütungsstrukturen,effektive Maßnahmen zum Krisenmanagement. AllddSvLPsecruNwdübteufoEhzDashtrtewCawbtuAsmWdCdswdtu
ir müssen dieses Paket auch im Konsens organisieren;enn die Bundesregierung, auch wenn es jetzt eineDU/CSU-FDP-Regierung ist, braucht ein starkes Man-at in den internationalen Verhandlungen. Wenn wir die-es Paket nicht gemeinsam organisieren,
erden wir uns als Parlamentarier sagen lassen müssen,ass wir die wichtigste Frage, die sich in dieser Legisla-rperiode stellt, nicht beantwortet haben.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1783
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Ralph BrinkhausEs wäre wirklich gut, meine Damen und Herren, wennwir es schaffen würden, diese Aufgabe gemeinsam zubewältigen.Ich möchte zum Schluss noch einen Aspekt ergänzen.Ich habe am Anfang meiner Ausführungen Kritik anden Banken geübt. Bei aller Kritik an den Banken: Wirstehen zu unseren Banken in Deutschland, zu den klei-nen, die in der Fläche tätig sind, aber auch zu den Groß-banken. Die deutsche Exportwirtschaft braucht großeBanken, die sie international begleiten. Wir sollten dasnicht Banken aus anderen Ländern überlassen. Eines istaber auch klar: Wir als Politik stoßen mit unseren Auf-sichts- und Regulierungsmaßnahmen, mit unseren Sys-temvorschlägen an Grenzen, wenn sie nicht mit einerneuen Kultur der Verantwortung im Bankenbereich ein-hergehen.
Diese, meine Damen und Herren, ist bisher leider viel zuwenig ersichtlich. Vielleicht wäre ein Vorschlag, dassBankvorstände mit ihrem persönlichen Vermögen für ihrTun haften, so wie es bei Freiberuflern üblich ist.
Eines ist wichtig: Die deutsche Kreditwirtschaft istaufgefordert, mehr zu tun, national, aber auch in interna-tionalen Gremien, um das Vertrauen der Menschen zu-rückzugewinnen, um eine Wiederholung der Krise ausdem Herbst 2008 wirklich zu einem sehr unwahrschein-lichen Ereignis werden zu lassen. Die Zeit dafür drängt.Ganz ehrlich: Wir können uns nicht leisten, dass nocheinmal das passiert, was damals passiert ist, denn dannsind wir alle weg.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf
den Drucksachen 17/526, 17/527 und 17/518 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich sehe: Das ist
der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.
Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 20:
Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Barbara
Höll, Dr. Axel Troost, Richard Pitterle, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE
Vermögensteuer als Millionärsteuer wieder
erheben
– Drucksache 17/453 –
Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss
Haushaltsausschuss
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. – Ich sehe:
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Die ungerechte Einkommens- und Vermögensvertei-ng in vielen Ländern ist eine zentrale Ursache der ak-ellen Finanz- und Wirtschaftskrise. Diejenigen, dieber große Vermögen verfügen, geben es ja nicht aus.ie Binnennachfrage wird durch sie kaum gestärkt.tattdessen fördert die Vermögenskonzentration Speku-tionen und eine übertriebene Renditeerwartung.Um die aktuelle Krise zu bewältigen und die in Mit-idenschaft gezogenen öffentlichen Haushalte sowie dieachfrage zu stärken, fordert die Linke, genau diejeni-en an der Deckung der Krisenkosten zu beteiligen, dieon der Zockerei auf den Finanzmärkten am meistenrofitiert haben und noch profitieren.
Ein deshalb überfälliger Schritt ist aus Sicht der Lin-en, die Vermögensteuer als eine Millionärsteuer wiederinzuführen. Zum Vermögen zählen wir in unserem An-ag die Gesamtheit privater Geldvermögen und der Ver-ehrswerte der privaten Immobilien- und Sachvermö-en. Private Kredite werden abgezogen. Nur dasberhalb von 1 Million Euro liegende Nettovermögeniner Person soll mit 5 Prozent versteuert werden. Ange-ichts dessen, dass 1 Million Euro steuerfrei bleiben soll,ann nun wahrlich niemand behaupten, die Linke wolleermögende armmachen.Die Vermögensteuer übt eine Finanzierungs- undmverteilungsfunktion aus, weil nach der wirtschaftli-hen Leistungsfähigkeit besteuert wird, die sich durchermögen nun einmal erhöht. Wer die derzeitige Krisend die wachsende Armut bekämpfen will, muss ebeneichtum begrenzen.
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1784 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Harald Koch
Die Länder und Kommunen pfeifen finanziell aufdem letzten Loch. Das sollten auch die Vertreter der Ko-alition einmal zur Kenntnis nehmen. In dieser Situationwollen Sie, die Mitglieder der Koalition, die mit der Ein-führung einer Vermögensteuer verbundenen Möglichkei-ten nicht nutzen? Wir, die Linke, gehen davon aus, dassdurch die Erhebung einer Vermögensteuer langfristig proJahr bis zu 80 Milliarden Euro zusätzliche Steuereinnah-men zur Verfügung stehen.
Nehmen Sie doch dieses Geld. Das ist besser, als esnach der Wahl in Nordrhein-Westfalen noch stärker alsbisher Normal- und Geringverdienenden, Rentnerinnenund Rentnern sowie sozial Benachteiligten aus der Ta-sche zu ziehen, was wir alle erwarten.
– Glauben Sie mir ruhig.Wir brauchen eine deutliche Umverteilung von obennach unten. Reiche und Superreiche müssen aus gutenGründen stärker zur Finanzierung des Gemeinwesensherangezogen und an ihre soziale Verantwortung erin-nert werden. In Art. 14 Abs. 2 unser aller Grundgesetzesheißt es:Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleichdem Wohle der Allgemeinheit dienen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von Schwarz-Gelb,halten Sie sich doch ganz einfach ans Grundgesetz.Vielen Dank.
Herr Kollege Koch, das war Ihre erste Rede in diesem
Haus. Ich gratuliere Ihnen sehr herzlich dazu, verbunden
mit den besten Wünschen für Ihre weitere Arbeit.
Nun hat das Wort der Kollege Christian von Stetten
für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Bitte, nehmen Sie bequem Platz und streichen Sie sichdiesen Tag dick in Ihrem Kalender an; denn heute willuns die Linke in einer eigentlich völlig überflüssigen De-batte mit einem dreiseitigen Antrag erklären, wie sie dieHaushaltsprobleme aller 16 Bundesländer lösen will. Ichgehe davon aus, dass die Vermögensteuer als Länder-steuer wieder eingeführt werden soll. Die Linke geht vonzusätzlichen Steuereinnahmen in Höhe von 80 Milliar-den Euro aus – dieses Geld soll zusätzlich von den Län-dern kassiert werden –, und das bei einem Steuersatz von5uaBstrDdslareruoüliddvmwHdVddsddebduSVSkgsMdfümB
iese Auffassung hat sie übrigens nicht nur mit Beginner Krise vertreten, sondern auch schon vorher. Derozialpolitischen Verantwortung wird man in Deutsch-nd durch die Progression der Einkommensteuer ge-cht. 10 Prozent der großen Vermögen tragen heutend 54 Prozent der gesamten Einkommensteuerlast. Dieberen 50 Prozent der Einkommen tragen insgesamtber 94 Prozent der kompletten Einkommensteuerlast.Wenn die Linke angesichts dessen von einer sozialpo-tischen Schieflage spricht, dann muss man festhalten,ass sie die Realität in Deutschland nicht erkannt hat.
Sie, meine Damen und Herren von der Linken, wollenie Bundesländer durch die Einführung dieser Steuererpflichten, zusätzlich 80 Milliarden Euro – wohlge-erkt: jährlich und nicht einmalig – einzuziehen, ob-ohl die Länder im letzten Jahr insgesamt nur Steuern inöhe von 16 Milliarden Euro eingezogen haben. Mitem Antrag, den Sie hier einbringen, würde also eineerfünffachung des Betrages einhergehen, den die Län-er bisher selber an Steuern einziehen. In den 16 Milliar-en Euro eingeschlossen sind übrigens schon die um-trittenen Erbschaftsteuern, die Lotteriesteuern und auchie Grunderwerbsteuern. Sie wollen also die Steuern, dieie Länder einziehen, auf insgesamt 86 Milliarden Eurorhöhen. Ich frage mich schon, in welchem Land Sie le-en. Sie betreiben – das zeigen Sie wieder einmal sehreutlich – eine Politik des Neides, des Klassenkampfesnd jetzt auch noch der Enteignung.
ie haben den Bezug zur Realität völlig verloren.
Schauen wir uns einmal den Inhalt Ihres Antrags an.om Vorredner haben wir dazu ja nicht allzu viel gehört.ie fordern, dass auf das private Geldvermögen, die Ver-ehrswerte aller privaten Immobilien- und Sachvermö-en nach Abzug eines Freibetrages jährlich ein Steuer-atz in Höhe von 5 Prozent erhoben wird. Dieseaßnahme ist konjunkturpolitisch völlig falsch und för-ert sicherlich nicht private Investitionen, sondern sorgtr das Gegenteil.Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1995,it dem die damalige Besteuerung von Vermögens- undetriebswerten für verfassungswidrig erklärt wurde, ist
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1785
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Christian Freiherr von Stettenangesprochen worden. Deshalb wird seit 1997 keineVermögensteuer mehr erhoben. Damit stehen wir auchnicht allein da. Zahlreiche andere europäische Länderhaben zu dieser Zeit auch die Vermögensteuer abge-schafft, und das aus gutem Grund. Die Vermögensteuerist nämlich eine reine Substanzsteuer. Sie fällt auch an,wenn der Betroffene in einem Jahr überhaupt kein Ein-kommen hat. Sie fällt sogar an, wenn der Betroffene ineinem Jahr die Hälfte seines Vermögens verliert. Selbstdann schnappt die Steuerfalle zu.
Substanzsteuern sind Gift für unser Land und auch fürdie Betroffenen. Deshalb haben auch viele unserer Nach-barländer aus gutem Grund keine Vermögensteuer.
Das, was Sie heute in den Bundestag einbringen, istnicht nur ideologisch falsch, sondern stellt auch einevolkswirtschaftliche Geisterfahrt dar. Sie würden dochnicht die Vermögenden treffen, wie Sie in Ihrem Antragschreiben, sondern Sie würden vielfach gerade Mietertreffen.
– Wir können uns gerne den Antrag näher anschauenund auf den Punkt kommen.Schauen wir uns einmal an, was noch im Antrag steht.Sie wollen die privaten Geldvermögen und die Verkehrs-werte der privaten Immobilienvermögen und der priva-ten Sachvermögen mit 5 Prozent besteuern. Zu Betriebs-vermögen und zu land- und forstwirtschaftlichem Besitzhabe ich übrigens nichts gelesen. Offenbar lassen Siebeides außen vor. Dass das mit dem Spruch des Verfas-sungsgerichts zur Erbschaftsteuer vereinbar wäre, kannich mir nicht vorstellen. Noch vor zwei Monaten habenSie uns übrigens von dieser Stelle hier angegangen, weilwir bei der Erbschaftsteuer für bestimmte Betriebsver-mögen Freibeträge eingeführt haben, hier also auch nichtalles der Steuerpflicht unterworfen haben. Damals habenSie versucht, uns klarzumachen, dass eine ganzheitlicheBesteuerung gesichert sein muss. Jetzt erwähnen Sie inIhrem Antrag weder Betriebsvermögen noch land- undforstwirtschaftlichen Besitz. Ich glaube, das Bundesver-fassungsgericht würde da nicht mitmachen.Die Steuer soll stichtagsbezogen eingeführt werden.Nachdem Sie bestimmte Vermögensformen außen vorlassen und nicht besteuern, können Sie doch nicht imErnst glauben, dass bei einer Substanzbesteuerung deranderen Vermögen in Höhe von 5 Prozent auch nur eineinziger der Betroffenen nicht reagiert und vor demStichtag sein belastetes Vermögen nicht in unbelastetesVermögen umschichtet. Es ist weltfremd, zu glauben,dass hier nicht reagiert wird.Jetzt kommen wir zu der Frage, wie sich Ihr Vorhabenauf den deutschen Wohnungsmarkt auswirken würde.Ich behaupte, dass Sie mit einer jährlich fälligen Vermö-gensteuer in Höhe von 5 Prozent den Wohnungsmarkt inDeutschland zerstören würden.NImwszvkDDbzdihes5odddDzdFcddzWrateAvJRdwlesfü
as ist völlig unglaubwürdig.
Wenn man es nun ernst nimmt, dass den Immobilien-esitzern durch diese Steuer jährlich gleichsam 5 Pro-ent ihres Vermögens weggenommen werden sollen,ann ist doch völlig klar, dass diese versuchen werden,re Immobilien sobald wie möglich zu verkaufen. Ob erinen Käufer finden wird, ist zweifelhaft. Wer kauftchon ein Renditeobjekt mit 4 Prozent Rendite, wenn er Prozent Steuern zahlen muss? Ob er Einnahmen hatder nicht, ist dabei völlig egal. Wenn er niemanden fin-et, der die Immobilie kauft, wird er dafür sorgen, dassie Belastung auf die Mieter abgewälzt wird,
ie dann mit hohen Mieterhöhungen rechnen können.amit wir wissen, wovon wir reden: Bei einer Refinan-ierung der Vermögensteuer in Höhe von 5 Prozent be-eutet das eine glatte Verdoppelung der heutigen Mieten.Das ist nicht die Sozialpolitik, die die CDU/CSU-raktion sich vorstellt. Sie sollten sich schämen, hier sol-he Anträge einzubringen,
urch die die Mieter nur belastet würden. Wir wollen,ass auch in Zukunft billiger Wohnraum in Deutschlandur Verfügung gestellt wird.
Zusätzlich würde es auch ein bürokratisches Monster.ir können uns vorstellen, was bei einer Bewertung he-uskäme. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die Kos-n für die Erhebung der Vermögensteuer ein Drittel desufkommens – das ist ausreichend untersucht worden –erschlungen haben.
etzt haben wir ein neues Bewertungsgesetz und klareegeln des Bundesverfassungsgerichts. Sie glaubenoch nicht, dass es damit günstiger wird. Das Gegenteilird der Fall sein. Bei der Erbschaftsteuer ist es viel-icht gerade noch zumutbar, dass alle 30 Jahre ein um-tändliches und teures Bewertungsverfahren durchge-hrt wird. Bei der Vermögensteuer wollen Sie es aber
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1786 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Christian Freiherr von Stettenjährlich stichtagsbezogen, zum 31. Dezember, durchfüh-ren.Nach Maßgabe des Bundesverfassungsgerichts müs-sen Sie die Vermögen erst einmal alle erfassen. Dannkönnen Sie entscheiden, welche Bereiche Sie aus derVermögensteuer herausnehmen oder welche FreibeträgeSie festlegen. Wenn Sie alle privaten Vermögen inDeutschland jährlich erfassen und dann Freibeträge fest-legen wollen, wünsche ich Ihnen viel Erfolg.
Dann kommen Sie weit über die Kosten in Höhe von ei-nem Drittel.Auf jeden Fall wird dieser Vorschlag nicht dazu bei-tragen, dass weiterhin in Deutschland investiert wird. ImGegenteil: Es wird eine Flucht ins steuerbefreite Aus-land stattfinden. Die Folgen der Erbschaftsteuer und derVermögensteuer sind die gleichen, mit fatalen Auswir-kungen nicht nur für die Betroffenen, sondern auch fürdie vielen Arbeitnehmer, die in den Familienbetriebenarbeiten. Auch das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.
Dieser von den Kommunisten in den Bundestag ein-gebrachte Antrag ist verfassungswidrig.
– Da brauchen Sie sich nicht aufzuregen; das Wort„Kommunisten“ darf in diesem Zusammenhang durch-aus gebraucht werden. Ich sehe Sahra Wagenknecht, dieden Antrag mit unterschrieben hat. Auf ihrer Homepagewird darauf hingewiesen, dass sie die Sprecherin derKommunistischen Plattform ist. Wenn Sie sich jetzt vondem Gedankengut der Kommunistischen Plattform dis-tanzieren, dann nehme ich alles zurück. Aber wer diesesGedankengut vertritt, darf sicher Kommunist genanntwerden. Ich bin gerne bereit, Ihre Belehrungen entge-genzunehmen.
Ich kann Sie, Gregor Gysi und Ihre Fraktion, nur bit-ten, diesen Antrag zur Einführung einer Vermögensteuerin Höhe von 5 Prozent zurückzuziehen. Er ist volkswirt-schaftlicher Irrsinn. Ansonsten sagen Sie den Bürgern,was Teile Ihrer Fraktion wirklich wollen. Wenn Sie wol-len, dass erfolgreiche Bürger in unserem Land enteignetwerden, dann können Sie das offen aussprechen. Alleinaufgrund der von Ihnen geschätzten 80 Milliarden EuroEinnahmen ist das mit uns auf keinen Fall zu machen.Deswegen kann ich Ihnen nur empfehlen: Ziehen Siediesen Antrag zurück!Herzlichen Dank.
dHgsaMFfamsddbhAtedLntulewruawtulanAsewssESrumAictig
Es war vor allem deshalb nicht angemessen, weil dieenschen zu Recht von uns verlangen, dass wir uns mitragen bezüglich der Steuersysteme in aller Ruhe undchlich auseinandersetzen. Steuersysteme werden – dasüssen wir uns immer wieder klarmachen – von Men-chen nur dann akzeptiert, wenn sie das Gefühl haben,ass es gerecht zugeht und dass Lasten fair verteilt wer-en. Nur dann wird das Zahlen von Steuern, die wirrauchen, um zum Beispiel die Bildungschancen zu er-öhen, akzeptiert. Ich bin davon überzeugt, dass dieuseinandersetzung über die Frage, ob Lasten fair ver-ilt werden, auch über das Steuersystem, gerade jetzt, inen Zeiten der Finanzmarktkrise, wichtiger denn je ist.
Übrigens sind die Überlegungen hinsichtlich fairerastenverteilung, Privilegien und Beteiligung an der Fi-anzierung des Allgemeinwohls nicht neu. Die Behaup-ng im Antrag der Linken, dass diese Fragen in dentzten Jahren nicht berücksichtigt worden seien, istirklich hanebüchen. Sowohl in den Zeiten der Regie-ng von Gerhard Schröder zusammen mit den Grünenls auch in Zeiten der Großen Koalition gab es immerieder Abwägungen und wurden immer wieder Entlas-ngen auf der einen Seite mit Verschärfungen und Be-stungen auf der anderen Seite verbunden. Ich will Ih-en dazu drei Beispiele nennen: Wenn Sie in Ihremntrag auf die Senkung des Spitzensteuersatzes hinwei-en, dann sollten Sie wirklich nicht verschweigen, dasss die sozialdemokratisch geführte Bundesregierungar, die zusammen mit den beiden Fraktionen dafür ge-orgt hat, dass der Eingangssteuersatz so deutlich ge-enkt worden ist wie nie zuvor in den letzten Jahren.
s war die gemeinsame Regierung der Grünen und derPD, die dafür gesorgt hat, dass es eine Mindestbesteue-ng gab und ein Herunterrechnen auf null nicht mehröglich war.
uch das kommt in Ihrer Analyse nicht vor. Das halteh für einen sträflichen Fehler. Es war die Große Koali-on, die bei der letzten Unternehmensteuerreform dafüresorgt hat, dass die Entlastung bei den Steuersätzen mit
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1787
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Nicolette Kressldeutlichen Einschränkungen bei den Gestaltungsmög-lichkeiten verbunden war. Wir haben sehr viele Schlupf-löcher geschlossen. Wir haben immer auf Ausgewogen-heit in diesem Bereich geachtet.
Wir erleben jetzt allerdings, dass auf Ausgewogenheitkeinen Wert mehr gelegt wird und dass Schlupflöcherverschämt wieder geöffnet werden. Um ein Bild zu ge-brauchen: Dieser Pullover wird Stück für Stück von derschwarz-gelben Regierung und der Koalition wieder auf-geribbelt. Von Ausgewogenheit kann jetzt natürlichkeine Rede mehr sein.
Ich empfehle Ihnen dringend, Ihre Wünsche nicht inUmdrucken zu Gesetzentwürfen zu verstecken, sonderneinen Gesetzentwurf vorzulegen, den Sie Entwurf einesWunscherfüllungsgesetzes nennen. Das ist nämlich dieWahrheit.
Ich komme zur Lastenverteilung zurück. Herr vonStetten, Sie sollten einen kurzen Blick auf die Fakten,die uns die OECD liefert, werfen. Die Vergleiche, dieSie bei der Belastung durch die Einkommensteuer ange-stellt haben, können überhaupt nicht gezogen werden.Sie sprechen die Substanzbesteuerung überhaupt nichtan. Ich weiß auch, warum; denn wenn wir uns die Datenanschauen, die im November 2009 von der OECD ge-kommen sind, dann sehen wir, dass Deutschland deut-lich weniger durch die Substanzbesteuerung einnimmtals fast alle anderen Staaten. Es handelt sich nämlich umnur 0,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, während derOECD-Durchschnitt bei 1,9 Prozent liegt. VersteckenSie sich also nicht hinter irgendwelchen Einkommen-steuerstatistiken. Das ist eine ganz andere Art von Be-steuerung.
Ich möchte den OECD-Bericht zitieren: „Nur Mexiko,Tschechien, Ungarn und die Slowakei … sowie Öster-reich erzielen weniger Einnahmen aus dieser Steuerart.“Dass das unsere Benchmark in dem Bereich sein soll,glauben wir nicht wirklich.
Das bedeutet für uns Sozialdemokraten, dass eineVermögensteuer sehr wohl ein Instrument zur fairen Be-steuerung sein kann. Ich will betonen: ein Instrument.Die im Antrag der Linken genannten 5 Prozent jährlichund der Versuch, alle Finanzierungsprobleme damit zulösen, halte ich für absurd. Wir müssen bestimmte Rah-menbedingungen beachten. Wir dürfen keine Substanz-besteuerung vornehmen, die zu einer Verminderung vonVermögen führt.
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Wir müssen im Übrigen auch wahrnehmen, dass sichie Rahmenbedingungen verändert haben. Erstens. Deralbteilungsgrundsatz, der sehr lange gegolten hat, giltufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsge-chts so nicht mehr. Das heißt, diese Rahmenbedingungat sich deutlich verändert.
weitens. Auch die Reform der Erbschaftsteuer hat dieahmenbedingungen verändert. Diese Belastungen, dieüher im Rahmen einer Panikmache als Verwaltungs-osten bezeichnet wurden, werden so nicht mehr anfal-n, weil wir aufgrund entsprechender Bewertungsge-etze jetzt andere Ausgangsmöglichkeiten haben. Dasollte man nicht wegdrücken. Wenn sich Rahmenbedin-ungen verändern, dann sollte man über die eigene Posi-on ruhig einmal nachdenken. Ich finde, zu einer verant-ortungsbewussten Politik gehört, nicht immer wiederie alten Geschichten zu erzählen, die schon lange nichtehr wahr sind.
Ich will darauf hinweisen, dass sich natürlich auch dieesellschaftlichen Rahmenbedingungen geändert ha-en. Wir wissen mehr denn je, wie wichtig Bildung nichtur für unsere Kinder und die Schaffung von sozialererechtigkeit, sondern auch für unseren wirtschaftspoli-schen Erfolg ist. Das Aufkommen aus einer Vermögen-teuer könnte dazu beitragen, dass die Länder Bildungesser finanzieren können. Die Zeit der Bildungsgipfelaben wir erlebt. Da wurde nur zu Papier gebracht, wasan eigentlich tun müsste, und über Finanzierungsin-trumente wurde nicht ernsthaft geredet. Ich finde, es istie Zeit der Bildungsgipfel und die Zeit, konsequentber Finanzierungsmöglichkeiten zu sprechen und in deresetzgebung entsprechende Konsequenzen zu ziehen.
Ich bin davon überzeugt, dass es sich lohnt, im Rah-en eines Gesamtkonzepts über eine sinnvolle Besteue-ng von sehr hohen Vermögen nachzudenken und dieermögensteuer als ein mögliches Instrument auf deneg zu bringen.Ich sage es noch einmal – ich habe es vorhin schon er-ähnt –: Im vorliegenden Antrag wurde alles richtig hin-eschnuddelt; ich muss es so sagen. Mit einem Steuer-atz von 5 Prozent will man weit in die Substanzineingehen. Auch andere Dinge wurden hingeschnud-elt. Das kann keine Grundlage für eine seriöse Ausei-andersetzung mit dieser Frage sein. Für uns Sozialde-okraten ist klar, dass, wenn jemand sein Vermögen fürie Schaffung von Arbeitsplätzen einsetzt, dies selbst-
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Nicolette Kresslverständlich berücksichtigt werden muss. Es geht nichtum Neid, sondern um eine faire Verteilung von Lastenund Chancen in unserer Gesellschaft.
Wir werden diese Punkte im Rahmen eines steuerli-chen Gesamtkonzepts – dahin gehört es nämlich – auf-greifen und die Einführung einer Vermögensteuer einfü-gen. Ich hoffe, dass wir dann zu einer seriöserenDiskussion kommen, als wir sie gerade erlebt haben.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Volker Wissing
von der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dielinke Seite dieses Hauses ist sich offensichtlich sehr ei-nig. Sie will jetzt ganz schnell eine Vermögensteuer inDeutschland einführen. Die Linkspartei hat uns einenAntrag vorgelegt, der, wie ich finde, nur als Faschings-scherz zu bezeichnen ist; Frau Kollegin Kressl hat dasein bisschen untermauert. Was Sie da vorhaben, könnenSie nicht ernst meinen. Das kann man nur fordern, wennman sicher ist, dass man nie die Verantwortung dafür be-kommt, so einen Unsinn umsetzen zu müssen. Es istschlicht und einfach nicht machbar, was Sie da fordern.
Die SPD ist eine große Anhängerin der Vermögen-steuer, und zwar immer dann, wenn sie die Regierungs-verantwortung verloren hat.
Ihre Partei hat elf Jahre lang den Bundesminister der Fi-nanzen gestellt. Zu uns hat gerade die ehemalige Staats-sekretärin aus dem Bundesministerium der Finanzen ge-sprochen und uns, nachdem all das nach elf JahrenVerantwortung der Sozialdemokraten nicht gemachtworden ist, erklärt, dass das für Deutschland dringendnotwendig sei. Wie kann man sich das erklären?
Wir sind der Meinung, dass in Deutschland Erträgegerecht besteuert werden sollen. Wer höhere Erträge hat,der soll auch einen höheren Anteil finanzieren und hö-here Steuern zahlen.
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etzt glauben Sie, Wachstum sei nicht mehr möglich undan könne den Staat nur noch über eine Substanzbesteue-ng finanzieren. Ich sage Ihnen: Man kann eine wachs-msorientierte Politik machen. Die christlich-liberaleoalition wird dies tun. Wir bleiben bei der Ertragsbe-teuerung, weil wir an die Kraft dieses Landes glauben.ie haben dieses Land offensichtlich aufgegeben.
Die Linksfraktion fordert eine Besteuerung der Sub-tanz mit einem Steuersatz von 5 Prozent. Sie sagt, dasei ganz einfach. Aber Sie legen keine konkreten Vor-chläge vor, die man tatsächlich umsetzen könnte.Sie werfen mehr Fragen auf, als Sie beantworten.elches Vermögen wollen Sie konkret besteuern? Nureldwerte oder auch Sachwerte? Ist Opel für Sie eben-lls ein Millionär? Soll auch dieses Vermögen besteuerterden? Wollen Sie die Industrie ausnehmen und nur dieleinen, mittelständischen Betriebe besteuern? Was ge-au haben Sie vor? Ist auch eine landwirtschaftliche Flä-he ein Sachwert? Wollen Sie die ebenfalls besteuern?ollen Sie den Bauern in Deutschland jedes Jahr Prozent des Verkehrswertes ihres landwirtschaftlichenermögens abnehmen? Haben Sie das vor? Dann sagenie das konkret. Dann reden wir darüber. Dann reden wiruch über die Auswirkungen einer solchen Politik fürnser Land. Aber einfach einen Antrag vorzulegen, inem gefordert wird, dass 5 Prozent der Vermögenssub-tanz von Millionären besteuert werden sollen, damiteien die Probleme unseres Landes gelöst, das ist, ichlaube, eine Ebene, auf der wir nicht wirklich sachlichiskutieren können.
ie Probleme des Landes sind viel zu groß, um eine der-rtig alberne Finanzpolitik machen zu können.
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Das war die Leitlinie erfolgreicher Wirtschafts- und Fi-nanzpolitik. Sie glauben, wenn man einigen eine Miserebeschert, dann wäre dem Land insgesamt gedient.
Es gibt niemanden in Deutschland, der nicht dafürkämpft, dass es Ärmeren besser geht. Aber wenn Sieglauben, es ist jemandem geholfen, wenn Sie Leistungs-träger, die Erfolgreichen in diesem Land schwächen,dann sind Sie auf dem falschen Weg.
Es gibt eine Alternative zu Ihrer Neidpolitik. Die ma-chen Sie immer, wenn Sie in der Opposition sind. WennSie regieren, wollen Sie davon nichts mehr wissen:
Die Vermögensteuer sei nie angegangen worden und nieaufgegriffen worden.
Kaum sind Sie in der Opposition, sagen Sie: Das wollenwir.Dass es eine Alternative zu dieser Politik gibt, zeigtdie christlich-liberale Koalition. Wir haben nämlich – imGegensatz zu Ihnen – in dieser Legislaturperiode vor, et-was für die unteren und mittleren Einkommen zu tun.
Wir wollen die kalte Progression abmildern. Wir wollensteuerliche Entlastungen. Bereits jetzt haben die Deut-schen ein höheres Nettoeinkommen. Während Sie eineReichensteuer beschlossen und die kalte Progressionbeibehalten haben, kümmern wir uns jetzt um die Ver-säumnisse und arbeiten sie in dieser LegislaturperiodeSchritt für Schritt ab.
Sie waren es doch, die nicht davor zurückgeschrecktsind, die Pendlerpauschale auf verfassungswidrige Weisezu kürzen.
Dass die Menschen in den letzten Jahren immer wenigervon ihrem Einkommen übrig hatten, war das ErgebnisIhrer Politik.
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Sie können das Mantra der Vermögensteuer ruhigeiterhin singen. Sie können in Ihrem Stadium kreativereidpolitik verharren. In der Zwischenzeit hat Deutsch-nd eine Regierung, die dafür sorgt, dass die Menschenehr netto vom Brutto haben,
ass Leistungsanreize in Deutschland gesetzt werden,ass die Wachstumskräfte unseres Landes entfesselterden, dass die Erträge, die die Unternehmen ineutschland erwirtschaften, steigen werden,
ass das Steueraufkommen, das wir auf diese Erträge er-eben, steigen wird – und das bei einer Entlastung dernteren und mittleren Einkommen. Ich glaube, wir sinduf einem guten Weg. Wir brauchen diese nicht ganzrnstzunehmenden Anträge nicht.Herzlichen Dank.
Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt
at jetzt das Wort die Kollegin Lisa Paus von Bündnis 90/
ie Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Steuer-olitik ist nicht der Umgang mit Zahlen, sondern Steuer-olitik ist Gesellschaftspolitik.“ –
o die Bundeskanzlerin in ihrer ersten Regierungserklä-ng nach der Wiederwahl.
Ich möchte Ihnen ein paar Zahlen nennen. Ein Zehn-l unserer Bevölkerung besitzt über 60 Prozent des Ver-ögens, während ein Viertel unserer Bevölkerung überichts bzw. über weniger als nichts, nämlich über Schul-en verfügt.
ie OECD attestiert uns: Nirgendwo in der industriali-ierten Welt haben sich in den letzten Jahren die Einkom-ensunterschiede schneller verschärft als in Deutsch-nd.
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Lisa PausNoch eine Zahl: Mehr als 75 Prozent der Deutschen sindnach einer GfK-Umfrage der Meinung, es gehe in die-sem Land nicht gerecht zu.
Das sind nur Zahlen, aber sie machen deutlich: In dieserRepublik läuft gesellschaftspolitisch etwas verdammtschief.
Und was ist die Antwort von CDU/CSU und FDP?Statt einer gerechten Steuer von Mövenpick et al. ge-kaufte Steuergesetze, statt Gesellschaftspolitik politischeLandschaftspflege. Das ist nur als armselig zu bezeich-nen.
Die Finanzkrise hat an der Vermögensverteilung inDeutschland nichts geändert; so das DIW. Die Reichensind dank öffentlicher Rettungsschirme unverändertreich. Die Finanzkrise hat aber eine neue Zahl hervorge-bracht: Die Staatsverschuldung war noch nie so hochwie heute; 1 Billion Euro – das sind 1 000 Milliar-den Euro – Schulden hat jetzt allein der Bund. Wenn wirunser Steuer- und Abgabensystem nicht ändern, wennwir nicht damit aufhören, nur die Niedrigverdiener unddie arbeitende Mittelschicht zu belasten und die Reichennicht zu belasten, dann führt unser ungerechtes Systemdazu, dass die Schere zwischen Arm und Reich nochschneller auseinanderdriftet.
Deswegen sagen wir: Außergewöhnliche Krisen er-fordern außergewöhnliche Maßnahmen. Deshalb ist dieIdee, dass diejenigen, die an den entfesselten Finanz-märkten große Gewinne gemacht haben, auch in beson-derem Maß die Kosten der Krise tragen sollen, richtig.
Deshalb begrüßen wir es, dass der Antrag der Linken zurWiedereinführung der Vermögensteuer das Thema aufdie Tagesordnung bringt.
Der vorliegende Antrag hat aus unserer Sicht aber wenigbelastbare Substanz. Das können wir jedoch im Rahmender parlamentarischen Beratungen weiter erörtern. HerrDautzenberg, die Stoßrichtung „mehr Besteuerung vonVermögen“ ist richtig.
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as war Gesellschaftspolitik in Steuern gegossen.
ie Zahlen von damals sprechen eine deutliche Sprache:hne den Lastenausgleich hätte es das deutsche Wirt-chaftswunder damals niemals gegeben.
Eine Vermögensabgabe, wie wir sie uns vorstellen,chließt die Gerechtigkeitslücke, die wir in der Vermö-ensverteilung in Deutschland haben. Sie bürdet dieasten der Krise denen auf, die sie tragen können. Des-egen ist die Erhebung einer Vermögensabgabe keineopulistische Enteignung der sogenannten Leistungsträ-er unserer Gesellschaft, die deswegen angeblich scha-nweise ins Ausland flüchten würden.
s ist einfach so: Wer von unregulierten Finanzmärktenrofitiert hat, der steht in besonderer Verantwortung, dieosten ihres Zusammenbruchs zu schultern. Wie erklä-n Sie sich, dass es in diesem Land inzwischen Millio-äre gibt, die öffentlich darum bitten, zur Verantwortungezogen zu werden, weil sie wissen, dass sie Verantwor-ng übernehmen müssen und übernehmen können?ehmen Sie das doch endlich einmal zur Kenntnis!
Da Sie immer noch von einer Neiddebatte sprechen,ill ich dazu noch eines sagen: Milliardäre und Millio-äre scheinen Ihnen von Schwarz-Gelb ähnliche Sorgenu bereiten wie die Geldbeutel armer Hotelbarone. Aberas ist auch in diesem Fall überhaupt nicht nötig. Dieermögensbezogenen Steuern in Deutschland sind nied-ger als in den USA, niedriger als in Luxemburg undiedriger als in der Schweiz. Auch das sollten Sie end-ch einmal zur Kenntnis nehmen. Deswegen ist dieseermögensabgabe keine Zumutung, sondern ein wichti-er Baustein, um mehr als ein paar Zahlen wieder insleichgewicht zu bringen, zum Beispiel das Verhältniswischen öffentlichen Schulden und privater Vermö-ensverteilung.Daher werden wir Grünen an diesem Thema weiterar-eiten und einen entsprechenden Antrag in dieses Hausinbringen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1791
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Lisa PausHerzlichen Dank.
Frau Kollegin Paus, ich gratuliere Ihnen zu Ihrer ers-
ten Rede im Deutschen Bundestag.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/453 an die in der Tagesordnung aufge-
führten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit ein-
verstanden? – Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung
so beschlossen.
Ich rufe die Tagesordnungspunkte 21 a bis 21 c auf:
a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Volker
Beck , Jerzy Montag, Kai Gehring, weite-
ren Abgeordneten und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Ge-
– Drucksache 17/88 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
b) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD ein-
gebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur
– Drucksache 17/254 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
c) Erste Beratung des von den Abgeordneten
Dr. Barbara Höll, Cornelia Möhring, Matthias W.
Birkwald, weiteren Abgeordneten und der Frak-
tion DIE LINKE eingebrachten Entwurfs eines
Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes
– Drucksache 17/472 –
Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. Gibt es Wi-
derspruch dagegen? – Das ist nicht der Fall. Dann ist das
so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner das Wort dem Kollegen Volker Beck von
Bündnis 90/Die Grünen.
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Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz war so etwas wie die Nega-on der nationalsozialistischen Selektions- und Verfol-ungspolitik. So haben ihn die Väter und Mütter desrundgesetzes konzipiert. Aber auch sie waren nicht freion Moralanschauungen und Vorurteilen und haben des-alb zwei Gruppen, die Opfer des Nationalsozialismusaren, vergessen: die Behinderten und die Homosexuel-n. Die Behinderten haben wir in der Verfassungsreform994 endlich in den Diskriminierungsschutz der Verfas-ung aufgenommen. Für die Aufnahme von Schwulen,esben und Transgendern gab es damals keine Zweidrit-lmehrheit, sondern nur eine einfache Mehrheit. Deshalburde dieses Ziel verfehlt.Die Geschichte der Schwulen und Lesben im Zusam-enhang mit der Verfassung in diesem Land ist sehr wi-ersprüchlich. 1957 hat das Bundesverfassungsgerichtie menschenrechtswidrige strafrechtliche Verfolgungurch § 175 des Strafgesetzbuchs in nationalsozialis-scher Fassung für vereinbar mit dem Grundgesetzrklärt. Es dauerte viele Jahrzehnte, bis das Bundesver-ssungsgericht im Jahre 2009 erstmals in einer Ent-cheidung die Rechte von Lesben und Schwulen auf-rund der Verfassung ausgeweitet hat. Ich denke, es istichtig, dass wir in unserer Verfassung jetzt endlich einr alle Mal zum Ausdruck bringen, dass Lesben,chwule und Transgender Bürgerinnen und Bürger wielle im Lande sind, mit gleichen Rechten, mit gleichenflichten und ohne jeglichen Abstand.
as gebieten Respekt und Würde, wie es unsere Verfas-ung vorsieht.In Europa haben wir seit dem Amsterdamer Vertragine Klausel, die Maßnahmen der Kommission gegeniskriminierung wegen der sexuellen Orientierung er-ubt. Seit 2009 steht in der EU-Grundrechtecharta deriskriminierungsschutz für Lesben, Schwule und Trans-ender. In den Landesverfassungen von Berlin, Branden-urg, Thüringen und Bremen findet sich eine solchelausel. Im Saarland wurde vereinbart, die saarländische
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Volker Beck
Verfassung in dieser Legislatur entsprechend zu erwei-tern.
Es ist an der Zeit, dass wir als Bundestag auf Bundes-ebene diese Entscheidungen nachvollziehen.Es gab im letzten Jahr eine Bundesratsinitiative vonden Ländern Bremen, Hamburg und Berlin, die im Bun-desrat leider keine Mehrheit gefunden hat. Welche Argu-mente wurden von der Gegenseite vorgetragen? Ichzitiere den Justizminister aus Hessen von der FDP:Im Interesse einer möglichst schlanken und über-sichtlichen Verfassung sollen nur zwingend erfor-derliche Änderungen des Textes vorgenommen wer-den. So werden eine Verwässerung und ein damiteinhergehender Bedeutungsverlust durch Überregu-lierung und die Aufnahme immer neuer Schutzas-pekte vermieden.Etwas hineinzuschreiben, was letztlich schon europäi-scher Konsens ist, drei weitere Wörter in der Verfassung,das kann mit solchen Argumenten nicht pariert werden,
und schon gar nicht von einer Koalition, die verabredethat, sie wolle die Selbstverständlichkeit, dass man inDeutschland Deutsch spricht, ins Grundgesetz schreiben.Wer sich anschickt, solche Dinge auf den Weg zu brin-gen, kann beim Schutz vor Diskriminierung wohl nichternsthaft gegen eine Klärung der Sache argumentieren.
Minister Busemann aus Niedersachsen sagte in derBundestagsdebatte:Vielmehr bedarf es noch verstärkter praktischer ge-sellschaftlicher Aufklärung, sei es durch die Me-dien oder durch öffentliche Einrichtungen wieSchulen, um langfristig jeder Form von Diskrimi-nierung entgegenzuwirken.Eine Verfassungsänderung lehnt er ab.Meine Damen und Herren, ich sage Ihnen: Wenn inZukunft im Sozialkundeunterricht oder im Politikkursüber die Grundrechte und das Grundgesetz aufgeklärtwird, dann soll man auch darüber aufklären, dass eineDiskriminierung von Lesben und Schwulen verboten ist.
Herr Kollege Beck!
Wenn wir Ausländerinnen und Ausländern in Integra-
tionskursen die Werte unserer Verfassung vermitteln,
dann soll man sagen, dass Lesben und Schwule hier
nicht diskriminiert werden dürfen. Das soll man aber im
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Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Jan-Marco Luczak
on der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Icheiß nicht, wie gut Sie sich in Berlin auskennen. Ich sel-er habe meinen Wahlkreis in Berlin-Tempelhof/Schö-eberg. Der Stadtteil Schöneberg ist bekannt dafür, dassr, vielleicht mit Ausnahme von Köln, die höchste Kon-entration von Schwulen und Lesben in ganz Deutsch-nd hat. Ich weiß daher um die Probleme, denenchwule und Lesben in der gesellschaftlichen Realitätegegnen.Ja, es gibt Diskriminierung, und es gibt Anfeindungennd Übergriffe gegen Homosexuelle, und das nehme ichehr ernst. Lassen Sie mich deswegen gleich zu Anfangeiner Rede klar und unmissverständlich formulieren:as Ziel, das Anliegen, das mit dem vorgelegten Antragerfolgt wird, teile ich uneingeschränkt.
eutschland ist ein modernes und weltoffenes Land.ine Diskriminierung von Anderslebenden oder Anders-ebenden ist nicht akzeptabel, und wir nehmen sie nichtin.
ie Frage ist allerdings: Was können wir dagegen tun?rauchen wir, wie die Opposition es vorschlägt, eineerfassungsänderung, um Diskriminierung wirksam be-egnen zu können?
Meine Damen und Herren, wenn Sie eine ehrliche Be-tandsaufnahme machen, werden Sie feststellen: Es gibtereits einen umfassenden Schutz. Das Grundgesetzelbst gewährleistet die sexuelle Selbstbestimmung, undas nicht nur durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht.s ist vor allen Dingen der allgemeine Gleichheitsgrund-atz des Art. 3 Abs. 1, der vor Diskriminierung schützt.
Er besagt bekanntlich, dass vor dem Gesetz alle Men-chen gleich sind. Es ist schlicht unrichtig, wenn Sie in
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1793
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Dr. Jan-Marco LuczakIhrem Antrag behaupten, dass dieser Artikel keinen aus-reichenden Schutz gewährt.
Ihr Versuch – auch der Herr Kollege Beck hat das geradewieder angeführt –, diese Behauptung durch Verweis aufein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre1957 zu belegen, geht an der Sache vorbei.
Damals hat das Bundesverfassungsgericht – das ist rich-tig – die Strafbarkeit der sexuellen Unzucht zwischenMännern nach § 175 StGB noch als verfassungsgemäßeingestuft.
Zum Grundsatz der Gleichberechtigung der Ge-schlechter hat es seinerzeit ausgeführt:Schon die körperliche Bildung der Geschlechtsor-gane weist für den Mann auf eine mehr drängendeund fordernde, für die Frau auf eine mehr hinneh-mende und zur Hinnahme bereite Funktion hin.Anders als der Mann würdedie Frau unwillkürlich schon durch ihren Körperdaran erinnert, daß das Sexualleben mit Lasten ver-bundensei. Damit möge es zusammenhängen,
fast immer miteinander verschmolzen sind, wäh-rend beim Manne, und zwar gerade beim Homo-sexuellen, beide Komponenten vielfach getrenntbleiben.Meine Damen und Herren, Sie wollen doch nichternsthaft behaupten, dass das Bundesverfassungsgerichtauch heute noch in einer solchen Art und Weise argu-mentieren würde!
Tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Das belegt diejüngste Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts– der Kollege Beck hat es angesprochen –, in der dasBundesverfassungsgericht die Reichweite des allgemei-nen Gleichheitsgrundsatzes noch einmal verdeutlichthat. Danach ist bei der Prüfung von Ungleichbehandlun-gen ein strenger Kontrollmaßstab anzulegen, wenn dieUngleichbehandlung an Persönlichkeitsmerkmale an-knüpft, die denen von Art. 3 Abs. 3 vergleichbar sind.Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass dieUngleichbehandlung von Ehe und eingetragener Lebens-partnerschaft bei der Hinterbliebenenversorgung mitArt. 3 Abs. 1 nicht in Einklang steht. Das Gericht be-saASdgrereateAkdnnnsNGdGamDRraedDwkg–dDdsfr
Das spiegelt sich auch in den umfangreichen einfach-chtlichen Vorschriften wider, die eine Diskriminierungus Gründen der sexuellen Identität ausdrücklich verbie-n: im Beamtenrecht, im Arbeitsrecht oder nach demllgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Man sieht: Esommt nicht allein auf den Text der Verfassung an, son-ern auf die gelebte Verfassungswirklichkeit. Ich glaubeicht, dass der Deutsche Bundestag, also wir alle mitei-ander, Nachhilfe in Sachen Diskriminierungsschutz be-ötigt.
Im Übrigen lohnt es sich – das hat Kollege Beck auchchon angeführt –, einen Blick nach Europa zu werfen.icht nur nach der Rechtsprechung des Europäischenerichtshofes für Menschenrechte wird ein entsprechen-er Schutz gewährt; auch die Verträge sowie Art. 21 derrundrechtecharta zählen die sexuelle Ausrichtungusdrücklich zu den Merkmalen, bei denen das Diskri-inierungsverbot gilt. All diese Regelungen sind ineutschland unmittelbar geltendes Recht, nach derechtsprechung des EuGH sogar mit Anwendungsvor-ng gegenüber unserer Verfassung.Wieso also eine Verfassungsänderung, wenn die sexu-lle Ausrichtung gemäß europäischer Vorgaben aus-rücklich als ein Merkmal benannt wird, bei dem dasiskriminierungsverbot gilt? – Sie schweigen, weil Sieissen, dass es tatsächlich keine Notwendigkeit undeine Rechtfertigung für eine Änderung der Verfassungibt.
Sie können sich hier jetzt aufregen. Ich weiß natürlich,ass Sie diesen Antrag auch nutzen wollen, um vor alleningen uns von der Union in eine bestimmte Ecke zurängen: in die Ecke einer Partei mit antiquierten, ver-taubten und überkommenen Wertvorstellungen.
Herr Kollege Luczak, erlauben Sie eine Zwischen-
age des Kollegen Beck?
Bitte schön.
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Bitte, Herr Beck.
Vielen Dank. Ich finde es sehr gut, dass Sie eine Zwi-
schenfrage zulassen, obwohl dies Ihre erste Rede ist. –
Wenn das alles so selbstverständlich ist, wie Sie sagen,
wie kommt es dann, dass wir zum Beispiel beim Lebens-
partnerschaftsgesetz, im Steuerrecht, bei der Frage der
Beamtenversorgung immer noch ungleiches Recht ha-
ben?
Wie kommt es, dass die Koalition im Dezember im Zu-
sammenhang mit dem Wachstumsbeschleunigungsge-
setz den Antrag ablehnen konnte, beim Erbschaftsteuer-
recht endlich die gleichen Tarife für homosexuelle
Lebenspartnerschaften einzuführen, wie sie bei Ehegat-
ten gelten? Wenn das alles so selbstverständlich wäre,
wie Sie behaupten, hätte es für Sie selbstverständlich
sein müssen, im Dezember unserem Änderungsantrag
zuzustimmen.
Herr Kollege Beck, vielen Dank für die Zwischen-
frage. Wenn Sie mir noch einige Sekunden zugehört hät-
ten, hätte ich dazu etwas gesagt. – Wenn Sie einen Blick
in unseren Koalitionsvertrag werfen,
dann werden Sie feststellen, dass dort ausdrücklich steht:
Die christlich-liberale Koalition will „gleichheitswidrige
Benachteiligungen im Steuerrecht abbauen“ und die be-
stehenden Schutzlücken, zum Beispiel im Bereich des
öffentlichen Dienstes, schließen. Das werden wir umset-
zen.
Ich möchte an dieser Stelle eines betonen: Es bleibt
beim Grundsatz des Art. 3 Abs. 1: Gleiches wird gleich
behandelt. Soweit Sachverhalte aber ungleich sind, er-
laubt unsere Verfassung Differenzierungen. Auch daran
hält die Union fest.
So berechtigt das Anliegen in dieser Sache auch ist:
Das, was die Opposition mit diesem Antrag macht, ist
nichts weiter als Schaufensterpolitik. Sie wissen sehr ge-
nau, dass mit einer solchen Änderung der Verfassung un-
mittelbar gar nichts bewirkt würde. Wir brauchen also
keine theoretischen Debatten, sondern praktische An-
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Wir wollen deshalb keine Verunklarung des Verfas-ungstextes durch neue Inhalte, durch die kein Mehr anchutz geboten wird und die daher nicht erforderlichind. Deswegen spricht sich die Union auch gegen dieeantragte Änderung des Grundgesetzes aus.Danke schön.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1795
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Herr Kollege Luczak, auch Ihnen gratuliere ich im
Namen des Hauses zu Ihrer ersten Rede im Deutschen
Bundestag. Ich mache Sie aber gleich darauf aufmerk-
sam, dass Sie bei Ihrer nächsten Rede nicht einen so gro-
ßen Zeitzuschlag erhalten.
Das Wort hat die Kollegin Christine Lambrecht von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In
dieser Woche, am Mittwoch, haben wir hier im Plenar-
saal der Opfer des Nationalsozialismus gedacht, und wir
sind von den Rednern gemahnt worden, Verantwortung
zu übernehmen: Verantwortung nicht für das Gesche-
hene, sondern Verantwortung dafür, dass solche Verbre-
chen, wie sie unter der Naziherrschaft geschehen sind, in
unserem Land nicht wieder vorkommen.
Genau dieser Verantwortung stellen wir uns mit die-
sem Antrag. Deswegen geht es nicht darum, die Verfas-
sung aufzublähen und das Grundgesetz unübersichtlich
zu machen, sondern darum, Verantwortung zu überneh-
men.
– Ich werde Ihnen gleich erklären, was für ein passender
Vergleich das ist.
Die Väter und Mütter des Grundgesetzes haben genau
aus dieser Verantwortung heraus in Art. 3 Abs. 3 Grund-
gesetz genau die Merkmale aufgezählt, die Ursache bzw.
Grund für die Verfolgung der Menschen waren. Alle
Merkmale, die damals dazu geführt haben, dass Men-
schen zu Opfern wurden, sind aufgeführt worden, bis auf
zwei – das ist schon angeführt worden –: die Behinde-
rung und die sexuelle Identität. Genau diese beiden
Merkmale, die viele Menschen zu Opfern des National-
sozialismus werden ließen, werden in Art. 3 nicht aufge-
zählt.
Eines dieser Merkmale ist 1994 im Zuge der Wieder-
vereinigung ergänzt worden. Damals wurde das Merk-
mal Behinderung mit aufgenommen, weil es die ganz
klare Ansage gab: Wir wollen in Zukunft nicht mehr
dafür stehen, dass eine Diskriminierung Behinderter
möglich ist. Wir wollen von staatlicher Seite ein entspre-
chendes Signal geben. – Es war richtig so, dass das
Grundgesetz damals entsprechend ergänzt wurde.
Aus genau dem gleichen Grund wäre es mehr als an-
gebracht – die Mahnung der Opfer vom Mittwoch muss
Ihnen doch noch präsent sein –, dass wir uns auch jetzt
der Verantwortung stellen und das letzte noch fehlende
Merkmal von Opfern des Nationalsozialismus, nämlich
die sexuelle Identität, aufnehmen.
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1994 gab es dafür bereits eine Mehrheit, aber leider
eine Zweidrittelmehrheit, sonst wäre das Merkmal
eute schon längst aufgenommen. Wir haben jetzt die
öglichkeit – es gibt ja auch entsprechende Länderini-
ativen; das ist kein rot-rot-grüner Gedanke, sondern das
ommt ja auch aus Ländern, in denen die CDU an der
egierung beteiligt ist –, dieser Verantwortung, der wir
ns stellen wollen, auch dadurch gerecht zu werden, dass
ir drei Worte in Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz aufnehmen,
ämlich: die sexuelle Identität.
Herr Luczak, wenn das stimmt, was Sie sagen, dass
ir nämlich Art. 3 Abs. 3 eigentlich gar nicht brauchen,
ann könnten wir ihn ja streichen. Es gäbe dann
rt. 3 Abs. 1, und damit wäre die Sache erledigt. So ein-
ch ist es aber nicht, und das wissen Sie auch. Sie weh-
n sich lediglich noch aus ideologischen Gründen gegen
ine solche Aufnahme. Das finde ich wirklich unerträg-
ch.
Ich finde es unerträglich, in Feierstunden zu nicken,
enn wir gemahnt werden, Verantwortung zu überneh-
en, und später mit fadenscheinigen Gründen ein einzi-
es Merkmal nicht ins Grundgesetz aufzunehmen, wenn
an dies tun könnte. Ich finde, so etwas kann man auch
ei einer ersten Rede nicht durchgehen lassen.
Deswegen kann ich Sie nur auffordern: Lassen Sie
ns in den anstehenden Ausschussberatungen darüber
den, wie wichtig es wäre, wenn unser Staat ein ent-
prechendes Signal geben würde.
Ich setze große Hoffnung in die FDP. Die Justizminis-
rin, Frau Leutheusser-Schnarrenberger, hat dieses Jahr
ie Schirmherrschaft für den Christopher Street Day
bernommen und hat damit auch eine gewisse Verant-
ortung diesem Thema gegenüber. Ich kann sie nur auf-
rdern: Nehmen Sie diese Verantwortung entsprechend
ahr! Lassen Sie es nicht durchgehen, dass die Möglich-
eit vertan wird, ein solch wichtiges Signal auch in die
anze Welt zu senden, dass wir uns der Verantwortung
us der Vergangenheit stellen. Lassen Sie uns sachlich
iteinander diskutieren und diesen Schritt gehen! Ich
laube, das würde dem Ansehen Deutschlands guttun.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Marco Buschmann voner FDP-Fraktion.
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1796 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Wir debattieren heute über eine möglicheÄnderung des Grundrechtekatalogs des Grundgesetzes.Dieser Grundrechtekatalog ist für uns Liberale das Herzunserer Verfassung. Deshalb haben Anliegen mit demZiel, daran Änderungen vorzunehmen, für uns, wenn Sieden Vergleich erlauben, immer etwas von einer Opera-tion am offenen Herzen.Solche Eingriffe darf man nicht leichtfertig vorneh-men. Für uns als Liberale – das ist meine feste Überzeu-gung – ist es nur dann angemessen, einzugreifen, wennes grundrechtliche Schutzlücken gibt, die wir schließenmüssen.
Bei Ihrem politischen Anliegen, das Sie mit IhremAntrag verfolgen, ist Ihnen bewusst, dass Sie bei uns alsFDP-Fraktion immer dann große Sympathie erfahren,wenn es darum geht, einen wirksamen Beitrag dazu zuleisten, dass Menschen ihre sexuelle Identität inDeutschland frei leben dürfen. Das wissen Sie auch des-halb, weil keine andere politische Kraft in der Ge-schichte unseres Landes so viel für dieses Anliegen ge-tan hat wie die FDP-Fraktion.
Wir haben 1973 mit Ihnen zusammen den Anwen-dungsbereich des § 175 StGB minimiert und diesen dann1994 mit der Union abgeschafft. Wir haben in den Koali-tionsvertrag mit der Union aufgenommen, dass die Dis-kriminierung im Steuerrecht für gleichgeschlechtlicheLebenspartnerschaften beseitigt wird.
Wir haben in den Koalitionsvertrag aufgenommen undwerden es auch in Kürze umsetzen, dass die ehe- und fa-milienrechtlichen Regelungen im Beamtenrecht auf diegleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaften übertra-gen werden.
Wir werden die Magnus-Hirschfeld-Stiftung einrichten,die sich gegen Diskriminierung wendet, und wir werdendas Transsexuellengesetz auf die Höhe der Zeit bringen.
Selbst die CSU bzw. die bayerische Staatsregierunghaben wir davon überzeugt, dass Homosexuelle fürsorg-liche Stiefeltern sein können. Deshalb hat die bayerischeStaatsregierung ihre Klage gegen das Lebenspartner-schaftsergänzungsgesetz vor dem Bundesverfassungsge-richt zurückgezogen.
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aran können Sie von der SPD sich ein Beispiel neh-en. „Kannste was lernen“, um mit den Worten Bertoltrechts zu sprechen. All die bleiernen Jahre in der Gro-en Koalition, in der auch Sie in Regierungsverantwor-ng standen und etwas hätten tun können, haben Sie im-er gesagt: Wir würden ja gerne, aber die böse Unionsst uns nicht.Wir haben es zusammen mit der Union geschafft.
as ist also möglich. Wir halten Wort. Nehmen Sie sicharan bitte ein Beispiel!
Bei aller Sympathie für das Anliegen: Auch für die imntrag geforderte Grundgesetzänderung gilt der Prü-ngsmaßstab, den ich eingangs erwähnt habe: Es istämlich die Frage zu stellen, ob es eine Schutzlückeibt, die wir schließen müssen. Diese Frage ist zu vernei-en. Denn in Deutschland fehlt es nicht am verfassungs-chtlichen Schutz der sexuellen Identität.Sie alle kennen die Entscheidung des Bundesverfas-ungsgerichts vom 7. Juli letzten Jahres. Darin hat dasundesverfassungsgericht ausdrücklich aus Art. 3bs. 1 Grundgesetz einen entsprechenden grundrechtli-hen Schutz abgeleitet, und zwar auf demselben Schutz-iveau wie bei Art. 3 Abs. 3. Das ist kein Zufall.Wenn hier so getan wird, als ob das eine volatileechtsprechung sei, die jederzeit umkippen könnte,ann machen Sie den Betroffenen nur Angst. Denn Sielle wissen, dass das Bundesverfassungsgericht nie wie-er zu einer Entscheidung wie zu der von 1957 käme.as wissen auch Sie, Herr Beck – Sie schreiben es sogaruf Ihrer Internetseite –, weil es Ihnen ja in Ihrem eige-en Seminar zu diesem Thema erklärt worden ist.
Wir haben auch neue Erkenntnisquellen. Das Bundes-erfassungsgericht lehnt sich zum Beispiel an Art. 21bs. 1 der Grundrechte-Charta an. Das Bundesverfas-ungsgericht zieht die Rechtsprechung des EGMR he-n. Eine solche Entscheidung wie die von 1957 ist heutendenkbar und kann nie wieder passieren. Wer etwas an-eres behauptet, macht den Menschen Angst, um politi-ches Kapital daraus zu ziehen.
Kurzum: Es wäre lediglich von symbolischer Wir-ung, die vorgeschlagene Ergänzung vorzunehmen.ber eine bloß symbolische Wirkung reicht uns nicht für
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1797
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Marco Buschmanneine Operation am offenen Herzen, nicht für einen Ein-griff in den Grundrechtekatalog unseres Grundgesetzes.Zugleich reichen wir Ihnen aber die Hand, um die ei-gentliche Baustelle abzuarbeiten. Die eigentliche Bau-stelle ist, auf der einfachrechtlichen Ebene möglicheUnterschiede zu identifizieren und zu beseitigen. Hierhaben wir die Möglichkeit, unser Land toleranter, offe-ner und liberaler zu gestalten. Ich würde mich freuen,wenn Sie sich konstruktiv einbringen würden.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Buschmann, ich gratuliere im Namen
des Hauses zu Ihrer ersten Rede im Bundestag.
Ich bitte Sie aber, jetzt noch ein bisschen aufmerksam
zu bleiben, weil sich die Frau Kollegin Lambrecht zu ei-
ner Kurzintervention gemeldet hat, auf die Sie erwidern
dürfen.
Bitte schön, Frau Kollegin Lambrecht.
Bei allem Respekt, dass das Ihre erste Rede ist, Herr
Buschmann: Ich glaube, was Recht ist, muss auch Recht
bleiben. Es war keineswegs die FDP, die in diesem
Hause für die gleichgeschlechtlichen Lebensgemein-
schaften gekämpft hat. Es war Rot-Grün. Die FDP ist
zum damaligen Zeitpunkt – da Sie neu dabei sind, kön-
nen Sie das vielleicht nicht wissen; aber offensichtlich
haben Sie sich auch nicht die Mühe der Recherche ge-
macht – sogar vor das Bundesverfassungsgericht gezo-
gen, weil sie die Verfassungswidrigkeit der Regelung
festgestellt haben wollte.
Darüber hinaus bitte ich Sie, zur Kenntnis zu nehmen,
dass es nicht die FDP war, die die Union zu der Einsicht
gebracht hat, dass man eine Gleichstellung von gleichge-
schlechtlichen Lebensgemeinschaften mit der Ehe in be-
stimmten Teilbereichen akzeptieren muss, sondern es
war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Daher
bitte ich Sie, diese Tatsachen auch bei Ihrer ersten Rede
zur Kenntnis zu nehmen und das, was Sie behauptet ha-
ben, nicht einfach so stehen zu lassen.
Herr Kollege Buschmann zur Erwiderung, bitte.
Ich mache es ganz kurz.
Selbstverständlich hat die FDP immer die Vorreiterrolle
übernommen. Ich möchte Sie nicht daran erinnern müs-
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ie alle wissen, was ihm nachgesagt wird. Ich erlaube
ir, dieses Zitat nicht zu wiederholen. Die SPD hat sich
n ganz vielen Stellen verweigert. Die FDP war stets die
eibende Kraft.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Barbara Höll von
er Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Buschmann, so mancher überhebliche Reiter istchon vom Pferd gefallen. Nur zu Ihrer Information: Imeptember 1991 hat die damalige Gruppe der PDS/Linkeiste als Erste die Diskussion über die ersatzlose Strei-hung des § 175 StGB angestoßen. Dass wir heute inrster Beratung über drei gleichlautende Gesetzentwürfeer Oppositionsfraktionen sprechen, ist natürlich auchrgebnis eines gesellschaftlichen Prozesses. Das mussan zur Kenntnis nehmen.
s geht nicht darum, wer sich welche Orden an die Brusteften kann.Es geht um den Schutz, den Respekt und die Akzep-nz von Lesben, Schwulen, Transsexuellen, Trans-endern, Bisexuellen, Intersexuellen und natürlich voneterosexuellen Frauen und Männern. Es geht um denchutz der sexuellen Identität. Engagierte Lesben undchwule haben es erneut auf die politische Agenda ge-etzt. Sie sind dabei von Politikerinnen und Politikern al-r Parteien unterstützt worden. Ole von Beust hat imktober im Bundesrat darüber gesprochen. Vom Müns-raner CDU-Oberbürgermeister, Berthold Tillmann, bisum Präsidenten des Deutschen Fußball-Bundes, Theowanziger, reicht die Unterstützung.Das ist bemerkenswert. Er hat sein Engagement inen letzten Tagen wiederholt, er als Chef des Deutschenußball-Bundes, der letzten „Bastion des heterosexuel-n Mannes“; denn hier weiß Mann, was Diskriminie-ng bedeutet.
Ich erlaube, Theo Zwanziger zu zitieren:
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1798 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Dr. Barbara HöllIch habe in letzter Zeit mit einigen Leuten geredet,die in dieser Situation sind, und sie haben mir ver-mittelt, weshalb sie sich nicht outen wollen.Es hängt damit zusammen, dass für einen Homose-xuellen im Fußball die persönlichen Bindungen, dieFreude am Sport und auch das Geldverdienen ver-loren gehen können, wenn er sich outet.Das ist immer noch gesellschaftliche Realität in der Bun-desrepublik Deutschland.
Schwule Fußballprofis heiraten dann eben mal zumSchein und versuchen alles Mögliche. Es nutzt ebennichts, dass es inzwischen lesbische Politikerinnen undschwule Politiker, homosexuelle Fernsehjournalistinnenund -journalisten oder vielleicht Künstler gibt. In der ge-sellschaftlichen Realität gibt es immer noch keine voll-ständige Gleichstellung.Auch wenn der Deutsche Bundestag mit dem Allge-meinen Gleichbehandlungsgesetz einen umfassendenDiskriminierungsschutz beschlossen hat und auch wennim vergangenen Jahr das bekannte Urteil ergangen ist,nutzt dies nichts. Wir sind dennoch in der Verantwor-tung, hier Art. 3 des Grundgesetzes zu ändern. Dies hätteverschiedene Wirkungen. Die rückholende Wirkungnach hinten, die den § 175 betrifft, wurde schon genannt.Es geht aber auch um die Frage einer Normsetzung nachvorn, sowohl für den rechtlichen Bereich – dies hätte un-mittelbare Wirkungen; das wissen Sie – als auch für denaußerrechtlichen Bereich. Wir halten es für notwendig,hier tatsächlich eine Norm zu setzen.In der Debatte hier spielte es mehrmals eine Rolle,dass kaum noch offene Diskriminierungen vorkommen.Im Bundesrat gibt es jetzt die Initiative dreier Länder;Brandenburg hat sich angeschlossen. In einigen Bundes-ländern steht der Schutz schon in der Landesverfassung.Aber schauen Sie sich die Realität an!In Thüringen steht es in der Landesverfassung. Aberwenn sich dort ein schwules oder lesbisches Paar, viel-leicht im schönsten Weiß, eintragen lassen will, muss eszum Ordnungsamt gehen und steht dann mit Leuten ineiner Reihe, die vielleicht Geld bezahlen müssen, weilsie falsch geparkt haben. Ist das würdevoll?Das Antidiskriminierungsgebot steht dort in der Ver-fassung; es wird aber nicht umgesetzt. Jetzt hat die Frak-tion Die Linke im Landtag in Thüringen eine Möglich-keit, dagegen zu klagen; wir tun es und hoffen, dass danndie Diskriminierung beseitigt wird.
Die Grundgesetzänderung, die wir verlangen und fürdie die einfache Mehrheit schon vorhanden war, ist jetztnotwendig. Für sie ist es Zeit, und sie steht uns allen ein-fach gut zu Gesicht, über alle politischen Parteien hin-weg. Deshalb sollten wir das schnell und sachlich erledi-gen.Ich danke Ihnen.vhgBleutastiraDFDIdaKhpfadterintikBGnDdGD
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Stephan Harbarth
on der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieeutige Debatte ist unnötig. Die von der Opposition vor-eschlagene Verfassungsänderung ist überflüssig. Derundesrat hat sie deshalb bereits völlig zu Recht abge-hnt,
nd CDU/CSU werden sie auch im Deutschen Bundes-g aus diesem Grunde völlig zu Recht ablehnen.
Über Fraktionsgrenzen hinweg eint uns das Ziel, ge-ellschaftliche Minderheiten zu schützen. Über Frak-onsgrenzen hinweg werben wir gemeinsam für Tole-nz und wenden wir uns gemeinsam gegen dieiskriminierung von Teilen unserer Gesellschaft. Überraktionsgrenzen hinweg verurteilen wir gemeinsam dieiskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellenentität.Die christlich-liberale Koalition hat dies in ihrer Ko-litionsvereinbarung sehr deutlich herausgestellt. Dieoalitionsvereinbarung sieht vor, dass die Ausgewogen-eit von Rechten und Pflichten eingetragener Lebens-artnerschaften verbessert wird. Sie sieht vor, dass diemilien- und ehebezogenen Regelungen über Besol-ung, Versorgung und Beihilfe auf Lebenspartnerschaf-n erstreckt werden. Sie sieht vor, dass gleichheitswid-ge Benachteiligungen im Steuerrecht abgebaut werden.Das sind die Themen, an denen wir arbeiten müssen,icht an Schaufensterprojekten, wie Sie sie heute präsen-eren, meine Damen und Herren.
Heute geht es nicht um die Frage: Wer ist gegen Dis-riminierung? Heute geht es vielmehr um die Frage:rauchen wir eine Änderung des Grundgesetzes? Unserrundgesetz ist das Fundament unserer staatlichen Ord-ung.
eshalb sollten wir nicht leichtfertig nach Änderungenes Grundgesetzes rufen. Wir sollten nur dort Hand ansrundgesetz anlegen, wo dies inhaltlich notwendig ist.ies ist hier eindeutig nicht der Fall.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1799
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Dr. Stephan Harbarth
Wer unsere Verfassung als Ort für Symbolpolitik an-sieht, wer unsere Verfassung als Versandhauskatalog zurErfüllung politischer Wünsche betrachtet, der entwertetunsere Verfassung.
Genau das wollen wir nicht.
Schon heute ist klar: Wer andere diskriminiert, werandere wegen ihrer sexuellen Identität in die gesell-schaftliche Ecke drängt, wer andere wegen ihrer sexuel-len Identität beleidigt, der verstößt schon heute gegengeltendes Recht. Diese Entscheidung unserer Rechtsord-nung ist richtig. Unsere Verfassung enthält schon heuteklare Vorgaben gegen Diskriminierung. Das im Grund-gesetz verbürgte allgemeine Persönlichkeitsrecht schütztdie persönliche Lebenssphäre. Es schützt damit auch diesexuelle Identität und die sexuelle Orientierung einesMenschen. In Art. 3 des Grundgesetzes ist es in Stein ge-meißelt:Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.Dieser Maßstab bindet die öffentliche Gewalt und wirktweit darüber hinaus in wichtige Teile unserer Privat-rechtsordnung hinein.Vor Diskriminierung schützt aber nicht nur dasGrundgesetz. Vor Diskriminierung schützt zugleich un-ser einfaches Gesetzesrecht: im Arbeitsrecht, im Beam-tenrecht, im Sozialrecht und ebenso in weiteren Rechts-gebieten. Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzwird sogar als Gesetzesziel ausdrücklich genannt, Be-nachteiligungen wegen der sexuellen Identität zu verhin-dern und zu beseitigen. Der Befund ist also eindeutig:Unser Grundgesetz und unsere einfachen Gesetze schüt-zen klar und wirksam vor Diskriminierung.Sollten Gesetze den Vorgaben unserer Verfassung ein-mal nicht entsprechen, dann ist die Rechtsprechung ge-fordert. Wir sehen: Die Rechtsprechung erfüllt ihre Auf-gabe zuverlässig und gewissenhaft. Dies belegt dasjüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Julivergangen Jahres zur betrieblichen Hinterbliebenen-rente.
Herr Kollege Harbarth, obwohl das Ihre erste Rede
ist, möchte Ihnen Herr Beck gerne eine Zwischenfrage
stellen.
Herr Kollege Beck hatte heute schon genug Gelegen-
heit, sich zu produzieren. Ich möchte gerne in meiner
Rede fortfahren.
Der Beschwerdeführer hatte die Ungleichbehandlung
von Ehe und eingetragener Lebenspartnerschaft im Be-
reich der betrieblichen Hinterbliebenenrente gerügt. Das
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Sie berufen sich weiterhin auf die bewusstseinsprä-
ende Wirkung einer Grundgesetzänderung. Aber Be-
usstseinsprägung – lassen Sie sich das gesagt sein – ist
icht die wesentliche Aufgabe einer Verfassung. Das ist
ielmehr Aufgabe aller, die sich im Sinne gesellschaftli-
her Ziele einsetzen, also Aufgabe von uns allen. Des-
alb sollten wir engagiert für unsere gesellschaftlichen
erte eintreten. Aber wir sollten am Grundgesetz nicht
ichtfertig herumbasteln. Das sind wir unserer so er-
lgreichen Verfassung schuldig.
Dass Sie vonseiten der Opposition wieder einmal
ach einer Verfassungsänderung rufen, entspricht Ihrem
olitikansatz: Sie entdecken ein Übel und wollen es ver-
ieten. Das ist bequem und lässt sich in Presseerklärun-
en gut verkaufen. Die Philosophie „Ich mache ein Ge-
etz, und die Welt wird ein besserer Ort“ ist aber zu
ünn.
eshalb machen Sie es sich mit Ihrem Gesetzentwurf zu
infach.
Das klare öffentliche Wort und die Zivilcourage eines
den Einzelnen sind gefragt, nicht die Änderung des
rundgesetzes. Deshalb werden wir Ihren Gesetzent-
urf ablehnen.
Herzlichen Dank.
Herr Kollege Harbarth, auch Ihnen gratuliere ich imamen des Hauses zu Ihrer ersten Rede im Deutschenundestag.
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1800 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Vizepräsident Dr. Hermann Otto SolmsFür Sie gilt ebenfalls, dass Sie weiterhin aufmerksamsein sollten; denn der Kollege Beck hat eine Kurzinter-vention beantragt. Er erhält jetzt die Gelegenheit dazu.Bitte schön, Herr Beck.
Herr Kollege Harbarth, bislang beschränkte sich die
Zivilcourage der Unionsfraktion eigentlich darauf, alle
Anträge und Vorstöße zur Gleichstellung von Lesben
und Schwulen im Bundestag abzulehnen. Das haben wir
in den letzten Jahrzehnten immer wieder erfahren.
Sie haben hier wortreich erklärt, wie man Verfas-
sungsrechtsänderungen diskutieren sollte: Es soll keine
Klarstellungen im Text geben, und es soll auch keine
symbolische Bedeutung haben. – Ich habe gehört, dass
Sie in der Koalition vereinbart haben, „Deutsch“ ins
Grundgesetz zu schreiben. Dazu gibt es eine Beschluss-
lage der CDU Deutschlands – auf Antrag des Landesver-
bands Saar –, die folgenden Wortlaut hat:
Die CDU Deutschlands setzt sich für die Veranke-
rung der deutschen Sprache im Grundgesetz ein.
Dies soll durch einen Zusatz in Artikel 22 des
Grundgesetzes erfolgen, mit dem Wortlaut:
– man beachte das, weil der Satz zahlreiche neue Er-
kenntnisse enthält –
„Die Sprache der Bundesrepublik ist
– raten Sie! –
Deutsch“.
Wie wird das vom Landesverband der CDU begrün-
det? Es heißt da:
Durch die Erhebung der deutschen Sprache in den
Verfassungsrang machen wir deutlich, welche Be-
deutung und Wertschätzung wir unserer Sprache
einräumen.
Durch die Erhebung des Diskriminierungsschutzes
für Lesben und Schwule in den Verfassungsrang wollen
wir deutlich machen, dass der Respekt vor der Würde al-
ler Menschen, auch der von Lesben und Schwulen, bei
uns eben Verfassungsrang hat. Wir wollen das entspre-
chend hervorheben.
Wenn Sie die Worte, die Sie hier geäußert haben,
ernst meinen, müssten Sie sagen: Die Union lässt die
Forderung, die ich gerade zitiert habe, fallen, weil das
nicht in ihr verfassungsrechtliches Konzept passt.
Bitte schön, Kollege Harbarth, zur Erwiderung.
Sehr geehrter Herr Kollege Beck, ich komme aus ei-
nem Bundesland, aus Baden-Württemberg, in dem füh-
rende Repräsentanten der CDU und Repräsentanten der
Landesregierung beispielsweise Schirmherrschaften für
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ieber Herr Beck, das ist möglicherweise bei Ihnen noch
icht angekommen. Das passt nicht in das Bild, das Sie
on der Union zeichnen wollen. Wir sind wesentlich
eiter, als Sie denken.
Herr Beck, Sie können über Deutsch in der Verfas-
ung lange fabulieren, es ändert nichts daran, dass in
em Punkt, den wir heute im Plenum diskutieren, der
chutz, den die Verfassung etabliert, völlig ausreichend
t. Daran ändern Ihre Ausführungen nichts! Deshalb
ssen wir das Grundgesetz so, wie es ist. Es ist die beste
erfassung, und so soll es bleiben.
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Gesetzent-
ürfe auf den Drucksachen 17/88, 17/254 und 17/472 an
ie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-
chlagen. Gibt es anderweitige Vorschläge? – Das ist
icht der Fall. Dann sind die Überweisungen so be-
chlossen.
Jetzt rufe ich den Zusatzpunkt 2 auf:
Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN
Einstieg in die Kopfpauschale – Weniger Netto
vom Brutto für die Beitragszahler der gesetz-
lichen Krankenversicherung
Ich bitte die Kollegen, die dieser Debatte nicht folgen
ollen, den Saal zu verlassen, damit die anderen ihre
ufmerksamkeit dem Redner widmen können.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
er dem Kollegen Fritz Kuhn von Bündnis 90/Die Grü-
en das Wort.
Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen undollegen! Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt,eil eine Reihe von gesetzlichen Krankenkassen Zusatz-eiträge erheben werden. Ihre Wirtschaftspolitik folgter Melodie „mehr netto vom Brutto“. Viele Menschenaben demnächst allerdings weniger netto vom Brutto;
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1801
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Fritz Kuhndenn das, was die Leute als Zusatzbeiträge zu zahlen ha-ben, fehlt ihnen im Geldbeutel.
Ich persönlich finde, dass ein gehörig Maß an Heu-chelei in der Debatte ist.
Die Zusatzbeiträge, die jetzt erhoben werden, sind näm-lich ein konstitutiver Teil des Gesundheitsfonds, den dieGroße Koalition vor einigen Jahren beschlossen hat. Siehaben einen strukturell unterfinanzierten Gesundheits-fonds beschlossen – so lautete unsere damalige Kritik –und das Erheben von Zusatzbeiträgen einkalkuliert. Mandarf sich deswegen jetzt nicht wundern und sagen: Huch,die Zusatzbeiträge kommen auch noch.Ich muss die Abgeordneten der Union fragen, ob siebei der Inkraftsetzung des Meisterwerks Gesundheits-fonds von Frau Merkel eigentlich dabei waren.
Die Überraschung, die Frau Merkel jetzt an den Tag legt,ist doch nur geheuchelt. Diejenigen von der Union odervon der SPD, die sich an diesen Zusatzbeiträgen jetztstören, müssen einmal deutlich sagen, dass es ein Fehlerwar, diesen Gesundheitsfonds einzurichten; schließlichist das Erheben von Zusatzbeiträgen ein konstitutivesElement dieses Fonds, durch das einer so einseitigenVerteuerung – nicht zulasten der Arbeitgeber, sondernausschließlich zulasten der Arbeitnehmer und der Ar-beitslosen – Tür und Tor geöffnet wird. Das haben Sieverursacht; also müssen Sie jetzt auch dazu stehen.
Es bedarf keines Verweises auf das Kartellamt oder et-was anderes; denn Sie haben den Gesundheitsfonds be-schlossen. Das, was Sie beschlossen haben, können Sieändern, wenn Sie es wollen.Für uns ist klar: Diese Zusatzbeiträge bedeuten eineweitere Entsolidarisierung des Gesundheitssystems. Sieführen dazu, dass die Parität weiter verschlechtert wird,und sie führen auch zu sozialen Schieflagen. Personen inArbeitslosengeld-II-Haushalten müssen diese 8 Euro be-zahlen; Gutverdiener können sie sogar von der Steuerabsetzen. Das heißt, es entsteht eine zusätzliche Schief-lage. Wir müssen mit diesem Unsinn Schluss machen.Sorgen Sie dafür, dass Zusatzbeiträge nicht mehr erho-ben werden können!
Es gibt eine besondere Perfidie. Die SPD hat in die-sem falschen System Gott sei Dank immerhin die 1-Pro-zent-Grenze durchgesetzt. Die CDU hat durchgesetzt,dass die 1-Prozent-Grenze als Belastungsobergrenze erstab einem Zusatzbeitrag von 8 Euro gilt. Weil die GroßeKoalition diese Untergrenze eingezogen hat, verlangeneinige gesetzliche Krankenkassen jetzt 8 Euro. Ohnediese Untergrenze wäre die Entwicklung ganz anders;das muss man der Wahrheit halber schon sagen.dshGpglidbtrsdfrBpSSWiskeduaddkWvSzAsdnwdkrip
Wir finden, dass diese Zusatzbeiträge als Teilelementes Gesundheitsfonds nichts anderes sind als der Ein-tieg in eine Kopfpauschale. Wenn man beim Gesund-eitsfonds die 1-Prozent-Grenze und die 95-Prozent-renze abschafft, kann man schrittweise zu einer Kopf-auschale übergehen. Wir halten eine Kopfpauschale fürrundfalsch, weil sie eine Entsolidarisierung der gesetz-chen Krankenversicherung bedeutet. Vor allem wirdurch sie das Prinzip geschwächt, dass diejenigen, diereitere Schultern haben, mehr einzahlen – bis zur Bei-agsbemessungsgrenze –, damit alle Menschen in die-em Land vor den Kosten von Krankheit geschützt sind.
Gesundheitsminister Rösler hat erklärt, er wolle miten Zusatzbeiträgen nichts zu tun haben; dafür macht ereundlich die CDU verantwortlich. Er hat gesagt, dieseeiträge seien nicht sozial. Das ist richtig. Was die Kopf-auschale angeht, setzt er auf eine Regelung über einenteuerausgleich. Er möchte, dass Solidarität über dasteuersystem praktiziert wird. Wir halten das für falsch.enn Solidarität über das Steuersystem praktiziert wird,t der Bezug viel indirekter als in der gesetzlichen Kran-enversicherung. Herr Rösler, darüber müssen wir unsinmal unterhalten. Bis zur Beitragsbemessungsgrenze inie gesetzliche Krankenversicherung und damit in einnd denselben Topf einzuzahlen, ist doch etwas anderes,ls abstrakt etwas mehr Steuern zu zahlen.
Unser Hauptkritikpunkt an Ihrem System ist, dass Sieie damit verbundenen Kosten von maximal 35 Milliar-en Euro nicht decken können und dennoch so tun, alsönnten Sie diese Politik betreiben.
ir wollen nicht vergessen, was Sie in der Steuerpolitikorhaben: Sie wollen die Progression aushebeln, einentufentarif schaffen, einen Spitzensteuersatz von 35 Pro-ent beschließen und somit für die Spitzenverdiener einert steuerliche Flatrate herbeiführen. Wer wie die FDPo etwas befürwortet, der kann mir nicht erzählen, dassie Bestverdienenden nach Umsetzung dieser Pläne ei-en größeren Solidaritätsbeitrag leisten, als es gegen-ärtig der Fall ist. Wenn Sie, Herr Rösler, Probleme miter Solidarität haben, dann sollten Sie darüber nachden-en, ob die Beibehaltung der Beitragsbemessungsgrenzechtig ist, aber nicht solch einen Unsinn in diesem kom-lexen System machen.
Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kuhn.
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1802 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010
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Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. – Aber selbst
dann, wenn man das ablehnt, was Sie vorhaben, haben
wir immer noch eine Zweiklassenmedizin und ein fal-
sches Gesundheitssystem. Dagegen müssen wir sowohl
auf der Ausgaben- wie auf der Einnahmeseite etwas tun.
Wir haben ein vernünftiges Konzept. Wir schlagen eine
Bürgerversicherung vor, die die Solidaritätsbasis verbrei-
tert und damit Solidarität erneuert und nicht abschafft,
wie von der FDP vorgesehen.
Danke.
Das Wort hat jetzt der Kollege Stephan Stracke von
der CDU/CSU-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Im Gegensatz zu dem, was HerrKuhn gesagt hat, ist festzuhalten: Die christlich-liberaleKoalition steht für mehr netto vom Brutto.
Wir sind es, die mit dem Wachstumsbeschleunigungsge-setz jährlich für Entlastungen von Bürgern und Unter-nehmen in Höhe von 8,5 Milliarden Euro sorgen. Wirsind es, die einen Schutzschirm für Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer spannen und die konjunkturbedingtenMindereinnahmen in der Arbeitslosenversicherung undder Krankenversicherung mit Steuermitteln auffangen.
Von diesen Maßnahmen profitieren vor allem Familienund Bürger mit niedrigen und mittleren Einkommen,und mit diesen Maßnahmen, Herr Kuhn, helfen wir, dieLohnnebenkosten stabil zu halten. Dies tun wir, um inder schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise seit Beste-hen der Bundesrepublik Deutschland Arbeitsplätze zu si-chern.Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherungwerden im Jahr 2010 die Einnahmen voraussichtlich umrund 7 Milliarden Euro übersteigen. Ursache dieses De-fizits ist im Wesentlichen nicht eine Ausgabenexplosion,sondern die Einnahmeschwäche der gesetzlichen Kran-kenversicherung infolge der Finanz- und Wirtschafts-krise.
Es ist die christlich-liberale Koalition – das ist entgegendem, was Sie hier ständig behaupten, festzuhalten –, diein dieser Situation die Krankenversicherten nicht allein-lässt. Deshalb stellen wir der Krankenversicherung3gDszetringbddutiEgGnszdlin8KmbAbKdtrnbDinnsvtebwpbu
amit werden 2010 rund 9 Prozent der Ausgaben der ge-etzlichen Krankenversicherung aus Steuermitteln finan-iert. Dies ist gegenüber 2008 viereinhalbmal mehr undin deutlicher Beleg für Solidarität; denn Gutverdieneragen den Löwenanteil des Steueraufkommens.Dennoch wissen wir alle, dass so das erwartete Defizit der Krankenversicherung nicht vollständig aufgefan-en werden kann; denn wir haben natürlich auch Ausga-ensteigerungen zu erwarten. Ich darf daran erinnern,ass in der letzten Legislaturperiode Verbesserungen beier ambulanten Versorgung und im Krankenhausbereichnd damit einhergehende Ausgabensteigerungen poli-sch und gesellschaftlich gewünscht waren.
s bestand auch in diesem Hohen Hause ein ganz breiteresellschaftlicher Konsens, im Zuge der Einführung desesundheitsfonds auch Leistungen auszuweiten. Denje-igen, die an all das nicht mehr erinnert werden wollen,ei gesagt: Ihr Platz ist zu Recht in der Opposition. Nut-en Sie diesen zur politischen Reha! Sie haben es nötig.
Fünf gesetzliche Krankenkassen haben nun angekün-igt, Zusatzbeiträge einzuführen. Damit müssen von 70 Mil-onen Versicherten laut Medienberichten rund 7 Millio-en zahlende Mitglieder mit einem Zusatzbeitrag von Euro rechnen. Die Barmer GEK, die größte deutscherankenversicherung mit 8,5 Millionen Versicherten,acht dies beispielsweise nicht. Dies bestätigt: Die Erhe-ung von Zusatzbeiträgen kann durch wirtschaftlichesgieren vermieden werden. Die Erhebung von Zusatz-eiträgen in dieser Situation ist kein Naturgesetz.
Der kassenindividuelle Zusatzbeitrag stellt für dierankenkassen ein zusätzliches Wettbewerbsinstrumentar. Jetzt ist es an den von der Erhebung von Zusatzbei-ägen betroffenen Versicherten, zu entscheiden, ob sieach Abwägung aller Vor- und Nachteile in ihrer Kasseleiben oder in eine andere Kasse wechseln.
iese Entscheidung zu fällen, kann man wirklich jedem dieser Bundesrepublik zumuten. Das ist Ausdruck ei-es mündigen, eigenverantwortlichen Patienten und Ver-icherten.Die Opposition – auch der Teil, der das GKV-WSGerfasst hat – ist selbstverständlich schnell mit abstrak-n Hinweisen auf Einsparmöglichkeiten auf dem Markt,ezeichnenderweise auch die Krankenkassen selbst. Esird Aufgabe der Bundesregierung in dieser Legislatur-eriode sein, konkrete Einsparpotenziale zu heben. Da-ei ist auch das Instrument des Vertrages, des Gebensnd Nehmens, sicherlich sinnvoll.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1803
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Stephan StrackeIch plädiere dafür, die möglichen Einsparpotenzialedurch Effizienzsteigerungen gründlich zu erarbeiten undnicht auf die Schnelle etwas auf den Weg zu bringen.Gründlichkeit geht vor Schnelligkeit. In diesem Sinnewünsche ich dem Bundesgesundheitsminister und derKoalition bei ihren Bemühungen alles Gute.
Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Karl Lauterbach
von der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inden Medien ist in diesen Tagen zu lesen, dass Gesund-heitsminister Rösler jetzt den Kampf gegen die Kosten-explosion im Gesundheitswesen aufnehmen möchte.
Gleichzeitig ist zu hören, dass er sofort zur schärfstenWaffe des neuen Politikstils greift: Man will sich mit denLobbyisten der Pharmaindustrie am runden Tisch tref-fen.Vielleicht ist die Industrie tatsächlich bereit, eineSpende an den Bürger zu entrichten, nachdem der wich-tigste Pharmakritiker, Professor Sawicki, geopfert wurde.
Aber wie viel wahrscheinlicher ist es, dass dabei nichtsherauskommt als heiße Luft und ein paar salbungsvolleAbsichtserklärungen? Nicht ein einziger Euro in diesemSystem wird durch Kuschelrunden mit den Lobbyistenaus der Pharmaindustrie gespart werden können.
Herr Kollege Rösler, wenn Sie sich mit der Pharmain-dustrie an einen Tisch setzen und um Sparvorschläge bit-ten, dann ist das so ähnlich, als wenn Sie die Frösche bit-ten würden, Vorschläge zur Trockenlegung der Sümpfevorzutragen.
Ist ein ehemaliger Wirtschaftsminister wirklich so naiv,zu glauben, die Industrie würde Vorschläge zur Be-schränkung der eigenen Gewinne vortragen?Wir brauchen keine Kuschelrunden mit den Lobbyis-ten, sondern wir brauchen ganz konkrete Vorschläge, wieim Gesundheitssystem gespart werden kann. Dazu gehörtzum Beispiel – statt der jetzt vorgesehenen Einschrän-kung der ohnedies nicht weitgehenden Vorschläge – dieErweiterung der Möglichkeiten der Kassen, Rabattver-träge mit den Arzneimittelfirmen einzugehen. ZudemmDAhDpnskPBdüsPMskWtadpBDlävgzdowsblapvkddnDDWhWb
Bisher hören wir bei den Empfängen von den Apothe-ern, den Fachärzten und der Industrie, dass ein neuerolitikstil zu erwarten ist, auf den man sich freue. Derürger dagegen soll schrittweise an ein neues Systemer Kopfpauschalen gewöhnt werden. Er soll sozusagenber kleine Kopfpauschalen auf die großen Kopfpau-chalen vorbereitet werden. Aber wie logisch ist dasrinzip, die kleine Kopfpauschale als ungerechtenurks abzutun, aber gleichzeitig für die große Kopfpau-chale zu werben, für die man keinen sozialen Ausgleichonkret benennen und die man nicht bezahlen kann?ie soll das funktionieren? Glaubt denn die Koalitiontsächlich, der Bürger wäre so dumm, zu glauben, dassie kleine Kopfpauschale ungerecht ist, die große Kopf-auschale sei es aber nicht? Für wie dumm hält man denürger?
er Bürger wird genau sehen – Frau Merkel hat dasngst bemerkt –, dass dafür weder Geld im Haushaltorhanden ist noch die Unterstützung der Bevölkerungegeben ist. Wer in der Bevölkerung verlangt denn der-eit eine einkommensunabhängige Kopfpauschale, beier die Putzfrau so viel bezahlt wie der Bankkaufmannder der Manager? Wer braucht das heutzutage? Woraufürden denn diese Vorschläge hinauslaufen? Die Vor-chläge liefen doch nur darauf hinaus, dass die Arbeitge-er und die Gutverdiener mit einer Steuersubvention ent-stet würden. Das wären die Einzigen, die davonrofitieren würden. Weshalb brauchen wir in der Zeiton Minilöhnen, in der die Leute von ihrem Nettolohnaum leben können, eine Belastung der Nettolöhneurch neue Pauschalen und eine zusätzliche Belastunger Steuerzahler, nur damit Arbeitgeber und Gutverdie-er weiter entlastet werden? Das will doch niemand ineutschland.
ie Wähler werden bei der Landtagswahl in Nordrhein-estfalen der FDP für diese Vorschläge, die als Bedro-ung empfunden werden, die Quittung geben.
Was wir derzeit brauchen, sind Vorschläge für echtenettbewerb. Die FDP posiert gerne als Partei des Wett-ewerbs. In Wahrheit aber sind die FDP und die Links-
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Dr. Karl Lauterbachpartei beim Wettbewerb Brüder im Geiste. Das sind diebeiden Parteien, die den Wettbewerb im Gesundheitssys-tem am vehementesten ablehnen.
Niemand hat mehr Angst vor dem Wettbewerb im Ge-sundheitssystem als die Linkspartei und die FDP, wennauch aus unterschiedlichen Gründen; das ist ganz klar.
Aber Apotheker, Pharmaindustrie und Fachärzte habenhohe Erwartungen.Mein letzter Rat, da meine Zeit abgelaufen ist:
Die FDP tut den Staat als teuren Schwächling ab.Gleichzeitig soll dieser teure Schwächling den Sozial-ausgleich für die Entlastung der Gutverdienenden lie-fern. Nicht, dass zum Schluss die ersten Repräsentantendes Staates als die wirklichen Schwächlinge im Umgangmit den Lobbygruppen dastehen!Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Ulrike Flach von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Lauterbach, ich muss mich erst einmal im Namender FDP-Fraktion für die ordnungsgemäße Übergabe desmaroden Gesundheitssystems bedanken, das Sie uns imNovember hinterlassen haben.
Haben Sie eigentlich eine Erinnerung daran, was Sie unshinterlassen haben? Wer hat denn dafür gesorgt, dassjetzt Zusatzbeiträge erhoben werden?
Wer hat denn dieses Gesetzesvorhaben auf den Weg ge-bracht? Wer hat denn für die Unterfinanzierung im Sys-tem gesorgt? Das war doch von vornherein so gewollt.Sie wollten doch, dass Zusatzbeiträge erhoben werden.Jetzt erzählen Sie den Leuten, dass die FDP
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ber über die FDP kann ich sehr gut reden; denn wirind überhaupt keine Verfechter dieses Systems. Es istnsozial, weil dieser Zusatzbeitrag jeden trifft. Genauas, was Sie uns vorwerfen, tun Sie doch mit Ihrem Sys-m.
er Zusatzbeitrag wirkt natürlich bei jemandem, der we-ig verdient, in einem ganz anderen Ausmaß als bei je-andem, der viel verdient.
eide zahlen gleich viel. Wo ist denn da die Gerechtig-eit, die Sie einfordern?
Der Einzige, der etwas für die Menschen in diesemand getan und dafür gesorgt hat, dass sie auf die Parteiertrauen können, die sie gewählt haben, weil sie dafürteht, dass mehr netto vom Brutto bleibt, ist doch Philippösler.
er hat denn dafür gesorgt, dass der Zuschuss kam? Dasar doch nach der Wahl, nicht vor der Wahl. Sie habenns ein System überlassen, in dem genau diese,9 Milliarden Euro fehlen.
atürlich kann man in jeder Fernsehsendung neu erzäh-n, die anderen seien schuld
nd man hätte schon über Weihnachten Ausgabenstopp-rogramme produzieren müssen. Aber, lieber Herrauterbach, wo waren denn Ihre Ausgabenstopppro-ramme?
ie haben doch vor der Wahl jede Menge Mehrkostenuf den Weg gebracht.
er war das denn? Das war nicht Herr Rösler.
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Ulrike FlachHerr Rösler muss in dieser Legislaturperiode ein Sys-tem schaffen, das für die Menschen in Zukunft etwas Po-sitives darstellt. Unser Vorschlag liegt auf dem Tisch.Wir sagen: Jeder soll eine einkommensunabhängige Prä-mie zahlen, und derjenige, der dies nicht kann, bekommteinen Sozialausgleich.
Genau das fehlt in Ihrem System. Dieses Element wirdes in dem Konzept geben, das wir auf den Tisch legenwerden.Sie sagen, Herr Rösler habe zu lange gewartet, bis erreagiert hat. Wir werden in diesen Tagen die Arbeit derKommission in Angriff nehmen. Die Kommission wirduns bis Mitte des Sommers Vorschläge unterbreiten. Siehat an erster Stelle den Auftrag, einen Sozialausgleichherbeizuführen, lieber Herr Lauterbach. Nicht den Rei-chen soll mehr gegeben werden, sondern es soll dafürgesorgt werden, dass es in Zukunft einen entsprechendenSozialausgleich im Gesundheitssystem gibt.
Wir wollen das nicht auf die bürokratische Art undWeise machen – das posaunen Sie ja immer so wunder-schön in der Welt herum –, wie der Gesundheitsfondsjetzt agiert.
– In einer Aktuellen Stunde kann man leider keine Zwi-schenfrage stellen. – Das jetzige System ist von Büro-kratie geprägt. Der Gesundheitsminister hat allen ein un-bürokratisches System versprochen. Der Sozialausgleichwird so einfach wie möglich gefasst. Das ist die Aufgabeder Kommission. Mit dieser Perspektive werden wir indie nächsten Monate gehen.Lieber Herr Lauterbach, zum Thema, wie wir mitAusgabensteigerungen umgehen. Nicht nur, dass wir ersteinmal damit umgehen müssen, was wir von Ihnen über-lassen bekommen haben! Herr Rösler hat vor wenigenTagen gesagt, dass jetzt Teilgebiet für Teilgebiet seziertwird. Es wird nachgedacht, und dann wird gehandelt,und zwar in überlegten Schritten,
nicht in hastigen Kostendämpfungsschritten, wie es un-sere Freundin Ulla Schmidt über viele Jahre praktizierthat. Alles, was schnell und mit heißer Nadel gestricktwurde, haben wir wieder auf dem Tisch. Dies alles hatsich nicht bewährt, sondern zu einem System geführt,mit dem wir alle nicht zufrieden sind. Wir wissen, dasswir mit den Mitteln, die im Augenblick im Etat vorgese-hen sind, nicht auskommen.Da ich auch als Haushälterin spreche, hoffe ich sehr,dass Sie vielleicht doch zu der Erkenntnis kommen, dassSie den Vorschlägen der FDP folgen könnten. Wir ma-cHgdAFKbereEEWfüee3–m–wbsinbdWlesteStrm
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Wie wir gerade gehört ha-en, werden in Kürze einige gesetzliche Krankenkasseninen Zusatzbeitrag von 8 Euro pro Versicherten einfüh-n. Millionen Versicherte werden mit dem gleichenurobetrag zur Kasse gebeten, unabhängig von ihreminkommen. Diese kleine Kopfpauschale bereitet deneg in die schwarz-gelbe Kopfpauschale, die dann dazuhrt, dass die Rentnerin mit einer Rente von 600 Eurobenso viel für die Krankenversicherung zahlen soll wietwa ein Angestellter mit einem Einkommen von 500 Euro; das haben wir schon gehört.
Ja, ich habe es nicht verstanden. Vielleicht erklären Sieir das noch einmal in Ruhe.
Herr Lanfermann, ich muss jetzt Herrn Lauterbach et-as sagen.
Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD,ei Ihnen läuft es ja immer so: Sie wollten eigentlichchon immer eine solidarische Bürgerversicherung. Aber den sieben Jahren Rot-Grün haben Sie das nicht hin-ekommen. Danach wollten Sie mit der dritten Partei,ie das auch so sieht, nicht zusammenarbeiten.
eil Sie dann mit der Union regiert haben, mussten Sieider etwas machen, was Sie gar nicht wollten, in die-em Fall einen Gesundheitsfonds einführen, der so un-rfinanziert ist, dass die gesetzlichen Krankenkassen inchwierigkeiten kommen müssen. Weil Sie aber die Bei-äge für die Arbeitgeber absolut nicht erhöhen wollten,üssen die Versicherten das Defizit alleine ausgleichen.
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Kathrin VoglerDafür bauen die Krankenkassen schon einmal einenApparat auf, mit dem sie diesen Zusatzbeitrag direkt vonden Mitgliedern kassieren können, inklusive Buchfüh-rung, Rechnungsstellung, Mahnverfahren und Inkasso.Damit liefern Sie die Steilvorlage für Herrn Dr. Röslerund seine FDP. Er braucht nur noch ein paar gesetzgebe-rische Schräubchen zu drehen und schon hat er seinegroße Kopfpauschale: eine Krankenversicherung, in derdie Armen künftig mehr und die Reicheren weniger anBeitrag zahlen. Herr Kuhn, Herr Lauterbach, das habenSie eindrucksvoll geschildert. So funktioniert das: DieSPD will das Soziale, aber leider kommt dann doch wie-der das FDP-Modell heraus. Das ist – wir haben es vonden Grünen und von der SPD gehört – ausgesprochen un-sozial.
Auch in der Union wird momentan kräftig nach linksgeblickt, um dann umso steiler nach rechts abzubiegen.Wenn Sie, lieber Herr Kollege Spahn, im Gesundheits-ausschuss unseren Antrag gegen die Kopfpauschale zurAbstimmung zugelassen hätten, dann hätte man gese-hen: Sie sind gar nicht gegen die Kopfpauschale, auchwenn Herr Söder und die CSU immer mal wieder so tunals ob. Schließlich haben Sie schon alles dafür vorberei-tet. In Ihrem Wahlprogramm heißt es – ich zitiere –:Im Mittelpunkt der Gesundheitspolitik von CDUund CSU stehen die Patienten und Versicherten.Gerade im Umgang mit Kranken, Älteren undSchwachen zeigt die Gesellschaft ihr soziales Ge-sicht und ihr Wertefundament.
Ihrem Wertefundament entspricht es also, dass Schwa-che ebenso viel schultern sollen wie Starke; denn daraufläuft das Ganze wohl hinaus.Wenn zum Beispiel Herr Dr. Rösler von FrauDr. Merkel offenbar die klare Ansage bekommt, dasssein geplanter Sozialausgleich auf keinen Fall Kostenverursachen darf, dann bedeutet das Folgendes: Die FDPwill die Kopfpauschale. Die Union will keine zusätzli-chen Staatsausgaben. Das heißt, beide wollen die Kopf-pauschale und keinen Sozialausgleich.
Das sagen Sie aber noch nicht, weil Sie im Mai in NRWnoch gewählt werden wollen.
So viel zum Wertefundament der Union. Wir dagegensagen: Kopfpauschalen, ob klein oder groß, sind unso-zial, und deswegen lehnt die Linke sie ab.
Noch ein Wort zu Herrn Kuhn. Auch die Grünen tei-len unsere Ablehnung von Zusatzbeiträgen und Kopf-pauschalen. Aber erinnert sich noch jemand, wer damalsdie Praxisgebühr und die Zuzahlung bei Krankenhaus-awDzsbuwnregSBgzCHpwSHpslewssgoksliwcla
amit haben Sie die Gesunden entlastet und die Krankenur Kasse gebeten. Auch dass die Versicherten inzwi-chen 0,9 Prozentpunkte mehr zahlen müssen als die Ar-eitgeber, geht zur Hälfte auf Ihr Konto.Wenn Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPDnd Grünen, mit uns gegen die Kopfpauschale kämpfenollen, dann ist das gut. Aber wenn Sie es ehrlich mei-en, dann unterstützen Sie uns auch in unserem seit Jah-n andauernden Kampf gegen Praxisgebühr, Zuzahlun-en und Leistungsausschlüssen. Ich lade Sie ein: Streitenie mit uns für eine solidarische, paritätisch finanzierteürger- und Bürgerinnenversicherung, in die alle denleichen Prozentsatz einzahlen, von der Friseurin bisum Manager.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Jens Spahn von der
DU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja,err Kuhn, Sie haben recht: Die Zusatzbeiträge warenolitisch gewollt. Wir als Union stehen auch zu dem,as wir beschlossen haben und machen uns nicht wieie politisch vom Acker.
err Lauterbach, es ist schlicht und ergreifend schlechterolitischer Stil, erst in der Großen Koalition etwas zu be-chließen und sich dann so zu äußern, wie Sie es in dentzten Tagen getan haben.
Man muss nicht mit allem inhaltlich übereinstimmen,as Frau Schmidt getan hat. Aber an einem sollten Sieich ein Beispiel nehmen: Sie hat zwar vieles beschlos-en, was wir nicht wollten, aber sie hat immer zu demestanden, was sie beschlossen hat. Das ist Ihnen leiderffensichtlich in Ihrem Oppositionschaos abhandenge-ommen. Das werden wir Ihnen nicht durchgehen las-en, Herr Kollege Lauterbach.
Im Übrigen zeigen Sie in einem weiteren Bereich po-tische Demenz. Sie sagen immer, wir sollten sparen,eil die Ausgaben stiegen. In den beiden großen Berei-hen, in denen die Ausgaben steigen – bei den niederge-ssenen Ärzten und in den Krankenhäusern –, haben wir
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Jens Spahngemeinsam in der Großen Koalition beschlossen, dass eszu Ausgabensteigerungen kommen soll, weil wir insbe-sondere für die hausärztliche Versorgung etwa in Ost-deutschland sowie für die Pflegesituation in Kranken-häusern, wo es zu Missständen gekommen ist, das nötigeGeld zur Verfügung stellen wollten.
Wenn Sie sich jetzt hier hinstellen und sagen, dass wirsparen sollen, dann sagen Sie auch, wo zum Beispiel beider hausärztlichen Versorgung oder beim Krankenhaus-personal gespart werden soll. Überschriften alleine las-sen wir Ihnen nicht durchgehen.
Wir haben die lohnunabhängige Finanzierung einge-führt, weil wir die Arbeitskosten entlasten wollten.
Herr Kuhn, im Übrigen war das einmal die Argumenta-tionslinie von Rot-Grün. Als Sie die Erhöhung um0,9 Prozentpunkte den Arbeitnehmerinnen und Arbeit-nehmern allein aufgebürdet haben, war die Argumenta-tionslogik von SPD und Grünen – als Opposition habenwir damals mitgemacht –: Wir wollen die Arbeitskostenin Deutschland entlasten, um im Wettbewerb mit ande-ren Ländern Arbeitsplätze dauerhaft in diesem Land zusichern. Auch an diesem Punkt machen Sie sich langsamaber sicher vom Acker, Herr Lauterbach.
Sie sollten Ihre Argumentationslogik auch vor dem Hin-tergrund des Themas „Arbeitsplätze in Deutschland“noch einmal überdenken.
Natürlich enthält der Zusatzbeitrag, so, wie er heuteangelegt ist, bereits Elemente des sozialen Ausgleichs.Es gibt eine 1-Prozent-Überforderungsklausel
– insofern passt die Brutto-Netto-Debatte nicht so rich-tig –, bei der das Gesamteinkommen und nicht nur daslohnabhängige Einkommen berücksichtigt wird.
Das ist das Entscheidende. Es gibt viele Menschen mitkleinem Einkommen, die abhängig beschäftigt sind, dieaber aus anderen Bereichen zusätzliche Einnahmen er-zielen, die bis jetzt gar nicht berücksichtigt werden. Beidieser Überforderungsklausel werden sie aber berück-sichtigt.Sie haben die 8 Euro angesprochen. Früher gab esBeitragssatzunterschiede zwischen den Krankenkassen.Der Beitragssatz betrug bei der einen Kasse 13 Prozentund zum Beispiel hier in Berlin 16,7 Prozent. 8 Euro ent-svrehsAcsudkssdkbdae5KinVJWsddgwKkNIhtadSlid
ass es zu einem Sozialausgleich aus Steuermittelnommt. Dann sind tatsächlich alle an der Finanzierungeteiligt. Vor allem aber – das ist wichtig – kommt so beien Kassen das entsprechende Geld an.
Wenn Sie wie vorhin die Dinge aufzählen, müssen Sieuch darauf hinweisen, dass bis jetzt erst wenige von dentwa 170 Kassen insgesamt einen Zusatzbeitrag nehmen.0 Kassen in Deutschland – darunter auch sehr großeassen – haben schon angekündigt, in nächster Zukunft, diesem Jahr, keinen Zusatzbeitrag nehmen zu müssen.ier Kassen haben sogar schon angekündigt, in diesemahr Prämien an ihre Versicherten ausschütten zu wollen.ir haben für Transparenz im Versicherungsmarkt ge-orgt. Die Zusatzbeiträge in Euro machen jetzt jedemen Unterschied deutlich, und jeder kann selbst entschei-en, ob ihm das Preis-Leistungs-Verhältnis der jeweili-en Kasse gefällt oder nicht. Wenn nicht, dann kann manechseln. Genau das wollen wir im Wettbewerb derassen untereinander möglich machen.
Lieber Herr Kollege Lauterbach, machen Sie sicheine Sorgen über unsere Ergebnisse bei den Wahlen inordrhein-Westfalen oder woanders. Im Unterschied zunen haben wir im vergangenen Jahr vor der Bundes-gswahl gesagt, was wir anschließend tun wollen. Wun-ern Sie sich nicht, wenn wir das jetzt tun, und wundernie sich vor allem nicht, wenn wir es in dieser christlich-beralen Koalition frohen Mutes tun.Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Dr. Carola Reimann voner SPD-Fraktion.
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Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koali-tionsfraktionen, ich verstehe ja, dass Sie sich in einer un-angenehmen Situation befinden.
In nur wenigen Wochen haben Sie sich mit einer bislangbeispiellosen Klientelpolitik dermaßen in eine Sackgassemanövriert, dass Sie es inzwischen mit einer ganz brei-ten Front der Kritik, nicht nur hier im Haus, zu tun ha-ben. Selbst diejenigen, die wohlwollend gestimmt wa-ren, können nur noch mit dem Kopf schütteln: erst dieKlientelgeschenke für die Ärzte, für die private Kran-kenversicherung, für die Pharmalobby im Koalitionsver-trag – die kann man sich übrigens sparen, Herr Spahn –,dann die Berufung eines hochrangigen PKV-Vertretersan die Ministeriumsspitze und zuletzt die unrühmlicheRolle bei der Absetzung des pharmakritischen IQWiG-Chefs Sawicki.Jetzt holt Sie auch noch die gesundheitspolitischeRealität ein.
Am Montag dieser Woche haben die ersten KassenZusatzbeiträge angekündigt.
Was machen Sie? Sie zeigen mit den Fingern auf die an-deren: auf die Kassen und noch lieber auf die SPD.
Um es gleich vorwegzunehmen: Die SPD stiehlt sichnicht aus der Verantwortung.
Wir waren es, die die Gesundheitspolitik der letztenJahre gestaltet haben, und natürlich haben wir nicht im-mer alles richtig gemacht. Darunter war vieles, dasKompromissen mit der Union geschuldet war. Nichtsvon dem, was beschlossen wurde, ist in Stein gemeißelt.Es ist doch selbstverständlich, dass sich eine Partei, dievom Wähler in die Opposition geschickt wurde, pro-grammatisch weiterentwickelt und an manchen StellenKorrekturen vornimmt.
Wir nehmen die Botschaften, die uns unsere Wählerin-nen und Wähler im letzten Jahr mitgegeben haben, ernst.Es wäre gut, wenn auch Sie das täten; dann sähe Ihre Po-litik anders aus.Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU undder FDP, auch wenn es für uns und die 70 Millionen ge-sdlesWvtutrDDzoAkfomgwseMzimnndGsMuwdIhnmDle
enn Sie jetzt andere für Ihre eigenen Versäumnisseerantwortlich machen, machen Sie es sich zu leicht. Sien in den letzten Tagen gerade so, als sei der Zusatzbei-ag von der SPD erfunden worden.
as ist grober Unfug, und das wissen Sie alle.
ies war die Bedingung für die Zustimmung der Unionum verbesserten Risikostrukturausgleich, krankheits-rientiert, und zu weiteren wichtigen Strukturreformen.ußerdem war es die SPD – das ist auch schon ange-lungen –, die darauf bestanden hat, dass es eine Über-rderungsklausel gibt, dass bei 1 Prozent des Einkom-ens Schluss ist. Wäre es allein nach der CDU/CSUegangen – Kollege Spahn hat es angekündigt –, hättenir schon jetzt Zusatzbeiträge in ganz anderen Dimen-ionen. Für uns Sozialdemokraten war immer klar, dasss Aufgabe der Regierung ist, alle gesetzgeberischenittel zu nutzen, um die Erhebung von Zusatzbeiträgenu vermeiden, beispielsweise auch durch Einsparungen Pharmabereich.
Ich sage hier in aller Deutlichkeit: Wäre die SPDoch an der Regierung, hätte sie dieser Entwicklungicht tatenlos zugesehen, sondern Maßnahmen ergriffen,ie die Zusatzbeiträge auf breiter Front verhindern.
enau das hat Minister Rösler versäumt. Das haben Sieich selbst zuzuschreiben und niemand anderem, Herrinister. Dass Sie sich jetzt aber auch noch hinstellennd scheinheilig die kleine Kopfpauschale beklagen, ob-ohl Sie selbst eine große einführen wollen, das schlägtem Fass den Boden aus.
r Ziel ist es doch, dass die Wohlsituierten künftig ge-auso viel zahlen wie all diejenigen, die den Euro zwei-al umdrehen müssen. Das ist ungerecht und unsozial.
er Sozialausgleich, den Sie angeblich einführen wol-n, wird das Problem nicht beheben. In Wahrheit ist er
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Dr. Carola Reimannnichts anderes als ein sozialpolitisches Feigenblatt, dasIhre Pläne zur Umverteilung von unten nach oben ka-schieren soll.
Denn Sie wissen genauso gut wie ich – Sie sind Haus-hälterin –, dass Ihnen dafür schlicht das Geld fehlt.
Sie müssen allein 60 Milliarden Euro einsparen, um dieSchuldenbremse einzuhalten. Woher sollen dann 25 bis35 Milliarden Euro für einen Sozialausgleich kommen?
Das passt vorne und hinten nicht zusammen: „Das istblanke Illusion.“ Das sind nicht meine Worte, sonderndie Worte Ihres Regierungspartners Horst Seehofer, derdas Ganze heute Morgen so bezeichnet hat.
Kolleginnen und Kollegen, fast 100 Tage ist MinisterRösler nun im Amt. Wir alle kennen das ungeschriebeneGesetz, dass demjenigen, der ein Amt übernimmt, eineSchonfrist zusteht.
Schonfrist bedeutet aber nicht Schlummerphase. Esreicht nicht, ein paar schön vorgetragene, aber im Kernsubstanzlose Reden zu halten und ansonsten alles anderelaufen zu lassen, alle Weckrufe und Alarme zu ignorie-ren. Ich sage nur: Ergebnisse des Schätzerkreises.Das Gesundheitssystem wartet nicht, bis die Bundes-regierung beschließt, mit dem Regieren zu beginnen. DieZusatzbeiträge sind der beste Beweis: 100 Tage Röslerheißt für Millionen von gesetzlich Versicherten fast100 Euro mehr im Jahr für ihre Krankenversicherung.Ein guter Start sieht anders aus.
Das Wort hat der Kollege Jens Ackermann von der
FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kollegin-nen und Kollegen! Der Zusatzbeitrag von 8 Euro istkeine Erfindung der FDP, sondern eine Erblast von UllaSchmidt.sDWfuehbnngwUwUsskctäudbEvtidLbWwWwsroadm
Die christlich-liberale Koalition hat sich zum Ziel ge-etzt, unser Gesundheitswesen zukunftsfest zu machen.enn was mussten wir in der Vergangenheit nach jederahl erleben? Nach jeder Wahl kam ein Kostendämp-ngsgesetz und dann, zur Mitte des Legislaturperiode,ine große Reform, eine Jahrhundertreform des Gesund-eitswesens. Das hat alles komplizierter gemacht undürokratischer; besser – für die Versicherten – ist es abericht geworden.
Wir wollen eine grundlegende Reform. Wir wollen ei-en Krankenversicherungsschutz mit sozialem Aus-leich. Durch die Einführung des Gesundheitsfondsurden die Probleme nicht gelöst, sondern versteckt.m Beitragsgerechtigkeit zu gewährleisten, brauchenir eine klare Trennung von Versicherungsleistung undmverteilung. Die Absicherung für den Krankheitsfalloll über leistungsgerechte Prämien erfolgen. Im Ge-undheitssystem unterstützt der gesunde Mensch denranken Menschen, im Steuersystem unterstützt der rei-he Mensch den armen Menschen; das ist echte Solidari-t.
Die Bundesregierung, speziell der Finanzminister undnser Gesundheitsminister, hat schnell gehandelt: Zuem Bundeszuschuss für die Krankenkassen, der schonei 11,8 Milliarden Euro liegt, kommen 3,9 Milliardenuro hinzu. Werte Kollegin Reimann, da kann ich nichterstehen, wenn Sie Gesundheitsminister Rösler Untä-gkeit vorwerfen. Wir konnten Anfang dieser Woche iner Berliner Zeitung lesen, dass Sie Philipp Rösler alsurch im Winterschlaf bezeichnet haben. Ich möchte Sieitten, persönliche Attacken zu unterlassen.
ir können in der Sache hart miteinander streiten; aberir sollten menschlich fair miteinander umgehen.
Ich habe selbst auf einer Krankenstation gearbeitet.ir 6 Pflegekräfte waren für circa 30 Patienten verant-ortlich. Eine von den 6 Pflegekräften war nur damit be-chäftigt, sich um den Papierkram zu kümmern, die Bü-kratie zu bewältigen. Das, was sie gelernt hat – Dienstm Menschen –, war nicht mehr möglich umzusetzen.Die christlich-liberale Koalition setzt sich dafür ein,en Menschen – den Ärzten, den Pflegerinnen – etwasehr Vertrauen zu schenken, statt sie mit einer Kontrol-
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Jens Ackermannlitis und einem überbordenden Bürokratiesystem zu gän-geln und zu bevormunden.
Meine Damen und Herren von der Opposition, haben Sieauch etwas mehr Vertrauen in unsere Bevölkerung! DieMenschen wollen keine Zwangsbeglückung, sie wollensich frei entscheiden – sie können es nämlich.
Ich will aber auch klar sagen: Unterstützung und Hilfesind notwendig bei den Menschen, die dies nicht selbstkönnen.Wettbewerb und Transparenz im Gesundheitswesensind kein Teufelszeug, sondern die Voraussetzung fürmehr Effizienz. Planwirtschaft und Einheitskasse – dashat die Geschichte gezeigt – führen in die falsche Rich-tung. Das ist nicht unser Ansatz in der Gesundheitspoli-tik.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Harald Terpe von der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wirreden heute über die Zusatzbeiträge. Einige Krankenkas-sen haben in dieser Woche angekündigt, sie notgedrun-gen zu erheben. Jetzt schallt es plötzlich aus Regierungs-kreisen und aus dem Kanzleramt: Abzocke! Haltet denDieb!Es ist doch so: Die Zusatzbeiträge waren politisch ge-wollt und stehen deshalb im Gesetz. Im Übrigen sinddiese Zusatzbeiträge auch von der Kanzlerin und vonFrau Ministerin Aigner beschlossen worden. Ich sage:Der Versuch, anderen die Schuld zuzuschieben, ist schä-big und scheinheilig.
Die Union hat die Tatsache, dass Zusatzbeiträge vorge-sehen wurden, schließlich als Einstieg in die Kopfpau-schale gefeiert. Jetzt schieben Sie den Krankenkassenden Schwarzen Peter zu.
Sie sind doch für die Unterdeckung des Fonds mitver-antwortlich. Mit dem Haushalt für dieses Jahr bürden Sieden Kassen sogar weitere Defizite auf; denn die von Ih-nen kalkulierten krisenbedingten Einnahmeausfälle wer-den nur zu etwa 80 Prozent mit Steuermitteln ausgegli-chen. Das heißt, es entsteht ein weiteres Defizit von 600bwgMkBsnmmbDnwnmtrHFmn6nespssA–sehsvGFbdE
Die von Ihnen ermöglichten Zusatzbeiträge werdenürgerinnen und Bürger mit geringen Einkommen be-onders stark belasten. Ich will Ihnen ein paar Beispieleennen. Der geringverdienende Wachmann in Schwerinit einem Verdienst von weniger als 800 Euro mussehr als 1 Prozent seines Einkommens für den Zusatz-eitrag aufwenden.
ie Überforderungsklausel funktioniert also ausgerech-et bei den Menschen nicht, die besonders darauf ange-iesen sind. Glauben Sie mir: Geringverdiener gibt esicht nur in Schwerin.Wer allerdings über ein ausreichend hohes Einkom-en verfügt, kann neben dem Krankenversicherungsbei-ag auch den Zusatzbeitrag von der Steuer absetzen.ier geht es um eine wirklich wichtige steuerpolitischerage, mit der sich auch die FDP beschäftigen muss. Souss der verheiratete Ingenieur aus Sindelfingen mit ei-em jährlichen Bruttoeinkommen von beispielsweise0 000 Euro letztlich einen Zusatzbeitrag von monatlichur 5,50 Euro bezahlen. Die verheiratete Kassiererin ininem Supermarkt in Duisburg bezahlt den vollen Zu-atzbeitrag von 8 Euro. Damit wird doch das Solidar-rinzip auf den Kopf gestellt.
Der arbeitslose Werftarbeiter aus Rostock zum Bei-piel soll den Zusatzbeitrag von 8 Euro aus eigener Ta-che bezahlen; Hilfe von der Arbeitsagentur ist nicht inussicht.
Ich komme darauf zu sprechen: Die Bundesregierungchlägt nun den Langzeitarbeitslosen vor, sie könnten zuiner Krankenkasse ohne Zusatzbeitrag wechseln. Ichalte das für zynisch; denn es ist nach Insidermeinungchon heute absehbar, dass spätestens im nächsten Jahriel mehr Kassen von der Erhebung eines Zusatzbeitragsebrauch machen werden.Noch ein Wort zur FDP. Die Krokodilstränen, die dieDP und der Gesundheitsminister angesichts des Zusatz-eitrages vergießen, sind für meine Begriffe der Gipfeler Heuchelei; denn die Zusatzbeiträge sind doch nur derinstieg,
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Dr. Harald Terpeein Vorgeschmack auf die Kopfpauschale und andere ge-sundheitspolitische Pläne, die besonders die Menschenmit geringem Einkommen treffen werden. Da nützt esnichts, immer wieder zu sagen: Wir organisieren im Be-reich der niedrigen Einkommen einen Sozialausgleich.
– Ja, ja. Ich sage Ihnen: In der Summe werden viele Bür-gerinnen und Bürger deutlich mehr für Gesundheit zah-len müssen.
Anders als vor der Wahl von Union und FDP vollmundigangekündigt, werden die Menschen – vielleicht abgese-hen von Hotelbesitzern, Steuerberatern und anderen Gut-betuchten – netto weniger haben als bisher.Ihre mit Glanz in den Augen beschworene christlich-liberale Koalition läuft Gefahr, die elementarsten christ-lichen Werte auf den Kopf zu stellen, nach dem Motto:Nehmet den Armen und gebet den Reichen!
Ich sage: Nicht mit uns Bündnisgrünen!
Das Wort hat der Kollege Dietrich Monstadt von der
CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Sehr geehrte Damen und Herren! Uns allen dürfteklar sein, dass unsere demografisch alternde Gesell-schaft einen wachsenden Bedarf an Gesundheitsleistun-gen haben wird. Gleichzeitig gibt es einen medizinisch-technischen Fortschritt, den wir begrüßen und für allewollen.
Beides führt zu wachsenden Kosten.Zur Bewältigung dieser Herausforderung haben wirnur wenige Optionen. Wenn wir die Leistungen nichtkürzen oder gar streichen wollen, müssen wir die Ein-nahmesituation der gesetzlichen Krankenkassen verbes-sern. Niemand sollte die Illusion schüren, wir könntenbneglizdsdagwSpCwezdsFDdategznlu
rau Schmidt schrieb weiter:Gut wirtschaftende Krankenkassen können an ihreMitglieder Prämien auszahlen. Dies setzt ein trans-parenteres und wirksameres Preissignal als die ge-genwärtigen, nur in Prozentpunkten benennbarenUnterschiede zwischen den verschiedenen Bei-tragssätzen der Krankenkassen, die vielfach bei denVersicherten unbekannt sind.
em ist nichts hinzuzufügen.
Herr Kollege Dr. Lauterbach, um Ihren entscheiden-en Diskussionsbeitrag in der Talkshow am Mittwoch-bend anzusprechen: Damit, dass wir Ihnen das vorhal-n, verstecken wir uns nicht hinter Frau Schmidt. Um-ekehrt wird vielmehr ein Schuh daraus: Sie versuchen,u verstecken, dass vor drei Jahren 187 SPD-Abgeord-ete in namentlicher Abstimmung genau dieser Rege-ng mit Ja zugestimmt haben.
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Dietrich MonstadtDas sind im Übrigen 41 Abgeordnete mehr, als Ihre heu-tige Fraktion stark ist, wenn ich mir die Bemerkung er-lauben darf.
Vielleicht sollten Sie auch Ihre stellvertretende SPD-Vorsitzende hiervon in Kenntnis setzen, damit FrauSchwesig die jetzige Bundesregierung nicht länger ver-antwortlich macht.Herr Dr. Lauterbach, in der letzten gesundheitspoliti-schen Debatte am 17. Dezember 2009 haben Sie kon-krete Vorschläge der SPD angekündigt. Frau Bender,die, so glaube ich, heute nicht hier ist, hat damals mitZwischenrufen dazu aufgefordert, dass Sie diese SPD-Vorschläge in Form eines Antrages vorlegen.
– Warten wir einmal ab, ob sie nächste Woche vorliegen,Herr Kollege.
Herr Kollege, gestatten Sie mir gleichwohl die An-merkung: Wenn die Bürgerinnen und Bürger so großesVertrauen in die konkreten Vorstellungen der SPD hät-ten, dann hätten sie die SPD mit einer größeren Zahl anMandaten in diesen Bundestag geschickt. – So viel dazu.Meine Damen und Herren, von anderer Qualität alsdie angekündigten Vorschläge der SPD sind die von denGrünen im Dezember vorgelegten Eckpunkte, wenn ichauch die meisten nicht teile. Erstens sind sie konkret,zweitens wollen die Grünen ausdrücklich am morbidi-tätsorientierten Risikostrukturausgleich festhalten, dendie CDU-geführte Koalition eingeführt hat, und drittenswollen die Grünen alle Einkommensarten unter Berück-sichtigung von Freigrenzen und des Ehegattensplittingsin den Solidarausgleich einbeziehen. Übersetzt bedeutetdies: Gleichsetzung mit der Einkommensermittlung durchdie Finanzverwaltung.
Ich sage: Dann doch bitte gleich ein Sozialausgleichüber Steuermittel!
Im Koalitionsvertrag haben wir die Richtung festge-legt: Es soll langfristig eine Entkopplung der Gesund-heitskosten von den Arbeitskosten geben. Die einzelnenSchritte wird die Regierungskommission erarbeiten. Solange sollten wir den Arbeitsergebnissen der Regie-rungskommission nicht vorgreifen.Herzlichen Dank.
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Die neue Bundesregierung ist fast auf den Tag genaurei Monate im Amt. Angetreten mit markigen Wahlver-prechen, sind die schwarz-gelben Eheleute allerspätes-ns diese Woche auf dem harten Boden der Realität ge-ndet. Die öffentliche Schelte für ihre Politik reißtdenfalls nicht ab.Mit der Berufung von Christian Weber vom PKV-erband und der Demontage von Peter Sawicki ist dieseegierung im Begriff, die gesundheitliche Absicherungon 70 Millionen Bürgerinnen und Bürgern der privatenersicherungswirtschaft zu überantworten.
leichzeitig signalisiert sie den Kostentreibern im Sys-m, insbesondere der Pharmaindustrie, dass sie zumin-est in dieser Legislaturperiode vonseiten der Regierungeine Gefährdung ihrer Profite zu erwarten hat.
Doch, doch.Nahezu anderthalb Monate ist es nun her, dass derchätzerkreis beim Bundesversicherungsamt Berech-ungen vorgelegt hat, wonach im Gesundheitsfonds mitinem 4-Milliarden-Euro-Loch zu rechnen ist. Das sindechs Wochen, in denen von Bundesminister Rösler und
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 20. Sitzung. Berlin, Freitag, den 29. Januar 2010 1813
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Steffen-Claudio Lemmeseinem Stab rein gar nichts unternommen wurde, um dasdrohende Defizit abzuwenden.
– Bei mir nicht.In der Konsequenz führen dieses wochenlange Still-halten und Ignorieren der Realitäten des Bundesminis-ters nun zu Zusatzbeiträgen. Ich behaupte schlicht, HerrDr. Rösler fährt hier eine Art Tabula-rasa-Strategie.
Er denkt wohl, er hält sich so lange Augen und Ohrenzu, bis er die solidarische Krankenversicherung gegendie Wand gefahren hat.
Im Nachgang muss er dann nur noch mit der Abrissbirneran und gibt dem Solidarsystem den Rest. Die Sache istklar: Sein Vorgehen hat Methode.
Das umlagefinanzierte Gesundheitssystem mit derSolidarität der Versicherten untereinander sowie der pa-ritätischen Beitragsaufbringung von Arbeitnehmern undArbeitgebern ist eine historische Errungenschaft undTradition, um die uns andere Länder beneiden.
Lassen Sie uns dieses System zu einer solidarischen Bür-gerversicherung weiterentwickeln. Schüren Sie mit derKopfpauschale nicht die gesellschaftliche Spaltung!Ich fordere insbesondere die Kolleginnen und Kolle-gen der Unionsfraktion auf, sich ihrer Verantwortung fürdie Bürgerinnen und Bürger als konservative Volksparteizu erinnern. Ich sehe mich gezwungen, Ihnen die gemein-samen Werte der sozialen – ich betone: der sozialen –Marktwirtschaft erneut ins Gedächtnis zu rufen, wonachauch nach § 1 SGB V die Krankenversicherung eine So-lidargemeinschaft ist.
Erinnern Sie sich bitte schnell, bevor Sie und Ihr Ko-alitionspartner einen schweren Fehler begehen! ZeigenSie Vernunft und Einsicht!Was ich mich seit Tagen bezüglich der Kritik an derBundesregierung frage, ist Folgendes: Wenn man so sehrund aus allen Richtungen unter Feuer genommen wird,gibt einem das nicht zu denken?
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ie Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Ulrikeascher, hat die Pläne gegenüber der Frankfurter Rund-chau als unsozial bezeichnet. Der Bundesgeschäftsfüh-r der Volkssolidarität, Bernd Niederland, hat erklärt:usatzbeiträge sind Ausdruck einer verfehlten Politik,ie die Gesundheitskosten einseitig auf die Versichertenerlagert.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Hinzu kommen die Gewerkschaften. Der DGB-Vor-
itzende, Michael Sommer, hat zu Recht an die Auswir-
ungen für Menschen mit kleinen Einkommen oder Ren-
n erinnert, für die 8 Euro schlicht das Budget eines
ebensmitteleinkaufes darstellen.
hristine Clauß, die sächsische Sozialministerin, hat,
ie Sie wissen, von einer unsäglichen Reform gespro-
hen. Ich erinnere außerdem daran, dass Herr Minister-
räsident Seehofer davor gewarnt hat. Der bayerische
esundheitsminister tut es ihm gleich. Ich glaube, die
SU wird in diesem Haus sicherlich noch die zweite
unde einläuten und den zweiten Gong schlagen, damit
ie wieder zur Vernunft zurückkehren und auf diese un-
olidarische Kopfpauschale verzichten.
Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Kollege Lemme, ich gratuliere Ihnen im Namenes Hauses zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bundes-g.
Als letzter Redner in der Aktuellen Stunde hat nunas Wort der Kollege Rudolf Henke von der CDU/CSU-raktion.
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Herr Präsident! Verehrte Damen! Meine Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe mir schonimmer gewünscht, am Ende einer Plenarwoche im Deut-schen Bundestag das letzte Wort in einer Debatte zu ha-ben; das ist sehr erfreulich. Das stimmt einen natürlichauch ein bisschen milde. Lieber Herr Lemme, ich findeIhre Aussage, es gebe eine Verletzung der Parität, durch-aus diskussionswürdig. Aber ich verstehe nicht, warumSie von einem hohen moralischen Ross herab die Verlet-zung der Parität kritisieren; denn es war doch dierot-grüne Regierung Schröder, die im Jahr 2003 die Ein-führung des heutigen 0,9-prozentigen Sonderbeitrags imGKV-Modernisierungsgesetz beschlossen hat, und zwarmit den Stimmen von SPD und Grünen.
Es war die rot-grüne Regierung Schröder, die die Ein-führung der Kassengebühr beim Praxisbesuch beschlos-sen hat. Es war die rot-grüne Regierung Schröder, diedie Erhöhung von Zuzahlungen unter anderem bei Arz-neimitteln beschlossen hat.
Warum setzen Sie sich also auf dieses hohe moralischeRoss und sagen, die Verletzung der Parität fange mit8 Euro Unterschied an, verlieren aber kein Wort darüber,dass SPD und Grüne den Einstieg in die Veränderung derParität selber herbeigeführt haben?Herr Terpe, ich danke Ihnen zwar für die wichtige Er-innerung an elementarste christliche Regeln. Aber zudiesen Regeln gehört auch ernst gemeinte Wahrhaftig-keit. Sie können doch angesichts der Tatsache, dass fünfKrankenkassen einen Zusatzbeitrag akzeptiert haben,nicht so tun, als gäbe es keinen Ausweg. Natürlich gibtes einen Ausweg; denn man kann entscheiden, ob mandiesen Zusatzbeitrag zahlen will. 50 Krankenkassen ha-ben erklärt, 2010 keinen Zusatzbeitrag zu erheben. Esgibt vier Krankenkassen, die sogar Geld an ihre Versi-cherten ausschütten. Bitte machen Sie es nicht zur Kern-frage der Glaubwürdigkeit christlich-liberaler Politikund religiöser Orientierung, dass in fünf Krankenkassen8 Euro mehr gezahlt werden müssen.Ich fühle mich da an der falschen Stelle kritisiert, undich sage dann auch: Zur Wahrhaftigkeit gehört esebenso, ein Problem nicht größer, bedrohlicher undschlimmer darzustellen, als es wirklich ist.
Ich komme gern auf Ihren ursprünglichen Debatten-ansatz zu sprechen, Herr Kuhn. Er lautet: Wir setzen unsjetzt mit dem Zusatzbeitrag gar nicht deswegen ausei-nander, weil die 8 Euro so schlimm sind. Da hatten Sieselber in Ihrer eigenen Regierungszeit unter AndreaFischer ganz andere Beitragsentwicklungen zu verant-worten. Die 8 Euro sind nicht das Problem; Sie sagenvielmehr, das Kernproblem sei, dass diese 8 Euro derEinstieg sind und wir dann bei der Schaffung einkom-mensunabhängiger Beiträge eine größere soziale Unge-rechtigkeit bekommen.msreSs–HDAzecsIdkugDSepPk
Zwar ist die Gesundheitsprämie zunächst tatsäch-lich für alle Versicherten gleich hoch, schließlichkostet die Kasse das Herausnehmen eines Direkto-ren-Blinddarms ja nicht mehr als die gleiche Opera-tion bei der Putzfrau. Aber: Im Gegensatz zu ihremChef muss die Reinigungskraft die Prämie nicht al-leine zahlen, sondern erhält einen Teil aus Steuer-mitteln erstattet.
azu sagen Sie jetzt, das werde vielleicht nicht gehen.ber ist es denn nicht des Schweißes der Edlen wert, dasu versuchen?
Die Koalitionsvereinbarung ist klar und eindeutig:inkommensunabhängige Beiträge, die sozial ausgegli-hen werden. Wir werden uns doch wohl an Worten die-es Bundesgesundheitsministers messen lassen, der dieentität der Beitragsbelastung bei 8 Euro als unsozialritisiert. Dann werden wir doch keine einkommens-nabhängige Prämie aufbauen, die dann nicht sozial aus-eglichen wird, denn das wäre ja total widersprüchlich.eswegen machen Sie sich da einmal keine zu großenorgen.
Im Übrigen, auch Andrea Fischer, die bis 2001 dierste grüne Bundesministerin für Gesundheit dieser Re-ublik war, hat sich im vergangenen Jahr zu dem Themarämie in einem Interview mit dem Tagesspiegel bemer-enswert geäußert. Ich zitiere:Es ist im Prinzip kein falscher Gedanke, mit einersolchen Prämie für jeden Menschen festzulegen,welchen Preis er für seine Gesundheit in einem soli-darischen System aufbringen muss. Die Umvertei-lung ist eine sozialpolitische Aufgabe danach – undgetrennt von der Gesundheitspolitik.
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Rudolf HenkeMit diesem für alle gleichen Beitrag sollte niemandüberfordert werden, nicht die Einkommensarmen,nicht die Menschen mit Familie. Das Steuersystemist der Ort, an dem die gesamte finanzielle Situationeines Menschen erfasst und wo er entsprechend sei-ner Leistungsfähigkeit zu Abgaben verpflichtetwird.
Eigentlich– so Andrea Fischer –also genau das richtige System, um Solidarität kon-kret werden zu lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die einzige Bitte,die ich habe, ist, dass Sie nicht so tun, als hätten Sie einMonopol auf die Definition von Solidarität und als wä-ren wir davon ausgeschlossen, mitzudiskutieren, wennes darum geht, was Solidarität tatsächlich ist. VerlassenSie sich darauf: Wenn es einkommensunabhängige Prä-mien gibt, dann werden diese Prämien sozial ausgegli-chen. Sonst werden CDU und CSU dem nicht zustim-men. Das ist eine Aussage, auf die Sie sich verlassenkönnen. Hören Sie auf damit, Panik zu verbreiten.Ich bedanke mich sehr herzlich für Ihre Aufmerksam-keit.
Herr Kollege Henke, auch Ihnen gratuliere ich im Na-
men des Hauses zu Ihrer ersten Rede im Deutschen Bun-
destag.
Sie haben damit, wie Sie schon angekündigt haben, die
Debatte für heute abgeschlossen. Die Aktuelle Stunde ist
beendet.
Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
nung.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf Dienstag, den 9. Februar 2010, 15 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.