Rede von
Friedrich
Ostendorff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-
ren! Ministerin Aigner musste leider schon gehen. Das
vorliegende Artikelgesetz enthält als zweiten Teil das
Sonderprogramm mit Maßnahmen für Milchviehhalter,
besser bekannt unter dem Namen „Kuhschwanzprämie“.
Herr Schirmbeck, dieses Programm bringt einem durch-
schnittlichen Milchviehbetrieb mit 30 Milchkühen, der
in 2009 Milchgeld in Höhe von 13 Cent pro Liter bzw.
insgesamt 20 000 Euro verloren hat, zwei Jahre lang
jährlich 1 600 Euro bzw. 1 Cent pro Liter Milch mehr.
Natürlich sagen die Bäuerinnen und Bauern, auch meine
Frau daheim, nicht Nein, wenn der Staat ihnen Geld
schenken will, so wie auch der Autokäufer letztes Jahr
nicht Nein gesagt hat, als er für das Auto, das er sowieso
verschrotten wollte, noch 2 000 Euro geschenkt bekam.
Aber so wie die Abwrackprämie für Autos der Wirt-
schaft insgesamt geschadet hat, wird auch diese Ab-
wrackprämie für Milchbauern dem Milchsektor mehr
schaden als nützen.
Dieses Grünlandprogramm zeigt erneut das vollkom-
men widersprüchliche Vorgehen der Bundesregierung.
Sie gerieren sich als Vertreter der reinen Marktlehre,
doch sieht ihre Realpolitik ganz anders aus. Dort zünden
Sie erst einmal eine Subventionsrakete, wie ich sie in
40 Jahren Agrarpolitik selten erlebt habe – 750 Millio-
nen Euro extra, einfach so, ohne Qualifizierung, ohne
Fokussierung, ohne Lenkungswirkung. Das Problem ist
nicht, auf Marktkräfte zu bauen, und auch nicht, gesell-
schaftliche Solidarität in einer Notsituation zu leisten.
Beides ist richtig und notwendig. Das Problem ist, wie
Sie es machen. Ihre sogenannte Marktorientierung ba-
siert auf einer vollkommen falschen Marktanalyse. Bei
Ihrer Förderpolitik vergessen Sie das Wichtigste, näm-
lich die Lenkungswirkung der Fördergelder zu beden-
ken.
Wenn Sie sich den Milchmarkt einmal ansehen würden,
so wie es das Bundeskartellamt gerade getan hat, so wür-
den Sie feststellen, dass dieser Markt total verzerrt ist
und eine eklatante Benachteiligung der Milcherzeuger
gegenüber den Molkereien besteht. Diesen Markt sich
selbst zu überlassen, hieße nicht, die Marktkräfte zum
Zuge kommen zu lassen, sondern hieße, allein die Mo-
nopolisten zu stärken, meine Damen und Herren Markt-
experten von der FDP.
Wir brauchen jetzt Maßnahmen, um diesen Markt erst
einmal wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Wir müs-
sen die Erzeugerseite stärken und in gesunde regionale
Marktstrukturen investieren. Das bedeutet: Wir brauchen
jetzt eine Bündelungsinitiative zur Förderung bäuerli-
cher Erzeugergemeinschaften,
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ie es das Bundeskartellamt empfiehlt. Die Bundes-
gierung ist hier gefordert, mit einer gezielten
undesweiten Kampagne den Zusammenschluss der
ilcherzeuger unabhängig von Molkereien und Genos-
enschaften zu unterstützen. Als Beispiel kann hier die
estehende bundesweite Milcherzeugergemeinschaft,
as Milch Board, dienen. Das wäre ein marktorientierter
nd solidarischer Ansatz zugleich und würde den Steuer-
ahler keine 750 Millionen Euro, sondern gerade mal
Prozent davon kosten.
Wahrheit wollen Sie der bäuerlichen Landwirtschaft
ben nicht helfen. In Wahrheit wollen Sie mit diesem
ammutprogramm Ihre politische Haut retten; ansons-
n verfolgen Sie ganz andere Ziele.
„Wir haben die Antworten für die Probleme der
elt“, hat der selbsternannte CSU-Export-Staatssekretär
üller diese Woche im Agrarausschuss großspurig er-
lärt.
as klingt wie eine Drohung gegenüber den ärmsten
ändern der Welt und ist wohl auch als Drohung ge-
eint, wie man annehmen muss, wenn man sich ansieht,
ie Sie mit Ihrer Exportstrategie die Welt mit billigem
leisch und billiger Milch überschwemmen wollen.
as Sie hier treiben, zerstört das, was der Weltagrar-
ericht als das Zukunftsmodell zur Lösung der globalen
erausforderungen im ländlichen Raum bezeichnet: die
äuerliche Landwirtschaft, die nachhaltig Umwelt, Na-
r und Tiere schont und schützt.