Protokoll:
14135

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 14

  • date_rangeSitzungsnummer: 135

  • date_rangeDatum: 28. November 2000

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:00 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 23:19 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Nachträgliche Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeordneten Rainer Funke, Dr. Christian Schwarz-Schilling und Gunnar Uldall sowie des Vizepräsidenten Dr. Hermann Otto Solms 13023 A Erweiterung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . 13023 B Änderung der Tagesordnung . . . . . . . . . . . . . 13023 D Geänderte Ausschussüberweisung . . . . . . . . . 13023 D Tagesordnungspunkt I: Eidesleistung des Bundesministers für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen . . . 13024 A Präsident Wolfgang Thierse . . . . . . . . . . . . . . 13024 B Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 13024 B Tagesordnungspunkt II: a) Abgabe einer Regierungserklärung zum bevorstehenden Europäischen Rat in Nizza vom 7. bis 9. Dezember 2000 13024 B b) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union – zu dem Antrag der Abgeordneten Günter Gloser, Hermann Bachmaier, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion SPD sowie der Abgeordneten Christian Sterzing, Ulrike Höfken, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Europäischer Rat in Feira – Eu- ropa entschlossen voranbringen – zu dem Antrag der Abgeordneten Peter Hintze, Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/ CSU: Innere Reform der Europä- ischen Union – Stand der Regie- rungskonferenz – Stabilität des Euro – Haltung zu Österreich – zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Hildebrecht Braun (Augsburg), weiterer Abge- ordneter und der Fraktion F.D.P.: Mutige EU-Reform als Vorausset- zung für eine erfolgreiche Erweite- rung (Drucksachen 14/3514, 14/3377, 14/3522, 14/4457) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13024 C c) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union – zu dem Entschließungsantrag der Abgeordneten Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Joachim Poß, weiterer Abge- ordneter und der Fraktion SPD sowie der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Christian Sterzing, wei- terer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur vereinbarten Debatte zur EU- Grundrechte-Charta – zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Peter Hintze, weiterer Abgeordneter und der Frak- tion CDU/CSU: Entwurf der Charta der Grundrechte der Euro- päischen Union Plenarprotokoll 14/135 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 135. Sitzung Berlin, Dienstag, den 28. November 2000 I n h a l t : – zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Ina Albowitz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Europäische Grundrechte-Charta als Eckstein einer europäischen Verfassung (Drucksachen 14/4269, 14/4246, 14/4253, 14/4584) . . . . . . . . . . . . . . . . 13025 A d) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union – zu dem Entschließungsantrag der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN zu der Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Ergebnissen der Sondertagung des Europäischen Rates vom 23./ 24. März 2000 in Lissabon – zu dem Entschließungsantrag der Fraktion CDU/CSU zu der Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zu den Ergebnissen der Sonderta- gung des Europäischen Rates vom 23./24. März 2000 in Lissabon (Drucksachen 14/3099, 14/3101, 14/3903) 13025A e) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu dem Antrag der Fraktion CDU/CSU: Regierungs- konferenz 2000 und Osterweiterung – Herausforderungen für die Euro- päische Union an der Schwelle zum neuen Millennium (Drucksachen 14/2233, 14/3472) . . . . 13025 B f) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann, Hildebrecht Braun (Augsburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion F.D.P.: Beziehungen zu Österreich normali- sieren (Drucksachen 14/3187, 14/4323) . . . . 13025 B g) Antrag der Abgeordneten Wolfgang Gehrcke, Dr. Gregor Gysi, weiterer Ab- geordneter und der Fraktion PDS: Die Europäische Union als Zivilmacht ausbauen (Drucksache 14/4653) . . . . . . . . . . . . . 13025 C h) Antrag der Abgeordneten Dr. Klaus Grehn, Uwe Hiksch, weiterer Abgeord- neter und der Fraktion PDS: Für eine verbindliche und erweiterbare Euro- päische Charta der Grundrechte (Drucksache 14/4654) . . . . . . . . . . . . . 13025 C i) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: 60. Bericht der Bundesregierung über die Integration der Bundesrepu- blik Deutschland in die Europäische Union (Berichtszeitraum: 1. Januar bis 31. Dezember 1999) (Drucksache 14/3434 [neu]) . . . . . . . . 13025 D j) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bericht über die Anwendung des Subsidiaritätsprinzips im Jahr 1999 (Subsidiaritätsbericht 1999) (Drucksache 14/4017) . . . . . . . . . . . . . 13026 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 1: Antrag der Abgeordneten Peter Hintze, Peter Altmaier, weiterer Abgeordneter und der Fraktion CDU/CSU: Der Europäische Rat von Nizza muss zum Erfolg für Eu- ropa werden (Drucksache 14/4732) . . . . . . . . . . . . . . . 13026 A in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert, Heinrich Fink, weiterer Abgeordneter und der Fraktion PDS: Klarheit des Begriffs Mensch in EU-Grundrechte-Charta si- chern und Menschenwürde umfassend gewährleisten (Drucksache 14/4720) . . . . . . . . . . . . . . . 13026 A Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 13026 B Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 13031 D Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 13036 C Dr. Helmut Haussmann F.D.P. . . . . . . . . . . . . 13040 A Uwe Hiksch PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13041 C Joachim Poß SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13043 B Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 13046 B Christian Sterzing BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13049 A Sabine Leutheusser-Schnarrenberger F.D.P. . 13050 B Hans-Ulrich Klose SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 13051 B Dr. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 13053 B Michael Roth (Heringen) SPD . . . . . . . . . . . 13055 C Tagesordnungspunkt III: a) Zweite Beratung des von der Bundesre- gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bun- Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 135. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. November 2000II deshaushaltsplans für das Haushalts- jahr 2001 (Haushaltsgesetz 2001) (Drucksachen 14/4000, 14/4302) . . . . 13058 D b) Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses zu der Unter- richtung durch die Bundesregierung: Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004 (Drucksachen 14/4001, 14/4301, 14/4524) 13058 D Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidial- amt (Drucksachen 14/4501, 14/4521) . . . . . . . 13059 A Einzelplan 02 Deutscher Bundestag (Drucksachen 14/4502, 14/4521) . . . . . . . 13059 B Einzelplan 03 Bundesrat (Drucksachen 14/4503, 14/4521) . . . . . . . 13059 B Einzelplan 08 Bundesministerium der Finanzen (Drucksachen 14/4508, 14/4521) . . . . . . . 13059 C in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld (Drucksache 14/4519) . . . . . . . . . . . . . . . 13059 C in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung (Drucksache 14/4520) . . . . . . . . . . . . . . . 13059 C in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof (Drucksache 14/4521) . . . . . . . . . . . . . . . 13059 D Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . 13060 A Hans Georg Wagner SPD . . . . . . . . . . . . . . . 13064 B Dr. Günter Rexrodt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . 13069 A Oswald Metzger BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13072 C Jürgen Koppelin F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . 13075 A Dr. Christa Luft PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13078 A Hans Eichel, Bundesminister BMF . . . . . . . . 13080 A Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 13086 D Jörg-Otto Spiller SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13090 C Dr. Peter Ramsauer CDU/CSU . . . . . . . . 13091 B Hartmut Schauerte CDU/CSU . . . . . . . . . 13092 D Peter Rauen CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 13093 B Dr. Barbara Höll PDS . . . . . . . . . . . . . . . 13093 D Dr. Uwe-Jens Rössel PDS . . . . . . . . . . . . . . . 13094 D Susanne Jaffke CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 13096 A Hans-Eberhard Urbaniak SPD . . . . . . . . . . . 13097 C Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13098 D Hans Michelbach CDU/CSU . . . . . . . . . . 13099 D Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 13101 B Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13101 D Zusatztagesordnungspunkt 3: Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN einge- brachten Entwurfs eines Gesetzes über das Verbot des Verfütterns, des innergemein- schaftlichen Verbringens und der Aus- fuhr bestimmter Futtermittel (Drucksache 14/6764) . . . . . . . . . . . . . . . 13104 B Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Senio- ren, Frauen und Jugend (Drucksachen 14/4516, 14/4521) . . . . . . . 13104 B Maria Eichhorn CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 13104 D Antje-Marie Steen SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 13106 A Klaus Haupt F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13108 B Irmingard Schewe-Gerigk BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13109 D Petra Bläss PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13111 A Dr. Michael Luther CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13112 A Antje-Marie Steen SPD . . . . . . . . . . . . . . 13112 C Christian Simmert BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13114 B Thomas Dörflinger CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13115 C Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13116 C Ina Lenke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13117 C Einzelplan 07 Bundesministerium der Justiz (Drucksachen 14/4507, 14/4521) . . . . . . . 13120 A in Verbindung mit Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 135. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. November 2000 III Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht (Drucksache 14/4521) . . . . . . . . . . . . . . . 13120 A Albrecht Feibel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 13120 B Carsten Schneider SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . 13121 C Rainer Funke F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13124 A Volker Beck (Köln) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13125 B Dr. Jürgen Gehb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13126 A Sabine Jünger PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13127 B Norbert Geis CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 13128 B Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin BMJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13131 A Einzelplan 06 Bundesministerium des Innern (Drucksachen 14/4506, 14/4521) . . . . . . . 13134 A in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung (Drucksachen 14/4000, 14/4302) . . . . . . . 13134 A Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13134 B Lothar Mark SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13136 B Dr. Werner Hoyer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . . . . 13137 C Dieter Wiefelspütz SPD . . . . . . . . . . . . . . 13139 B Cem Özdemir BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 13140 B Ulla Jelpke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13143 C Günter Graf (Friesoythe) SPD . . . . . . . . . . . 13145 A Erwin Marschewski (Recklinghausen) CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13146 C Günter Graf (Friesoythe) SPD . . . . . . . . . 13147 C Gunter Weißgerber SPD . . . . . . . . . . . . . . . . 13149 A Hartmut Koschyk CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . 13150 C Otto Schily, Bundesminister BMI . . . . . . . . . 13152 A Dr. Werner Hoyer F.D.P. . . . . . . . . . . . . . 13153 A Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 13155 D Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13156 C Einzelplan 12 Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (Drucksachen 14/4512, 14/4521) . . . . . . . 13159 A Bartholomäus Kalb CDU/CSU . . . . . . . . . . . 13159 B Gerhard Rübenkönig SPD . . . . . . . . . . . . . . . 13161 C Horst Friedrich (Bayreuth) F.D.P. . . . . . . . . . 13163 C Franziska Eichstädt-Bohlig BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13166 A Christine Ostrowski PDS . . . . . . . . . . . . . . . 13167 C Dietmar Schütz (Oldenburg) SPD . . . . . . . . . 13169 C Dirk Fischer (Hamburg) CDU/CSU . . . . . . . 13171 D Albert Schmidt (Hitzhofen) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13174 B Dr.-Ing. Dietmar Kansy CDU/CSU . . . . . . . 13176 C Kurt Bodewig, Bundesminister BMVBW . . . 13178 B Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13181 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 13183 A Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hubert Hüppe (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag: Entwurf der Charta der Grund- rechte der Europäischen Union (Drucksache 14/4246) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13183 C Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Thomas Dörflinger, Norbert Barthle, Meinrad Belle, Klaus Bühler (Bruchsal), Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Hans-Joachim Fuchtel, Georg Gierisch, Peter Götz, Klaus Holetschek, Siegfried Hornung, Elmar Müller (Kirchheim), Erika Reinhardt, Klaus Riegert, Franz Romer, Kurt Rossmanith, Gerhard Scheu, Heinz Seiffert, Johannes Singhammer, Peter Weiß (Emmendingen), Ilse Aigner, Werner Wittlich, Dr. Gerd Müller, Susanne Jaffke, Helmut Heiderich und Aribert Wolf (alle CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag: Entwurf der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Drucksache 14/4246) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13183 D Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Paul Laufs (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag: Entwurf der Charta der Grund- rechte der Europäischen Union (Drucksache 14/4246) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13184 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 135. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. November 2000IV Anlage 5 Erklärung des Abgeordneten Jürgen Koppelin (F.D.P.) zur Abstimmung über den Änderungs- antrag der Fraktion der CDU/CSU zu der zwei- ten Beratung des Entwurfs des Haushaltsge- setzes 2001 – Drucksachen 14/4000 Anlage, 14/4302, 14/4506, 14/4521, 14/4522, 14/4523; hier: Einzelplan 06 Kapitel 0602 Titel 882 14 – Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksache 14/4769) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13185 A Anlage 6 Erklärung des Abgeordneten Jürgen Koppelin (F.D.P.) zur Abstimmung über den Änderungs- antrag der Fraktion der CDU/CSU zu der zwei- ten Beratung des Entwurfs des Haushaltsge- setzes 2001 – Drucksachen 14/4000 Anlage, 14/4302, 14/4506, 14/4521, 14/4522, 14/4523; hier: Einzelplan 06 Kapitel 0625 Titel 111 01– 041 – Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksache 14/4771) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13185 C Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 135. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. November 2000 V Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 135. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. November 2000
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    Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 135. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. November 2000 Bundesminister Kurt Bodewig 13181 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 135. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. November 2000 Custode 13182 (C) (D) (A) (B) Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 135. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. November 2000 13183 (C) (D) (A) (B) Andres, Gerd SPD 28.11.2000 Balt, Monika PDS 28.11.2000 Dr. Blank, CDU/CSU 28.11.2000 Joseph-Theodor Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 28.11.2000 Bühler (Bruchsal), Klaus CDU/CSU 28.11.2000* Burchardt, Ursula SPD 28.11.2000 Frankenhauser, Herbert CDU/CSU 28.11.2000 Griefahn, Monika SPD 28.11.2000 Haack (Extertal), SPD 28.11.2000 Karl-Hermann Hasselfeldt, Gerda CDU/CSU 28.11.2000 Heyne, Kristin BÜNDNIS 90/ 28.11.2000 DIE GRÜNEN Kramme, Anette SPD 28.11.2000 Lehn, Waltraud SPD 28.11.2000 Leidinger, Robert SPD 28.11.2000 Maaß (Wilhelmshaven), CDU/CSU 28.11.2000* Erich Dr. Meyer (Ulm), Jürgen SPD 28.11.2000 Müller (Berlin), PDS 28.11.2000 Manfred Pau, Petra PDS 28.11.2000 von Schmude, Michael CDU/CSU 28.11.2000 Schulhoff, Wolfgang CDU/CSU 28.11.2000 Schultz (Everswinkel), SPD 28.11.2000 Reinhard Dr. Volmer, Ludger BÜNDNIS 90/ 28.11.2000 DIE GRÜNEN Westrich, Lydia SPD 28.11.2000 Wiese (Hannover), SPD 28.11.2000 Heino Wülfing, Elke CDU/CSU 28.11.2000 Dr. Zöpel, Christoph SPD 28.11.2000 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlungdes Europarates Anlage 2 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Hubert Hüppe (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag: Entwurf der Charta derGrundrechte der Europäischen Union (Drucksache 14/4246) Hubert Hüppe (CDU/CSU): So sehr ich grundsätzlich das Vorhaben einer Grundrechte-Charta der Europäischen Union begrüße, werde ich dennoch keinem Antrag zu- stimmen, der die jetzige Fassung der Charta gutheißt. Die Enquete-Kommission „Recht und Ethik der mo- dernen Medizin“, der ich als stellvertretender Vorsitzender angehöre, hat in ihrer 6. Sitzung am 3. Juli 2000 einver- nehmlich Formulierungsvorschläge für einzelne Artikel der Europäischen Grundrechte-Charta abgegeben. Dieses Votum, das ich teile, blieb in wesentlichen Punkten un- berücksichtigt. Meine Vorbehalte richten sich in erster Linie gegen die Verwendung des Begriffs „Person“ anstelle von „Mensch“ oder „jeder“. Die jetzige Formulierung, zu- mindest der deutschen Fassung, kann der These Vorschub leisten, dass nicht jeder Mensch auch eine Person mit Würde und Recht auf Leben sei. Wir dürfen es nicht zu- lassen, dass auch nur die Möglichkeit offengelassen bleibt, etwa Menschen mit geistigen Behinderungen oder Menschen im Wachkoma die Menschenrechte abzuspre- chen. Art. 3 des Entwurfs der Charta schließt nur das repro- duktive Klonen von Menschen aus und lässt das Klonen von Menschen zu anderen, etwa therapeutischen Zwe- cken offen. Ich halte das Klonen von Menschen an sich für mit der Menschenwürde unvereinbar, unabhängig von der mit dem Klonen verfolgten Zielsetzung. Doch ist insbe- sondere das therapeutische Klonen, bei dem ein mensch- licher Embryo zu fremdnützigen Zwecken geklont und anschließend zur Gewinnung embryonaler Stammzellen getötet wird, mit dem Konzept unteilbarer Menschen- würde unvereinbar. Die Europäische Grundrechte-Charta hätte die Chance geboten, unteilbare Menschenwürde und Menschenrechte in das Zentrum der weiteren europäischen Integration zu stellen. Da der vorliegende Entwurf dies nicht tut, muss ich ihn ablehnen. Anlage 3 Erklärung nach § 31 GO der Abgeordneten Thomas Dörflinger, Norbert Barthle, Meinrad Belle, Klaus Bühler (Bruchsal), Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land), Hans- entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Joachim Fuchtel, Georg Gierisch, Peter Götz, Klaus Holetschek, Siegfried Hornung, Elmar Müller (Kirchheim), Erika Reinhardt, Klaus Riegert, Franz Romer, Kurt Rossmanith, Gerhard Scheu, Heinz Seiffert, Johannes Singhammer, Peter Weiß (Emmendingen), Ilse Aigner, Werner Wittlich, Dr. Gerd Müller, Susanne Jaffke, Helmut Heidrich und Aribert Wolf (alle CDU/CSU) zurAbstimmung über den Antrag: Entwurf der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Drucksache 14/4246) Wir begrüßen grundsätzlich den vorliegenden Entwurf der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Charta zukünftig ein elementarer Bestandteil eines zu schaffenden europä- ischen Verfassungsvertrags sein soll, legen wir bei unse- rer Zustimmung zum Antrag der CDU/CSU-Bundestags- fraktion Wert auf folgende Feststellungen: Erstens. Die in Art. 1 der Charta garantierte Würde des Menschen darf durch den in den Folgeartikeln verwand- ten Begriff „Person“ keine Einschränkung erfahren. Mit Blick auf die aktuelle Diskussion in der Rechtswissen- schaft (zum Beispiel bei Peter Singer) ist bei der Schaf- fung eines europäischen Verfassungsvertrags durchgän- gig der Begriff „Mensch“ zu verwenden. Zweitens. Wir bedauern, dass die Familie als kleinste Zelle, in der soziale Kompetenz erworben wird, keinen besonderen Schutz durch die EU-Grundrechte Charta ge- nießt. Wir bedauern zudem, dass in Art. 3 das reproduk- tive Klonen von Menschen, nicht aber das Klonen von Menschen uneingeschränkt unter Verbot gestellt wurde. Hierdurch hätte angesichts der Diskussion um die Hu- mangenetik ein wichtiges politisches Signal gesetzt wer- den können. Drittens. Eine Aufnahme der in der Charta festgelegten Grundrechte in EU-Recht erfordert vorab und unbedingt eine klare Begründung und Abgrenzung der Kompeten- zen von Union und Mitgliedstaaten. Diese klare Abgren- zung der Kompetenzen hat zeitlich vor der Schaffung eines europäischen Verfassungsvertrages zu erfolgen. Viertens. Die Festlegung von Leistungsansprüchen in Bereichen, die auch weiterhin in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten gehören, erachten wir nicht für sinnvoll. Sie provoziert eine nicht wünschenswerte Kompetenz- erweiterung der EU zulasten der Mitgliedstaaten. Es ist vor der Erarbeitung eines europäischen Verfassungsver- trages sicherzustellen, dass auf Gemeinschaftsebene nur solche Rechte einklagbar sind, die unstreitig in den Kom- petenzbereich der Union fallen. Fünftens. Bei der Schaffung eines europäischen Ver- fassungsvertrages ist dafür Sorge zu tragen, dass die EU ihren Bürgerinnen und Bürgern das Recht einräumt, ihre örtlichen Angelegenheiten mithilfe kommunaler Gebiets- körperschaften, die mit demokratisch legitimierten Be- schlussfassungsorganen und weitgehender Autonomie in Befugnissen und Finanzen ausgestattet sind, selbst zu gestalten. Anlage 4 Erklärung nach § 31 GO des Abgeordneten Dr. Paul Laufs (CDU/CSU) zur Abstimmung über den Antrag: Entwurf der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (Drucksache 14/4246) Dr. Paul Laufs (CDU/CSU): Wir begrüßen grundsätz- lich den vorliegenden Entwurf der Charta der Grund- rechte der Europäischen Union. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Charta zukünftig ein elementarer Be- standteil eines zu schaffenden europäischen Verfassungs- vertrags sein soll, legen wir bei unserer Zustimmung zum Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Wert auf fol- gende Feststellungen: Erstens. Die in Art. 1 der Charta garantierte Würde des Menschen darf durch den in den Folgeartikeln verwand- ten Begriff „Person“ keine Einschränkung erfahren. Mit Blick auf die aktuelle Diskussion in der Rechtswissen- schaft (zum Beispiel bei Peter Singer) ist bei der Schaf- fung eines europäischen Verfassungsvertrags durchgän- gig der Begriff „Mensch“ zu verwenden. Zweitens. Wir bedauern, dass die Familie als kleinste Zelle, in der soziale Kompetenz erworben wird, keinen besonderen Schutz durch die EU-Grundrechte-Charta ge- nießt. Wir bedauern zudem, dass im Art. 3 das reproduk- tive Klonen von Menschen, nicht aber das Klonen von Menschen uneingeschränkt unter Verbot gestellt wurde. Hierdurch hätte angesichts der Diskussion um die Hu- mangenetik ein wichtiges politisches Signal gesetzt wer- den können. Drittens. Eine Aufnahme der in der Charta festgeleg- ten Grundrechte sowie der weitgefassten Staatsziele und Programmsätze in EU-Recht erfordert vorab und unbe- dingt eine klare Begründung und Abgrenzung der Kom- petenzen von Union und Mitgliedstaaten. Diese klare Ab- grenzung der Kompetenzen hat zeitlich vor der Schaffung eines europäischen Verfassungsvertrages zu erfolgen. Viertens. Die Festlegung von Leistungsansprüchen in Bereichen, die auch weiterhin in die Zuständigkeit der Mitliedstaaten gehören, erachten wir nicht für sinnvoll. Sie provoziert eine nicht wünschenswerte Kompetenzer- weiterung der EU zulasten der Mitgliedstaaten. Es ist vor der Erarbeitung eines europäischen Verfasssungsvertra- ges sicherzustellen, dass auf Gemeinschaftsebene nur sol- che Rechte einklagbar sind, die unstreitig in den Kompe- tenzbereich der Union fallen. Fünftens. Bei der Schaffung eines europäischen Ver- fassungsvertrages ist dafür Sorge zu tragen, dass die EU ihren Bürgerinnen und Bürgern das Recht einräumt, ihre örtlichen Angelegenheiten mithilfe kommunaler Gebiets- körperschaften, die mit demokratisch-legitimierten Be- schlussfassungsorganen und weitgehender Autonomie in Befugnissen und Finanzen ausgestattet sind, selbst zu gestalten. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 135. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. November 200013184 (C) (D) (A) (B) Anlage 5 Erklärung des Abgeordneten Jürgen Koppelin (F.D.P.) zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu der zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetzes 2001 – Drucksachen 14/4000 Anlage, 14/4302, 14/4506, 14/451, 14/4521, 14/4522, 14/4523; hier: Einzel- plan 06 Kapitel 0602 Titel 882 14 – Geschäftsbe- reich des Bundesministers des Innern (Drucksa- che 14/4769) Das Votum meiner Fraktion lautet Nein. Anlage 6 Erklärung des Abgeordneten Jürgen Koppelin (F.D.P.) Zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu der zweiten Beratung des Entwurfs des Haushaltsgesetztes 2001 – Drucksachen 14/4000 Anlage, 14/4302, 14/4506, 14/4521, 14/4522, 14/4523; hier: Einzelplan 06 Kapitel 0625 Titel 111 01-041 – Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern (Drucksache 14/4771) Das Votum meiner Fraktion lautet Ja. Deutscher Bundestag – 14. Wahlperiode – 135. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 28. November 2000 13185 (C)(A) Druck: MuK. Medien- und Kommunikations GmbH, Berlin
Gesamtes Protokol
Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413500000
Guten Morgen, liebe
Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich
drei Kollegen, die einen runden Geburtstag gefeiert ha-
ben, nachträglich gratulieren: Der Kollege Rainer Funke
feierte am 18. November seinen 60. Geburtstag, der Kol-
lege Dr. Schwarz-Schilling am 19. November seinen
70. Geburtstag und Vizepräsident Dr. Solms am 24. No-
vember seinen 60. Geburtstag. Im Namen des Hauses
spreche ich den drei Kollegen unsere besten Glückwün-
sche aus.


(Beifall – Zurufe von der CDU/CSU)

– Mir wird zugerufen, dass der Kollege Uldall 60 Jahre alt
wird.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Er ist es schon! Man sieht es ihm nicht an, aber er ist es schon!)


– Da sehen Sie einmal, wie „schlecht“ die Verwaltung
funktioniert. Herzlichen Glückwunsch nachträglich!


(Beifall)

Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene

Tagesordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der Ihnen
vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:
ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter Hintze, Peter

Altmaier, Renate Blank, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion der CDU/CSU: Der Europäische Rat von Nizza muss
zum Erfolg für Europa werden – Drucksache 14/4732 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss

ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ilja Seifert,
Dr. Heinrich Fink, Dr. Ruth Fuchs, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der PDS: Klarheit des Begriffs Mensch in EU-
Grundrechte-Charta sichern und Menschenwürde umfas-
send gewährleisten – Drucksache 14/4720 –

ZP 3 Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
das Verbot des Verfütterns, des innergemeinschaftlichen

Verbringens und der Ausfuhr bestimmter Futtermittel –
Drucksache 14/4764 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit

ZP 4 Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren

(Ergänzung zu TOPVI.)

Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Diemers, Karl-
Josef Laumann, Bernd Neumann (Bremen), weiterer Abgeord-
neter und der Fraktion CDU/CSU: Verbesserung des Programm-
angebots für Schwerhörige, Gehörlose, Sehbehinderte und
Blinde im Fernsehen und den neuen Medien – Drucksache
14/4385 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Kultur und Medien

Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweit er-
forderlich, abgewichen werden.

Des Weiteren soll der Einzelplan 09, Wirtschaft und
Technologie, bereits am Mittwoch als letzter Tagesord-
nungspunkt aufgerufen werden.

Außerdem mache ich auf eine geänderte Ausschuss-
überweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerk-
sam:
Der in der 133. Sitzung des Deutschen Bundestages über-
wiesene nachfolgende Antrag soll nunmehr feder-
führend an den Rechtsausschuss und an den Ausschuss
für Kultur und Medien zurMitberatung überwiesen wer-
den.


(Siegertsbrunn)

Bonitz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der CDU/CSU: Sachgerechter Schutz der
Rechte für Software – Drucksache 14/4384 –
überwiesen:
Rechtsausschuss (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

Sind Sie mit den Vereinbarungen einverstanden? – Ich
höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

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(C)



(D)



(A)



(B)


135. Sitzung

Berlin, Dienstag, den 28. November 2000

Beginn: 9.00 Uhr

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:
Eidesleistung des Bundesministers fürVerkehr,
Bau- und Wohnungswesen.

Der Herr Bundespräsident hat mir mit Schreiben vom
20. November 2000 Folgendes mitgeteilt:

Gemäß Art. 64 Abs. 1 des Grundgesetzes für die
Bundesrepublik Deutschland habe ich heute auf Vor-
schlag des Herrn Bundeskanzlers den Bundesminis-
ter für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Herrn
Reinhard Klimmt, aus seinem Amt als Bundesminis-
ter entlassen.

Weiterhin hat mir der Herr Bundespräsident mit
Schreiben vom 20. November 2000 mitgeteilt:

Gemäß Art. 64 Abs. 1 des Grundgesetzes für die
Bundesrepublik Deutschland habe ich heute auf Vor-
schlag des Herrn Bundeskanzlers Herrn Kurt
Bodewig zum Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen ernannt.

Nach Art. 64 Abs. 2 des Grundgesetzes leistet ein Bun-
desminister bei der Amtsübernahme den in Art. 56 des
Grundgesetzes vorgesehenen Eid.

Herr Bundesminister Bodewig, ich darf Sie zur Eides-
leistung zu mir bitten.


(Die Anwesenden erheben sich)

Ich darf Sie nun bitten, den Eid zu sprechen.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem
Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen meh-
ren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die
Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine
Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen
jedermann üben werde.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413500100
Ich darf Ihnen im Na-
men des ganzen Hauses unsere herzlichen Glückwünsche
aussprechen.


(Beifall)

Herr Bundesminister Kurt Bodewig hat den vom

Grundgesetz vorgeschriebenen Eid geleistet. Ich darf Ih-
nen nochmals im Namen des ganzen Hauses die besten
Wünsche aussprechen. Zugleich wünschen wir dem
ausgeschiedenen Bundesminister Reinhard Klimmt für
seine weitere Zukunft alles Gute.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 2 a bis 2 j sowie
die Zusatzpunkte 1 und 2 auf:
2 a) Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung

zum bevorstehenden Europäischen Rat in Nizza
vom 7. bis 9. Dezember 2000

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (22. Ausschuss)

– zu dem Antrag der Abgeordneten Günter

Gloser, Hermann Bachmaier, Hans-Werner
Bertl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
der SPD sowie der Abgeordneten Christian
Sterzing, Ulrike Höfken, Claudia Roth, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN
Europäischer Rat in Feira – Europa ent-
schlossen voranbringen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Peter
Hintze, Peter Altmaier, Dr. Ralf Brauksiepe,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der
CDU/CSU
Innere Reform der Europäischen Union –
Stand der Regierungskonferenz – Stabilität
des Euro – Haltung zu Österreich

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut
Haussmann, Hildebrecht Braun (Augsburg),
Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und
der Fraktion der F.D.P.
Mutige EU-Reform als Voraussetzung für
eine erfolgreiche Erweiterung
– Drucksachen 14/3514, 14/3377, 14/3522,
14/4457 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Roth (Heringen)

Peter Altmaier
Christian Sterzing
Dr. Helmut Haussmann
Dr. Gerd Müller
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Uwe Hiksch

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (22. Ausschuss)

– zu dem Entschließungsantrag der Abgeord-

neten Dr. Jürgen Meyer (Ulm), Joachim Poß,
Günter Gloser, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten
Claudia Roth (Augsburg), Christian Sterzing,
Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN zur vereinbarten Debatte zur EU-
Grundrechte-Charta

– zu dem Antrag der Abgeordneten Wolfgang
Bosbach, Peter Hintze, Norbert Geis, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Entwurf der Charta der Grundrechte der
Europäischen Union

– zu dem Antrag der Abgeordneten Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger, Ina Albowitz,
Hildebrecht Braun (Augsburg), weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der F.D.P.




Präsident Wolfgang Thierse
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(C)



(D)



(A)



(B)


Europäische Grundrechte-Charta als Eck-
stein einer europäischen Verfassung
– Drucksachen 14/4269, 14/4246, 14/4253,
14/4584 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Peter Altmaier
Claudia Roth (Augsburg)

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Uwe Hiksch

d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (22. Ausschuss)

– zu dem Entschließungsantrag der Fraktio-

nen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
zu der Abgabe einer Erklärung der Bundesre-
gierung zu den Ergebnissen der Sondertagung
des Europäischen Rates vom 23./24. März
2000 in Lissabon

– zu dem Entschließungsantrag der Fraktion
der CDU/CSU zu der Abgabe einer Erklärung
der Bundesregierung zu den Ergebnissen der
Sondertagung des Europäischen Rates vom
23./24. März 2000 in Lissabon
– Drucksachen 14/3099, 14/3101, 14/3903 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Günter Gloser
Peter Hintze
Christian Sterzing
Dr. Helmut Haussmann
Manfred Müller (Berlin)


e) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (22. Ausschuss) zu dem
Antrag der Fraktion der CDU/CSU
Regierungskonferenz 2000 und Osterweite-
rung – Herausforderungen für die Europäische
Union an der Schwelle zum neuen Millennium
– Drucksachen 14/2233, 14/3472 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Winfried Mante
Markus Meckel
Michael Roth (Heringen)

Peter Hintze
Michael Stübgen
Peter Altmaier
Christian Sterzing
Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Dr. Helmut Haussmann
Manfred Müller (Berlin)


f) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union (22. Ausschuss) zu dem
Antrag der Abgeordneten Dr. Helmut Haussmann,
Hildebrecht Braun (Augsburg), Rainer Brüderle,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der F.D.P.

Beziehungen zu Österreich normalisieren
– Drucksachen 14/3187, 14/4323 –

Berichterstattung:
Abgeordnete Michael Roth (Heringen)

Gerd Höfer
Markus Meckel
Arnold Vaatz
Christian Schmidt (Fürth)

Christian Sterzing
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Helmut Haussmann
Uwe Hiksch

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang
Gehrcke, Dr. Gregor Gysi, Uwe Hiksch, weiterer
Abgeordneter und der Fraktion der PDS
Die Europäische Union als Zivilmacht aus-
bauen
– Drucksache 14/4653 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss

h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Klaus
Grehn, Uwe Hiksch, Dr. Gregor Gysi, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der PDS
Für eine verbindliche und erweiterbare Euro-
päische Charta der Grundrechte
– Drucksache 14/4654 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Arbeit und Sozialordnung

i) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung
60. Bericht der Bundesregierung über die Inte-
gration der Bundesrepublik Deutschland in die

(Berichtszeitraum: 1. Januar bis 31. Dezember 1999)

– Drucksache 14/3434 (neu)
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Angelegenheiten der neuen Länder
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss




Präsident Wolfgang Thierse

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(C)



(D)



(A)



(B)


j) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesre-
gierung
Bericht über die Anwendung des Subsidiari-

(Subsidiaritätsbericht 1999)

– Drucksache 14/4017 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union (f)

Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

ZP 1 Beratung des Antrags der Abgeordneten Peter
Hintze, Peter Altmaier, Renate Blank, weiterer Ab-
geordneter und der Fraktion der CDU/CSU
Der Europäische Rat von Nizza muss zum Er-
folg für Europa werden
– Drucksache 14/4732 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union (f)

Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss

ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Ilja
Seifert, Dr. Heinrich Fink, Dr. Ruth Fuchs, weite-
rer Abgeordneter und der Fraktion der PDS
Klarheit des Begriffs Mensch in EU-Grund-
rechte-Charta sichern und Menschenwürde
umfassend gewährleisten
– Drucksache 14/4720 –

Zur Erklärung der Bundesregierung zum bevorstehen-
den Europäischen Rat in Nizza liegen ein Entschließungs-
antrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die
Grünen und ein Entschließungsantrag der Fraktion der
PDS vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung
zwei Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch.
Dann ist so beschlossen.

Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat
Herr Bundeskanzler Gerhard Schröder.


Gerhard Schröder (SPD):
Rede ID: ID1413500200
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! In der kommenden Woche
werden die Staats- und Regierungschefs der Europäischen
Union beim Europäischen Rat in Nizza zusammenkom-
men.

Auf diesem Gipfeltreffen zum Ende der französischen
Präsidentschaft geht es – nicht nur nach meiner Auffas-
sung – um wegweisende Entscheidungen. Nizza muss ein
Europäischer Rat werden, auf dem die Weichen für die Zu-
kunft der Europäischen Union gestellt werden. Diese Auf-
gabe wird deutlich an den Themen, die den Europäischen
Rat bestimmen werden: die Regierungskonferenz zu den

institutionellen Reformen und zu der künftigen Entwick-
lung der Union, die Ausgestaltung der europäischen
Sicherheits- und Verteidigungspolitik sowie die gemein-
same Proklamation der Grundrechte-Charta der Europä-
ischen Union durch das Europäische Parlament, den Rat
und die Kommission.

In Nizza geht es vor allen Dingen darum, vonseiten der
Europäischen Union die letzten internen Hindernisse für
die Erweiterung aus dem Weg zu räumen. Uns Deut-
schen ist die Erweiterung ein besonderes Anliegen, nicht
nur, weil wir zu unserer historischen Verantwortung ste-
hen. Auch aus wohlverstandenem Eigeninteresse haben
wir uns immer als Anwalt der beitrittswilligen Staaten
verstanden.

Wir, die Deutschen, wollen die Erweiterung der Euro-
päischen Union nach Osten und nach Südosten, weil sie
im wirtschaftlichen und natürlich auch im politischen In-
teresse Deutschlands liegt, und wir wollen sie so rasch,
wie es irgend möglich ist. Wir müssen jetzt die institutio-
nellen Reformen verabschieden, damit, wie in den Be-
schlüssen von Helsinki vorgesehen – die Europäische
Union ab Ende 2002, also Anfang 2003 in der Lage ist,
neue Mitgliedstaaten aufzunehmen. Die jüngsten Fort-
schrittsberichte der Europäischen Kommission zu den
einzelnen Beitrittsländern haben gezeigt, dass deren Re-
formen gut vorankommen. Die EU der 15 Mitgliedstaaten
muss und wird nun ihrerseits Bedingungen dafür schaf-
fen, dass eine starke Union mit mehr als 20 Mitgliedern
entstehen kann.

Wir wollen aber keine Erweiterung auf Kosten der
Handlungsfähigkeit der Union. Deshalb müssen wir in
Nizza die Effizienz, Legitimität und Transparenz der Eu-
ropäischen Union auf Dauer sichern. Nur auf diese Weise
können wir die Erweiterung zu einem Erfolg für uns alle
werden lassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In dieser Reformdiskussion geht es auch um die
Frage, wie wir Europa weiter ausgestalten wollen. Für die
Bundesregierung steht dabei außer Zweifel, dass der Weg
der weiteren Integration der richtige Weg ist. Mit dem
Eintritt in die Wirtschafts- und Währungsunion, der Erar-
beitung einer gemeinsamen Justiz- und Innenpolitik und
der Schaffung einer sicherheits- und verteidigungspoliti-
schen Dimension hat die Europäische Union einen Inte-
grationsstand erreicht, der – anders, als manche glauben –
mit bloßer intergouvernementaler Zusammenarbeit nicht
zu halten sein wird.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist der Grund, weshalb sich die Bundesregierung
nachdrücklich zur Fortsetzung der Integration mit starken
europäischen Institutionen bekennt. Wir wollen eine
starke Kommission. Aber im Gegenzug erwarten wir, dass
sich die Kommission bei der Ausübung ihrer umfangrei-
chen Kompetenzen Zurückhaltung auferlegt, dass sie das
Subsidiaritätsprinzip ernst nimmt. Wir wollen ein starkes
Parlament und wir wollen einen handlungs- und be-
schlussfähigen Rat, in dem die Mitgliedstaaten eine wich-
tige Rolle in der Ausübung einer effizienten europäischen
Politik spielen können. Dabei muss jedoch gelten: Für ge-




Präsident Wolfgang Thierse
13026


(C)



(D)



(A)



(B)


meinsam getroffene Entscheidungen müssen die Beteilig-
ten auch in ihrem jeweiligen Bereich die politische Ver-
antwortung übernehmen.

Die Bundesregierung hat in intensiven Gesprächen
versucht, mögliche Kompromisslinien für ein substanzi-
elles Ergebnis in Nizza auszuloten. Beim deutsch-
französischen Gipfel in Vittel, in den Gesprächen mit
Premierminister Blair und Premierminister Juncker, Bun-
deskanzler Schüssel, den Ministerpräsidenten Kok,
Rasmussen, Verhofstadt und Amato sowie bei meinen
Begegnungen mit der Präsidentin des Europäischen Par-
laments habe ich den festen Willen gespürt, zu einem
wirklich tragfähigen Ergebnis zu kommen. Alle Ge-
sprächspartner haben ihre Bereitschaft signalisiert, auf
nationale Maximalpositionen zu verzichten und sich kon-
struktiv an der Suche nach belastbaren Kompromissen zu
beteiligen. Solche Kompromisse – das wissen Sie alle –
werden nicht zuletzt in Nizza angestrebt werden müssen.
Dieses schwierige Dossier ist bei der französischen Präsi-
dentschaft – jedenfalls nach deutscher Auffassung – in
guten Händen. Wir wollen ihr bei der Lösung der beste-
henden Probleme, soweit es in unserer Macht steht, hel-
fen. Deutschland und Frankreich sind sich ihrer besonde-
ren europäischen Verantwortung bewusst und nehmen sie
im Geiste der engen freundschaftlichen Beziehungen zwi-
schen Deutschland und Frankreich wahr.

Wenn wir in Nizza den Weg für die Erweiterung der
Europäischen Union nach Osten und Südosten frei ma-
chen, wird dieser Gipfel einen historischen Wendepunkt
in der Geschichte der europäischen Einigung markieren.
Er wird entscheidend voranbringen, worum sich alle Eu-
ropäer während des vergangenen Jahrzehnts intensiv
bemüht haben: die Spaltung des Kontinents endgültig zu
überwinden und Europa wieder zu kultureller, wirtschaft-
licher und politischer Einheit zu führen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, Sie alle kennen die zentra-
len Fragen, die sich der Regierungskonferenz stellen und
den Gipfel in Nizza bestimmen werden. Deshalb möchte
ich nur kurz skizzieren, welche Ergebnisse die Bundesre-
gierung von den Verhandlungen in Nizza erwartet und
welches unsere wichtigsten Aufgaben sein werden. Ein
Festhalten am bisher geltenden Einstimmigkeitsprinzip
wäre, insbesondere für den Fall der Erweiterung der Eu-
ropäischen Union, gleichbedeutend mit einer Selbst-
blockade der Europäischen Union. Deshalb ist es – nicht
zuletzt auch für uns – wichtig, in einer erweiterten Union
Beschlüsse so weit wie möglich mit qualifizierter Mehr-
heit fassen zu können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zur Abstimmung mit qualifizierter Mehrheit gehört
nach unserer Auffassung immer dann, wenn es um Ge-
setzgebung auf europäischer Ebene geht – ich betone: um
Gesetzgebung auf europäischer Ebene –, auch die Mit-
entscheidung des Europäischen Parlaments; seine Kon-
troll- und Legislativfunktionen müssen weiter gestärkt
werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mit den Ländern haben wir darin Einigkeit erzielt, das
Prinzip der Mehrheitsentscheidung auf möglichst viele
Bereiche anzuwenden. Nach unserer Vorstellung sollte es
nur bei Erfüllung strenger Kriterien eine Ausnahme vom
Prinzip der Mehrheitsentscheidung geben, beispielsweise
bei ratifizierungsbedürftigen Beschlüssen sowie bei Be-
schlüssen mit konstitutionellem Charakter oder mit ver-
teidigungspolitischen Bezügen. Darüber hinaus – das gilt
auch für besondere deutsche Anliegen – sollten wir uns in
Bereichen, die aus verständlichen Gründen für einzelne
Mitgliedstaaten sensible Fragen berühren, auf differen-
zierte Lösungen verständigen. Ich denke, das wird sich er-
reichen lassen.

Allerdings haben wir bisher im Kreis der Partner für
unsere Vorstellungen zur qualifizierten Mehrheit noch
nicht überall die Unterstützung gefunden, die wir uns er-
hoffen; diese Frage muss offen diskutiert werden. Dies
gilt insbesondere für die Anwendung der qualifizierten
Mehrheit im Bereich der gemeinsamen Außen- und Si-
cherheits- sowie der Innen- und Justizpolitik. Aber, meine
Damen und Herren, das wird und darf uns nicht daran hin-
dern, mit allem Nachdruck und der Unterstützung vor al-
lem auch des Europäischen Parlamentes weiter für unsere,
wie wir meinen, richtigen Positionen zu werben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es gibt einen Zusammenhang, den man nicht überse-
hen darf: Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit er-
fordern vor allem aus Legitimitätsgründen, dass das
Stimmengewicht der einzelnen Mitgliedstaaten stärker an
den Realitäten orientiert wird.

Ich will ein Beispiel nennen: Es kann nicht sein, dass
künftig in einer erweiterten Union Deutschland mit mehr
als 80 Millionen Einwohnern über zehn Stimmen im Rat
verfügt, während 19 kleinere Länder, die zusammen noch
nicht einmal auf 80 Millionen Bürgerinnen und Bürger
kommen, im Rat 57 Stimmen hätten, wenn man das nicht
änderte.

Eine stärkere Rücksicht auf demographische Tatsachen
muss auch für die Zusammensetzung des Europäischen
Parlamentes gelten. Das Parlament selbst hat zu diesem
Thema Überlegungen entwickelt, die aus unserer, aus
deutscher Sicht eine gute Grundlage für eine Entschei-
dung bilden.

Mittlerweile wird von allen Partnern ausdrücklich an-
erkannt, dass das derzeitige System der Stimmengewich-
tung im Rat nicht einfach fortgeschrieben werden kann.
Allerdings – das gilt es einzuräumen – liegen die Vorstel-
lungen darüber, wie der Bevölkerungszahl konkret zu
mehr Geltung verholfen werden soll, noch auseinander.
Für Deutschland – das will ich hier ausdrücklich beto-
nen – ist sowohl eine reine Neugewichtung der Stimmen
als auch das Prinzip der doppelten Mehrheit akzeptabel,
also eine Abstimmung zunächst nach dem Kriterium „Je-
dem Staat eine Stimme“ und dann im zweiten Durchgang
eine Abstimmung nach dem Kriterium der Einwohner-
zahl. Aber ich betone noch einmal: Für Deutschland ist
auch eine einfache Stimmengewichtung akzeptabel.




Bundeskanzler Gerhard Schröder

13027


(C)



(D)



(A)



(B)


Für welches Verfahren sich die Konferenz in Nizza
schließlich entscheiden wird, lässt sich derzeit nicht klar
sagen. Die Reise der französischen Präsidentschaft durch
die Mitgliedstaaten ist im Gange bzw. steht in vielen Mit-
gliedstaaten noch bevor. Ich gehe davon aus, dass die Prä-
sidentschaft ihren abschließenden Vorschlag erst nach der
üblichen Präsidentschaftsreise durch die Mitgliedstaaten
vorlegen wird. Ich betone aber noch einmal ausdrücklich,
dass Deutschland sowohl gegenüber dem Prinzip einer
einfachen Neugewichtung der Stimmen als auch gegen-
über dem Prinzip der doppelten Mehrheit, die ich erläutert
habe, aufgeschlossen ist. Man muss sehen: Es besteht eine
enge Verbindung zwischen dem Stimmengewicht der ein-
zelnen Mitgliedstaaten, der Regelung der Mehrheitsent-
scheidungen und selbstverständlich auch der Größe der
Kommission.

Ein starkes Europa – das ist gewiss – braucht eine
starke Kommission. Der Kommission ist es nicht zuletzt
aufgetragen, über den Binnenmarkt und über die Einhal-
tung der Verträge zu wachen. Deshalb – das betone ich
hier ausdrücklich – will Deutschland eine unabhängige,
eine handlungsfähige und eine selbstbewusste Kommis-
sion mit einem starken Präsidenten, der in der Perspektive
auch über eine klare Richtlinienkompetenz verfügen
muss.

Dazu gehört aber auch – ich habe dies bei meinem
jüngsten Besuch in Brüssel deutlich gemacht –, dass die
Kommission die ihr aufgetragenen Aufgaben mit Augen-
maß und mit Zurückhaltung ausübt. Europäisches Recht
muss gewiss eingehalten werden. Aber dann müssen die
entsprechenden Entscheidungen aus Brüssel auch nach-
vollziehbar sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn die Kommission Entscheidungen trifft, die Auswir-
kungen auf einzelne Mitgliedstaaten und auf einzelne Re-
gionen haben, dann muss die Kommission dafür auch er-
kennbar politische Verantwortung übernehmen. Nur so,
denke ich, lassen sich auf Dauer die Unterstützung und
das Verständnis der Bürgerinnen und Bürger für die Ent-
scheidungen der Gremien in Brüssel und in Straßburg ge-
winnen.

Zugleich brauchen wir eine Kommission, deren Größe
und Zusammensetzung sich nach ihren Aufgaben richtet.
Gemeinsam mit Frankreich und anderen Mitgliedstaaten
sind wir dafür eingetreten, die Zahl der Kommissare zu
begrenzen. Es kann nicht sein, dass die Europäische Kom-
mission mit jeder Erweiterung größer wird, ohne dass für
die Vielzahl der Kommissare jeweils eigenständige Ver-
antwortungs- und Zuständigkeitsbereiche vorliegen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wollen gewiss keine Europäische Union, in der es
Mitgliedstaaten erster und zweiter Klasse gibt. Gerade
deshalb habe ich beim Rat in Biarritz in Absprache mit ei-
nigen Partnern vorgeschlagen, die Begrenzung der Größe
der Kommission mit einem gleichberechtigten Rotations-
system zu kombinieren, in dem kein Mitgliedstaat, auch
nicht die größeren, ein automatisches Recht besitzt, einen

Kommissar zu stellen. Das ist nicht zuletzt deshalb sach-
gerecht, weil die Kommissare nach der Konstruktion der
Kommission eben keine Vertreter der Mitgliedstaaten sein
sollen; vielmehr sollen sie gleichsam das Gemeinschafts-
interesse definieren und über das Gemeinschaftsinteresse
wachen.

Ich habe Zweifel, ob diese Vorstellung nicht nur
Deutschlands, sondern auch Frankreichs und anderer Mit-
gliedstaaten sofort umzusetzen sein wird, Zweifel des-
halb, weil es eine Reihe wichtiger kleiner und mittlerer
Staaten gibt, die auf eine Präsenz in der Kommission nicht
oder noch nicht verzichten wollen. Da die Entscheidun-
gen indessen, wie Sie wissen, dem Einstimmigkeitsprin-
zip unterliegen, wird man sich auch in dieser Frage um ei-
nen Kompromiss bemühen müssen.

Die Kommission ist die europäische Institution par ex-
cellence. Sie muss an europäischen Notwendigkeiten aus-
gerichtet werden. Die Kommission ist eben nicht die Ver-
tretung der Mitgliedstaaten in Brüssel. Mein Eindruck ist,
dass wir für diese Ansicht noch werben müssen.

Große Fortschritte haben wir in den letzten Wochen in
einem Bereich erzielt, dem ich persönlich immer beson-
dere Bedeutung zugemessen habe, dem Ausbau der Re-
gelungen zur verstärkten Zusammenarbeit innerhalb
des Gemeinschaftsrahmens, ich betone: innerhalb des Ge-
meinschaftsrahmens; denn mir ist wichtig, dass die Staa-
ten, die bezüglich der Integration weitergehen wollen, das
auf dem Boden der Verträge tun. Es darf nicht dazu kom-
men, dass verstärkte Zusammenarbeit nicht auf dem Bo-
den der Verträge stattfindet. In einer erweiterten Europä-
ischen Union wird es immer schwieriger werden,
Integrationsfortschritte mit allen Mitgliedsländern gleich-
zeitig zu erreichen. Aber ohne weitere Integration würden
die Handlungs- und Einflussmöglichkeiten der Europä-
ischen Union gerade vor dem Hintergrund der zunehmen-
den Globalisierung auf Dauer geschwächt werden. Des-
halb brauchen wir die Möglichkeit, dass Mitgliedstaaten,
die das wollen und können, im Hinblick auf die Integra-
tion voranschreiten, wie es ja auch schon im Schengen-
Bereich oder bei der Wirtschafts- und Währungsunion mit
Erfolg geschehen ist.

Über das Grundprinzip der verstärkten Zusammenar-
beit besteht seit Biarritz weit gehendes Einvernehmen un-
ter den Mitgliedstaaten. Wir werden uns in Nizza um die
konkrete Ausgestaltung dieses wichtigen Prinzips küm-
mern müssen. Hierzu haben Deutschland und Italien zu-
sammen einen viel beachteten Vorschlag vorgelegt, der
die Basis für die Schlussberatungen bilden dürfte. Es ist
gelegentlich die Frage aufgeworfen worden – das habe ich
gelesen –, warum dies eine Aktion Deutschlands und Ita-
liens gewesen sei und Frankreich nicht einbezogen wor-
den sei. Ich möchte das ohne jede Polemik erklären: Das
hat schlicht damit zu tun, dass die jeweilige Präsident-
schaft, also auch die jetzige französische Präsidentschaft,
in der Lage sein muss, Kompromisse aufgrund der Vor-
schläge der Mitgliedstaaten zu formulieren. Das hat also
nichts mit Irritationen im deutsch-französischen Verhält-
nis zu tun. Es geht schlicht darum, der jeweiligen Präsi-
dentschaft die Möglichkeit, eigene Kompromisse zu erar-
beiten, zu erhalten. Der eine oder andere, der das kritisiert
hat, hat das offensichtlich übersehen.




Bundeskanzler Gerhard Schröder
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(D)



(A)



(B)


Unsere gemeinsame Vorstellung ist, dass verstärkte
Zusammenarbeit künftig durch einen Beschluss mit qua-
lifizierter Mehrheit eingeleitet werden kann und dann für
einen Mitgliedstaat keine Vetomöglichkeiten mehr beste-
hen. Dabei sollte die Mindestteilnehmerzahl auf acht Län-
der beschränkt sein. Es ist auch wichtig, dass kein politi-
scher Bereich von vornherein von der Möglichkeit zu
einer verstärkten Zusammenarbeit ausgenommen sein
sollte.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Genauso selbstverständlich muss es sein, dass kein Mit-
gliedstaat, der bereit und in der Lage ist, an der verstärk-
ten Zusammenarbeit teilzunehmen, von dieser ausge-
schlossen werden darf. Es darf also keinen „closed shop“
geben.

Unbestritten ist auch, dass sich die verstärkte Zusam-
menarbeit möglichst innerhalb der Verträge vollziehen
soll und dass die Kommission als Hüterin der Verträge
eine starke Rolle spielen muss. Ich bin sehr zuversicht-
lich, dass wir in Nizza in dieser Frage eine wirklich gute
Lösung finden werden, die einer erweiterten Union die
notwendige Flexibilität gibt, um auf dem Weg der zuneh-
menden Integration vorankommen zu können.

Meine Damen und Herren, die Entwicklung der Euro-
päischen Union findet mit Nizza und mit der Erweiterung
keineswegs ihren Abschluss. Vielmehr müssen wir uns
Gedanken machen, wie wir die Union weiter festigen und
wie wir den Bürgerinnen und Bürgern ein klareres Bild
von der künftigen Europäischen Union vermitteln kön-
nen. Hierfür haben wir mit der Grundrechte-Charta ein
gutes Fundament geschaffen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Charta wird in Nizza als gemeinsames Dokument von
Europäischem Parlament, Rat und Europäischer Kom-
mission feierlich proklamiert werden. Ich nehme gerne
die Gelegenheit wahr, um von dieser Stelle aus dem Kon-
vent, vor allem dem Leiter, Altbundespräsident Herzog,
noch einmal meinen Dank und meine Anerkennung für
die großartige Leistung auszusprechen, die erbracht wor-
den ist.


(Beifall im ganzen Hause)

Die Charta – das kann man wirklich sagen – fasst eu-

ropäische Wertevorstellungen und europäische Traditio-
nen klar und für alle Bürgerinnen und Bürger verständlich
zusammen. Deshalb ist dieses Dokument ein Gewinn für
Europa.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Bundesregierung tritt dafür ein, die Charta mittelfris-
tig in die Verträge zu übernehmen, gleichsam als Herz-
stück für ein Grundgesetz der Europäischen Union.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was wir darüber hinaus brauchen, ist eine Vereinfa-
chung und Neuordnung der Verträge, eine Klärung der

Gewaltenteilung zwischen den Brüsseler Institutionen
und eine klare Abgrenzung der Kompetenzen zwischen
dem, was in Brüssel geschieht, und dem, was in den Mit-
gliedstaaten zu geschehen hat.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Na endlich!)

Die Bürger beklagen sich zu Recht darüber, dass die
Entscheidungswege in Europa nicht nachvollziehbar und
vielfach undurchsichtig sind. Deswegen – nicht nur we-
gen des Freistaats Bayern, Herr Glos – sind wir der Auf-
fassung, dass geklärt werden muss, wer für welche Fragen
und für welche Entscheidungen zuständig ist. Das ist eine
Frage der Klarheit, der Transparenz und damit der Legiti-
mität Europas.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das sind einige der wichtigen Aufgaben für eine Re-
gierungskonferenz, die wir für das Jahr 2004 vorgeschla-
gen haben.

Um die Akzeptanz der Union bei unseren Bürgerinnen
und Bürgern zu erhöhen, ist es wichtig, dass diese Fragen
geklärt werden, aber nicht nur auf einer Regierungskon-
ferenz – das kann nur der Abschluss sein –, sondern auch
in einer breiten öffentlichen Debatte.
Deswegen sollten wir uns schon in Nizza in den Grund-
zügen über die Aufgaben, über den Zeitpunkt und über die
Vorbereitung dieser neuen Regierungskonferenz verstän-
digen. Auch hierfür gibt es viel Zustimmung bei den Kol-
leginnen und Kollegen im Rat.

Damit hier und anderswo keinerlei Missverständnisse
aufkommen: Diese neue Regierungskonferenz ist nicht
als eine Beitrittshürde für die beitrittswilligen Staaten ge-
dacht. Sie formuliert keine neuen Voraussetzungen für die
Erweiterung der Union. Dies wird auch in Nizza noch
einmal ausdrücklich betont werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Europäische Union – das ist mir wichtig – steht zu
ihren Zusagen von Helsinki: Bis Ende 2002, so haben wir
es beschlossen, ist die interne Erweiterungsfähigkeit
der EU hergestellt und über die konkreten Beitrittster-
mine der einzelnen Kandidaten entscheidet dann allein
deren Fähigkeit, den Acquis der Europäischen Union
wirklich in vollem Umfang zu übernehmen.

Das ist der Grund, warum ich von einer Datendiskus-
sion so wenig halte. Wir haben mit den Beschlüssen von
Helsinki vernünftigerweise, wie ich finde, festgelegt: Das
Europa der 15 strebt an – es wird das Ziel erreichen –, bis
Ende 2002, Anfang 2003 aufnahmefähig in Bezug auf
neue Mitglieder zu sein. Es liegt vor allen Dingen an den
beitrittswilligen Staaten selbst – wir können und wollen
da hilfreich sein –, beitrittsfähig zu werden. Wann das in
den einzelnen Staaten erreicht ist, ist nicht Sache der Eu-
ropäischen Union, des Europas der 15, zu entscheiden;
vielmehr liegt die Entscheidung vor allen Dingen bei den
beitrittswilligen Staaten selbst.


(Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Die Entscheidung, nicht die Vorbereitung!)





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Hierin liegt der Grund, warum wir der Auffassung sind,
dass eine Datendiskussion von den Notwendigkeiten ei-
nes zügigen Fortschritts bei den inneren Reformen in den
Beitrittsstaaten eher ablenkt und nicht hilfreich ist.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Zusammenhang damit ist etwas anderes wichtig:
Die politische Frage der Erweiterung ist geklärt. Niemand
– ich denke, auch niemand in diesem Hohen Hause – ist
der Auffassung, dass an der Notwendigkeit, Europa nicht
an der deutschen Ost- oder an der polnischen Westgrenze
enden zu lassen, ein vernünftiger Zweifel erlaubt ist. Also
verschiebt sich die Frage eines Beitritts weg von der rein
politischen Ebene hin zu einer ökonomisch zu beantwor-
tenden Frage. Ob ein Staat objektiv in der Lage ist – seine
Bereitschaft unterstelle ich –, die ökonomischen Konse-
quenzen einer Mitgliedschaft in der Europäischen Union
zu tragen – sie sind ja nicht nur entlastender, sondern auch
belastender Natur; wir wissen das aus der Transformation
einer Kommandowirtschaft in eine Marktwirtschaft in
Deutschland –, das entscheidet sich nach dem Stand der
inneren Reformen in den Beitrittsstaaten selbst.

Es entzieht sich der direkten Verantwortung der Mit-
gliedstaaten des Europas der 15. Dass das Europa der 15
ein Interesse daran hat, dass die Erweiterung zügig von-
statten geht, erklärt sich aus der politischen Dimension
dieser Frage, aber auch aus der ökonomischen Dimen-
sion. Das gilt nicht zuletzt für Deutschland.

Ich halte es deshalb – ich sage es noch einmal – für
falsch, jetzt eine Diskussion darüber zu beginnen, wann
welches Land seine Beitrittsfähigkeit erreicht haben wird.
Diese Diskussion würde falsche Hoffnungen und Erwar-
tungen wecken. Unter Umständen würde sie den Reform-
eifer der einzelnen Länder schwächen und auf diese Weise
eventuell gewaltige Enttäuschungen hervorrufen.

Was wir indessen brauchen und was wir auch schaffen
wollen, ist, einen Fahrplan über die Behandlung der Sach-
fragen in den Beitrittsverhandlungen aufzustellen, um das
hohe Tempo, das inzwischen erreicht worden ist, beibe-
halten und die Einzelheiten zielgerichtet umsetzen zu
können. Für ein solches Vorgehen, für eine solche „road
map“, wie man es nennt, wird sich die Bundesregierung
in Nizza einsetzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In Nizza geht es noch um eine Reihe weiterer wichti-
ger Fragen. Ich erwähne hier vor allen Dingen die euro-
päische Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Bei die-
sem zentralen Vorhaben, das wir 1999 unter deutscher
Präsidentschaft auf den Weg gebracht haben, werden wir
in Nizza aller Voraussicht nach ein wirklich bedeutendes
Etappenziel erreichen. Die Truppensteller-Konferenz in
der vergangenen Woche hat deutlich gemacht, dass die
Europäer bereit und entschlossen sind, im Bereich der Si-
cherheits- und Verteidigungspolitik gemeinsam Verant-
wortung zu übernehmen. Die Europäer werden bei der
Krisenprävention und bei der Krisenbewältigung ein star-
ker Akteur sein.

Schließlich haben wir – nicht zuletzt auf deutsches
Drängen hin – erreicht, dass zivile Krisenprävention und
ziviles Krisenmanagement im Rahmen dieser Konzeption
einen bedeutenden Stellenwert erreichen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich halte es für einen Vorzug, dass Europa nicht in erster
Linie in militärischen Kategorien denkt. Für uns kann der
Einsatz militärischer Mittel – das unterstreiche ich – im-
mer nur Ultima Ratio sein.

Aus deutscher Sicht ist darüber hinaus die Sicherung
der öffentlichen Daseinsvorsorge von besonderer Be-
deutung. Die Kommission hat dazu gemäß dem von
Deutschland angeregten Beschluss des Europäischen Ra-
tes in Lissabon im Spätsommer eine neue Mitteilung vor-
gelegt, die die aus dem Jahr 1996 ersetzt. Diese Mitteilung
wird derzeit im Rat intensiv beraten. Wir sind der Auffas-
sung, dass sie wichtige Schritte in die richtige Richtung
enthält. Der kommende Europäische Rat sollte nach un-
serer Auffassung die Kommission beim Wort nehmen und
die Erwartung formulieren, dass das Beihilferecht der Eu-
ropäischen Union im Hinblick auf eine Stärkung der
Rechtssicherheit fortentwickelt wird. Es muss sicherge-
stellt werden, dass die besonderen Leistungen, die Ein-
richtungen der Daseinsvorsorge im Interesse der Allge-
meinheit erbringen, bei der Anwendung wettbewerbs-
und beihilferechtlicher Vorschriften des EG-Vertrages an-
gemessen berücksichtigt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, Beitrittsverhandlungen und
Verfassungsdiskussionen, Erweiterung und Vertiefung –
das sind die großen Themen, die die Europadiskussion in
den kommenden Jahren prägen werden. Am Ende dieses
Jahrzehnts werden wir in einem anderen Europa leben.
Dieses Europa wird größer sein; aber es muss zugleich po-
litisch enger verflochten sein und es wird nach meiner
festen Überzeugung über eine verfassungsmäßige Grund-
lage verfügen müssen und verfügen.

Der Weg dorthin ist keineswegs zwangsläufig. Um die-
ses Europa muss also politisch gekämpft werden, und
zwar nicht nur auf der Ebene von Staaten und Regierun-
gen, sondern vor allen Dingen in den europäischen Ge-
sellschaften selbst. Wir müssen um des großen Projektes
willen verstärkt nicht bloß um den Verstand der Bürgerin-
nen und Bürger, sondern eben auch um ihr Engagement
für dieses Europa und, wenn man so will, um ihre Herzen
ringen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Angesichts dessen, was ich skizziert habe, lässt sich
wirklich ohne falsches Pathos sagen: Europa ist unsere
Zukunft. Seine Vertiefung und Erweiterung bringen uns
Fortschritte, die im gemeinsamen Interesse, aber eben
auch im nationalen Interesse Deutschlands liegen. Dabei
wissen wir um die Ängste und Sorgen der Bürgerinnen
und Bürger. Auch wenn sich diese Sorgen im Ergebnis als
weitgehend unbegründet erweisen werden, müssen wir




Bundeskanzler Gerhard Schröder
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(B)


diese Sorgen im Prozess der Erweiterung und Vertiefung
ernst nehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Weil das so ist, meine Damen und Herren, dürfen wir bei
diesem Thema keine Stimmungsmache betreiben,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


sondern müssen gemeinsam die politische und ökono-
mische Notwendigkeit und unser nationales Interesse
an der Erweiterung betonen. Ich sage das noch einmal
insbesondere mit Bezug auf die Menschen, die in den
Grenzgebieten zu Polen, zu Tschechien leben und die an
gesichts bestimmter Fragen Ängste haben, die ich nach-
vollziehen kann.

Ich habe dort immer wieder gesagt und will es auch
hier sagen: Es gibt längs der Grenze eine Reihe wirklich
wichtiger Industrieunternehmen, die sich Gott sei Dank
dort angesiedelt haben. Mit ihrer Ansiedlung verbanden
sie aber die klare Strategie, aus diesen Grenzgebieten,
zum Beispiel längs der Oder, die mittel- und osteuropäi-
schen Märkte zu bearbeiten und für ihre eigenen Produkte
zu erobern.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist doch keine Schande!)


Die Strategie dieser Unternehmen, die in diesen Berei-
chen Arbeitsplätze schaffen, kann und wird nur aufgehen,
wenn die Märkte auch aufnahmefähig für die Produkte
werden, die längs der Grenze hergestellt werden. Hier
liegt einer der Gründe, warum es auch und gerade im In-
teresse der Grenzregionen liegt, dass die Erweiterung
kommt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir alle müssen begreifen, dass es in unserem ökonomi-
schen Interesse liegt und uns nützt, wenn durch Integra-
tion in die Europäische Union in den Staaten Mittel- und
Osteuropas für uns wichtige Märkte entstehen. So können
wir den richtigen Weg einschlagen. Dabei wird dann auch
deutlich, dass die Chancen einer Erweiterung weit größer
sind als die Nachteile, die viele befürchten.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


In diesem Zusammenhang noch etwas: Natürlich wird
im Laufe der Verhandlungen auch darüber geredet werden
müssen,


(Zuruf von der F.D.P.: Übergangsfristen!)

welche Übergangsfristen erforderlich sind. Das ist doch
gar keine Frage. Das wird übrigens ein bilateraler Prozess
sein. Es steht doch völlig außer Frage, dass es für gewisse
Zeiträume bezüglich einiger Tatbestände Übergangsfris-
ten auch für die beitrittswilligen Staaten geben muss und
geben wird. Ich will dazu keine Beispiele nennen. Aber
Sie alle kennen doch die Tatsache, dass der Industrialisie-
rungsgrad auf absehbare Zeit noch unterschiedlich sein
wird. Deswegen muss natürlich auch auf der anderen
Seite und keineswegs nur auf unserer Seite über Über-
gangsfristen diskutiert werden. Das wird auch geschehen.

Auf unserer Seite bezieht sich die Diskussion zum Bei-
spiel auf die Frage der Arbeitnehmerfreizügigkeit.Wir
wollen und wir werden kein Lohndumping zulassen. Das
ist gar keine Frage.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie bezieht sich auch auf gewisse Formen von Dienstleis-
tungsfreiheit, denn wir wollen und wir werden bei uns
kein Preisdumping zulassen. In den beitrittswilligen Staa-
ten bezieht sie sich etwa auf für diese wichtige Fragestel-
lungen der Industrie- und Landwirtschaftspolitik. Inso-
fern bin ich ganz sicher, dass es im Interesse beider Seiten
liegt, hier zu vernünftigen, den Ängsten der Bevölkerung
auch wirklich begegnenden Regelungen zu kommen. Wir
jedenfalls werden uns dafür einsetzen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Politische Orientierungen für das zukünftige Europa zu
geben und dafür um die Zustimmung der Bürgerinnen und
Bürger zu werben sollte vor diesem Hintergrund eine
gemeinsame Aufgabe des Hohen Hauses sein. Ein so he-
rausragendes politisches, wirtschaftliches und gesell-
schaftliches Zukunftsprojekt wie die europäische
Einigung lebt gewiss von der produktiven Auseinander-
setzung um seine Gestaltung. Die Auseinandersetzung
zwischen allen Beteiligten und in der Gesellschaft bei uns
sollte konstruktiv – ich betone: konstruktiv – geführt wer-
den.

Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung bereit
– sie befindet sich damit in einer guten deutschen Tradi-
tion –, die großen europapolitischen Aufgaben der Zu-
kunft, die im wohlverstandenen nationalen Interesse
Deutschlands liegen, gemeinsam mit allen Fraktionen des
Deutschen Bundestages anzugehen, um die zwischen uns
weitgehend unstrittigen Ziele hinsichtlich der Perspekti-
ven der europäischen Einigung in und eben auch für Eu-
ropa zu verwirklichen. Ich sage es noch einmal: Das
schließt produktiven Streit nicht aus. Aber er sollte auf der
Basis der gemeinsamen Grundüberzeugungen, was die
Entwicklung der Europäischen Union, ihre Erweiterung
und ihre Vertiefung angeht, ausgetragen werden.

Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413500300
Ich erteile dem Kolle-
gen Friedrich Merz, dem Vorsitzenden der CDU/CSU-
Fraktion, das Wort.


(Uwe Hiksch [PDS]: Jetzt kann man die europäische Leitkultur kennen lernen!)



Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1413500400
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Herr Bundeskanzler,
die CDU/CSU-Bundestagsfraktion unterstützt Sie und
Ihre Regierung bei dem wichtigen Vorhaben, am 7. und
8. Dezember in Nizza zu einem guten Abschluss der Re-
gierungskonferenz zu kommen. Wir wissen, dass dies




Bundeskanzler Gerhard Schröder

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vermutlich eine der wichtigsten Konferenzen ist, die die
Europäische Union in den letzten Jahren abgehalten hat.
Wir wollen, dass diese Konferenz ein Erfolg wird, insbe-
sondere weil sie die Voraussetzungen für die auch von uns
gewollte und von uns für notwendig und richtig gehaltene
Osterweiterung schaffen soll.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass

dies einen breiten politischen Konsens in der Bundesre-
publik Deutschland erfordert. Sie haben auch angemahnt,
den Menschen in unserem Land die Ängste vor diesen
Veränderungen zu nehmen. Ich habe mir allerdings
während Ihrer Regierungserklärung die Frage gestellt,
wie denn wohl jemand reagiert, der Sie heute Morgen am
Fernseher gesehen hat,


(Michael Glos [CDU/CSU]: Wenn er noch im Bett liegt, dreht er sich wieder um!)


welche Empfindungen er hat und ob er die eine oder an-
dere Sorge weniger hat, nachdem Sie gesprochen haben.


(Gernot Erler [SPD]: Das können Sie jetzt ausräumen!)


Herr Bundeskanzler, Ihre Regierungserklärung war so
leidenschaftslos


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zuruf des Bundesministers Joseph Fischer)


und in einer solchen Bürokratensprache abgefasst,

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, na! Das sagt der Richtige! Jetzt kommt der Vulkan Merz!)


dass nun wirklich niemand, der Ihnen zugehört hat, die
zentrale Botschaft verstanden hat, um die es eigentlich
uns allen gehen müsste.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Sie haben sauber abgearbeitet, was Ihnen aufgeschrieben
worden ist. Aber die zentrale Botschaft – es geht nämlich
darum, mit dem Erfolg dieser Regierungskonferenz das
wichtigste Projekt zu Beginn des 21. Jahrhunderts in der
Europäischen Union auf den Weg zu bringen – hat nie-
mand verstanden, der Ihnen heute Morgen zugehört hat.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Herr Bundeskanzler, wenn es darum geht, den Men-
schen Ängste und Sorgen zu nehmen, stelle ich mir schon
die Frage, warum Sie ein zentrales – vielleicht das zen-
trale – europäisches Thema, das in diesen Tagen die Öf-
fentlichkeit beherrscht und das den Menschen wirklich
Angst macht, überhaupt nicht angesprochen haben, näm-
lich die Fälle von BSE-Erkrankungen und die sich daraus
ergebene Krise.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Gernot Erler [SPD]: Das ist ein Thema von Nizza? – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Wir haben Nizza auf der Tagesordnung!)


– Nein, das ist kein Thema von Nizza.

(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Sagen Sie doch einmal ein Thema!)

Aber wenn Sie die Zustimmung zur europäischen Politik
zurückgewinnen wollen, dann müssen Sie über die The-
men sprechen, mit denen die Nöte und Sorgen der Men-
schen zusammenhängen. BSE ist ein europäisches Thema!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sie hätten durchaus darauf hinweisen können, dass es

große Schwierigkeiten gibt, die Rechtsgemeinschaft der
Europäischen Union bei diesem Thema herzustellen, bei
dem es darum geht, dass sich nicht nur die Bundesrepu-
blik Deutschland, sondern auch die anderen Mitgliedstaa-
ten an das halten, was in der Europäischen Union verein-
bart worden ist. Aber kein Wort davon an dieser Stelle. Sie
haben eine große Chance vertan, den Menschen Sorgen zu
nehmen und ihnen das Vertrauen zu geben, dass die Euro-
päische Union in der Lage ist, die großen Aufgaben der
Zukunft zu lösen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Herr Bundeskanzler, mir ist bei der Vorbereitung der

heutigen Aussprache ein Zweites aufgefallen: Sie haben
in der zweijährigen Amtszeit als Bundeskanzler der Bun-
desrepublik Deutschland bis zum heutigen Tag, ein-
schließlich dieser Regierungserklärung, weder hier im
Deutschen Bundestag noch außerhalb des Deutschen
Bundestages eine wirklich große europäische Rede ge-
halten,


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, sag mal, Merz! Also, Merz!)


in der die Leidenschaft für dieses große Thema Europa
zum Ausdruck gekommen wäre.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Dafür haben wir ja Sie als den Leitkulturhammel! – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben doch tagelang über Konditionierung geredet!)


Bei aller berechtigten oder unberechtigten Kritik an der
früheren Bundesregierung kann ich nur sagen: Für Europa
hat es in der früheren Bundesregierung – wie übrigens in
allen früheren Bundesregierungen – eine größere Bereit-
schaft zum Engagement und eine größere Leidenschaft
als bei Ihnen gegeben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt wollen wir mal Ihre Leidenschaft sehen! Kommen Sie doch mal rüber mit Ihrer Leidenschaft für Europa!)


In einer der wenigen Reden, die nachhaltige Wirkung
haben sollte, nämlich in der Rede, die Sie vor rund einem
Jahr in der Französischen Nationalversammlung gehalten
haben, haben Sie – völlig zu Recht – darauf hingewiesen,
dass die Zukunft der Europäischen Union ganz maßgeb-
lich davon abhängig ist, dass das deutsch-französische
Verhältnis der Motor in dieser Europäischen Union




Friedrich Merz
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(A)



(B)


bleibt. Sie haben in Paris gesagt, Europa zähle auf
Deutschland und Frankreich. Keine der großen europä-
ischen Aufgaben sei je gelöst worden, wenn sich Deutsch-
land und Frankreich nicht einig gewesen seien. Keines der
großen europäischen Integrationsprojekte, so haben Sie
weiter ausgeführt, wäre jemals verwirklicht worden, hät-
ten Deutschland und Frankreich nicht den Anstoß gege-
ben. Sie haben Recht, Herr Bundeskanzler, es ist wahr:
Die Zusammenarbeit der beiden großen Mitgliedstaaten
Deutschland und Frankreich war immer der Motor der
Europäischen Union.

Jetzt stelle ich Ihnen aber einmal die Frage: Was ist der
Befund ein Jahr später? Wir bekommen von den Medien
gegenwärtig – da ist offensichtlich nicht nur ein bisschen
Rauch, sondern da ist Feuer unterm Dach – eine Be-
schreibung des deutsch-französischen Verhältnisses, die
schlechter ist als jemals in den Jahren und Jahrzehnten zu-
vor. Ich nenne Ihnen nur einige Stichworte: „Außenminis-
ter Fischer irritiert Paris“; „Klimasturz in den Beziehun-
gen zu Frankreich“; „Zwietracht stellt sich ein zwischen
Berlin und Paris“;


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist jetzt die Leidenschaft für Europa!)


„Ein Duft von Arroganz“; „Der Lack ist ab“; „Védrine
über Fischer verärgert“. Herr Bundeskanzler, Ihr Außen-
minister wird in Paris in Anlehnung an den Rattenfänger
von Hameln mittlerweile offen als der „Flötenspieler“ be-
zeichnet.


(Zurufe von der SPD: Oh!)

Was ist los im deutsch-französischen Verhältnis, Herr
Bundeskanzler?


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn das, was Sie heute Morgen in Ihrer Regierungs-

erklärung hier gesagt haben, richtig ist, dann erwarten
nicht nur wir, sondern das ganze Land von dieser Bun-
desregierung ein höheres Engagement hinsichtlich der
deutsch-französischen Beziehungen. Deswegen möchte
ich Ihnen die Frage stellen: Ist es richtig, was in den Zei-
tungen stand, dass Bundesaußenminister Joschka Fischer
seit Anfang Juli, also seit Beginn der französischen
Ratspräsidentschaft, die Sie mit Recht als so wichtig und
entscheidend bezeichnet haben, nicht mehr an den Minis-
terrunden seines französischen Amtskollegen in Paris
teilnimmt? Ist es richtig, dass Herr Fischer in Brüssel ge-
sagt hat, es sei völlig nutzlos, an diesen Ministerrunden
teilzunehmen, und dass seitdem nur noch einer seiner Be-
amten dahin geschickt wird? Was war der Hintergrund der
Absage – nicht Ihres Verteidigungsministers, sondern des
Präsidenten der europäischen Sozialisten – am letzten
Wochenende bei dem Kongress der französischen Sozia-
listen in Grenoble? Warum hat er dort nicht teilgenom-
men, für die deutsch-französischen Beziehungen gewor-
ben und als Präsident der Sozialdemokratischen Parteien
Europas eine Rede für Europa gehalten?


(Rolf Schwanitz [SPD]: Was Sie nicht alles kümmert, Herr Merz! – Gernot Erler [SPD]: Sie haben vielleicht Sorgen!)


– Angesichts der Zurufe, die Sie zu diesem Thema hier
machen, werden bei mir die Zweifel, ob BSE auf den
Menschen übertragbar ist, noch geringer, als sie bisher oh-
nehin schon waren.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Susanne Kastner [SPD]: Keinen Anstand hat der Merz! – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Ist das die deutsche Leitkultur?)


– Regen Sie sich ruhig weiter auf!
Herr Bundeskanzler, entscheidend ist doch, dass es of-

fenbar im deutsch-französischen Verhältnis bei der Vor-
bereitung des Abschlusses der Regierungskonferenz in
Nizza eine ganze Reihe von ungeklärten Fragen gibt und
dass dies der Grund dafür ist, dass der Erfolg dieser Kon-
ferenz wirklich auf der Kippe steht.

Sie haben soeben in Ihrer Regierungserklärung aus-
drücklich festgestellt, dass man sich im Ministerrat vor-
stellen kann, so oder so zu entscheiden. Das hier im Deut-
schen Bundestag von uns gemeinsam für richtig gehaltene
Entscheidungsverfahren der doppelten Mehrheit im Mi-
nisterrat ist also offensichtlich aufgegeben worden.

Schwerer wiegt, dass offensichtlich zwischen Deutsch-
land und Frankreich in einer Reihe von politischen Sach-
fragen, die die europäische Politik betreffen und die auf
dem Gipfel in Nizza entschieden werden müssen, größere
Verstimmungen bestehen. Ich nenne ein wichtiges Bei-
spiel, über das Sie kein Wort verloren haben: Was ist ei-
gentlich auf europäischer Ebene und insbesondere im Ver-
hältnis zwischen Deutschland und Frankreich in Bezug auf
die gemeinsame Handelspolitik los? Ende letzten Jahres
ist die Ministerkonferenz der WTO in Seattle gescheitert.
Das hatte vielfältige Gründe, die mit Sicherheit auch in
dem beginnenden amerikanischen Wahlkampf zu suchen
waren. Aber was ist die Konsequenz für die Europäer?
Sind Sie zusammen mit Frankreich bereit, dafür zu sorgen,
dass auf dem Gipfel in Nizza beschlossen wird, dass der
Bereich der Handelspolitik vom Einstimmigkeitsprinzip
zu Mehrheitsentscheidungen überführt wird? Sind Sie be-
reit, die auf WTO-Ebene stattfindenden Verhandlungen
über geistiges Eigentum und Dienstleistungen auf der
Grundlage von Mehrheitsentscheidungen der Europä-
ischen Union zum Erfolg zu führen?


(Zuruf des Bundesministers Joseph Fischer)

– Herr Fischer, Sie machen hier ständig Zurufe.


(Zurufe von der CDU/CSU: Das darf er gar nicht!)


– Das kann er ja tun. Mich stört das nicht. – Nur, warum,
Herr Fischer, ist beim letzten deutsch-französischen
Gipfel in Vittel der Bundeswirtschaftsminister überhaupt
nicht dabei gewesen? Weil er in diesem Land offensicht-
lich nichts mehr zu sagen hat. Aber wirtschaftliche Fragen
sind doch wichtig!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Zu den Abschlusskommuniqués, die in diesem Zusam-

menhang verabschiedet worden sind, ist festzustellen:




Friedrich Merz

13033


(C)



(D)



(A)



(B)


Auf dem Gipfel in Nizza sollte die Entscheidung getrof-
fen werden, dass die Kommission im Bereich der
Handelspolitik in Zukunft weltweit auf der Grundlage
von Mehrheitsentscheidungen des Rates tätig werden
kann. Zu diesem Thema wurde kein Wort gesagt.

Ein weiterer Punkt in Bezug auf das deutsch-französi-
sche Verhältnis: Warum ist es streitig, Maßnahmen, die
Personenkontrollen an den Binnen- und Außengrenzen
der Europäischen Union betreffen, zwischen Deutschland
und Frankreich vorzubereiten? Warum gibt es in dieser
Frage einen offensichtlich größer werdenden Dissens?
Glauben Sie denn im Ernst, dass der Gipfel von Nizza der
Erfolg werden kann, den wir wollen und der notwendig
ist, wenn es vorher im deutsch-französischen Verhältnis
eine solche Zunahme an Problemen und Störungen gibt,
die offensichtlich auch mit dem persönlichen Verhalten
mehrerer Mitglieder der Bundesregierung in Verbindung
zu bringen sind?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Herr Bundeskanzler, Sie haben über die Osterweite-
rung gesprochen und darauf hingewiesen, dass natürlich
gerade wir als Deutsche ein Interesse daran haben müss-
ten, dass die deutsche Ostgrenze und die polnische West-
grenze nicht die Grenze bleibt, die den europäischen Kon-
tinent weiter teilt. Wenn das aber so ist, dann frage ich Sie,
warum sich der polnische Außenminister vor kurzem ver-
anlasst gesehen hat, ein Interview zu geben, in dem er zum
Ausdruck gebracht hat, dass er die deutsche Unterstüt-
zung insbesondere für den Beitritt Polens zur Europä-
ischen Union vermisst. Was ist los im deutsch-polnischen
Verhältnis,


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Merz, wo lebst du denn eigentlich?)


dass solche Erklärungen des polnischen Außenministers
notwendig gewesen sind?

Die Probleme in Ihrer Koalition und die Probleme, die
intern zwischen Ihnen, Herr Bundeskanzler, und der SPD-
Bundestagsfraktion bestehen, absorbieren Sie in einem so
hohen Maße, dass Sie für die wichtigen europapolitischen
Themen und die bedeutenden Angelegenheiten, die jetzt
entschieden werden müssen, nicht den Kopf frei haben.
Das war Ihnen heute Morgen anzumerken.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wann haben Sie den Begriff „Europa“ zum ersten Mal in den Mund genommen? Vor ein paar Wochen! – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Sie haben den Kopf voll mit Blödsinn!)


Ich will es noch einmal ganz ausdrücklich sagen, damit
keine Missverständnisse entstehen: Wir sind bereit, mit
Ihnen zusammen dafür zu sorgen, dass Nizza ein Erfolg
wird.


(Gernot Erler [SPD]: So nicht, Herr Kollege!)

Wir tragen dazu bei; übrigens haben wir mittlerweile of-
fensichtlich bessere Kontakte zu unseren befreundeten
Parteien in Paris als Sie.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Mit welcher von den vielen? Es gibt doch gar keine konservative Partei in Frankreich!)


Wir sind bereit, mit Ihnen die Entscheidungen zu treffen,
die notwendig sind, um die Osterweiterung der Euro-
päischen Union zu ermöglichen. Zu diesen Entschei-
dungen gehört nicht nur, dass die Institutionen in der Eu-
ropäischen Union neu geordnet werden und dass das
Zusammenwirken der Institutionen innerhalb der Europä-
ischen Union besser wird. Das ist eine notwendige
Voraussetzung, aber ganz sicher keine hinreichende.

Wir müssen in der Bevölkerung der Bundesrepublik
Deutschland für dieses große Projekt werben, und wir
brauchen eine Zustimmung der Bevölkerung, die wir ge-
genwärtig – das wissen Sie – nicht haben. Wir müssen den
Menschen gerade in unserem Lande deutlich machen, was
es bedeutet, dass wir vor der größten Erweiterung der Eu-
ropäischen Union in ihrer Geschichte stehen.

Ich sage Ihnen voraus: Wenn Sie so weitermachen,
dann werden Sie die Zustimmung der Bevölkerung in
Deutschland dazu nicht gewinnen. Die Deutschen wollen
nämlich eine Antwort.


(Joachim Poß [SPD]: Wenn Sie so weitermachen! Weil Sie das so machen, gelingt das vielleicht nicht!)


– Ich bedanke mich sehr herzlich, dass Sie der Opposition
so viel zutrauen, dass sie vernünftiges Regieren verhin-
dern kann, wie das in Ihren Kreisen jetzt zum Ausdruck
gebracht wird. Ich will Ihnen ausdrücklich sagen: Wir
sind in diesem Bereich nicht an einem kleinlichen partei-
politischen Streit und Gezänk interessiert.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir gemerkt!)


Sie werden sich schon einmal anhören müssen – ob Sie
wollen oder nicht –, wo die wirklich substanziellen Pro-
bleme in der Europäischen Union liegen. Wir lassen es
uns jedenfalls auch mit Ihren Zwischenrufen und mit
Ihrem Geschrei nicht verbieten, hier anzusprechen,
worum es in der europäischen Politik geht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Neben allem, was jetzt in Nizza entschieden werden

muss – die Institutionen neu ordnen, das Zusammenwir-
ken der Institutionen neu regeln, eine Vertiefung der Zu-
sammenarbeit, die Überführung einer großen Zahl der
Entscheidungen in den Mehrheitsentscheid –, müssen Sie
bestrebt sein, die Zustimmung der Bevölkerung zu ge-
winnen. Ich will Ihnen übrigens ausdrücklich sagen: Ich
halte das, was Sie vorgeschlagen haben im Hinblick auf
das Rotationssystem in der Kommission, für mutig und
richtig. Es ist nicht selbstverständlich, dass ein großes
Mitgliedsland wie Deutschland sagt: Wir sind bereit, mit
Frankreich zusammen mal zwischendurch auf Zeit auf
die Vertretung in der Kommission zu verzichten. Das ist
ein mutiger und richtiger Schritt. Aber alles das reicht




Friedrich Merz
13034


(C)



(D)



(A)



(B)


nicht aus, um die Zustimmung der Bevölkerung für die
weitere europäische Politik, insbesondere für die Oster-
weiterung und die vertiefte Integration in Europa, zu ge-
winnen.

Wir werden eine sehr viel intensivere Debatte um
die Fragen führen müssen: Was soll die europäische Poli-
tik eigentlich lösen? Wo sind ihre Zuständigkeiten, ihre
Kompetenzen im wahrsten Sinne des Wortes? Was muss
bei den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – mögli-
cherweise sogar bei den Ländern und den Kommunen –
verbleiben bzw. von Europa auf sie zurück übertragen
werden?

Wenn Sie diese Debatte – wie das in einem im Übrigen
nicht zu kritisierenden Dokument der letzten deutsch-ita-
lienischen Begegnung zum Ausdruck kommt – auf das
Jahr 2004 vertagen, wenn Sie nicht unmittelbar nach
Nizza beginnen, die Frage der Kompetenzordnung und
eines Verfassungsvertrages auf die Agenda der europä-
ischen Politik zu setzen, dann werden Sie größere Schwie-
rigkeiten haben, schon das akzeptabel zu machen, was in
Nizza verabschiedet wird.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Menschen wollen wissen: Was kann und was muss

diese Europäische Union machen? Wofür ist sie zustän-
dig, was sind die großen politischen Themen: Auf die Eu-
ropäische Wirtschafts- und Währungsunion, die wir ge-
macht haben, Gott sei Dank mit breiter Zustimmung in
diesem Haus, müssen eine gemeinsame Außen- und Si-
cherheitspolitik, eine gemeinsame Verteidigungspolitik
und, so füge ich hinzu, eine gemeinsame Rüstungs- und
Rüstungskontrollpolitik folgen.


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Ja klar; Rüstung vor allen Dingen!)


– Sie sagen: „Ja klar!“. Aber was war denn das am ver-
gangenen Wochenende? Sie haben von einer „Truppen-
aufstellerkonferenz“ gesprochen, und zum selben Zeit-
punkt müssen Sie sich von einem der führenden früheren
Soldaten öffentlich sagen lassen, dass die notwendigen
materiellen Voraussetzungen, die die Bundesregierung
dazu schaffen muss, überhaupt nicht vorhanden sind. Herr
Naumann hat Ihnen in der Wochenendpresse dezidiert
dargelegt, dass Sie eine Luftbuchung abgegeben haben.
Das ist so, wie Sie es hier vorgeschlagen haben, nicht zu
machen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Es ist ja schön, dass da eine „Truppenaufstellerkonfe-

renz“ stattgefunden hat. Wunderbar! Aber der Verteidi-
gungsminister, der heute Morgen noch nicht einmal hier
im Plenum ist, muss die notwendigen Voraussetzungen
dafür schaffen, dass die Bundeswehr an einem solchen
Eurokorps, wie Sie es vorgeschlagen haben, wirklich teil-
nehmen kann. Fehlanzeige bei dieser Bundesregierung!
Nein, Herr Bundeskanzler, so geht es nicht.

Wir müssen darüber hinaus in der Innen- und Rechts-
politik dafür sorgen, dass die Europäische Union zumin-
dest die Kompetenz erhält, die grenzüberschreitende or-
ganisierte Kriminalität zu bekämpfen. Auch dazu haben

Sie in Ihrer Regierungserklärung praktisch nichts gesagt.
Die Menschen erwarten aber eine Antwort der Regierung
der Bundesrepublik Deutschland auf diese große Heraus-
forderung der Kriminalität, die mittlerweile grenzüber-
schreitend stattfindet. Fehlanzeige bei dieser Bundesre-
gierung, kein Wort zu diesem Thema!


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir sind – ich betone das jetzt ein drittes Mal, damit

Sie nicht immer wieder versuchen, uns zu widerspre-
chen – mit Ihnen auf dem Weg zu einer vertieften Euro-
päischen Union. Wir sind mit Ihnen auf dem Weg, damit
die Europäische Union auch wirklich erweitert und dieser
großen Herausforderung entsprochen werden kann. Das
ist das Projekt einer gesamteuropäischen Friedens- und
Freiheitsordnung, das maßgeblich davon abhängig ist, ob
die Bundesrepublik Deutschland in der geopolitischen
Mitte dieses Kontinents dazu einen eigenen Beitrag leis-
tet. Wenn Sie aber wie heute Morgen völlig emotionslos
und ohne jede innere Anteilnahme an dem, was hier statt-
findet, agieren, dann wird es nicht gelingen, Herr Bun-
deskanzler.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Deswegen sage ich Ihnen zum Schluss:

(Gernot Erler [SPD]: War das schon alles?)


Wir sind bereit, mit Ihnen über viele Details und alle mög-
lichen Sachfragen hier und in den Ausschüssen des Bun-
destages zu streiten.


(Michael Roth [Heringen] [SPD]: Wir haben so lange auf Ihre Vorschläge gewartet!)


– Wissen Sie, wenn Sie noch nicht einmal verstanden ha-
ben, dass ich dargelegt habe, was in den drei großen Be-
reichen – in der Außen- und Sicherheitspolitik, der Wirt-
schafts- und Währungspolitik und der Innen- und
Rechtspolitik – geschehen muss, damit die Europäische
Union handlungsfähig sein muss,


(Uwe Hiksch [PDS]: Luftblasen waren das! – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Jetzt kommt der Oberlehrer, erstens, zweitens, drittens!)


dann haben Sie offensichtlich während der ganzen Zeit
nicht zugehört.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn Sie es aber genauer wissen wollen, will ich Ihnen
an dieser Stelle noch etwas sagen.


(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


– Nein, ich mache es jetzt. Ich hätte es sonst morgen ge-
macht, aber ich will es jetzt an dieser Stelle tun, damit das
vollständig wird: Sie werden auch nicht um die Debatte
darüber herumkommen, wie die Mitgliedstaaten in der
Europäischen Union ihre Rolle in den nächsten Jahren
und Jahrzehnten sehen. Wenn es richtig ist, dass die Mit-
gliedstaaten, die Nationen in Europa, eine wesentliche
tragende Säule der europäischen Integration bleiben, dann




Friedrich Merz

13035


(C)



(D)



(A)



(B)


müssen wir uns auch über das Thema nationale und kul-
turelle Identität der Mitgliedstaaten selbst unterhalten.
Sonst wird es nicht gelingen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Jetzt kommt der Leitkulturhammel!)


– Man kann ja über Worte trefflich streiten, aber wenn Ih-
nen zum Thema einer freiheitlichen Leitkultur in
Deutschland


(Zurufe von der SPD: Leithammel!)

nicht mehr einfällt als diese „Leithammel!“-Zwi-
schenrufe, wenn die Bundesregierung, wenn der Außen-
minister sich an Entenhausen und Mickymaus erinnert
fühlen und wenn die Ausländerbeauftragte der Bundesre-
gierung über Erbsensuppe und Pickelhaube daherschwa-
droniert, dann muss ich dazu sagen: Das ist dem Thema
überhaupt nicht angemessen; die Bundesregierung wird
ihrem Auftrag nicht gerecht, wenn sie nur mit solchen
Plattitüden auf ein Thema reagiert, zu dem die Menschen
Orientierung suchen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Das Thema werden wir Ihnen nicht ersparen. Sie wer-
den auch darauf Antworten geben müssen, was die Mit-
gliedstaaten, die Nationen in der Europäischen Union, im
Inneren zusammenhält. Ich bin sehr dafür und von Grund
auf überzeugt, dass die Bundesrepublik Deutschland nur
dann eine gute Zukunft hat, wenn das europäische Projekt
gelingt. Die Bundesrepublik Deutschland löst sich aber in
diesem europäischen Projekt nicht auf, sondern sie muss
eine eigene Identität und eine eigene Zukunft haben. Auch
über dieses Thema müssen wir reden. Nation und Eu-
ropa schließen sich nicht aus, sondern bedingen sich ge-
genseitig. Ohne Nationen wird Europa nicht gelingen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Zurufe von der SPD)


– Sie können mit Ihren Zwischenrufen bleiben, wo Sie
sind. Die Zustimmung der Bevölkerung der Bundesrepu-
blik Deutschland werden Sie mit dieser Art und Weise,
Europapolitik zu machen, nicht bekommen.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kommt die Leidenschaft für die deutsche Leitkultur, aber von Europaleidenschaft höre ich von Ihnen nichts!)


Wir sind leidenschaftlich auf dem Weg nach Europa.
Wir wollen die Erweiterung und die Vertiefung und wir
sind bereit, Ihnen dabei zu helfen. Wenn allerdings das,
was für Nizza geplant ist, aufgrund mangelnder Vorberei-
tung und aufgrund der von mir beschriebenen Probleme,
die offensichtlich im deutsch-französischen Verhältnis
bestehen, nicht gelingt, dann trägt daran die Regierung
der Bundesrepublik Deutschland ein höheres Maß an Ver-
antwortung, als mit dieser abgelesenen Regierungser-
klärung des Bundeskanzlers heute Morgen zum Ausdruck
gekommen ist.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413500500
Ich erteile Außenmi-
nister Joseph Fischer das Wort.


Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413500600

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Nizza ste-
hen wir vor einem der ganz entscheidenden Schritte nach
vorn, hin zu einem integrierten, zu einem erweiterten Eu-
ropa. In Nizza geht es darum, dass wir in einem wichtigen
ersten Schritt darüber entscheiden, dass im 21. Jahrhun-
dert die europäischen Nationen, die europäischen Völker,
indem sie zusammenfinden, ihr Schicksal – eingebunden
in multilaterale Strukturen – im Wesentlichen selbst be-
stimmen können. Selbst die größten europäischen Natio-
nalstaaten – Frankreich, Deutschland, Großbritannien,
Italien – werden für die anstehenden Herausforderungen
zu klein sein.

Wenn wir nicht zusammenfinden, dann wird dieses Eu-
ropa stagnieren, zurückfallen in die europäische Selbst-
fesselung, in die europäische Problem- und Konfliktlage
der Vergangenheit. Das genau ist die Herausforderung,
vor der wir stehen. Alle Redner haben betont, dass die eu-
ropäische Vereinigung die historische Aufgabe ist, vor
der wir stehen, die jetzt zu bewältigen ist. Wenn man die-
ses so sieht, dann muss man allerdings diese Aufgabe ta-
bulos durchdeklinieren, dann wird man, wie der Bundes-
kanzler heute in seiner Rede sehr präzise dargestellt hat,


(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

die Fragen der Erweiterung und der Vertiefung durch-
deklinieren müssen, und dann wird man feststellen, dass
Nizza ein zentraler Schritt nach vorn sein muss.

Allerdings, Herr Merz, hätte ich mir Ihrerseits schon
einen Hinweis darauf gewünscht, dass wir in Nizza die
Überbleibsel, die „leftovers“, das, was in Amsterdam
während Ihrer Regierungszeit nicht gelöst wurde, zu lö-
sen haben. Das hätte ich mir von Ihnen dann schon ge-
wünscht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Da ich jetzt gerade bei Ihnen bin, verehrter Herr Op-
positionsführer, muss ich Ihnen sagen: Ich habe mich ge-
fragt, wie ausgerechnet Sie dazu kommen, Leidenschaft
zu fordern. Dass ausgerechnet Sie das fordern!


(Lachen und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie haben das Niveau vorgegeben. Ich will gerne darauf
eingehen. Ich leide etwas darunter, dass ich nur noch
Sachdebatten führen darf. Jetzt haben Sie mir die Chance
gegeben;


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


also will ich mich auf Ihr Niveau begeben, wenigstens für
fünf Minuten.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Dann mal los!)

Was werfen Sie dem Bundeskanzler vor? – Sie werfen

dem Bundeskanzler einen Mangel an Leidenschaft vor,




Friedrich Merz
13036


(C)



(D)



(A)



(B)


Sie werfen ihm vor, dass er zum Rinderwahn nichts gesagt
hat, und am Ende landeten Sie bei der Leitkultur.

Zu dieser Debatte um die Leitkultur kann ich Ihnen nur
sagen: Nennen Sie mir ein anderes Volk, eine andere Na-
tion in der Europäischen Union oder unter den Beitritts-
kandidaten, die sich innerlich so schwach fühlt, dass sie
es nötig hätte, diese Debatte um die Leitkultur zu
führen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Sie müssten einmal einen Franzosen fragen, einen
Belgier, einen Niederländer, einen Italiener, einen Polen,
einen Tschechen! – Ich sage Ihnen: Nicht die Deutschen
haben hier eine Schwäche, sondern die demokratische
deutsche Rechte hat nach dem Ende des Kalten Krieges
ein Defizit, in einem zusammenwachsenden Europa ihre
eigene Identität zu definieren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der PDS)


Aber dennoch finde ich, man sollte diese Debatte
durchaus ernsthaft führen. Nur: Nicht die Frage danach,
wie wir uns selbst definieren, beantworte ich mit Enten-
hausen und Mickymaus, sondern wenn ich Sie darüber re-
den höre, fällt mir das ein, Herr Merz. Das ist für mich der
entscheidende Unterschied.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ist das Ihr Niveau?)


Wenn das heute die Leitkultur war, dann kann ich Ihnen
nur sagen: oppositionelle und europapolitische Trostlo-
sigkeit.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Jetzt wird das Niveau aber wirklich dürftig!)


– Ich komme gleich zu den inhaltlichen Punkten.
Ich nehme es als Zustimmung, dass Sie inhaltlich zu al-

len Punkten geschwiegen haben, weil Sie der Linie, die
der Bundeskanzler hier vorgegeben hat, im Grunde ge-
nommen nichts entgegenzusetzen haben. Ich kenne doch
die Positionen; ich kenne die Positionen von Schäuble,
von Pflüger, von Lamers, von Hintze und all den anderen
Europapolitikern. Es ist im Wesentlichen dieselbe Posi-
tion.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Richtig!)

Dann muss ich Sie aber fragen: Haben Sie mit Ihrer Rede
die Position der Bundesregierung in diesen schwierigen
Verhandlungen, bei denen es auch um nationale Interes-
sen ging, gestärkt oder geschwächt?


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ja, was denn?)

Dagegen haben wir, habe ich – bei aller Kritik, die es

nach Amsterdam an der Position von Bundeskanzler Kohl
gab; ich weiß sehr wohl von der Kritik, die es daran gab –
Ihre Position in der Europapolitik damals aus der Opposi-
tion heraus in allen wesentlichen Teilen unterstützt.


(Hans-Peter Repnik [CDU/CSU]: Er hat es besser gemacht als Sie!)


Wir waren nicht daran interessiert, die Position der Bun-
desregierung bei solch schwierigen Verhandlungen zu
schwächen. Auch hinterher, selbst wenn das Ergebnis
nicht gestimmt hat, war die Kritik moderat. Haben wir
nach dem Treffen in Amsterdam die „leftovers“, die
schwierigen Fragen, die nicht gelöst wurden, als Anlass
zu einer Fundamentalkritik genutzt? Nein.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das war doch keine Fundamentalkritik von mir!)


Haben wir, als die schwierige Entscheidung zum EZB-
Präsidenten anstand – jeder von uns weiß, was dort auch
hinsichtlich des deutsch-französischen Verhältnisses
stattgefunden hat –, eine solche Kritik geübt, wie Sie sie
heute geübt haben?

Ich sage Ihnen: Sie haben die Position der Bundesre-
gierung vor diesen wichtigen Verhandlungen nicht im
deutschen Interesse gestärkt – was ich mir gewünscht
hätte –, sondern Sie haben versucht, sie zu schwächen.
Das finde ich fatal.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir stehen in Nizza in der Tat vor einem ganz zentra-
len und wichtigen Schritt. Ich gehöre nicht zu denen, die
meinen, dass unter der französischen Präsidentschaft
keine gute Arbeit geleistet wurde und dass in Nizza nicht
die Voraussetzungen dafür vorhanden sind, nach schwie-
rigen Verhandlungen – sie werden sehr schwierig werden,
weil es in einer sich erweiternden Europäischen Union um
die Verteilung der Gewichte auch zwischen großen und
kleinen Mitgliedstaaten geht – zu einer Lösung zu kom-
men.

Es ist völlig klar: Dabei geht es um viel, nämlich um
die Stimmengewichtung, die Anzahl der Kommissare und
um Mehrheitsentscheidungen. Das sind Fragen, die von
zentraler Bedeutung sind. Darüber hinaus: Wollen wir in
Richtung einer europäischen Verfassung gehen? Natür-
lich wird es auch um die Annahme der Grundrechte-
Charta gehen. Wir wünschen uns, dass die Grundrechte-
Charta in die Verträge aufgenommen wird. Auch
wünschen wir uns selbstverständlich, dass wir in der
ESVP substanziell weiter vorankommen. Wichtig ist aber,
die Beschlüsse, die in diesem Bereich gefasst werden kön-
nen, zu fassen.

Ich hoffe, dass wir all das erreichen. Ich möchte hier im
Gegensatz zum Kollegen Merz doch noch einmal auf das
Problem der Stimmengewichtung eingehen. Es ist doch
tatsächlich so, dass es seit Beginn der Union zwischen der
französischen Republik und der Bundesrepublik Deutsch-
land das Problem der Größenproportion gibt.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Nein! Das stimmt nicht!)


Dieses Problem wurde durch eine politische Entschei-
dung gelöst.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Entschuldigung, es stimmt nicht, was Sie sagen!)





Bundesminister Joseph Fischer

13037


(C)



(D)



(A)



(B)


– Numerisch existiert dieses Problem. Es wurde politisch
gelöst, indem die Gleichrangigkeit beider Länder festge-
schrieben wurde.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das Problem hat sich mit der deutschen Wiedervereinigung erstmals gestellt! Bis dahin ist es keines gewesen! – Gegenruf des Abg. Joachim Poß [SPD]: Das war schon vorher da!)


– Es war schon vorher da. Aber das ist jetzt nicht der
Punkt.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

– Es gab schon vorher die numerische Differenz zwischen
der alten Bundesrepublik Deutschland und Frankreich.
Das ist doch völlig klar. Aber diese Differenz hat sich
durch die Wiedervereinigung noch verschärft. Aber auch
das ist nicht der entscheidende Punkt. Für Frankreich ist
es eine ganz entscheidende politische Frage, ob das Ver-
hältnis trotz der numerischen Bevölkerungsdifferenz
gleichrangig bleibt. Das ist einer der ganz wichtigen
Punkte.

Umgekehrt werden wir ein Prinzip finden müssen – das
machte die Diskussion in Biarritz und danach klar –, das
für alle gilt. Wenn es nur ein deutsch-französisches Pro-
blem wäre – das hat der Bundeskanzler mehrmals be-
tont –, wäre es innerhalb kürzester Zeit durch eine politi-
sche Entscheidung gelöst, weil wir um die Bedeutung des
Verhältnisses der Bundesrepublik Deutschland zur fran-
zösischen Republik wissen.

Was wir in Nizza aber finden müssen, ist eine wirkli-
che Lösung dieses Problems. Es kann nicht sein, dass am
Ende durch den Beitritt vieler kleinerer Staaten die Pro-
portionalität in der Stimmengewichtung – das heißt,
wie viel eine Stimme eines Mitgliedslandes wiegt, wenn
es um Mehrheitsentscheidungen geht – dermaßen aus der
Balance gerät, wie es Wirklichkeit zu werden droht, wenn
wir keine neue Stimmengewichtung erzielen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Was ist dazu der Widerspruch? Bauen Sie doch keinen Popanz dazu auf!)


– Gut, ich stelle fest: Wir werden in diesem Punkt von der
Opposition voll unterstützt. Ich versuche ja, Ihre Unter-
stützung zu den Punkten herauszuarbeiten, zu denen Sie
so beredt geschwiegen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Bei der Frage der Kommission sind Sie schon etwas
deutlicher geworden. Sie haben den Vorschlag unterstützt.
Allerdings muss man bei diesem Thema ehrlicherweise
hinzufügen: Die kleineren Mitgliedstaaten haben zum
Rotationsprinzip leider eine klare Gegenposition bezo-
gen. Ich sage bewusst „leider“; aber man muss es in einer
solchen Debatte realistisch beschreiben. Ich freue mich
über Ihre Unterstützung für diese weiter gehende Forde-
rung. Dennoch denke ich, dass man auch hier einen Kom-
promiss finden kann. Wir wollen – der Bundeskanzler hat
es vorhin nachdrücklich betont – eine starke Kommission.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wir auch!)


– Die Opposition will es also auch – wieder ein Konsens!
Ich würde mir auch eine stärkere Opposition wünschen,
damit ein bisschen mehr Druck vorhanden wäre.

Eine starke Kommission bedeutet für uns, dass die
Zahl der Kommissare nicht beliebig erweitert werden
kann, weil es ansonsten zu Scheinzuständigkeiten kommt.
Das wiederum wäre zulasten der Handlungsfähigkeit der
Kommission. Insofern wird es hier Möglichkeiten geben,
einen Kompromiss zu finden, wenn dieser Mechanismus
in den Verträgen tatsächlich formuliert und nicht als neues
„leftover“ vertagt wird.

Der nächste Punkt: Ausweitung der qualifizierten
Mehrheit. Herr Merz, in dieser Frage haben Sie mit dem
Tremolo des Anklägers das Beispiel der Handelspolitik
genannt. Weil Sie das deutsch-französische Verhältnis an-
gesprochen haben, will ich sagen: Wir wären bei der Han-
delspolitik in der Tat zu sehr weitgehenden Schritten be-
reit. Aber die französische Republik tut sich damit sehr
schwer.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das wissen wir!)


– Gut, aber dann kann man nicht einfach im Brustton der
Überzeugung anklagend fragen: Seid ihr dazu bereit? Wir
sind dazu bereit.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Ich habe die Frage gestellt, warum viele andere nicht reden!)


– Gut, dann will ich Ihnen die Frage beantworten. Es sieht
im Moment so aus, als wenn Frankreich die Frage der
Handelspolitik ganz hoch ansetzen würde. Es gibt einige
andere Fragen – die Frage der Steuerpolitik, des Asyl-
rechts und noch einige Fragen kleinerer Mitgliedstaaten –,
zu denen es schwierige Verhandlungen geben wird, weil
die nationale Interessenlage hier einen Graben lässt, der
noch nicht durch die Möglichkeit zu einem Kompromiss
überbrückt ist. Dennoch glaube ich, dass wir hier zu ei-
nem substanziellen Ergebnis kommen, die Probleme
weitgehend lösen und, ich hoffe, dann auch zu Mechanis-
men der Überwindung finden können, und zwar innerhalb
der Verträge. Aber es ist sehr schwierig, weil hier unter-
schiedliche nationale Interessen zusammengefügt werden
müssen.

Zur verstärkten Zusammenarbeit. Ich fasse das
Schweigen der Opposition hierzu als eine klare Zustim-
mung und auch als ein Lob auf.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie haben auf der Regierungsbank geredet, als ich dazu etwas gesagt habe!)


– Herr Merz, Ihre Ausführungen waren dermaßen erre-
gend, dass das bei uns dazu führte, sie auf der Regie-
rungsbank kommunikativ begleiten zu müssen. Das sollte
Sie doch freuen.


(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist ganz schön arrogant!)


Sie sind gewissermaßen der große Diskursstifter auf der
Regierungsbank. Ich habe bei dieser hochgradig emotio-




Bundesminister Joseph Fischer
13038


(C)



(D)



(A)



(B)


nalen Rede zwar etwas die Emotionen in den Reihen Ih-
rer eigenen Leute vermisst – aber das möchte ich nicht
weiter vertiefen.


(Lachen und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Die verstärkte Zusammenarbeit ist deswegen von so
großer Bedeutung, weil – hier komme ich noch einmal auf
den Beginn meiner Rede zurück – die historische Heraus-
forderung der Vereinigung Europas die Notwendigkeit
der Vertiefung mit sich bringt. Wie der Bundeskanzler ge-
sagt hat, würden wir es uns wünschen, dass nach Mög-
lichkeit alle den nächsten Schritt zur politischen Integra-
tion im Rahmen dieser Verträge tun. Wenn dies aber nicht
der Fall ist, dann dürfen diejenigen, die weitergehen wol-
len und können, nicht daran gehindert werden. Insofern
freuen wir uns – das ist eine originäre Leistung der Bun-
desrepublik Deutschland, dieser Bundesregierung –, dass
etwas, was noch vor einem Jahr als unmöglich angesehen
wurde, seit Biarritz, im Wesentlichen auf der Grundlage
der deutsch-italienischen Initiative, mehrheitsfähig ge-
worden ist, nämlich die verstärkte Zusammenarbeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dann sollte es in Nizza noch gelingen, das Europäische
Parlament zu stärken, die definitiven Strukturen der
ESVP mit einem entsprechenden Beschluss in Kraft zu
setzen und gleichzeitig die Frage der Grundrechte-
Charta zu verabschieden sowie eine Perspektive für das
weitere Vorgehen in den Schlussfolgerungen zu veran-
kern.

Das alles hat nichts mit Vertagung zu tun. Jeder Weg
erfolgt Schritt für Schritt. Bisweilen sind es strategisch
wichtige Schritte, Entscheidungen an einer Weggabelung.
Nizza ist solch ein großer Schritt. Das bedeutet aber nicht,
dass wir mit Nizza am Ende des Weges der politischen In-
tegration angekommen sind. Sie sollten dem Bundes-
kanzler hier nicht unterstellen, wir wollten etwas verta-
gen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das habe ich doch gar nicht getan!)


– Ich gehe auf dieses Argument ein, weil ich es kenne. Ich
kann Ihnen nur sagen: Für uns ist entscheidend, dass in
Nizza keine „leftovers“ bleiben. Für uns ist entscheidend,
dass bei den Schlussfolgerungen eine Perspektive für die
nächsten Schritte eröffnet wird, mit der dann unter der
schwedischen, der belgischen und den folgenden Präsi-
dentschaften weiter gearbeitet werden kann. Dieses hat
der Bundeskanzler mit der Perspektive für 2004 – diese
Zeit werden wir brauchen – sehr konkret beschrieben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich denke, dass wir bei der Erweiterung gut daran tun,
uns an Helsinki zu orientieren. Ich kann nur unterstrei-
chen, was der Bundeskanzler gesagt hat: Vor allen Dingen
Schweden wird sich in seiner Präsidentschaft sehr ener-
gisch um diese Themen zu kümmern haben, wenn den Er-
gebnissen von Nizza ein dauerhafter Erfolg beschieden

sein soll. Der Fortschrittsbericht der Kommission ist
eine gute Grundlage für das weitere Verfahren.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Einschließlich der Fälschungen!)


Es darf keine politischen Gefälligkeitsentscheidungen,
aber auch keine politisch motivierten Bremsentscheidun-
gen geben.


(Dr. Angela Merkel [CDU/CSU]: Eben!)

Das ist für uns ganz entscheidend.

Lassen Sie mich auf Grundlage der Ergebnisse der Ge-
spräche von Helsinki betonen: Wir reden über die Wie-
dervereinigung Europas und dabei kommt Polen eine
ganz besondere Bedeutung zu. Der Zweite Weltkrieg be-
gann durch den Überfall von Nazi-Deutschland auf Polen,
auf den das Vereinigte Königreich und die französische
Republik mit einer Kriegserklärung an Deutschland rea-
gierten. Polen wurde militärisch besiegt, hat aber nie die
Waffen gestreckt; es kämpfte immer für die Freiheit. Po-
len war nach 1945 im System von Jalta auf der falschen
Seite, aber hat erneut nicht die Waffen gestreckt. Das gilt
auch für andere, aber Polen hat eine zentrale historische
Bedeutung: Wir reden bei der Osterweiterung nicht nur
über eine der Erweiterungsrunden, sondern über den Kern
der Wiedervereinigung Europas nach seiner Teilung,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


die unser Land durch den Absturz in die Verbrechen des
Nazi-Regimes verursacht hat.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


Insofern sind wir auch besonders verpflichtet, uns hier
zur engagieren. Vergessen wir nicht: Den ersten wirkli-
chen Stein aus der Mauer hat die polnische Gewerk-
schaftsbewegung Solidarnosc Ende der 70er-Jahre gebro-
chen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich weiß, dass auf diesem Feld ein breiter Konsens be-
steht. Ich will nur die Bedeutung dieses Schrittes klarma-
chen: Für uns ist es von überragender Wichtigkeit, dass
wir die Wiedervereinigung Europas nach der Wieder-
vereinigung Deutschlands hinbekommen. Mit dieser For-
derung kann ich mich auf Helmut Kohl berufen und wir
vergeben uns nichts dabei, wenn wir diesen wirklich be-
deutsamen Teil seines Erbes in eine europapolitische De-
batte einführen. Nebenbei bemerkt: Auch das hätte ich mir
von Ihnen gewünscht.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Da es einen engen Zusammenhang zwischen der Wie-
dervereinigung Deutschlands und der Wiedervereinigung
Europas gibt, fühlen wir uns verpflichtet, auf der Grund-
lage von Helsinki gemeinsam mit unseren polnischen
Freunden alle Anstrengungen zu unternehmen, damit




Bundesminister Joseph Fischer

13039


(C)



(D)



(A)



(B)


Polen die Bedingungen, die ökonomischen, empirischen
und rechtlichen Bedingungen, schafft, um bei einer Er-
weiterung in den kommenden Jahren bei den Ersten zu
sein.

Ich bedanke mich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413500700
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Helmut Haussmann, F.D.P.-Fraktion.


Prof. Dr. Helmut Haussmann (FDP):
Rede ID: ID1413500800
Herr Präsident! Ge-
schätzte Kolleginnen und Kollegen! Es führt kein Weg da-
ran vorbei: Um Europa steht es derzeit nicht gut. Wir alle
spüren, sofern wir uns für die Osterweiterung einsetzen,
dass die Skepsis zunimmt; nur noch ein Drittel unserer
Bevölkerung ist für die Osterweiterung, zwei Drittel sind
dagegen. Das Symbol der Integration, die europäische
Währung, verliert immer mehr an Außenwert und wirkli-
che Reformen zur Stützung des Euro unterbleiben. Bei der
Bevölkerung in Osteuropa und bei den Reformern in die-
sen Ländern nimmt die Enttäuschung zu. Damit wir uns
nicht missverstehen, Herr Fischer: Wir als Opposition
wollen nicht weniger, sondern mehr Europa.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wenn Sie dafür sorgen, das Nizza ein Erfolg wird – Sie
haben dafür nur noch neun Tage Zeit –, haben Sie die volle
Unterstützung der liberalen Fraktion. Als Ergebnis von
Nizza muss die Handlungsfähigkeit Europas gestärkt und
die Tür für die Wiedervereinigung Europas aufgestoßen
werden.

Herr Bundeskanzler, ich habe Ihrer Rede sehr auf-
merksam zugehört. In Ihrem Redetext stand, genaue Ter-
mine hinsichtlich der Osterweiterung seien unangebracht.
Sie haben aber in Ihrer Rede darauf hingewiesen, Sie wür-
den sich in Nizza für eine „road map“, das heißt für einen
konditionierten Beitrittsfahrplan, einsetzen. Das wäre ein
großer Fortschritt. Das heißt, dass unter ganz bestimmten
erfüllten Bedingungen Länder wie Polen oder die Tsche-
chische Republik mit einem Beitrittstermin rechnen kön-
nen. Richtig ist, dass Reformbemühungen in den Bei-
trittsländern unternommen werden müssen; falsch war
aber Ihre Bemerkung, dass die Länder diese Entscheidung
selber zu treffen hätten. Die 15 EU-Staaten treffen die po-
litische Entscheidung, wer Mitglied in Europa wird, ein-
stimmig.

Meine Damen und Herren, was Nizza angeht: Die
Stimmung ist gedrückt. Das Europaparlament droht mit
Ablehnung. Die Chefin des Europaparlaments war hier.
Sie sprach von einem Ergebnis, das eher „médiocre“ aus-
fällt. Dies wurde zunächst mit „mittelmäßig“ übersetzt.
Nachher hieß es: „schlecht, unterdurchschnittlich“.

Außenminister Fischer versteckt sich in Berlin und in
Brüssel hinter abstrakten Visionen. Die deutsch-franzö-
sischen Verhandlungen laufen schlechter denn je.
Deutsche Beamte stehen gewieften sozialistischen Eu-
ropapolitikern gegenüber. – Dies ist ein großes Manko,

meine Damen und Herren. Wir dürfen uns nicht wundern,
dass wir in der Handelspolitik große Probleme haben.

Die schlechten Voraussetzungen für einen Erfolg
dieses wichtigen Gipfels hängen auch mit zwei Proble-
men zusammen, an denen die Bundesregierung als
wichtigste Regierung Europas im Hinblick auf Nizza
entscheidenden Anteil hat. Das eine ist die Ver-
schlechterung des deutsch-französischen Verhältnisses.
Die gegenseitigen Beschuldigungen sind ein schlechtes
Zeugnis. Es hätte nie so weit kommen dürfen. Aber wir
erinnern uns – wir haben das immer wieder gesagt –:
Schon der Start war miserabel. In Frankreich haben die
unsensiblen Auftritte – zunächst von Herrn Lafontaine,
dann von Herrn Trittin – die Atmosphäre von Anfang an
verschlechtert.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die damaligen Pläne des Bundeskanzlers, die er inzwi-
schen aufgegeben hat, das bewährte Sonderverhältnis
zwischen Deutschland und Frankreich um Großbritannien
zu erweitern, haben in Frankreich zu weiteren Missver-
ständnissen geführt. Deshalb können wir Sie nur auf-
fordern: Nutzen Sie die letzten neun Tage vor Nizza, um
auf die französische Präsidentschaft einzuwirken, dass es
zu einem substanziellen Ergebnis kommt, dem auch wir
hier aus Überzeugung zustimmen können.


(Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. Michael Glos [CDU/CSU])


Meine Damen und Herren, der zweite große Fehler der
Bundesregierung war und bleibt die schlechte Behand-
lung kleiner Länder.


(Beifall bei der F.D.P. – Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr wahr! Österreich!)


Alle bisherigen Bundesregierungen haben ihre europä-
ischen Erfolge durch eine besondere Berücksichtigung
der kleineren EU-Staaten erzielt. Die absurde, von der
Bundesregierung geduldete Sanktionspolitik gegenüber
Österreich hat die Erfolgsaussichten für Nizza weiter
geschmälert.


(Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. Michael Glos [CDU/CSU])


Nicht zuletzt trifft dies auf die Behandlung des österrei-
chischen Bundeskanzlers durch Bundeskanzler Schröder
zu. Man konnte es am Fernsehen erleben: ein Treffen erst
auf Vermittlung eines Verbandes, in einem Hotelzimmer,
mit der Bemerkung: Ich habe weitere ausländische Gäste;
nach 25 Minuten ist Schluss.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Das war ein Schüssel-Treiben besonderer Art!)


Diese Art von Behandlung führt dazu, dass nicht nur Öster-
reich, sondern auch andere kleine Länder, auch kleine
Länder in Osteuropa, große Zweifel haben, ob die Bun-
desregierung die bewährte Politik, Anwalt der kleinen
Staaten zu sein, wirklich fortführt.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)





Bundesminister Joseph Fischer
13040


(C)



(D)



(A)



(B)


Daher kann ich nur ganz klar sagen, Herr Außen- und
Europaminister Fischer: Mit einem schwachen Ergebnis
in Nizza können Sie mit unserer Stimme nicht rechnen.
Kommen Sie bitte nicht mit Vertagung auf 2004. Ich halte
diese Diskussion für falsch, weil sie den Druck, in Nizza
zu einem Erfolg zu kommen, eher abschwächt. Ein
schwaches Ergebnis in Nizza – ich hoffe, dass ich von
überzeugten Europäern in der SPD unterstützt werde –
hätte extrem schlechte Folgen für die Osterweiterung, für
den weiteren Euro-Kurs, aber auch hinsichtlich der Zu-
stimmung unserer Bevölkerung zu weiteren europäischen
Fortschritten.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb sage ich: Wir begleiten Sie bei substanziellen
Kompromissen. Aber ohne wesentliche Fortschritte bei
der Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen werden
wir nicht zustimmen, meine Damen und Herren. Ich ver-
weise auf das Europaparlament: Lösen Sie die Blockade,
die durch das Vetorecht verursacht wird, auf. Aber, Herr
Fischer, hüten wir uns davor – davor möchte ich heute
auch warnen –, die verstärkte Zusammenarbeit als Alibi
zu missbrauchen, wenn die Durchsetzung des Mehrheits-
prinzips scheitern sollte; denn wenn die Union aufgrund
der Blockade in wichtigen Bereichen auseinander driftet,
dann wird daran auch die verstärkte Zusammenarbeit
nichts ändern, eher im Gegenteil. Das ist die große Gefahr.
Deshalb muss zuerst das Mehrheitsprinzip durchgesetzt
werden und dann die verstärkte Zusammenarbeit forciert
werden.


(Beifall bei der F.D.P.)

Wir appellieren an Sie: Verhindern Sie ein Scheitern in

Nizza! Ein solches Scheitern, das bisher möglich er-
scheint, hätte verheerende Auswirkungen. Kämpfen Sie
für den Erfolg; zeigen Sie wirkliche Leidenschaft! Europa
ist nicht ein Pflichtthema unter anderen. Die bisherigen
Bundesregierungen hatten auf solchen Gipfeln immer Er-
folg.

Herr Außenminister Fischer, wenn Sie an Maastricht
erinnern, dann kann ich nur sagen: Das, was uns von der
damaligen Opposition, von Herrn Lambsdorff, von der
Deutschen Bundesbank und von der CSU auf den Weg
gegeben wurde, hat die Bundesregierung unter Kohl und
Kinkel mit dem Vertrag von Maastricht umgesetzt, in dem
in vorbildlicher Weise deutsche Stabilitätsinteressen und
europäische Integrationsbestrebungen zusammengeführt
werden.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Heute gibt es nur ein unterdurchschnittliches Ergebnis.

Die osteuropäischen Länder warten dringend auf die
Ergebnisse von Nizza. Ich kann Sie nur auffordern: Wer-
den Sie zum Anwalt dieser Länder! Deutschland ist nicht
irgendein europäisches Land. Von Ihrer Haltung und von
Ihrem Engagement, aber auch von Ihrer Leidenschaft
wird es abhängen, ob Nizza den Weg für die europäische
Einigung freimacht.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413500900
Ich erteile das Wort
dem Kollegen Uwe Hiksch, PDS-Fraktion.


Uwe Hiksch (PDS):
Rede ID: ID1413501000
Herr Präsident! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Die PDS und die europäische Linke
begreifen die Europäische Union vor allen Dingen als
Chance, eine politische, zivilgesellschaftliche Macht als
Ausgleichs- und Demokratiefaktor gegen die sich immer
weiter ökonomisierenden und institutionalisierenden Fi-
nanz- und Kapitalmärkte durchzusetzen. Die Europäische
Union hat vor allen Dingen auch die Aufgabe, die Sorgen
und die Nöte der Menschen aufzugreifen, die spüren, dass
auf der einen Seite der Nationalstaat nicht mehr das leis-
ten kann, was er zu leisten hätte, nämlich soziale Sicher-
heit herzustellen und soziale Daseinsfürsorge zu gewähr-
leisten, und dass auf der anderen Seite die Politikerinnen
und Politiker ihre eigenen Forderungen nicht mehr auf na-
tionalstaatlicher Ebene erfüllen können und die berech-
tigten Interessen der Menschen auf europäischer Ebene
einzuklagen sind.

Deshalb sehen wir es als unsere Aufgabe an, im Rah-
men des Nizza-Prozesses und der gesamten Diskussio-
nen, die momentan über die Zukunft der Europäischen
Union geführt werden, deutlich zu machen, dass die
alltäglichen Sorgen und Nöte der Menschen, die Angst
haben, dass Dinge, die geschaffen wurden, kaputtgehen,
aufgegriffen werden müssen und der Internationali-
sierung der Kapital- und Finanzströme endlich zivilge-
sellschaftlich entgegengewirkt werden muss.


(Beifall bei der PDS)

Die PDS-Bundestagsfraktion hat immer wieder darauf

hingewiesen, dass der bisherige europäische Prozess vor
allen Dingen wirtschaftlich, ökonomisch und monetär
ausgerichtet war, nicht etwa deshalb, um die Europäische
Union zu kritisieren, sondern um deutlich zu machen: Ein
Europa, das sich nicht endlich ökologisch und sozial aus-
richtet, wird von vielen Menschen als Gefahr empfunden
werden. Dann werden solche Reden über Leitkultur, wie
sie Herr Merz hält, und solche nationalistischen Äußerun-
gen wie die von Herrn Meyer eine Art Brandstiftung sein
und mittelfristig den Haiders, die es auch in Deutschland
gibt, den Weg bereiten. Sie sollten sich dafür schämen und
endlich erkennen: Nicht nationalstaatliche Diskussionen,
wie sie der rechte Teil der CDU/CSU führt, müssen jetzt
auf der Tagesordnung in unserem Land stehen; vielmehr
muss endlich eine Diskussion über europäische Integra-
tion und über Solidarität zwischen den verschiedenen
Bevölkerungsgruppen geführt werden. Sie betreiben ein
gefährliches Spiel. Sie zünden etwas an, das das, was wir
täglich erleben, nämlich den Nationalismus in seiner bru-
talsten Form, vorantreibt.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind wir der
festen Überzeugung, dass die Aufgabe der Bundes-
regierung darin bestehen muss, sich für die Daseinsvor-
sorge in der Europäischen Union einzusetzen. Wir fordern
Sie auf, Herr Außenminister, Herr Bundeskanzler, in
Nizza deutlich zu machen, dass das bundesdeutsche




Dr. Helmut Haussmann

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(C)



(D)



(A)



(B)


System und die anderen europäischen Systeme im Be-
reich des sozialen Sektors von den Wohlfahrtsverbän-
den – der Arbeiterwohlfahrt, der Caritas, dem Deutschen
Paritätischen Wohlfahrtsverband – nicht durchkapita-
lisiert werden dürfen, nicht dafür benutzt werden dürfen,
nur noch Gewinne zu machen. Die Aufgabe der Bundesre-
gierung muss darin bestehen, deutlich zu machen, dass
wir mit den Menschen in den Altenheimen, mit den Men-
schen in den Sozialstationen und mit den Menschen und
Beschäftigten in den Behinderteneinrichtungen dafür
kämpfen, dass die Durchkapitalisierung von geschützten
Bereichen nicht passieren darf und Europa die Verant-
wortung hat, die sozialen Bereiche zu erhalten.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Als PDS-Bundestagsfraktion machen wir deutlich,

dass wir uns dagegen wehren werden, dass die Wirt-
schaftspolitik durch eine falsch verstandene Liberali-
isierung zerstört wird; denn die öffentlichen Banken,
allen voran die Sparkassen, leisten einen wichtigen
Beitrag dafür, regionale Strukturentwicklungen zu er-
möglichen. Sie helfen kleinen und mittelständischen Un-
ternehmen und vor allen Dingen geben sie Existenzgrün-
dern das notwendige Kapital. Hier sehen wir eine Aufgabe
der Bundesregierung.


(Beifall bei der PDS)

Wenn die Bundesregierung Europa als Europa der Men-
schen, die hier arbeiten und leben wollen, gestaltet, dann
werden wir sie unterstützen.

Deshalb hat sich die PDS-Bundestagsfraktion auch
deutlich dafür ausgesprochen, dass die Grundrechte-
Charta, so wie sie jetzt vorliegt, hätte weiter gehend sein
müssen, da wir der Überzeugung sind, dass die sozialen
Grundrechte bei weitem nicht so ausgestaltet sind, wie sie
eigentlich sein müssten. Wir vermissen ein Recht auf Ar-
beit. Wir vermissen ein Recht auf Wohnen. Wir vermissen
vor allen Dingen, dass die Grundrechte auch individuell
einklagbar sind. Wir setzen uns dafür ein, dass mit der
Grundrechte-Charta und mit einer schnellen Verankerung
in den Verträgen sowie einer schnellen Einklagbarkeit für
die Menschen in der Europäischen Union ein erster
Schritt in die richtige Richtung getan wird, nämlich Eu-
ropa sozialer als bisher zu gestalten.


(Beifall bei der PDS)

Als PDS wollen wir, dass möglichst viele Menschen zu

den Großveranstaltungen nach Nizza fahren, um bei den
Demonstrationen, die vom Europäischen Gewerkschafts-
bund, den Arbeitslosenverbänden, der Arbeitsloseninitia-
tive, von der Euro-Marsch-Bewegung und der ATTAC an-
geregt wurden, deutlich zu machen, dass die Forderungen
der Menschen nach mehr sozialer Gerechtigkeit, die indi-
viduelle Einklagbarkeit und die bürgerlichen Freiheits-
rechte auf der einen Seite bestehen. Es muss aber auf der
anderen Seite eine Unteilbarkeit der sozialen Grundrechte
geben. Auch die F.D.P. muss lernen, dass das Recht auf Ar-
beit, das Recht auf Wohnen, das Recht auf sozialen Aus-
gleich genauso hoch einzuschätzen ist wie das Recht auf
Freiheit. Wir müssen es endlich schaffen, diesen leidigen
Widerspruch zwischen Freiheitsrechten auf der einen Seite
und sozialen Rechten auf der anderen Seite zu überwinden.


(Beifall bei der PDS)


Deshalb hoffen wir, dass die Hunderttausende, die nach
Nizza kommen werden, Druck auf die Regierungen aus-
üben werden, um die Rechte der Menschen durchzuset-
zen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir sind der
Meinung, dass es vor allen Dingen erreicht werden muss, in
Nizza die „leftovers“ vollständig abzuarbeiten. Nizza wird
darüber entscheiden, ob die Integration der mittelosteuro-
päischen Staaten in die Europäische Union zu einem Erfolg
führt oder mit noch mehr Schwierigkeiten und noch mehr
Bürokratie auf europäischer Ebene verbunden ist. Deshalb
wird die PDS diesen Diskussionsprozess konstruktiv be-
gleiten und deutlich machen, wo wir Weiterentwicklungen
fordern. Wir werden vor allen Dingen von der Bun-
desregierung verlangen – wenn sie dem folgt, werden wir
sie unterstützen –, dass bereits in Nizza eine Nachfol-
gekonferenz mit einer klaren Terminierung festgelegt wird,
um auf dieser Nachfolgekonferenz die sozialen Fragen, die
ökologischen Fragen und die Fragen der Bekämpfung der
Massenarbeitslosigkeit in Europa und in unserem Land
endlich auf die Tagesordnung zu setzen. Deshalb, liebe Kol-
leginnen und Kollegen, wünschen wir uns, dass das, was in
Europa ohne Probleme stattgefunden hat und mit einer
großen Schnelligkeit und Präzision durchsetzbar war, über-
all durchgesetzt wird.

Es geht hier auch um die Frage der Militärpolitik, um
die Frage der Streitkräfte. Die einzige – ich sage das in
Anführungsstrichen – „Erfolgsgeschichte“ der Europä-
ischen Union ist leider die Militarisierung der europä-
ischen Ebene. Wir von der PDS wünschen uns, dass
Diskussionen über Klimafragen, Diskussionen über
soziale Standards, beispielsweise bei der WTO, oder
Diskussionen darüber, wie Kinderarbeit in der Welt
bekämpft werden kann, mit der gleichen Präzision, mit
der gleichen Schnelligkeit und vor allen Dingen in der
gleichen Art und Weise wie Militärfragen durchgesetzt
werden könnten.


(Beifall bei der PDS)

Wir stellen an der Diskussion über die Gemeinsame

Außen- und Sicherheitspolitik fest, dass genau das, was
Rot-Grün als Oppositionsparteien einmal vertreten haben,
dass nämlich das Primat des Militärischen überwunden
werden soll und endlich durch das Primat des Politischen
ersetzt werden muss, aufgegeben wurde. Wir stellen fest,
dass gerade die deutsche Bundesregierung – sie will
18 000 Personen für die gemeinsame europäische Armee
zur Verfügung stellen und wäre dann mit 30 Prozent über-
proportional an dem beteiligt, was europäische Sicher-
heitspolitik sein soll – alles, was sie in der Vergangenheit
einmal vertreten hat, aufgegeben hat. Diese Bundes-
regierung betreibt die Militarisierung der Außenpolitik
und die Militarisierung der Europäischen Union mehr als
die alte Bundesregierung.

Wir werden auch weiterhin dafür eintreten, dass die
Europäische Union als zivile Union gestaltet wird,


(Beifall bei der PDS)

dass es keine Militarisierung der Europäischen Union
geben wird und dass die Europäische Union ihre Aufgabe
vor allen Dingen darin sehen muss, sich als internationaler




Uwe Hiksch
13042


(C)



(D)



(A)



(B)


Kriegsdienstverweigerer dafür einzusetzen, dass die OSZE
gestärkt wird und dass militärische Sicherheitsstrukturen
nicht immer weiter ausgebaut werden, damit das Primat der
Außenpolitik, die friedliche Beilegung von Konflikten,
mehr als bisher zur Geltung kommt.

Deshalb sagt die PDS Nein zu allen Plänen des mili-
tärischen Engagements der Europäischen Union „in und
um Europa“, wie es so schön heißt. Wir sagen Nein zu
einer schnellen, überall einsetzbaren Eingreiftruppe, wie
sie auf der europäischen Ebene aufgebaut werden soll.
Wir sind der Überzeugung, dass zivile Konfliktbewälti-
gung den Einsatz von Militärs verhindert. Man muss
endlich darüber diskutieren, ob es richtig ist, 60 Milliar-
den DM für ein neues Großflugzeug zur Verfügung zu
stellen. Dieses Geld sollte dafür eingesetzt werden, Ar-
beitslosigkeit zu bekämpfen und den Menschen zu helfen.
Man muss endlich erreichen, dass die politische Institu-
tion Europa eine Gegenmacht gegen das wird, was Mili-
tärs außerhalb Europas betreiben, und gegen das, was sich
in den Unternehmen abspielt.

Der Gipfel in Nizza sollte über die Bewältigung der or-
ganisatorischen Aufgaben hinaus endlich ein Signal in
diese Republik aussenden: Menschen, wir nehmen eure
Sorgen und Nöte ernst; wir geben euch keine nationale
Antwort darauf; die Antwort lautet, dass internationale
Zusammenarbeit, dass das Zusammenleben der Völker,
dass das Zusammenleben der Nationen dazu führen
müssen, dass eine große europäische, ökologische und
soziale Union geschaffen wird, die dazu da ist, den Men-
schen im heutigen Europa, vor allen Dingen denjenigen in
Mittelosteuropa, die zu uns kommen wollen, eine sichere
und soziale Zukunft zu geben.

Danke schön.

(Beifall bei der PDS)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1413501100
Ich erteile dem Kolle-
gen Joachim Poß, SPD-Fraktion, das Wort.


Joachim Poß (SPD):
Rede ID: ID1413501200
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Wir befinden uns heute Morgen in einem
Diskurs über die Leidenschaft. Ich meine damit die poli-
tische Leidenschaft im Sinne von Max Weber. Ich habe
den Bundeskanzler so verstanden, dass er mit Leiden-
schaft zur Sache eine Kursbestimmung vorgenommen
hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Davon muss man die künstliche Leidenschaft des Stils
von Herrn Merz unterscheiden. Diese beiden Kategorien
muss man in der politischen Diskussion sehr genau aus-
einander halten.

Ich finde, dass unser Bundeskanzler mit Leidenschaft
zur Sache das gesagt hat, was vom 7. bis zum 8. Dezem-
ber ansteht. Wir sollten die Diskussion heute Morgen
sachlich führen – das wurde auch von Ihrer Seite bekun-
det –: Weshalb ist er in den letzten Tagen so viel in eu-
ropäischen Hauptstädten gewesen, wenn nicht deswegen,
weil es darum ging, die Dinge voranzubringen und ein

mögliches Scheitern – Herr Haussmann, zum Beispiel
von Ihnen wurde es fast an die Wand gemalt – zu verhin-
dern? Motiv war unsere Verantwortung. Dieser Bun-
deskanzler nimmt sie genauso wie sein Vorgänger, der
ebenfalls hier sitzt, wahr. Wir sollten die Debatte heute
Morgen nicht mit falschen Fronten führen. Damit werden
wir unserer Verantwortung als Bundesrepublik Deutsch-
land nicht gerecht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es ist doch wohl unbestritten, dass es in Nizza um einen
politischen Quantensprung geht und dass Erfolg und Miss-
erfolg eng beieinander liegen, übrigens ganz unabhängig
von der Erweiterung. Wir wissen, dass sich die Union
grundlegend reformieren muss. Aber das wissen wir doch
nicht erst seit dem Jahre 2000. Herr Fischer hat zu Recht
darauf hingewiesen, dass jetzt der dritte Anlauf zu einer
Reform genommen wird. Bei all seinen Verdiensten hat
der Vorgänger dieses Bundeskanzlers in Maastricht und
Amsterdam nicht das geschafft, was jetzt in Nizza
angepackt werden muss. Dies schmälert nicht seine Ver-
dienste; aber man muss es feststellen. Das muss jetzt
gemeinsam bewältigt werden.

Die Herausforderungen sind doch so groß, meine
Damen und Herren, weil es sich um nichts Geringeres als
um die Teilung und Neuaufteilung von Macht handelt.


(Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Das war immer so!)


Deshalb tut sich die Europäische Union so schwer, dass
sie einen dritten Anlauf nehmen muss, um zur Einführung
der qualifizierten Mehrheit als Regel, zur Neugewichtung
der Stimmen im Ministerrat und zur Bestimmung der
zukünftigen Zahl der Kommissare zu kommen.

In dieser Situation, Herr Haussmann, ist es doch – auch
für das Gespräch mit den Bürgerinnen und Bürgern – hilf-
reich, sich des geschichtlichen Kontextes zu versichern.
Am Anfang der Europäischen Union standen, unter dem
Eindruck zweier furchtbarer Weltkriege, sicherheitspoli-
tische Motive. Durch Verflechtung der Nationalstaaten
sollten bewaffnete Auseinandersetzungen unter ihnen für
die Zukunft weitgehend ausgeschlossen werden. Das be-
deutete, Deutschland in die euro-atlantischen Institutio-
nen fest einzubinden. Darüber hinaus ging es darum,
einen Zusammenschluss gegen die Expansionsbestrebung
des Stalinismus zu bilden. Erst Jahre später kam das
Wohlstandsmotiv hinzu: Zunächst durch die Schaffung
des Binnenmarktes, später durch die Schaffung einer
gemeinsamen Währung wurden und werden zusätzliche
Wachstumskräfte freigesetzt, die die einzelnen Öko-
nomien alleine nicht hervorbringen können.

Wir müssen jetzt fragen, was von diesen Motiven heute
geblieben ist. Das ökonomische Momentum, die Steige-
rung des Wohlstandes, gilt nach wie vor. Das sicherheits-
politische Motiv hat sich sicherlich ein wenig verändert.
Im Vordergrund steht heute das stetige Bemühen, Macht-
differenzen zwischen den europäischen Staaten nicht
durch „balance of power“, durch Allianzen und Gegenal-
lianzen, sondern durch politische Integration auszuglei-
chen.




Uwe Hiksch

13043


(C)



(D)



(A)



(B)


Ein wesentliches inneres Merkmal der EU, das in
Zeiten der Globalisierung, wie wir alle wissen, ohne Al-
ternative ist, ist die Abgabe von Souveränität an gemein-
same Institutionen.


(Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Richtig!)

Auch wissen wir alle – zumindest theoretisch, auch wenn
es schwer ist, dies umzusetzen –, dass die EU weltpo-
litisch nur dann ein handlungsfähiger und ernst zu neh-
mender, weil machtvoller Akteur ist, wenn sie mit einer
Stimme spricht. Wir machen doch gerade leidvolle Er-
fahrungen damit, dass wir die Rolle noch nicht spielen
können, die wir spielen könnten, wenn wir all das, was
in Nizza ansteht, schon bewältigt hätten.

Damit sind die strategisch bedeutsamen Vorbereitun-
gen angesprochen, die die EU selbst leisten muss, um
neue Mitglieder aufnehmen zu können. Die weitere Ab-
gabe von Souveränität muss von den Bürgern der Mit-
gliedsstaaten akzeptiert werden. Dies wird – bei aller
Kompromissbereitschaft der Bundesregierung, die hier
bekundet wurde – nur gelingen, wenn die Stimmen im
Ministerrat so gewichtet werden, dass nicht eine Minder-
heit von EU-Bürgern, die von einer Mehrheit vergleichs-
weise bevölkerungsarmer Staaten repräsentiert werden,
die Mehrheit von EU-Bürgern, die in vergleichsweise
großen Staaten leben, überstimmen kann. Dies ist für uns
eine zentrale Frage, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir müssen berücksichtigen, dass die mit Mehrheit
getroffene Entscheidung im Ministerrat eine Entschei-
dung von Staaten über Staaten bedeutet. Um mit den
großen Vorhaben der Vertiefung und Erweiterung die
Kluft zwischen Politik und Bürgern nicht noch weiter zu
vergrößern, benötigen wir gerade jetzt den von Europa
wirklich überzeugten Bürger, Herr Haussmann.


(Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Richtig!)

– Da sind wir uns einig. – Wir benötigen eine europäische
Öffentlichkeit, europäische Parteien und europäische In-
teressenverbände. Denken wir an den Ausruf von Jean
Monnet: „Wir einigen keine Staaten, wir führen Menschen
zusammen.“ Das ist unsere gemeinsame Aufgabe und an
dieser Aufgabe müssen wir auch hier im Parlament ar-
beiten, auch heute Morgen. Das haben Sie nicht gemacht
und Herr Merz schon gar nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie haben nicht die notwendigen Voraussetzungen geschaf-
fen, um diesen Dialog in den nächsten Jahren zu organi-
sieren.

Die wirklich zentrale Herausforderung, die die Erwei-
terung mit sich bringt, ist, die Mehrheitsentscheidung
zur Regel werden zu lassen. Nur so bleibt die EU nach der
Aufnahme neuer Mitglieder nach innen und außen hand-
lungsfähig. Die demokratische Legitimation europäischer
Politik muss gestärkt werden. Bei allen Legislativbe-
schlüssen – der Bundeskanzler hat es ja unterstrichen –,
die der Rat mit qualifizierter Mehrheit trifft, muss das Eu-

ropäische Parlament zukünftig im Rahmen des Mit-
entscheidungsverfahrens beteiligt werden. Sie, Herr
Haussmann, haben ja hier sehr deutlich gesagt, wie die
F.D.P. sich hier verhalten könnte. Wir wissen, wie sich das
Europäische Parlament verhalten könnte, wenn wir in un-
serem eigenen wohlverstandenen Interesse die Interessen
des Europäischen Parlaments berücksichtigten. Wie ste-
hen wir zum Beispiel zu der Forderung des Europäischen
Parlamentes nach Mitentscheidungsrechten in allen
Bereichen der Wirtschafts- und Währungspolitik? Ich bin
dafür, die Warnungen aus dem Europäischen Parlament
ernst zu nehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)


Die Vertiefungsvorhaben, die so genannten „left-
overs“, müssen bewältigt werden, bevor neue Staaten
aufgenommen werden können. Mein Eindruck ist, dass
die Europäische Union größte Anstrengungen unter-
nimmt, diese in der europäischen Geschichte einzigartige
Herausforderung zu meistern. Was soll dann in diesem
Zusammenhang der Pessimismus, der insbesondere von
Ihnen verbreitet wurde? Ohne Optimismus geht es nicht.


(Jörg van Essen [F.D.P.]: Realismus!)

Das hat doch auch der ehemalige Bundeskanzler be-
wiesen.

Wir alle müssen berücksichtigen, dass die Europäische
Union aus Stabilitätsgründen die Staaten Südosteuropas
ebenfalls eingeladen hat und ihnen die Perspektive
eröffnet hat, Mitglieder der euro-atlantischen Institutio-
nen zu werden. Wir müssen von daher aufpassen, dass wir
die Strukturen der EU im Zuge der europäischen Einigung
nicht überdehnen. Schnelle Beitritte in eine unvorbereite-
te Union haben für keine Seite einen Nutzen, da die EU
ihre Verheißungen – sie verspricht ja mehr Wohlstand und
nach wie vor Sicherheit vor Krieg – dann in Zukunft
vielleicht nicht mehr so gut wie bisher erfüllen kann.

Werner Weidenfeld, einer der Mentoren der europapoli-
tischen Diskussion, mahnt mit Blick auf eine mögliche
Überdehnung die Vorstellung eines föderalen Europa an.
Er beschreibt sehr präzise die Probleme einer EU mit
28 Mitgliedern. Ich füge hinzu, dass eine geografisch
definierte Union sogar 36 Mitglieder hätte. Ein solches
Gebilde käme dem Charakter der OSZE, des Europarates
oder der Vereinten Nationen näher als dem Ideal der
Gründergeneration. Ähnliche Sorgen trieben wohl auch
Willy Brandt um, als er mit Blick auf die zukünftige
Größe der EU warnend sagte:

Wenn also von Architektur die Rede ist, widerrate ich
jeder möglichen Neigung zur Gigantomanie.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Also nicht die Türkei!)

Damit hier überhaupt kein Missverständnis aufkommen
kann – mir ist bewusst, Herr Kollege Glos, dass Ihnen ein
Wort wie „Gigantomanie“ viel flüssiger als mir über die
Lippen geht –:


(Peter Hintze [CDU/CSU]: Kein Neid!)





Joachim Poß
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Das sind keine Argumente gegen die Erweiterung der EU,
sondern Hinweise auf die Größe der politischen und auch
intellektuellen Aufgabe – da wären wir wieder bei Ihnen,
Herr Glos –, die wir zu meistern haben, um die Teilung
Europas zu überwinden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mit Besorgnis muss ich in diesem Zusammenhang fest-

stellen, dass die CDU/CSU dabei ist, sich von einer be-
währten politischen Tradition zu verabschieden. Damit
meine ich die Tradition des fraktions- und parteiüber-
greifenden europapolitischen Konsenses.


(Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Wir können nicht allem zustimmen!)


Warum, Herr Merz, war es nicht möglich, für die heutige
Debatte einen gemeinsamen Antrag der Fraktionen des
Deutschen Bundestages zu formulieren? Wenn man den
Text der Anträge vergleicht, kann man feststellen: Das
hätte sehr wohl möglich sein können. Warum war es also
nicht möglich, einen gemeinsamen Text zu formulieren?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Zu wenig war das!)


Unter Verkennung der europapolitischen Auswirkun-
gen leisten Sie sich in diesen Wochen zudem eine un-
sägliche Debatte über die so genannte deutsche freiheit-
liche Leitkultur. Kann man an dieser Debatte ablesen,
meine Damen und Herren von der Union, wie sich ein von
Ihnen regiertes Deutschland in Europa aufführen würde?
Ich ahne da nichts Gutes.


(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Die von Ihnen ausgelöste Diskussion kultiviert bereits
wieder die unselige Tradition deutscher Überheblichkeit.


(Beifall bei der SPD)

Sie schaden damit unserem Ansehen in der Welt und den
außen- und europapolitischen Interessen unseres Landes.

Ich glaube, dass in der letzten Woche in der „Zeit“ die
gegenwärtige Situation der CDU – das gilt auch für den
Auftritt von Herrn Merz heute Morgen – richtig beschrie-
ben wurde:

Großmäulig in der Form, unbestimmt in der Sache
und jederzeit bereit, sich zum Lautsprecher sämtli-
cher Unmutsstimmungen zu machen, die man in der
Bevölkerung vermutet, das scheint bis auf weiteres
das Erfolgsrezept zu sein, mit dem die Parteiführung
den Aufbruch in die Zukunft zu bewerkstelligen
sucht.

Es wird hochgefährlich, dieser Rezeptur zu folgen, wenn
es um das Thema Europa in Bezug auf Vertiefung und Er-
weiterung geht.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie fordern Kompetenzabgrenzung und Subsidiarität.
Das ist nicht falsch. Aber wer das so wie Sie erreichen
will, der muss wissen, dass sich dahinter die nationale
Grammatik eines bayerischen Politikers verbirgt, der nur

zu gern der nächste Kanzlerkandidat der Union werden
würde. Ministerpräsident Stoiber polemisiert bei jeder
Gelegenheit – bei Herrn Merz klang dies ebenfalls an –
gegen den angeblichen europäischen Superstaat.


(Zuruf des Abg. Dr. Gerd Müller [CDU/CSU])

– Ich habe den Parteitag durchaus verfolgt, Herr Müller. –
Er bedient sich dabei eines durchschaubaren Tricks, in-
dem er Nationalstaat und Nation gleichsetzt. Damit soll
nach Ihrer Lesart jeder, der sich dann aus guten Gründen
für die weitere Übertragung nationalstaatlicher Souverä-
nität an die Europäische Union einsetzt, zu einem Für-
sprecher des nationalen Ausverkaufs gemacht werden.
So mobilisieren Sie antieuropäische Ressentiments in
Deutschland und wecken einen Geist, den Sie nicht mehr
in die Flasche zurückbekommen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Christian Sterzing [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Der europäische Superstaat, der Ihrer Meinung nach die
Nationen vernichtet, ist ein Popanz. Niemand will einen
solchen Staat. Wir wollen nicht die Nationen gegen Europa
ausspielen, so wie es Herr Merz zu unterstellen versucht
hat. Was wir aber wollen, ist eine starke Europäische Union
als Katalysator für die europäischen Nationalstaaten. Nicht
aufgrund eines Brüsseler Bürokratismus, sondern wegen
der Stürme der wirtschaftlichen und politischen Globalisie-
rung haben die europäischen Nationalstaaten längst ihr
Standvermögen in zentralen Bereichen verloren. Das ist
nicht zu leugnen; damit müssen wir umgehen.

Ein Souveränitätszuwachs der Europäischen Union be-
deutet von daher im Kern eine Stärkung der europäischen
Nationen. Auf der Basis dieser Klarstellung lässt sich dann
sehr wohl über Aufgabenverteilung und Demokratisierung
in der Europäischen Union diskutieren.

Meine Damen und Herren von der Opposition, es war
Bundeskanzler Gerhard Schröder, der diese Frage auf die
Tagesordnung gebracht hat und der diesen Prozess voran-
treibt. Er hat sich auch heute Morgen dazu geäußert.

Ob wir am vorletzten Wochenende auf dem Parteitag
der CSU neue europapolitische Töne gehört haben, wird
sich noch erweisen. Wir werden abwarten müssen, ob und
wie die neuen Worte des Parteivorsitzenden Stoiber in Ta-
ten umgesetzt werden. Wir haben sehr wohl gehört, dass
der CSU-Chef von der erweiterten Union als einer größe-
ren politischen Kraft mit einem größeren politischen Ge-
wicht gesprochen hat. Es ist auch aufgefallen, dass Herr
Stoiber über ein Europa mit mehr als 15 Mitgliedern
spricht. Aber diese Worte bleiben zunächst ohne Folgen;
denn sonst hätten wir einen gemeinsamen Antrag in die-
ser Bundestagsdebatte.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Christian Sterzing [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Widerspruch des Abg. Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.])


Europäische Politik ist kein Geschicklichkeitsspiel,
welches man so oder anders betreiben oder vielleicht auch
lassen kann. Europäische Politik darf man nicht nach dem
Motto betreiben, welche Auszahlungsprämie man sich da-
von erhoffen kann. Vielleicht erkennen Sie irgendwann,




Joachim Poß

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dass so das eingesetzte Kapital verspielt wird. Wenn le-
diglich so gedacht und gehandelt würde, würden die Mit-
spieler, also die Staaten Europas, allesamt verlieren. Das
war auch die Maxime, von der sich Ihr ehemaliger Bun-
deskanzler leiten ließ.

Die Bundesregierung und die sie tragenden Koaliti-
onsfraktionen wollen den Erfolg von Nizza. Die von der
Bundesregierung gemachten Vorschläge sind zukunfts-
weisend. Die Bundesregierung hat die französische Rat-
spräsidentschaft bei der Vorbereitung des Gipfels von Bi-
arritz und natürlich auch des von Nizza nach Kräften
unterstützt. Sie, meine Damen und Herren von der
CDU/CSU-Opposition, wissen das genau. Das wurde
auch bei der Rede von Herrn Merz deutlich. Deswegen hat
er doch zu zentralen Punkten geschwiegen, wie der
Außenminister zu Recht festgestellt hat,


(Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Wo ist denn der Europaminister?)


und mit Schweigen Zustimmung angedeutet. Aber in sei-
nen letzten Satz hat er die Drohung hineingelegt, dass
man, falls es in Nizza nicht klappt, schon einen Schuldi-
gen hätte, nämlich die deutsche Bundesregierung. – Das
kann keine Linie in der Europapolitik sein. Das wäre in
der Tat viel zu billig.


(Beifall bei der SPD)

Deswegen meine Bitte an Herrn Merz: Verhelfen Sie

den Kollegen Hintze, Lamers, Rühe, Pflüger und auch an-
deren Europapolitikern zu einer Mehrheit in Ihrer Frak-
tion, die Sie als gesamte Fraktion wieder zur europapoli-
tischen Vernunft zurückbringt. Blockieren Sie nicht
länger die für unser Land und für Europa notwendige Po-
litik!

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Es lebe die freie Rede!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413501300
Das Wort
hat jetzt der Kollege Peter Hintze von der CDU/CSU-
Fraktion.


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1413501400
Herr Präsident! Meine sehr
geehrten Damen und Herren! Wir haben gerade im Ple-
num lange gerätselt, warum Herr Poß hier für die Sozial-
demokraten spricht. Wir haben nach längerem Nachden-
ken den Grund gefunden: Die Sozialdemokraten haben
jemanden gesucht, der es nicht besser macht als der Bun-
deskanzler. Das ist Herrn Poß heute gelungen; das können
wir bestätigen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Was Sie machen, ist auch nicht besser als das, was Ihr Fraktionsvorsitzender macht! – Gernot Erler [SPD]: Er ist einfach zuständig! Das muss man wissen!)


Der Bundesaußenminister hat heute leider keine Aus-
kunft darüber gegeben, ob er bei den Sitzungen der Re-

gierungskonferenz gefehlt hat. Vielleicht sagt uns das ja
noch ein anderer Vertreter der Regierung. Stattdessen hat
er dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU vorgehal-
ten, in den USA, in Frankreich und in Tschechien gebe es
keine Leitkulturdebatte wie in Deutschland. Warum gibt
es in den USA, in Frankreich und in Tschechien keine sol-
che Debatte?


(Gernot Erler [SPD]: Weil die keinen Merz haben!)


Es gibt dort keine solche Debatte, weil das, was Friedrich
Merz angesprochen hat, in den von Ihnen zitierten Ländern
eine blanke Selbstverständlichkeit ist und es dort keine sol-
chen hysterischen Reaktionen wie hier in Deutschland gibt,
wenn man eine solche Selbstverständlichkeit ausspricht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann hat der Bundesaußenminister hier die Unterstüt-

zung der Opposition für die Regierungskonferenz einge-
fordert. Zuhören hätte geholfen. Der Fraktionsvorsitzende
der CDU/CSU hat heute – auch Herr Haussmann hat das
für die F.D.P. getan und ich wiederhole das gerne – gesagt,
dass die Opposition die Bundesregierung hinsichtlich der
anstehenden Verhandlungen in allen Punkten, die der Herr
Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung angespro-
chen hat – ob es um die verstärkte Zusammenarbeit, um
die Neugewichtung der Stimmen im Rat, um die Stärkung
der Kommission, um das Europäische Parlament oder um
die Osterweiterung geht –, unterstützt. Hier wird ein Po-
panz aufgebaut, wenn dem Fraktionsvorsitzenden unter-
stellt wird, er habe das nicht gemacht. Man hat nicht zu-
gehört!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Gernot Erler [SPD]: Es fehlte die Leidenschaft, Herr Kollege!)


– Jetzt bleiben Sie mal einen Moment ruhig.
Was wir – wie ich finde, zu Recht – kritisieren, ist die

Differenz zwischen den richtigen Worten und den erleb-
baren Taten. Da machen wir uns Sorgen und die sprechen
wir hier an.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Unsere Sorge ist, dass die Europäische Union – unter

Mitverantwortung dieser rot-grünen Bundesregierung –
in den letzten zwei Jahren in wichtigen Feldern an Hand-
lungsfähigkeit verloren hat. Die Beitrittsverhandlungen
verlaufen ausgesprochen schleppend. Formal hat das
natürlich die Kommission, de facto die französische Prä-
sidentschaft, zu verantworten. Aber wir sind bei diesen
Verhandlungen ein wichtiger Partner. Die Agenda 2000,
hier in Berlin groß gefeiert, war ein ziemlich bröckeliger
Kompromiss auf einem ziemlich niedrigen Niveau. Das
Ergebnis von Nizza steht auf des Messers Schneide.

Nun habe ich der aktuellen Ausgabe des „Spiegel“
– Helmut Kohl hat immer gesagt, wir sollen den „Spiegel“
nicht so ernst nehmen; aber ab und zu muss man doch ein-
mal hineinschauen – entnommen, dass Bundeskanzler
Schröder in Deutschland alles hat stehen und liegen
lassen – der Kulturstaatsminister ist ihm inzwischen ab-




Joachim Poß
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handen gekommen –, um die Regierungskonferenz von
Nizza doch noch vor dem Scheitern zu bewahren.


(Gernot Erler [SPD]: Das nenne ich Leidenschaft! – Joachim Poß [SPD]: Leidenschaft zur Sache!)


Ich finde das ja richtig. Herr Bundeskanzler, das ist eine
gute Aktivität.

Die Frage, die wir uns mit Blick auf die letzten zwei
Jahre Ihres Regierungswirkens stellen, ist, ob diese Akti-
vität möglicherweise etwas zu spät kommt und ob nicht
zu viel Zeit verspielt wurde.


(Gernot Erler [SPD]: Nein, nein! Das ist nicht so! – Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Das ist der Punkt!)


Ich habe soeben voller Freude wahrgenommen, dass Sie
gesagt haben, Sie hätten mit Bundeskanzler Schüssel im
Hinblick auf den Gipfel in Nizza Vereinbarungen getrof-
fen. Es ist für uns eine große Freude, dass Österreich
trotz der Demütigungen, die es erlebt hat, zu uns steht und
dem Gipfel von Nizza zum Erfolg verhelfen will.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Aber war es denn nötig, mit Österreich derart herumzu-
hakeln, einen solchen Krampf zu veranstalten und da-
durch so viel Energie zu vergeuden?

Die Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich
ist ein schwieriges und kompliziertes Thema; ich weiß
das. Ich stelle hier ausdrücklich fest: Wir nehmen den
Bundesaußenminister in Schutz, wenn er von politisch
Verantwortlichen unseres großen Nachbarn in einer nicht
akzeptablen Weise verbal angegangen wird.


(Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: So weit darf es gar nicht kommen!)


Aber natürlich ist es eine zentrale Aufgabe der deutschen
Politik, das deutsch-französische Verhältnis in Ordnung
zu halten und es gar nicht erst so weit kommen zu lassen,
wie dies heute der Fall ist. Wir müssen den früheren
Regierungen, zum Beispiel der Regierung unter Helmut
Kohl, deutlich bescheinigen, dass auf diesem Gebiet eine
erfolgreiche Politik gemacht worden ist. Die jetzige Form
der Beziehungen stört uns alle. Auch das Gegeneinander
von Großen und Kleinen ist keine gute Sache.

Nun rennt also der Bundeskanzler durch Europa und
versucht zu reparieren; das ist gut. Aber anders als in dem
Film „Lola rennt“, in dem die Handlung immer wieder
neu einsetzt, bis die Akteure die Sache am Ende in Ord-
nung gebracht haben


(Gernot Erler [SPD]: Haben Sie den gesehen, Herr Kollege?)


– allerdings –, gibt es hier diese Chance nicht. Auf dem
Gipfel in Nizza muss man, Herr Bundeskanzler, zu einem
ordentlichen Ergebnis kommen. Was die inhaltlichen
Punkte angeht – ich wiederhole das –, haben Sie die Un-
terstützung der CDU/CSU-Fraktion. Wenn der Bundes-
außenminister dem Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU

zugehört hätte, hätte er das seiner Rede klar entnehmen
können.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Beim Betreten des Reichstagsgebäudes fragte mich

heute ein Reporter von n-tv, woran es eigentlich liege,
dass trotz der großen Bedeutung des Europathemas die öf-
fentliche Aufmerksamkeit für dieses Thema so gering
sei. Ich bin der Überzeugung, dass der Gipfel von Nizza
einen Beitrag dazu leisten kann, auch in diesen wichtigen
Fragen eine größere europäische Öffentlichkeit herzustel-
len und die Aufmerksamkeit zu steigern, und zwar dann,
wenn es uns auf der Regierungskonferenz gelingt, die
Entscheidungsprozesse transparenter zu machen und die
Verantwortlichkeiten eindeutiger zu gestalten. Was die
Menschen beschwert, ist, dass sie ein Europaparlament
wählen und dann keinen Zusammenhang mehr zwischen
ihrer Wahlentscheidung und den auf europäischer Ebene
getroffenen politischen Entscheidungen erkennen. Denn
es gibt auf der europäischen Ebene keine klare Trennung
von Exekutive und Legislative. Da hören die Menschen
etwas von einem Ministerrat, der zugleich eine Art Parla-
ment und ein Exekutivorgan darstellt. Es ist nicht klar,
wer eigentlich für was zuständig ist.

Auch das so wichtige Thema BSE, das die Menschen
im Moment sehr beschäftigt und ihnen große Sorgen be-
reitet – Friedrich Merz hat es angesprochen –, können wir
nicht allein angehen; das ist eindeutig. Im Gegenteil: Die-
ses Thema ist eine Herausforderung für die europäische
Politik, und zwar in zweifacher Weise: Zum einen sollten
wir sagen, dass BSE eine große Bedrohung für die Tiere
und möglicherweise auch für die Menschheit ist, die wir
gemeinsam angehen müssen. Zum anderen müssen wir
unsere Institutionen und Verfahren daraufhin überprüfen,
ob sie für die Bewältigung dieses Problems tauglich sind.
Das ist eine ganz wichtige Angelegenheit.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Übrigens, nebenbei festgestellt: In der Kette der letzten

vielen Ministerrücktritte – es wurden ja der Verkehrsmi-
nister und der Kulturstaatsminister ausgewechselt – habe
ich einen in der Tat vermisst: Der Minister, der wirklich
ausgewechselt gehörte, ist der Landwirtschaftsminister.
Dessen Pirouetten in den letzten Wochen und Tagen wa-
ren abenteuerlich!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Wie heißt denn der? – Gernot Erler [SPD]: Das gehört aber nicht zu Nizza, Herr Kollege! – Weitere Zurufe von der SPD)


Zur Struktur von Europa ist zu sagen: Wir haben ei-
nen Gesundheitsministerrat, einen Agrarministerrat, ei-
nen Verbraucherministerrat und einen allgemeinen
Rat, der leider seine allgemeine Funktion längst verloren
hat. Wir müssen diese Strukturen neu ordnen. Deswegen
ist das, was wir gerade im Zusammenhang mit
dem Post-Nizza-Prozess gefordert haben, sehr wichtig,
nämlich dass wir eine Verfassung in Form eines
Verfassungsvertrages, der die Trennung von Exekutive




Peter Hintze

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und Legislative herstellt und der wieder einen allgemei-
nen Rat schafft, in dem auch tatsächlich die gesamte und
zentrale Verantwortlichkeit zusammengeführt wird, er-
halten. Das jetzige Nebeneinander, das zum Ergebnis hat,
dass derjenige, der zum allgemeinen Rat gehört, sagt, zu
dieser oder jener Sitzung gehe er nicht, weil ihm das zu
langweilig sei und sowieso alles auseinander drifte, sollte
beseitigt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Deswegen wollen wir einen Rat aus echt für Europa ver-
antwortlichen Ministern, der die zentrale Verantwortung
hat, und die gesamten Fachministerräte müssen Fachaus-
schüsse dieses einen zentralen Rates werden.

Nun will ich gerne dem Herrn Bundeskanzler bestäti-
gen, dass auch aus unserer Sicht die mit Abstand wichtigs-
te Reform der EU der Übergang zur qualifizierten Mehr-
heit ist. Ich weiß, das war auch in Deutschland immer ein
Thema. Früher haben wir auch oft Angst gehabt. Diese
Einstimmigkeitsregel ist ja eine Angstregel. Wir haben
Angst davor, es würde irgendetwas beschlossen, was ge-
gen uns ginge. In Wahrheit ist es aber eine Fesselungsre-
gel; das erkennen wir mehr und mehr. Wenn wir größer
und nicht schwächer werden sollen und stark und erfolg-
reich bleiben wollen, dann muss diese Fessel gelöst wer-
den.

Deswegen ist unser nachdrücklicher Wunsch – obwohl
wir bei dem einen oder anderen Thema auch noch diesen
oder jenen Gedanken haben –, dass es in Nizza zu einem
klaren Votum weg von der Einstimmigkeitsfessel hin zur
qualifizierten Mehrheit kommt. Das ist das wichtigste
Kernstück der Reform.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Darin unterstützen wir Sie nachdrücklich und öffentlich.
Es kommt auch nicht so sehr auf die Zahl der Bestim-
mungen für die dann die qualifizierte Mehrheit gelten soll,
sondern auf ihre Substanz und ihre Bedeutung an. Dafür
haben Sie die Unterstützung der Opposition; denn Europa
wird seine Rolle im 21. Jahrhundert in dieser Welt nur
wahrnehmen können, wenn es diese Handlungsfähigkeit
in seinen Abstimmungsverfahren herstellt.

In Nizza schlägt die Stunde der Staatsmänner. Ich sage
jetzt ohne Unterton oder Verweis auf verliehene Preise: In
Nizza wird sich entscheiden, ob die Verantwortung, die in
Ihren Händen liegt, wirksam genutzt wird, nicht nur für
unser Land, sondern für Europa, das vor der Chance sei-
ner Wiedervereinigung und vor großen Aufgaben und
Herausforderungen steht. Dabei sind die eben genannten
Punkte zentral. Auch die verstärkte Zusammenarbeit ist
ein ganz wichtiger und zentraler Punkt. Im Zusammen-
hang mit dem Verfassungsvertrag müssen wir schauen,
dass der Prozess auch nach dem Gipfel von Nizza weiter-
geht. Sie, Herr Bundeskanzler, haben dafür 2004 genannt.
Das ist aus unserer Sicht wirklich das mit Abstand spätes-
te Datum. Aber die Zeit bis dahin muss genutzt werden.
Ich hoffe, dass auch die Bundesregierung das so sieht und
unterstützt, damit ein solcher Verfassungsvertrag klug er-
arbeitet werden kann.

Zur Erarbeitung will ich ein Wort sagen: Ich habe das
Gefühl, dass die Methode der Regierungskonferenzen
mittlerweile an eine Erschöpfungsgrenze gekommen ist.
Wir hatten die Einheitliche Europäische Akte, wir hatten
Maastricht und Amsterdam, aber das Handeln wird ir-
gendwie kraftloser. Was uns bei der Grundrechte-Charta
gelungen ist, nämlich eine neue Form der Erarbeitung ei-
nes europäischen Themas zu finden, das müssen wir als
Idee auch in die Vorarbeiten für die Konferenz 2004 ein-
bringen.

Ich halte es für total wichtig, dass wir nicht im bisheri-
gen Trott weitermachen. Das hat in der Vergangenheit Er-
folge gezeitigt, aber wir brauchen neue Arbeitsformen.
Was Roman Herzog mit der Beteiligung der nationalen
Parlamente, des Europäischen Parlaments, der Kommis-
sion und der Regierungen geschafft hat, war eine großar-
tige Sache.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Gernot Erler [SPD]: Aber auch Jürgen Meyer!)


Die Notwendigkeit einer umfassenden Überprüfung
der Arbeitsweise der Organe der EU ergibt sich aus unse-
rer Sicht auch aus einem Auftrag des Amsterdamer Ver-
trages. Ich spreche vom siebten Protokoll, Art. 2. Dieser
Auftrag ist für uns verbindlich, den können wir aufgrei-
fen; denn es stellt sich ja ein bisschen die Frage: Soll das
in Nizza schon festgelegt werden oder nicht? Ich finde, es
sollte festgelegt werden.

Lassen Sie mich einen letzten Punkt ansprechen. Ich
will auch ein freundliches Wort zur Regierung sagen, das
ist jetzt einfach mal angebracht:


(Joachim Poß [SPD]: Au ja! Das gibt es ja nicht!)


Ich finde es gut, wie in der Frage der europäischen Si-
cherheits- und Verteidigungspolitik, zumindest was die
politischen Beschlüsse angeht, Nägel mit Köpfen ge-
macht wurden. Das ist etwas zügiger gegangen, als es
zu erwarten war. Das ist die eine Seite. Auf der anderen
Seite – damit das Lob auch mit einem Arbeitsauftrag ver-
bunden wird – ist natürlich die Ausstattung zu bedenken.
Friedrich Merz hat zitiert, was General Naumann ge-
schrieben hat, und auch Javier Solana hat es gesagt.

Wenn wir in Europa handlungsfähig sein wollen, brau-
chen wir Institutionen und politische Beschlüsse. Beides
ist geliefert und wird jetzt in Nizza festgeklopft. Aber wir
müssen natürlich auch zusehen, dass beides materiell
unterfüttert wird. Wenn ich 60 000 Mann aufstelle, brau-
che ich auch für diese Luft- und Seetransportkapazitäten,
Satellitenaufklärung, Kommunikationsmittel und Mittel
zur Luftbetankung. Ich kann nicht auf der einen Seite die
Bundeswehr austrocknen und auf der anderen Seite sa-
gen: Ich liefere meinen Beitrag für Europa. Wenn Europa
ein Spieler auf der Weltenbühne ist, dann muss er auch mit
den entsprechenden Mitteln ausgerüstet werden.

Mein Wunsch ist, dass die Regierung ihren guten poli-
tischen Beschlüssen in Sachen ESVP gute Beschlüsse in
Sachen Bundeswehr folgen lässt, damit wir unsere




Peter Hintze
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Verpflichtungen im Rahmen der europäischen Verträge
auch einhalten können.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Gernot Erler [SPD]: Machen wir, auch wenn
Sie uns angegriffen haben!)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413501500
Als
nächster Redner hat der Kollege Christian Sterzing vom
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.


Christian Sterzing (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413501600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Be-
richte über eine Regierungskonferenz haben immer den
Charakter von Berichten über eine Baustelle; es sind so-
zusagen Statusberichte über die Fortschritte und Schwie-
rigkeiten, die beim Fortgang der Bauarbeiten auftreten.
Wenn man sich aber all das anschaut, was in den letzten
Wochen und Monaten über die Regierungskonferenz ge-
schrieben und gesagt wurde, gewinnt man immer mehr
den Eindruck, dass es hier nicht um eine Neubaustelle,
sondern um eine Altbausanierung geht.

Gerade das macht deutlich, wo viele der Unwägbar-
keiten in diesem Prozess liegen. Es gibt nämlich ganz spe-
zifische Schwierigkeiten, unkalkulierbare Risiken bei ei-
nem solchen Unterfangen; denn so manches Mal stehen
sich auf der einen Seite der Denkmalschutz und auf der
anderen Seite das Bedürfnis nach Nutzbarkeit dieses eu-
ropäischen Hauses gegenüber.

Im Kern geht es natürlich um das historische Projekt
der Erweiterung. Der Gipfel in Nizza ist ein ganz we-
sentlicher Schritt in diesem Prozess. Aber gerade die
Komplexität der in Nizza anstehenden Reform macht die
Begeisterung so schwer. Man hat den Eindruck, hier seien
Vertragsmechaniker am Werk. Schaut man sich die Syn-
thesedokumente der französischen Ratspräsidentschaft
an, erkennt man den Versuch, komplizierte politische
Kompromisse in Vertragsformulierungen zu gießen. Das
ist die augenblickliche Schwierigkeit und sie erfordert die
seriöse Auseinandersetzung über die damit zusammen-
hängenden Probleme.

Leider – das müssen wir auch in der heutigen Debatte
feststellen – fehlt der Opposition in der Auseinanderset-
zung so manches Mal die Seriosität.


(Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Aber bitte!)

– Doch, es gibt schon eine ganze Reihe von Wider-
sprüchen, die in diesem Prozess stecken und von Ihnen
nicht ehrlich angesprochen werden. Auf der einen Seite
fordern Sie, nationale Interessen in diesem Prozess deut-
lich durchzusetzen und auf der anderen Seite sagen Sie,
die Bundesrepublik müsse natürlich der Anwalt der klei-
nen Staaten sein.


(Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Wo ist denn da der Gegensatz?)


Sie müssen doch deutlich sagen, dass es den Konflikt
zwischen großen und kleinen Staaten gibt und dass es sich
darum dreht, einen für beide Seiten tragbaren Kom-

promiss zu finden. Genauso unaufrichtig sind Sie, wenn
Sie – wie vorhin Herr Merz in der Handelspolitik – einer-
seits die qualifizierte Mehrheit fordern, anderseits aber sa-
gen, das deutsch-französische Verhältnis dürfe in keiner
Weise gefährdet werden. Das fordern Sie in dem Wissen
darum, dass es darüber eine ganz entscheidende Ausei-
nandersetzung zwischen den Franzosen und einem
großen Teil der anderen Mitgliedstaaten gibt. Das ist
schlichtweg unaufrichtig.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie bei der SPD – Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Regierungskunst bringt das zusammen!)


Ein weiteres Beispiel: Sie werfen der Regierung vor,
sie habe angeblich die Forderung nach der doppelten
Mehrheit aufgegeben, und sagen gleichzeitig, das gute
Verhältnis zu den Franzosen sollte absolute Priorität ge-
nießen. Doch auch Sie wissen, dass hier ein fundamenta-
ler Widerspruch zur französischen Position besteht.

Ich glaube, Sie sollten aufhören, diese komplexe Re-
formauseinandersetzung zu missbrauchen, indem Sie sich
über diese Widersprüche einfach hinwegsetzen. Damit
schaden Sie dem Reformprozess und der europäischen
Sache. Das können Sie auch nicht mit einem rhetorischen
Überschuss in Sachen Europapolitik und europapolitische
Bekenntnisse wieder gutmachen.

Über die „leftovers“ von Amsterdam ist hier schon We-
sentliches gesagt worden. Ich möchte zusammenfassend
nur auf zwei Entwicklungen hinweisen, die meines Er-
achtens drohen: Das sind Intergouvernementalisierung
und Entparlamentarisierung.

Nachdem ich mir den neuesten Vertragsentwurf der
französischen Präsidentschaft angeschaut habe, habe ich
den Eindruck, dass grundlegende Ziele dieses Integra-
tionsprozesses, nämlich Demokratisierung und
Vergemeinschaftung, auf dem Altar der Handlungs-
fähigkeit geopfert werden sollen. Eine ganze Reihe von
Mitgliedstaaten scheinen sich nicht wie die Bundesre-
publik, vertreten durch die Bundesregierung, deutlich
hinter diese Forderungen nach Demokratisierung und
Vergemeinschaftung zu stellen. Insofern halte ich es für
wichtig, dass wir hier deutlich machen: Wenn es zu qua-
lifizierten Mehrheitsentscheidungen kommt, dann muss
es auch zu einer Mitentscheidung des Europäischen Par-
laments kommen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Das ist Demokratisierung; sie ist notwendig.
Wenn es Schwierigkeiten gibt, dann dürfen die Ent-

scheidungsprozesse nicht immer in den Europäischen Rat,
in die intergouvernementale Zusammenarbeit verlagert
werden, weil dies nämlich dem Vergemeinschaftungspro-
zess, so wie wir ihn in den letzten Jahren angelegt haben,
die Möglichkeit nimmt, sich weiterzuentwickeln. Insofern
glaube ich, dass dies auch der Integrationsentwicklung
keineswegs förderlich sein wird.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





Peter Hintze

13049


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir wissen, dass die Regierung da auf unserer Seite ist,
und wir hoffen, dass sie sich in den Verhandlungen ge-
genüber einigen anderen Mitgliedstaaten besser durchset-
zen kann, als dies bisher der Fall ist.

Erweiterung, so sagte ich, ist das zentrale Stichwort,
um das es geht. Die Kommission hat die Fortschrittsbe-
richte vorgelegt. Ich glaube, drei Wirkungen sind im Au-
genblick festzustellen:

Zum Ersten hat mit der objektiven Einschätzung der
Fortschritte in den Beitrittsländern auch in diesen Län-
dern die Motivation zugenommen, sich in diesem Heran-
führungsprozess weiter engagiert für den möglichst bal-
digen Eintritt einzusetzen und dafür auch Opfer auf sich
zu nehmen.

Zum Zweiten wurde, so glaube ich, ein wichtiges Si-
gnal in die Mitgliedsländer gesandt, denn dieser mit so
viel Integrations- und Beitrittsrhetorik begleitete Weg
verlangt nach entschlossenem Handeln und deutlicher
Bereitschaft, hierbei den Beitrittsländern entgegenzu-
kommen. Der Bericht ist auch ein Appell an die Regie-
rungen in den Mitgliedsländern, sich offensiver als bisher
für diesen Beitrittsprozess einzusetzen.

Zum Dritten schließlich liegt der Ball in dem Erweite-
rungsprozess nun bei den Regierungen der Mitgliedslän-
der. Der ambitionierte Fahrplan für die Erweiterung, der
von der Kommission vorgelegt wurde, muss nun in Nizza
beraten werden. Ich hoffe, dass dort alle bereit sein wer-
den, dem Beitrittsprozess neuen Schwung zu verleihen.

Die Äußerungen der schwedischen Außenministerin in
den letzten Tagen haben gezeigt, dass die schwedische
Präsidentschaft bereit ist, die Verhandlungen hierzu mit
Nachdruck voranzutreiben. Ich hoffe, dass sehr viele Re-
gierungen von Mitgliedstaaten wie auch unsere Bundes-
regierung bereit sein werden, diesen Ball mit neuem
Nachdruck aufzunehmen, um dann nach einem erfolgrei-
chen Abschluss des Gipfels von Nizza diesen Beitritts-
prozess in das Zentrum der weiteren europapolitischen
Zusammenarbeit zu stellen. Vielen Dank.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413501700
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger von der F.D.P.-Fraktion das Wort.


Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP):
Rede ID: ID1413501800

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Schwie-
rigkeiten vor dem Gipfel in Nizza sind unübersehbar und
es besteht auch kein Dissens hier im Hause, dass es auf
dem Gipfel in Nizza große Schwierigkeiten geben wird.
Wir vonseiten der F.D.P. wollen das große Interesse deut-
lich machen, das wir – wie in all den vergangenen Jahren –
daran haben, dass der europäische Integrationsprozess
erfolgreich weiter vorangebracht wird.


(Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. Dr. Gerd Müller [CDU/CSU])


Dieser Prozess rührt daher, dass es „leftovers“ gegeben
hat, denn sonst hätten wir die beschriebene Finalität des
europäischen Integrationsprozesses ja schon längst errei-
chen müssen.


(Dr. Helmut Haussmann [F.D.P.]: Natürlich, so ist es! Es gibt immer „leftovers“!)


Leider müssen wir ihn noch beschreiben. Das ist zum Teil
noch immer eine Vision.

Deshalb haben die Gipfel immer wieder auch „left-
overs“ von vorangegangenen Gipfeln zum Gegenstand.
Das ist nicht etwas, was man in ständiger Wiederholung
vorhergehenden Regierungen anlastet, sondern es ist die
ganz einfache, selbstverständliche, normale Ausgangs-
lage.


(Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. Dr. Gerd Müller [CDU/CSU])


Deshalb ist Europa immer noch eine Baustelle.
Für uns ist Europa kein Denkmal. Nein, wir wollen

nicht, dass Europa in dieser Form bestehen bleibt. Wir
wollen eine handlungsfähigere Kommission. Wir, die
F.D.P., haben immer sehr mutig gesagt: Wir tragen auch
Lösungen mit – wir fordern sie ein –, die dazu führen, dass
die stärkeren Mitgliedstaaten in der Europäischen Union
ihren Einfluss zurücknehmen. Wir unterstützen es, wenn
die stärkeren Mitgliedstaaten eben nicht mehr wie bisher
zwei Kommissare stellen, sondern es zu einem Modell
kommt, bei dem durch eine Deckelung bei der Anzahl der
Kommissare nicht jedes Land zu jedem Zeitpunkt einen
eigenen Kommissar hat. Wir wollen nicht, dass Europa
eine Baustelle bleibt. Wir wollen, dass das, was in Ams-
terdam als Grundstock gelegt wurde, jetzt erfolgreich
weitergeführt wird.

Ich möchte die Legende widerlegen, Amsterdam sei
der große Flop gewesen. Im Gegenteil: Wenn dort mit der
Schaffung des Europas der Sicherheit, des Rechts und der
Freiheit – das ist in Art. 6 des Vertrags von Amsterdam
verankert, der die Grundlage der jetzt entwickelten Grund-
rechte-Charta ist – nicht der Durchbruch gelungen wäre,
wenn nicht das Abkommen von Schengen in den Vertrag
von Amsterdam integriert worden wäre, wenn es in der In-
nen- und Justizpolitik nicht die ersten Schritte mit kon-
kreten Zeitschienen gegeben hätte, dass es nämlich bei der
Sicherung der Außengrenzen, beim Asylrecht und bei der
Einwanderung zu Vergemeinschaftungen kommt, dann
könnten wir heute nicht über Einstimmigkeit reden oder
wie weit eine qualifizierte Mehrheitsentscheidung in vie-
len Bereichen der Europäischen Union durchsetzbar ist,
sondern dann würden wir ausschließlich über intergou-
vernementale Zusammenarbeit sprechen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dieser Grundstock ist damals im Vertrag von Amster-
dam, zusammen mit der Integration der WEU, gelegt wor-
den. Dass dort nicht alles zu schaffen war, ist selbstver-
ständlich. Genauso wird jetzt schon mit der Perspektive
einer nächsten Regierungskonferenz klar, dass „leftovers“
so gut wie sicher sind, die uns nach Nizza in den weiteren
Jahren beschäftigen werden.




Christian Sterzing
13050


(C)



(D)



(A)



(B)


Ein entscheidender Schritt in Amsterdam war natürlich
auch die Stärkung des Europäischen Parlamentes.Wir,
die Liberalen wollen, dass in diesem Prozess, von dem der
Bundeskanzler zu Recht sagt, die zivile Gesellschaft
müsse aktiv für Europa kämpfen, gerade das Parlament
als eine entscheidende Kraft neben einer sehr starken
Kommission bestimmt.

Deshalb müssen wir uns vertieft Gedanken darüber
machen, warum das Europäische Parlament in größter
Sorge ist. Wir müssen uns klar machen, dass die Opposi-
tion keine Schreckensszenarien an die Wand malt.


(Peter Hinze [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Der zuständige Kommissar in der Europäischen Kom-

mission, Herr Barnier – das war in den letzten Tagen und
auch heute nachlesbar –, ist in größter Sorge, dass es nicht
zu einer Reform kommt, die diesen Namen wirklich ver-
dient, und ein Durchbruch ausbleibt.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir müssen uns nach Nizza zusammensetzen und uns
überlegen, wie wir mit dem Ergebnis umgehen. Ich wün-
sche mir, dass es nicht dazu kommt, dass wir uns Gedan-
ken darüber machen müssen, ob die Maßnahmen für den
Erweiterungsprozess ausreichen. Die Liberalen wollen
die Erweiterung. Wir wollen, dass die Spaltung in Europa,
genauso wie die Spaltung Deutschlands überwunden wor-
den ist, im 21. Jahrhundert möglichst bald durch ein hand-
lungsfähiges, integriertes Europa überwunden wird.

Aber die Zeichen stehen nicht so gut, wie wir uns das
wünschen. Es nützt nichts, etwas schönzureden. Deshalb
führen wir, die Liberalen, eine konstruktive Debatte und
zeigen auf, welche Linien wir unterstützen. Dass die
Grundrechtecharta ein Projekt ist, das im weiteren Pro-
zess sehr identitätsstiftend sein kann, ist klar. Machen Sie
sie zu einem Projekt, an dem die Bürger nach Nizza be-
teiligt werden.


(Beifall des Abg. Uwe Hiksch [PDS])

Scheuen Sie sich nicht, in Nizza ein europäisches Refe-
rendum zu fordern.


(Beifall des Abg. Uwe Hiksch [PDS])

Lassen Sie uns doch die nächsten Jahre nutzen, damit es
in diesem Prozess zu einer Ausprägung der europäischen
Öffentlichkeit und des europäischen Bewusstseins
kommt, das wir brauchen, um die Akzeptanz der Bürge-
rinnen und Bürger zu gewinnen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie des Abg. Michael Roth [Heringen] [SPD] und des Abg. Uwe Hiksch [PDS])



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413501900
Als
nächster Redner hat der Kollege Hans-Ulrich Klose von
der SPD-Fraktion das Wort.


Hans-Ulrich Klose (SPD):
Rede ID: ID1413502000
Herr Präsident! Meine
sehr geehrten Damen und Herren! Es ist richtig, Herr Kol-

lege Hintze: Die Debatten, die in diesem Hause zu Europa
geführt werden, sind eigentlich immer sehr sachverstän-
dig, zumeist – nicht immer – ernsthaft und im Ergebnis
positiv. Positiv und sachverständig sind in der Regel auch
die Beschlüsse, die dazu verabschiedet werden. Gleich-
wohl werden diese Debatten von der Bevölkerung – wenn
überhaupt – eher unlustig verfolgt. Europa begeistert die
Menschen heute nicht mehr so wie uns, wie mich früher
und heute noch immer. Es überwiegen – so erlebe ich es
jedenfalls, zum Beispiel im Wahlkreis – Ängste und Sor-
gen, von denen auch der Herr Bundeskanzler gesprochen
hat.

Warum ist das so? Ohne Polemik, Herr Kollege Hintze,
müsste die Frage wie folgt beantwortet werden: Zum ei-
nen ist es so, weil das komplizierte europäische Geflecht,
das europäische Prozedere, für die Mehrheit der Men-
schen noch immer nicht überschaubar ist. Zum anderen
meinen viele, dass Brüssel nicht tut, was nötig ist, und
sich stattdessen zu oft in Dinge einmischt, die besser auf
nationaler oder sogar auf lokaler Ebene zu regeln seien.
Und schließlich sind mit der Freizügigkeit innerhalb der
Europäischen Union Probleme verbunden, die künftig
noch zunehmen könnten, wenn die ökonomischen Dispa-
ritäten zu groß und/oder bestehende Minderheitenpro-
bleme ungelöst bleiben. Auf die Minderheitenprobleme,
Herr Bundeskanzler, weise ich ausdrücklich hin.

Dennoch gilt – es muss auch immer wieder klar und
deutlich ausgesprochen werden –: Europa ist eine große,
eine geradezu unglaubliche Erfolgsgeschichte.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Man muss sich vorstellen, wo Europa heute stünde, wenn
es die EWG und die EG nicht gegeben hätte und es heute
die EU nicht gäbe. Wo stünden wir, wenn sich die Eu-
ropäer nicht auf den Weg einer umfassenden und nicht nur
ökonomischen Kooperation begeben hätten? Es stünde
sehr viel schlechter um dieses Europa, um den Frieden
und die Lebens- und Zukunftschancen der Menschen in
Europa.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Europa ist eine Erfolgsgeschichte. Diese Geschichte
soll in Nizza fortgeschrieben werden. Die Strukturen der
europäischen Verfassung, die es schon gibt, auch wenn
sie so nicht bezeichnet wird, müssen modernisiert und
präzisiert werden – „Vertiefung“ lautet das Stichwort –,
damit sich Europa weiter entwickeln kann, damit dieses
Europa, das 50 Jahre geteilt war, endlich wiedervereinigt
wird. Das ist es doch, was wir meinen, wenn wir von „Er-
weiterung“ sprechen: Es geht um die Wiedervereinigung
Europas.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Der Außenminister hat dazu heute in einer Weise gespro-
chen, die, wie ich finde, den Beifall des ganzen Hauses
verdient hätte.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

13051


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir Deutschen wissen nur zu gut, wie schwierig ein
solches Werk, das Werk der Wiedervereinigung, ist. Es
wächst eben nicht einfach zusammen, was zusammen-
gehört. Das Zusammenwachsen muss auf nationaler und
europäischer Ebene gestaltet, gefördert und erarbeitet
werden.

Wenn das Werk gelingt, dann ist es ein Gewinn für die
europäischen Völker und jeden einzelnen Menschen. Das
müssen wir immer wieder betonen und beweisen, damit
das große Ziel verstanden wird, damit die kleinen Ängste
und Sorgen uns nicht den Blick für den großen europä-
ischen Entwurf verstellen.

Für uns Deutsche ist die Wiedervereinigung Europas
besonders wichtig. Sie ist geradezu existenziell. Wenn sie
gelingt – und sie muss gelingen –, dann sind wir nicht
mehr Grenzland. Wir Deutsche eignen uns sehr schlecht
als Grenzland in einem weiterhin geteilten Europa. Dann
sind wir nicht mehr Grenzland, sondern rücken in die
Mitte, dann sind wir erstmals in unserer Geschichte nur
noch umgeben von Partnern und Freunden. Welch ein
Glück!


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Für solches Glück zu arbeiten lohnt jede Mühe, auch die
Mühen von Nizza.

Nizza soll die Europäische Union erweiterungsfähig
machen; die heutigen Strukturen und Verfahrensregeln
passen nicht mehr für eine Union mit zwanzig und mehr
Mitgliedern. Deswegen muss über die künftige Größe der
Kommission, über Mehrheitsentscheidungen als Regel
und über die Stimmengewichtung im Ministerrat ent-
schieden werden. Das ist schwierig genug, weil jedes Mit-
gliedsland Zugeständnisse machen muss und weil es da-
bei nicht nur um Einfluss, sonder auch um Prestige geht.
Weil das so ist, muss die deutsche europäische Politik
ebenso wie die französische behutsam und kooperativ zu-
gleich sein. Es geht nicht alles, was Deutsche und Fran-
zosen miteinander verabreden, aber ohne französisch-
deutsche Kooperation geht gar nichts.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Ich möchte zu zwei Stichworten je eine Bemerkung
machen: In Nizza soll auch über die so genannte ver-
stärkte Zusammenarbeit entschieden werden. Die Ent-
scheidung ist nicht einfach und manch einer missversteht
sie als Versuch, EU-Mitglieder erster und zweiter Klasse
zu installieren. Herr Verheugen hat kürzlich bei einer
Konferenz von einer partiellen Neugründung der EU in
der EU gesprochen. Eine solche Aussage ist gewiss nicht
unproblematisch.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Ein größeres Problem entstünde jedoch, wenn die Er-
weiterung der Europäischen Union nicht weiter voran
käme; Stillstand, Lähmung oder Selbstblockade darf nicht
sein. Deshalb muss es möglich sein, dass Länder, die dies
wollen, ihre Kooperation verstärken und schneller bzw.

weiter voranschreiten als andere, und zwar – ich unter-
streiche das, Herr Bundeskanzler – in der Gemeinschaft
und nicht außerhalb.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Zur Finalität der Europäischen Union – ein großes
Wort, bei dem ich wiederum fürchte, dass es der Normal-
bürger nicht versteht: Es wäre sehr viel gewonnen, wenn
in einer neuen Regierungskonferenz, die nicht allzu lange
auf sich warten lassen dürfte, darüber entschieden würde,
wer in der EU was macht, auf EU-Ebene, auf nationaler
Ebene und darunter. Als Grundregel sollte gelten, dass die
Zuständigkeit der EU auf das beschränkt wird, was auf
nationaler Ebene bzw. darunter nicht geregelt werden
kann. Eine klare Kompetenzzuweisung nach dieser
Grundregel wäre ein wichtiger Schritt, viel wichtiger als
sonstige europäische Symbolik; wobei ich gegen eine
Symbolik, die integrativ und nicht aufgesetzt wirkt, nichts
einzuwenden habe.

Ein letztes Wort zur Gemeinsamen Außen- und Si-
cherheitspolitik:Wir wollen sie, aber wir wollen sie mit
Maßen. Europa will ein globaler Akteur sein – ist es auch
schon heute –, aber keiner, der sich überhebt. Verlässlich-
keit und Kooperationsfähigkeit sind politische Tugenden,
militärische Stärke aber ist ein Instrument, eines neben
anderen, um Krisen zu bewältigen und Sicherheit zu ge-
stalten. Weil es keinen Sinn macht, bewährte Strukturen
zu beschädigen und gewachsenes Vertrauen zu
schwächen, sollten wir Europäer unsere Sicherheits- und
Verteidigungsidentität selbstbewusst und bewusst part-
nerschaftlich – europäisch und atlantisch – definieren. Eu-
ropäische Handlungsfähigkeit herstellen und erweitern
und damit zugleich die NATO zu stärken, das muss ge-
meinsam angestrebtes Ziel sein, in Nizza und darüber hi-
naus.

Im Übrigen sollten wir Europäer bei dieser Debatte be-
denken, dass es eine Sache ist, institutionelle Grundlagen
für eine eigenständige militärische Komponente zu be-
schließen, eine andere dagegen, die tatsächlichen Voraus-
setzungen für eine nicht nur beschworene, sondern prak-
tizierte größere Verantwortung zu schaffen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Im Klartext: Die Europäer – auch wir Deutsche – werden
mittelfristig nicht darum herumkommen, die Mittel für
Verteidigung und Sicherheit in ihren jährlichen Haus-
halten zu erhöhen und deren Einsatz zugleich effektiver
zu gestalten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Das ist, wie wir alle wissen, leicht gesagt und schwer
getan. Man muss den europäischen Steuerzahlern erklä-
ren, warum zehn Jahre nach dem Ende des Kalten Krie-
ges – unsere Sicherheitslage ist dadurch dramatisch ver-
bessert worden – die Verteidigungsausgaben nicht weiter
reduziert werden können, sondern in Zukunft sogar wie-
der steigen müssen, jedenfalls im investiven Bereich. Das
ist, wenn man so will, die europäische Lektion, die zu ler-
nen ist.




Hans-Ulrich Klose
13052


(C)



(D)



(A)



(B)


Es gibt auch eine amerikanische Lektion. Amerika,
die einzig verbliebene Weltmacht, hat noch immer
Schwierigkeiten – heute offensichtlich mehr als noch vor
Jahren –, sich auf Verbündete einzustellen, zumal auf eu-
ropäische Verbündete, bei denen immer mehrere Telefone
zugleich bedient werden müssen.


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Mittlerweile Schaltkonferenz!)


Und doch muss Amerika einsehen, dass auch eine Super-
macht Partner braucht, dass es eigentlich nur die Europäer
sind, die für Amerika als Partner bereitstehen, und dass
man Partner wie Partner behandeln muss, wenn Führung
akzeptiert werden soll.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Grundlage der europäisch-amerikanischen Partner-
schaft ist die NATO, Grundlage der europäischen Zusam-
menarbeit die Europäische Union. Dies klar zu machen,
uns selbst und der Bevölkerung, den Menschen, ist eine
Aufgabe, der sich auch deutsche Politik immer wieder
stellen muss, die Regierung ebenso wie die Opposition.
Dabei hat es die Opposition schwer. Sie will, sie muss kri-
tisieren und attackieren, obwohl sie im Grundsatz zu-
stimmt. Das ist eine schwierige Rolle, Herr Kollege Merz.
Ich weiß es und habe auch persönliche Erfahrung damit.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wir schaffen das!)


Für die Bevölkerung aber, im Übrigen auch für unsere
Partner, ist es sehr gut zu wissen, dass sich diese deutsche
europäische Politik auf eine große Mehrheit im Deut-
schen Bundestag stützen kann.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, und der F.D.P.)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413502100
Das Wort
hat jetzt der Kollege Gerd Müller von der CDU/CSU-
Fraktion.


(Joseph Fischer, Bundesminister: Jetzt muss ich runter in den Saal!)



Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1413502200
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Klose, Sie haben
eine sehr gute Rede gehalten, die auch auf die Unterstüt-
zung der Opposition gestoßen ist. Ich glaube, in der Eu-
ropapolitik sollten wir uns alle um einen breiten Konsens
in der Darstellung und in der Umsetzung unserer Positio-
nen bemühen.


(Ute Zapf [SPD]: Sagen Sie das Ihrem Herrn Merz!)


Herr Außenminister Fischer, Sie haben sich von der Re-
gierungsbank herunter gesetzt, sicherlich um treffende
Zwischenrufe zu machen.


(Gernot Erler [SPD]: Um besser zuhören zu können!)


Aber es stellt sich die Frage – ganz bestimmt auch für un-
sere Zuschauer –: Warum gelingt Ihnen dies nicht, Herr
Fischer, Herr Bundeskanzler? Herr Fischer, ich möchte
Ihnen persönlich etwas dazu sagen: Der Ton stimmt nicht
bei Ihnen; er ist arrogant. Sie sind in Ihrer Aussage per-
sönlich verletzend. Das ist nicht der angemessene Stil, mit
dem man an diesem Thema arbeiten sollte.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt kriegen Sie ein Pflaster von mir! Balsam!)


Herr Klose, Sie haben sehr zu Recht nach außen, an die
Bürgerinnen und Bürger, die Frage gestellt: Wer kann
denn diese Zusammenhänge noch verstehen? Dies ist in
der Tat sehr schwierig. Es gab große Debatten in diesem
Haus, insbesondere im Parlament in Bonn. Ich erinnere
mich zurück an die großen Themen der vergangenen
Jahrzehnte. Es waren Konrad Adenauer, Ludwig Erhard
und Helmut Kohl, die Themen wie Westintegration,
NATO und Wiedervereinigung aufgegriffen haben. Der
gemeinsame Binnenmarkt, die Einführung des Euro, die
Erweiterung der Europäischen Union von sechs auf zwölf
Mitgliedstaaten waren die großen Ergebnisse unserer Po-
litik der letzten 50 Jahre, zumeist gemeinsam getragen.
Heute, in Nizza und in den nächsten Monaten stehen die
Themen der Herstellung der Handlungsfähigkeit der Eu-
ropäischen Union nach innen – wir wollen daran mitwir-
ken – und die Vorbereitung der Erweiterung nach Mittel-
und Osteuropa auf der Tagesordnung. Große Hoffnungen
der Menschen dort ruhen auf uns, die billige Polemik ei-
gentlich überflüssig machen.

Wir erwarten von der Bundesregierung Überzeugungs-
kraft, Entschlossenheit und einen klaren Kurs. Ich frage
mich am Ende dieser Debatte: Wofür stehen Sie? Wie
sieht Ihr Kurs aus? Welche Vorgaben machen Sie? Was
wollen Sie erreichen?

Es gibt noch ein weiteres Problem: Abgesehen von
Ihrem Ton, von Ihrem Geschrei und davon, wie Sie Ihre
Partner behandeln, geht es um die Fragen: Welche Me-
thoden wollen Sie anwenden? Welche Strategie wollen
Sie verfolgen? Welche inhaltlichen Vorgaben wollen Sie
machen? Wir wissen nicht, wohin Sie wollen, zum Bei-
spiel hinsichtlich der „leftovers“.


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oh!)


Herr Fischer, Ihr Kanzler ist im Hinblick auf die Be-
setzung der Kommission – um ein Detail herauszugrei-
fen – für das Rotationsprinzip eingetreten. Damit hat er
zunächst alle kleinen Staaten verärgert. Dann hat er
den kleinen Staaten vorgeschlagen, auf einen Kommis-
sarsposten gänzlich zu verzichten. Dagegen waren alle.
Nun kommen Sie mit dem richtungsweisenden Vorschlag,
den Kommissionspräsidenten direkt wählen zu lassen.


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie waren aber verletzend!)


Dagegen spricht sich sogar die SPD-Fraktion im Europä-
ischen Parlaments, allen voran Klaus Hänsch, aus.




Hans-Ulrich Klose

13053


(C)



(D)



(A)



(B)


Ein anderer visionärer Vorschlag von Ihnen, Herr
Fischer, war, neben dem Europäischen Parlament eine
zweite Europakammer zu installieren.


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Stoiber!)


Wenn man sich das einmal vorstellt: das Europäische
Parlament, die nationalen Parlamente und nun Ihr Vor-
schlag, eine neue, zweite Europakammer einzurichten!


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Stoiber!)


Herr Fischer, Sie haben viele visionäre Vorschläge ge-
macht,


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Stoiber!)


aber keine praktischen Gesamtkonzepte zur Lösung der
Probleme vorgelegt, die jetzt auf der Tagesordnung ste-
hen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann legen Sie mal los! Denn man tau!)


Das verunsichert Ihre Partner, unsere Freunde.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Er ist zutiefst verletzend!)


Kommissar Barnier stellt in seinem Dokument „Zwei
Phasen und drei Wege für Europa“ vom 8. Juni fest:

Joschka Fischer lehnt den Status quo ab, präzisiert in-
dessen nicht, welcher der aufgezeigten Wege einge-
schlagen werden sollte. Deutet seine Ablehnung des
historischen Föderationsmodells als synthetisches
Konstrukt auf eine intergouvermentale oder auf eine
föderalistische Einstellung hin?

Herr Fischer, es ist nicht angekommen, wohin Sie uns
führen wollen. Deshalb bleiben wesentliche Gipfelerfolge
aus.


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aha!)


Sie haben kein Vertrauensverhältnis zu den Partnern
aufgebaut.


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Oha!)


Ich erinnere an das Auftreten von Minister Trittin in den
vergangenen Jahren oder an den Gipfel von Berlin, auf
dem Sie Chirac als Bauernpräsidenten beleidigt haben.


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wer hat das gesagt?)


Der einzige Erfolg war der Misserfolg.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wer hat das gesagt?)

Jetzt streiten Sie sich mit dem französischen Europa-

minister Moscovici.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wer hat das gesagt?)


Auch dabei spielt die Frage des Stils eine Rolle.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Wer hat das gesagt mit dem Bauernpräsidenten? Das würde mich mal interessieren!)


– Wie Sie krakeelen! Herr Fischer, so wie Sie hier kra-
keelen, krakeelen Sie vermutlich auch im Europäischen
Rat. Wie soll da Vertrauen aufkommen?


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat das gesagt? Sie kneifen! Sie sind ein Kneifer!)


Wie gehen Sie mit den Menschen um, mit deren Unter-
stützung Sie etwas erreichen wollen?


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Sie sind ein Kneifer!)


Sie haben keinen Stil, keinen Anstand und kein inhaltli-
ches Konzept.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie machen sich ja lächerlich!)


Ihnen fehlt offensichtlich die Kinderstube.

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Der Höhepunkt des oppositionellen Vorwurfs! Mir fehlt die Kinderstube! Recht hat er!)


– Outen Sie sich ruhig als verbaler Gewalttäter – wenn Sie
das wollen –, so gut Sie können.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Absolut stillos!)

Wir brauchen einen Bauplan für das europäische Haus.

Der richtige Einstieg wäre jetzt – das ist vielleicht die
zweite entscheidende Frage –, die Kompetenzen zwi-
schen der EU und ihren Mitgliedstaaten klar abzugrenzen.
Die Menschen – das ist zweifelsfrei – wollen wissen:
Wofür steht Europa? Für welche Themen steht Europa?
Steht es für Bekämpfung von BSE und Kriminalität oder
nicht? Wen können wir wählen?


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Herrn Müller!)


Wen können wir – das wollen unsere Landwirte wissen –
zur Verantwortung ziehen? Wofür stehen die Mitglied-
staaten? Die Frage, wie die Kompetenzen präzise und klar
abgegrenzt werden können, muss jetzt beantwortet wer-
den, nicht erst 2004. Dann ist es zu spät. Die ent-
sprechenden Entscheidungen müssen jetzt, vor der Er-
weiterung, getroffen werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das die Position Ihrer Fraktion? Das würde mich interessieren!)


Eine klare Kompetenzabgrenzung wäre auch die Vo-
raussetzung für die Ausweitung des Mehrheitsprinzips
im Europäischen Rat.


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Müller, hallo: Ist das die Position der Fraktion?)





Dr. Gerd Müller
13054


(C)



(D)



(A)



(B)


Dies setzt allerdings die Reform des Rates selbst voraus.
Kollege Peter Hintze hat dazu einige sehr wichtige Aus-
führungen gemacht.


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ein guter Mann im Gegensatz zu Ihnen! Es versteht was von der Sache!)


Heute haben wir 130 Ratsgruppen. Hier brauchen wir si-
cherlich ein zielführendes Konzept.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, zum Schluss
möchte ich etwas zum Thema Osterweiterung sagen.


(Gernot Erler [SPD]: Nicht auch noch!)

Der Zuschauer kann sich von der Flegelhaftigkeit des
deutschen Außenministers selber ein Bild machen. Das
spricht für sich, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Für mich ist klar, warum wir auf internationaler Ebene so
dastehen, wie wir dastehen. Das liegt daran, dass wir ei-
nen Flegel als Außenminister haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. Gernot Erler [SPD]: Herr Präsident, das geht zu weit! Das ist nicht mehr komisch! – Michael Roth [Heringen] [SPD]: Sie sind ein richtiger Rüpel!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Beitritts-
verhandlungen zur Osterweiterung verlaufen schlep-
pend und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wir haben
keine Beteiligung der Öffentlichkeit. Auch hier stelle ich
die Frage: Warum schaffen Sie keine Offenheit und sagen
den Menschen draußen, den Bauarbeitern, den LKW-Fah-
rern, den Menschen an der Grenze, den Landwirten, was
auf sie zukommt?


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Den Gastwirten! Denen muss man das auch sagen!)


Wir können dieses europäische Vorhaben nur voran-
bringen, wenn wir Offenheit und Transparenz schaffen.
Haben Sie Angst vor dem Volk?


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja!)


Haben Sie Angst vor den Menschen?

(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ja!)

Nein, das kann nicht der Weg sein.

Ich sage zum Schluss, meine sehr verehrten Damen
und Herren noch einmal: Wir wollen den Erfolg in Nizza.
Diese Opposition ist konstruktiv und unterstützt die Re-
gierung in ihren Vorstellungen.


(Gernot Erler [SPD]: Das haben wir gehört!)

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU – Gernot Erler [SPD]: Das war nicht Oberallgäu, das war unter aller Gäu! – Günter Gloser [SPD]: Das war Müller, der Rammbock aus dem Alpenvorland!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413502300
Als
nächster Redner hat der Kollege Michael Roth von der
SPD-Fraktion das Wort.


Michael Roth (SPD):
Rede ID: ID1413502400
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war eine Konsens
stiftende Rede, wie wir sie vom Kollegen Müller erwartet
haben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich war am Anfang schon etwas besorgt, weil ich Sie als
sehr netten, aber auch sehr streitlustigen Kollegen im Aus-
schuss kennen gelernt habe. Sie haben die Machete or-
dentlich herausgeholt und haben richtig herumgerüpelt.
Wer jedoch im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen
werfen.


(Beifall bei der SPD)

Halten Sie sich mit derlei Vorwürfen an den Außenminis-
ter zurück. Ich finde das sehr bemerkenswert, wo Sie zu
Recht die Rede des Kollegen Klose gelobt haben. Es ist in
der Debatte um Nizza sicherlich auch notwendig, sich an
die Wurzeln Europas zu erinnern und deutlich zu machen,
warum wir uns mit diesem Prozess so viel Mühe geben
und warum wir in den vergangenen Monaten so hohe Er-
wartungen an Nizza hatten.

Über die Bedeutung von Nizza ist viel gesagt worden.
Es geht – darüber sind wir uns glücklicherweise einig –
um die Überwindung der Teilung Europas. Es geht uns
darum, dass Europa so handlungsfähig wird, wie es die
Menschen von Europa erwarten, wie wir es von Europa
erwarten, damit die Probleme, die wir national oder re-
gional nicht mehr lösen können, zukünftig gesamt-
europäisch unter Einschluss von Ost und West gelöst wer-
den können.


(Beifall bei der SPD)

Ich finde den Beitrag von Ihnen, Herr Müller, auch des-

halb so bemerkenswert, weil ich mich noch gut an eine
Debatte im Deutschen Bundestag erinnern kann, in der
der Bundesregierung, aber auch der Regierungskoalition
immer wieder vorgeworfen wurde, sie wolle sich nur auf
die so genannten „leftovers“ konzentrieren. Sie haben die
Ausweitung der Agenda für Nizza gefordert. Jetzt zeigt
sich, wie wichtig es war, dass wir die drei großen
Herausforderungen, verbunden mit dem Vorschlag einer
verstärkten Zusammenarbeit, in den Mittelpunkt von
Nizza rücken und keine weiteren Projekte in Angriff neh-
men.


(Beifall bei der SPD)

Das muss jetzt in Nizza geregelt werden. Wir brauchten
keine Ausweitung. Hier haben wir Recht behalten.

Wir müssen uns natürlich auch fragen, welche Rolle
der Deutsche Bundestag hierbei spielen kann. Wir haben
darüber Einvernehmen erzielt, dass das zentrale Projekt
die weit gehende Beseitigung des Vetorechtes im Rat ist.
Meines Erachtens ist der ambitionierte Vorschlag, den die
Bundesregierung entwickelt hat, für die weit gehende
Einbringung der qualifizierten Mehrheit auch ein Erfolg
der Europapolitiker dieses Hauses. Wir haben mit den




Dr. Gerd Müller

13055


(C)



(D)



(A)



(B)


Fachleuten in den anderen Arbeitsgruppen und Ausschüs-
sen sowie mit den Ressorts Verhandlungen geführt und
haben immer wieder darauf hingewiesen, dass Deutsch-
land mit einem zukunftsweisenden Vorschlag in die Ver-
handlungen gehen muss. Wir müssen das Vetorecht zu ei-
ner großen Ausnahme werden lassen. Wir müssen die
qualifizierte Mehrheit zur Regel werden lassen.
Deswegen gibt es nur relativ wenige Vorschläge seitens
der Bundesregierung, nach denen das Vetorecht auch in
der Zukunft beibehalten werden soll. Das ist ein Erfolg
dieses Hauses und seines Europaausschusses. Wir sollten
ruhig einmal selbstbewusst auf die Möglichkeiten des
Deutschen Bundestages hinweisen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte mich auch bei der Bundesregierung – vor
Nizza werden wir dazu wahrscheinlich keine Gelegenheit
mehr haben – bedanken. Mein Dank gilt vor allem Staats-
sekretär Pleuger, der in einer außerordentlich offenen und
auch auf die konfliktreichen Punkte hinweisenden Art in
unseren wöchentlichen Jours fixes, in den Gesprächen mit
den Obleuten und mit den Berichterstattern über die Er-
gebnisse der bisherigen Verhandlungen berichtet hat. Das
ist nicht selbstverständlich. Sein offener Gesprächsstil hat
uns immer wieder die Möglichkeit gegeben, unsere An-
forderungen an Nizza deutlich zu machen.

Herr Barnier – er ist heute schon mehrfach zitiert wor-
den – hat natürlich Recht: Wenn wir über die qualifizierte
Mehrheit sprechen, dann geht es nicht um neue Kompe-
tenzen für die EU. Es geht nur darum, dass die bisherigen
Kompetenzen zielgerichteter und effizienter genutzt wer-
den. Deswegen ist die Begrenzung des Vetorechts für uns
so wichtig.

Herr Hintze hat auf einen Streit hingewiesen, den ich
nicht verstanden habe. Er hat der Bundesregierung, aber
auch uns vorgeworfen, wir hätten den Konflikt zwischen
kleinen Mitgliedstaaten einerseits und großen Mitglied-
staaten andererseits geschürt. Ich sehe das überhaupt
nicht. Es gibt in der Geschichte der Europäischen Ge-
meinschaft und der Europäischen Union kein einziges
Beispiel für einen Konflikt zwischen den Großen und den
Kleinen. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich immer
als Sachwalter der kleinen Mitgliedstaaten in der Europä-
ischen Union verstanden. Das ist unser Beitrag zum Soli-
daritätsprinzip in Europa gewesen. In dieser Frage müs-
sen Sie uns keine Nachhilfe erteilen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es war auch notwendig, dass der Bundeskanzler einen
dynamischen Vorschlag im Hinblick auf die Zusam-
mensetzung der Kommission in die Verhandlungen
eingebracht hat. Erst der Vorschlag, dass auch die großen
Mitgliedstaaten bereit sind, auf einen Kommissar zu ver-
zichten, hat die notwendige Dynamik ausgelöst und ge-
zeigt, dass es neben der Hierarchisierung und neben dem
Rotationsprinzip auch andere Möglichkeiten gibt, die sich
nicht negativ auf die Kleinen auswirken könnten, sondern
bedeuten, dass ein großes Mitglied gegebenenfalls auch
einmal nicht in der Kommission vertreten ist. Die Kom-

mission ist nun einmal kein Repräsentationsorgan der
Mitgliedstaaten, sondern ein den gemeinsamen europä-
ischen Interessen dienendes starkes Organ der EU. Das
soll auch zukünftig so sein.

Sie haben die deutsch-französische Zusammenar-
beit und die Rolle der französischen Präsidentschaft an-
gesprochen. Auch wir sind – das muss man der Offenheit
halber hier so sagen – in dieser Hinsicht besorgt. Die Eu-
ropapolitiker der SPD-Fraktion waren kürzlich in Paris
und haben dort viele Gespräche geführt. Die Sorge und
das Unbehagen sind zum Teil auch von unseren parla-
mentarischen Kolleginnen und Kollegen in Paris unter-
strichen worden. Wir sind uns auf der parlamentarischen
Ebene einig. Es gibt also keinen deutsch-französischen
Konflikt; verschieden sind vielmehr die Sichtweisen der
Parlamente auf der einen Seite und der die Verhandlungen
führenden Regierungen auf der anderen Seite. Wir haben
unsere französischen Kollegen in der Assemblée Natio-
nale unterstützt. Sie wiederum haben uns gesagt: Macht
deutlich, wo auch für uns die Knackpunkte liegen und wie
unsere alternativen Vorschläge aussehen. – Das gehört zu
einer stabilen Freundschaft. Ich betone: Die deutsch-fran-
zösische Freundschaft ist stabil.

Der Bundeskanzler hat in den vergangenen Wochen
nicht umsonst bedeutsame bilaterale Gespräche geführt.
Wo war er nicht überall? Er war gerade in den kleinen
Mitgliedstaaten, um deutlich zu machen, dass wir auch
deren Sachwalter sind. Er hat klargestellt, dass es nicht
um originär nationale Interessen, sondern um unser ge-
meinsames europäisches Interesse geht, das nicht zwi-
schen den Interessen von großen und denen von kleinen
Mitgliedstaaten unterscheidet.

Ich finde es sehr positiv, dass der Kollege Hintze auch
die Systemproblematik der Regierungskonferenz ange-
sprochen hat; denn das liegt uns Parlamentariern sehr am
Herzen. Einer der schon jetzt erzielten Erfolge von Nizza
ist doch die Grundrechte-Charta und die Tatsache, dass
wir zusammen mit den Kollegen Meyer und Altmaier und
mit vielen anderen ein Modell installiert haben, das die
Hinterstubendiplomatie der Regierungskonferenzen ein-
mal alternativ beleuchtet.

Im Grundrechte-Charta-Konvent saßen Parlamenta-
rierinnen und Parlamentarier, die deutlich gemacht haben,
dass sie ebenso wie Diplomaten bereit und in der Lage
sind, ihre Arbeit zügig und erfolgreich zum Abschluss zu
bringen.


(Beifall bei der SPD)

Das sollte auch uns für die nächsten Jahre ein Vorbild sein,
wenn wir die Verfassungsdebatte so führen, wie sie vom
Außenminister angeregt wurde. Chirac hat sich dazu
geäußert, auch Tony Blair hat sich dazu geäußert. Tony
Blair hat eine der pro-europäischsten Reden gehalten, die
jemals ein britischer Premierminister gehalten hat. Des-
wegen habe ich auch nicht verstanden, warum die Aufre-
gung darüber so groß war. Der Beitrag von Tony Blair
passt doch in das Konzept, Visionen über Europa zu ent-
wickeln. Sie von der Opposition fordern von uns alles
Mögliche ein; aber Sie haben weder Visionen noch einen
pragmatischen Ansatz, wie wir in Nizza zum Erfolg kom-




Michael Roth (Heringen)

13056


(C)



(D)



(A)



(B)


men können. Sie haben auch keine konkreten Alternativen
zu dem geliefert, was die Bundesregierung bislang in die
Verhandlungen eingebracht hat.


(Beifall bei der SPD)

Ich wünsche mir eine Parlamentarisierung des ver-

fassungsgebenden Prozesses. Es ist deshalb nur richtig,
dass wir das Modell des Konventes auch über Nizza
hinaus in den nächsten Jahren immer wieder als unsere
Forderung einbringen. Es darf nicht nur die „Nacht der
langen Messer“ geben, in der hinter verschlossenen Türen
gefeilscht wird, sondern es kann eben auch anders gehen.
Es ist der Beitrag von uns Parlamentarierinnen und Parla-
mentariern, diesen Punkt immer wieder offensiv in die
Debatte zu bringen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich noch eine abschließende Anmerkung
zu dem Post-Nizza-Prozess machen. Ich verstehe das Un-
behagen mancher im Hinblick auf die Erweiterung um
die mittel- und osteuropäischen Länder nicht. Ich ver-
spreche mir eine erhebliche Zunahme der europapoliti-
schen Dynamik, wenn Polen, Ungarn, Tschechien, Slo-
wenien und die anderen mittel- und osteuropäischen
Staaten erst einmal der EU angehören, weil es durchweg
pro-europäische, integrationsfreundliche Länder sind, die
uns dabei unterstützen können, zu einem Europa zu kom-
men, wie es sich die Bürgerinnen und Bürger wünschen:
handlungsfähiger, demokratischer, transparenter. Wir
brauchen vor dem Erweiterungsprozess gar keine Angst
zu haben.

Die SPD-Fraktion hat in den vergangenen Monaten ei-
nen Beitrag geleistet, um die Bürger aufzuklären und zu
informieren. Dabei haben wir nicht auf populistische
Angstmacherei gesetzt, sondern eine Informationskampa-
gne in den Regionen der Bundesrepublik gestartet, die an
Tschechien und Polen grenzen. Wir haben mit Bürgerin-
nen und Bürgern und mit Kommunalpolitikern gespro-
chen und deutlich gemacht, dass der Erweiterungsprozess
nicht nur Risiken mit sich bringt, sondern dass es gerade
in den Grenzregionen große Chancen und Potenziale gibt,
die wir auf allen politischen Ebenen gemeinsam nutzen
müssen. Diesen Beitrag hat die SPD-Fraktion geleistet.
Wir wünschen ihn uns auch von Ihnen, liebe Kolleginnen
und Kollegen von der Opposition.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich bin auch überhaupt nicht pessimistisch, wenn ich
an die Bürgerinnen und Bürger denke. Sie setzen immer
noch – trotz mancher Probleme und trotz mancher Skep-
sis – ihr Vertrauen in den europäischen Integrationspro-
zess. Gerade in der Bundesrepublik Deutschland gibt es
immer noch eine große Zustimmung zu Europa. Dieses
Vertrauen müssen wir rechtfertigen. Deswegen müssen
wir die Teilung Europas überwinden. Voraussetzung dafür
ist eine größere Gestaltungskraft Europas. Dazu müssen
wir in Nizza einen Beitrag leisten. Die Probleme, die wir
hier im Bundestag und die die Bundesregierung allein
nicht mehr lösen können, müssen auf europäischer Ebene
gelöst werden können.

Der Bundesregierung für Nizza ein herzliches Glück-
auf! Unsere guten Wünsche begleiten sie. Ich hoffe, dass
sie zusammen mit den anderen Partnern zu einem guten
Ergebnis kommen wird, über das wir uns werden freuen
können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413502500
Ich
schließe die Aussprache. Wir kommen zu den Überwei-
sungen und Abstimmungen.

Tagesordnungspunkt II a: Interfraktionell wird vorge-
schlagen, den Entschließungsantrag der Fraktionen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache
14/4733 zur federführenden Beratung an den Ausschuss
für die Angelegenheiten der Europäischen Union und zur
Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuss, den Finanz-
ausschuss und den Verteidigungsausschuss zu überwei-
sen.

Der Entschließungsantrag der Fraktion der PDS auf
Drucksache 14/4666 soll zur federführenden Beratung an
den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union und zur Mitberatung an den Auswärtigen Aus-
schuss, den Rechtsausschuss und den Ausschuss für Ar-
beit und Sozialordnung überwiesen werden.

Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht
der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Unter Tagesordnungspunkt II b liegt eine Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für die Angelegenheiten der
Europäischen Union auf Drucksache 14/4457 vor.

Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss-
empfehlung die Annahme des Antrags der Fraktionen von
SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache
14/3514 mit dem Titel „Europäischer Rat in Feira –
Europa entschlossen voranbringen“. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der
Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. bei Enthaltung der
Fraktion der PDS angenommen.

Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschluss-
empfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/3377 mit dem Titel „Innere
Reform der Europäischen Union – Stand der Regierungs-
konferenz – Stabilität des Euro – Haltung zu Österreich“.
Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die Be-
schlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen und der PDS-Fraktion gegen die Stimmen der
Fraktionen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen.

Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschluss-
empfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion
der F.D.P. auf Drucksache 14/3522 mit dem Titel „Mutige
EU-Reform als Voraussetzung für eine erfolgreiche
Erweiterung“. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Die




Michael Roth (Heringen)


13057


(C)



(D)



(A)



(B)


Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koali-
tionsfraktionen gegen die Stimmen der Fraktionen von
CDU/CSU und F.D.P. und bei Enthaltung der PDS-Frak-
tion angenommen.

Unter Tagesordnungspunkt II c liegt eine Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für die Angelegenheiten der
Europäischen Union auf Drucksache 14/4584 vor.

Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschluss-
empfehlung die Annahme des Entschließungsantrags der
Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf
Drucksache 14/4269 zur vereinbarten Debatte zur EU-
Grundrechte-Charta. Wer stimmt für diese Beschluss-
empfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU
und F.D.P. bei Enthaltung der PDS angenommen.

Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschluss-
empfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/4246 zu dem Entwurf der
Charta der Grundrechte der Europäischen Union.

Es liegen Erklärungen nach § 31 der Geschäftsordnung
zur Abstimmung zum einen vom Kollegen Hubert
Hüppe1) von der CDU/CSU-Fraktion und zum anderen
von weiteren 26 Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion
vor2). Sind Sie damit einverstanden, dass wir diese Er-
klärungen zu Protokoll nehmen? – Das ist der Fall.

Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen und der PDS-Fraktion ge-
gen die Stimmen der CDU/CSU-Fraktion bei Enthaltung
der F.D.P.-Fraktion angenommen.

Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 3 seiner Beschluss-
empfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der
F.D.P. auf Drucksache 14/4253 mit dem Titel „Europä-
ische Grundrechte-Charta als Eckstein einer europäischen
Verfassung“. Wer stimmt für diese Beschlussemp-
fehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die
Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koaliti-
onsfraktionen bei Gegenstimmen von CDU/CSU und
F.D.P. und Enthaltung der PDS-Fraktion angenommen.

Unter Tagesordnungspunkt II d liegt eine Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für die Angelegenheiten der
Europäischen Union auf Drucksache 14/3903 vor. Der
Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfeh-
lung die Annahme des Entschließungsantrags der Frak-
tionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf
Drucksache 14/3099 zur Erklärung der Bundesregierung
zu den Ergebnissen der Sondertagung des Europäischen
Rates in Lissabon. Wer stimmt für diese Beschlussemp-
fehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die
Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koaliti-
onsfraktionen bei Gegenstimmen von CDU/CSU, F.D.P.
und PDS angenommen.

Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschluss-
empfehlung die Ablehnung des Entschließungsantrags

der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/3101 zur
Erklärung der Bundesregierung zu den Ergebnissen der
Sondertagung des Europäischen Rates in Lissabon. Wer
stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist
damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der
PDS-Fraktion bei Gegenstimmen von CDU/CSU und
F.D.P. angenommen.

Unter Tagesordnungspunkt II e liegt eine Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für die Angelegenheiten der
Europäischen Union auf Drucksache 14/3472 vor. Der
Ausschuss empfiehlt die Ablehnung des Antrages der
Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/2233 mit dem
Titel „Regierungskonferenz 2000 und Osterweiterung –
Herausforderungen für die Europäische Union an der
Schwelle zum neuen Millennium“. Wer stimmt für diese
Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Die Beschlussempfehlung ist damit mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS bei
Gegenstimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen.

Unter Tagesordnungspunkt II f liegt eine Beschluss-
empfehlung des Ausschusses für die Angelegenheiten der
Europäischen Union auf Drucksache 14/4323 vor. Der
Ausschuss empfiehlt die Ablehnung des Antrags der Frak-
tion der F.D.P. auf Drucksache 14/3187 mit dem Titel
„Beziehungen zu Österreich normalisieren“. Wer stimmt
für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen?
– Wer enthält sich? – Die Beschlussempfehlung ist mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der PDS bei
Gegenstimmen von CDU/CSU und F.D.P. angenommen.

Wir kommen zu den Tagesordnungspunkten II g bis II j
und zum Zusatzpunkt 1. Interfraktionell wird Überwei-
sung der Vorlagen auf den Drucksachen 14/4653,
14/4654, 14/3434 (neu), 14/4017 und 14/4732 an die in
der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschla-
gen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall.
Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

Zusatzpunkt 2: Wir kommen zur Abstimmung über den
Antrag der Fraktion der PDS auf Drucksache 14/4720 mit
dem Titel „Klarheit des Begriffs Mensch in EU-Grund-
rechte-Charta sichern und Menschenwürde umfassend
gewährleisten“. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-
gen? – Wer enthält sich? – Der Antrag ist mit den Stim-
men der Koalitionsfraktionen, der CDU/CSU und der
F.D.P. bei Zustimmung der PDS-Fraktion abgelehnt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt III auf:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung

eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2001

(Haushaltsgesetz 2001)

– Drucksachen 14/4000, 14/4302 –

(Erste Beratung 119. Sitzung)


b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-
richts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu
der Unterrichtung durch die Bundesregierung




Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
13058


(C)



(D)



(A)



(B)


1) Anlage 2
2) Anlagen 3 und 4

Finanzplan des Bundes 2000 bis 2004
– Drucksachen 14/4001, 14/4301, 14/4524 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dietrich Austermann
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Christa Luft

Wir beginnen mit drei Einzelplänen, zu denen keine
Aussprache vorgesehen ist.

Ich rufe auf:
III. 1 hier: Einzelplan 01

Bundespräsident und Bundespräsidial-
amt

– Drucksachen 14/4501, 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Adolf Roth (Gießen)

Ewald Schurer
Antje Hermenau
Dr. Werner Hoyer
Dr. Christa Luft

Wer stimmt für den Einzelplan 01 in der Ausschuss-
fassung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Darf ich einmal fragen, wie sich die PDS-Fraktion ver-
hält?


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Sie stimmt dafür!)

– Sie stimmt dafür. Damit ist der Einzelplan 01 einstim-
mig angenommen.

Ich rufe auf:
III. 2 hier: Einzelplan 02

Deutscher Bundestag
– Drucksachen 14/4502, 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Rolf Niese
Jochen Borchert
Antje Hermenau
Jürgen Koppelin
Dr. Barbara Höll

Wer stimmt für den Einzelplan 02 in der Ausschuss-
fassung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Einzelplan 02 ist damit bei Enthaltung der PDS-Fraktion
mit den Stimmen aller anderen Fraktionen angenommen.

Ich rufe auf:
III. 3 hier: Einzelplan 03

Bundesrat
– Drucksachen 14/4503, 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Rolf Niese
Albrecht Feibel
Matthias Berninger
Jürgen Koppelin
Heidemarie Ehlert

Wer stimmt für den Einzelplan 03 in der Ausschuss-
fassung? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? –
Der Einzelplan 03 ist damit einstimmig angenommen.

Ich rufe nunmehr auf:
III. 4 hier: Einzelplan 08

Bundesministerium der Finanzen
– Drucksachen 14/4508, 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Susanne Jaffke
Hans-Eberhard Urbaniak
Manfred Hampel
Antje Hermenau
Oswald Metzger
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Uwe-Jens Rössel
Dr. Christa Luft

III. 5 hier: Einzelplan 32
Bundesschuld

– Drucksache 14/4519 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans Jochen Henke
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Uwe-Jens Rössel

III. 6 hier: Einzelplan 60
Allgemeine Finanzverwaltung

– Drucksache 14/4520 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Hans Jochen Henke
Manfred Kolbe
Hans Georg Wagner
Oswald Metzger
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Uwe-Jens Rössel

III. 7 hier: Einzelplan 20
Bundesrechnungshof

– Drucksache 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Oswald Metzger
Ewald Schurer
Josef Hollerith
Dr. Werner Hoyer
Heidemarie Ehlert

Zum Einzelplan 08 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion der PDS vor. Zum Einzelplan 32 liegt ein Ände-
rungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Zum Einzel-
plan 60 liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU, ein Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P.
und ein Änderungsantrag der Fraktion der PDS vor. Über
den Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. werden wir
später namentlich abstimmen. Zum Einzelplan 60 liegt
ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor,
über den wir am Freitag abstimmen werden.




Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms

13059


(C)



(D)



(A)



(B)


Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache drei Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der
Kollege Dietrich Austermann von der CDU/CSU-Frak-
tion das Wort.


Dietrich Austermann (CDU):
Rede ID: ID1413502600
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Wir beginnen heute mit der
zweiten Lesung des Bundeshaushalts für das Jahr 2001.
Ich möchte mit vier Feststellungen beginnen:

Erstens. Die rot-grüne Regierung und die sie tragende
Mehrheit haben durch falsche wirtschaftspolitische Wei-
chenstellungen die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbe-
dingungen verschlechtert.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Die Stichworte sind: Einführung neuer Steuern – ich brau-
che nur die Ökosteuer zu erwähnen –, das so genannte
Steuerentlastungsgesetz, das zu Mehrbelastungen geführt
hat, das Thema „Minijobs“ sowie die Frage der
Scheinselbstständigkeit und die Rücknahmen beim Kün-
digungsschutz und bei der Lohnfortzahlung. Ich glaube,
diese Stichworte sind inzwischen in jedermanns Voka-
bular.


(Detlev von Larcher [SPD]: Die Arbeitslosenzahlen gehen zurück!)


Die Wirtschaft ist ernüchtert über den Reformkurs.
Zweitens. Infolge dieser Politik trüben sich die Wachs-

tumsaussichten ein. Zum fünften Mal hintereinander
kühlt sich der Ifo-Geschäftsklimaindex ab. Die Stimmung
ist zwar noch besser als die Lage; gestützt wird das Ganze
aber auf tönerne Füße: auf den Exportboom. Hinzu
kommt eine erdrückende Belastung durch die Energie-
preise.

Drittens. Die rot-grüne Bilanz in Bezug auf den Ar-
beitsmarkt und die Beschäftigung ist blamabel.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Statt den Arbeitsmarkt zu modernisieren, wollen Sie

ihn betonieren.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr richtig!)


Dies machen aktuelle Gesetzentwürfe, die bei Ihnen auf
der Tagesordnung stehen, deutlich: Rechtsanspruch auf
Teilzeitarbeit, Einschränkungen bei befristeten Arbeits-
verhältnissen und die Erweiterung der betrieblichen Mit-
bestimmung. Das sind neue Fesseln für mehr Beschäfti-
gung und weniger Arbeitslose.


(Detlev von Larcher [SPD]: Sie waren immer schon dafür, dass die Arbeitnehmer nichts zu sagen haben!)


Viertens. Vieles ist in unserem Land zurzeit nicht mehr
in Ordnung. Darauf weist nicht nur der Abgang von fünf
Ministern in den ersten zwei Jahren Ihrer Regierung hin.
Nummer sechs und Nummer sieben stehen gewisser-
maßen schon an der Tür.


(Zuruf von der SPD: Wer ist das?)


– Ich denke, Ihre Fantasie reicht aus, um sich vorstellen
zu können, wer das sein könnte. Die Diskussion um ein
aktuelles Thema macht das deutlich. – Vieles ist also nicht
mehr in Ordnung. Das gilt besonders für die Finanz- und
Haushaltspolitik. Man muss endlich mit dem Argument
aufräumen, dass unter Hans Eichel gespart wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ankündigungsminister!)


Der Eindruck, Herr Finanzminister, Sie seien ein Spar-
kommissar, ist falsch. Kein Finanzminister hat je mehr
Einnahmen erzielt. Keiner hatte je größere Taschen. Kein
Finanzminister – das Jahr 1923 vielleicht einmal ausge-
nommen – hat je in Deutschland mehr Steuereinnahmen
und mehr Privatisierungserlöse erzielt.


(Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Um mehr Schulden abzubauen! – Detlev von Larcher [SPD]: Blanker Neid!)


Bürger und Betriebe wurden noch nie stärker angezapft,
als das derzeit der Fall ist.


(Beifall bei der CDU/CSU Ein Vergleich der fünf Jahre vor 1998, in denen die Ge samtausgaben sanken, mit den fünf Jahren zwischen 1998 und 2003 zeigt: Es kommt im Jahresvergleich nicht nur zu Mehrausgaben in Höhe von 38 Milliarden DM, sondern Sie machen auch 230 Milliarden DM neue Schulden. Wenn nicht der Glücksfall der UMTS-Lizenzen hinzugekommen wäre, für den Sie, wie wir alle wissen, nichts können – denn Sie haben damals gegen die Postprivatisierung gestimmt –, sähe dies noch viel dramatischer aus. Die Abgabenquote steigt; die Staatsquote verharrt auf hohem Niveau. Angesichts Ihrer Steuerpolitik in Trippelschritten wird die Steuerbelastung im Jahre 2004 höher sein als im Jahre 1998. Lassen Sie mich zu diesen vier Feststellungen genauere Ausführungen machen: Die Wachstumsaussichten für das kommende Jahr trüben sich ein. Darauf haben die Sachverständigen hingewiesen; dies sagt die OECD. Ich verkenne nicht, dass Sie mit der Steuerreform – viel zu spät – richtige Schritte eingeleitet haben. Aber Sie haben Besseres verhindert. Das, was Sie getan haben, ist nicht ausreichend wachstumsund beschäftigungsfördernd, zumal das Ganze durch eine falsche Energiepolitik und eine ungeheure Belastung durch die hochgeschnellten Energiepreise überlagert wird. – Das hat nichts mit Sauertopf zu tun, Frau Kollegin. Das ist eine realistische Beschreibung der Situation. Sie sollten sich einmal Folgendes vor Augen führen: Für das nächste Jahr wurde eine Erhöhung der Gaspreise um 20 Prozent angekündigt. Beim Öl waren es 100 Prozent. Kollege Metzger hat noch vor zwei Monaten gesagt, er wette, dass die Benzinpreise am 1. Januar 2001 niedriger sein würden als zum damaligen Zeitpunkt. Das Gegenteil ist der Fall: 60 Pfennig mehr bei Sprit und Strom und, und, und. Das alles zusammen bedeutet aufs Jahr hochgerechnet eine zusätzliche Belastung der Gesamt Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms 13060 wirtschaft, von Bürgern und Betrieben, von 65 Milliarden DM. Setzen Sie das in Relation zur Steuerentlastung, dann stellen Sie fest: Das ist eine Rekordbelastung für Bürger und Betriebe. Dies hat natürlich Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt, auch wenn Sie mehr denn je für aktive Arbeitsmarktpolitik ausgeben. In den letzten Haushaltsberatungen war die Frage „Wer hat mehr für aktive Arbeitsmarktpolitik ausgegeben?“ ein Streitpunkt. Wenn man allein die Titel des Haushalts der Bundesanstalt für Arbeit für Eingliederungsmaßnahmen betrachtet, also für ABM, F und U und dergleichen, kommt man in diesem und im kommenden Jahr auf einen Betrag von 27,8 Milliarden DM. Im Jahr 1998 waren es 25,7 Milliarden DM. Man sollte doch annehmen, wenn die Zahl der Arbeitslosen zurückgeht, könnte man in diesem Bereich mehr tun. Sie weisen die Mittel aus. Was bei Schröder „Chefsache“ bedeutet, kann man an der Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in den neuen Bundesländern ablesen. Sie steigen; denn die weitere direkte Förderung der neuen Bundesländer soll über den Haushalt 2001 gekürzt werden. Sie ergreifen neue Maßnahmen, die den Arbeitsmarkt beschränken; dies halten wir für falsch. Wenn Sie tatsächlich eine positive Bilanz bei der Arbeitslosenquote aufweisen, ist dies im Wesentlichen auf zwei Faktoren zurückzuführen. Das eine ist die Tatsache, dass wir einen demographischen Effekt haben, dass weniger Jüngere in den Arbeitsmarkt kommen und mehr Ältere ausscheiden. Das andere ist die Tatsache, dass Sie – ich nehme mal an, das war der ganze Grund für die Neuregelung der Minijobs – nun die Minijobs als Vollerwerbsbeschäftigungen ausweisen, was allein ein Plus von 0,4 Prozent oder 144 000 Arbeitslose weniger bei der Arbeitsmarktstatistik bedeutet. Das ist ein unanständiger Trick, um die Bilanz zu fälschen. Meine Damen und Herren, mit großem finanziellen Aufwand haben Sie, Herr Eichel, versucht, sich als erfolgreicher Sparkommissar darzustellen. Mit zweistelligem Millionenaufwand ganzseitige Anzeigen, nur der Kopf des Finanzministers – das kannte man früher bei den Genossen im sozialistischen Personenkult. Null Aussage, nur das Gesicht war dort abgebildet. (Zurufe von der SPD: Buh! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Gibt es keinen schwarzen Personenkult? Ich erinnere mich: Da war doch was!)


(Dr. Konstanze Wegner [SPD]: Sauertopf!)


(Beifall bei der CDU/CSU)





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(Zuruf von der CDU/CSU: Alles nur Schein!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


– Nicht in dieser Form. Es kann ja jeder Werbung machen,
aber man darf nicht in den Steuertopf greifen, um Wahl-
propaganda für die eigene Person zu machen.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Erst einmal an die eigene Nase fassen, das erleichtert den Umgang!)


Ich glaube, wenn man sich ein paar Details anguckt,
wird deutlich, dass in Deutschland in der Tat nicht gespart
wird. Nehmen wir nur einmal die Luxussanierung des al-

ten Kanzleramtes in Bonn für die Entwicklungshelfer!
44 Millionen DM zusätzlich, damit sich die Ministerin
dort etwas wohler fühlt. Was könnte man mit diesem Geld
in der Entwicklungshilfe tun!


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Die lassen sie ja extra in Bonn! Die wollen sie gar nicht hier haben!)


Ein anderes Thema ist die wachsende Zahl von Spit-
zenämtern für Genossen. Immer neue Behörden, immer
neue Gesellschaften werden gegründet, um abgehalfterte
Genossen mit einem gut bezahlten Job zu bedienen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Schwarze Gesellen!)


Herr Eichel, ich könnte es nicht an einer Hand aufzählen,
wie viele Parteifreunde Sie in letzter Zeit zu einem neuen
Amt in einer neuen Behörde oder in einer neuen Gesell-
schaft gebracht haben. Und dann noch die verfassungs-
widrige Öffentlichkeitsarbeit!

Für das Jahr 2001 wird die Ausgabenausweitung mit
ein paar Tricks kaschiert.


(Zuruf von der SPD: Das müssen gerade Sie sagen!)


– Ganz genau, Frau Kollegin. – Tatsächlich steigen die
Ausgaben im nächsten Jahr. Über ein paar Tricks versucht
man, das zu kaschieren.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Dann müssen Sie klagen, wenn Sie solche Worte in den Mund nehmen!)


Da gibt es Zuflussvermerke beim Verteidigungsetat
und beim Entwicklungshilfeetat, was bedeutet: Die Mehr-
ausgaben erscheinen nicht sofort, sondern erst in der Bi-
lanz am Ende des Jahres. Bestimmte Ausgaben, beispiels-
weise für die EXPO – Welchen Anteil übernimmt denn
nun der Bund? –, führt man gar nicht erst im Haushalt auf.
Schätzansätze werden mit Absicht, aber gegen die Rea-
lität, herabgesetzt. Die Ausgaben für die Arbeitslosenhilfe
werden zu niedrig angesetzt – 4 Milliarden DM sind zu
wenig, weil die Zahl der Langzeitarbeitslosen steigt.

Wenn man sich die Beratungen am letzten Beratungs-
tag vor Auge führt, ist das Ganze einfach nur noch als
unseriös zu kennzeichnen. Innerhalb von wenigen Stun-
den wurden die Ausgaben und Einnahmen um 29 Milliar-
den DM verändert. Man kann doch nicht sagen, dass dem
eine sinnvolle Beratung vorausgegangen ist. Es gab Pa-
piere aus dem Finanzministerium, aber in dieser kurzen
Zeit war eine Beratung nicht möglich. In diesen wenigen
Stunden wurden auch die Verpflichtungsermächtigungen,
die man für in der Zukunft vorgesehene Projekte einge-
plant hatte, auf 78 Milliarden DM aufgestockt. Die Steu-
ern wurden niedriger angesetzt als in der letzten Steuer-
schätzung.

Bei dem vorgelegten Haushalt stimmt doch alles hin-
ten und vorne nicht, und das nur, um die Ausgabensitua-
tion im Jahre 2001 künstlich unter der des Jahres 2000 zu
halten.

Meine Damen und Herren, Sie haben sich im Laufe
der Beratungen einer Reihe von Forderungen der Union




Dietrich Austermann

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angeschlossen. Zum Teil wurden unsere Anträge einfach
abgeschrieben und vier Wochen später als eigene vorge-
legt.


(Detlev von Larcher [SPD]: Was denn nun? Waren sie gut oder nicht gut?)


Sie haben sich der Forderung angeschlossen, mehr für die
Investitionen zu tun. Das haben Sie fast wörtlich abge-
kupfert.


(Detlev von Larcher [SPD]: Was wollen Sie denn eigentlich?)


Das ist doch wie in der Schule, aber wenn der Lehrer es
dort entdeckt, gibt es dafür eine Sechs und die Arbeit wird
als ungültig gewertet.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans Georg Wagner [SPD]: Aber nur bei schlechten Arbeiten!)


Damit haben Sie die falsche Haushaltspolitik ein biss-
chen korrigiert. Nur wegen des Zufallsprodukts der Erlöse
aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen war das mög-
lich und die Entscheidung zu deren Versteigerung fiel zu
unserer Regierungszeit. Doch die Stärkung der Investitio-
nen reicht bei weitem nicht aus. Die Investitionsquote im
kommenden Jahr ist immer noch niedriger als im Jahre
1998, also im Jahr des letzten Waigel-Etats. Selbst unter
Einrechnung der Mehrausgaben für Straßenbau und
Schiene liegen Sie darunter.

Betrachten Sie die beiden Haushalte Wirtschaft und
Technologie plus Forschung auf der einen Seite und Bau-
und Wohnungswesen auf der anderen Seite. Sie werden
feststellen, dass bei beiden die Ausgaben im kommenden
Jahr niedriger sind als zu unserer Regierungszeit. Sie ge-
ben also weniger für Investitionen aus, als wir das bei ei-
nem niedrigeren Haushaltsniveau gemacht haben. Sie ge-
ben weniger für Investitionen und damit weniger für die
Zukunft aus.

Nehmen wir ein Beispiel, das noch aus der Debatte um
das Thema BAföG aktuell ist. Die BAföG-Reform ist auf
den Weg gebracht, für das BAföG wird im Jahre 2001
deutlich weniger Geld ausgegeben als 1998 und 1997.
Das nennen Sie Reform.

Der Anspruch von Rot-Grün hat gelautet: Wir wollen
Schulden abbauen. Wir haben Ihnen vorgehalten – ich tue
das heute noch einmal –, dass der Bund von 1999 bis 2004
insgesamt sage und schreibe über 230 Milliarden DM
neue Schulden macht. Die Steuerzahler sind zur Melkkuh
von Herrn Eichel geworden. Die Steuerzahler sind Opfer
von Dr. Eichels Schröpfkur,


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


wobei das Steuerrecht durch die Entscheidung des letzten
Jahres mittelstandsfeindlicher und komplizierter gewor-
den ist.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Was Sie erzählen, ist sehr unterhaltsam, aber es bildet nicht!)


– Ich verstehe ja, dass Sie das beunruhigt,

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Es belustigt mich! Ich bin wahnsinnig belustigt!)

aber die Tatsache kann doch jeder Bürger in seinem Por-
temonnaie und jedes Unternehmen an seiner Investitions-
kraft feststellen. Daran, dass die Steuereinnahmen des
Bundes bei uns um fast 15 Milliarden DM gesunken sind
und bei Ihnen um 82 Milliarden DM steigen, wird doch
ganz deutlich, dass sich die Steuerreform zwar auf dem
Papier, aber nicht in den Taschen bemerkbar macht. Es
geht um sage und schreibe 82 Milliarden DM. Die angeb-
lich größte Steuerreform der Geschichte ist nichts als das
Feigenblatt einer planvoll und mit großem Aufwand ver-
nebelten Steuererhöhungspolitik,


(Lachen bei der SPD)

die den Normalverdiener und die so genannte Neue Mitte
gnadenlos schröpft.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Tun Sie doch nicht so, als ob Sie ein großes Feigenblatt bräuchten!)


Unter dieser Regierung haben die Menschen immer we-
niger Geld in der Tasche und der DGB beklagt, dass die
Schere zwischen Arm und Reich immer größer wird.


(Detlev von Larcher [SPD]: Sie sagen die Unwahrheit, ohne rot zu werden!)


Die nächste Stufe der Ökosteuer ab 2001 ist vorpro-
grammiert. Machen wir uns das noch einmal klar: Zurzeit
haben die Belastungen durch Steuern und Abgaben ein
dramatisches Maß angenommen und Sie beabsichtigen,
durch die Ökosteuer ab dem 1. Januar im Rahmen der
nächsten Stufe weitere 7 bis 8 Milliarden DM zusätzlich
einzunehmen. Das verstehen wir nicht unter den notwen-
digen Schritten für eine bessere Förderung des wirt-
schaftlichen Wachstums in Deutschland.

Insgesamt ist auch die Abgabenquote gestiegen. Nach
den offiziellen Zahlen des Sachverständigenrates lag sie
1998 bei 42,3 Prozent, im kommenden Jahr wird sie bei
43,1 Prozent liegen. Betrachtet man das ganz in Ruhe,
stellt man fest, dass es natürlich unsozial ist, dass Sie Ver-
schiebungen zulasten der Krankenkassen und der Soli-
darsysteme, zulasten von Bund und Ländern und zulasten
der Rentenversicherung vornehmen. Das gilt auch für die
vorgesehene Entfernungspauschale, die von anderen öf-
fentlichen Kassen mitfinanziert werden soll.

Im Übrigen werden auch Zahlungsverpflichtungen, die
mit den Händen zu greifen sind, verschoben. Erinnern wir
uns doch, was Sie uns bezüglich der Kohlebelastungen
vorgehalten haben, als wir einen Teil von dem gemacht
haben, was Sie jetzt machen. Sie verschieben Belastun-
gen, die gesetzlich festgelegt sind, in die nächsten Jahre.
Hierbei handelt es sich um 1,5 Milliarden DM. Auch da-
mit täuschen Sie über das tatsächliche Volumen des Haus-
halts hinweg. Das hat mit Haushaltswahrheit und Haus-
haltsklarheit nichts mehr zu tun.

Lassen Sie mich etwas zu dem Thema Privatisierung
sagen. Dies ist ein Thema, das wir über viele Jahre ken-
nen, weil immer gesagt wird, wir hätten in unserer dama-
ligen Regierungszeit das Tafelsilber verscherbelt.




Dietrich Austermann
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(B)


Zunächst muss man erstaunt sein, wie viel Tafelsilber
noch da ist. Wir haben es doch angeblich verscherbelt.
Wenn ich mir allerdings ansehe, wie hier Privatisierung
mit der Brechstange betrieben wird, dann ist „Verscher-
beln von Tafelsilber“ noch ein harmloser Ausdruck. Ei-
nerseits wird alles, was nicht niet- und nagelfest ist, aus-
schließlich unter dem Gesichtspunkt des Erlöses verkauft,
während andererseits Darlehensforderungen gegen die
Bahn mit einem kräftigen Abschlag an die Bahn selbst
verkauft werden. Gleichzeitig fordert der Bund von der
Bahn noch 500 Millionen DM für die Ökosteuer – das
muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen –,
obwohl doch die Menschen auf dieses Verkehrsmittel um-
steigen sollen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei der Ausgleichsbank wird der tüchtige Vorstand, der
der Quasi-Fusion mit der KfW widersprochen hat, hi-
nausgeekelt. Hinter dem eiligen Verkauf der Bundes-
druckerei stehen viele Fragezeichen. Der Leiter der Post-
regulierungsbehörde muss gehen.

Wenn man sich diese Fakten vor Augen führt und fest-
stellt, dass zum Schluss schnell noch einmal, um Reser-
ven für den Haushalt 2002, das heißt: für das Wahljahr, zu
haben, die Privatisierungserlöse niedriger angesetzt wer-
den als im Entwurf, dann zeigt dies, welche Taktik Sie
verfolgen. Nein, das alles trägt den Stempel „unseriös“.
Dies ist nicht zuletzt durch das Verfahren in den letzten
Tagen deutlich geworden.

Meine Damen und Herren, die CDU/CSU hat sich bei
den Haushaltsberatungen von einer klaren Generallinie
leiten lassen. Sie heißt: Investitionen steigern, Forschung
und Technologie fördern, den Beitrag zur Arbeitslosen-
versicherung senken, die Bundeswehr modernisieren.
Diese vier Punkte können Sie in sämtlichen Anträgen, die
wir vorgelegt haben, nachlesen. Diese Generallinie hat
dann auch zu einzelnen Anträgen geführt, die ich kurz er-
läutern möchte.

Wir haben vorgeschlagen und beantragt, den Ansatz für
den Bundesfernstraßenbau um 2 Milliarden DM zu er-
höhen; zurzeit gibt es keinen aktiven Bundesverkehrswe-
geplan, weil Sie ihn ausgesetzt haben. Wir wollen eben-
falls um 2 Milliarden DM höhere Investitionen für die
Schiene. Ich sagte es schon, hier haben Sie abgekupfert.

Wir wollen die Erhöhung der Mittel für die Gemein-
schaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirt-
schaftsstruktur“ in den neuen Bundesländern um 300Mil-
lionen DM. Hier haben Sie die Mittel zulasten der
Situation in den neuen Bundesländern gekürzt.

Wir wollen mehr für den Hochschulbau tun. Wir wol-
len eine Verstärkung der Forschungs- und Bildungsausga-
ben nicht von 600 Millionen DM, sondern von 1 Milli-
arde DM.

Wir wollen Verbesserungen für die Landwirtschaft, für
den Unterglasgartenbau. Wir stellen jetzt – Stichwort
BSE – einen neuen Antrag auf zusätzliche Mittel für ein
Sofortprogramm für Maßnahmen zum Schutz der Ver-
braucher und zur Umstrukturierung der Landwirtschaft.

Wir wollen mehr Mittel für die Bundeswehr, denn es
macht keinen Sinn, eine Reform anzustreben und gleich-
zeitig die Bundeswehr nicht mit dem nötigen Geld auszu-
statten.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wehrpolitik!)


Wir wollen mehr Geld für die Stadtsanierung und die
Wohnumfeldverbesserung in West und Ost. Wir wollen
die Abschaffung der überflüssigen Ökosteuer, und wir
wollen die Senkung der Beiträge zur Arbeitslosenversi-
cherung.

Dass Letzteres möglich ist, hat der Verwaltungsrat der
Bundesanstalt für Arbeit durch einen Brief deutlich ge-
macht. Sowohl die Vertreter der Gewerkschaften als auch
die der Arbeitgeber haben gesagt: Wenn Sie nicht Lasten,
die bisher im Bundeshaushalt enthalten waren – Jugend-
arbeitslosenprogramm, Lohnkostenzuschüsse für Lang-
zeitarbeitslose, Strukturanpassungsmaßnahmen Ost –, der
Bundesanstalt und damit dem Beitragszahler aufs Auge
gedrückt hätten, dann wäre ein Spielraum für die Senkung
der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung vorhanden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Wir halten das für unbedingt erforderlich, damit wenigs-
tens im nächsten, im dritten, also im vorletzten Jahr Ihrer
Regierung etwas von der Senkung von Abgaben, die Sie
angekündigt haben, zu erkennen ist.

Insgesamt hätten unsere Anträge im Haushaltsausschuss
dazu geführt, dass die Nettokreditaufnahme auf knapp un-
ter 40Milliarden DM hätte gesenkt werden können, mithin
also eine deutlich stärkere Senkung der Neuverschuldung
als bei Rot-Grün. Wir fordern Sie auf, unserem Antrag zu-
zustimmen, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu
senken.

Meine Damen und Herren, inzwischen ist eine Fülle
von Wirtschaftsinstituten, aber auch die Presse offen-
sichtlich etwas mehr davon überzeugt, dass vieles von
dem, was Sie in letzter Zeit gemacht haben, nicht geeig-
net ist, die Stärkung des Wirtschaftsstandortes zu fördern.
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung, das nicht
den Ruf hat, der Union besonders nahe zu stehen, hat dies
deutlich so umschrieben:

Einerseits vermindert der Bund – offensichtlich in
dem Bestreben, die staatlichen Ausgaben zu senken –
die Mitfinanzierung von Aufgaben wie die Arbeits-
förderung, die gesamtgesellschaftlicher Natur sind.
Eigentlich gehen so von der Gesellschaft zu tragende
Ausgaben nur zulasten der Versichertengemein-
schaft.

Es folgert:
Würde der Bund also seiner Mitfinanzierungspflicht
für gesellschaftlich zu tragende Aufgaben stärker
nachkommen, entstünden zusätzliche Spielräume für
Beitragssenkungen.

Wo das DIW Recht hat, hat es Recht. Dies wollen wir un-
terstreichen.




Dietrich Austermann

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(D)



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(B)


Mit der von uns beantragten Umschichtung, die auch
für mehr Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit sorgt,
ergeben sich aufgrund der Anträge der CDU/CSU sowie
den von uns mitgetragenen Kürzungen per Saldo Minder-
ausgaben von 300 Millionen DM, Investitionssteigerun-
gen um 5 Milliarden DM und die Investitionsquote würde
das Niveau des Jahres 1998, des letzten Jahres unserer
Regierungszeit, erreichen. Wir wollen weniger Steuern,
weniger Abgaben, mehr Investitionen und mehr Arbeits-
plätze.


(Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Und mehr Schulden!)


Rot-Grün bewirkt mit seiner Politik genau das Gegenteil.
Wir werden in dieser Woche unsere Anträge wiederholen.
Sofern ihnen nicht im Rahmen der zweiten Lesung ge-
folgt wird, werden wir dem Haushalt insgesamt nicht
zustimmen können.

Lassen Sie mich mit einem Dank an den Vorsitzenden
des Haushaltsausschusses, die Obleute und die bei der
Vorberatung Anwesenden schließen. Das, was wir be-
schrieben haben, hat oft zu sachlichen Unterschieden ge-
führt. Ich habe sie deutlich gemacht, für manchen von Ih-
nen vielleicht zu deutlich; aber es war notwendig.
Gleichwohl hat es über die Parteigrenzen hinweg im Rah-
men der Rolle, die wir zu spielen haben, erträgliche Bera-
tungen gegeben. Ich würde mich freuen, wenn dies dazu
führen könnte, dass Sie einer Reihe von unseren Anträgen
zustimmen,


(Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: Keine Chance, Herr Austermann!)


damit sich die Situation in Deutschland im nächsten Jahr
verbessert und sich die Wirtschaftslage nicht weiter ein-
trübt.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413502700
Als
nächster Redner hat der Kollege Hans Georg Wagner von
der SPD-Fraktion das Wort.


Hans Georg Wagner (SPD):
Rede ID: ID1413502800
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Während der Rede des
Kollegen Austermann dachte ich: Das kann doch nicht
der Austermann sein, so redet bestenfalls der Weihnachts-
mann. Das passt auch zur Jahreszeit. Dem Weihnachts-
mann kann man unterstellen, dass er vom Haushalt keine
Ahnung hat, aber von Ihnen kann man erwarten, dass Sie
zumindest die Kapitel des Bundeshaushaltes kennen.
Deshalb bin ich über Ihren Diskussionsbeitrag etwas ver-
blüfft.

Aber er hat bei mir nur geringe Verblüffung ausgelöst;
denn ich hatte meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ge-
beten, einmal zusammenzustellen, was der Herr
Austermann sagen könnte. Sie haben genau die angeführ-
ten Punkte genannt. Insofern waren wir bestens präpa-
riert. Deshalb will ich auf Ihre Rede nicht näher eingehen.

Bei Ihrer Eingangsrede stimmte nur der erste Satz, dass
wir heute die zweite Lesung des Bundeshaushaltes haben.
Das ist richtig. Das möchte ich ausdrücklich bestätigen.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Alles andere ist falsch. Wenn Sie sich die Zeitung von
heute anschauen, Herr Kollege Austermann, dann werden
Sie unschwer feststellen, dass sich die Industrieinvesti-
tionen in Deutschland seit 1992 erstmals auf über
100Milliarden DM belaufen. Das Statistische Bundesamt
hat festgestellt, dass die größten Unternehmen des verar-
beitenden Gewerbes und der Bergbau rund 102 Milliar-
den DM investiert haben.

Jetzt noch ein Wort zur Zukunft des Steinkohleberg-
baus. Wir haben eine einvernehmliche Lösung zwischen
dem Unternehmen RAG, der Bergbaugewerkschaft, der
Landesregierung in Nordrhein-Westfalen und der Koali-
tion gefunden. Sie wird die Zukunft des Bergbaus sichern.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das hatten wir auch!)


– Sie können lachen, so viel Sie wollen. Diese Lösung
wird bis zum Jahre 2005 das sicherstellen, was Sie, Herr
Rexrodt, als Vereinbarung im Jahre 1997 unterschrieben
haben. Diese Regierung hält ihre Versprechen. Sie hält so-
gar die Versprechen ein, die Sie, die alte Regierung, sei-
nerzeit den Bergwerkern gegeben haben.


(Beifall bei der SPD – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das ist nicht wahr! Wir haben immer einvernehmliche Lösungen gehabt!)


Auch die EU-Kommissarin de Palacio wird dieser
Regelung zustimmen, sodass wir auf der sicheren Seite
sind und die Wünsche des Bergbaus erfüllen können. Sie
wissen alle: 2003 wird über die Auszahlung entschieden.
Bis 2005 muss ausgezahlt werden.

Heute wird eine Umfrage der Deutschen Genossen-
schaftsbank veröffentlicht, die unter 2 500 mittelständi-
schen Unternehmen durchgeführt wurde. Darin steht,
dass die Geschäftslage des deutschen Mittelstandes von
den Unternehmen selber als unverändert gut bezeichnet
wird. Dynamik herrsche in den Traditionsbranchen Elek-
tro, Metall und Chemie. Beim Bau sei allerdings noch
eine flaue Gesamtlage festzustellen. Deshalb haben wir
bei den Bauinvestitionen etwas hinzugetan. Die Zinser-
sparnisse haben wir auch für die Bauinvestitionen einge-
setzt, damit die Bauwirtschaft wieder besser über die
Runden kommt. Das alles ist doch bei Ihnen vernachläs-
sigt worden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Wichtigste ist: Die 2 500 Mittelständler sagen,
dass es auch in den nächsten zwei Monaten einen erheb-
lichen Anstieg der Zahl der Beschäftigten geben wird. Das
heißt, es werden Arbeitsplätze geschaffen. Da greift doch
unser Programm. Sie haben sich nie so intensiv darum
gekümmert.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Dietrich Austermann
13064


(C)



(D)



(A)



(B)


Unser Haushalt, so wie er von der Koalition verab-
schiedet worden ist, ist ein wichtiger Meilenstein zur
Konsolidierung der Bundesfinanzen. Unser Tenor „Spa-
ren und Gestalten“ ist Wirklichkeit geworden – das kann
nachgelesen werden –, im Gegensatz zu früher, als hem-
mungslos Schulden gemacht worden sind, anstatt Maß zu
halten, und man gegenüber allen praktischen Vorschlägen
der damaligen Opposition, wie man Geld einsparen
könne, uneinsichtig war.

Die Koalition hat im Verfahren den Regierungsentwurf
zum Haushalt um 1,7MilliardenDM auf nunmehr 477Mil-
liardenDM gekürzt. Das hat es bei Ihnen nie gegeben. Wir
kürzen permanent auch bei den eigenen Entwürfen, weil
wir der Meinung sind, dass immer noch eine Chance be-
steht, etwas herauszuholen. Wir holen auch etwas heraus,
wie diese Zahlen beweisen.

Herr Kollege, Sie haben eben die Investitionsquote
beklagt. Dazu muss ich Ihnen sagen: Die Investitionen
steigen durch die Beschlüsse der Koalition um 3,4 Milli-
arden DM auf 57,9 Milliarden DM.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Investitionsquote liegt damit bei 12,2 Prozent. Sie ha-
ben öffentlich behauptet, diese Investitionsquote sei sogar
niedriger als 1998. In der Tat hatten Sie 1998 eine Inves-
titionsquote von 12,5 Prozent, also eine höhere als jetzt.

Wir wissen aber alle, dass die alte Regierung das Haus-
haltsrecht nicht so genau nahm. – Herr Kollege Austermann,
Sie waren ja im Haushaltsausschuss maßgeblich daran be-
teiligt. – Sie legte nicht nur verfassungswidrige Haushalte
vor, sondern manipulierten den Investitionsbegriff, um
den Verschuldungsrahmen nach Art. 115 des Grundgeset-
zes hoch zu halten. Investitionsausgaben wurden künst-
lich hochgerechnet, um dann am Ende – wie 1996 – 5,3Mil-
liarden DM unter dem Soll des Haushaltsplanes 1996 zu
liegen. Das heißt, es wurden Investitionen angesetzt, bei
denen Sie von vornherein wussten, dass sie niemals um-
gesetzt werden können. Das war nicht Haushaltswahrheit
und -klarheit, das war Haushaltsverlogenheit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Jahr 1998 wurden 1,7 Milliarden DM für Struk-
turanpassungsmaßnahmen im Osten eingestellt, und zwar
für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, die nun wirklich
keine Investitionen sind. Subtrahiert man diese 1,7 Milli-
arden DM von der Investitionssumme des Jahres 1998,
dann erhält man eine Investitionsquote von exakt 12,1 Pro-
zent. Und diese liegt unter der Investitionsquote unseres
Haushaltes für das Jahr 2001.

Herr Kollege Austermann, Sie haben vorhin gesagt,
das Problem der Arbeitslosigkeit werde nicht verringert.
Schauen wir uns doch einmal die Zahlen der Bundesan-
stalt für Arbeit an. Ich darf die Zahlen noch einmal verge-
genwärtigen: 1997 hatten wir 4 396 000 Arbeitslose, 1998
4 266 000 Arbeitslose, 1999 4 093 000 Arbeitslose, im
Oktober 2000 3 611 000 Arbeitslose. Bei der Prognose für
2001 gehen die Bundesregierung und die Institute wie-
derum von einem Rückgang von 400 000 Arbeitslosen

aus. Wie man da von einer Stagnation beim Arbeitsmarkt
sprechen kann, begreife ich überhaupt nicht. Die Arbeits-
losigkeit geht ganz klar zurück. Sie wollen das nur nicht
zur Kenntnis nehmen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die Anträge, die Sie gestellt haben, sind alle nicht ge-
genfinanziert. Sie sprechen von einer Erhöhung des Bun-
deshaushaltes um 8,1 Milliarden DM. Aber das geht nur
durch Erhöhung der Nettokreditaufnahme; anders können
Sie das nicht finanzieren. Der Finanzierungsvorschlag,
den Sie gemacht haben, Gelder der Europäischen Union
als Einnahme zu veranschlagen, ist völlig unüblich und
widerspricht schlicht und ergreifend dem deutschen
Haushaltsrecht. Das hätten Sie aber wissen müssen, bevor
Sie den Antrag gestellt haben. Deshalb werden wir den
Antrag ablehnen.

Natürlich hätten wir gerne ein höheres Investitionsvo-
lumen beschlossen. Wer denn nicht? Aber dann hätten wir
unser Sparziel verfehlt. Das ist mit uns nicht zu machen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Noch eine Anmerkung zur Investitionsquote. Diese

Kennziffer ist zumindest verwirrend, wenn nicht proble-
matisch. Ich beziehe mich dabei auf die Rede des Bundes-
präsidenten am Donnerstag der vergangenen Woche in
Bonn zum 50-jährigen Jubiläum des Bundesrechnungs-
hofes. Kollege Kalb war meines Wissens anwesend.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Geistig und körperlich anwesend!)


– Natürlich, ich habe mich auch gefreut, Sie zu sehen. –
Der Bundespräsident hat die Frage gestellt, ob es richtig
sein kann, dass die Anschaffung eines Dienstwagens nach
unserem Haushaltsrecht eine Investition ist, wogegen In-
vestitionen im Bildungs- und Forschungsbereich als kon-
sumtive Ausgaben bezeichnet werden. Wenn jeder davon
spricht, wir müssten für die Zukunft unserer Kinder und
Enkelkinder etwas tun, so ist damit doch die Investition in
die Zukunft Deutschlands gemeint; solche Ausgaben wer-
den aber nicht als Investitionen, sondern als konsumtive
Ausgaben gewertet. Über diese Sache müssen wir in Ruhe
reden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sicherlich sind auch Brücken, Straßen, Schienen und Ge-
bäude Zukunftsinvestitionen, aber auch Mittel, die in die
Bildung und Ausbildung von Menschen fließen, müssen
in die Investitionsquote mit einbezogen werden. Auf die-
sem Feld bestehen zwischen Ihnen und uns keine Strei-
tigkeiten; wir müssten gemeinsam diskutieren, wie wir zu
einem anderen Begriff kommen können.

Gerade im Bereich Bildung und Ausbildung haben
Sie in der Vergangenheit am schwersten gesündigt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Von 1992 bis 1998 haben Sie die Mittel hierfür von
20,6 Milliarden DM auf 18,7 Milliarden DM gesenkt. In




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Ihrer Regierungszeit wurden also die Ausgaben für Bil-
dung massiv gesenkt und das BAföG verkümmerte. Die
Mittel in diesem Bereich belaufen sich im Haushalt 2001
wieder auf 20,6 Milliarden DM, also den Stand des Jahres
1992. So gewinnen wir die Zukunft. Beim BAföG sind
Sie völlig von der Rolle: Eben haben Sie beklagt, beim
BAföG sei wenig gemacht worden, obwohl doch im
nächsten Jahr 500 Millionen DM mehr bereitgestellt wer-
den, damit auch die Arbeiterkinder Gelegenheit haben zu
studieren.


(Beifall bei der SPD)

Es ist nicht mehr so wie bei Ihnen, dass nur Kinder von
Ärzten oder Professoren Ärzte und Professoren werden
konnten, während Arbeiterkinder nur Arbeiter werden
konnten. Die Zeit ist vorbei!


(Beifall bei der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


Wir sind angetreten, die Arbeit billiger zu machen, und
senken die Lohnnebenkosten. 1999 betrug der Beitrags-
satz zur Rentenversicherung 19,5 Prozent, 2000 beträgt er
19,3 Prozent. 2001 wird er bei 19,1 Prozent liegen, 2002
bei 18,8 Prozent und 2003 bei 18,6 Prozent. Jetzt klat-
schen Sie nicht, obwohl das für Sie Traumzahlen sein
müssten. Dies hätten Sie nie erreicht, wenn Sie Ihre Poli-
tik hätten fortsetzen können. Das Schöne ist, dass Sie ab-
gewählt worden sind.

Der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Herr
Jagoda, hat in den letzten Tagen erklärt, dass auf dem Aus-
bildungsmarkt zurzeit mehr Ausbildungsplätze verfügbar
als Bewerber vorhanden seien. Das ist gut so und unter an-
derem auch ein Ergebnis des Sonderprogramms, das wir
aufgelegt haben. Es hat sich als äußerst erfolgreich erwie-
sen, und wir werden es mit einer Größenordnung von
2 Milliarden DM fortsetzen. Man muss aber auf diesem
Gebiet etwas genauer hinsehen:


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Man muss immer genau hinsehen!)


In Deutschland gibt es Regionen, in denen die Jugendar-
beitslosigkeit hoch ist, und andere, in denen sie niedrig ist.
Man muss also versuchen, die Gelder dorthin zu bringen,
wo die Not am größten ist, wo die wenigsten Ausbil-
dungsplätze angeboten werden. In diesen Regionen muss
man Jugendliche in Ausbildung bringen und ihnen damit
eine berufliche Chance geben. Das wird geschehen. Wir
sind dabei, dieses Ziel genauer zu formulieren, aber an
dem Ansatz in Höhe von 2 Milliarden DM ändert sich
nichts.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie haben damals gestänkert und gehetzt, aber wir ha-
ben mit diesem Programm einen großen Erfolg gehabt.
Alle sagen, dass die Koalition stolz darauf sein kann, die-
ses Ziel erreicht zu haben, und wir sind auch stolz darauf.
Die gesamte Arbeitsmarktpolitik wird auch im Jahre 2001
in einem Umfang von 44 Milliarden DM finanziert. Auch
das ist Kontinuität in unserer Arbeit. Auf uns, auf Rot-
Grün, ist auch bei der Arbeitsmarktpolitik Verlass.


(Beifall bei der SPD)


Ich will zwei große Problemfelder ansprechen – es er-
scheint mit notwendig, dies anzuführen – die Bundes-
wehr und die Bundesbahn. Zum Thema Bundeswehr sage
ich: Rudolf Scharping ist nicht zu beneiden,


(Lachen bei der CDU/CSU)

aber er hat die volle Solidarität von Rot-Grün. Er ist nicht
zu beneiden, weil er die Bundeswehr in einem technolo-
gisch schlechten Zustand übernommen hat.


(Beifall bei der SPD – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Sie haben doch immer gestrichen!)


Ich will das an Beispielen klarmachen, damit Sie es be-
greifen: Vom Heer wurden Leo-II-Panzer in den Kosovo
transportiert, von denen die eine Hälfte dadurch einsatz-
fähig gemacht wurden, dass man die andere Hälfte ausge-
schlachtet hat. Das ist die Wahrheit.

Man hat Mörser in den Kosovo transportiert, sie als
Drohkulisse aufgebaut, aber nicht die geringste Menge an
Munition gehabt, die hätte verschossen werden können.
Das war das Ergebnis Ihrer Politik.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Unerhört! – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Wer hat denn ständig gekürzt? Das wart ihr doch! – Bartholomäus Kalb [CDU/ CSU]: Wir haben 1990 noch nicht gewusst, dass ihr Krieg führen wollt!)


Jetzt zur Marine. Wie sah es dort aus? Ich will Ihnen ei-
nen Punkt nennen. Es fand ein Marinemanöver der NATO
im Ägäischen Meer statt. Die NATO musste die Anforde-
rungsstandards sehr tief setzen, damit die Bundesmarine
überhaupt teilnehmen konnte. Also auch dort alles tote
Hose. Das ist das Ergebnis Ihres Versagens, meine Damen
und Herren.


(Beifall bei der SPD)

Jetzt zur Luftwaffe. In Deutschland gibt es Fliegerhors-

te, in denen junge Piloten ausgebildet werden sollen, in
denen aber für 30 auszubildende Piloten nur eine einzige
Maschine zur Verfügung steht,


(Wolfgang Gehrcke [PDS]: Eine zu viel!)

weil alle anderen nicht einsatzfähig sind. Dann kommt
noch ein NATO-Offizier, der seine Flugstunden haben
muss und das Flugzeug noch vier Tage in der Woche be-
legt. Also sitzen 30 junge Menschen, hoch motiviert für
diesen Beruf, herum, spielen Mensch-ärgere-dich-nicht
oder Skat oder trinken. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.
Das müssen wir jetzt angehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb sage ich: Rudolf Scharping ist absolut nicht zu
beneiden, wenn er Ihr Chaos beseitigen muss.

Sie arbeiten auch mit der Unwahrheit, wie immer,
wenn Sie sagen, das Finanzvolumen reiche nicht aus. Ihr
Oberexperte ist ja heute nicht anwesend. Ich frage aber
alle, die sich als Experten bezeichnen, insbesondere die
Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU aus dem Ver-




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teidigungsausschuss: Haben Sie denn über Jahre und
Jahrzehnte wirklich nicht bemerkt, was mit der Bundes-
wehr los ist?


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist ja nicht zu fassen! Ständig sind von Ihnen Kürzungsanträge gekommen. – Gegenruf des Abg. Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die hätten Sie ja nicht mitmachen müssen, oder?)


Dabei geht es nicht nur um die von Ihnen verursachte Un-
terbezahlung vieler Soldaten und später auch Soldatinnen.
Das werden wir – damit das auch klar ist – ändern, damit
die Motivation in der Bundeswehr wieder steigt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Frau Matthäus-Maier lässt grüßen! –Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Jäger 90!)


Mit 46,8 Milliarden DM, die in den Beratungen von
uns noch um 60 Millionen DM erhöht wurden, und mit
den Erlösen, die das Verteidigungsministerium durch den
Verkauf von Liegenschaften und anderen Einrichtungen
erzielen kann, sowie durch eine Modernisierung der Ver-
waltung ist die Reform zu finanzieren. Dies werden wir,
wenn die Finanzierung steht und die Umstrukturierung
in Gang gesetzt ist, auch darstellen.


(V o r s i t z: Dr. h. c. Rudolf Seiters)

Wir haben in diesem Falle großes Zutrauen zu Rudolf
Scharping und wir werden ihn bei dieser Umstrukturie-
rung auch unterstützen. Falls Sie etwas anderes erwarten,
machen Sie sich falsche Hoffnungen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Scharping scheint mir die falschen Freunde zu haben!)


Das zweite problematische Thema ist die Deutsche
Bahn AG.Hierzu frage ich die Kolleginnen und Kollegen
der CDU/CSU aus dem Verkehrsausschuss: Haben Sie
wirklich über Jahre und Jahrzehnte – spätestens seit der
Privatisierung der Bundesbahn – nicht bemerkt, dass das
Schienennetz so marode ist, wie dies heute, im Jahr 2000,
festgestellt wird?

Herr Mehdorn hat mir, als ich ihn gemeinsam mit
Herrn Poß besuchte, eine Schraube gezeigt, mit der Schie-
nen an Holzschwellen festgemacht sind und die er mit der
Hand herausgezogen hatte. Auf dieser Strecke fahren
ICE-Züge. Dieser marode Schienenweg ist das Ergebnis
Ihres Wegsehens. Das kann nur daran liegen, dass Sie
überhaupt nicht aufgepasst haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Über solche Unterstützung wird sich Herr Mehdorn aber freuen!)


Wie desolat der Zustand ist, will ich jetzt nicht mit ei-
genen Zahlen belegen. Ich zitiere vielmehr aus dem Brief
der deutschen Bauindustrie vom 13. November. Sie haben
ihn wohl alle bekommen. Zumindest Herr Austermann hat
ihn auch bekommen. Darin steht Folgendes:

Die deutsche Bauindustrie begrüßt die Entscheidung
der Bundesregierung, der Deutschen Bahn AG in den
Jahren 2001 bis 2003 jährlich 2 Milliarden DM zu-

sätzlich an Baukostenzuschüssen bzw. Darlehen für
Investitionen zur Verfügung zu stellen. Die Initiative
der Bundesregierung wird aber nur dann erfolgreich
sein, wenn diese zusätzlichen Mittel auch tatsächlich
in die Modernisierung des Schienennetzes in
Deutschland fließen.

Richtig! Ein Blick in die Vergangenheit zeigt, dass dies
in den letzen Jahren nicht immer der Fall war. In den
Haushaltsjahren 1992 bis 1996 hat die Deutsche Bahn AG
Investitionsmittel in Höhe von 4,2 Milliarden DM nicht
abgerufen. Warum?


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Aha! Es waren also genug da!)


– Sie hatten doch die Kontrolle. Was haben Sie denn ge-
macht? Vor allem die neuen Bundesländer hatten unter der
Investitionsschwäche der DBAG zu leiden.

In den Haushaltsjahren 1996 bis 1998 hat der Bund für
den Bereich der ehemaligen Deutschen Reichsbahn
Investitionsmittel in Höhe von 11,1 Milliarden DM zur
Verfügung gestellt. Das war das Haushalts-Soll. Tatsäch-
lich sind nur 6,6 Milliarden DM in das ostdeutsche Schie-
nennetz geflossen. Das war das Haushalts-Ist. Das war
doch unter Ihrer Verantwortung, meine Damen und Her-
ren! Sie müssen sich dieser Verantwortung endlich einmal
stellen.

Im Haushaltsjahr 1998 haben Sie sogar 960 Milli-
onen DM aus allgemeinen Investitionsmitteln zur Abwen-
dung des Fehlbedarfs beim Bundeseisenbahnvermögen,
also zur konsumtiven Verwendung, umgeschichtet.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Weil die Bahn das Geld nicht verarbeiten konnte!)


Das war ein fataler Fehler. Anstatt mit diesen Mitteln das
Schienennetz zu sanieren und Investitionen zu tätigen, ha-
ben Sie mit den Mitteln konsumtive Ausgaben bestritten.
Das war falsch, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der SPD)

Sie behaupten, von Sparen könne keine Rede sein.

Wenn Sie so etwas behaupten, dann spricht die pure Un-
wissenheit aus Ihnen. In der Tat sind die Ausgaben von
1998 zu 1999 um 25,9 Milliarden DM auf 482,8 Milliar-
den DM gestiegen. Aber warum? Sie wissen es doch am
besten. Wir mussten die Ausgaben um rund 10 Milliar-
den DM erhöhen, um das zu etatisieren, was vorher gar
nicht oder zu niedrig etatisiert wurde. Ich verweise auf
den Arbeitsmarkt, auf die Sonderhilfen für Bremen und
das Saarland und auf die Gewährleistungen.

Wir haben für Haushaltsklarheit gesorgt. Zuschüsse zu
den Postunterstützungskassen wurden in den Haushalt
eingestellt. Außerdem haben wir den Bundeszuschuss zur
Rentenversicherung, der aus dem Ökosteueraufkommen
finanziert wird, erstmalig veranschlagt. Bereinigt man
den Haushalt um diese Faktoren, dann stieg der Haushalt
1999 nur um 1,7 Prozent. Der Zuwachs beträgt von 1999
bis 2003, in vier Jahren, nur 2,6 Prozent. Gleichzeitig
steigt das Bruttoinlandsprodukt um 16,5 Prozent. Was
will man denn noch mehr? Sie haben solche Erfolge, die
wir in der kurzen Zeit unserer Regierungstätigkeit schon
erreicht haben, nie erzielt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





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Ein paar Sätze zur Entwicklungshilfepolitik, die Sie
vorhin kritisiert haben: Ich mache es mir einfach und ver-
weise auf das, was Herr Wolfensohn, der Präsident der
Weltbank, in einem Gespräch mit mir und einigen Kolle-
ginnen und Kollegen gestern in Berlin gesagt hat. Er lobte
ausdrücklich die deutsche Entwicklungshilfe und sagte,
sie sei im Gegensatz zu der anderer Industriestaaten wie
etwa USAund Japan vorbildlich. Das ist unsere Entwick-
lungspolitik, die Entwicklungspolitik von Rot-Grün!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir setzen Akzente und stellen die Mittel zur Verfügung,
die wir zur Unterstützung der dritten Welt zugesagt haben.
Wenn die Weltbank uns derart lobt, dann sollten wir froh
sein. Sie sollten sich mit freuen; denn die deutsche Re-
gierung, die auch Ihre Regierung ist, hat diesen Erfolg er-
zielt.

Herr Austermann hat natürlich wieder behauptet: Die
rot-grüne Koalition schröpft die Bürger und die Unter-
nehmen. Das ist Ihr Standardsatz, seitdem Sie in der Op-
position sind. Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass die
deutschen Steuerzahler durch die Steuerreform 2000 um
62,5 Milliarden DM bis 2005 entlastet werden.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Das sind natürlich keine Peanuts! Das ist schon was!)


Durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002,
Maßnahmen zur Familienförderung und durch die ande-
ren Reformmaßnahmen kommen Entlastungen in Höhe
von 30 Milliarden DM hinzu. Die Wirtschaft, das Deut-
sche Institut für Wirtschaftsforschung und der Sachver-
ständigenrat haben das positiv gewürdigt. Viele Arbeit-
nehmer sollten sich im Januar ihren Lohnzettel einmal
genau anschauen. Dann werden sie sofort erkennen, dass
CDU/CSU und F.D.P. gezielt versuchen, sie hinters Licht
zu führen. Auf Dauer können Sie so keine Politik machen,
schon gar keine ehrliche.

Im Beratungsverfahren hat die CDU/CSU Anträge ge-
stellt, die den Etatansatz um 8,1 Milliarden DM erhöht
hätten, und zwar ohne Gegenfinanzierungsvorschläge.
Die F.D.P. hat Anträge eingebracht, die eine Erhöhung um
4,6 Milliarden DM bedeutet hätten, ebenfalls ohne
Gegenfinanzierungsvorschläge. Die PDS-Anträge hätten
eine Erhöhung um rund 700 Millionen DM bedeutet. Da-
mit waren Sie, meine Damen und Herren von der PDS,
noch sehr zurückhaltend. Allerdings wollten Sie diese
Summe durch Kürzungen im Verteidigungsetat gegenfi-
nanzieren.


(Zuruf von der PDS: Gute Gegenfinanzierung!)


– Sie waren zwar die einzigen, die Gegenfinanzierungs-
vorschläge gemacht haben – das ist wahr; das gestehe ich
Ihnen ausdrücklich zu –, aber diese waren vollkommen
unrealistisch. Sie wollten den Verteidigungshaushalt
schröpfen, um Ihre Vorschläge gegenzufinanzieren. Das
konnten wir nicht mitmachen.

Wir haben vernünftige Anträge der Opposition mitge-
tragen. Natürlich haben wir den Antrag der F.D.P. mitge-
tragen, die politischen Stiftungen, die Aufbauarbeit im

Osten und insbesondere auf dem Balkan leisten, zu unter-
stützen. Das war ja auch ein vernünftiger Antrag. Deshalb
wurde er von der SPD und von den Grünen unterstützt.
Wir haben auch den PDS-Antrag, in Not geratene Hand-
werker sowie kleinere und mittlere Unternehmen zu un-
terstützen, mitgetragen, weil er vernünftig war.


(Beifall bei der PDS)

Ich habe mich geärgert – das muss ich ehrlich zugeben –,
dass wir selber nicht auf die Idee gekommen sind. Von der
CDU/CSU kam kein einziger vernünftiger Antrag. Des-
halb konnten wir keinen Ihrer Anträge unterstützen. Das
ist Realität.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Ich möchte noch eine Minute bei dem Thema der man-
gelnden Zahlungsmoral der öffentlichen Hand und der
Privaten bleiben; denn das ist kein Thema, um das es zwi-
schen Koalition und Opposition Auseinandersetzungen
gibt. Viele Unternehmen


(Zuruf von der CDU/CSU: Denken Sie einmal an die Bundesländer!)


– genau! – leiden unter der mangelnden Zahlungsmoral.
Wir haben ein entsprechendes Gesetz auf den Weg ge-
bracht. Es greift noch nicht so, wie wir uns das vorgestellt
haben. Ich bin jedenfalls mit dem Ergebnis noch nicht zu-
frieden. Der Versuch war es jedenfalls wert. Viele Be-
triebe, aber auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-
mer in den Betrieben leben aufgrund der mangelnden
Zahlungsmoral in ständiger Ungewissheit hinsichtlich ih-
rer Zukunft. Herr Kollege Rauen – wir beide kommen so-
zusagen aus demselben Gewerbe –, Sie wissen ja: Man
muss die Gewährleistung mit Bankbürgschaften absi-
chern. Man muss aufgrund der Vorfinanzierung Ab-
schlagszahlungen hinnehmen. Wenn dann die Zahlungen
ausbleiben oder nur verzögert erfolgen, dann ist der Kon-
kurs des Unternehmens vorprogrammiert. So einfach ist
das. Deshalb muss man an die öffentliche Hand und an die
Privaten appellieren, damit sie die Finanzierung endlich
so vornehmen, dass die Betriebe nicht über die Wupper
gehen. Wir sollten das gemeinsam angehen, damit dem
entgegengesteuert wird.

Ich fasse zusammen: Der Haushalt des Jahres 2001 ist
die Fortsetzung unseres strikten Konsolidierungsprozes-
ses. Der Sparkurs wird uneingeschränkt fortgesetzt. Spä-
testens 2006 wollen wir keine Nettokreditaufnahme mehr
vornehmen und damit auch keine neuen Schulden ma-
chen. Ab 2007 wollen wir, mit dem Abbau des Schulden-
berges, den Sie uns hinterlassen haben, beginnen. Das
dauert sehr lange, weil die Schulden sehr hoch sind. Wir
sind es unseren Kindern und Enkeln schuldig. Die Koali-
tion ist gewillt, diesen Weg gemeinsam zu gehen. Sie wer-
den sich wundern, wie die nächsten Haushalte aussehen
werden. Wir werden diesen Kurs weiterführen, denn nur
er führt zum Erfolg. Dass Rot-Grün ein Erfolg wird, wer-
den Sie sehen, wenn wir vor die Wähler treten und wenn
abgerechnet wird.

Schönen Dank.




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(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Detlev von Larcher [SPD]: Guter Mann bekommt viel Beifall!)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413502900
Nun gebe
ich dem Kollegen Dr. Günter Rexrodt für die F.D.P.-Frak-
tion das Wort.


Dr. Günter Rexrodt (FDP):
Rede ID: ID1413503000
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Im Haushalt 2001 fällt zweierlei auf:
Der Kurs des Schuldenabbaus stimmt. Die Staatsschuld
ist zu hoch, die Neuverschuldung muss zurückgeführt
werden und sie muss in absehbarer Zeit auf null gebracht
werden. Die Bundesrepublik Deutschland befindet sich
im Übrigen in Gleichklang mit anderen Industrienationen.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Seit Rot-Grün dran ist! Vorher nicht!)


Ich zögere nicht, dies am Anfang als ein positives Ergeb-
nis der Haushaltspolitik herauszustellen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)


Der Kurs ist gut. Aber er macht aus dem Haushalt 2001
beileibe noch kein Highlight. Wenn man genau hinschaut,
ist dieser Haushalt eher Magerkost. Der Haushalt profi-
tiert auf der Einnahmeseite von sprudelnden Steuern und
Privatisierungserlösen. Das gibt Freiraum für die rot-
grüne Koalition. Sie hat diesen Freiraum in einem ent-
scheidenden Punkt aber nicht richtig genutzt: Sie hat ihn
nicht genutzt, um die wirklichen, die strukturellen Pro-
bleme des Haushalts anzugehen. Die liegen auf der Aus-
gabeseite. Die Ausgabeseite des Haushaltes ist nicht kon-
solidiert.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Da gibt es keine Reserven. Das wird dem Bundesfinanz-
minister und der Koalition bei erstbester – oder anders:
bei erstschlechter – Gelegenheit zu schaffen machen.
Dazu genügen ein ungünstiger Verlauf der Konjunktur – die
Konjunktur, Herr Wagner, ist sehr fragil; das kann bereits
im nächsten Jahr so sein, was ich nicht hoffen will –,
weniger Steuereinnahmen oder auch höhere Ausgaben für
Europa. Dafür sind so lange keine Reserven vorhanden,
wie man die Ausgabeseite des Haushaltes nicht richtig an-
geht. Dies ist nicht geschehen.

Der Kurs des Schuldenabbaus ist ohne Alternative. Ich
füge hinzu: Er ist umso bemerkenswerter, als er durchaus
nicht in sozialdemokratischer Tradition steht. Ihre Regie-
rungen in Bund und Ländern haben sich nicht unbedingt
durch finanzielle Disziplin ausgezeichnet, ganz im Ge-
genteil.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.– Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Seien Sie froh, dass wir jetzt so gut arbeiten!)


– Man lernt dazu. – Auch in der Amtszeit des Kollegen
Eichel in Hessen ist die Verschuldung dieses Bundeslan-
des um sage und schreibe 59 Prozent gestiegen.


(Zuruf von F.D.P.: Die leiden noch heute darunter!)


Sozialdemokratische Oppositionspolitik war nicht immer
durch Ausgabendisziplin gekennzeichnet.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie war es, als Sie Wirtschaftsminister waren?)


Ich erinnere mich sehr gut daran – es ist gerade zwei Jahre
her –, dass Sie Anträge von uns nur deshalb abgelehnt ha-
ben, weil Sie der Auffassung waren, dass an der jeweili-
gen Stelle von uns nicht genügend Geld in die Hand
genommen worden sei. Sie haben immer noch draufge-
sattelt. Von Disziplin konnte keine Rede sein.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Das eine Lager der Grünen spielt sich heute als Ober-

konsolidierer auf. Gleichzeitig holt das andere Lager je-
den vernünftigen Vorschlag, auch den von Ihnen, Herr
Schlauch,


(Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Das war doch nur ein Plagiat! Da steckt doch keine Substanz hinter!)


dahin zurück, wo die Grünen herkommen, wo sie mit
ihrem Herzen und auch in der öffentlichen Wahrnehmung
eigentlich anzusiedeln sind. Das ist der wesentliche
Punkt.

Ich höre an dieser Stelle oft Protestgeschrei, zum Bei-
spiel von Ihnen, Herr Wagner. Auch der Bundesfinanzmi-
nister tut sich hervor. Da wird immer gesagt: Ihr seid doch
diejenigen, die die Bundesschuld auf 1,5 Billionen DM
getrieben haben. – Das ist eine perfide Argumentation, die
ganz geschickt angelegt ist. Damit will man die Menschen
glauben machen, dass es gewissermaßen zum Wesen der
alten Koalition gehört habe, leichtfertig mit dem Geld der
Steuerzahler umzugehen, Schulden zu machen und Ge-
fälligkeiten zu verteilen. Ich weise das mit Nachdruck
zurück.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie war denn die Goldaktion? Der Goldesel Waigel! Ich kann mich noch gut erinnern!)


In dieser perfiden Argumentation lassen Sie ein glück-
liches Ereignis, das unsere Entwicklung in den letzten
zehn Jahren geprägt hat, immer ganz bewusst und ge-
schickt außen vor: die Wiedervereinigung. Sie kostet uns
bis zum heutigen Tage viel Geld. Ich sage gern: Wir müs-
sen in die Wiedervereinigung noch immer viel Geld inves-
tieren, Geld, das sich amortisieren wird. Es ist perfide,
diese Entwicklung dazu zu benutzen, uns zu unterstellen,
wir seien die Schuldenmacher.


(Detlev von Larcher [SPD]: Sind Sie ja auch!)

– Wenn Sie dies sagen, dann zeigen Sie, dass Sie keine
Ahnung haben. Sie wissen genau: Die Menschen nehmen
es Ihnen nicht ab.


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Doch! Die Leute sind ja klüger als Sie!)


Der Zuwachs der Bundesschuld entspricht in etwa
dem, was im gleichen Zeitraum, also in den letzten zehn
Jahren, in die neuen Länder geflossen ist. Die Zahlen
sind fast identisch. Das weiß jeder Mann und jede Frau in






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diesem Lande. Sie betreiben eine perfide Politik, indem
Sie dieses Ereignis in Ihrer Argumentation weglassen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Die günstige Entwicklung der Einnahmeseite hat zwei

Ursachen:
Als erste nenne ich: die verbesserte konjunkturelle Si-

tuation und die geringere Arbeitslosigkeit. Das führt zu
Mehreinnahmen im Jahr 2001 von 14 Milliarden DM.

Zweitens. Man muss die enormen Geldzuflüsse auf-
grund der Privatisierungen hinzufügen. Wenn sich die
Konjunktur verbessert, dann rechnen sich die Regierun-
gen das immer selbst zu. Das stimmt nur zu einem Teil.
Ich zögere aber nicht zu sagen: Auch wir haben das ge-
macht. Insoweit sei Ihnen der Bonus der guten Konjunk-
tur gegönnt; zumal Sie eine Steuerreform verabschiedet
haben, die für den Mittelstand zwar ganz gravierende
Nachteile enthält und das Ziel der Steuervereinfachung
verfehlt, die aber insgesamt so ist, wie es von der Großin-
dustrie gewünscht wurde, und die alles in allem – ich sage
das ausdrücklich: alles in allem – in die richtige Richtung
geht.

Der Rückgang der Arbeitslosigkeit – es handelt sich
übrigens um einen sehr zögerlichen Rückgang – hat auch
etwas mit der Konjunktur zu tun. Vor allem ist er ein Er-
gebnis der demographischen Entwicklung.


(Beifall bei der F.D.P.)

Es geht um die Tatsache, dass aus dem Erwerbsleben al-
tersbedingt mehr Arbeitnehmer ausscheiden als Berufsan-
fänger in das Berufsleben eintreten. Der Saldo ist also ne-
gativ. Der Rückgang der Arbeitslosigkeit entlastet den
Haushalt 2001.

Ich möchte an dieser Stelle auf eine besondere, und
zwar hausgemachte, Gefahr hinweisen. Sie liegt in der
mangelnden Flexibilität unseres Arbeitsrechts. Man-
gelnde Flexibilität besteht im Arbeitszeitrecht, im Kündi-
gungsrecht und im Tarifvertragsrecht. Ich erinnere zum
Beispiel an die unselige Bestimmung, dass Arbeitgeber
und Arbeitnehmer in den Betrieben nicht das individuell
regeln dürfen, was regelmäßig Bestandteil von Tarifver-
trägen ist. Mit anderen Worten: Was im Tarifvertrag steht,
kann individuell nicht mehr anders geregelt werden.
Wenn dies in der Bundesrepublik Deutschland so bleibt,
sehe ich enorme Gefahren für unsere konjunkturelle Ent-
wicklung und auch für unsere Wettbewerbsfähigkeit im
internationalen Vergleich.

Nachdem wir mit der Steuerreform einigermaßen rü-
bergekommen sind und sich auch bei der Rente etwas ab-
zeichnet – beim Thema Gesundheit tun wir uns nach wie
vor schwer –, ist die Flexibilisierung des Arbeitsrechtes
der entscheidende Reformpunkt in der Bundesrepublik
Deutschland.


(Beifall bei der F.D.P.)

Die rot-grüne Koalition wagt sich an diesen Punkt nicht
heran. Wenn wir aber an ihn nicht herangehen, wird das
zum Nachteil der Arbeitsplätze sein. Das hat man irgend-
wie begriffen und deshalb wird nun ein Gesetzentwurf
über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverhältnisse ge-

macht. Das ist eine Verschlimmbesserung des bestehen-
den Rechts. Es kann nicht angehen, dass der Arbeitgeber,
das Unternehmen schutzlos gemacht wird, während der
Arbeitnehmer nahezu um jeden Preis Teilzeitarbeit, die
wir ja alle wollen, begehren kann. Das führt zu mangeln-
der Flexibilität der Unternehmen; das führt dazu, dass
„teilzeitverdächtige“ Personengruppen, vor allem Frauen,
überhaupt nicht mehr eingestellt werden. Sie haben einen
schlimmen Gesetzentwurf gemacht, der der notwendigen
Flexibilisierung entgegenwirkt.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Was Sie sich in Ihrem Haushalt nicht zurechnen lassen
können, ist der Milliardensegen aus der Privatisierung
und dem Lizenzverkauf. Meine Damen und Herren,
diese Erlöse beruhen zum großen Teil auf Reformen, die
Sie leidenschaftlich bekämpft und manchmal auch über
Jahre verzögert haben. Welch ein Geschrei gab es hier im
Deutschen Bundestag und bei den Gewerkschaften
draußen, als es um die Privatisierung der „alten Tante“
Deutsche Bundespost ging! Was wäre denn, wenn nicht
die Zuflüsse aus dem Börsengang der Telekom oder aus
der Versteigerung der UMTS-Lizenzen kämen? Herr
Eichel, diese Zuflüsse haben Ihnen eine enorme Entlas-
tung gebracht; das können Sie nicht in Abrede stellen. Ich
sage ja auch gar nicht, dass Sie das Geld falsch verwen-
den, indem Sie es in den Schuldenabbau stecken. Aber
diese Entlastung ist aus Reformen gekommen, die wir ge-
macht und die Sie leidenschaftlich bekämpft haben.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Das gilt auch für die Zuflüsse, die jetzt aus der gelben Post
und vielen anderen Privatisierungsvorhaben kommen
werden.

Meine Damen und Herren, dass Sie diese Mittel zum
Schuldenabbau verwenden, bringt Zinsersparnisse. Mit
diesen Zinsersparnissen können Sie in den Bereichen
Wissenschaft, Verkehr und Bildung etwas tun. Das ist
grundsätzlich okay, auch wenn wir – darüber werden wir
noch am Freitag sprechen – ein paar Akzente anders set-
zen wollen. Die richtigen Bereiche sind das jedenfalls
schon, gar keine Frage.

Nicht zuletzt – das muss ich nun auch ansprechen –
profitiert die Einnahmeseite von der unseligen Erhöhung
der Mineralölsteuer und der Gassteuer sowie von der Ein-
führung der Stromsteuer. Sie fassen diese Steuererhöhun-
gen und diese neue Steuer unter dem Begriff Ökosteuer
zusammen. Im Jahre 2001 werden Sie nach Realisierung
der dritten Stufe Einnahmen in Höhe von 22,3 Milliar-
den DM haben. Immer wieder muss gesagt werden – das
gehört in diese Debatte, weil es die Einnahmeseite des
Haushalts berührt –, dass diese Steuer nichts mit „Öko“ zu
tun hat, weil die Hauptverursacher, unter anderem die In-
dustrie, von der Steuer ausgenommen worden sind. Das
ist zwar mit Blick auf die Arbeitsplätze richtig, mit Blick
auf die Begründung dieser Steuer aber lächerlich und ab-
surd. Diese unselige Ökosteuer bezeichnet der Finanzmi-
nister sehr gern als durchlaufenden Posten, der gewisser-
maßen so, wie er hereinkommt, weiter an die Rentenkassen
geht. Jedes Kind, jeder Laie weiß, dass eine so geartete
Zurechnung von Einnahme- und Ausgabepositionen in




Dr. Günter Rexrodt
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einem öffentlichen Haushalt gar nicht erfolgen darf. Des-
halb bleibe ich dabei: Die Ökosteuer ist schlicht der Ge-
genposten dafür, dass Sie, Herr Eichel, auf der Ausgaben-
seite nicht zurechtkommen. Für den Verbraucher stellt das
Ganze ohnehin nur eine Abzockerei dar.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Völliger Unsinn!)


Sie haben auf der Ausgabeseite Ihre Schularbeiten
nicht gemacht. Den Leuten werden die paar Mark, die sie
im Zuge der ersten Stufe der Steuerreform mehr bekamen,
durch die Ökosteuer wieder abgenommen, mehr noch:
Selbst diejenigen, die nichts herausbekamen, die Rentner,
die Sozialhilfeempfänger, die Arbeitslosen und die
BAföG-Empfänger, werden kräftig zur Kasse gebeten.
Eine feine Politik ist das.


(Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Das ist die neue Gerechtigkeit!)


Hätten wir das so gemacht, dann hätten Sie auf die Trä-
nendrüse gedrückt.


(Zuruf von der SPD: Was machen Sie denn?)

Alle Leute, die im sozialen Bereich arbeiten – das sind
viele in Deutschland –, wären auf die Straße gegangen
und hätten protestiert, wenn wir eine solch unselige Steuer
eingeführt hätten.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo bleiben die Gewerkschaften?)


So richtig durchhalten können Sie Ihre Politik auch
nicht. Das merken Sie ja. Die Ölpreise sind gestiegen,
diese Erhöhungen gibt der Markt an den Verbraucher wei-
ter. Das ist ja eigentlich von Ihnen gewünscht, denn nur so
lässt sich das Argument von der ökologischen Lenkungs-
funktion dieser Steuer begründen. Die Preiserhöhungen
sind also eigentlich gewollt. Oder wollte man sie doch
nicht? Es ist jedenfalls eng für Sie geworden. So gibt es
nun für einen Teil der Betroffenen einen Heizkostenzu-
schuss und vielleicht wird auch noch eine Entfernungs-
pauschale eingeführt.

Es ist der Fluch der bösen Tat, dass Böses sie gebären
muss. – Nun haben wir wütende Verbraucher, ungehaltene
Länder und wieder einmal zusätzlichen Aufwand und zu-
sätzliche Bürokratie. Wenn die Leute aus den Weih-
nachtsferien nach Hause fahren und noch einmal sieben
Pfennig pro Liter mehr bezahlen müssen, weil die Ideolo-
gen das so gewollt haben, werden Ihnen die gar nicht
weihnachtlichen Verwünschungen in den Ohren klingen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Erst recht werden die Leute, wenn sie nach der Heizperi-
ode im Mai/Juni ihre Abrechnungen über Heiz- und
Stromkosten und was sonst noch alles bekommen, die
paar Mark, die sie im Zuge der ersten Stufe der Steuerre-
form bekommen haben, längst vergessen haben. Sie wer-
den Ärger bekommen. Den haben Sie dann auch verdient.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der PDS)


Nun zur Ausgabeseite des Haushaltes: Dort liegt die
eigentliche Herausforderung – ich habe es schon gesagt.
Der Finanzminister sagt, es werde gespart. Das haben im
Übrigen alle Finanzminister gesagt. Bemerkenswert ist
doch eines: Während die Ausgaben des Bundes unter
Theo Waigel im Zeitraum von 1995 bis 1998 um rund
30 Milliarden DM gesenkt werden konnten, bleibt das
Ausgabevolumen in den Jahren 2000 und 2001 in etwa
konstant, um dann wieder kräftig anzusteigen. Der ei-
gentliche Kraftakt, der Einstieg in die Konsolidierung,
wurde schon in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre unter
sehr viel schwierigeren Zeitumständen, weil wir sehr viel
näher am Zeitpunkt der Wiedervereinigung waren, voll-
zogen.

Nach Ihren Prognosen werden die Ausgaben im Bun-
deshaushalt im Jahre 2004 erstmals über einer halben Bil-
lion DM liegen. Der Finanzminister bagatellisiert das. Er
sagt, der Anstieg bei den Ausgaben bewege sich innerhalb
der Inflationsrate und deshalb sei das eigentlich gar kein
Anstieg. Ich sage Ihnen, Herr Eichel: Das ist eine falsche
Betrachtungsweise.


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [F.D.P.])

Ich will nicht Erbsen zählen, aber es kommt darauf an, bei
der Konsolidierung der Staatsfinanzen nicht einseitig auf
die Einnahmeseite zu setzen. Es muss auch die Ausgabe-
seite angegangen werden. Das haben Sie nicht getan.
Darin liegt das Manko dieses Haushalts.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Hans Eichel, Bundesminister: Das ist unglaublich!)


Ein anderer Strukturfehler ist das verheerende Miss-
verhältnis zwischen investiven und konsumtiven Aus-
gaben. Die konsumtiven Ausgaben wachsen ständig
weiter, eine Trendwende ist nicht in Sicht. Die Investiti-
onsquote wird 2004 auf das historische Tief von 10,4 Pro-
zent gesunken sein. Herr Kollege Wagner, ich weiß sehr
wohl, dass die Unterscheidung von investiven und kon-
sumtiven Ausgaben schwierig ist. Darüber können wir
diskutieren. Aber auch wir sind auf der Basis der Abgren-
zung und Zurechnung gemessen worden, wie sie im Mo-
ment vorgenommen wird, mit all den damit verbundenen
technischen oder administrativen Schwierigkeiten.

Die Leistungen des Bundes an die Rentenversiche-
rung steigen überproportional. Im Jahre 2001 wird es eine
Steigerung von 127 Milliarden auf 137 Milliarden DM
geben. Eine Rentenreform ist längst überfällig. Ich muss
zugeben: Herr Riester hat in den letzten Monaten einiges
gelernt.


(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Da war viel nötig!)


Es wäre uns allen aber viel Ärger erspart geblieben, wenn
die demographische Komponente, die wir eingeführt ha-
ben, nicht abgeschafft worden wäre, um sie jetzt wieder
einzuführen. Sie hätten auch gut daran getan, die Vorstel-
lungen gerade meiner Partei zur Förderung der privaten
Vorsorge sehr viel früher zu übernehmen. Der Lernpro-
zess hat uns allen viel Ärger und Ihnen – das ist auch be-
rechtigt – sehr viel Verdruss eingebracht.




Dr. Günter Rexrodt

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(C)



(D)



(A)



(B)


Ein Hauptübel der Sozialausgaben liegt darin, dass die
Bundesanstalt für Arbeit als Verschiebebahnhof für fi-
nanzpolitische Manöver genutzt wird. Riesige Ausgabe-
volumina, zum Beispiel für das Programm zum Abbau der
Jugendarbeitslosigkeit und für Strukturanpassungsmaß-
nahmen, werden jetzt aus dem Haushalt der Bundesanstalt
und nicht mehr aus dem Haushalt des Arbeitsministeri-
ums bezahlt. Das hat tief greifende Konsequenzen. Die
Regierung begibt sich der Möglichkeit, die Beiträge zur
Arbeitslosenversicherung angesichts geringerer Arbeits-
losigkeit zu senken. Im Koalitionsvertrag noch konnte
man lesen: Senkung der Quote der Sozialbeiträge auf un-
ter 40 Prozent. Eine Politik, die falsche Maßnahmen wei-
ter finanziert und Ausgaben nur verschiebt, bringt unser
Land um die Möglichkeit, einen für die Wettbewerbs-
fähigkeit der gesamten Wirtschaft wichtigen Reform-
schritt einzuleiten, nämlich der Senkung der Beiträge der
Arbeitslosenversicherung. Da gehen Sie nicht heran.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Mit Blick auf meine verbliebene Redezeit will ich das

Thema Verkehrspolitik nicht allgemein anschneiden. In
diesem Bereich ist eine Menge gemacht und auch finan-
ziell zugelegt worden. Ich möchte aber zu dem Thema
Bahn, das mich umtreibt und zu dem das letzte Wort noch
nicht gesprochen ist, eine Bemerkung machen.

Ich sage Ihnen und dem ganzen Hause – auch wir wa-
ren in diesem Punkt nicht konsequent genug; das muss ich
meinen Freunden sagen –:


(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Das stimmt! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Endlich mal ein bisschen Selbsterkenntnis!)


Ohne Trennung von Netz und Betrieb ist die Bahn ein
Fass ohne Boden.


(Beifall bei der F.D.P.)

Sie werden die Probleme nicht lösen, wenn Netz und Be-
trieb nicht getrennt werden. Es muss Geld ins Netz ge-
steckt werden – auch vom Bund. Aber diese finanzielle
Unterstützung muss berechenbar und überschaubar sein.
Wenn Sie Netz und Betrieb zusammenlassen, ist es ein
Fass ohne Boden. Die Bahn würde auf diese Weise nie
wettbewerbsfähig werden und die Menschen würden sich
weiterhin ärgern.

Es mag zwar nicht Ihren ethischen Grundvorstellungen
entsprechen, aber die Erfahrungen insbesondere des letz-
ten Jahrzehnts haben uns gelehrt: Es geht nur mit Wettbe-
werb. Er muss endlich auch im Bereich der Schiene – wie
schon im Bereich der Telekommunikation – eingeführt
werden. Nur so bekommen wir die Probleme der Bahn in
den Griff. Diese große Reform steht in der Bundesrepu-
blik Deutschland noch aus. Keiner von Ihnen spricht die-
sen Reformbedarf an, nur wir, die F.D.P, tun dies.


(Beifall bei der F.D.P.)

Wenn Sie am Ende diese Reform doch machen, dann sa-
gen Sie aber nicht, Sie seien die großen Reformer gewe-
sen. Wir waren es, die Sie in diese Richtung getrieben ha-
ben, zu der es keine Alternative gibt.

Der Präsident mahnt mich zu Recht, meine Rede zu be-
enden. Ich will Ihnen zum Schluss sagen, Herr Eichel: Der
Abbau der Schulden und damit die Konsolidierung sind in
Ordnung. Sie haben das Glück, dass die Konjunktur läuft
und dass es Privatisierungserlöse gibt. Aber die eigentli-
che, die schwierige Aufgabe eines Finanzministers, an die
Struktur der Ausgabenpolitik zu gehen, um Vorsorge für
eine Zeit zu treffen, in der die Einnahmen nicht mehr so
ergiebig sind, haben Sie nicht erfüllt. Wir werden Sie und
die rot-grüne Koalition daran messen, ob Sie dies schaf-
fen.

Danke.

(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413503100
Für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun der Kollege
Oswald Metzger.


Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413503200

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte
meine Rede folgendermaßen durchkomponieren:


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Komponieren? So musikalisch wird es nicht werden!)


Im ersten Teil beschäftige ich mich mit dem, was die Kol-
legen Rexrodt und Austermann aufgeworfen haben. Im
zweiten Teil werde ich die globale finanzpolitische Kon-
zeption dieser Regierung im Kontext vortragen. Damit
man sich nicht im Detail verliert, sondern sieht, in welche
Richtung die Finanzpolitik dieser Republik steuert, lege
ich im dritten Teil die Schwerpunkte dar, die wir Sozial-
demokraten und Grüne in diesem Haushalt gesetzt haben.

Kollege Rexrodt und Kollege Austermann, wenn Sie
immer wieder, bereits im September bei der ersten Le-
sung, sagen, Sie hätten zwischen 1995 und 1998 die Aus-
gaben reduziert, und das dem gegenüberstellen, was wir
von 1998 bis 2002 machen, dann wollen Sie wohl dieses
Parlament und die interessierte Öffentlichkeit für dumm
verkaufen. Denn am 1. Januar 1996 wurde die Finanzie-
rung des Kindergeldes umgestellt. Im Bundeshaushalt
1995 betrug das Ist-Ergebnis der Ausgaben für das Kin-
dergeld 21,3 Milliarden DM. 1996 wurde diese Ausgabe
durch den Abzug bei der Lohnsteuer über die Arbeitgeber
in eine Einnahmeverkürzung umgewandelt. Allein durch
diese Bilanzkürzung ist Ihre rückläufige Ausgabeposition
zustande gekommen, aber nicht durch konkretes politi-
sches Handeln. Sie machen dadurch den Menschen ein X
für ein U vor.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietrich Austermann [CDU/ CSU]: Was war denn mit dem Erblastenfonds? – Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Was war mit den Kohlemilliarden?)


Außerdem, Kollege Roth und Kollege Austermann,
nenne ich als Beispiel die Postunterstützungskasse, die
früher, unter Waigel, im Bundeshaushalt etatisiert war.
Unter Ihrem Finanzminister waren die strukturellen Defi-
zite so groß, dass Sie mit der Investitionsquote kaum die
Vorschriften des Art. 115 des Grundgesetzes erfüllen




Dr. Günter Rexrodt
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(D)



(A)



(B)


konnten und in einem Jahr sogar einen verfassungswidri-
gen Haushalt im Vollzug hatten. Da würde ich mich als
Haushaltssprecher der Opposition schämen, hier so die
Backen aufzublasen. Das ist absolut unredlich.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Da könnte ich den heiligen Zorn bekommen als jemand,
der sich bemüht, die Fakten für sich sprechen zu lassen.


(Uta Titze-Stecher [SPD]: So ist er halt!)

Außerdem, Kollege Rexrodt, waren doch gerade die

Liberalen –

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Man betone: die Rechtsliberalen!)


bis 1998 30 Jahre Regierungspartei, immer der kleine
Motor, der die großen Volksparteien angeschoben hat –
diejenigen, die, was alle Ökonomen in dieser Republik
wissen, in den 70er-Jahren, in denen es keine Wiederver-
einigung gab, in Relation zur volkswirtschaftlichen Leis-
tung mit ihrem damaligen Partner die größte Neuver-
schuldung generiert haben. Wieso stellen Sie sich dann
jetzt hin und sagen: Nach der Wiedervereinigung hatten
wir diesen Sondereffekt und mussten deshalb in die Ver-
schuldung gehen?


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das ist eine ganz andere Dimension, Herr Metzger! Das wissen Sie doch!)


– Wissen Sie, Kollege Rexrodt, mich ärgert, dass Sie jetzt
auf Parteitagen Programme gegen Verschuldung und für
eine Senkung der Lohnnebenkosten verabschieden, nach-
dem Sie als einzige von allen politischen Parteien in die-
ser Republik 30 Jahre lang das genaue Gegenteil gemacht
haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Aber doch nicht die F.D.P.!)


Allein zwischen 1990 und 1998 stiegen die Lohn-
nebenkosten um 6,5 Prozent. Das war eine Finanzie-
rungslast der deutschen Einheit. Das Geld ging natürlich
auch in die Transfers in den Osten. Aber was, um Gottes
willen, hat das denn bewirkt? Schauen Sie sich doch den
ökonomischen Zusammenhang an: Arbeitsplätze wurden
vernichtet, in den 90er-Jahren gab es Reallohnverluste,
weil der Verteilungsspielraum bei den Lohnverhandlun-
gen gegen null tendierte.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Herr Metzger, das ist aber jetzt unter Niveau! Was wäre denn, wenn es diese Transfers nicht gegeben hätte? Was wäre dann gewesen? Das ist unter Niveau, mein Lieber!)


– Wenn man, Kollege Rexrodt, den Solidaritätszuschlag
bereits 1990 in der Wiedervereinigungseuphorie einge-
führt hätte – und nicht, wie Sie erst später –, hätten die
Leute gespannt, dass ein solcher Kraftakt nur in einer so-
lidarischen Kraftanstrengung der Gesellschaft zu leisten
ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wenn Sie in Ihrer Rede so argumentieren, wie Sie es
getan haben, dann müssen Sie jetzt in Kauf nehmen, dass
ich etwas härter zurückschlage.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Die Diskussion haben Sie angezettelt!)


Mir geht es nämlich auf den Geist, dass Sie sich hier stän-
dig hinstellen und sich auf die Schulter klopfen, obwohl
Sie eine absolut desaströse finanzpolitische Situation hin-
terlassen haben. Ich könnte den Sachverständigenrat der
Jahre 1996, 1997 und 1998 zitieren, der Ihnen vorgehal-
ten hat, dass Sie zwar ständig von Konsolidierung reden,
sie aber faktisch nicht vorangebracht haben.

Wir haben als Koalition jetzt einen mühsamen Weg
beschritten. Ich erinnere daran, dass, als Hans Eichel vor
13, 14 Monaten das Zukunftsprogramm 2000 vorgelegt
hat, viele Leute – auch ich selber – skeptisch waren, dass
er dieses tatsächlich realisieren kann, ein 30-Milliar-
den-DM-Kürzungsprogramm, über Jahre angelegt, das
auch die mittelfristige Finanzplanung tangiert. Aber wir
standen zur Konsolidierung, sowohl die Sozialdemokra-
ten – mein Respekt für eine große Volkspartei; ange-
sichts von fünf Landtagswahlen standet ihr im letzten
Jahr dazu, obwohl ihr euch viel Kritik habt anhören müs-
sen – als auch meine Partei.


(Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Und 70 schriftliche Gegenerklärungen hier im Parlament!)


Und wissen Sie was? Wir haben die fünf Wahlen verloren,
aber wir haben den Turnaround in der Finanzpolitik die-
ser Regierung eingeleitet und mit der Steuerreform, die im
nächsten Jahr greift, den Baustein für eine vernünftige Fi-
nanzpolitik gelegt, ohne dass wir wieder zum Verschul-
dungsstaat werden oder den Leuten Steuersenkungen
durch riesige Privatisierungen versprechen. Dass das
Ganze positiv kommuniziert wird, stellen Sie fest, wenn
Sie sich einmal die Reaktionen der breiteren Öffentlich-
keit anschauen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


In einer Pressemitteilung des Deutschen Industrie- und
Handelstages vom 28. November 2000, die heute, zu Be-
ginn der Haushaltsberatungen, veröffentlicht worden ist,
heißt es schlicht und einfach: „Respekt für den Konso-
lidierungskurs dieser Regierung“. Die Rückführung der
Nettoneuverschuldung nach Plan gehe in Ordnung. Be-
sonders beachtlich sei die Rückführung deshalb, weil in
den nächsten Jahren mit der Steuerreform eine gewaltige
Einnahmenverschlechterung für die öffentlichen Haus-
halte einhergehe. Was der DIHT nur beklagt, ist die Til-
gungsstreckung, die von den Ländern verlangt worden ist.
Das ist praktisch das einzige Haar in der Suppe, das der
Deutsche Industrie- und Handelstag laut der Pressemittei-
lung von heute zu dem im Haushaltsausschuss des Deut-
schen Bundestages beschlossenen Haushalt gefunden hat.

Ich finde, das ist ein Kompliment,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





Oswald Metzger

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(C)



(D)



(A)



(B)


das zwar nicht von der falschen Seite kommt, aber im-
merhin aus einer Richtung, die Ihnen von der Opposition
normalerweise näher steht. Deshalb sollten Sie ein biss-
chen aufpassen, wenn Sie hier mit solchem Eifer auf
meine Darstellung Ihrer in der Vergangenheit gemachten
Versäumnisse reagieren.

Die globale Strategie unserer Koalition lautet – dies
sage ich mit den Worten meiner Fraktion –: Wir sind für
eine nachhaltige Finanzpolitik, eine Rückführung der
Staatsverschuldung und ausgeglichene Budgets, damit
die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft nicht
ständig immer mehr Steuern allein für Zinsen auf alte
Schulden zahlen müssen.

Liebe Leute, wir hatten im ursprünglichen Haushalts-
entwurf der Regierung für das nächste Jahr Zinsausgaben
in Höhe von fast 82 Milliarden DM etatisiert. Das sind
17 Prozent aller Ausgaben des Bundes. Fast jede vierte
Mark aus den Steuereinnahmen hätte für Zinszahlungen
verwendet werden müssen. Wenn wir von dieser Last he-
runterkommen wollen, müssen wir langsam und stetig
dazu übergehen, dass mit den laufenden Einnahmen die
Ausgaben des Staates finanziert werden können. Auf die-
sem Weg sind wir.

Wir haben jetzt – auch das gehört zur Haushaltswahr-
heit – aus diesen von mir genannten 82 Milliarden DM
etwa 77 Milliarden DM gemacht,


(Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Was heißt „wir“?)


die Zinsausgaben also um rund 5 Milliarden DM senken
können. Dies wurde natürlich durch die UMTS-Verstei-
gerungserlöse ermöglicht. Herr Kollege Adolf Roth, als
Vorsitzender des Haushaltsausschusses und Obmann
während der CDU/CSU-Regierungszeit wissen Sie mehr
als andere hier im Bundestag, wie groß die Begehrlich-
keiten innerhalb des Parlaments sind, wenn man sagt:
Diese unverhofften Einnahmen kann man auch in ein In-
vestitionsprogramm stecken.


(Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Schauen Sie doch einmal das Ergebnis an!)


Auch von euch kamen Vorschläge, die Investitionen zu er-
höhen. Ihr hättet die Erlöse aus der Versteigerung der
UMTS-Lizenzen doch gern dafür verwandt.

Nein, wir – dies gilt auch für den Haushaltsausschuss
des Deutschen Bundestages – blieben konsequent, haben
dem Finanzminister den Rücken gestärkt und haben damit
folgende seriöse Position durchsetzen können: Un-
verhoffte einmalige Privatisierungserlöse müssen für die
Tilgung genutzt werden, damit sich die Zinsausgaben-
struktur des Bundes langfristig bessert, und zwar in dem
Sinne: Wir geben künftig weniger für Zinsen aus; das da-
durch freiwerdende Geld wollen wir – das haben beide
Regierungsfraktionen beschlossen – für Investitionen in
Zukunft, für Forschung, Bildung und Verkehrsinfra-
struktur einsetzen, um damit die von Ihnen im September
zu Recht beklagte rückläufige Investitionsquote aufzu-
stocken.

Herr Kollege Austermann, mir klingt es noch in den
Ohren, wie Sie hier im September dieses Jahres anlässlich
der ersten Lesung gesagt haben:


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So lange behältst du das im Ohr? Du lieber Gott!)


Im letzten Jahr habt ihr von Rot-Grün im Haushaltsaus-
schuss nur abgenickt, was von Eichel, von der Regierung,
kam. – Unter den besonderen Umständen des damaligen
Konsolidierungspaketes war das vertretbar. Denn wir
wollten an keiner Stellschraube den Sack öffnen, um nicht
von den Änderungswünschen aus den Koalitionsfraktio-
nen insgesamt überfahren zu werden.

Dieses Jahr haben wir während des Haushaltsverfah-
rens den Haushaltsentwurf der Regierung massiv, das
heißt in ganz maßgeblichen Größenordnungen, geändert
und trotzdem die Eckpunkte der Regierungsvorlage ein-
gehalten, ja sogar getoppt. Wir haben das Volumen der
Ausgaben auf 477 Milliarden DM reduziert. Es kommt
also zu einem leichten Minus der im nächsten Jahr ge-
planten Ausgaben im Vergleich zu den in diesem Jahr ge-
tätigten Ausgaben. Das nenne ich Sparen. Wir haben
ferner die Nettokreditaufnahme von 46,1 Milliarden DM
auf 43,7 Milliarden DM reduziert und wir haben die In-
vestitionsquote von 11,4 auf 12,2 Prozent erhöht. Einen
solchen Dreiklang von Positivbotschaften nach einer Aus-
schussberatung von zweieinhalb Monaten präsentieren zu
können halte ich für eine grandiose Leistung der jetzigen
Koalition.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das muss einmal gesagt werden! – Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Saukerle seid ihr!)


Wir versuchen, den Weg der Verstetigung für die Zu-
kunft weiterzuentwickeln. Ich erinnere an folgende Tatsa-
che – dies habe ich schon in meiner Eingangsreplik auf
Sie, Herr Rexrodt, angesprochen –: Die jetzige Koalition
konnte gleichzeitig sogar der von den Ländern ge-
wünschten Tilgungsstreckung – unionsgeführte Länder
haben im Bundesrat die Mehrheit – für den Fonds „Deut-
sche Einheit“ nachkommen, die ja nichts anderes bedeu-
tet, als dass ich – die Häuslebauer wissen das genau – län-
ger Schulden abzahle und es unterm Strich teurer wird. –
Aber ihr wollt das.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wir wollen sparen!)


– Das nennt man nicht sparen. Ihr habt die Mehrheit im
Bundesrat, Kollege Austermann. Von euch kommt das,
auch deshalb, weil eure Finanzminister in den Ländern
Probleme haben, ihre Haushalte auszugleichen, weil sie
die Schizophrenie besessen haben, das von Hans Eichel
im letzten Jahr vorgelegte Konsolidierungsprogramm in
Bezug auf die Beamtenbesoldung im Bundesrat abzuleh-
nen, obwohl gerade die Länder mit ihren hohen Perso-
nalausgaben am meisten davon profitiert hätten, bei der
Beamtenbesoldung und -versorgung nur den Inflations-
ausgleich zu gewähren. Das finde ich besonders bemer-
kenswert.




Oswald Metzger
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(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413503300
Herr Kol-
lege Metzger, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kol-
legen Koppelin?


Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413503400

Aber bitte, gerne.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wird jetzt eine ganz gescheite Frage!)



Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1413503500
Lieber Oswald Metzger,
weil du so schnell sprichst, bist du natürlich schon von
dem Punkt weg, wo ich einhaken wollte, nämlich bei der
„soliden Haushaltspolitik“ der Koalition. Ich versuche es
trotzdem: Lieber Kollege Metzger, können Sie mir sagen,
ob es solide ist, wenn eine Vorlage der Koalition, in der es
um 8 Milliarden DM für ein Lufttransportflugzeug geht,
zunächst einkassiert wird und daraus dann mithilfe von
Rot-Grün – die Grünen haben ja auch zugestimmt – in-
nerhalb einer Stunde plötzlich 10Milliarden DM werden?
Ist das solide Finanzpolitik?


Oswald Metzger (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413503600

Mit Solidität und Geschwindigkeit im parlamentarischen
Verfahren haben wir alle Erfahrungen, das wissen Sie. Ich
habe es zwar nicht persönlich erlebt, aber ich weiß, dass
als Sie 1993 einmal in einer Nachtaktion, kurz vor Ab-
schluss der Haushaltsberatungen – Kollege Koppelin, Sie
waren meines Wissens damals schon im Haushaltsaus-
schuss – , eine globale Minderausgabe in Höhe von 5Mil-
liarden DM beschlossen hatten, von der die damalige Op-
position von einer Minute auf die andere überrascht
wurde. Sie waren, was das betrifft, sogar noch einen Takt-
schlag schneller.

Entscheidend ist bei der Geschichte, die Sie anspre-
chen: Es geht um eine Verpflichtungsermächtigung für die
Beschaffung eines Transportflugzeuges für die Bundes-
wehr als Ersatz für die Transall. Die Verträge sollen im
ersten Quartal nächsten Jahres abgeschlossen werden.
Ohne Verpflichtungsermächtigung im Haushalt wären die
Verträge nicht möglich, dann bräuchten wir einen Nach-
tragshaushalt. Wir haben die formalrechtlichen Voraus-
setzungen geschaffen und werden, wenn der Verteidi-
gungsminister eine Beschaffungsvorlage macht, in den
Koalitionsfraktionen darüber reden, wie wir dieses Flug-
zeug finanzieren und wie viel Stück wir beschaffen.

Das ist die Faktenlage. Ich finde, wir haben in der Ko-
alition ordnungsgemäß gearbeitet, auch wenn wir, was die
Höhe der Etatisierung anbetrifft, durchaus unterschiedli-
cher Meinung waren. Wir haben uns aber, wie es in einer
Koalition guter Brauch ist, zusammengerauft und einen
entsprechenden Beschluss gefasst, den auch wir als Grüne
vertreten.

Ich war bei der globalen Botschaft zum Thema, was es
heißt, eine nachhaltige Finanzpolitik zu betreiben – Kon-
solidierung, Rückführung der Staatsverschuldung, Spiel-
räume schaffen –, damit den Bürgerinnen und Bürgern
mehr Geld in der Tasche bleibt. Sie alle, Kolleginnen und
Kollegen von der Union, instrumentalisieren mit Ihrer Er-

wartungshaltung natürlich ein Stück weit die Konjunktur.
Im September, als die Konjunkturerwartungen in der
gesamten Bandbreite der Auguren überaus positiv waren,
hatten Sie den Eindruck vermittelt: Die Konjunktur läuft
gut, trotz der Koalition. Jetzt, wo eine leichte Seitwärts-
bewegung zu merken ist, sagen Sie: Die Konjunktur kann
ja nicht gut laufen, weil ihr so eine unmögliche Politik
macht. – Da merkt man schon, wie beliebig Ihre Argu-
mentation ist.


(Joachim Poß [SPD]: Sehr wahr!)

Richtig ist auf jeden Fall, dass sowohl das Ifo-Institut

als auch das DIW – wie alle Wirtschaftsauguren – sagen,
die Behauptung, die Energiepreissituation schlage massiv
auf die Weltkonjunktur durch, sei so nicht mehr haltbar.
Der IWF hat erst vor vier oder sechs Wochen in seinem
Outlook angesichts der Energiepreise im September dar-
gestellt, dass für Europa die Wachstumsbremse durch die
hohen Energiepreise lediglich etwa 0,1 Prozent ausmache
und die Inflationsrate durch die hohen Energiepreise in
Europa im nächsten Jahr um nur etwa 0,2 Prozent steigen
werde.

Die Politik der Steuersenkungen im nächsten Jahr wird
im Januar sehr wohl bei den Bürgerinnen und Bürgern im
Portemonnaie spürbar sein. Sie wird übrigens, Herr Kol-
lege Rexrodt, auch beim Mittelstand spürbar sein. Ab Ja-
nuar bezahlen die mittelständischen Unternehmer in
Deutschland faktisch keine Gewerbeertragsteuermehr,


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht! Völliger Unsinn! – Peter Rauen [CDU/CSU]: Keine Ahnung! weil sie von der Einkommensteuerschuld weitestgehend abgezogen wird. Diese Entlastung beim Mittelstand werden die Menschen spüren. Von diesen positiven Effekten der Steuerreform verspreche ich mir, dass das bessere Konsumklima im nächsten Jahr wieder in eine Wachstumssituation münden wird. Kollege Rexrodt, es ist natürlich richtig, dass diese Koalition vereinbart hat, die Lohnnebenkosten auf unter 40 Prozent zu senken. Darauf legen wir Grünen großen Wert. Wir wollen das auch durch strukturelle Maßnahmen erreichen. Dazu gehört nicht nur, dass wir die Einnahmen aus der Ökosteuer zur Senkung der Rentenversicherungsbeiträge heranziehen, sondern wir brauchen auch eine Rentenreform, von der wir hoffen, dass wir sie Ende Januar im Deutschen Bundestag verabschieden können. Wir werden uns jedenfalls darum bemühen, Kollege Poß, das hinzubekommen. Wir haben heute eine Sozialversicherungsquote von 41,1 Prozent. Die Zahl, die der Kollege Austermann genannt hat – 43,1 Prozent –, ist einfach falsch. Das kann jeder von Ihnen nachrechnen: 19,3 Prozent werden im Moment in die Rentenversicherung gezahlt; 13,6 Prozent ist der Durchschnittswert der Krankenversicherungsbeiträge; 6,5 Prozent beträgt der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung und 1,7 Prozent der Beitrag zur Pflegeversicherung. Diese Beiträge müssen jeweils hälftig vom Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen werden. Das macht unter dem Strich eine Belastung von 41,1 Prozent aus. Im nächsten Januar wird der Rentenversicherungsbeitrag um zwei Zehntel heruntergehen. Das ist nämlich die Gegenfinanzierungsseite zur nächsten Stufe der Ökosteuer. So merken Arbeitgeber und Arbeitnehmer wenigstens, dass diese Umfinanzierung in ihrem Geldbeutel Spuren hinterlässt. Wir als Grüne, und zwar die gesamte Fraktion, sehen durchaus seit September per Beschluss die Chance, aufgrund möglicher Überschüsse der Arbeitslosenversicherung – wir gehen von 3,3 Millionen Arbeitslosen im Jahr 2002 aus, das sind 300 000 weniger als im nächsten Jahr, und deshalb könnte ein Überschuss in Höhe von 10 Milliarden DM bei der Bundesanstalt für Arbeit entstehen – ab 1. Mai 2002 den Arbeitslosenversicherungsbeitrag um 1 Prozentpunkt zu senken. So war auch Walter Riester am Freitag der letzten Woche in der „FAZ“ zu vernehmen. Damit lägen wir unter 40 Prozent, wie es im Koalitionsvertrag bis zur Bundestagswahl im Herbst 2002 versprochen ist. Ich sage Ihnen: Das wäre das erste Mal in der Geschichte dieser Republik, dass eine Regierung ihr Versprechen gehalten hätte, die Lohnnebenkosten für die Arbeitgeber und die Abgabenbelastung für die Arbeitnehmer signifikant zu senken. Auch das ist eine Leistung, die wir anstreben und auf die wir, wenn wir sie erreichen, stolz sein können. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





(C)


(D)


(A)


(B)


Ordnungspolitisch ist klar: Die Gesamtkonzeption
heißt nichts anderes, als mit solider Finanzpolitik, mit der
Abkehr vom Verschuldungsstaat Spielräume für mehr In-
vestitionen und für mehr Geld im Portemonnaie der
Bürgerinnen und Bürger und der Wirtschaft durch die Ab-
senkung der Steuertarife und der Lohnnebenkosten zu
schaffen. In dieser politischen Konzeption liegen ver-
nünftige Gestaltungsspielräume auch für die zukünftigen
Generationen.

Es geht hier nicht um eine Angelegenheit eines Jahres
oder einer halben Legislaturperiode, sondern das ist eine
Dauerveranstaltung. Eine solche Finanzpolitik ist, wie es
der Finanzminister in seiner Rede in der Humboldt-Uni-
versität aus meiner Sicht zutreffend gesagt hat, Gesell-
schaftspolitik. Das müssen auch Sozialpolitikerinnen und
Sozialpolitiker begreifen. Wir müssen diesen soliden und
langfristigen Weg in den Parlamenten des Bundes und der
Länder und in den Köpfen unserer Bevölkerung veran-
kern. Wir müssen klarmachen, dass nur eine Politik, die
darauf abzielt, mit den vorhandenen Ressourcen auszu-
kommen, Spielräume eröffnet, um zukünftig den Sozial-
staat finanzierbar zu halten.

Löst man diesen Zusammenhang auf, wird der Sozial-
staat langfristig nicht mehr bezahlbar; denn die Arbeit
würde immer teurer und durch Rationalisierung entstünde
immer mehr Beschäftigungslosigkeit – in jeder konjunk-
turellen Krise auf immer höherem Niveau –, folglich wäre
die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme, wenn
Steuereinnahmen wegbrächen und die ohnehin hohen Be-
lastungen durch die zunehmende Arbeitslosigkeit in Kri-
sensituationen zunähmen, nicht mehr ohne massivste Ein-

griffe in soziale Leistungen zu meistern. Insofern ist diese
Konzeption eine vernünftige Gesellschafts- und Sozial-
politik, weil mit ihr der Vorsorgegedanke aufgegriffen
wird und man sich davon verabschiedet, ständig nur als
Reparateur durch die politische Arena zu laufen.

Im letzten Abschnitt möchte ich jenseits der globalen
Strategie auf die Schwerpunkte zu sprechen kommen, die
wir unter dem Motto „Sparen“ setzen. Denn wir wollen
nicht nur sparen, sondern auch gestalten, und zwar schon
jetzt, da wir uns durch eine solide Politik bestimmte Ge-
staltungsspielräume eröffnen.

Ich nenne den Bereich Verkehrsinfrastruktur. Sie ha-
ben natürlich Recht, Kolleginnen und Kollegen von der
Opposition: Die geltenden Bundesverkehrswegepläne
sind unterfinanziert. Ist das aber unsere Schuld? Der Fünf-
jahreshorizont für den Verkehrswegeplan wurde in Ihrer
Regierungszeit beschlossen. Wenn man eine solche Ge-
schichte wie ein Märchenbuch ausgestaltet und nicht für
die Finanzierung sorgt und dann, wenn eine neue Regie-
rung kommt, sagt, ihr habt es verbockt, dass nicht genü-
gend Mittel für die Schiene, für Ortsumfahrungen bereit-
gestellt werden können, ist das ziemlich verlogen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir dagegen sagen: Dadurch, dass sich durch die
UMTS-Erlöse Spielräume bei den Zinsausgaben eröffnen
– ansonsten werden die Mittel zur Tilgung verwandt; das
ist eine solide Position –, kann die Bahn ab nächstem Jahr
und in den folgenden drei Jahren jeweils 2 Milliarden DM
für Investitionen in die Schienenwege erhalten und kön-
nen 900 Millionen DM für den Straßenbau bereitgestellt
werden, schwerpunktmäßig für das Ortsumfahrungspro-
gramm. Das ist ein Wort und das führt immerhin dazu,
dass wir in den nächsten drei Jahren bei den Investitionen
in die Verkehrswege auf einem Niveau sind, wie Sie es in
Ihrer letzten Legislaturperiode nicht mehr erreicht haben.
Wir sind also deutlich besser geworden und haben das so-
lide finanziert.

Wir können nur hoffen, dass sowohl die Bahn AG als
auch die Träger der Straßenbaulast die entsprechenden In-
vestitionsmittel tatsächlich verbauen und die Investitio-
nen nicht nur im Bundeshaushalt stehen, sondern wirklich
draußen in der Fläche ankommen. Aber ich finde, das ist
eine Schwerpunktsetzung, die diese Koalition gegenüber
der breiten Öffentlichkeit jederzeit positiv kommunizie-
ren kann. Da brauchen wir uns weiß Gott nicht zu ver-
stecken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir haben einen zweiten Schwerpunkt, Bildung und
Forschung. Ich muss noch einmal auf die Ausführungen
des Herrn Kollegen Austermann, die er ganz am Anfang
der Debatte gemacht hat, zurückkommen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie müssen nicht!)


Wenn er sich hier hinstellt und sagt, für das BAföG sei
praktisch weniger etatisiert als 1998 – er als haushaltspo-




Oswald Metzger
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(D)



(A)



(B)


litischer Sprecher seiner Fraktion übersieht dabei, dass
wir noch einmal die gleiche Summe über die Staatsbank
KfW finanzieren und damit tatsächlich bei den Studentin-
nen und Studenten so viel wie seit vielen Jahren nicht
mehr ankommt –,


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


dann ignoriert er damit einfach eine Leistung dieser Ko-
alition, die auch durch die Aufstockung der Ausgaben für
Bildung und Forschung durch die UMTS-Milliarden zu-
stande kommt.

Auch wenn wir als ökologische Partei zum Thema Kli-
maschutz natürlich weiter gehende Wünsche angemeldet
haben, ist es durchaus eine Leistung – da gucke ich auch
die Sozialdemokraten an; es ist ein gemeinsames Projekt
dieser Koalition –, dass wir in den nächsten fünf Jahren
pro Jahr zwischen 180 000 und 190 000 Wohnungen des
Altbaubestandes in Deutschland – schlecht isoliert, mit
schlechten Heizungsanlagen – wärmedämmen können
und es dafür zinsverbilligte Darlehen vom Staat gibt. Wir
haben für dieses Programm – das erste Mal im nächsten
Jahr – 400 Millionen DM aus diesen UMTS-Zinsmilliar-
den eingestellt, und das wird bis zum Jahr 2005 durchge-
zogen, sodass wirklich ein absolut großes Klimaschutz-
programm und Altbausanierungsprogramm bei der
Bevölkerung ankommt.


(Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Da widerspricht ja auch niemand!)


Das ist eine Leistung, auf die wir als Koalition stolz sein
können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Weiter müssen Sie sehen: Wir setzen auch in Poli-
tikfeldern, die gesellschaftspolitisch diskutiert werden,
wie zum Beispiel beim Rechtsextremismus, Akzente, hal-
ten nicht nur Sonntagsreden, sondern legen auch in die-
sem Bereich Programme auf: für Opferschutz, für mobile
Beratungsstellen für Opfer rechtsradikaler Gewalt,


(Zuruf von der CDU/CSU: Nur für Opfer rechtsradikaler Gewalt?)


für Aufklärungsarbeit in der Bundeszentrale für politische
Bildung. Hier geht es zwar nicht um die extrem großen
Summen, häufig geht es nicht nur um Geld, sondern vor
allem um entsprechende Aufklärung und um eine gesell-
schaftspolitische Grundorientierung, um den „Aufstand
der Anständigen“ in dieser Gesellschaft, aber auch so wer-
den von uns gesellschaftspolitische Weichen gestellt. Wir
treten nicht nur bei Demonstrationen auf und brandmar-
ken diesen rechten Terror, sondern wir sagen tatsächlich:
Dort, wo es konkret wird, in der Prophylaxe wollen wir
als Koalition auch etwas tun. Das haben wir gemacht, und
darauf, dass diese Bemühungen in den Haushaltsberatun-
gen ihren Niederschlag gefunden haben, können wir auch
ein Stück weit stolz sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Jetzt komme ich zum Ausblick, weil ich natürlich als
haushaltspolitischer Sprecher unserer Fraktion jetzt schon
den übernächsten Haushalt in der Pipeline habe.


(Ulrich Heinrich [F.D.P.]: Das ist dann euer letzter!)


So ist das nun einmal, auch wenn man gerade erst den ei-
nen abgeschlossen hat.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Du bist eben immer deiner Zeit voraus! – Das ist manchmal sinnvoll, Rezzo Schlauch, der Zeit voraus zu sein. Wenn wir uns das Jahr 2002 anschauen, dann wissen wir natürlich – auch der Finanzminister weiß das –, dass auch das Glück des Tüchtigen dazugehört, um bestimmte Ziele zu erreichen. Wenn wir unterstellen, dass die Konjunktur im Rahmen der Erwartungen der Koalition bleibt, dann sind wir damit auf der sicheren Seite. Wir haben bei den Erwartungshaltungen für das nächste Jahr nicht die Phantasien von Theo Waigel übernommen. (Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Denken Sie an den Euro!)


Waigel baute in Sachen Haushalt auf das Prinzip Hoff-
nung und wurde dann durch die Konjunkturentwicklung
meistens bestraft.

Für das Jahr 2002 kann man Folgendes konstatieren:
Unsere Koalition wird die zweite Stufe des Familienleis-
tungsausgleichs auf den Weg bringen. Dabei geht es um
Kindergeld und Kinderbetreuungsfreibeträge. Sie wissen
ganz genau – ich werde keine Zahlen nennen –, dass wir
in diesem Bereich die Leistungen verbessern. Je nach-
dem, wie hoch das Kindergeld sein wird, was die
Regierungsfraktionen dazu beschließen und in Absprache
mit dem Finanzministerium, das die globale Situation
des Haushalts berücksichtigt, werden wir allein für die
Verbesserung des Familienleistungsausgleichs im Bun-
deshaushalt rund 5 Milliarden DM reservieren müssen.
Dies ist eine Summe, die in der Finanzplanung noch nicht
berücksichtigt ist.

Wenn wir an den übernächsten Haushalt denken und
auf dem Pfad der Tugend bei der Rückführung der
Staatsverschuldung bleiben wollen, wenn wir das ehr-
geizige Ziel – der Kollege Wagner und ich haben es in der
Präsentation nach Abschluss der Haushaltswoche vor-
letzte Woche öffentlich erklärt –, im Wahljahr 2002 zu
einer Nettoneuverschuldung von unter 40 Milliarden DM
zu kommen, erreichen wollen, dann müssen wir uns als
Regierungsfraktion an die Brust klopfen, damit wir nicht
in vielen Politikfeldern – es ist schließlich ein Wahljahr –
neue Ausgaben tätigen.

Dieses Wasser will ich in den Wein der Regie-
rungskoalition gießen; denn Sparen ist nicht eine Ange-
legenheit, die nur ein oder zwei Jahre dauert. Vielmehr ist
es ein Prozess, von dem die Bürgerinnen und Bürger
profitieren. Ich glaube, Kollege Poß, dass das die Finanz-
politiker in beiden Koalitionsfraktionen wissen. Überzeu-
gungsarbeit – steter Tropfen höhlt den Stein – ist wichtig.




Oswald Metzger

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(D)



(A)



(B)


Wir müssen es schaffen, im Gespräch mit den Menschen
genau diese Solidität unserer Finanzpolitik und ihre posi-
tiven langfristigen Auswirkungen zu kommunizieren.
Dann wählen die Leute nämlich Politiker, die eine solide
Finanzpolitik machen, und nicht nur diejenigen, die die
Spendierhosen anziehen.

Mit diesem Appell an die Selbstdisziplin der Koalition
möchte ich schließen.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413503700
Nun gebe
ich für die PDS der Kollegin Dr. Christa Luft das Wort.


Dr. Christa Luft (PDS):
Rede ID: ID1413503800
Herr Präsident! Verehrte Kol-
leginnen und Kollegen! Am Anfang ein Wort zum Kolle-
gen Austermann sozusagen von Opposition zu Opposi-
tion. Es ist als Opposition in einer parlamentarischen
Demokratie natürlich unsere Aufgabe, die Regierung zu
kritisieren und sie auch scharf anzugreifen. Aber ich
finde, jede einseitige Übertreibung wirkt schnell unglaub-
würdig.

Ich meine, wir sollten als Opposition keine Skrupel ha-
ben zuzugeben: Es gibt in diesem Haushalt 2001 einige
Dinge, von denen jedenfalls ich sagen würde, dass sie
sträfliche Vernachlässigungen der CDU-geführten Regie-
rung der vergangenen Jahre korrigieren. Ich nenne hier
nur die verbesserten Leistungen für Familien, die Er-
höhung des Wohngeldes und des BAföG. Wir hätten noch
andere finanzielle Vorstellungen gehabt. Aber es sind in
jedem Fall Tendenzen erkennbar, von denen wir sagen
können, dass sie in die richtige Richtung gehen.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Ihnen, Kollege Wagner – er ist im Moment nicht

hier –, und Ihnen, Kollege Metzger, muss ich sagen: Ver-
gleichen Sie doch Ihre Finanz- und Haushaltspolitik nicht
so häufig mit jener der Vorgängerregierung; denn diese ist
gerade wegen ihrer Fehlleistungen abgewählt worden.


(Beifall bei der PDS)

Sie müssten das, was Sie tun, an Ihren Wahlversprechen
und an Ihrer Koalitionsvereinbarung messen; denn dies ist
immerhin der Haushalt zum Einstieg in die zweite Hälfte
der Legislaturperiode. Zu diesem Zeitpunkt wird eine
Abrechnung immer wichtiger.

Im Zentrum Ihrer Ankündigungen stand 1998, dass Sie
nachhaltige Impulse für mehr existenzsichernde Arbeits-
plätze setzen wollen. Sie wollten bis zum Jahr 2002 die
Zahl der Arbeitslosen um eine Million reduzieren. Die
Lage aber ist uns bekannt. Es nützt nichts, Herr Kollege
Wagner, die Lage zu beschönigen.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Joachim Poß [SPD]: Nein!)


Allein die Einbeziehung der 630-DM-Jobs hat – das ha-
ben Ihnen auch die Sachverständigen neulich ins Stamm-

buch geschrieben – das Ergebnis der Statistik über-
zeichnet.


(Beifall bei der PDS)

Es werden mehr Beschäftigungsverhältnisse neu ausge-
wiesen, als die Arbeitslosenzahlen abnehmen. Sie dürfen
auch nicht übersehen, wie viele Entlassungen es in großen
Unternehmen in den nächsten Monaten noch geben wird.
Ich nenne nur die Deutsche Bahn AG. Es ist schlimm, was
den Beschäftigten dort bevorsteht.

Auch im Handwerk ist die Lage nicht so rosig, wie sie
Kollege Wagner hier beschrieben hat. Daher lautet unser
Plädoyer nach wie vor: Gerade für das Handwerk, für ar-
beitsintensive Dienstleistungen – darunter Reparaturleis-
tungen –, ist der geringere Mehrwertsteuersatz in Anwen-
dung zu bringen.


(Beifall bei der PDS)

Das würde die Schwarzarbeit begrenzen und Arbeits-
plätze sicherer machen. Das wäre auch ökologisch, weil
nicht so viel weggeworfen würde. Zu dem Argument, dass
wir dann ein paar Steuerausfälle hätten – Herr Bundesfi-
nanzminister, ich erahne Ihr Gegenargument –: Sie haben
eine Steuerreform auf den Weg gebracht, bei der so viele
Steuermindereinnahmen zu erwarten sind, dass Sie diese
für das Handwerk auch noch verkraften könnten, zumal
dadurch, dass weniger Menschen arbeitslos wären, zu-
sätzliche Steuereinnahmen entstehen würden.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Ich will nochmals betonen: Das Handwerk ist nicht in

einer rosigen Lage. Ich habe es übrigens als ein Zeichen
von Vorurteilsfreiheit der Koalition gehalten, dass sie
keine Probleme damit hatte, einem PDS-Antrag zuzu-
stimmen, um einen Härtefallfonds für unschuldig in Not
geratene Handwerkerfirmen zu schaffen. Ich finde nur, es
hätten auch ein paar weitere Anträge der PDS ihre Zu-
stimmung verdient.

Soziale Ungerechtigkeiten sollten rasch abgebaut wer-
den; so steht es in der Koalitionsvereinbarung. Einiges
– ich habe Beispiele genannt – haben Sie auf den Weg ge-
bracht. Aber Sie haben auch neue Ungerechtigkeiten ge-
schaffen. Auch hier kann ich nur einige Beispiele nennen.

Den Zuschuss an die Krankenversicherungskassen
für Arbeitslosenhilfebezieher wollen Sie entscheidend re-
duzieren. Wir haben einen Antrag gestellt, das zu korri-
gieren. Noch ist Gelegenheit, darüber nachzudenken, ob
Sie das nicht doch tun. Sie werden entweder die Beitrags-
zahlerinnen und -zahler künftig mit höheren Beiträgen
wieder mehr belasten oder die Krankenkassen werden ge-
ringere Leistungen erbringen. Das ist nicht im Interesse
der Gesellschaft.


(Beifall bei der PDS)

Im Unterschied zur Rente, bei der eine – wenn auch

modifizierte – Anpassung an die Nettolohnentwicklung
erfolgen soll, haben Sie eine Anpassung bei der Arbeits-
losenhilfe und bei der Sozialhilfe nicht vorgesehen. Damit
wird die Bevölkerung, die von solch einem Schicksal be-
troffen ist, leider wieder von einer Anpassung ausge-
schlossen.




Oswald Metzger
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(D)



(A)



(B)


Im Übrigen soll – ich sagte das schon – die Anpassung
nach einer modifizierten Formel erfolgen. Das heißt im
Klartext: Der fiktive Durchschnittslohn sinkt, weil die
Geringbeschäftigten erstmals in diesem Jahr in die Netto-
lohnstatistik aufgenommen werden. Eine genaue Be-
rechnung der Wirkungen liegt zwar noch nicht vor, aber
nach Schätzungen von Experten wird sich die Einbezie-
hung der 3 Millionen bis 4 Millionen prekären Beschäfti-
gungsverhältnisse längerfristig so auswirken, dass der
Durchschnittslohn um bis zu 5 bis 6 Prozent geringer aus-
fällt. Man muss den Renterinnen und Rentnern bei dieser
Gelegenheit auch einmal sagen, was – allein durch einen
statistischen Trick – auf sie zukommen kann.


(Beifall bei der PDS)

Endlich eingeleitet werden sollten von Rot-Grün der

selbsttragende Aufschwung in den neuen Bundeslän-
dern und die Angleichung der Lebensverhältnisse der
Menschen im Osten an die im Westen. Der Prozess sollte
jedenfalls beschleunigt werden. Ich kann von „Chefsache
Ost“ im Haushalt 2001 wenig erkennen; das gestehe ich.


(Beifall bei der PDS)

Um es zur Chefsache zu machen, um eine höhere Wert-
schöpfung – absolut und auch pro Kopf – zu schaffen,
wäre eine Initialzündung bei Forschung und Entwicklung
sowie bei Innovationen notwendig. Man gewinnt eher den
Eindruck, die Menschen im Osten sollen sich mit Nied-
riglohnsektoren begnügen.

Kollege Schlauch hat neulich diese kühne Idee gehabt,
man solle Tarifverträge aufweichen. Ich kann nur sagen:
Er scheint lange nicht mehr im Osten gewesen zu sein.
Dort gibt es nur noch eine Hand voll Unternehmen, die
Tarifverträge tatsächlich einhalten. Die meisten sind aus
dem Unternehmerverband ausgetreten. Das hat zur Folge,
dass in der privaten Wirtschaft Löhne von brutto 8 DM die
Stunde gezahlt werden. Ich weiß nicht, was man da noch
mehr öffnen will und wo das hinführen soll. Das kann
nicht die Zukunft für den Osten sein.


(Beifall bei der PDS)

Statt die Umsetzung all der Wahlversprechen, von de-

nen ich einige wiederholt habe, vorzunehmen, haben Sie
die Reduzierung der Nettokreditaufnahme zum über-
ragenden Ziel der Haushaltspolitik gemacht. Den ehrgei-
zigen Plan des Bundesfinanzministers, die neuen Schul-
den gegenüber dem Vorjahr von 49,5 Milliarden DM auf
46,1 Milliarden DM zu reduzieren, haben die rot-grünen
Haushälter noch einmal um 2,4 Milliarden DM übertrof-
fen. Dafür mussten Ausgaben im Sozialbereich zum Teil
empfindlich gekürzt werden. Beim Verteidigungshaushalt
aber haben Sie die Spendierhosen wieder angezogen und
in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Verpflichtungsermäch-
tigungen im Umfang von 10 Milliarden DM für die Be-
schaffung eines Großraumtransporters eingestellt, mit
dem die Bundeswehr weltweit operieren können soll. Wir
lehnen dies entschieden ab.


(Beifall bei der PDS)

Dieses Geld sollten Sie für Investitionen im Bereich der
Bildung verwenden.

Wir haben keinen Widerspruch dazu, dass eine rück-
läufige Nettokreditaufnahme eine erhebliche Bedeutung
für die Bundesrepublik hat, da ein Abbau des Schulden-
sockels im Interesse zukünftiger Generationen liegt. Spa-
ren darf aber nicht zum Selbstzweck werden; Zukunfts-
vorsorge hat mehr Facetten, als dass sie sich auf das
Schuldenthema reduzieren ließe. Finanzpolitik, Herr Kol-
lege Metzger, ist mehr als Schuldenabbau. Zukunftsvor-
sorge heißt – ich will nur ein Beispiel anführen –, den
heute 20- bis 35-Jährigen – also denjenigen, die von Ihrer
Rentenreform betroffen würden, wenn sie, was ich nicht
hoffe, beschlossen würde – die Chance zu geben, sich eine
lebensstandardsichernde Rente zu erarbeiten. Das bedeu-
tet, diese Menschen müssen in Arbeit kommen. Tatsache
ist aber, dass gerade diese Gruppe von Arbeitslosigkeit
vermehrt betroffen ist. Darüber hinaus hat in dieser Al-
tersgruppe bundesweit jeder Sechste einen unsicheren
Job. Diese Menschen brauchen existenzsichernde Arbeit.
Das setzt Investitionen voraus, die aber nach der mittel-
fristigen Finanzplanung bis zum Jahre 2004 sinken wer-
den.

Der Einstieg in ein Zehn-Jahres-Programm für den
städtebaulichen Rück- und Umbau leer stehender Woh-
nungen wäre zum Beispiel eine Chance gewesen, der be-
sonders Not leidenden Bauwirtschaft und den Menschen,
die auf diesem Sektor arbeiten, zu helfen. Wir halten es
unserer Initiative zugute, dass Sie in diesem Bereich
schließlich 60 Millionen DM in den entsprechenden Titel
des Haushalts eingestellt haben.


(Beifall bei der PDS)

Wir meinen aber, es wäre ein höherer Betrag notwendig
gewesen; aber immerhin ist ein Einstieg gelungen. Es
wäre aber wichtiger gewesen, Geld für solche Projekte zur
Verfügung zu stellen, als sich einen Kopf darüber zu ma-
chen, woher das Geld für den Bundeszuschuss zur
Deckung des EXPO-Defizits kommen soll. Die von mir
genannten Projekte sollten im Mittelpunkt der Bundesfi-
nanzpolitik stehen.

Ich will ein letztes Beispiel anführen.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413503900
Frau Kolle-
gin Luft, Sie haben Ihre Redezeit weit überzogen. Das
geht zulasten des zweiten Redners Ihrer Fraktion.


Dr. Christa Luft (PDS):
Rede ID: ID1413504000
Ich bin sofort fertig. – Zu-
kunftsvorsorge bedeutet, Schulabgängern eine solide und
vom Markt anerkannte Ausbildung zu geben. Sie wissen,
dass wir nie gegen das JUMP-Programm polemisiert ha-
ben, aber es werden zum dritten Mal 2 Milliarden DM
ausgegeben und damit wird etwas erreicht, was Rot-Grün
nicht anstreben sollte: Sie privatisieren öffentliches Ver-
mögen, reprivatisieren aber nicht Pflichten von Unterneh-
men, nämlich die Pflicht, junge Leute fachlich auszubil-
den. Kämen die Unternehmen auf diesem Gebiet ihrer
Pflicht nach, könnten wir 2 Milliarden DM einsparen und
für andere Zwecke einsetzen.


(Beifall bei der PDS)





Dr. Christa Luft

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(C)



(D)



(A)



(B)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413504100
Ich erteile
nunmehr dem Bundesfinanzminister Hans Eichel das
Wort.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413504200
Herr Prä-
sident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Finanz-
politik in Deutschland ist wieder berechenbar geworden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Übertreibung!)


Herr Kollege Rexrodt, Ihre Tricks waren unter Ihrem Ni-
veau. Sie könnten einmal zurückblenden und sich fragen,
wie das seit Mitte der 90er-Jahre bei Ihren Haushalten ge-
laufen ist: Sie haben von Steuerschätzung zu Steuerschät-
zung gezittert und bei jeder Steuerschätzung wurde das
Loch größer.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Erst mal verschätzt!)


Das war nicht der Tatsache geschuldet, dass man das Steu-
eraufkommen nur schwer schätzen konnte. Der Umstand
hatte zwei Hintergründe: zum einen die systematische
Zerstörung des Steuerrechts durch immer mehr Steuer-
vergünstigungen, die Sie in Ihrer Regierungszeit einge-
führt haben


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Joachim Poß [SPD]: Durch die Klientelpolitik!)


mit der Konsequenz, dass die Steuerbasis – ich berufe
mich dabei auf Ausführungen des Kollegen Waigel – zer-
bröckelt ist,


(Joachim Poß [SPD]: Nicht zerbröckelt, sondern zerstört!)


und zum anderen die systematische Beschönigung der
Annahmen. Die Realitäten haben sich um Ihre Annahmen
nicht gekümmert und so brauchten Sie sich nicht zu wun-
dern, dass Sie zu allerlei Buchungstricks greifen mussten,
um zu verschleiern, dass Sie in der Finanzpolitik von der
Hand in den Mund gelebt haben. Eine solche Verschlei-
erung gelang in der Jahresrechnung letztlich nicht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Rexrodt, diese Politik war völlig unter
Ihrem Niveau. Durch die so genannten Sparoperationen
von 1995 bis zum Ende der Ära des Kollegen Waigel sind
– ich will das noch einmal aufgreifen, weil der Kollege
Metzger dies sehr nachdrücklich deutlich gemacht hat –
alleine beim Kindergeld auf der Ausgabenseite statis-
tisch 40 Milliarden DM verschwunden.


(Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: 40 Milliarden DM Kindergeld? – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: 18 Milliarden DM!)


Sie hatten zunächst 20 Milliarden DM vorgesehen. Dann
mussten Sie, weil Sie sich ein Verfassungsgerichtsurteil
einhandelten, das Ihnen bestätigte, dass Sie die Familien
verfassungswidrig hoch besteuert haben – das war, wenn
Sie sich erinnern, übrigens immer die Meinung der Sozi-

aldemokraten Ihnen gegenüber –, das Kindergeld auf
200 DM heraufsetzen.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: 110!)

– Das war übrigens das Ergebnis auch unseres Einflusses
über den Bundesrat. – Das bedeutet einen Ausgabeposten
von 40 Milliarden DM. Dann haben Sie das Ganze als
steuerliche Maßnahme deklariert, und damit erscheint es
nicht mehr auf der Ausgabenseite, sondern es vermindert
die Einnahmen. Mit anderen Worten: Ihre gesamte Spar-
operation ist in Wirklichkeit eine Ausgabenerhöhung um
20 Milliarden DM, die statistisch zu einer Einnahmemin-
derung um 40 Milliarden DM führt. Auf der Ausgaben-
seite erscheint das Ganze dann nicht mehr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Das ist die Wirklichkeit, meine Damen und Herren:
10 Prozent des Ausgabenvolumens des Haushaltes er-
scheinen alleine durch diese Rechtsänderung nicht mehr
auf der Ausgabenseite.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das betrifft ein Jahr! – Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Als Finanzminister muss man mit Zahlen umgehen können! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


– Regen Sie sich doch nicht so auf! Es kommt noch dicker.

(Zurufe von der CDU/CSU)


Zweitens. Der Haushalt des Jahres 1999, den Sie,
meine sehr verehrten Damen und Herren, noch vorgelegt
haben, hat – verfassungswidrig – eine Fülle von Ausgaben
gar nicht mehr enthalten. Daher bestand im Jahre 1999 für
die neue Bundesregierung die Notwendigkeit – noch nicht
in meiner Verantwortung als Finanzminister –, zunächst
einmal für Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit
zu sorgen.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Ach!)

Das habe ich Ihnen übrigens als Finanzkoordinator der so-
zialdemokratisch geführten Länder im Bundesrat noch
zwei Tage vor der Bundestagswahl vorgerechnet.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413504300
Herr Bun-
desfinanzminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Kalb?


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413504400
Nein.


Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413504500
Sie gestat-
ten nicht. – Bitte sehr, Herr Minister.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413504600
Ich
möchte im Zusammenhang vortragen. Das können Sie
sich zunächst einmal im Zusammenhang anhören.


(Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Aber die 40 Milliarden müssen Sie begründen, Herr Finanzminister!)







(C)



(D)



(A)



(B)


Die Wahrheit ist, meine Damen und Herren: Erstens
wurden Ausgaben nicht veranschlagt und zweitens er-
folgte eine völlige Umveranschlagung beim Kindergeld,
sodass die Mittel als Ausgabeposten ausgebucht wurden,
was dazu geführt hat, dass Sie erzählen können, Sie hät-
ten in dieser Zeit gespart.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das stimmt nicht!)


Wenn das so gewesen wäre, wäre ja zu fragen: Wieso hat-
ten Sie dann seit 1996 zumindest im Vollzug verfassungs-
widrige Haushalte? Später haben Sie das Ganze über-
haupt nur noch durch Privatisierungserlöse verdecken
können. Das war der Sachverhalt, den wir vorgefunden
haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deswegen glaubt Ihnen in der Finanzpolitik in der Tat nie-
mand. Das ist also – leider, sage ich – berechtigt.

Ich wünsche mir Kontinuität in der Finanzpolitik und
sage ausdrücklich einen herzlichen Dank an den Haus-
haltsausschuss insgesamt und auch an seinen Vorsitzen-
den für das kollegiale Verhältnis, in dem dort, unbescha-
det unterschiedlicher Positionen, beraten wird. Ich sage
auch einen herzlichen Dank an die Koalitionsfraktionen.
Denn gemeinsam haben wir – Bundesregierung und Ko-
alitionsfraktionen – es geschafft – obwohl wir das alle erst
noch einüben müssen –, auch im zweiten Jahr in den Eck-
punkten des verabredeten Programms, das wir im Som-
mer vergangenen Jahres präsentiert haben, zu bleiben und
sogar noch ein bisschen besser zu werden. Das ist eine
hervorragende Leistung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das heißt, Finanzpolitik hat wieder Kontinuität und Fi-
nanzpolitik ist auch berechenbar.

Der Haushalt des Jahres 2001, der zweite auf dem
Konsolidierungspfad, ist davon gekennzeichnet, dass wir
erstens ohne alle Abweichung und sogar – darauf komme
ich gleich noch zu sprechen – mit einigen Verbesserungen
konsequent versuchen, aus der Falle von immer neuen
Staatsschulden herauszukommen und jedes Jahr weniger
Schulden zu machen, mit dem mittelfristigen Ziel, im
Jahre 2006 zu einem ausgeglichenen Haushalt zu kom-
men. Dies ist zweitens umso erstaunlicher, als wir mit
dem 1. Januar 2001 die größte Nettoentlastung, die die
steuerzahlenden Bürgerinnen und Bürger und Unterneh-
men in diesem Lande jemals bekommen haben, durch-
führen. Gleichzeitig – so wird auch ein Zusammenhang
daraus – kann nur der, der seine Ausgaben im Griff hat,
der Ausgabendisziplin übt, wirklich Steuern senken. Alles
andere sind nämlich Steuersenkungen, die nichts anderes
bedeuten als Steuererhöhungen in der Zukunft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das ist ja eine Luftblase!)


Drittens. Wir verbessern die Ausgabenstruktur mit die-
sem Haushalt. Einerseits sorgen wir – das ist auch not-

wendig; ich möchte mich anschließend mit Ihrem Begriff
der konsumtiven Ausgaben auseinander setzen, Herr Kol-
lege Rexrodt – für mehr soziale Gerechtigkeit in dieser
Gesellschaft. Das war nach 16 Jahren Ihrer Regierungs-
tätigkeit dringend notwendig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Andererseits sorgen wir für Zukunftsinvestitionen – was
immer das auch präzise sein mag; denn dieser Begriff
setzt sich aus zwei Wörtern zusammen, die wir im Haus-
haltsrecht so nicht kennen; nicht jede Investition ist gleich
eine Zukunftsinvestition und nicht alles, was wir für zu-
kunftswichtig erachten, muss auch eine Investition im
klassischen Sinne sein –, indem wir die Schulden redu-
zieren – richtig, der Zufallsfund UMTS-Erlöse; darauf
komme ich gleich zurück – und die aufgrund der einge-
sparten Zinsen frei werdenden Mittel – ohne eine einzige
D-Mark mehr auszugeben! – in die Felder investieren, die
für die Sicherung des künftigen Wohlstands wichtig sind.
Das sind die drei Kernelemente unserer Haushaltspolitik.

Sehr verehrter Herr Kollege Rexrodt, der Konsolidie-
rungskurs findet natürlich auf der Ausgabenseite statt.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo denn?)

Es freut mich – nur Herr Kollege Austermann hat an-
scheinend noch Nachholbedarf –, dass die Oppositions-
fraktionen allmählich zu einer differenzierten Betrach-
tung unserer Haushaltspolitik kommen. Es setzt sich doch
die Erkenntnis durch, dass wir auf dem richtigen Wege
sind. Herr Rexrodt, Sie haben gesagt: Der Weg aus der
Schuldenfalle ist richtig. Ich kann nur bestätigen: Ja, das
ist er. Aber Sie haben hinzugefügt, der Konsolidierungs-
kurs finde nicht auf der Ausgabenseite, sondern auf der
Einnahmenseite statt. Das lässt sich schlicht durch die
Zahlen widerlegen; denn die Ausgaben, sehr verehrter
Herr Kollege Rexrodt – auf die Einnahmen gehe ich
gleich ein –, sinken das zweite Jahr in Folge, und zwar
ohne die Tricks, die ich Ihnen vorhin vorgeworfen habe
und die während Ihrer Regierungszeit in der zweiten
Hälfte der 90er-Jahre üblich waren. Die Ausgaben sinken
im Jahr 2000 im Vergleich zu 1999 um 1,4 Prozent und
sinken weiter – das war das Ergebnis der Bereinigungs-
sitzung – im Jahr 2001 im Vergleich zu 2000 nominal um
0,4 Prozent. Zeigen Sie mir ein Land in Europa, das eine
solche Kraftanstrengung zuwege gebracht hat! Natürlich
gibt es Länder, die früher mit der Konsolidierung ihrer
Haushalte begonnen haben. Die haben es jetzt nicht mehr
so nötig wie wir, weil wir leider später mit der Konsoli-
dierung begonnen haben. Das Volumen des Gesamthaus-
halts liegt bei 477 Milliarden DM.

Ich komme nun auf Ihre Mär von den Mehreinnahmen,
sehr verehrter Herr Kollege Rexrodt, zu sprechen, die
man eigentlich nicht mehr hören kann; denn das Gegen-
teil ist richtig. Die Konsequenz aus der Steuerreform ist,
dass die Einnahmen im nächsten Jahr im Vergleich zu die-
sem Jahr sinken. In diesem Jahr lagen die Steuereinnah-
men bei 387 Milliarden DM. Im Jahr 2001 werden es
auch nach der Steuerschätzung vom November noch
384 Milliarden DM sein. Darin ist übrigens das Aufkom-
men aus der nächsten Stufe der Ökosteuer – auch darauf




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komme ich wieder zurück –, das wir zur Senkung der
Rentenversicherungsbeiträge verwenden, schon einge-
rechnet. Mit anderen Worten: Wenn man die Mehreinnah-
men aus der Ökosteuer abzieht, dann werden die Steuer-
einnahmen bei 379 Milliarden DM liegen. Das sind
8 Milliarden DM weniger als in diesem Jahr. Das ist die
Konsequenz aus unserer Steuerreform. Deshalb können
Sie den Leuten nicht ernsthaft erzählen, uns wachse das
Geld aus den Ohren und die Konsolidierung finde nur auf
der Einnahmenseite statt. Das ist schlicht Unsinn. Mit den
Zahlen lässt sich das genaue Gegenteil belegen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sie behaupten, die Konsolidierung sei nur aufgrund der
Privatisierungserlöse möglich. Auch das ist schlicht
Unsinn. Sie, sehr verehrter Herr Kollege Rexrodt und sehr
verehrter Herr Kollege Austermann, haben in der End-
phase Ihrer Regierungstätigkeit rund 20 Milliarden DM
aus Privatisierungserlösen für laufende Ausgaben einge-
stellt. Wir haben bereits im Haushalt des Jahres 2000 das
Niveau dessen, was wir aus den Privatisierungserlösen für
die laufenden Ausgaben, zum Beispiel für die Postunter-
stützungskasse, benötigen, heruntergefahren, und zwar
auf 9 Milliarden DM.

Nur im nächsten Jahr müssen wir – darauf habe ich be-
reits im letzten Dezember hingewiesen; das geschieht ge-
gen meine Überzeugung; wir werden das in den nächsten
Jahren nicht wiederholen – einen Teil der Privatisierungs-
erlöse – Sie wollten die Steuern eigentlich noch stärker
senken; das wäre ohne neue Schulden nicht finanzierbar
gewesen – zur Finanzierung der nächsten Stufe der Steu-
erreform verwenden. Das sind 15,6 Milliarden DM. Die
Koalitionsfraktionen haben im Haushaltsausschuss die-
sen Betrag um 1,5 Milliarden DM gemindert. Sie haben
beschlossen – damit wäre ich bei einem weiteren Aspekt
des Konsolidierungskurses –, dass die konjunkturbeding-
ten Steuermehreinnahmen, die nach der Steuerschätzung
vom November im nächsten Jahr bei 3,9 Milliarden DM
liegen werden, entweder ausschließlich zur Senkung des
Niveaus der Nettokreditaufnahme um 2,4 Milliarden DM
– das Niveau würde dann im Gegensatz zum Regierungs-
entwurf bei 43,7 Milliarden DM liegen – oder ausschließ-
lich zur Senkung des Niveaus dessen, was wir aus den
Privatisierungserlösen für die laufenden Ausgaben benö-
tigen, verwendet werden dürfen. In den Folgejahren wer-
den wir Privatisierungserlöse nur noch für die Postunter-
stützungskasse einsetzen.

Ich will Ihnen, weil wir eine finanzpolitische Debatte
ganz offen führen müssen, noch ein Risiko vor Augen
führen. Was meine Person betrifft, haben Sie Recht: Mit
der Privatisierung der Post war ich nicht einverstanden.
Mit der Privatisierung der Bahn war ich einverstanden,
aber die Erfahrungen waren zu schlecht. Das hat mich
skeptisch gemacht. Leider hatte ich bei der Bahn Recht.
Bei der Post ist es besser gelaufen. Sehen wir uns einmal
die Börsenkapitalisierung der Postnachfolgeunternehmen
an und fragen uns angesichts der gegenwärtigen Situation
– das war vor einem halben Jahr ganz anders –, ob wir das
Geld, das wir brauchen, bekommen, um die Pensionen für

die übergeleiteten Beamtinnen und Beamten und deren
Witwer und Witwen zu finanzieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Als Finanzminister muss ich Ihnen dieses Risiko offenba-
ren. Tun Sie nicht so, als ob das ein Goldklumpen sei.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Natürlich ist das ein Goldklumpen! Verkaufen Sie doch später!)


An diesem Punkt könnte Grimm leider Recht bekommen.
Denn wenn wir nicht wieder zu anderen Kursen kommen,
bleibt von dem Goldklumpen am Schluss gar nicht mehr
so viel übrig. Das ist ein großes Risiko.

Für die Zukunft bedeutet das – ich weiß nicht, ob wir
es schaffen –, dass wir uns bei der Finanzierung der Post-
unterstützungskasse nicht von den Privatisierungserlösen
abhängig machen können, zumal wir angesichts der Kurs-
entwicklung nicht sicher sein können, ob wir es zu den
Zeiten, zu denen wir privatisieren müssten, überhaupt
können. Angesichts unserer Verantwortung für die vielen
Kleinaktionäre und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die
ebenfalls Aktien besitzen, müssen wir die Kurse ebenfalls
im Auge behalten. Wenn Sie auf die sonstigen Einnahmen
schauen würden und sähen, dass sie sinken, und wenn Sie
feststellen, dass der Gewinn der Bundesbank gegenüber
Ihrer Regierungszeit massiv nach unten gegangen ist,
dann würden Sie erkennen, dass wir eine Reihe von Risi-
ken selbst bei dieser Politik zu verkraften haben. Damit ist
Ihre Argumentation in der Tat, Herr Kollege Rexrodt, eine
Mär. Die Konsolidierung findet – das ist schmerzhaft ge-
nug – über die Ausgabenseite statt. Deshalb haben Sie
Ausgabenerhöhungsanträge gestellt, weil die Konsolidie-
rung über die Ausgabenseite stattfindet. Das muss man so
machen. Das heißt, bei einem mittelfristigen Kurs haben
wir einen Konsolidierungserfolg von 30 Milliarden DM
im vergangenen Jahr. Im Jahr 2003 steigt er bis auf
50 Milliarden DM.

Meine Damen und Herren, das ist die eine Seite: Aus-
gabendisziplin, Absenkung der Nettokreditaufnahme,
Verwendung der konjunkturbedingten Steuermehreinnah-
men ausschließlich zur Reduzierung der Neuverschul-
dung und zur Reduzierung der Privatisierungserlöse.
Künftig wollen wir – die Ermächtigung haben Sie uns ge-
geben, wofür ich Ihnen sehr dankbar bin –, wann immer
es geht, die Privatisierungserlöse einsetzen, um die Alt-
schulden abzubauen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Daraus ergeben sich für uns Handlungsmöglichkeiten,
weil wir dann Zinsausgaben, die bisher unsere Investitio-
nen eingeschränkt haben, in Zukunftsvorsorge wandeln
können. Das wird das Thema der Zukunft sein.

Auf der anderen Seite, meine Damen und Herren, ha-
ben wir die größte Steuer- und Abgabensenkung, die es in
der Geschichte der Bundesrepublik in einem Jahr gegeben
hat: 45 Milliarden DM Nettoentlastung. Das ist das Pro-
blem der Länder.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU: Wieder ein Märchen!)





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Es ist verwunderlich, wie Sie hier reden. Kein Finanzmi-
nister eines Landes Ihrer Couleur würde eine solche Rede
halten, wie sie hier gehalten wurde, weil er sie nach sei-
nem eigenen Haushalt überhaupt nicht halten könnte. Wo-
her kommen die Klagen der Länderfinanzminister, wenn
die Steuerreform keine Einnahmeausfälle zur Folge ge-
habt hätte? Das ist, wie Sie wissen, alles nicht wahr.


(Beifall bei der SPD)

Diese Steuerreform kommt zur rechten Zeit. Eine

Nettoentlastung von 45 Milliarden DM in einer Situation,
in der der kurzfristig enorm gestiegene Ölpreis dieser
Volkswirtschaft rund 30 Milliarden DM entzogen hat, be-
deutet, dass wir damit die konjunkturellen Gefahren wei-
testgehend abfedern. Eine Minderung des Wachstumspo-
tenzials um etwa 0,2 Prozent, wie es von allen Instituten
gesagt wird, ist eine volkswirtschaftlich hervorragende
Leistung, wie es sie bei einer solch schockartigen Ölpreis-
entwicklung vorher nicht gegeben hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist auch richtig so.
Der Einkommensteuereingangssatz sinkt ein Jahr

früher als geplant auf 19,9 Prozent. Einen so niedrigen
Eingangssteuersatz hat es doch zu Ihrer Zeit nie gegeben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Vor allen Dingen bei der F.D.P.! – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Wir haben 15 Prozent gefordert! Sie haben keine Ahnung! Sie sind ein Ignorant!)


Wir werden ihn auch noch weiter senken, und zwar bis auf
15 Prozent.

Auch einen Körperschaftsteuersatz von 25 Prozent für
einbehaltene wie für ausgeschüttete Gewinne hat es zu Ih-
rer Zeit nie gegeben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Abschaffung der Gewerbesteuer – ein Kostenfaktor
für das Handwerk, für den Einzelhandel und für die Per-
sonengesellschaften – ist ein lang gehegter Traum der Be-
triebe, der ab dem 1. Januar 2001 Wirklichkeit wird. Sie
haben dies in den Jahrzehnten, in denen Sie in diesem
Land regiert haben, nicht zuwege gebracht. Ein anderer
Teil der Haushalts- und Finanzpolitik für das Jahr 2001
besteht in einer enormen Entlastung der Haushalte und
der Unternehmen sowie in einer nachhaltigen Verbesse-
rung der Nachfrage auf dem Binnenmarkt und einer nach-
haltigen Verbesserung der Investitionsbedingungen.


(Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Und die Steuerquote steigt!)


Ein weiterer Teil der Haushalts- und Finanzpolitik für
das Jahr 2001 besteht in der Zukunftsvorsorge. In diesem
Zusammenhang, Herr Kollege Rexrodt, will ich mich
kurz mit Ihrem Begriff „konsumtive Ausgaben“ ausei-
nander setzen. An dieser Stelle kommen parteipolitische
Unterschiede zum Tragen. Das ist gewiss wahr. Darüber
muss man redlich und offen sprechen. Herr Kollege

Rexrodt, es gibt konsumtive Ausgaben, die in der Tat so
weit zurückzuführen sind, wie es irgend möglich ist. Wir
reduzieren zum Beispiel – das ist schwierig genug – Sub-
ventionen, Beihilfen.

Lassen Sie mich mit allem Freimut sagen: Das ist
schon spannend. Kaum haben wir die Körperschaftsteuer
auf den niedrigsten Satz, den es je gegeben hat, gesenkt
und eine ordentliche Verbreiterung der Bemessungs-
grundlagen vorgenommen – alle haben gesagt, das sei der
richtige Weg –, da bekomme ich von großen Unterneh-
men mit wunderbaren Bilanzen schon wieder Forderun-
gen nach neuen Steuerprivilegien. Mir wird gesagt, man
müsse den Mitarbeitern helfen, den Weg ins Internet zu
finden. – Dafür muss es keine neuen Steuerprivilegien ge-
ben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das ist völlig richtig!)


– Danke, Herr Kollege Rexrodt. – Ich sage ganz aus-
drücklich – das ist schon ein spannendes Thema –: An die-
ser Stelle sollte man einmal darüber reden, was Subventi-
onsabbau wirklich bedeutet, und dies dann auch machen.
Wenn Sie dabei mitmachen, dann finde ich das ganz
prima.

Es gibt aber konsumtive Ausgaben, zu denen wir uns
nachdrücklich bekennen. Die Unterlassung bestimmter
konsumtiver Ausgaben hat enorme Zukunftswirkungen.
Das BAföG ist ein Beispiel dafür. Das ständige Festhalten
am Berechnen der BAföG-Sätze über das Einkommen der
Eltern ist unterlassene Zukunftsvorsorge, Herr Kollege
Rexrodt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [PDS])


Ich verweise darauf, wie viele junge Menschen nicht mehr
gefördert werden und wie viele tatsächlich nicht studiert
haben. Wir haben innerhalb der Europäischen Union mit
den geringsten Anteil von Studentinnen und Studenten in
einem Jahrgang. Das ist unterlassene Zukunftsvorsorge.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Ilja Seifert [PDS] – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Wir wollen 400 Millionen DM mehr!)


BAföG ist nicht nur eine Sozialleistung, sondern auch
eine Zukunftsinvestition.

Aber wir sagen auch ganz nachdrücklich: Familienför-
derung ist Zukunftsinvestition. Sie haben die Familien-
förderung in Ihrer Regierungszeit – verfassungswidrig –
hoch besteuert. An diesem Punkt werden wir weiterhin
Verbesserungen vornehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Reform des Wohngeldes, wie sie im Haushalt 2001
enthalten ist – sie schafft übrigens in ganz Deutschland
gleiche Verhältnisse –, ist ein sehr vernünftiger Weg. Das
Gleiche gilt für die Aufstockung des Erziehungsgeldes.
Sie haben diesen Schritt ganz lange Zeit überhaupt nicht
in Angriff genommen.




Bundesminister Hans Eichel

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Wenn wir über das Einsparen von konsumtiven Ausga-
ben reden, dann müssen wir auch über Staatsmodernisie-
rung, wie sie der Kollege Schily intensiv betreibt, spre-
chen. Damit sind ganz schwierige Themen verbunden:
Bundeswehrreform, Reform der Finanzverwaltung. Ich
bekomme lauter Eingaben. Übrigens, die erste kam von
der Bayerischen Staatskanzlei. Sie kämpft jetzt für jedes
Zollamt in Bayern.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Typisch!)


Ich muss Ihnen sagen: Das ist so etwas von unglaubwür-
dig! So wird man in der Zukunft allerdings nicht gewin-
nen.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ich glaube, Sie verstehen das nicht! Ihren Zeigefinger brauchen wir nicht, Herr Oberlehrer!)


– In Richtung Bayern ist das dringend notwendig, Herr
Ramsauer.

Wir müssen uns unsere Perspektive klarmachen: Wir
sind eine alternde Gesellschaft, ob uns das gefällt oder
nicht.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Das sieht man deutlich an Ihnen, Herr Minister!)


Wenn der Anteil der Beschäftigten immer weiter zurück-
geht, dann werden wir dafür sorgen müssen, dass auch der
Staat mit weniger Beschäftigten auskommt;


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und mit weniger Zollbeamten!)


sonst haben wir die Steuererhöhungen der Zukunft bereits
programmiert. Auch das müssen wir uns klarmachen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wer über im Zusammenhang mit dieser Regierungsko-
alition von Sozialdemokraten und Grünen konsumtive
Ausgaben redet, redet nicht darüber, dass wir die sozialen
Bedingungen verschlechtern, sondern darüber, dass wir
den Staatsaufwand verringern,


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und zwar überall dort, wo es ohne Leistungsminderung
für diejenigen Bürgerinnen und Bürger geht, die auf diese
Leistungen angewiesen sind. Das ist der zentrale Ansatz.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das ist für uns ein uraltes Thema, Herr Kollege!)


– Aber dann möchte ich sehen, dass auch Sie dabei sind,
wenn es wirklich darauf ankommt.

Wenn es konkret wird, wird es jedes Mal schwierig.
Deswegen habe ich das bayerische Beispiel genannt. Es
ist nicht auf Bayern beschränkt; in Bayern wird so etwas
nur mit ein bisschen mehr Ellbogeneinsatz als woanders
betrieben. Das ist auf allen Ebenen zu sehen, übrigens
auch parteienübergreifend, wie ich ohne weiteres einräu-
men will. Nur können Sie hier nicht von Verminderung
des Staatskonsums reden und auf Länderebene das genaue

Gegenteil davon verlangen. Das ist schlicht nicht glaub-
würdig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zum Thema Zukunftsinvestitionen sage ich noch ein-
mal einen herzlichen Dank an die Koalitionsfraktionen.
Es war nicht selbstverständlich, dass der Zufallsfund der
100 Milliarden DM aus den UMTS-Lizenzen – als Fi-
nanzminister war ich hier wie bei allen sonstigen Annah-
men ein bisschen vorsichtig; das muss auch so sein, weil
ich mich ungern unangenehm überraschen lasse – voll-
ständig zur Schuldentilgung eingesetzt wird und niemand
den Versuch unternehmen konnte, davon etwas in die Fin-
ger zu bekommen. Das ist eine enorme Leistung, die die
finanzpolitische Debatte in Deutschland wirklich voran-
bringt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Joachim Poß [SPD]: So ist es!)


Dies war auch für die Regierung nicht leicht, weil es
nämlich eine Fülle von Aufgaben gibt, denen man eigent-
lich nachkommen müsste.


(Joachim Poß [SPD]: Der Austermann hat ja Vorschläge für die Verwendung gemacht!)


– Ja, ich habe viele Vorschläge bekommen, wie man die-
ses Geld ausgeben kann. Das meiste wäre mir allerdings
auch alleine eingefallen, meine Damen und Herren.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was wollte der Austermann eigentlich? – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Steuersenkungen!)


Der entscheidende Punkt dabei ist folgender: Wir haben
etwas eingeübt, was ab 2006 zum System wird. Dann wer-
den wir sehen, wer in diesem Lande zukunftsfähig ist.
Jetzt bekommen wir nämlich zwei Dinge zusammen, die
zusammengehören: Schuldenabbau und die Chance für
mehr Zukunftsinvestitionen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der Schuldenaufbau hat unsere Zukunftsfähigkeit erheb-
lich ruiniert und der Schuldenabbau gibt uns die Zu-
kunftsfähigkeit wieder. Insofern stellte die Debatte um die
Verwendung der UMTS-Erlöse einen interessanten Lern-
prozess dar.

Ich sage aber auch mit allem Nachdruck: So schön es
wäre, wenn man nur konsolidierte und auch die Zinsen in
den Schuldenabbau steckte, es wäre nicht nur eine Über-
forderung der politischen Debatte in Deutschland, son-
dern vor allen Dingen im Blick auf unsere Zukunftsfähig-
keit nicht richtig gewesen. Der Dreiklang, meine Damen
und Herren, muss sein: erstens Schulden abbauen, zwei-
tens richtig in die Zukunft investieren, also die Staatsaus-
gaben in ihrer Zusammensetzung verbessern – Zukunfts-
vorsorge statt Zinsausgaben –, und drittens Steuern und
Abgaben senken, und zwar so, dass auch schon bei der
Steuererhebung und nicht erst hinterher bei der Umver-




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teilung über die Ausgaben im Staatshaushalt soziale Ge-
rechtigkeit erkennbar wird.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Durch Schuldenreduzierung und Reduzierung der
Zinsausgaben können wir es uns leisten, die Investitionen
in den Verkehrssektor, vor allem aber die Investitionen in
den Bereich Bildung und Forschung wieder zu erhöhen.
Der Bildungshaushalt steigt um 1,4 Milliarden DM oder
9,5 Prozent. Das ist die mit Abstand größte Steigerungs-
rate eines Einzelhaushalts. Das ist so auch richtig, daran
sieht man, dass wir richtig in die Zukunft investieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es geht auch darum, Vorsorge für die Aufgaben zu tref-
fen, die beim Aufbau Ost – ich sage das mit allem Nach-
druck – vor uns stehen und weiterhin zu leisten sind. Wir
müssen noch über lange Zeit in die Infrastruktur investie-
ren. Der Bundeskanzler hat mit den Ministerpräsidenten
verabredet, dass wir noch in dieser Legislaturperiode
nicht nur den bundesstaatlichen Finanzausgleich, sondern
auch den Solidarpakt II neu fassen, damit auch über 2005
hinaus Gewissheit darüber herrscht, dass wir unsere Auf-
gaben beim Aufbau Ost nicht vernachlässigen werden und
es eine Perspektive für die neuen Bundesländer gibt, an
die westdeutschen Länder herangeführt zu werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dazu gehört viel, meine Damen und Herren: Dazu
gehören die Infrastruktur, die aktive Arbeitsmarktpolitik,
das Investitionsförderungsgesetz, das Programm Inno-
Regio und das Jugendbildungsprogramm JUMP, das zu
über 50 Prozent in den neuen Bundesländern greift und
auch greifen muss, weil die Wirtschaft es dort noch nicht
schafft, genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung zu
stellen. Ich sage das übrigens nicht vorwurfsvoll. Wir wis-
sen nämlich, dass es dort zu wenig dafür geeignete Be-
triebe gibt. Die Struktur ist anders und unter diesem
Aspekt schlechter als in den westdeutschen Ländern.

Im Rahmen von Wohnungsmodernisierungsprogram-
men muss man natürlich auch über den Wohnungsleer-
stand reden, weil dieser ein Anzeichen für eine außeror-
dentlich schwierige Situation ist. All das sind Aufgaben,
denen wir uns mit diesem Haushalt annehmen. In diesen
Bereichen treffen wir auch Vorsorge für die Zukunft. Das
heißt, der Reformstau in Deutschland ist wirklich aufge-
löst. Die Maßnahmen hierfür umfassten nicht nur Haus-
haltskonsolidierung und Steuerreform, sondern auch Ren-
tenreform, Bundeswehrreform und Justizreform. Es ist
schon erstaunlich, was wir nach so vielen Jahren des Still-
standes den Menschen alles zumuten müssen, damit die-
ses Land wieder vorankommt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das sind wirklich größtenteils Zumutungen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


– Das ist so. Sie hätten ja wenigstens ein paar Aufgaben

mehr angehen können. Da das aber nun nicht mehr zu än-
dern ist, müssen wir es tun.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie haben Reformen zurückgenommen!)


Der Erfolg, meine Damen und Herren, ist ja sichtbar.
Wir können wieder erfreuliche Wachstumsraten verzeich-
nen. Mit dem Ziel „Mehr Wachstum und Beschäftigung
für die Menschen“ sind wir angetreten; dafür ist Gerhard
Schröder in den Wahlkampf gezogen. Damit sorgen wir
konkret für soziale Gerechtigkeit in der Gesellschaft.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Im ersten Jahr wurde die Wachstumsrate schon einmal halbiert!)


Die Wachstumsraten in diesem Jahr betragen 3 Prozent.
Unsere Schätzung für das nächste Jahr von 2,75 Prozent
liegt – das sagen alle Institute – am unteren Rand. Diese
Raten liegen doppelt so hoch wie der Durchschnitt der
ganzen 90er-Jahre. Unter Ihrer Verantwortung erlebte
Deutschland damals eine ausgesprochene Schwächeperi-
ode.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Aber Schlusslicht in Europa!)


Trotz hoher Ölpreise ist die Kerninflationsrate in
Deutschland nach wie vor niedrig, sie liegt nämlich bei
etwa 1 Prozent.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das ist ja noch schöner, wie Sie rechnen!)


Das heißt, dass sich die Europäische Zentralbank im Hin-
blick auf ihre Geldpolitik darauf verlassen kann, dass vom
größten Mitglied der EU und der Euro-Zone keine Infla-
tionsgefahren ausgehen. Das ist eine wesentliche Voraus-
setzung dafür, dass eine Zinspolitik betrieben werden
kann, die dazu beiträgt, dass sich das Wachstum weiter
positiv entwickelt.

Nun komme ich zur Beschäftigung. Auch da erzählen
Sie große Märchen, wenn Sie behaupten, die Beschäfti-
gung sei während Ihrer Regierungszeit gestiegen. Ich
kann Ihnen ganz andere Zahlen vorlesen:


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: MiniJobs!)


1992 ging die Zahl der Beschäftigten – Herr Austermann,
Sie wissen, wer damals regiert hat – um 1,5 Prozent, 1993
um 1,3 Prozent und 1994 um 0,2 Prozent zurück. 1995
gab es ein Plus von 0,2 Prozent, 1996 ein Minus von
0,3 Prozent, 1997 ein Minus von 0,2 Prozent, 1998 – jetzt
geht es wieder aufwärts – gab es ein Plus von 0,9 Prozent,


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Da haben Sie noch nicht regiert!)


1999 ein Plus von 1,1 Prozent – da haben wir schon re-
giert.


(Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

2000 wird es ein Plus von 1,5 Prozent und 2001 ein Plus




Bundesminister Hans Eichel

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von 1,5 Prozent geben. So lauten die Prognosen aller In-
stitute.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Eine gefälschte Statistik, die Sie da vorlesen!)


Mit anderen Worten – hierbei bleibt der Effekt des 630-
Mark-Gesetzes außen vor, Herr Kollege Rexrodt – heißt
das: Wir haben zurzeit einen Zuwachs von jährlich min-
destens 500 000 zusätzlich Beschäftigten. Das hat nichts
mit der demographischen Entwicklung zu tun, sondern es
gibt zusätzlich 500 000 Arbeitsplätze in diesem und zu-
sätzlich – eher etwas mehr – 500 000 Arbeitsplätze im
nächsten Jahr.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Eine so starke Zunahme hat es in den ganzen 90er-Jahren
nicht gegeben, nicht ein einziges Mal. Damals war die
Entwicklung nur negativ.

Es ist auch falsch, wenn Sie behaupten, dass der Rück-
gang der Arbeitslosigkeit etwas mit der demographischen
Entwicklung zu tun hätte. Es verhält sich ganz anders: Die
Arbeitslosenzahl geht nämlich gar nicht so zurück, wie sie
aufgrund der demographischen Entwicklung zurückge-
hen müsste. Das hat damit zu tun, dass jetzt eine Menge
Menschen aus der stillen Reserve in die Arbeitswelt drän-
gen, die gar nicht als arbeitslos gemeldet waren. Dieser
Schritt ist mit Blick auf die Zukunft vernünftig. Wir müs-
sen unser Beschäftigungspotenzial nämlich besser aus-
schöpfen. Eine Quelle hierfür stellen die jungen Frauen
im Westen dar. Dort gibt es eine zu geringe Zahl von be-
rufstätigen Frauen. Im Osten ist die Arbeitslosenquote so
hoch, weil es in der alten DDR sehr viele erwerbstätige
Frauen gab. Hier ist noch eine Menge zu tun. So kommt
zum Beispiel noch die sehr große Aufgabe auf uns zu, die
Kinderbetreuung in den westdeutschen Ländern sicherzu-
stellen, damit Frauen überhaupt einer Beschäftigung
nachgehen können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Barbara Höll [PDS]: In den ostdeutschen auch!)


Wir sind damit auf einem sehr guten Weg; alle Daten zei-
gen dies. Dies bestätigen auch die Wirtschaftsforschungs-
institute, der Sachverständigenrat, die Bundesbank, die
OECD und der Internationale Währungsfonds.

Zwei Dinge trösten mich: Erstens. Diese Politik ist
nicht nur in der Regierungskoalition – wir haben hart
dafür kämpfen müssen; das war nicht einfach –, sondern
inzwischen auch im Lande tief verankert. Es wird keine
unsolide Finanzpolitik wie die, die wir beendet haben,
mehr geben. Diese Erkenntnis hat sich im Lande durch-
gesetzt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zweitens. Wir befinden uns – darauf hat Herr Kollege
Rexrodt zu Recht hingewiesen – in einem europäischen
und internationalen Geleitzug.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Schlusslicht!)


Wenn wir da ausbüchsen würden, würden wir es teuer be-
zahlen.

Eine letzte Bemerkung mit Blick auf die Europade-
batte heute Morgen, in der der Bundeskanzler eine Re-
gierungserklärung abgegeben hat. Wir werden uns sehr
nüchtern – in der Wirtschafts- und Finanzpolitik geht es
immer sehr nüchtern zu – damit beschäftigen müssen,
welchen Rahmen uns Europa setzt. Der nächste Jahres-
wirtschaftsbericht wird genau in diesen Rahmen passen.
Eine Fülle von Reden, die Sie gehalten haben, wird es
dann nicht mehr geben. Könnten diese Reden doch gehal-
ten werden, dann würde dies nämlich bedeuten, dass wir
aus dem europäischen Rahmen herausspringen und unse-
rer Verantwortung für den Euro nicht gerecht werden. Ich
bin aber zuversichtlich, dass es nicht so kommen wird.


(Beifall der Abg. Anke Fuchs [Köln] [SPD])

Wir haben die deutsche Stabilitätskultur nach Europa

getragen. Von dort kommt sie jetzt als Forderung an uns
zurück. Ich finde, dies ist außerordentlich tröstlich; denn
man kann aus deutscher Sicht kein besseres Argument für
Europa anführen.

Ich bin für die Zukunft guter Dinge. Wir sind auf dem
richtigen Wege. Überlegen Sie sich, ob Sie dem nicht zu-
stimmen können!


(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Rudolf Seiters (CDU):
Rede ID: ID1413504700
Für die
CDU/CSU-Fraktion gebe ich dem Kollegen Peter Rauen
das Wort.


(Detlev von Larcher [SPD]: Arme Opposition! – Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist der Mann, mit dem man in Berlin reden muss! So habe ich gelesen!)



Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1413504800
Herr Präsident! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Herr Eichel, die Um-
stellung des Kindergeldes von der steuerlichen Förde-
rung auf die direkte Förderung erfolgte zum 1. Januar
1996. Damals haben sich die Einnahmen wie auch die
Ausgaben um 20,5 Milliarden DM erhöht. Es war also
nicht so, wie sie vorhin gesagt haben, dass es eine Er-
höhung um 40 Milliarden DM im Jahre 1998 gab. Eine
solche falsche Aussage ist eines Finanzministers unwür-
dig.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Mir ist klar, warum Sie diese Verneblungstaktik an-

wenden. Wenn man sich nämlich einmal anschaut, um wie
viel die Nettoneuverschuldung zurückgegangen ist,
dann muss man feststellen, dass dies – eigentlich Ihrem
Ruf gemäß – ziemlich wenig ist. Sie werden im Jahre
2001 43,2 Milliarden DM mehr Steuereinnahmen als im
Jahr 1998 haben. Aber die Nettoneuverschuldung geht in
demselben Zeitraum nur um 0,7 Prozent zurück.

Diesen Sachverhalt wollen Sie mit dem nicht zutref-
fenden Hinweis auf das Kindergeld vernebeln. Sie wollen
damit nur verschleiern, dass der Grund für den geringen




Bundesminister Hans Eichel
13086


(C)



(D)



(A)



(B)


Rückgang der Nettoneuverschuldung darin liegt, dass Ihr
Vorgänger Lafontaine die konsumtiven Ausgaben um
30 Milliarden DM erhöht hat. Gehen Sie nicht so weit,
diese Tatsache mit dem Kindergeld zu verknüpfen! Das
hat mit der Politik Ihres unmittelbaren Vorgängers zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bin dankbar, dass Sie zugegeben haben, gegen die

Privatisierungsmaßnahmen der alten Bundesregierung
gewesen zu sein. Damit geben Sie endlich zu, dass Sie un-
verdientermaßen die Sondereinnahmen in Höhe von fast
150 Milliarden DM kassieren können,


(Lachen des Abg. Detlev von Larcher [SPD])

für die Theo Waigel und Helmut Kohl die Saat ausge-
bracht haben.


(Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Da bricht der blanke Neid durch!)


Sie hatten das Glück, dass durch die Zinsersparnis der
nächste Haushalt weniger belastet wird. Wir begrüßen,
dass Sie deswegen Investitionen für das nächste Jahr
vornehmen können. Aber ohne diese Zinsersparnisse
wäre die Investitionsquote nach Ihrem Regierungsent-
wurf auf 11,4 Prozent gesunken und damit auf einen his-
torischen Tiefstwert gefallen.


(Hans-Eberhard Urbaniak [SPD]: So ist es aber nicht!)


Dennoch sind diese Investitionen noch immer völlig un-
zureichend.

Wir haben in Deutschland einen gewaltigen Investiti-
onsstau bei notwendigen Reparaturen und Neubauten von
Straßen, Schienen- und Wasserwegen. Dies gilt insbeson-
dere für die neuen Bundesländer.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wir wissen ja, von wem wir das übernommen haben!)


Gute Verkehrswege sind die Voraussetzung für wirt-
schaftliche Prosperität, für eine sich dynamisch ent-
wickelnde Wirtschaft und damit für die Arbeitsplätze von
morgen. Ich halte es deshalb vor diesem Hintergrund für
einen großen Fehler, dass Sie gemäß Ihrer Finanzplanung
die Investitionsquote von 12,2 Prozent im Jahr 2001 über
10,9 Prozent und 10,5 Prozent auf 10,4 Prozent im
Jahr 2004 zurückfahren wollen. Im Klartext heißt das,
dass Sie im Jahr 2004 8,5 Millionen DM weniger für In-
vestitionen ausgeben wollen als noch im Jahr 2001. Ich
halte dies angesichts des Bedarfs an Investitionen in
Deutschland für verantwortungslos.

Diese Finanzpolitik ist ein wirtschaftspolitischer
Blindflug zulasten der Infrastruktur in Deutschland und
eine Gefahr für den Arbeitsmarkt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Arbeitsmarkt in Deutschland ist ohnehin die Achil-
lesferse dieser Regierung. Sie geben das nur nicht zu und
versuchen – bisher, wie ich zugeben muss, mit gutem Er-
folg –, die öffentliche Wahrnehmung zu täuschen und zu
manipulieren. Bei der Ermittlung der Beschäftigtenzahlen
rechnen Sie heute 2,2 Millionen 630-Mark-Jobs hinzu,

die vor 1999 niemals mitgezählt wurden. Mehr Beschäf-
tigung ist dadurch nicht entstanden. Im Gegenteil, weil
Sie die 630-Marks-Jobs so uninteressant gemacht haben,
wird manche Arbeit in Deutschland nicht mehr getan, zu-
mindest nicht mehr legal. Kein Wirtschaftszweig in
Deutschland wächst so stark wie die Schwarzarbeit.

Die Entspannung auf dem Arbeitsmarkt kommt daher,
dass in den letzten beiden Jahren 500 000 ältere Menschen
mehr aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, als
junge Menschen hinzukamen.


(Detlev von Larcher [SPD]: Sie haben doch gerade die Zahlen gehört! – Gegenruf von der CDU/CSU: Die sind falsch, Herr Larcher!)


Diesen Rückgang des Erwerbspersonenpotenzials haben
die wirtschaftswissenschaftlichen Institute bereits im
April 1999 vorausgesagt. Die Arbeitslosenzahlen sind
zwar zurückgegangen; mehr Beschäftigung ist dadurch in
Deutschland aber nicht entstanden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Hinzu kommt, dass in Deutschland zurzeit neben der

offiziellen Arbeitslosigkeit eine verdeckte Arbeitslosig-
keit von 1,8 Millionen Personen existiert, die in AB-Maß-
nahmen und im arbeitsmarktbedingten Vorruhestand ver-
steckt werden.

Fast 5,5 Millionen Menschen sind in diesem Jahr offen
oder verdeckt arbeitslos; das sind 13,2 Prozent. Andere
Länder sind Beispiele dafür, dass es kein Naturgesetz gibt,
nach dem es auf Dauer hohe Arbeitslosigkeit geben muss.
Es ist möglich, Vollbeschäftigung zu erreichen. In ande-
ren Volkswirtschaften liegt die Arbeitslosenquote wesent-
lich niedriger, in Holland zum Beispiel bei 3 Prozent, in
Dänemark und in den USA bei 4 Prozent.

Es gibt aber auch bei uns riesige Beschäftigungschan-
cen im Mittelstand, vor allem in der New Economy. Die
Zukunft gehört vielen kleinen und mittleren Unternehmen
sowie Neugründern, die in der Lage sind, flexibel zu ar-
beiten und schnell auf Nachfrageänderungen zu reagie-
ren. Aber genau daran werden sie durch die Wirtschafts-
und Arbeitsmarktpolitik dieser Regierung gehindert.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie mir nicht glauben, dann lesen Sie doch we-

nigstens das Gutachten, das die Sachverständigen im Auf-
trag Ihrer Regierung abgegeben haben. Darin steht glasklar,
dass der Beschäftigungszuwachs, in Erwerbstätigkeitsstun-
den gerechnet, zum Stillstand gekommen ist. Das ist der
Beweis, dass die Regierung bei ihrer Arbeitsmarktpolitik
versagt hat. Durch den Rückgang der Arbeitslosenzahlen
ist diese schlimme Entwicklung in der öffentlichen Wahr-
nehmung weitestgehend noch nicht registriert worden. Die
Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung geht in die völlig
falsche Richtung.

Der Sachverständigenrat gibt auch die Antwort darauf,
warum dies so ist. Als Gründe nennt er das 630-Mark-Ge-
setz, die überbürokratisierten Regeln zur Scheinselbststän-
digkeit, die erneute Regulierung beim Kündigungsschutz,
die Rücknahme der verminderten Lohnfortzahlung, die
Schlechtwettergeldregelung und die erneute Regulierung
der Märkte für Energie und Telekommunikation. Statt den




Peter Rauen

13087


(C)



(D)



(A)



(B)


viel zu starren Arbeitsmarkt zu deregulieren, machen Sie
genau das Gegenteil dessen, was die OECD, der Interna-
tionale Währungsfonds, die EU-Kommission und die For-
schungsinstitute fordern.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Stattdessen gehen Sie in Ihrer sozialistischen Rege-

lungswut genau in die andere Richtung: voraussetzungs-
loser Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit, Ausweitung der
Mitbestimmung und Herabsetzung der Schwellenwerte,
Einschränkung der befristeten Arbeitsverträge. – Das al-
les ist Gift für den Arbeitsmarkt und die freie Entfal-
tungsmöglichkeit von Unternehmern.

Mit dem Unternehmer haben Sie ohnehin, wie ich im-
mer wieder feststellen muss, nichts am Hut.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wer haut denn solche Sprüche heraus? Da klatscht noch nicht einmal jemand von Ihrer Partei!)


Er bleibt für Sie der Kapitalist, der geschröpft werden
muss.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD und der PDS)


Das haben Sie mit Ihrer Steuerreform nachdrücklich un-
ter Beweis gestellt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Kommen Sie einmal zur Sache! Es geht um den Haushalt!)


– Ich weiß, dass Sie das nicht gerne hören.
Sehr geehrter Herr Eichel, Sie haben die ideologische

Vorgabe von Lafontaine astrein umgesetzt. Sie haben mit
Ihrer Steuerreform zwar die Unternehmen entlastet, nicht
aber die Unternehmer. Sie haben einbehaltene Gewinne
gegenüber ausgeschütteten Gewinnen begünstigt. Diese
Steuerreform ist eine Reform zugunsten der großen Kapi-
talgesellschaften und zum Nachteil der Personengesell-
schaften sowie der kleinen GmbHs und damit zum Nach-
teil des Mittelstandes.


(Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß [SPD]: Sie kennen nur die Kapitalisten von der Caritas!)


– Ach, Herr Poß, Ihre dummen Sprüche kenne ich zur
Genüge.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Na, na!)

Das ist letztlich auch das Urteil, zu dem der Sachver-

ständigenrat in seinem Gutachten kommt. Sie werden
zwar dafür gelobt, dass Sie die Steuern senken. Aber was
die Architektur der Reform angeht, hagelt es Kritik. Ob es
die unterschiedliche Behandlung einbehaltener und aus-
geschütteter Gewinne, die Ersetzung des Anrechnungs-
durch das Halbeinkünfteverfahren oder die Gewerbesteu-
eranrechnung ist, die tragenden Pfeiler Ihres Reformkon-
zepts hält der Sachverständigenrat für wirtschaftspolitisch
verfehlt, steuersystematisch fragwürdig und verfassungs-
rechtlich angreifbar.


(Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: So ist es!)


Aber nicht nur in der Wissenschaft, sondern auch bei
den Steuerzahlern hat sich inzwischen herumgesprochen,
was von Ihrer Reform zu erwarten ist: Die mittleren und
kleinen Unternehmen, die in Deutschland in der Ver-
gangenheit für zusätzliche Arbeitsplätze gesorgt haben
und dies auch in Zukunft tun werden, kommen bei dieser
Reform entschieden zu kurz. Sie werden nicht entlastet,
sondern massiv belastet.


(Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Gegenfinanzierung! – Detlev von Larcher [SPD]: Albern!)


Alle wissen, dass die tarifliche Entlastung der Personen-
unternehmen zum 1. Januar 2001 mit 3 Prozent weit hin-
ter jener der großen Kapitalgesellschaften, die 13 Prozent
beträgt, zurückbleibt.

Herr Eichel, Sie behaupten immer, dass nur der Mittel-
stand durch die Steuerreform effektiv entlastet werde.
Demgegenüber erhielten die Kapitalgesellschaften mit
der Tarifsenkung nur das zurück, was ihnen zuvor auf-
grund der Verschärfung der steuerlichen Gewinnermitt-
lung durch das so genannte Steuerentlastungsgesetz
1999/2000/2002 genommen worden sei. Sie wollen uns
und dem Mittelstand damit weismachen, dass Ihr Vorgän-
ger nur die Kapitalgesellschaften geschröpft, den Mittel-
stand aber verschont habe.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Jeder sachkundige Steuerberater weiß doch, dass ge-

nau das Gegenteil der Fall ist. Lassen Sie mich nur einige
von Lafontaines steuerpolitischen Hinterlassenschaften
nennen: Einführung der Mindestbesteuerung, Einschrän-
kung des Betriebsausgabenabzugs von Schuldzinsen,
Erschwerung bzw. Einschränkung der Teilwertabschrei-
bung, Abschaffung des Mitunternehmererlasses, Ein-
schränkung des Verlustrücktrages, Einschränkung der
Verlustverrechnung und Abschaffung des halben Steuer-
satzes für Betriebsveräußerungs- und -aufgabegewinne.


(Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Vorauseilende Gegenfinanzierung war das!)


Das alles sind doch Punkte, die auch oder sogar aus-
schließlich den Mittelstand betreffen. Nur einen kleinen
Teil dieser Verschlechterungen haben Sie in dem entspre-
chenden Vermittlungsverfahren zurückgenommen. Auch
§ 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes haben Sie jetzt
nur teilweise wieder so eingeführt, wie er früher war.
Durch die Begrenzung des halben Steuersatzes durch den
Mindeststeuersatz werden gerade die kleinen Unterneh-
mer massiv getroffen. Sie sind genauso Betrogene wie die
Mittelständler, die 1999 und 2000 ihren Betrieb aufgeben
mussten, und die Handelsvertreter, deren Abfindungen
beim halben Steuersatz völlig außen vor gelassen wurden.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Zu den genannten Abschreibungsverschlechterungen
kommen ab 1. Januar 2001 weitere hinzu – das gilt auch
für den Mittelstand –: Die degressive AfA wird um ein
Drittel reduziert.


(Hans Eichel, Bundesminister: Das haben Sie auch in Ihrem Steuerkonzept!)





Peter Rauen
13088


(C)



(D)



(A)



(B)


– Dümmer kann kein Zuruf sein. Wir haben ein ganz an-
deres Konzept gehabt als das, das Sie vorgelegt haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die neuen AfA-Tabellen, die ab Januar 2001 gelten sol-

len, treffen die gesamte Wirtschaft, besonders aber den
Mittelstand.
Hinzu kommt ab 1. Januar eine weitere Erhöhung der Mi-
neralölsteuer um 7 Pfennig einschließlich der Umsatz-
steuer.


( V o r s i t z : Vizepräsidentin Anke Fuchs)

Sie könnten, Herr Minister Eichel – da will ich an das

anknüpfen, was Herr Wagner gesagt hat –, die Arbeitslo-
senversicherungsbeiträge im nächsten Jahr um 0,5 Pro-
zentpunkte senken. Stattdessen sanieren Sie den Bundes-
haushalt zulasten der Bundesanstalt für Arbeit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Ich halte dies für einen Treppenwitz im Zusammenhang
mit Ihrem Geschwätz, dass Sie die Lohnzusatzkosten
mindern wollten.

Der Mittelstand wird nicht entlastet, er wird massiv be-
lastet. Die Tarifentlastung 2005 kommt für Unternehmer
und Arbeitnehmer viel zu spät. Aber ich sage es hier noch
einmal, damit es sich auch einprägt, Herr Minister Eichel:
Wer Unternehmer nicht entlasten will, will auch Arbeit-
nehmer nicht entlasten, denn beide werden nach dem glei-
chen Einkommensteuertarif besteuert.

Ich habe Ihnen schon mehrmals vorgerechnet und Sie
haben es mir nicht ein einziges Mal widerlegt,


(Zuruf von der CDU/CSU: Kann er auch gar nicht!)


dass ein Arbeitnehmer bei einer jährlichen Lohnerhöhung
von 2,5 Prozent bis 2005 dann prozentual genauso viel
Steuern zahlt wie im Jahr 2001. Wenn die Lohnabschlüsse
durch die zwischenzeitlich energiepreisbedingt höhere
Inflationsrate höher ausfallen, wird er prozentual sogar
noch höhere Steuern zahlen als im Jahr 2001.

Sie geben den Unternehmern und den Arbeitnehmern
in den Jahren 2003 und 2005 lediglich das zurück, was Sie
ihnen vorher durch heimliche Steuererhöhungen, durch
die kalte Progression aus der Tasche gezogen haben. Die
Erwartungen der Menschen in die Steuerentlastung wer-
den durch die Realität nicht gedeckt. Auf ihren Lohn- und
Gehaltsabrechnungen ab Januar werden die Menschen ab-
lesen können, dass die Steuerentlastung für die meisten
nicht einmal die Folgen des Energiepreisanstiegs aus-
gleicht.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was hat denn das miteinander zu tun?)


Herr Eichel, weil Sie es eben mit den globalen Zahlen,
die den Staat interessieren, gesagt haben, sage ich es jetzt
einmal am Beispiel eines Lohn- oder Gehaltsempfängers:
Wenn jemand 5 500 DM brutto verdient, wird er durch die
Steuerreform ab 1. Januar monatlich 85,49 DM mehr im
Geldbeutel haben, das sind im Jahr 1 026 DM mehr. Wenn

derselbe Arbeitnehmer jetzt seinen Heizöltank mit
3 000 Litern füllt, muss er 1 500 DM mehr bezahlen als
vor einem Jahr. Der wird von der Steuerentlastung im Ja-
nuar überhaupt nichts merken. Das ist Fakt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Wenn die Mieter im Frühjahr ihre Nebenkostenabrech-
nungen erhalten, werden neben den Eigenheimbesitzern
alle 39 Millionen Haushalte in Deutschland merken, was
ihnen von der Steuerentlastung an Kaufkraft bleibt, näm-
lich nichts.

Bei dieser Betrachtung sind die Mehrkosten durch die
hohen Benzin- und Dieselpreise noch gar nicht einge-
rechnet. Die Menschen auf dem flachen Land, die zwin-
gend auf ihr Auto angewiesen sind, um zur Arbeit zu kom-
men, haben mittlerweile gemerkt, dass die Erhöhung von
70 auf 80 Pfennig für sie ein schlechter Witz ist. Diese Er-
höhung reicht gerade einmal aus, um die 7 Pfennig Mehr-
kosten ab 1. Januar bezahlen zu können. Das ist ein reines
Nullsummenspiel für die Leute, die ihr Auto zwingend
brauchen, um zur Arbeit zu kommen.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wenn es überhaupt in Kraft tritt!)


Für dieses Nullsummenspiel werden sich vor allem die
Bürger in den Flächenländern, zum Beispiel Baden-Würt-
temberg und Rheinland-Pfalz, zu bedanken wissen. Sie
werden kaum Verständnis dafür haben, dass sie ohne jeg-
liche effektive Entlastung mit ansehen müssen, wie
gleichzeitig Fußgänger, Radfahrer, Bahn- oder Busfahrer
massiv entlastet werden und dabei teilweise noch ein
gutes Geschäft machen können.

Herr Eichel, dieses Gesetzgebungsverfahren wird all-
mählich immer mehr zur Posse. Sie wissen ja, dass die
Länder seit Wochen sagen: Wir bezahlen diesen Unfug
nicht mit. Dennoch wurde das Gesetz hier im Parlament
durchgepeitscht. Und jetzt kommen die Überlegungen, ob
man die Erhöhung der Pauschale befristet, die Höhe der
Pauschale nach dem jeweils benutzten Verkehrsmittel
staffelt,


(Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Die größte Herausforderung seit der deutschen Wiedervereinigung!)


die Pauschale erst ab einer gewissen Mindestentfernung
oder nur bis zu einer bestimmten Höchststrecke gewährt
oder den Abzug auf einen bestimmten Höchstbetrag be-
grenzt. Dieses Tohuwabohu ist nur noch mit Riesters
Rentenreform zu vergleichen und hat die Qualität der ge-
scheiterten Gesundheitsreform.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Herr Minister, schaffen Sie die Ökosteuer ab! Das
wäre für die Konjunktur und die Arbeitsplätze ein befrei-
endes Signal. Die ganze Flickschusterei bringt nichts. Das
ist alles wie gewollt und nicht gekonnt.

Herr Eichel, in Ihrem Vortrag vor der Berliner Hum-
boldt-Universität am 9. November haben Sie den Grund-
satz der Nachhaltigkeit zum Fundamentalprinzip Ihrer




Peter Rauen

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(C)



(D)



(A)



(B)


Finanzpolitik erklärt: Keine Generation dürfe auf Kosten
der Nachfolgergeneration wirtschaften.

Dass in Konsequenz dieser Politik der Staat aus der
Schuldenfalle heraus muss, ist richtig. Das unterstützen
wir von der Opposition ohne Wenn und Aber. Richtig ist
aber auch, dass die arbeitenden Menschen aus der Steuer-
und Abgabenfalle heraus müssen. Ebenso richtig ist es,
dass der Arbeitsmarkt von lähmenden und einstellungs-
feindlichen Regulierungen befreit werden muss.

Die Balance dieser drei Grundforderungen für mehr
Wachstum und Beschäftigung hat Ihre Regierung bisher
leider nicht gefunden. Es ist doch eine Schande, dass die
größte Industrienation Europas mit Italien zusammen
Schlusslicht beim Wachstum in Europa ist.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Darauf war er noch stolz!)


Ausgerechnet die Wirtschaft in Europa mit dem größ-
ten Exportanteil ist trotz der Begünstigung der Außen-
konjunktur durch den schwachen Euro nicht in der Lage,
in Deutschland einen Aufwuchs an Beschäftigung her-
beizuführen. Wie sollen die internationalen Kapital-
märkte das Vertrauen in den Euro zurückgewinnen, wenn
nicht Deutschland wieder Wachstumslokomotive in Eu-
ropa wird? Schuldenabbau und gleichzeitige Entlastung
der Menschen von Steuern und Abgaben sind kein Ge-
gensatz, sie bedingen sich einander. Eine erfolgreiche
Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik als Einheit ver-
standen bewährt sich am besten auf dem Arbeitsmarkt und
genau da haben Sie versagt.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU]: Kläglich!)


Wie das geht, hat die Regierung Kohl von 1982 bis
1989 erfolgreich bewiesen.


(Zuruf von der SPD: Das ist ein Witz!)

– Hören Sie ruhig zu, Sie haben offenbar ein so kurzes Ge-
dächtnis, dass Ihnen so manches wieder in Erinnerung ge-
bracht werden muss.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Sie sind der Zeit ein ganzes Ende hinterher!)


Damals wurde die Nettoneuverschuldung von 37 Milli-
arden DM im Jahre 1982, die, wenn Schmidt an der Re-
gierung geblieben wäre, in 1983 auf 50 Milliarden DM
angestiegen wäre, auf 19 Milliarden DM in 1989 zurück-
gefahren und gleichzeitig entstanden in Deutschland
3 Millionen zusätzliche ordentliche Arbeitsplätze, über
die Steuern und Abgaben gezahlt worden sind.


(Beifall des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/CSU])


Hiervon sind Sie heute meilenweit entfernt.
Meine Damen und Herren, ich will abschließend sa-

gen: Die Regierung Schröder, die vor zwei Jahren mit der
Aufforderung an die Nation angetreten ist, sie an ihren Er-
folgen auf dem Arbeitsmarkt zu messen, ist nicht die Lö-

sung unserer Probleme, diese Regierung ist das Problem
selbst.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413504900
Das Wort hat jetzt der
Kollege Jörg-Otto Spiller, SPD-Fraktion.


Jörg-Otto Spiller (SPD):
Rede ID: ID1413505000
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren!

Die konjunkturelle Lage der deutschen Wirtschaft ist
gut. Die Politik hat begonnen, den wachstumshem-
menden Reformstau aufzulösen. Die Bundesregie-
rung hat in diesem Jahr in der Finanzpolitik wichtige
Voraussetzungen für mehr Wachstum und Beschäfti-
gung geschaffen. Im internationalen Wettbewerb der
Investitionsstandorte kann verlorenes Terrain wie-
dergewonnen werden.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das hat er schön aufgeschrieben!)

– Das schreibt der Sachverständigenrat zur Begutach-
tung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Herr Merz,
in seinem Gutachten, das er Mitte November vorgelegt
hat, aber so etwas lesen Sie ja nicht.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Daraus lese ich Ihnen morgen auch noch etwas vor!)


„Solider Aufschwung“, „Expansion nach klassischem
Muster“ – das sind die Stichworte zur konjunkturellen
Analyse. Dann zieht sich die Zustimmung des Sachver-
ständigenrates zur Finanzpolitik der Bundesregierung und
der sie tragenden Koalition wie ein roter Faden durch die-
ses Gutachten.

Meine Damen und Herren von CDU/CSU und F.D.P.,
warum können Sie sich nicht einfach einmal darüber
freuen, dass Deutschland eine gute Entwicklung nimmt?


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sie suchen krampfhaft nach allen möglichen Ecken und
Kanten und unerfüllten Wünschen.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sie reden wie Didi Hallervorden! – Heiterkeit bei der CDU/CSU)


Sie kommen überhaupt nicht auf die Idee, dass die Wirt-
schaft und die Menschen in diesem Lande eine ganz an-
dere Einschätzung haben als die, die Sie hier verbreiten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielleicht pflegen Sie das. Ich kann das ja nachempfin-
den.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ich habe gesagt, Sie reden wie Didi Hallervorden!)


Es tut Ihnen offensichtlich Leid,

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Der Kollege Ramsauer macht gerade einen ehrenvollen Zwischenruf!)





Peter Rauen
13090


(C)



(D)



(A)



(B)


dass es in Deutschland einen Aufschwung gibt. Das kann
ich noch verstehen. Es tut Ihnen Leid, dass Sie daran nicht
beteiligt sind. Sie haben dafür nichts getan.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Wollen Sie behaupten, dass Sie etwas dafür getan haben?)


Aber Sie sollten sich hier nicht hinstellen und diesen Auf-
schwung kleinreden. Es ist nur der schwarz-gelbe Neid,
dass Sie das nicht hingekriegt haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Uwe Küster [SPD]: Das ist nicht die Leitpartei, sondern die Neidpartei!)


Das, was vom Sachverständigenrat und in ganz ähnli-
cher Weise vor einigen Wochen auch in dem Gemein-
schaftsgutachten der wirtschaftswissenschaftlichen For-
schungsinstitute herausgestellt worden ist, ist die positive
Wirkung, die die Finanzpolitik dieser Regierung, die die
Finanzpolitik dieser Koalition für die wirtschaftliche Ent-
wicklung bringt.

Das Erste ist, dass dieser Reformstau überwunden
worden ist, dass über die „deutsche Krankheit“ nicht mehr
geredet wird, sondern dass endlich die Dinge vorange-
kommen sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413505100
Herr Kollege, gestat-
ten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Ramsauer?


Jörg-Otto Spiller (SPD):
Rede ID: ID1413505200
Mit Freude.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413505300
Bitte sehr, Sie haben
die Freude, Herr Kollege.


(Heiterkeit bei der CDU/CSU – Friedrich Merz [CDU/CSU]: Er ist die Freude!)



Dr. Peter Ramsauer (CSU):
Rede ID: ID1413505400
Herr Kollege
Spiller, wenn das alles so ist, wie Sie es hier vortragen,
wie erklären Sie sich dann das regelrecht demonstrative
Desinteresse an Ihrer Finanzpolitik,


(Lachen bei der SPD)

was sich auf der Regierungsbank in der totalen Abwesen-
heit der Kabinettsmitglieder widerspiegelt, wenn man
von einem gerade ausscheidenden Staatsminister und ei-
nigen Staatssekretären absieht?


Jörg-Otto Spiller (SPD):
Rede ID: ID1413505500
Unsere Regierung ist immer
am Arbeiten,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der F.D.P.)


und das macht sie natürlich manchmal auch außerhalb des
Plenums.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das hätte Didi Hallervorden auch nicht besser sagen können! – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Für Sie ist es schwer, Herr Spiller! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Wo haben Sie Ihre Ländervertreter? Nicht einer ist da!)


– Ich finde, ich habe es überhaupt nicht schwer. Herr
Rexrodt, Sie haben mir natürlich Leid getan, als ich sah,
mit welcher Verbissenheit Sie nun das kommentieren
mussten, was alle loben.


(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Dafür sind Sie der Komödienstadl hier!)


Die wirtschaftswissenschaftlichen Institute und – was
Sie wahrscheinlich noch mehr schmerzt – auch die Un-
ternehmen selbst und die Bürger im Lande sagen: Gut,
dass das endlich zustande gekommen ist.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Das merkt man zum Beispiel bei den Petitionen! – Peter Rauen [CDU/CSU]: Didi H.!)


Es gibt natürlich immer – je nachdem, wie Sie das hand-
haben – unterschiedliche Äußerungen. Wenn Sie zu Ver-
sammlungen kommen, bei denen die Leute die Jacke ih-
res Verbandes anhaben, dann wird der eine oder andere
natürlich erst einmal sagen: Wir hätten uns noch Schöne-
res gewünscht. Wenn Sie aber mit den Leuten, auch den
Mittelständlern, reden, Herr Merz, kommt eigentlich im-
mer heraus: Endlich, wir freuen uns. Gut, dass ihr das ge-
schafft habt und dass es nicht durch den Bundesrat
blockiert worden ist. Sie haben ja damals die völlig rich-
tige Einschätzung gehabt: Am 14. Juli wird sich die Spreu
vom Weizen trennen. Genauso ist es gekommen und wir
haben jetzt eine ordentliche Steuerreform.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Zu der Wirkung der Steuerreform oder zumindest zu
der Unterstützung, die von der Steuerreform für das Wirt-
schaftsgeschehen ausgeübt worden ist, gehört die deutli-
che Belebung der Investitionstätigkeit.Wir haben es seit
langem nicht gehabt, dass Ausrüstungsinvestitionen in der
Größenordnung von 8 Prozent pro Jahr zunehmen und
dass dabei nicht allein die Ersatzinvestitionen das Motiv
dafür sind, sondern auch die Erweiterung von Produk-
tionskapazitäten, Innovation und neue Produkte. Das
Ganze geht mit einer Zunahme von Beschäftigung einher.

Ich kann verstehen, dass es Sie stört, dass das bei Ihnen
nicht stattgefunden hat, Herr Rexrodt. Herr Rauen, Sie
sollten sich vielleicht noch einmal die Tabellen ansehen.
In der ganzen Zeit seit 1990, als Herr Kohl regierte, ist die
Beschäftigung in Deutschland zurückgegangen. Wir ha-
ben seit diesem Jahr endlich eine Zunahme an Beschäfti-
gung. Darüber kann man sich doch freuen. Man muss
doch dabei nicht kleinkrämerisch irgendwelche Nachteile
suchen. Ich finde, das ist ein großer Grund zur Freude.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – HansEberhard Urbaniak [SPD]: Freut euch, bald ist Weihnachten! – Hans Georg Wagner [SPD]: Freut euch und seid fröhlich! O du fröhliche!)





Jörg-Otto Spiller

13091


(C)



(D)



(A)



(B)


Es ist im Übrigen so, dass die Investitionstätigkeit ge-
rade im verarbeitenden Gewerbe, auch in Ostdeutsch-
land, erfreulich aktiv ist. Trotzdem sage ich: Das, was wir
in Ostdeutschland brauchen, wäre eine höhere Inves-
titionsrate als in Westdeutschland, damit die Rückstände
in der Kapitalausstattung, in der Ausrüstung der Betriebe
aufgeholt werden. Wir haben jetzt in etwa einen Gleich-
stand. Wir brauchen aber eine Belebung. Gerade in Ost-
deutschland wird die Unternehmensteuerreform, die den
im Unternehmen belassenen Gewinn deutlich schont,
heilsame Wirkungen auslösen. Dessen bin ich ganz sicher.
Wir brauchen eine Stärkung der Eigenkapitalbasis, gerade
in den ostdeutschen Betrieben, die ihre Gewinne zu einem
großen Teil in den Betrieben belassen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es kommt noch etwas hinzu. Herr Rauen, Herr
Rexrodt, auch der Einzelhandel freut sich darauf, dass es
positive Auswirkungen auf die Beschäftigung gibt und die
Kaufkraft zunimmt.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Wo denn?)

Gestern erklärte der Präsident des Hauptverbandes des
Deutschen Einzelhandels, Herr Frenzen:


(Zuruf von der CDU/CSU: Rechtsanspruch auf Teilzeit! Darüber sind die ganz glücklich!)


Das Weihnachtsgeschäft läuft gut. Für 2001 sind die Er-
wartungen ausgesprochen positiv. Der endgültige Durch-
bruch sollte nach Ansicht von Herrn Frenzen im kom-
menden Jahr geschafft sein; denn dann dürften die
Konjunkturentwicklung, der Beschäftigungszuwachs und
auch die Auswirkungen der Steuerreform einen Umsatz-
zuwachs von real rund 2,5 Prozent ermöglichen.


(Detlev von Larcher [SPD]: Hört! Hört!)

Endlich nimmt auch die Kaufkraft der breiten Bevöl-

kerung wieder zu. Wir haben – darauf haben übrigens vor
kurzem die Institute hingewiesen – im kommenden Jahr
zu erwarten, dass die Nettolöhne und -gehälter stärker als
die Bruttolöhne und -gehälter ansteigen werden. Dies be-
deutet einen deutlichen Zuwachs an Kaufkraft. Davon ha-
ben Sie immer nur geträumt. Bei Ihnen ist nämlich die
Schere zwischen brutto und netto immer mehr aufgegan-
gen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben endlich die Situation, dass Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer von dem, was sie durch ihre Arbeit ver-
dienen, mehr als vorher in der Tasche behalten.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Haben Sie schon einmal etwas von der Ökosteuer gehört? – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ökosteuer! Energiekosten!)


Ich nenne bloß einmal zwei Beispiele:

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Mit dieser Meinung stehen Sie allein da!)


Ein allein stehender Arbeitnehmer mit einem Jahresbrut-
toeinkommen von 40 000 DM – es geht um einen jünge-
ren Menschen – hat in diesem Jahr monatlich 50 DM we-
niger Lohnsteuerabzug als 1998. Im nächsten Jahr hat er
monatlich 100 DM weniger Abzug als 1998.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: 150 DM für die Ökosteuer!)


Ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem Jahresbrut-
toeinkommen von 65 000 DM hat in diesem Jahr monat-
lich rund 200 DM mehr in der Tasche und im kommenden
Jahr rund 260 DM monatlich mehr als 1998. Das ist doch
etwas. Sie wollen so tun, als wäre das nichts. Aber die
Menschen in diesem Lande beurteilen das anders.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im Zusammenhang mit der Lohnsteuermuss ich noch

eine Bemerkung loswerden. Wir hatten die Situation, dass
sich die Bundesrepublik Deutschland immer mehr zu
einem Lohnsteuerstaat entwickelte. Damit haben wir end-
lich aufgehört. Die Lohnsteuer war fast die einzige Ein-
nahmenquelle, die beständig wuchs, während die veran-
lagte Einkommensteuer durch die bewusste Verwüstung
des Steuerrechtes durch die alte Koalition nur noch ein
Restposten war.


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD] – Abg. Hartmut Schauerte [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


– Frau Präsidentin, es gibt den Wunsch nach einer Zwi-
schenfrage!


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413505600
Herr Kollege, gestat-
ten Sie eine Zwischenfrage?


Jörg-Otto Spiller (SPD):
Rede ID: ID1413505700
Ja, gerne.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413505800
Bitte schön, Herr
Schauerte.


Hartmut Schauerte (CDU):
Rede ID: ID1413505900
Herr Kollege, Sie
haben gerade betont, dass die Belastung durch die Lohn-
steuer beim Steueraufkommen prozentual nicht mehr so
hoch sein wird, wie es vor einigen Jahren der Fall war. Die
Lohnsteuer war leistungsbezogen. Glauben Sie, dass Sie
mehr soziale und steuerliche Gerechtigkeit hergestellt ha-
ben, indem Sie nun die Ökosteuer in brutaler Weise und
völlig unabhängig vom Einkommen auch den Kleinen
und Einkommensschwachen auferlegen?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)



Jörg-Otto Spiller (SPD):
Rede ID: ID1413506000
Ich sage erst einmal etwas
zur Lohn- und Einkommensteuer. Das Lohnsteuerauf-
kommen ist gerade in den Jahren Ihrer Regierungszeit von
Jahr zu Jahr deutlich gestiegen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Weil die Leute mehr verdient haben!)





Jörg-Otto Spiller
13092


(C)



(D)



(A)



(B)


Die veranlagte Einkommenssteuer ist innerhalb weni-
ger Jahre in der letzten Wahlperiode zu einem kümmerli-
chen Erinnerungsposten zusammengeschmolzen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Haben Sie denn gegen den Aufbau Ost gestimmt?)


1993 wies die veranlagte Einkommensteuer noch eine
Größenordnung von gut 30 Milliarden DM auf. 1997 be-
trug sie noch nicht einmal mehr 6 Milliarden DM. Ihr
standen 250 Milliarden DM Lohnsteuereinnahmen ge-
genüber.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Abschreibung!)


Wie ist dieses Verhältnis zustande gekommen? Es ist zu-
stande gekommen, weil die Einkommensteuerabteilun-
gen der Finanzämter in Gegenden, wo gut verdienende
Leute wohnen, zu einer reinen Erstattungskasse verkom-
men sind.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Joachim Poß [SPD]: So war es auch! Und alles unter Ihrer Verantwortung! – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das war der Aufbau Ost, Herr Kollege!)


Sie haben es nämlich Menschen, die ein gutes, laufendes
Einkommen hatten, durch eine Fülle von Steuer-
schlupflöchern und Sonderregelungen immer wieder er-
möglicht, sich vor dem Finanzamt arm zu rechnen und
sich an der Finanzierung öffentlicher Aufgaben nicht
mehr zu beteiligen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413506100
Ich frage Sie, ob Sie
weitere Zwischenfragen des Kollegen Rauen und der Kol-
legin Dr. Höll zulassen. Wenn Sie damit einverstanden
sind, meine Damen und Herren, lasse ich dann keine wei-
teren Zwischenfragen mehr zu. – Herr Kollege Rauen,
bitte.


Peter Rauen (CDU):
Rede ID: ID1413506200
Herr Kollege Spiller, Sie
wissen als Mitglied des Finanzausschusses, dass die Ein-
kommensteuer laut Statistik deshalb so niedrig war, weil
jemand, der ansonsten Lohnsteuer zahlt, eine Einkom-
mensteuererklärung machen muss, wenn er Sonderab-
schreibungen geltend machen kann.

Das, was Sie eben geschildert haben, hat sehr eindeu-
tig damit zu tun, dass jemand in den 90er-Jahren eine Son-
derabschreibung geltend machen konnte, wenn er in den
neuen Bundesländern Wohnungen oder Büro- und Ge-
werbeflächen gebaut hatte. Das war auch von Ihnen ge-
wollt.


(Joachim Poß [SPD]: Wo ist die Frage?)

Es ist unredlich, wenn Sie die Sache so darstellen, als
wenn da übliche Steuerschlupflöcher gewesen wären.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Wo ist jetzt die Frage?)


Vielmehr hatte das mit dem Wiederaufbau in den neuen
Bundesländern zu tun, und zwar gewollt von allen Par-
teien hier im Hause.


Jörg-Otto Spiller (SPD):
Rede ID: ID1413506300
Das, was wir wollten, war
ein System von Zulagen,


(Joachim Poß [SPD]: Das haben wir im Finanzausschuss beantragt! 1990/91!)


eine gezielte Unterstützung von Unternehmen in Ost-
deutschland, die ertragsschwach waren.


(Zuruf von der CDU/CSU: Mehr Demokratie!)

Die originär ostdeutschen Betriebe waren in den frühen
90er-Jahren fast alle ertragsschwach.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – HansEberhard Urbaniak [SPD]: Da haben wir lange gestritten!)


Denen hilft natürlich eine Sonderabschreibung überhaupt
nicht. Sie haben das nachher ja auch, Herr Kollege Rauen,
dankenswerterweise akzeptiert.


(Detlev von Larcher [SPD]: Auf unseren Druck! – Joachim Poß [SPD]: 1996, Bundesparteitag der CDU!)


Aufgrund unseres Drängens im Finanzausschuss haben
Sie mitgetragen, dass wir von Sonderabschreibungen auf
Zulagen umgestellt haben.


(Peter Rauen [CDU/CSU]: Das ist doch nicht wahr! – Detlev von Larcher [SPD]: Auf unseren Druck hin habt ihr das gemacht!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413506400
Gestatten Sie eine
Zwischenfrage der Kollegin Dr. Höll?


Jörg-Otto Spiller (SPD):
Rede ID: ID1413506500
Ja.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413506600
Das ist dann die letzte
Zwischenfrage. Anschließend können Sie im Zusammen-
hang vortragen.

Bitte schön, Frau Kollegin.


Dr. Barbara Höll (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1413506700
Herr Kollege Spiller, Sie ha-
ben zu Recht darauf hingewiesen, dass in der Regie-
rungszeit von Schwarz-Gelb ein Wandel zum Lohnsteu-
erstaat eingetreten ist. Ich habe aber noch nicht ganz
verstanden, wie Sie eine Umkehr realisieren wollen, da
die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage politisch mit
der gleichzeitigen massiven Senkung des Spitzensteuer-
satzes begründet wurde.


(Joachim Poß [SPD]: Das stimmt nicht! Der Steuersätze!)


Auch von einer Wiedereinführung der Vermögen-
steuer, wie sie von Frau Simonis im Landtagswahlkampf
gefordert wurde, sind Sie weit entfernt.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Frau Höll, das wissen Sie doch besser!)


Die Entlastung beim Spitzensteuersatz ist natürlich we-
sentlich größer als im unteren Steuerbereich.




Jörg-Otto Spiller

13093


(C)



(D)



(A)



(B)



Jörg-Otto Spiller (SPD):
Rede ID: ID1413506800
Zunächst einmal darf ich
feststellen, dass das Aufkommen der veranlagten Ein-
kommensteuer in den letzten Jahren wieder deutlich ge-
stiegen ist. Wir haben letztes Jahr im Bereich der Ein-
kommensteuer ein Aufkommen in einer Größenordnung
von 26 Milliarden DM.


(Dr. Barbara Höll [PDS]: Wie ist der Gewinn gewachsen?)


Das führt natürlich dazu, dass Menschen, die sich dank
ihrer Tüchtigkeit ein gutes Einkommen haben verschaffen
können, auch zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben
herangezogen werden. Das ist so in Ordnung.

Es wird für alle – Arbeitnehmer und Selbstständige –
eine Senkung des Einkommensteuertarifes geben. Es
bleibt aber dabei, dass man sich nicht mehr mit Verlust-
zuweisungen vor dem Finanzamt arm rechnen kann.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es ist sowieso eine Perversion von Ordnungspolitik, wenn
Investitionsentscheidungen nicht nach Gewinnerwartun-
gen, sondern nach Verlustzuweisungen erfolgen. Das hat
im Übrigen fast immer auch dazu geführt, dass Kapital in
eine falsche Richtung gelenkt wurde. Häufig waren diese
Steuersparmodelle zugleich Vermögensvernichtungsmo-
delle, weil ohne eine vernünftige, nüchterne, kaufmänni-
sche Vorgehensweise sehr viel Unsinn finanziert wurde.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Leider wahr!)


Wir haben wieder mehr Steuergerechtigkeit hergestellt,
indem alle von der Senkung der Tarife profitieren werden,
man sich aber der Steuerpflicht nicht mehr entziehen
kann. Übrigens, Herr Rexrodt: Sowohl die F.D.P. als auch
die Union haben in den Beratungen im Laufe des Jahres
versucht, alle möglichen Lücken, die wir geschlossen ha-
ben, wieder zu öffnen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Eine letzte Bemerkung zu der Legende, die Herr

Rexrodt vorhin hinsichtlich der Ursachen der Verschul-
dung erzählt hat:


(Detlev von Larcher [SPD]: Die Schlupflochpartei!)


Sie haben immer wieder betont, es gäbe eine simple Er-
klärung für Ihre unsolide Schuldenpolitik,


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das habe ich nicht gesagt!)


nämlich die Wiedervereinigung; die Wiedervereinigung
sei die Ursache für den Anstieg der Verschuldung des
Bundes gewesen. Im Jahre 1982, als Helmut Kohl Kanzler
wurde, betrug die Bundesschuld 350 Milliarden DM; bis
Helmut Kohl abgewählt wurde, hatte sich die Schuld in
etwa vervierfacht, nämlich auf 1 450 Milliarden DM. Im
Jahre 1990 – unmittelbar vor der Wiedervereinigung und
in der Mitte der Regierungszeit von Helmut Kohl – betrug
die Bundesschuld einschließlich der Nebenhaushalte
700 Milliarden DM.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Die Staatsquote war gesunken!)


Das heißt, in der ersten Hälfte der Regierungszeit hat sich
die Bundesschuld von 350 Milliarden DM auf 700 Milli-
arden DM verdoppelt und in der zweiten Hälfte der Re-
gierungszeit hat sie sich noch einmal verdoppelt.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Die absoluten Zahlen zählen doch gar nicht!)


Sie haben Schulden gemacht, immer im gleichen Rhyth-
mus, ohne wenigstens halbwegs seriös mit dem Geld der
Steuerzahler umzugehen und eine Belastung künftiger
Generationen zu vermeiden.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Reden Sie nicht von absoluten Zahlen! Das ist doch absoluter Quatsch!)


– Dass Sie das nicht gerne hören, kann ich mir vorstellen.

(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Es ist Quatsch, mit absoluten Zahlen zu rechnen! Arbeiten Sie doch einmal mit Anteilen und nicht mit absoluten Zahlen! Mit der Staatsquote!)


– Es gefällt Ihnen nicht, wenn man Ihnen nüchtern die
Wahrheit sagt. Das ist Ihnen unbequem.


(Zustimmung bei der SPD)

Wir haben aber inzwischen etwas erreicht. Das liegt an

der Koalition und das liegt an dieser Regierung. Wir ha-
ben zurückgefunden zu der Kombination von soliden Fi-
nanzen und gerechten Steuern. Das hilft der Wirtschaft
und das hilft den Menschen in Deutschland.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Das war nichts!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413506900
Das Wort hat jetzt der
Kollege Dr. Uwe-Jens Rössel, PDS-Fraktion.


Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS):
Rede ID: ID1413507000
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen, liebe Kollegen! Seit dem Amtsantritt von
Bundesfinanzminister Eichel ist bekanntlich die Redu-
zierung der Nettokreditaufnahme zum vorrangigen
Ziel rot-grüner Haushaltspolitik avanciert. Ganz gewiss:
Die Verringerung der gigantischen Zinslasten des Bundes
sowie die erst jetzt begonnene nennenswerte Tilgung von
Bundesschulden – immerhin belaufen sie sich pro Kopf
auf 16 600 DM – haben für die Handlungsfähigkeit des
Bundes große Bedeutung. Haushalts- und Gesellschafts-
politik aber können nicht auf den Schuldenabbau, so
wichtig dieser auch sein mag, verengt werden.


(Beifall bei der PDS)

Notwendig ist vor allem der drastische Abbau der anhal-
tend hohen Arbeitslosigkeit. Notwendig ist eine wirklich
Offensive für Bildung und Innovationen, für Wissen-
schaft und Kultur.

Ungeachtet manch positiver Ansätze bleibt, gemessen
an diesen Anforderungen, der Haushalt 2001 besonders
bezüglich der Zukunftsvorsorge unzureichend. Ich kann






(C)



(D)



(A)



(B)


die sehr positive und sehr unkritische Einschätzung des
Kollegen Spiller daher nicht teilen.

So braucht vor allem die arg gebeutelte Deutsche Bahn
endlich ein Zukunftsprogramm und nicht ständig neue
Horrormeldungen aus der Konzernzentrale.


(Beifall bei der PDS)

Die überfällige Bahnsanierung, auch mit Bundesmitteln,
muss sofort auf einer verlässlichen mittelfristigen Finanz-
planung beruhen. Sanierung der Bahn statt Halbierung der
Bahn, das muss die Devise sein, nicht nur beim Bahnvor-
stand, sondern auch bei der Bundesregierung.


(Beifall bei der PDS – Zuruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD])


Die PDS-Fraktion wendet sich vehement dagegen,
dass sich der Zugservice weiter verschlechtert, dass Inter-
regio-Verbindungen abgebaut und, Kollege Küster, selbst
Landeshauptstädte wie Magdeburg von der Interregio-
Verbindung abgekoppelt werden sollen.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Es sitzt doch keiner im Zug!)


Gleichzeitig erwarten wir, dass sich die Bundesregierung
und der Bahnvorstand dafür engagieren, dass die Bahn-
werke eine verlässliche Perspektive erhalten und dort der
drohende Beschäftigungsabbau durch konkrete Maßnah-
men abgewendet wird.


(Beifall bei der PDS)

Die Bundesregierung ist gerade auf diesem Zukunfts-

feld immens gefordert. Sie kann sich nicht länger, wie
noch unter den vorangegangenen Ministern Müntefering
und Klimmt, in – ich sage es mal ganz bescheiden – vor-
nehmer Zurückhaltung zur Bahn üben.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wo ist eigentlich Herr Klimmt?)


Das muss endlich vorbei sein.

(Beifall bei der PDS)


Auch in der Wohnungspolitik des Bundes und im Bud-
get für das Bauwesen sind neue Ansätze vonnöten. So hat
die Bundesregierung lange Zeit die sich zuspitzenden
Strukturprobleme in Ostdeutschlands Wohnungswirtschaft
in der Tat verschlafen. Jetzt ist ein erster, wenn auch noch
bescheidener Budgetansatz geschaffen, der wesentlich aus-
gebaut werden sollte.

Entschieden mehr Hilfe brauchen auch die Kommu-
nen. Auch unter Finanzminister Hans Eichel, selbst mehr
als ein Jahrzehnt Oberbürgermeister einer Großstadt, ver-
kommen sie immer mehr zu einer Melkkuh für den Bund.


(Beifall bei der PDS – Widerspruch bei der SPD)


In der Koalitionsvereinbarung hingegen wurden den
Kommunen noch großzügige Versprechungen hinsicht-
lich der Stärkung ihrer Finanzkraft gemacht. Eingelöst
aber wurde fast nichts.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Aber das ist doch normal!)


All das aber trifft auf den entschiedenen Widerstand
der PDS-Fraktion. Die Kommunen wurden im Rahmen
der Steuerreform überproportional mit Einnahmeausfäl-
len konfrontiert und werden das in den nächsten Jahren
immens zu spüren bekommen. Darüber hinaus hat der
Bund bekanntlich aus der Versteigerung der Mobilfunkli-
zenzen über 100Milliarden DM Einnahmen erhalten – ein
wahrer Geldsegen! Auf der anderen Seite müssen dies die
Kommunen mit Steuerausfällen von 17 Milliarden DM in
den nächsten 20 Jahren mit bezahlen. Ein schönes Ge-
schäft für den Bund, aber ein Desaster für die Schwachen,
die Kommunen! Das ist unverantwortlich.


(Beifall bei der PDS)

Deswegen fordern wir als Soforthilfe für die Kommunen,
in den Bundeshaushalt 2001 Mittel für eine Investitions-
pauschale für die ostdeutschen Kommunen und für Städte,
Gemeinden und Landkreise in strukturschwachen Regio-
nen im Altbundesgebiet einzustellen. Der Budgetansatz
von 3 Milliarden DM soll direkt aus den UMTS-Erlösen
finanziert werden. Die Mittel sollen unbürokratisch direkt
vom Bund in die Kassen der Gemeinden fließen und vor
allem, Kollege Rauen, dem angeschlagenen Bau- und
Baunebenhandwerk zugute kommen und damit Beschäfti-
gung fördern.

Der Spareifer des Bundesfinanzministers ist sprich-
wörtlich. Aber dieser Ruf ist durch den Haushalt 2001 an-
geknackst. Während er gemeinsam mit den Kollegen
Scharping und Schily die von uns seit längerem gefor-
derte Angleichung der Bezüge der Zeit- und Berufssolda-
ten sowie der Zivilbeschäftigten der Bundeswehr aus
Ostdeutschland an die aus Westdeutschland auf den
Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben möchte – dafür
wären weniger als 200 Millionen DM erforderlich –, ist
ihm bei prestigeträchtigen milliardenschweren Großpro-
jekten der Bundeswehr offenbar nichts zu teuer. Für die
Umrüstung der Truppe zu einer weltweit agierenden In-
terventionsarmee veranschlagt der Bundesfinanzminister
bis zum Jahr 2015 die gigantische Summe von 180 Milli-
arden DM, ich betone: 180 Milliarden DM.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413507100
Herr Kollege, achten
Sie bitte auf Ihre Redezeit. Sie haben sie schon weit über-
zogen.


Dr. Uwe-Jens Rössel (PDS):
Rede ID: ID1413507200
Ja, nur noch zwei, drei
Sätze. Zum Vergleich: Der Etat für Umwelt im Bundes-
haushalt 2001 umfasst lediglich 1,2 Milliarden DM. Dem
stehen 180 Milliarden für die Interventionsarmee gegen-
über. Mit diesem Etat soll nach dem Willen der rot-grünen
Koalition der Einstieg in das größte Programm zur quali-
tativen Aufrüstung der deutschen Nachkriegsgeschichte
vollzogen werden. Das lehnt die PDS ganz entschieden
ab. Sie sagt Nein zu diesem Haushalt.


(Beifall bei der PDS)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413507300
Das Wort hat nun die
Kollegin Susanne Jaffke, CDU/CSU-Fraktion.




Dr. Uwe-Jens Rössel

13095


(C)



(D)



(A)



(B)



Susanne Jaffke (CDU):
Rede ID: ID1413507400
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das, was in den letzten
dreieinhalb Stunden in der Diskussion über diesen Haus-
haltsansatz gesagt worden ist, war zum großen Teil
schlimm.


(Zuruf von der SPD: Am Anfang war es besser!)


Ich werde mich bemühen, das etwas besser zu machen.
Ich habe den Eindruck, dass jeder hier ein Stück weit nur
seine Region vertritt und sich deswegen nicht mehr so
sehr um das große Ganze bemüht.

Es ist schon bezeichnend, wenn die Bundesregierung
so gut wie nichts zum Aufbau in den neuen Bundeslän-
dern sagt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Kein Wunder, es ist ja keiner da!)


Als eine Abgeordnete aus einer sehr ländlichen Region
in Mecklenburg-Vorpommern kann ich all das, was hier
zum Beispiel der Kollege Spiller gesagt hat, überhaupt
nicht mehr nachvollziehen.


(Zuruf von der SPD: Jetzt also doch über die Region!)


Die Lage des mittelständischen Gewerbes und in der
Landwirtschaft ist dort alles andere als rosig. Ihre so ge-
nannte Ökosteuer schlägt in den Betrieben aus diesen Be-
reichen ganz anders zu Buche, als Sie sich das vorstellen.
Ich kenne so gut wie keinen Betrieb in meiner Region, der
eine Gewinnversteuerung vornehmen kann, geschweige
denn, dass er etwas ansparen kann; denn die Mittel-
ständler in den neuen Bundesländern, gerade die aus
den ländlichen Regionen, befinden sich stets und ständig
am Rande der Pleite.

Die hier immer wieder gerühmte Ökosteuer ist eigent-
lich gar nichts weiter als eine Erhöhung der Mineralsteuer.
Welche Belastung diese Steuer ist, können Sie am besten
an den Flächenländern sehen, in denen die Menschen auf
das Auto angewiesen sind, wenn sie zur Arbeit kommen
wollen; denn die Bahn fährt in vielen Regionen der
Flächenländer einfach nicht. Dort gibt es keine Schienen.
Da können Sie noch so viel über die Bahn und über die ihr
zu gewährenden Zuschüsse reden! Diese Belastungen für
den normalen Arbeiter und Steuerzahler sind von meinen
Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion und auch von mei-
nem Kollegen Rexrodt dankenswerterweise schon sehr
gut dargestellt worden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dann macht diese Bundesregierung nichts weiter, als

die Sanierung des Haushalts zulasten der Kommunen zu
präsentieren. Die Kommunen werden mit zusätzlichen
Sozialausgaben belastet. Der kleine Ausgleich, der für die
sozial Schwachen als Heizkostenpauschale geleistet wer-
den soll, ist zu vernachlässigen.

In einer Untersuchung der Landesregierung Mecklen-
burg-Vorpommern wird vom dortigen Innenminister
Timm, SPD, festgestellt, dass die Kommunen am Rande
ihrer Finanzkraft sind, dass für Investitionen keine Spiel-

räume vorhanden sind. Dieses Gutachten, das von den
Wirtschaftsweisen bestätigt wird, gerade für die Flächen-
länder unter den neuen Bundesländern, wird aber unter
Verschluss gehalten und nicht in die Öffentlichkeit getra-
gen. Es passt nicht in das ach so schöne Bild, das mit den
vielen Millionen DM für Öffentlichkeitsarbeit in diesem
Haushalt gemacht werden soll.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Als Berichterstatterin für das Bundesfinanzministe-

rium möchte ich auf einige Punkte eingehen, die mit die-
sem Haushalt konkret zu tun haben. In diesem Haushalt
sind Veranschlagungen für die Betriebe, die als Nachfol-
gebetriebe der Treuhandanstalt in den neuen Bundeslän-
dern noch tätig sein sollen, enthalten. Im Bereich der Sa-
nierung der ehemaligen Braunkohlereviere ist sich der
Bundesfinanzminister nicht zu schade, die an die LMBV
fließenden Investitionsmittel, die mit den Ländern Sach-
sen und Brandenburg vertraglich vereinbart sind, um
50 Millionen DM zu kürzen. Eigentlich haben die Bele-
genheitsländer noch gar nicht zugestimmt. Trotzdem wird
der Betrag gesenkt. Die Leidtragenden sind dann wieder
die auftragnehmenden Sanierungsfirmen mit Sitz in den
neuen Bundesländern. Sie müssen die höheren Energie-
kosten auffangen und werden mit Sicherheit im nächsten
Jahr in akute Existenzschwierigkeiten kommen.

Gleichzeitig zieht der Bund aus den Nachfolgebetrie-
ben der Treuhand, die zum Bundesfinanzministerium
gehören, zusätzliche Liquidität ab. Am Beispiel der TLG
lässt sich das verdeutlichen. Die Treuhand Liegenschafts-
gesellschaft, die in den neuen Ländern zur Infrastruktur-
hilfe ausgegründet wurde, musste in den Jahren 1999 und
2000 nach einem Rechnungshofbericht zusätzlich Liqui-
dität von über 30 Millionen DM über die BvS dem
Bundeshaushalt zuführen und wird im nächsten Jahr Li-
quiditätsprobleme bekommen.

Weiterhin muss man feststellen, dass in diesem Haus-
halt die Mittel für die Gemeinschaftsausgabe „Regionale
Wirtschaftsförderung“ in den neuen Bundesländern
gekürzt werden, dass die Mittel für den Straßenbau Ost
um 200 Millionen DM gekürzt werden und dass die Mit-
tel für Forschung und Entwicklung in den neuen Bundes-
ländern auch um 30 Millionen DM gekürzt werden.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das nennt Schröder „Chefsache“!)


All diese Dinge werden in der Öffentlichkeit nur wenig
beachtet.

Der Bundesfinanzminister hat einen weiteren Bereich
angesprochen. Er möchte Personal abbauen. Was da ge-
schieht, ist aber ein Stück aus dem Tollhaus. Da wird mit
großem Brimborium und Trallala eine Gesellschaft für
Entwicklung, Beschaffung und Betrieb, GEBB genannt,
ins Leben gerufen. Eine schlüssige Konzeption für diese
Gesellschaft gibt es noch nicht. Minister Scharping hat sie
noch nicht vorgelegt. Aber in den letzten beiden Sitzun-
gen des Haushaltsausschusses wird per Handzettel die
Information über den Tisch gereicht, dass die GEBB
in Ermangelung anderer Aufgaben die entbehrlichen
Bundeswehrliegenschaften vermarkten soll. Früher






(C)



(D)



(A)



(B)


war es üblich, dass das die Bundesvermögensverwaltung
getan hat. Sie hat es bisher mit gutem Erfolg getan. Auch
die Erlöse, die die Bundesvermögensverwaltung erzielt
hat, sind in Verstärkungsvermerken dem Verteidigungs-
ministerium wieder zugeführt worden. Aber wie ist es ei-
gentlich miteinander in Einklang zu bringen, dass Sie auf
der einen Seite ankündigen, Personal abzubauen und da-
mit Beamten ihre eigentliche Arbeit wegzunehmen, und
dass Sie auf der anderen Seite Gesellschaften mit viel bes-
ser dotierten Posten und Pöstchen, was die Besoldung an-
geht, ins Leben rufen? Ich frage mich wirklich: Wo ist da
eigentlich noch Haushaltsklarheit und Haushaltswahr-
heit?


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Zu der Aushebelung der Beschlüsse des Haushaltsaus-
schusses, dass man sich in der Bundesregierung um ein
einheitliches Liegenschaftsmanagement kümmern soll,
schweigt die Koalition.

Am Rande bemerkt sei nur, dass mit dem Haushalt des
Jahres 2001 die Verbilligungstatbestände bei der Ver-
äußerung von Liegenschaften zugunsten von Alten- und
Pflegeheimen, zugunsten von Frauenhäusern, zugunsten
von Obdachlosenheimen, zugunsten von Kinder- und Ju-
gendhilfeprojekten, zugunsten von Werkstätten für geistig
und körperlich Behinderte ersatzlos gestrichen wurden,
und zwar von einer Regierungskoalition, deren größerer
Partner das Wort „sozial“ in seinen Namen trägt.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Frau Jaffke, Frau Jaffke!)


– Diese Dinge anzusprechen tut weh und ich weiß, das
macht Ihnen Kummer; deshalb verschweigen Sie dies so
hartnäckig. An dieser Stelle kann man diese Punkte ein-
mal ansprechen.

Eine weitere im stillen Kämmerlein ausgehandelte
Vereinbarung – oder Nichtvereinbarung, wie auch im-
mer – ist die Neustrukturierung der Zollverwaltung. Die
Zollverwaltung, die sich unter Objektivitätsparametern
für die Wirtschaft als Dienstleister und für die Bekämp-
fung der Kriminalität in der Zukunft präsentieren soll,
weiß bis heute noch nicht, wie ihre endgültigen Struktu-
ren aussehen. Ich kann mich noch gut an den Bericht des
Kollegen Urbaniak erinnern, der in seinem letzten Dis-
kussionsbeitrag sehr nachdrücklich gefordert hat, etwas
für die Kriminalitätsbekämpfung zu tun. Vor diesem Hin-
tergrund muss er seinen Finanzminister fragen, wie das
mit dessen Aussage in Übereinstimmung zu bringen ist
– er hat sie auch vorhin getätigt –, dass er die Zollverwal-
tung neu strukturiert, weil Arbeitskräfte abgebaut werden
müssen und weil man weniger öffentlich Bedienstete
braucht.

Ich wünsche uns insgesamt, dass der Spuk dieser Re-
gierung bald ein Ende hat und dass die Haushalte ab 2002
wieder besser werden.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413507500
Jetzt hat der Kollege
Hans-Eberhard Urbaniak, SPD-Fraktion, das Wort.


(Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Mit der Kohle geht’s zu Ende!)



Hans-Eberhard Urbaniak (SPD):
Rede ID: ID1413507600
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die Kohle rede ich
nicht, Herr Rexrodt. Dazu werden wir an anderer Stelle
Gelegenheit haben. Es kommt nur darauf an, dass der Ver-
trag eingehalten wird, den Sie unterschrieben haben. Da-
von wollen Sie offensichtlich Abstand nehmen. Das ist
nicht in Ordnung.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte nur wenige Punkte erwähnen. Bezogen auf
meine liebenswerte Kollegin Jaffke stelle ich fest, dass die
Opposition sehr verkrampft ist und Gespenster sieht.


(Beifall des Abg. Joachim Poß [SPD])

Wie kann sie sonst von „Spuk“ reden? Das ist eine sehr ei-
gentümliche Sache. Sie müssen sich mit dieser Regierung
konkret auseinander setzen. Entkrampfen Sie sich und be-
freien Sie sich vom Spuk! Wenn das geschieht, dann kön-
nen wir richtig debattieren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wo ist sie denn? Das ist eine Geisterregierung! Das ist eine virtuelle Regierung!)


Bezogen auf den Einzelplan 08 haben wir uns insbe-
sondere mit dem Umsatzsteuerbetrug, mit der Gründung
der FISCUS GmbH, mit der Strukturentwicklung der
Bundesfinanzverwaltung, mit der Bekämpfung der illega-
len Beschäftigung, mit den personalwirtschaftlichen
Auswirkungen und den Folgemaßnahmen und mit den
Grundzügen der Sozialverträglichkeit beschäftigt. Das
sind alles ganz wichtige Tatbestände, auf die ich im Ein-
zelnen kurz eingehen will. Es ist dabei zu erwähnen, dass
der Bundesfinanzminister in seinem Haushalt 420 Milli-
onen DM – das ist eine enorme Summe – sparen wird. Er
hat das Sparen also nicht nur von anderen verlangt, son-
dern auch für sich selber akzeptiert.

Durch Umsatzsteuerbetrug – wir haben schon des Öf-
teren darüber geredet – gehen dem Fiskus jährlich 23Mil-
liarden DM verloren. Wir stellen eine zunehmende
Anzahl von Betrügereien fest, seit der Binnenmarkt ent-
standen ist. Es sind erhebliche Schwierigkeiten aufgetre-
ten, die Betrüger zu fassen. Wir haben daher Maßnahmen
getroffen, um das Personal für die Verfolgung derartiger
Straftatbestände zur Verfügung zu stellen. Des Weiteren
bedienen wir uns zur Informationsgewinnung einer zen-
tralen Datenbank und auch einer internationalen Daten-
bank in der Fachwissen über internationales Steuerrecht
zusammengefasst ist. Außerdem werden wir eine qualifi-
zierte Projektgruppe beim Bundesamt für Finanzen ein-
richten. Ich hoffe, dass wir damit dem Umsatzsteuerbe-
trug besser auf die Spur kommen können; denn es ist
unerhört, wie die Arbeitnehmer Monat für Monat zur Ab-
gabe ihrer Lohnsteuer herangezogen werden, während
hier ganze Gruppen auf kriminelle Art und Weise Staat




Susanne Jaffke

13097


(C)



(D)



(A)



(B)


und Gesellschaft betrügen. Damit muss es ein Ende ha-
ben, meine Damen und Herren!


(Beifall bei der SPD)

Es wird heute schon von einem organisierten Verbrecher-
ring gesprochen. Diese Situation fordert uns besondere
Aktivitäten ab.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist die Gründung der
FISCUS GmbH, deren Aufgabe als Softwarefabrik es
künftig sein wird, die Steuerverwaltungen des Bundes
und der Länder mit einheitlichen Softwareprodukten zu
versorgen, damit sie besonders effizient arbeiten können.
Sobald wir diese FISCUS GmbH auf Trab gebracht haben
werden, wird allein der Bund 1,3 Milliarden DM mehr
einnehmen. Die für den Bundeszuschuss benötigten Kos-
ten machen also nur einen Bruchteil der Steuermehrein-
nahmen aus.

Ein weiterer Punkt ist die Strukturentwicklung der
Bundesfinanzverwaltung, für die der Finanzminister
mittlerweile ein Grobkonzept vorgelegt hat. Auch damit
soll ein Beitrag zum Abbau der Staatsverschuldung ge-
leistet werden. Wir werden zu einer Neustrukturierung der
Zollverwaltung, zu einer Straffung der Bundesvermö-
gensverwaltung, zu einer Überprüfung der Organisations-
strukturen bei den Oberbehörden und zu einer Anpassung
des Organisationsrahmenkonzeptes an die veränderte
Personalstruktur des BMF kommen.

Wir müssen uns insbesondere mit dem Zoll auseinan-
der setzen. Durch den EU-Beitritt der osteuropäischen
Länder stellt sich die Frage, welche Aufgaben den beim
Zoll Beschäftigten übertragen werden sollen, wenn die
Zollgrenzen wegfallen werden. Den Zollfahndungsdienst
und das Zollkriminalamt wollen wir entscheidend verbes-
sern und sie der in der Folge der Verwirklichung des Bin-
nenmarktes und der Öffnung der Grenzen nach Osteuropa
veränderten Kriminalitätslage anpassen.


(Beifall bei der SPD)

Wir werden die Hauptzollämter so organisieren, dass

deren Strafsachenstellen mit der Bekämpfung von Klein-
kriminalität auch fertig werden können, und werden die
Spezialeinheit des Zollfahndungsdienstes beim Zollkri-
minalamt – die so genannte Zentrale Unterstützungs-
gruppe Zoll – stärken.


(Beifall bei der SPD)

All dies wird sozialverträglich erfolgen. Man wird das mit
den Personalräten und den Gewerkschaften – mit ihnen
führt man ja Gespräche – wohl vernünftig regeln können.
So werden die Umstrukturierungen in diesem Bereich
selbstverständlich durch soziale Maßnahmen flankiert
werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Bekämpfung der

illegalen Beschäftigung. Wir werden hier die Zahl der
Arbeitskräfte von gegenwärtig 1 100 auf 2 500 erhöhen,
werden also 1 400 Personen in diesem Bereich mehr ein-
setzen können,


(Beifall bei der SPD)


um der illegalen Beschäftigung Herr zu werden. Jeder
muss dagegen sein. Was hier auf den Baustellen und in an-
deren Bereichen des Arbeitsmarktes erfolgt, ist ein Skan-
dal. Darum ist es wichtig, dass wir hier intensiv vorange-
hen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.]: Hört! Hört!)


– Ich hoffe, Sie, Herr Rexrodt, haben das richtig zur
Kenntnis genommen. Sie riefen ja „Hört! Hört!“, aber das
ist ja Ihre Art. So soll es auch bleiben. Wir werden uns
weiterhin mit Ihnen auseinander setzen.

Wir werden also in diesem Bereich vorankommen, zu-
mal die Zollbehörden weitere staatsanwaltschaftliche Mög-
lichkeiten erhalten werden. Damit wird man derartiger
Leute schneller habhaft werden können. Die Zusammen-
fassung der Rechenzentren wird ebenfalls vorangebracht.
Wir werden die Bundesaufsichtsämter entsprechend ent-
wickeln und insbesondere deren Effektivität erhöhen. Alle
personalwirtschaftlichen Maßnahmen, das sage ich noch
einmal sehr deutlich, werden sich an sozialverträglichen
Gesichtspunkten orientieren.

Zum Schluss darf ich festhalten: Insgesamt zielt dieser
Haushalt, den der Finanzminister Eichel vorgelegt hat, auf
Schuldenabbau bzw. -tilgung, auf Wachstum, auf das Ab-
decken von Defiziten, gleichzeitig aber erweitert er die
Gestaltungsmöglichkeiten der Politik, für mehr Chancen-
gleichheit zu sorgen. Hier konkretisiert sich unsere Poli-
tik.


(Beifall bei der SPD)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413507700
Als Letzter in dieser
Aussprache hat der Kollege Bartholomäus Kalb,
CDU/CSU-Fraktion, das Wort.


Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1413507800
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist meines
Wissens das erste Mal, dass die Ergebnisse der Steuer-
schätzung vom November nicht exakt in den zu be-
schließenden Haushalt übernommen werden. Hätten Sie
das getan, hätten Sie beispielsweise eine niedrigere Net-
tokreditaufnahme ausweisen können. Sie setzen an die
Stelle von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit
Haushaltskosmetik. Damit verfolgen Sie meines Erach-
tens zwei Ziele:

Zum einen müssen Sie sich schlechter rechnen, um die
Begehrlichkeiten aus den eigenen Reihen nicht zu groß
werden zu lassen, und Vorsorge dafür tragen, dass der
Bundeskanzler keinen allzu großen Angriff auf die Kasse
unternimmt. Er könnte ja sonst noch häufiger der Auffas-
sung verfallen, dass das Erringen von Mehrheiten und die
Zustimmung des Bundesrates nur eine Sache des Kauf-
preises sei. Diese Sorge ist berechtigt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der PDS: So teuer seid ihr doch gar nicht!)


Das Zweite ist – es deutet alles darauf hin –: Sie wol-
len mit Blick auf den Haushalt 2002 die Eckdaten glätten.




Hans-Eberhard Urbaniak
13098


(C)



(D)



(A)



(B)


Es soll nämlich Vorsorge getroffen werden, dass die be-
reits angedachten und für das Wahljahr 2002 vorgesehe-
nen Mehrausgaben für die Wahlgeschenke in einem nicht
zu negativen Licht erscheinen. Es ist mit den Händen zu
greifen: Sie werden vor der Bundestagswahl ein Feuer-
werk abbrennen, um damit die Bürger und Wähler zu be-
eindrucken und gnädig zu stimmen. Es zeichnet sich
schon in diesem Haushalt ab: Nicht eisernes Sparen, son-
dern das Verteilen von Wohltaten wird die Devise sein.
Warum begrenzen Sie die zusätzlichen Mittel im so ge-
nannten Zukunftsinvestitionsprogramm ausdrücklich bis
zum Jahr 2003 und belassen es bei der alten mittelfristi-
gen Finanzplanung? Sie tun dies, weil sie die Effekte vor-
her haben möchten und im Jahre 2003 die Bundestags-
wahl vorbei ist.

Sie schieben, verschleiern und drücken auch bei den
Privatisierungserlösen. Sie haben gar kein Interesse, die
erzielbaren Einnahmen noch dieses Jahr zu realisieren.
Denken wir beispielsweise an den Verkauf der Eisen-
bahnerwohnungen! Da wollen Sie die Erlöse bewusst erst
im nächsten Jahr erzielen, weil Sie dieses Jahr offenbar
schon genug Einnahmen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Günter Rexrodt [F.D.P.])


Damit sorgen Sie exakt in dem Sinne vor, den ich gerade
beschrieben habe, nämlich im Jahre 2002 mit Geschenken
und Wohltaten durchs Land ziehen zu können.

Die Steuereinnahmen des Bundes betrugen 1998
341 Milliarden DM. Für das jetzt zu Ende gehende Jahr
beziffern die Steuerschätzer die Einnahmen auf 395 Mil-
liarden DM. Das sind innerhalb von zwei Jahren 54 Mil-
liarden DM mehr, obwohl Sie ein so genanntes Steuer-
entlastungsgesetz und ein Gesetz zur Familienförderung
beschlossen haben. Auch im nächsten Jahr werden die
Steuereinnahmen des Bundes – trotz der ersten Stufe der
Steuerreform – um 45 Milliarden DM über den Einnah-
men des Jahres 1998 liegen. Nach den Zahlen des Fi-
nanzplanungsrates werden die Steuereinnahmen bis zum
Jahre 2004 dreimal so schnell steigen wie die Ausgaben
des Bundes.

Trotz dieser Zahlen haben Sie behauptet, eine Steuer-
reform, wie wir sie vorgeschlagen und eingebracht ha-
ben, sei nicht machbar. Der Finanzminister hat seinerzeit
gesagt, sie sei „schlicht und einfach nicht finanzierbar“.


(Detlev von Larcher [SPD]: Stimmt ja auch!)

Sie haben sich während der Beratung allen Vorschlägen
widersetzt. Sie waren stur wie ein Panzer. Selbst der
Kanzler hat alle Änderungsvorschläge abgelehnt. Damals
hat er noch höflich gesagt: Das ist es; so wird es gemacht.
Heute würde er sagen – mittlerweile ist er zu den Genos-
sen etwas unfreundlicher als zu uns –: Basta! – Der wei-
tere Fortgang ist bekannt: In der Nacht zum 14. Juli hatte
der Kanzler auf einmal eine ganze Menge Geld.


(Detlev von Larcher [SPD]: Das war die Blamage von Herrn Merz!)


Ob Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren von
der Koalition, mit der Steuerreform glücklich werden,
muss sich erst noch zeigen. Sie werden insbesondere im

nächsten Jahr, wenn die steuerfreien Milliardentransfers
der großen Kapitalgesellschaften in Gang kommen, noch
viele Fragen beantworten müssen, warum Sie den Mittel-
stand und die Arbeitnehmer ungleich schlechter behan-
deln.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Jedenfalls kann jetzt niemand mehr behaupten, es habe
nicht genügend Spielräume für eine gute, in sich stimmige
und schlüssige Steuerreform gegeben.


(Detlev von Larcher [SPD]: Deswegen haben wir sie ja gemacht!)


Der Bundeskanzler hat in der ersten Lesung dieses
Haushalts gesagt, der Begriff „German disease“ – also das
Wort von der deutschen Krankheit – gelte nicht mehr und
er habe den Reformstau überwunden.


(Beifall des Abg. Detlev von Larcher [SPD])

Viele haben das auch geglaubt. Auch Herr Spiller hat dies
eben erwähnt. Es gilt aber: Wenn Sie Glück haben, wer-
den Sie die Steuerreform mit dem Ergänzungsgesetz zum
Ende des Jahres in das Gesetzblatt aufnehmen können. Sie
haben zwar schon im Mai mit der Information der Bevöl-
kerung begonnen. Herr Eichel hat sich 7,5 Millionen DM
extra für die zur Information der Bevölkerung über die
Maßnahmen der Steuerreform bewilligen lassen. Große
Anzeigen sind geschaltet worden. Die Bürger wissen
zwar immer noch nicht, was eigentlich auf sie zukommt.
Aber zumindest wissen sie jetzt, wie fesch unser Finanz-
minister auf einem Schwarz-Weiß-Porträtfoto wirkt.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Wunderbarer Mann!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413507900
Herr Kollege, gestat-
ten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Michelbach?


Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1413508000
Gerne, Frau Präsi-
dentin.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413508100
Bitte sehr.


Hans Michelbach (CSU):
Rede ID: ID1413508200
Herr Kollege Kalb,
können Sie mir sagen, worin eigentlich der Informations-
gehalt in der Haushalts- und Finanzpolitik besteht, wenn
sich Herr Bundesfinanzminister Eichel in voller Körper-
größe auf einer ganzseitigen Anzeige in der Zeitung ab-
bilden lässt?


(Adolf Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Für 1 Million DM!)



Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1413508300
Herr Kollege
Michelbach, ich kann nicht erkennen, wo der Bürger in
dieser Aufnahme einen Informationswert sehen sollte.
Deshalb muss ich zur Beantwortung Ihrer Frage auf zwei
Antworten der Bundesregierung in Drucksache 14/3984
zurückgreifen, in denen sie mitteilen lässt:




Bartholomäus Kalb

13099


(C)



(D)



(A)



(B)


Mit seinen Informationsanzeigen entspricht das Bun-
desfinanzministerium seiner Informationsverpflich-
tung. So tritt der Informationsgehalt nicht hinter die
Aufmachung zurück, sondern nutzt diese vielmehr
zur erfolgreichen Informationsvermittlung. Vor dem
Hintergrund heutiger Seh- und Lesegewohnheiten
lenkt sie den Blick der Bürgerinnen und Bürger auf
die in dem Anzeigentext genannten konkreten Infor-
mationen ...

Weiter heißt es dann:
Die personalisierten Informationsanzeigen verstär-
ken die oben beschriebenen Mechanismen der Infor-
mationskampagne. Das Bild des Bundesministers
der Finanzen vergrößert den „Stoppereffekt“ der In-
formationsanzeigen ...

Mir, Herr Kollege Michelbach, ist allerdings nicht ganz
klar, was der „Stoppereffekt“ dieser Anzeige genau sein
soll.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Eichel als Libero! – Unruhe)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413508400
Herr Kollege, nun
kommen Sie mal zur Sache zurück, weil wir gleich in die
Abstimmung eintreten wollen. – Ich bitte um etwas mehr
Ruhe, liebe Kolleginnen und Kollegen, damit der Kollege
von Ihnen allen gehört werden kann.


(Detlev von Larcher [SPD]: Können Sie das Bild noch mal hochhalten?)


– Es ist der Wunsch geäußert worden, dass Sie das Bild
noch einmal zeigen, Herr Kollege.


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)



Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1413508500
Warum kommt
die Steuerreform erst jetzt? Sie hätte bereits am 1. Ja-
nuar 1998 in Kraft treten können, denn schon damals
war sie vom Deutschen Bundestag beschlossen. Aber
Sie haben sie verhindert und jetzt sagen Sie, Sie hätten
den Reformstau aufgelöst. Bei der Rente doktert Herr
Riester herum, kommt aber nicht in die Gänge.


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist ja unglaublich!)


– Ach, Herr Fischer. – Frau Fischer will erst gar nicht ein Ge-
sundheitsreformgesetz vorlegen. Es war jedenfalls grund-
falsch, dass Sie nach der Regierungsübernahme die Refor-
men zurückgenommen haben; jetzt wissen Sie nicht, wie Sie
die sich daraus ergebenden Probleme lösen sollen.

Mit der Behauptung, Sie hätten den Reformstau aufge-
löst, können Sie ja wohl schlecht die Ökosteuer gemeint
haben.


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch, natürlich! Sie verstehen sie nur nicht!)


In 34 Tagen wird die nächste Stufe in Kraft treten, ohne
Rücksicht auf die Belastbarkeit des Bürgers. Mit jeder
Stufe verstärken Sie die Benachteiligung von Rentnern,
Familien mit Kindern und der Bevölkerung im ländlichen
Raum. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass die so

genannte Ökosteuer verfassungsrechtlich bedenklich,
wenn nicht falsch ist. Mittlerweile bestätigt Ihnen diese
Auffassung auch der Bundesfinanzhof.

Der Bundesfinanzminister tut manchmal so, als habe er
das Sparen erfunden. Dass er früher ganz andere Auffas-
sungen hatte und eine ganz andere Politik praktiziert hat,
hat Kollege Dr. Rexrodt hier bereits dargelegt.

Bei der 50-Jahr-Feier des Bundesrechnungshofes hat
der Bundesfinanzminister, schon mit Blick auf den euro-
päischen Stabilitätspakt, auf die Notwendigkeit der Haus-
haltskonsolidierung hingewiesen. Diesen Stabilitätspakt
hat im Interesse Europas aber kein anderer als der frühere
Finanzminister Waigel durchgesetzt, in einer Zeit, in der
in Deutschland größte Herausforderungen zu bewältigen
waren, wohl wissend, dass dieses ein sehr ehrgeiziges,
aber richtiges und wichtiges Ziel auch für Deutschland
selbst war.

Die Leitlinien und Ziele waren also exakt vorgegeben.
In der Phase des Aufbaus insbesondere in den neuen Län-
dern sollte eine stringente Politik der Haushaltskonsoli-
dierung und Defizitrückführung folgen. Die Ziele und die
Zeitpläne wurden seinerzeit klar vorgegeben. So verwun-
dert es auch nicht, dass sich die Zieldaten nur ganz unwe-
sentlich unterscheiden.

Im Übrigen gibt es Länder, die ohne die einmalige He-
rausforderung der Wiedervereinigung und ohne beson-
dere Verteidigungslasten wesentlich höhere Schulden
haben. So haben zum Beispiel die sozialistischen Bun-
deskanzler in Österreich 1,8 Billionen Schilling Bundes-
schulden hinterlassen.


Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413508600
Herr Kollege, einen
Augenblick bitte. – Liebe Kolleginnen und Kollegen – das
gilt jetzt für alle Fraktionen –, ich finde es ein bisschen un-
fair, dass Sie munter miteinander plaudern und dem Red-
ner nicht mehr die Chance geben, akustisch durchzudrin-
gen. Ich bitte um ein wenig Ruhe, damit der letzte Redner
dieser Runde gehört werden kann.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Herr Kollege, Sie haben das Wort.


Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1413508700
Frau Präsidentin,
ich danke Ihnen. – In Deutschland werden jetzt die vor-
maligen SPÖ-Bundeskanzler als besonders qualifiziert
angesehen. Franz Vranitzky hat laut „Focus“ einen „hoch
dotierten Job als Berater bei der Westdeutschen Landes-
bank“ bekommen. Viktor Klima, der letzte SPÖ-Kanzler,
macht einen „spektakulären Neustart bei VW“. Tätige
Mithilfe des deutschen Bundeskanzlers darf wohl unter-
stellt werden. Aber Schröder scheint den Österreichern
nicht mehr so nahe zu stehen, seitdem dort nicht mehr die
SPÖ regiert.

Schröder scheint jedoch nicht nur die Österreicher,
sondern auch die Bayern nicht mehr zu mögen. Beim Ar-
beitgebertag – so hat mir ein aufmerksamer Fernsehbe-
obachter zuverlässig berichtet – hat er sich wieder einmal
über die Bayern ausgelassen. Demnach soll Schröder ge-
sagt haben – ich zitiere –, selbstverständlich müssten Aus-
länder, die sich in Deutschland integrieren wollten,




Bartholomäus Kalb
13100


(C)



(D)



(A)



(B)


Deutsch lernen. Dabei – so Schröder weiter – denke er
aber nicht nur an Ausländer, sondern auch an so manchen
Bayern.

Ich gebe ja zu, dass ich lieber bayerisch spreche und
im Deutschen vielleicht Fehler mache. Aber das ist noch
lange kein Grund dafür, dass der Bundeskanzler glaubt,
er könne uns Bayern beleidigen. Wenn er mit seinem
Deutsch in Bayern besser verstanden würde, würde er
dort vielleicht auf mehr Zustimmung stoßen.

Seine Haltung liegt auf der gleichen Linie wie die
Androhung, er werde den Bayern „Steine statt Brot“ ge-
ben, die Bemerkung von Frau Däubler-Gmelin hinsicht-
lich des Bayerischen Waldes und die Äußerung des Herrn
Naumann, der von „barocker Verfassungsfolklore“ sprach.
Der Bundeskanzler und Teile der Regierung haben wohl
eine tief sitzende Abneigung gegen Bayern


(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach wo! Wir mögen die Bayern, aber nicht die politischen!)


und gegen den Süden insgesamt entwickelt, und zwar nur
deshalb, weil dort nicht gleich alle in Ehrfurcht vor der
Bundesregierung erstarren und man sich dort sogar er-
laubt, anders zu wählen, als der Herr Bundeskanzler das
gerne hätte.

Der Erfolg der Südstaaten tut sein Übriges. Ohne diese
Erfolge im Süden aber sähen für die Regierung Schröder
wichtige Zahlen und entsprechende Kennziffern sehr viel
schlechter aus.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Joseph Fischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Eine große Rede!)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413508800
Ich schließe die Aus-
sprache.

Wir kommen zu den Abstimmungen, zunächst zu Ein-
zelplan 08 – Bundesministerium der Finanzen – in der
Ausschussfassung. Es liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion der PDS auf Drucksache 14/4736 vor, über den
wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen Änderungs-
antrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Änderungsantrag ist abgelehnt.

Wer stimmt für den Einzelplan 08 in der Ausschuss-
fassung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Einzel-
plan 08 ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die
Grünen angenommen.

Abstimmung über den Einzelplan 32 – Bundesschuld –
in der Ausschussfassung. Es liegt ein Änderungsantrag
der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/4745 vor,

über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für diesen
Änderungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Ge-
gen die Stimmen von CDU/CSU bei Stimmenthaltung der
PDS ist der Änderungsantrag abgelehnt.

Wer stimmt für den Einzelplan 32 in der Ausschuss-
fassung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Einzel-
plan 32 ist angenommen.

Abstimmung über den Einzelplan 60 – Allgemeine Fi-
nanzverwaltung – in der Ausschussfassung. Hierzu lie-
gen Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstim-
men. Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4737. Wer stimmt für diesen Änderungs-
antrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Bei Enthaltung
von PDS und F.D.P. gegen die Stimmen der CDU/CSU
ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.

Änderungsantrag der Fraktion der F.D.P. auf Drucksa-
che 14/4738. Die Fraktion der F.D.P. hat namentliche Ab-
stimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und
Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. –
Sind alle Urnen besetzt? – Ich eröffne die Abstimmung.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme nicht abgegeben hat? – Alle Mitglieder des Hau-
ses, soweit sie da sind, haben ihre Stimmen abgegeben. Ich
schließe die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen
und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen.

Meine Damen und Herren, bevor ich die Sitzung un-
terbreche, haben wir noch über Anträge abzustimmen.

Ich habe noch einen Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/4739. Wer stimmt für die-
sen Änderungsantrag? – Danke schön. Wer stimmt dage-
gen? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt.

Wir stimmen nun noch über einen Änderungsantrag
der Fraktion der PDS ab. Wer stimmt für den Änderungs-
antrag auf Drucksache 14/4742? – Gegenprobe! – Wer
enthält sich? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt.

Ich unterbreche die Sitzung bis zum Vorliegen des Er-
gebnisses der namentlichen Abstimmung.


(Unterbrechung von 16.19 Uhr bis 16.26 Uhr)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413508900
Die unterbrochene
Sitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe nun das von den Schriftführerinnen und
Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen
Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der
F.D.P. zu Einzelplan 60 auf Drucksache 14/4738 bekannt:
Abgegebene Stimmen 606. Mit Ja haben gestimmt 74, mit
Nein haben gestimmt 363, Enthaltungen 169. – Der Än-
derungsantrag ist abgelehnt.




Bartholomäus Kalb

13101


(C)



(D)



(A)



(B)


Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 606;
davon

ja: 74
nein: 363
enthalten: 169

Ja
CDU/CSU
Otto Bernhardt

(Bönstrup)


Dr. Karl-Heinz Hornhues

Thomas Kossendey
Julius Louven
Dr. Christian Schwarz-
Schilling

F.D.P.
Ina Albowitz


(Augsburg)


Rainer Brüderle
Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke






(C)



(D)



(A)



(B)


Hans-Michael Goldmann
Joachim Günther (Plauen)

Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Ulrich Heinrich
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Dr. Heinrich L. Kolb
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting

(Frankfurt)


Cornelia Pieper
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle
P.D.S.
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Maritta Böttcher
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Heidemarie Ehlert
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Dr. Evelyn Kenzler
Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Christine Ostrowski
Dr. Uwe-Jens Rössel
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert

Nein
SPD
Brigitte Adler

Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr
Doris Barnett
Dr. Hans Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Anni Brandt-Elsweier
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann (Detmold)

Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen
Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer (Homburg)

Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich (Altenburg)

Lilo Friedrich (Mettmann)

Harald Friese
Anke Fuchs (Köln)

Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Iris Gleicke
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf (Friesoythe)

Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Kerstin Griese
Achim Großmann

Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller (Lübeck)

Stephan Hilsberg
Gerd Höfer
Jelena Hoffmann (Chemnitz)


(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)

Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Siegrun Klemmer
Hans-Ulrich Klose
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch
Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange (Backnang)

Detlev von Larcher
Christine Lehder
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Christa Lörcher

Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß (Herne)

Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf)

Jutta Müller (Völklingen)

Christian Müller (Zittau)

Franz Müntefering
Andrea Nahles
Volker Neumann (Bramsche)

Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Birgit Roth (Speyer)

Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Bernd Scheelen
Siegfried Scheffler
Horst Schild
Otto Schily
Dieter Schloten

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider






(C)



(D)



(A)



(B)


Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Ottmar Schreiner
Gerhard Schröder
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann

(Delitzsch)


Brigitte Schulte (Hameln)

Volkmar Schultz (Köln)

Ewald Schurer
Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz (Oldenburg)

Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast

Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl (Amberg)

Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jörg Tauss
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt (Pforzheim)

Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis (Stendal)

Matthias Weisheit
Gunter Weißgerber

(Wiesloch)


Dr. Ernst Ulrich von
Weizsäcker

Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek (Böhlen)


(Duisburg)


Heidemarie Wieczorek-Zeul
Dieter Wiefelspütz
Klaus Wiesehügel

Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben

(Wolmirstedt)


Heidemarie Wright
Uta Zapf
Peter Zumkley
CDU/CSU
Norbert Barthle
Brigitte Baumeister
Renate Blank
Peter Bleser
Sylvia Bonitz
Georg Brunnhuber
Dankward Buwitt
Manfred Carstens (Emstek)

Albert Deß
Dirk Fischer (Hamburg)

Norbert Geis
Dr. Reinhard Göhner
Peter Götz
Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein

Manfred Heise
Josef Hollerith
Siegfried Hornung
Georg Janovsky
Dr. Harald Kahl
Steffen Kampeter
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Volker Kauder
Hartmut Koschyk
Dr. Hermann Kues

(Lüdenscheid)


Meinolf Michels
Norbert Otto (Erfurt)

Klaus Riegert
Franz Romer

(Wiesbaden)


Dr. Klaus Rose
Kurt J. Rossmanith
Adolf Roth (Gießen)

Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Erika Schuchardt
Gerhard Schulz
Diethard Schütze (Berlin)

Carl-Dieter Spranger
Max Straubinger
Michael Stübgen
Aribert Wolf
Peter Kurt Würzbach
Wolfgang Zeitlmann
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Gila Altmann (Aurich)

Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz

Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig
Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer (Berlin)

Joseph Fischer (Frankfurt)

Katrin Göring-Eckardt
Rita Grießhaber
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Ulrike Höfken
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Oswald Metzger
Kerstin Müller (Köln)

Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Irmingard Schewe-Gerigk
Rezzo Schlauch
Werner Schulz (Leipzig)

Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Dr. Antje Vollmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm (Amberg)

Margareta Wolf (Frankfurt)


Enthalten
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Hans-Dirk Bierling
Dr. Heribert Blens
Dr. Maria Böhmer
Jochen Borchert
Wolfgang Bosbach
Dr. Wolfgang Bötsch
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Hartmut Büttner

(Schönebeck)


Cajus Caesar

(Nordstrand)


Leo Dautzenberg
Wolfgang Dehnel
Hubert Deittert
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss

Maria Eichhorn
Rainer Eppelmann
Anke Eymer (Lübeck)

Ilse Falk
Dr. Hans Georg Faust
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach

(KarlsruheLand)



(Erlangen)


Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Georg Girisch
Michael Glos
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg)


(Großhennersdorf )


Norbert Hauser (Bonn)


(Rednitzhembach)


Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Dr.-Ing. Rainer Jork
Bartholomäus Kalb
Irmgard Karwatzki
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Rudolf Kraus
Dr. Martina Krogmann
Dr. Paul Krüger
Karl Lamers

(Heidelberg)


Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing
Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)

Eduard Lintner
Dr. Manfred Lischewski
Dr. Michael Luther

(Recklinghausen)


Wir kommen damit zur Abstimmung über den Einzel-
plan 60 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist der
Einzelplan 60 angenommen.

Abstimmung über den Einzelplan 20. – Bundesrech-
nungshof – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Der Einzelplan 20 ist einstimmig
angenommen.

Nun rufe ich Zusatzpunkt 3 auf:
Erste Beratung des von den Fraktionen SPD und
BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes über das Verbot des Ver-
fütterns, des innergemeinschaftlichen Verbrin-
gens und der Ausfuhr bestimmter Futtermittel
– Drucksache 14/4764 –
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (f)

Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Gesundheit

Eine Aussprache ist nicht vorgesehen.
Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzent-

wurfes auf Drucksache 14/4764 an die in der Tagesord-
nung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es an-
derweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist
die Überweisung so beschlossen.

Ich rufe auf:
Einzelplan 17
Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend
– Drucksachen 14/4516, 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Antje-Marie Steen
Dr. Michael Luther
Antje Hermenau
Jürgen Koppelin
Heidemarie Ehlert

Es liegen ein Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU und ein Änderungsantrag der Fraktion der
PDS vor.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Dazu höre ich kei-
nen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kollegin
Maria Eichhorn, CDU/CSU-Fraktion.


Maria Eichhorn (CSU):
Rede ID: ID1413509000
Frau Präsidentin!
Meine Damen und Herren! Nach zwei Jahren rot-grüner
Regierung muss ich feststellen: Die Politik der Regierung
Schröder geht zulasten der Familien.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!)


Dass Rot-Grün die Familienpolitik links liegen lassen
würde, war spätestens dann klar, als Gerhard Schröder
seine Familienministerin mit den Worten vorstellte, Frau
Bergmann sei für Frauen, Familie und das sonstige Ge-
döns zuständig. Statt Familien zu fördern, haben Sie mit
der Verabschiedung des Lebenspartnerschaftsgesetzes im
Deutschen Bundestag gleichgeschlechtliche Lebensge-
meinschaften der Ehe nahezu gleichgestellt.

Während der Abstand des Pro-Kopf-Einkommens zwi-
schen Familien und Nichtfamilien rapide wächst, wollen
Sie gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften unter
anderem sowohl im Steuer- und im Unterhalts- als auch
im Versorgungsrecht der Ehe gleichstellen. Das ist ein
Skandal.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mit diesem Gesetz haben Sie die Stellung der Ehe ent-
wertet. Wir werden das nicht hinnehmen.

Sie brüsten sich mit der Kindergelderhöhung um
50 DM auf 270 DM. Diese reicht aber nicht aus, um den
Forderungen des Bundesverfassungsgerichts gerecht zu




Vizepräsidentin Anke Fuchs
13104


(C)



(D)



(A)



(B)



(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller (Jena)

Elmar Müller (Kirchheim)

Bernd Neumann (Bremen)

Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Dr. Peter Paziorek
Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff

Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard (Dresden)

Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Dr. Heinz Riesenhuber
Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Volker Rühe
Anita Schäfer
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Bernd Schmidbauer
Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)


Andreas Schmidt (Mülheim)

Hans Peter Schmitz

(Baesweiler)


Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer

Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Wolfgang Steiger
Erika Steinbach
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten

Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Matthäus Strebl
Dr. Rita Süssmuth
Dr. Susanne Tiemann

Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Dr. Theodor Waigel
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Hans-Otto Wilhelm (Mainz)

Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Willy Wimmer (Neuss)

Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Benno Zierer
Wolfgang Zöller

werden. Die durch das Verfassungsgerichtsurteil erzwun-
gene erste Erhöhung des Kinderfreibetrags um 3 000 DM
kommt nur etwa 10 Prozent der Bevölkerung zugute. Die
große Mehrheit muss sich jedoch mit dem Kindergeld be-
gnügen. Während die maximale Entlastungswirkung des
Kinderfreibetrages jährlich 1 500 DM beträgt, erhalten
90 Prozent der Eltern mit der Kindergelderhöhung weit
weniger: Es sind in diesem Jahr insgesamt 240 DM.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts

müsste der Kinderfreibetrag in der zweiten Stufe, nämlich
zum 1. Januar 2002, nochmals um circa 3 000 DM ange-
hoben werden. Die Meldungen des Wochenendes lassen
jedoch befürchten, dass der Kinderfreibetrag und das
Kindergeld nur geringfügig erhöht werden. Der Deutsche
Familienverband hat gestern dazu ganz klar gesagt – ich
zitiere –: „30 DM Kindergeld mehr sind absolut nicht ak-
zeptabel.“

Statt dafür zu sorgen, dass die Familien die Förderung
erhalten, die ihnen nach dem Verfassungsgerichtsurteil
zusteht, belasten Sie diese zusätzlich. Die Ökosteuer geht
nicht nur durch die höheren Energiekosten zulasten der
Familien, sondern auch durch die Verwendung der Steuer-
einnahmen zur Rentenfinanzierung. Ein Single bekommt
bei gleichem Bruttoeinkommen dieselbe Beitragsent-
lastung wie eine mehrköpfige Familie. Dadurch klafft die
Einkommensschere zwischen Familien und Nichtfami-
lien noch weiter auseinander.

Die im Juli beschlossene Steuerreform wird die Kluft
noch verschärfen: Während Ledige mit einem Einkom-
men von 60 000 DM im Jahr 2005 mit 2 098 DM entlas-
tet werden, spart eine vierköpfige Familie mit dem glei-
chen Bruttoeinkommen nur 1 860 DM. Ab einem höheren
Einkommen wird die Kluft noch deutlicher. Das heißt,
durch die Steuerreform 2000 wird der Einkommens-
abstand zwischen Kinderlosen und Familien systematisch
ausgebaut. Daraus folgt ein zunehmender Verlust von Le-
bens- und Entwicklungschancen für Kinder und deren El-
tern. Ein Kommentar des „Tagesspiegels“ vom 7. No-
vember 2000 spricht von einem „Webfehler“ rot-grüner
Familienpolitik. Ich zitiere: „Man tut nicht nur zu wenig,
man tut es auch auf falsche Weise.“

Auch bei der Rentenreform sind Familien mit geringe-
ren Einkommen massiv benachteiligt. Bei der Privatvor-
sorge können Arbeitnehmer mit einem hohen Einkommen
eine um 400 DM höhere Förderung erhalten als eine Fa-
milie mit zwei Kindern und einem durchschnittlichen
Einkommen. Auch hier geht Ihre Politik wieder zulasten
der Familien.

Die großen Verlierer der Rentenreform sind die
Frauen. Frau Ministerin, ich vermisse Ihren Protest gegen
dieses Rentenkonzept. Sie sind in doppelter Weise ge-
fragt, nämlich als Frauen- und als Seniorenministerin. Die
Senkung des Rentenniveaus auf 61 Prozent trifft die
Mehrzahl der Rentner, die Frauen, besonders hart. Diese
kommen in Deutschland im Durchschnitt auf 28 Bei-
tragsjahre. Damit fällt das Rentenniveau für viele Frauen
unter 50 Prozent. So treiben Sie Frauen in die Altersarmut.

Das ist unverantwortlich, meine Damen und Herren von
der Regierung.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Ich kann mich der Mitgliederversammlung des Deut-
schen Frauenrates vom 10. November 2000 nur anschlie-
ßen und Sie auffordern – ich zitiere –, „endlich eine
generationengerechte, sozialverträgliche, frauen- und fa-
milienfreundliche Reform auf den Weg zu bringen“.

Frau Ministerin, Ihre Eckpunkte für ein Gleichstel-
lungsgesetz, die Sie im September vorgelegt haben, wer-
den nicht das bringen, was Sie erreichen wollen. Sie sind
einerseits zu unverbindlich, andererseits aber drohen Sie
mit Zwangsmaßnahmen. Es hat ja auch sehr lange gedau-
ert, bis Sie wenigstens die Eckpunkte vorgelegt haben.
Trotz aller Ankündigungen des Bundeskanzlers in seiner
Regierungserklärung ist es für die Frauministerin wohl
äußerst schwer, sich mit ihren Vorstellungen beim Bun-
deskanzler Gehör zu verschaffen.

Bereits vor einem Jahr hat das Bundeskabinett den Ak-
tionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen be-
schlossen. Viele der dort angesprochenen Maßnahmen
liegen in der Verantwortung der Länder und Kommunen,
wo Sie nur eine begrenzte Einflussmöglichkeit haben.

Der angekündigte Gesetzentwurf für ein so genanntes
Gewaltschutzgesetz liegt jedoch in der Zuständigkeit des
Bundes. Hier könnten Sie handeln. Machen Sie Druck bei
Ihrer Kollegin, der Frau Justizministerin, damit der Ge-
setzentwurf endlich auf den Tisch kommt.

Nach langem Hin und Her liegt nun endlich das Heim-
gesetz vor. Es schafft viel Bürokratie, bringt aber kaum
Verbesserungen. Obwohl die Personaldecke heute schon
sehr dünn ist, werden der Heimaufsicht eine Fülle von Be-
ratungs- und Aufsichtspflichten vorgeschrieben.

Es ist grundsätzlich richtig, dass die Beratung von Se-
niorinnen und Senioren verstärkt wird. Aber gerade Bera-
tung ist personal- und kostenintensiv. Wenn Sie behaup-
ten, das Gesetz sei kostenneutral, ist dies aus Sicht der
Kostenträger ein schlechter Witz.

Frau Ministerin, ein absolutes Stiefkind Ihrer Politik ist
der Jugendmedienschutz. Eine Anhörung vor zwei Wo-
chen, die auf Antrag der CDU/CSU durchgeführt wurde,
hat gezeigt, dass Gewalt, Pornographie und Rechtsradi-
kalismus in Internet und Fernsehen brennende Themen
sind. Die Auswirkungen werden immer wieder in ganz er-
schreckender Weise deutlich.

Wir brauchen im Bereich des Jugendmedienschutzes
wirksame Regelungen, die für gleiche Medieninhalte
auch vergleichbare Maßnahmen vorsehen. Es reicht nicht
aus, dies den Ländern zu überlassen, wie es mancherorts
gefordert wird. Gerade vor dem Hintergrund der weltwei-
ten Vernetzung dürfen Sie sich Ihrer bundespolitischen
Verantwortung nicht entziehen. Sie müssen aktiv und
nachhaltig dazu beitragen, dass europa- und weltweit ge-
meinsame Strategien und Standards gefunden werden, um
den Jugendschutz auch im Internet wirksam umzusetzen.




Maria Eichhorn

13105


(C)



(D)



(A)



(B)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413509100
Frau Kollegin, den-
ken Sie bitte an Ihre Redezeit.


Maria Eichhorn (CSU):
Rede ID: ID1413509200
Gleichzeitig müssen
die Jugendschutzregelungen den neuen Entwicklungen
besser angepasst werden. Aber Sie haben ja nicht einmal
dafür gesorgt, dass die bestehenden Regelungen umge-
setzt werden.

Frau Ministerin, wir erwarten von Ihnen, dass Sie die
Anliegen von Familien und Senioren, von Frauen und Ju-
gendlichen in dieser Regierung kraftvoll vertreten. Ihre
bisherige Politik wird diesem Maßstab nicht gerecht.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413509300
Ich erteile nun der
Kollegin Antje-Marie Steen, SPD-Fraktion, das Wort.


Antje-Marie Steen (SPD):
Rede ID: ID1413509400
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Frau Eichhorn, ich erspare
mir, auf diesen politischen Rundumschlag einzugehen.
Ich glaube, er hat sich von alleine disqualifiziert. Insofern
erspare ich mir nähere Ausführungen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Konsolidieren und sozial gerecht reformieren – dieser
Leitlinie der Bundesregierung folgt auch der Ihnen vor-
liegende Entwurf des Einzelplans 17. Damit entspricht er
den strikten Vorgaben, zu denen sich die Bundesregierung
und die sie tragenden Fraktionen verpflichtet haben: ers-
tens, der Konsolidierung der Staatsfinanzen und zweitens,
den Bemühungen, den angewachsenen Reformstau auf-
zulösen.

Bereits mit den vorausgegangenen Haushalten unter
unserer Verantwortung haben wir ein Reformprogramm
begonnen, das eine aktiv gestaltende moderne Familien-,
Frauen-, Jugend- und Seniorenpolitik wieder in den Mit-
telpunkt politischen Handelns rückt.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Frau Eichhorn, ich sage Ihnen nachdrücklich: Lesen Sie
es einmal nach, vielleicht ist es Ihnen ja entgangen. Ich
will mich nicht wiederholen, möchte aber an die Reform
des Zivildienstgesetzes, dabei besonders an die Gleich-
stellung bei der Besoldung und der Verkürzung der
Dienstzeit, an die Regelung im Unterhaltsvorschussge-
setz und an das Aktionsprogramm zur gewaltfreien Erzie-
hung erinnern. Wir haben hier einen großen Schritt nach
vorne getan. Ich möchte weiter an die Aufstockung des
Bundesaltenplanes sowie an andere Maßnahmen erin-
nern, die in diesem Haushalt ihre Verstetigung finden. Wir
machen keine kurzatmigen, sondern auf Dauer angelegte
Reformen.

Damit setzen wir unsere Bemühungen zu einem Re-
formhaushalt fort; eine Ausgabenminderung von
2,23 Prozent halte ich für ein sehr moderates Vorgehen.

Angesichts eines uns von der Vorgängerregierung hinter-
lassenen Schuldenberges von 1,5 Billionen DM und der
daraus resultierenden Zinsbelastung von über 82 Milli-
arden DM bleibt uns nichts anderes übrig.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir im Rahmen un-
serer Beratungen im Haushaltsausschuss noch zusätzliche
Mittel in Höhe von 41,13 Millionen DM haben einstellen
können, um für besondere politische Schwerpunkte einen
finanziellen Rahmen darzustellen.

Große Priorität im Haushalt 2001 genießt – wie immer
für uns – die Verbesserung der Lebenssituation der Fa-
milien. Nach den Jahren der Vernachlässigung durch die
konservativ-liberalen Fraktionen setzen wir durch eine
Novellierung des Bundeserziehungsgeldgesetzes das fort,
was wir bereits mit der steuerlichen Entlastung der Fami-
lien durch BAföG und eine Erhöhung des Kindergeldes
begonnen haben. 14 Jahre lang wurden die Einkommens-
grenzen für das Erziehungsgeld nicht angehoben. Damit
nahmen Sie, meine Damen und Herren der ehemaligen
Regierungsfraktionen, billigend in Kauf, dass junge Fa-
milien in wirtschaftliche Nöte gerieten, sich immer weni-
ger junge Menschen für ein Kind entscheiden konnten
und die Frauen die Erziehungsarbeit überproportional
übernehmen mussten.


(Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Jawohl! Das hat Frau Eichhorn vergessen!)


Durch die inhaltliche Verbesserung des Gesetzes sind
jetzt weitaus mehr Familien antragsberechtigt bzw. erhal-
ten das volle Erziehungsgeld für einen längeren Zeit-
raum.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Alternativ zum monatlichen Erziehungsgeld in Höhe von
600 DM über einen Zeitraum von 24 Monaten können
sich Eltern auch für eine verkürzte Bezugsdauer von ei-
nem Jahr entscheiden und erhalten dann monatlich
900 DM. Mit diesen und anderen neuen Wahlmöglichkei-
ten eröffnen sich den Eltern mehr Chancen, die Erzie-
hungsarbeit individuell zu gestalten.

Damit verbessern wir die Voraussetzungen für die Ver-
einbarkeit von Familie und Beruf für beide Elternteile we-
sentlich. Auch das ist ein Schritt auf dem Weg hin zu ei-
ner auf Emanzipation setzenden Gleichstellungspolitik,
der wir einen hohen Rang einräumen und die wir als An-
gebot an die Lebensplanung und Lebensentwürfe junger
Familien auch noch erweitern werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für die Maßnahmen der Frauenpolitik bleibt es bei ei-
nem Haushaltsansatz in Höhe von 40 Millionen DM. So
stehen zur Verwirklichung der Gleichstellung von Mann
und Frau 22 Millionen DM zur Verfügung. In diesem Zu-
sammenhang seien beispielsweise die Programme „Frau
und Beruf“, „Chancen für Existenzgründerinnen“,
„Neues Leitbild für Männer“ und „IDEE – IT“, mit dem






(C)



(D)



(A)



(B)


speziell jungen Frauen zukunftsweisende Berufe in der
IT-Branche näher gebracht werden sollen, genannt.

Ich kann die Frau Ministerin und ihr Ministerium nur
sehr herzlich bitten, für diese und andere Maßnahmen ei-
ner zukunftsorientierten Frauen- und Familienpolitik in
ihrem Engagement, für das ich im Namen meiner Fraktion
Dank sagen möchte, nicht nachzulassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ein gleich großes Augenmerk gilt dem Bereich der
Kinder- und Jugendpolitik – einem politischen Schwer-
punkt unserer parlamentarischen Arbeit. Dies schlägt sich
auch in diesem Haushaltsentwurf nieder. So erhöhen sich
die Ansätze im Kinder- und Jugendplan um 2 Milli-
onen DM für ein deutsch-israelisches Jugendwerk, damit
wir neben den bereits etablierten Jugendwerken mit
Frankreich, Polen und der Tschechischen Republik dem
internationalen Jugendaustausch einen größeren Aktions-
radius einräumen können. Für die nahe Zukunft sollten
die Länder, die der EU beitreten wollen, zum Beispiel die
baltischen Staaten, in diese Programme intensiver einbe-
zogen werden. Gerade unter dem aktuellen Aspekt des im-
mer stärkeren Anwachsens von Fremdenfeindlichkeit un-
ter Jugendlichen müssen die Begegnungsmöglichkeiten
und das Kennenlernen anderer Kulturen und Lebenswei-
sen erweitert werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir setzen – mit dem gleichen Mittelansatz wie im
Vorjahr, nämlich mit 15 Millionen DM – das sehr ehrgei-
zige und äußerst erfolgreiche Programm „Entwicklung
und Chancen für junge Menschen in sozialen Brenn-
punkten“ fort, das sowohl in Städten als auch in struktur-
schwachen ländlichen Räumen zum Abbau von Defiziten
bei beruflicher und gesellschaftlicher Integration beiträgt.
Da, wo für Kinder und Jugendliche ein Mangel an ganz-
heitlichen, integrierten und vernetzten Sozialisationshil-
fen und Erziehungsstrategien besteht, trägt diese Pro-
grammplattform zur Aktivierung und Beteiligung von vor
Ort tätigen Organisationen, Ämtern und ehrenamtlich
Tätigen bei. Ich glaube, jeder von uns hat in seiner Region
ein solches Projekt und kann sich auch von dem Erfolg
dieses Projektes selbst überzeugen.

Die Eingliederung junger Spätaussiedler und junger
ausländischer Flüchtlinge bleibt eine wichtige Aufgabe.
Hierbei kommt dem Erwerb deutscher Sprachkenntnisse
große Bedeutung zu. Mit 146Millionen DM ist dieser An-
satz auch nach den Richtlinien des Garantiefonds ausrei-
chend. Derzeit wird ein neues Sprachkonzept entwickelt,
das neben der Qualitätssicherung des Sprachunterrichts
auch Dauer und Umfang der Maßnahme und den Kreis
der Teilnahmeberechtigten regelt und eine klare Kompe-
tenzregelung zwischen den beteiligten Ministerien ver-
sucht. Es wird ab 2002 zum Einsatz kommen. Sie werden
sicherlich noch im Fachausschuss Gelegenheit haben,
hierüber zu diskutieren

Um die soziale Betreuung junger Aussiedler sicherzu-
stellen, stehen den Jugendgemeinschaftswerken 50 Milli-
onen DM für zur Verfügung.

Wenn Kinder zu Jugendlichen heranwachsen, sind wir
alle gefordert, ihnen einen angemessenen Platz in unserer
Gesellschaft zu sichern. Ganz besonders deutlich wird das
in letzter Zeit, wo ein anwachsendes Potenzial gewaltbe-
reiter und rassistisch eingestellter Jugendlicher, die an-
scheinend den Parolen rechtsradikaler Gewalttäter
mehr Gehör leihen und Gefolgschaft leisten, als sich mit
unserem demokratischen Gemeinwesen auseinander zu
setzen, die unsere Gesellschaftsordnung infrage stellen
bzw. sich aus ihr zurückziehen. Viel zu lange ist weg-
gehört worden, wenn rassistische Parolen gegrölt wurden,
weggeschaut worden bei Hetzjagden auf ausländische
Mitbürger und bei der Schändung nationaler Gedenkstät-
ten und jüdischer Einrichtungen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Ausgeblendet oder viel zu lange unterschätzt worden
ist das Anwachsen rechter Gewalt auch bei vielen politi-
schen Entscheidungsträgern. Liebe Kolleginnen und Kol-
legen, nicht alleine Jugendliche sind als Täter auszu-
machen. Vielmehr gibt es eine Mittäterschaft im Hin-
tergrund, die diesen Ausschreitungen mehr oder minder
Beifall spendet, nicht widerspricht und die – das ist für
mich das Erschreckendste – oft genug auch im familiären
Umfeld der Täter zu finden ist.

Ausgelöst durch die provozierenden Aufmärsche und
Vorkommnisse rechtsradikaler Parteien und Gruppie-
rungen, die wirklich eine Grenze erreicht haben, beginnt
die Zivilgesellschaft sich eindrucksvoll zu wehren. Die
Bundesregierung zählt den entschiedenen Kampf gegen
Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu ihren
Hauptaufgaben. Niederschlag findet dieser politische
Wille auch im Einzelplan 17 mit der Bereitstellung von
zusätzlichen 30 Millionen DM für die politische Jugend-
bildung, etatisiert im Kinder- und Jugendplan.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Das ist angesichts des Sparhaushaltes, dem wir uns alle
verpflichtet haben, eine außerordentlich große Leistung.
Dabei geht es um Projekte beispielsweise zu Bekämpfung
des Rechtsextremismus im Internet und mit Hilfe des In-
ternets, Frau Eichhorn. Wir reagieren also. Es geht um das
Aufzeigen von Wegen aus der Gewalt für Kinder und Ju-
gendliche, um Maßnahmen gegen Rechtsextremismus,
Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, die bundeszentrale
Träger der politischen, kulturellen und sportlichen Ju-
gendbildung dann ausführen können. Weitere zusätzliche
10 Millionen DM zur Finanzierung von Modellprojekten
mobiler Beratungsstellen und Opferberatungsstellen ha-
ben wir ebenfalls als neuen Haushaltstitel eingestellt. Vor
allem in den neuen Bundesländern wird ein Schwerpunkt
gebildet werden können. Damit knüpfen wir an bereits er-
folgreich agierende Projekte der Länder mit dezentralen
Beratungsstellen und mobilen Beratungsteams an. Das
Land Brandenburg macht so etwas bereits in diesem Be-
reich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)





Antje-Marie Steen

13107


(C)



(D)



(A)



(B)


In der Konsequenz unserer Bemühungen, dem Rechts-
extremismus und dem Rassismus Einhalt zu gebieten,
wird auch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende
Schriften 65 000 DM mehr erhalten. Die Bundesprüfstelle
leistet hervorragende Arbeit für einen wirksamen Ju-
gendmedienschutz, soweit es der gesetzliche Auftrag
bisher beinhaltet. Die Debatte darüber, ob es Bedarf gibt,
diesen Auftrag zu verändern, muss an anderer Stelle ge-
führt werden. Wir haben aber eine Mittelerhöhung be-
schlossen, um den Bezieherkreis zu erweitern und mehr
Informationen über indizierte Medienprodukte veröffent-
lichen zu können.

Ein Wort noch zum Zivildienst und den Minderausga-
ben von 89 Millionen DM. Wie bereits erwähnt, wirken
sich die vor einem Jahr beschlossenen Änderungen im Zi-
vildienstgesetz aus. Die Obergrenze von 124 000 Zivil-
dienstleistenden im Jahresdurchschnitt erbringt erhebli-
che Einsparungen bei Sold und Versicherungsbeiträgen.
Ich bin trotzdem überzeugt, dass das Bundesamt für Zi-
vildienst seine Aufgaben mit den vorhandenen Mitteln er-
füllen wird und kann, auch in dem sensiblen Bereich der
individuellen Schwerstbehindertenbetreuung.

Wir sollten uns auch noch einmal mit den Ergebnissen
der Arbeitsgruppe „Zukunft des Zivildienstes“ beschäfti-
gen. Das ist unausweichlich. Aus den dort gemachten Vor-
schlägen werden wir Anregungen sammeln können.

Ich möchte mich an dieser Stelle für die konstruktive
und kollegiale Zusammenarbeit in der Berichterstatter-
gruppe bedanken, der Frau Ministerin und ihrem Haus für
die gute Vorbereitung und Beratung ebenfalls Dank aus-
sprechen und das Parlament um die Zustimmung zum
Einzelplan 17 bitten. Die Anträge der Opposition möchte
ich Ihnen zur Ablehnung empfehlen, ohne sie hier zu
kommentieren.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413509500
Jetzt hat das Wort der
Kollege Klaus Haupt, F.D.P.-Fraktion.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Jetzt etwas Gelbes und Modernes, Herr Haupt!)



Klaus Haupt (FDP):
Rede ID: ID1413509600
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren! Frau Schewe-Gerigk, ich werde Sie
nicht enttäuschen.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Gott sei Dank!)


Familie, Senioren, Frauen und Jugend sind gleicher-
maßen wichtige Anliegen für die Zukunft unserer Gesell-
schaft. Leider spiegelt sich das kaum im Haushalt der für
dieses Ressort zuständigen Ministerin wider. Die 14. Le-
gislaturperiode ist zur Halbzeit bewältigt. Die Bilanz von
Rot-Grün im Zuständigkeitsbereich von Frau Bergmann

ist durchaus dürftig. Viel Hoffnung auf eine bessere
zweite Hälfte gibt es auch nicht:


(Zuruf von der SPD: Jetzt enttäuschen Sie uns doch!)


Im Wahlkampfjahr 2002 wird es kaum noch große Ge-
staltungsmöglichkeiten geben. Dem Haushalt für 2001
kommt deshalb die Schlüsselrolle für die Gesamtbilanz
von Frau Bergmann zu. Leider deutet alles darauf hin,
dass im Bereich Familie, Senioren, Frauen und Jugend
keine originellen und kreativen Entwicklungen mehr zu
erwarten sind. Der angekündigte Quantensprung, Frau
Ministerin, ist in Ihrem Ressort ausgeblieben.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Das wesentliche Markenzeichen rot-grüner Politik auf
diesem Gebiet bleiben mit viel heißer Luft und Schubi-Du
aufgeblasene Ankündigungen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Christian Simmert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war jetzt gelb!)


Beispiel Zivildienst: Seit langer Zeit steht neben dem
Wehrdienst auch der Zivildienst unter erheblichem Ver-
änderungsdruck. Aufgrund der angekündigten Bundes-
wehrreform muss der Dienstleistungsbeitrag unserer Zi-
vis erheblich zurückgefahren werden. Ein Konzept, wie
die Einrichtungen der Alten- und Krankenpflege oder der
Jugendarbeit diesen Rückgang auffangen sollen, hat die
Bundesregierung nicht.


(Beifall bei der F.D.P.)

Dabei ist schon jetzt glasklar absehbar, dass die Kür-
zungen eigentlich nur eine Etappe bis zur Aussetzung die-
ser Dienste sein werden. Wie soll die Altenpflege, wie soll
die Jugendarbeit künftig gestaltet werden – ohne Zivis?
Die Bundesregierung verweigert bis jetzt die Antwort auf
diese Frage.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Auch bei der Frauenpolitik ist Rot-Grün nicht viel

Neues, geschweige denn Gutes eingefallen. Der Rechts-
anspruch auf Teilzeitarbeit kostet auf Dauer Arbeitsplätze
für Frauen.


(Beifall bei der F.D.P.)

Auch das Gleichberechtigungsgesetz für die Wirtschaft,
das die Vergabe von Aufträgen an die Erfüllung von Frau-
enquoten knüpft, ist eine Gängelung des Mittelstandes.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Das ist keine Politik für, sondern gegen Frauen. Rot-Grün
setzt auf Drangsalierung der Wirtschaft, wir Liberalen da-
gegen auf Motivation.


(Christian Simmert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da klatscht noch nicht einmal die F.D.P.!)


Auch die ältere Generation hierzulande ist gut bera-
ten, viel Geduld zu haben. Trotz steter Ankündigung be-
findet sich das Heimgesetz noch immer in der Warte-
schleife. Aber ich halte es mit Shakespeare: Arm sind die,




Antje-Marie Steen
13108


(C)



(D)



(A)



(B)


die keine Hoffnung haben. – Statt ständiger Ankündigun-
gen wünsche ich mir von der Ministerin konkrete Einmi-
schung in die zentrale Frage für unsere Senioren, nämlich
die Rentenreform. Hier hätte ich mir entschlossenes En-
gagement der Ministerin besonders für die 11 Millionen
Rentnerinnen in unserem Land gewünscht, und zwar für
den Abbau der Benachteiligung von Frauen in der Ren-
tenversicherung.


(Beifall bei der F.D.P.)

In der Familienpolitik bleiben Sie weit hinter dem

zurück, was das Bundesverfassungsgericht fordert. Wir
haben Vorschläge zur Erziehungs- bzw. Elternzeit und zur
Familienförderung auf den Tisch gelegt, durch die endlich
der Erziehung von Kindern die gesellschaftliche Achtung
entgegengebracht wird, die sie verdient. Sie speisen die
Familien mit einer Kindergelderhöhung ab, die passend
zu den Wahlterminen eingeplant wird.


(Antje-Marie Steen [SPD]: Das ist ja völlig unsolide, was Sie sagen!)


Das ist wahltaktisch geschickt, doch was Sie den Fa-
milien in die eine Tasche hineinstecken, haben Sie mit der
Ökosteuer längst aus der anderen herausgenommen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Nein, das ist keine Familienentlastungs-, sondern eine

Familienbelastungspolitik.
Es fehlt ein zukunftsweisendes Konzept zur Familien-

politik vor allem im Interesse der jungen Generation.

(Antje-Marie Steen [SPD]: Das kann man nun wirklich nicht sagen!)

Meine Damen und Herren, in diesem Jahr ist allzu

deutlich geworden, welche immense Bedeutung die Er-
ziehung der jungen Generation für die Zukunft unserer
Gesellschaft hat. Die beschämenden rechtsextremisti-
schen Straftaten der vergangenen Monate zeigen die
stumpfe, primitive Gewalt als sinnlosen Ausweg aus
Frustrationen, die auch aus der Unfähigkeit zur Bewälti-
gung der alltäglichen Lebensprobleme herrühren.

Die komplexe, anspruchsvolle und verantwortungs-
volle Aufgabe Erziehung muss endlich einen anderen
Stellenwert in unserer Gesellschaft erhalten. Unsere ge-
meinsame Verabschiedung des Gesetzes zur Ächtung von
Gewalt in der Erziehung war ein wichtiges Signal. Es
kann zu einer neuen Qualität in der Erziehung, zu einer
neuen Kultur des Aufwachsens in unserem Land beitra-
gen.

Der Kampf der rechten Szene um die Vorherrschaft auf
der Straße und vor allem in den Köpfen unserer Jugend ist
aber nicht nur ein Problem der häuslichen Erziehung oder
widriger äußerer Umstände; es ist auch eine bewusste Er-
ziehung zur Demokratie erforderlich. Demokratie darf da-
bei nicht nur intellektuell vermittelt werden, Demokratie
muss erfahrbar, erlebbar sein, ja, wir müssen die jungen
Menschen für die freiheitlich-demokratische Grund-
ordnung in unserem Land begeistern.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)


Auch und gerade das Jugendministerium ist gefordert,
gegen den braunen Spuk vorzugehen und praktische, geis-
tige Vorsorge zum Schutz der Jugend zu leisten.


(Beifall bei der F.D.P.)

Das muss sich natürlich auch im Haushalt widerspiegeln.
Nehmen wir zum Beispiel die Förderung junger Spätaus-
siedler und ausländischer Flüchtlinge; Frau Steen,
Sie sind darauf eingegangen. Sie kürzen hier um 6 Milli-
onen DM. Dabei wurde gerade Anfang des Monats auf ei-
ner Fachkonferenz in Dresden wieder einmal Folgendes
deutlich: Die Integration junger Spätaussiedler wird im-
mer schwieriger. Nur noch jeder Vierte spricht Deutsch.
Die Unterbringung begünstigt Cliquenbildung, Alkohol-
probleme und das Abrutschen ins kriminelle Milieu. Fazit
dieser Fachtagung: Obwohl die Zahl der Aussiedler sinkt,
nimmt der Bedarf an Integrationsmaßnahmen enorm
zu.


(Beifall des Abg. Walter Hirche [F.D.P.])

Es wäre eine Chance gewesen, die frei werdenden Mittel
für einen Neuansatz in der Integrationsarbeit zu nutzen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Sie haben die Chance leider vertan.

Vor allem aber bei der gezielten Bekämpfung des
Rechtsextremismus müssen wir alle gemeinsam neue
Wege gehen. Wir Liberalen glauben, dass alle demokrati-
schen Kräfte gemeinsam offensiv für eine freiheitlich-
demokratische Gesellschaft werben sollten. Deshalb hat
die F.D.P. eine Initiative „Erziehung zur Demokratie“ vor-
geschlagen. Wir fordern ein Sonderprogramm zur Förde-
rung der kommunalen Jugendarbeit, insbesondere für po-
litische Bildung, soziales Engagement und kulturelle
Arbeit. Eine offensive Erziehung zur Demokratie muss
uns allen etwas wert sein.


(Beifall bei der F.D.P. und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Antje-Marie Steen [SPD]: Wir machen das ja jetzt!)


Ich wiederhole: Familien, Senioren, Frauen und Ju-
gend sind von entscheidender Bedeutung für die Zukunft
unserer Gesellschaft. Ich füge hinzu: Sie verdienen einen
höheren Stellenwert in der deutschen Politik, als in der
ersten Halbzeit von Rot-Grün deutlich geworden ist.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Anke Fuchs (SPD):
Rede ID: ID1413509700
Das Wort hat jetzt die
Kollegin Schewe-Gerigk, Bündnis 90/Die Grünen.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Kollegen! Das Prinzip „Kreatives Sparen und Gestalten“
ist im Einzelplan 17 auch im Jahre 2001 gelungen.


(Lachen bei der CDU/CSU)

– Ich erläutere Ihnen das gleich; lachen Sie nicht zu früh!

Während in der Frauenpolitik die Ansätze des Jahres
2000 gehalten wurden, konnten die Maßnahmen für Se-
nioren- und Familienpolitik sogar verstärkt werden.
Frau Steen ist im Einzelnen darauf eingegangen.




Klaus Haupt

13109


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(D)



(A)



(B)


Darum entbehrt der bei der ersten Lesung geäußerte
Vorwurf unseres damaligen Kollegen Kolbe, dass unter
Rot-Grün bei den Familien überproportional gekürzt und
der restliche Haushalt aufgebaut wurde, jeglicher Realität.

Ich sage Ihnen noch einmal, weil Sie es immer falsch
wiedergeben: Beim Erziehungsgeld hat es keinerlei Kür-
zungen gegeben. Im Gegenteil: Es gibt Leistungsverbes-
serungen, die bis zum Jahre 2004 auf 300 Millionen DM
anwachsen. Allerdings gehen die Geburten in diesem
Zeitraum um 40 000 Kinder zurück. Auch beim Kinder-
geld wurde nicht geknausert. Seit der Regierungsüber-
nahme durch Rot-Grün ist das Kindergeld um fast ein
Viertel erhöht worden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Auch ab 2002, mit der zweiten Stufe des Familienleis-
tungsausgleichs, wird mehr Geld in die Portemonnaies
der Familien fließen. Wohlgemerkt, Herr Haupt, das ge-
schieht nicht, weil es ein Wahljahr ist – das fällt günstig
zusammen –, sondern weil wir einer Vorgabe des Bun-
desverfassungsgerichts folgen.


(Klaus Haupt [F.D.P.]: Ein Zufall!)

Meine Fraktion plädiert für eine Kindergelderhöhung um
30 DM. Das wären dann noch einmal über 5 Milliar-
den DM mehr für Kinder. Da sagen Sie, das sei nichts!


(V o r s i t z: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)


Hinzu kommt, dass bereits ab 2001 eine Erhöhung des
Wohngeldes um 475 Millionen DM erfolgt. Auch dies
wird junge Familien deutlich unterstützen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich frage mich, meine Damen und Herren von der Oppo-
sition: Woher nehmen Sie eigentlich die Unverfrorenheit,
uns Familienfeindlichkeit zu unterstellen? Frau Eichhorn,
da auch Sie das vorhin getan haben, kann ich es Ihnen nicht
ersparen, zwei weitere Meilensteine unserer Familienpoli-
tik vorzutragen, die seit vielen Jahren auf eine Realisie-
rung gewartet haben. Das sind zum einen das Programm
für eine gewaltfreie Erziehung und zum anderen das Pro-
gramm zum Abbau der Diskriminierung von gleichge-
schlechtlichen Lebensweisen.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Das ist schön für die Kinder!)


– Es ist wunderbar. Die Kinder leben dort sehr gut; das
wissen Sie. Es gibt Studien darüber.

Im Juli dieses Jahres haben wir das Gesetz zur Äch-
tung der Gewalt in der Erziehung verabschiedet. Da-
nach ist jede körperliche und seelische Gewalt gegen Kin-
der rechtswidrig. Eine Kampagne soll nun den
notwendigen Bewusstseinswandel in der Gesellschaft be-
fördern und ein neues Leitbild anstoßen. Eltern und Er-
ziehungsberechtigte werden Unterstützung und Beratung
bekommen, damit das Recht der Kinder auf gewaltfreie
Erziehung auch in der erzieherischen Praxis Eingang fin-
det.

Ich komme nun zu einem Lebensbereich, in dem Men-
schen tagtäglich mit zahlreichen Diskriminierungen zu
kämpfen haben: die gleichgeschlechtlichen Lebensge-
meinschaften. Mit dem neuen Gesetz bieten wir lesbi-
schen und schwulen Paaren erstmals in Deutschland einen
gesicherten Rechtsrahmen für ihre Beziehungen. Das
wird von einer deutlichen Mehrheit der deutschen Bevöl-
kerung begrüßt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Eine Reihe von Kollegen und – das muss ich auch sa-
gen – Kolleginnen der CDU/CSU hinken der Gegenwart
hoffnungslos hinterher. Frau Eichhorn, ich kann Ihrem
Argument nicht folgen: Wenn Menschen füreinander ein-
stehen, wo wird da, bitte schön, die Ehe entwertet? Viel-
leicht könnten Sie mir darauf einmal eine Antwort geben!


(Christian Simmert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ist schon gar nicht mehr da!)


– Na gut, sie ist schon weg.
Schwule und Lesben haben in vielen Lebensbereichen

mit Benachteiligungen zu kämpfen, zum Beispiel am Ar-
beitsplatz. Neben den gesetzlichen Regelungen sind daher
auch Hilfen zum Abbau von Diskriminierungen nötig.
Dafür stehen im Haushalt jetzt insgesamt 430 000 DM zur
Verfügung.

Zum Abschluss der Gespräche über den Bundeshaus-
halt konnte die Koalition ein weiteres deutliches Signal
setzen, für das ich mich bei den Haushälterinnen und
Haushältern ganz besonders bedanke. Es ist gelungen,
für die Bekämpfung von Rechtsextremismus zusätzlich
75 Millionen DM bereitzustellen. Das heißt, im Einzel-
plan 17 werden im kommenden Jahr 10Millionen DM zur
Verbesserung des Opferschutzes und für bessere Auf-
klärung und Ausbildung der zuständigen Stellen und
30 Millionen DM für die politische Jugendbildung zu-
sätzlich ausgegeben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Finanzierung der politischen Jugendbildung ist das

eine. Das Verhalten einiger Politiker ist das andere. Ich
spreche jetzt vom Oberbürgermeister von Sebnitz. Das ist
die Stadt, in der der kleine Joseph auf noch ungeklärte
Weise zu Tode gekommen ist. Als dieser Oberbürgermeis-
ter heute Morgen im Fernsehen gefragt wurde, wie er es
sich denn erkläre, dass die Familie des Opfers von Rechts-
radikalen bedroht wird und rund um die Uhr Polizeischutz
benötigt, sagte er – ich zitiere ihn; ich habe es aufge-
schrieben –: „Wenn eine ganze Stadt in Sippenhaft ge-
nommen wird, kann es zu Übergriffen kommen.“ Das
nenne ich Brandstifterei.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Wenn Jugendliche von oberster Stelle ihrer Stadt Signale
bekommen, dass ihr Verhalten toleriert wird, dann können
wir noch so viel Geld investieren, ohne dass eine Ände-
rung herbeigeführt wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)





Irmingard Schewe-Gerigk
13110


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir alle müssen uns den gesellschaftlichen Anforde-
rungen stellen, wir alle müssen konsequent die Ächtung
und Verhinderung rechtsextremer Übergriffe verfolgen.
Da sind wir Politiker und Politikerinnen besonders ge-
fragt. Wir müssen den Boden für eine Gesellschaft des
Antirassismus, der Toleranz und der gegenseitigen Aner-
kennung bereiten.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413509800
Das Wort hat
jetzt die Kollegin Petra Bläss.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413509900
Frau Präsidentin! Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Die Haushaltsdebatte bietet alle Jahre
wieder Anlass, Bilanz zu ziehen, auch darüber, wie es um
die Umsetzung der Koalitionsvereinbarung steht. Es sei
daran erinnert, dass Sie seinerzeit einen Aufbruch in der
Gleichstellungspolitik angekündigt haben. Die PDS hat
damals keinen Hehl daraus gemacht – wir tun dies auch
heute nicht –, dass es gerade auf dem Gebiet der Gleich-
stellungspolitik durchaus Projekte gibt, die in ihrer
Stoßrichtung unsere grundsätzliche Unterstützung finden.
Aber – das habe ich bereits in der ersten Lesung deutlich
gemacht – uns gehen viele Ihrer Initiativen nicht weit
genug. Das gilt für die vorgesehenen Regelungen zur
Gleichstellung von Frauen in der Privatwirtschaft ebenso
wie für das Aktionsprogramm gegen Gewalt an Frauen.
Ich fürchte, Sie bleiben hier in Ankündigungen stecken.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vergangenen Sams-
tag war der Internationale Tag der Gewalt gegen Frauen.
Wir haben anlässlich dieses Tages wieder erfahren müs-
sen, mit welcher Brutalität Männer überall auf der Welt
gewalttätig gegenüber Frauen sind, leider auch hierzu-
lande. Ich unterstütze die Bundesministerin Bergmann
ausdrücklich in ihren Bemühungen, das Tabu über Gewalt
im Privatbereich zu brechen und Gewalt zu ächten. Aber
wir müssen mehr tun. Gewalt gegen Frauen muss ein
Thema der inneren Sicherheit werden; denn es geht um
die Sicherheit aller hier lebenden Frauen.


(Beifall bei der PDS sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir erwarten von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kolle-
gen der Regierungsfraktionen, dass Sie den Worten auch
Taten im Bereich der Gesetzgebung folgen lassen. Polizei
und Justiz brauchen mehr Fortbildung, damit Gewalt an
keiner Stelle mehr als Kavaliersdelikt behandelt wird. Die
Frauenhäuser und Notrufe brauchen langfristige und ver-
lässliche Unterstützung. Die Opfer von Frauenhandel
brauchen mehr Schutz auch vor Abschiebung. Seit Jahren
diskutieren wir über ein unabhängiges Aufenthaltsrecht
für Immigrantinnen und über ein politisches Asyl für
Frauen, die allein deswegen verfolgt werden, weil sie
Frauen sind. Worauf warten Sie? Setzen Sie hier endlich
Zeichen!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, zurzeit findet in Ber-
lin eine Sondersitzung des CEDAW-Ausschusses der

Vereinten Nationen statt. CEDAWist das „Internationale
Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form der Diskri-
minierung der Frau“ und das einzige völkerrechtlich
verbindliche Dokument in der Frauenpolitik. Im vergan-
genen Jahr haben die Vereinten Nationen ein Zusatzpro-
tokoll zu CEDAW verabschiedet. Elf Staaten haben es in-
zwischen ratifiziert; die Bundesrepublik gehört bis jetzt
leider noch nicht dazu. Das ist bedauerlich, denn das Ab-
kommen ermöglicht es einzelnen Frauen und Gruppen
erstmals, Rechte einzuklagen. Es stellt damit einen riesi-
gen Schritt auf dem Weg zu mehr Rechtssicherheit und
Demokratie dar.

Bei der Anhörung im CEDAW-Ausschuss der Verein-
ten Nationen im Januar dieses Jahres wurde die Bundes-
republik wegen Verletzung der Rechte von Frauen heftig
kritisiert. Es ist übrigens bedauerlich, dass hierzu bis
heute keine Debatte im Parlament – weder in den Aus-
schüssen noch im Plenum – stattgefunden hat. Die im
UNO-Bericht kritisierte Benachteiligung insbesondere
von ostdeutschen Frauen und von Migrantinnen auf dem
Arbeitsmarkt ist im Übrigen kein Ressortproblem, son-
dern eines der Demokratie. Genausowenig ist Gewalt ge-
gen Frauen ein Privatproblem, sondern ein strukturelles
Problem und damit ein Demokratie- und Menschen-
rechtsthema. Ich fordere die Bundesregierung auf, das
CEDAW-Zusatzprotokoll so schnell wie möglich im Par-
lament zur Abstimmung zu bringen.


(Beifall bei der PDS)

Die Kritik der Vereinten Nationen ernst zu nehmen

heißt, unsere Politikangebote immer wieder zu prüfen. Ich
schlage Ihnen dazu vor, dass wir einen „Sachverständi-
genrat zur Begutachtung der geschlechterdemokrati-
schen Entwicklung“ berufen. Ja, die Parallele zu den so
genannten Wirtschaftsweisen ist durchaus gewollt. Wir
haben einen Sachverständigenrat, der über das gesamt-
wirtschaftliche Gleichgewicht wachen soll. Ich meine,
wir brauchen in diesem Land auch einen Rat der Weisen,
der über das demokratische Gleichgewicht wacht. In ei-
nem jährlichen „Frühjahrsgutachten“ – warum nicht je-
weils zum 8. März? – könnte aufgezeigt werden, wie sich
die Demokratie zwischen den Geschlechtern entwickelt.
Ich schlage vor, dass dieser „Rat der Demokratieweisen“
komplementär zum Rat der Wirtschaftsweisen besetzt
wird. Solange dieser eine 100-prozentige Männerrunde
ist, dürften für die „Demokratieweisen“ nur Frauen nomi-
niert werden. Zug um Zug kann man das dann ändern, bis
in beiden Gremien die Quote tatsächlich stimmt.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Bundesrepu-

blik Deutschland hinken wir nach wie vor den internatio-
nalen Vereinbarungen hinterher. Wenn wir sie einhalten
wollen, muss sich das auch im Haushaltsentwurf nieder-
schlagen. Vom so genannten „gender budgeting“, das
heißt einer Haushaltspolitik, die in jedem Einzelplan für
die angemessene Berücksichtigung beider Geschlechter
sorgt, sind wir leider noch meilenweit entfernt.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine kurze An-
merkung zu den neuen Haushaltstiteln im Jugendbereich.
Ich bin sehr froh darüber, dass nun zusätzliches Geld für




Irmingard Schewe-Gerigk

13111


(C)



(D)



(A)



(B)


Initiativen gegen Rechtsradikalismus und für die Arbeit
mit den Opfern bereitgestellt wird. Das findet die volle
Unterstützung der PDS, die sich im Übrigen auch in den
Fachausschüssen und bei der Bereinigungssitzung sehr
stark dafür eingesetzt hat. Es sind die Projekte vor Ort, die
nachhaltig wirken und die nicht der Rotstiftpolitik – egal
auf welcher Ebene – zum Opfer fallen dürfen. Ich denke,
wir alle stehen hier in Verantwortung.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413510000
Das Wort hat
jetzt der Kollege Michael Luther.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1413510100
Sehr geehrte Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Dem Bundes-
ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
kommt eine an und für sich immer größer werdende Be-
deutung zu. Das ist meine politische Überzeugung. Ich
möchte das an zwei Beispielen, in denen es um Aufgaben-
bereiche des Ministerium geht, aufzeigen:

Erstens geht es um das Thema Familie.
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen
Schutze der staatlichen Ordnung.

So steht es im Grundgesetz. Das kommt nicht von unge-
fähr, sondern wurde aufgrund der klaren Erkenntnis so
formuliert, dass Familien den Kern der Gesellschaft bil-
den und eine wichtige Aufgabe für den Fortbestand unse-
rer Gesellschaft übernehmen, und zwar die Aufgabe der
Kindererziehung. Die demographische Entwicklung in
Deutschland und in ganz Europa macht uns heute be-
wusst, dass Kinder zwischenzeitlich zum knappsten Gut
unserer Gesellschaft geworden sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist eine Erkenntnis unserer Zeit, die als neue Erfah-
rung in unser Bewusstsein und in das Bewusstsein unse-
rer Gesellschaft Eingang finden muss. Deshalb kommt
der Familienministerin in dieser Frage eine besondere
Verantwortung zu.

Wir befinden uns in den Haushaltsberatungen. Deshalb
ist die Frage berechtigt, wo diese Erkenntnis im Haushalt
und darüber hinaus in der gesamten Politik dieser Regie-
rung ihren Niederschlag findet.


(Antje-Marie Steen [SPD]: Sehr gut!)

Da fehlen mir einfach Impulse. In dieser Frage liegen wir
ein Stück weit auseinander.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte auch die konkreten Differenzen benennen.

Der Haushaltsansatz von Frau Bergmann verringert sich
insgesamt um 204Millionen DM gegenüber dem Vorjahr.


(Zuruf von der CDU/CSU: Was?)

Das liegt zum einen an dem Rückgang der für den Zivil-
dienst eingeplanten Ausgaben um 64,5 Millionen DM.

Zum anderen aber werden 175 Millionen DM weniger für
gesetzliche Leistungen an Familien aufgewandt.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Stimmt doch gar nicht!)


Das ergibt sich im Wesentlichen aus der Anpassung des
Ansatzes beim Erziehungsgeld und ganz speziell auf-
grund der verringerten Ausgaben aufgrund der prognosti-
zierten demographischen Entwicklung. Was heißt das?
Diese Bundesregierung spart Geld ein, weil sie weniger
für Kindererziehung ausgeben muss. Ich verstehe nicht,
Frau Steen, dass Sie darauf auch noch stolz sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413510200
Gestatten Sie
eine Zwischenfrage der Kollegin Steen? – Bitte, Frau
Steen.


Antje-Marie Steen (SPD):
Rede ID: ID1413510300
Herr Kollege Luther, ich
gestehe Ihnen ja zu, dass Sie sich als neuer Haushälter in
eine schwierige Materie einarbeiten mussten. Das ging
mir auch so. Das wird aber wohl nicht der Grund sein,
dass Sie zu dieser Einschätzung kommen. Ich würde Sie
gerne fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass die Ausgaben
beim Erziehungsgeld deshalb rückläufig sind, weil – das
hat die Kollegin Schewe-Gerigk ja bereits ausgeführt –
weitaus weniger Kinder geboren werden.


Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1413510400
Habe ich ja gesagt.


Antje-Marie Steen (SPD):
Rede ID: ID1413510500
Ja, aber dann handelt es
sich doch nicht um Kürzungen, sondern die verringerten
Ausgaben sind auf die demographische Entwicklung
zurückzuführen, für die Ihre Politik 14 Jahre lang gesorgt
hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Michael Luther (CDU):
Rede ID: ID1413510600
Frau Steen, wenn
Sie aufmerksam zugehört hätten, dann wüssten Sie, dass
ich das genauso gesagt habe – diese Erkenntnis haben wir
alle –: Es liegt an der demographischen Entwicklung;
Kinder sind das knappste Gut unserer Gesellschaft ge-
worden.

Angesichts der Tatsache, dass Sie im Haushalt für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend einen Impuls setzen
wollten, muss man feststellen, dass hier mehr getan wer-
den muss, als bisher getan wurde. Das heißt, es muss eine
Veränderung geben. Es muss mehr Geld für diesen Be-
reich ausgegeben werden als bisher. Sie haben aber in Ih-
rer Rede von einem „moderaten Rückgang“ gesprochen,
haben sich damit der Haushaltsdisziplin, die Ihnen Herr
Eichel auferlegt hat, unterworfen und diese für gut befun-
den. Sie sind also stolz darauf, dass Sie die Vorgaben von
Herrn Eichel erfüllen können. Das gelingt Ihnen aber nur,
weil es weniger Kinder gibt. Ich halte das für einiger-
maßen makaber.


(Beifall bei der CDU/CSU – Antje-Marie Steen [SPD]: Das ist keine Kürzung in der Familienpolitik!)





Petra Bläss
13112


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich habe schon gesagt, dass der Haushalt Impulse set-
zen müsste für mehr Kinder. Ich habe zur Kenntnis ge-
nommen, dass dies geschehen soll: Im Jahre 2002 wollen
Sie das Kindergeld erhöhen. Ich halte das für eine gute
Idee. Ich muss aber fragen: Warum soll das ausgerechnet
im Wahljahr 2002 und nicht vorher geschehen?

Ich vermisse auch zu einem anderen Teil der Regie-
rungspolitik ein klares Wort. Ihnen, Frau Ministerin,
obliegt die Aufgabe, den besonderen Stellenwert von
Ehe und Familie in der Gesellschaft anzumahnen, der
Ehe und Familie zusteht. Stattdessen lassen Sie es zu, dass
die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft in einen
eheähnlichen Status erhoben wird,


(Antje-Marie Steen [SPD]: Nein, nicht schon wieder! Es muss Ihnen doch langsam klar sein, dass es Menschen gibt, die anders leben wollen!)


der den vom Grundgesetz geforderten besonders schutz-
würdigen Status von Ehe und Familie in einer herabwür-
digenden und unerträglichen Weise relativiert.


(Beifall bei der CDU/CSU – Antje-Marie Steen [SPD]: Unerträglich ist die Diskriminierung!)


Ich habe nichts dagegen, wenn Schwule und Lesben
gegenseitig Verantwortung übernehmen wollen.


(Christian Simmert [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber?)


Dafür soll eine rechtliche Basis geschaffen werden. Aber
was wir in diesem Hause erlebt haben, ist ein Paradig-
menwechsel; denn de facto wird die gleichgeschlechtliche
Lebensgemeinschaft der Ehe und Familie gleichgestellt.
Das können wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion nie-
mals mittragen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Lassen Sie mich zu einem zweiten Aspekt kommen,

und zwar zum Thema Jugend. Die Förderung und Unter-
stützung der Jugend sowie der Schutz der Jugend vor
Gefahren unserer Zeit ist Aufgabe der Bundesministerin
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Hier setzen Sie
neue Impulse. Vor dem Hintergrund der allgemeinen po-
litischen Debatte um Rechtsradikalismus und Gewalt hat
man sich in der Bereinigungssitzung des Haushaltsaus-
schusses doch noch entschlossen, der Bekämpfung dieser
Auswüchse auch im zuständigen Ressort durch einen ent-
sprechenden Haushaltstitel Rechnung zu tragen. Die vor-
gesehenen 40 Millionen DM mehr sind in Ordnung. Wir
hatten 20 Millionen DM gefordert und sind froh, dass es
diesen Titel jetzt gibt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Trotzdem muss man sich das Ergebnis etwas genauer

ansehen.

(Dr.-Ing. Rainer Jork [CDU/CSU]: Richtig!)


Sie wollen nur rechtsextremistische Gewalt bekämpfen.

(Dr.-Ing. Rainer Jork [CDU/CSU]: Das langt nicht!)


Es ist richtig, dass rechtsextremistische Straftaten in
Deutschland zurzeit eine besondere Rolle spielen. Wahr
ist aber auch – das kann man feststellen, wenn man
Verfassungsschutzberichte und die entsprechenden Statis-
tiken der letzten Jahre liest –, dass rechte und linke
Gewalt nahezu die gleiche Rolle spielen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Links- und Rechtsextremismus sind in ihrer Zielrichtung
und in ihrer ideologischen Ausrichtung zwar konträr. Aber
in ihrer Gewaltbereitschaft und in ihrer Auswirkung un-
terscheiden sie sich kaum. Die gesellschaftlichen Ursa-
chen sind aus meiner Sicht in vielen Facetten gleich.

Das wichtigste Mittel gegen Extremismus bei Jugend-
lichen ist, jungen Menschen aus der vermeintlichen oder
tatsächlichen Perspektivlosigkeit herauszuhelfen.


(Antje-Marie Steen [SPD]: Es sind nicht nur die Jungen, die rechtsextremistisch sind!)


Wir brauchen Arbeits- und Ausbildungsplätze.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir brauchen in den neuen Bundesländern einen Aufbau
Ost, der wieder zu einer Herzenssache wird – anstatt zu
einer „Chefsache“ zu verkommen, wie wir das in der letz-
ten Zeit in den neuen Bundesländern erleben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Deshalb stelle ich fest: So, wie Sie die Bekämpfung
von Extremismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit an-
gehen, werden Sie dem eigentlichen Ziel, nämlich der
Eindämmung derselbigen, eher schaden als nützen, und
zwar deshalb, weil Sie sich nur auf einen Teil der Gewalt,
nämlich die rechtsextremistische Gewalt, konzentrieren,
weil Sie nur denen helfen wollen, die Opfer von rechts-
extremer Gewalt geworden sind.

Noch schlimmer finde ich, dass Sie aus zwei Haus-
haltstiteln mit einem Volumen von insgesamt 10 Milli-
onen DM nur die Bekämpfung rechtsextremistischer Ge-
walt in den neuen Bundesländern finanzieren wollen.


(Wolfgang Dehnel [CDU/CSU]: Nur in den neuen Bundesländern! Das ist ein Skandal!)


Ich fordere Sie deshalb genau wie in den Haushaltsbera-
tungen auf: Ändern Sie die inhaltliche Ausrichtung der
entsprechenden Haushaltstitel 686 02 und 686 03 und
streichen Sie hier die Einschränkung „neue Länder“.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Rechtsextremistische Gewalt ist ein gesamtdeutsches

Problem.

(Dr.-Ing. Rainer Jork [CDU/CSU]: Genau!)


Es bleibt Ihnen unbenommen, Schwerpunkte zu setzen;
dagegen habe ich nichts. Mit der Politik, die Sie betreiben,
unterstützen Sie allerdings so etwas wie die Medien-
kampagne in den letzten Tagen in Sebnitz. Der Fall
Sebnitz muss aufgeklärt werden, keine Frage. Wenn sich
herausstellen sollte, dass weggeschaut wurde, dann muss
das gegeißelt werden, auch keine Frage. Aber es gibt in




Dr. Michael Luther

13113


(C)



(D)



(A)



(B)


Deutschland den Rechtsgrundsatz der Unschuldsvermu-
tung.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dieser gilt für eine Person und auch für eine ganze Stadt.
Zu diesem Rechtsgrundsatz sollten wir dringend zurück-
kehren. Von Ihnen, Frau Ministerin, die Sie unzweifelhaft
sächsisch sprechen,


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was?)


hätte ich auf jeden Fall erwartet, dass Sie das hier mit Au-
genmaß anmahnen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Ulla Schmidt [Aachen] [SPD]: Was sagen Sie denn zu den Vorfällen vor dem Haus der Familie?)


Ministerpräsident Biedenkopf engagiert sich hier in
den letzten Tagen in hervorragender Weise. Ein solches
Engagement schafft Glaubwürdigkeit, indem es zeigt,
dass man tatsächlich etwas gegen Extremismus und Ge-
walt unternehmen will.

Mit ihrem Haushalt hätte die Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend Impulse setzen kön-
nen. Sie hat es nicht getan. Ich finde das schade.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413510700
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Christian Simmert.


(Ina Lenke [F.D.P.]: Herr Simmert wird ja jetzt etwas zum Zivildienst sagen! Nicht wahr, Herr Simmert?)



Christian Simmert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413510800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Ihnen, Herr Luther,
nur einen Satz: Die Aufklärung, die in den letzten 100 Jah-
ren stattgefunden hat, werden Sie heute hier nicht zurück-
drehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Es gibt in diesem Land aufgeklärte Menschen, die beim
Thema eingetragene Lebenspartnerschaften eine vernünf-
tige Position haben.

Eine zweite Bemerkung, die den Bereich Zivildienst
betrifft. Die Bundesregierung hat in den letzten zwei Jah-
ren eine einseitige Verkürzung des Zivildienstes von
13 auf elf Monate vorgenommen; das wissen Sie. Wir ha-
ben uns den Grundsatz der Gleichbehandlung der Dienste
zu Eigen gemacht


(Ina Lenke [F.D.P.]: Nein! Da fehlt noch ein Monat, Herr Simmert!)


und auch die Besoldung der unterschiedlichen Dienste an-
geglichen. Es gibt eine stärkere Beteiligung der Träger.
Wenn Sie von der Opposition bei diesem Punkt sagen, wir

hätten Kürzungen im Zivildienstbereich vorgenommen,
dann müssen Sie auch sagen, dass das dem geschuldet ist,
dass wir nahezu für eine Gleichbehandlung der Dienste
gesorgt haben. Darauf sind die Kürzungen in diesem
Haushaltstitel zurückzuführen.


(Abg. Ina Lenke [F.D.P.] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413510900
Herr Kollege
Simmert, gestatten Sie eine Zwischenfrage?


Christian Simmert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413511000

Frau Lenke, ich werde wahrscheinlich einige Ihrer Fragen
ohnehin beantworten; deswegen warten Sie bitte noch ei-
nen Augenblick.

Natürlich ist die Herstellung der Gleichbehandlung
noch nicht abgeschlossen. Hier stehen für mich vor allen
Dingen die Sprachförderung und der Sonderurlaub für Zi-
vildienstleistende sowie für Bündnis 90/Die Grünen die
gleiche Dienstzeit im Vordergrund. Wir werden in einem
Prozess innerhalb der Koalition weiter versuchen, die Un-
gleichbehandlung zu beseitigen, die wir als Hinterlassen-
schaft der Vorgängerregierung, nämlich der schwarz-gel-
ben Koalition, vorgefunden haben. Sie haben beim Thema
Ungleichbehandlung der Dienste im Zivildienst nun
wahrlich nichts zuwege gebracht. Im Gegenteil, Sie haben
sie verstärkt.

Die Kürzungen im Einzelplan 17, die Sie beklagen, ge-
hen also auf die Rückführung der Dienstzeit im Zivil-
dienst zurück. Wenn Sie keine Kürzungen wollen, müs-
sen Sie sagen, dass Sie wieder 13 Monate Dienstzeit
wollen.


(Ingrid Fischbach [CDU/CSU]: Was wollen Sie denn?)


Ich glaube, dass Sie uns da noch eine Antwort schulden.
Wir wollen das auf jeden Fall nicht.


(Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Was wollen Sie denn?)


– Regen Sie sich nicht auf! Warten Sie einfach ab!
In Bezug auf den Zivildienst haben wir im Gegensatz

zur alten Regierung mit den entsprechenden Verbänden und
Trägern einen Dialog geführt. Wir haben uns mit den Or-
ganisationen der Kriegsdienstverweigerer an einen Tisch
gesetzt.


(Ina Lenke [F.D.P.]: Die waren aber unzufrieden! Die hätten Sie mal hören sollen!)


Der Bundesbeauftragte für den Zivildienst hat eine Ar-
beitsgruppe eingesetzt. Unsere Fraktion hat begrüßt, dass
die Dauer des Zivildienstes weiter verkürzt wird. Wir ha-
ben uns dafür ausgesprochen, zu prüfen, ob das FÖJ und
das FSJ zur Ableistung des Zivildienstes genutzt werden
können. Wir wollen, dass der Bund die soziale Absiche-
rung für den Anderen Dienst im Ausland übernimmt.

Über all das führen wir Diskussionen und zu all dem
entwickeln wir Konzepte. Grundsätzlich glaube ich, dass
wir, die Regierungsfraktionen, aber auch Bündnis 90/Die




Dr. Michael Luther
13114


(C)



(D)



(A)



(B)


Grünen allein, deutlich gemacht haben, dass wir ange-
sichts der Änderungen, die im Rahmen der Wehrstruktur-
reform 2002 anstehen, einen Ausbau der Freiwilligen-
dienste anstreben. Wir wollen ein Freiwilligendienstent-
sendegesetz auf den Weg bringen; das haben wir im Ko-
alitionsvertrag vereinbart. Die Fraktion der Grünen will
aber auch einen Gesetzentwurf einbringen, mit dem der
Ausbau der Freiwilligendienste gestärkt wird, auch
wenn in einem ersten Schritt nicht alle Dienste davon er-
fasst werden.

Wir brauchen klare Standards für die Freiwilligen-
dienste. Das heißt, wir brauchen eine pädagogische Be-
gleitung, soziale und versicherungsrechtliche Absiche-
rungen sowie Anreize für junge Menschen, sich stärker
gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus zu engagie-
ren.


(Birgit Schnieber-Jastram [CDU/CSU]: Machen Sie das auch?)


Dem werden wir Rechnung tragen, indem wir ein Frei-
willigendienstentsendegesetz auf den Weg bringen wer-
den.

Bei den Trägern gibt es eine Umorientierung zum frei-
willigen Engagement. Dieses freiwillige Engagement
wollen wir fördern. Wir warten immer noch darauf, dass
vor allen Dingen die CDU/CSU-Fraktion einmal klar-
stellt, was sie von den Vorschlägen zu einer allgemeinen
Dienstpflicht, die Herr Koch diese Woche ins Gespräch
gebracht hat,


(Ina Lenke [F.D.P.]: Das war Herr Bartling, der SPD-Innenminister von Niedersachsen!)


hält und wie sich die CDU/CSU – vielleicht kann Herr
Dörflinger das in seiner Rede noch einmal erläutern – ei-
gentlich die Zukunft in diesem Zusammenhang vorstellt.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413511100
Herr Kollege
Simmert, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Seifert?


Christian Simmert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413511200

Nein. Ich möchte im Zusammenhang fortfahren.

Wir wollen eine Entwicklung des Zivildienstes, die auf
zwei Säulen fußt: Wir wollen den Freiwilligendienst aus-
bauen, so wie wir das vorgeschlagen haben und wie ich es
gerade erwähnt habe, und wir wollen vor allen Dingen die
Schaffung von Arbeitsplätzen in Kernbereichen des Zivil-
dienstes. Auch vor dem Hintergrund der Äußerungen von
Willfried Penner möchte ich für meine Fraktion noch ein-
mal deutlich machen, dass wir natürlich weiterhin eine
schrittweise Abschaffung der Wehrpflicht und des Zivil-
dienstes anstreben und dass wir weiterhin – allerdings
nicht von heute auf morgen – an einer Konversion der
Zivildienstplätze in Arbeitsplätze festhalten werden. Bei
der Lösung dieser Aufgabe auf politischer Ebene werden
wir im Gesundheits- bzw. Pflegebereich das freiwillige
Engagement und die Schaffung von Arbeitsplätzen
durchaus miteinander verbinden können.

Ich glaube also, dass die Fortsetzung des rot-grünen
Kurses der Gleichbehandlung von Wehr- und Zivildienst

und der Förderung der Freiwilligendienste mit dem vor-
liegenden Einzelplan gewährleistet ist. Auch wenn die
CDU/CSU gerne darüber diskutieren würde, inwiefern
man Pflichtdienste einführen sollte, wären wir gut bera-
ten, wenn wir uns auf das freiwillige Engagement von jun-
gen Menschen und nicht auf einen zusätzlichen Zwang
stützen würden. Das ginge an den Realitäten absolut vor-
bei.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Ilja Seifert [PDS]: Ein sehr spärlicher Beifall!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413511300
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Thomas Dörflinger.


Thomas Dörflinger (CDU):
Rede ID: ID1413511400
Frau Präsidentin!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt im par-
lamentarischen Sprachgebrauch für das, was Sie, Herr
Kollege Simmert, soeben getan haben, ein ganz einfaches
deutsches Wort: Sie haben geeiert. Sie haben nämlich
nicht gesagt, was Sie eigentlich wollen.


(Christian Simmert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann haben Sie mir nicht zugehört, Herr Dörflinger! – Lachen bei der CDU/CSU)


Herr Kollege Simmert, Sie hätten explizit sagen müssen,
dass die von Ihnen angestrebte Gleichbehandlung und
Gleichbewertung von Wehr- und Zivildienst darin be-
steht, beides abzuschaffen. Dann werden beide Dienste
gleich behandelt. Das ist die offizielle Position von Bünd-
nis 90/Die Grünen; ich komme gleich noch einmal darauf
zurück.


(Christian Simmert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau das habe ich gesagt!)


Meine Damen und Herren, als die „Berliner Morgen-
post“ am 20. Mai eine vorläufige Zwischenbilanz über die
Politik für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der rot-
grünen Bundesregierung zog, titelte der Kommentator
„Ministerin mit Mängelliste“. Nun bin ich mit Ihnen der
Meinung, dass dieses Urteil nicht zutrifft, denn es müsste
umgekehrt heißen „Mängelliste mit Ministerin“.


(Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Der war auch schon mal besser!)


Nach zwei Jahren Rot-Grün stelle ich, ähnlich wie der
Kollege Klaus Haupt, fest: Die Bilanz ist ziemlich dürf-
tig, und Sie, Frau Ministerin, bestätigen meine Annahme.
Wenn man Ihre Reden nämlich nicht in der Weise, wie sie
einem über Ihr Pressereferat zugehen, sondern in der
Weise, wie Sie sie beispielsweise im Ausschuss halten,
anschließend im Wortprotokoll, wenn es eines gibt, nach-
liest, dann stellt man fest, dass Ihre Wortwahl sehr verrä-
terisch ist. Sie schließen jedes Statement mit einer Ab-
sichtserklärung ab. Es heißt beispielsweise: „Da müssen
wir dranbleiben.“ Es heißt weiter: „Das müssen wir wei-
ter in die Gesellschaft hineintragen“, „Das werden wir an-
gehen“, oder – das war, als mein Vorredner sprach, Ihr
Zwischenruf eben von der Regierungsbank – „Wir sind
auf einem guten Weg.“


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)





Christian Simmert

13115


(C)



(D)



(A)



(B)


All das sind Absichtserklärungen, die eigentlich nur
darüber hinwegtäuschen sollen, dass von dem, was man
sich programmatisch vorgenommen hat, so viel noch
nicht umgesetzt werden konnte. Ansonsten bedürfte es
dieser Absichtserklärungen nicht.

Das gilt natürlich genauso für das Bekenntnis, das Sie
wiederholt abgegeben haben, wie sehr doch der Herr Bun-
deskanzler hinter der Politik für Familien und Gedöns
steht. Keine andere oder kein anderer Ihrer Kabinettskol-
leginnen und -kollegen hat dieses Bekenntnis je abgege-
ben, es hatte auch keine oder keiner nötig. Ausschließlich
in Ihrem Ressort scheint ständig die Verpflichtung zu be-
stehen, auf diesen Umstand hinzuweisen.

Meine Damen und Herren, exemplarisch für diese Mi-
schung aus Untätigkeit und dem Zustandekommen von
Zufallsprodukten ist die Diskussion um den Zivildienst.
Ich komme darauf zurück, Herr Kollege Simmert. In die-
sem Zusammenhang, Frau Ministerin, fand ich es interes-
sant, dass ich von Ihrem Haus und auch von Ihnen selbst
seit dem 14. September, als die Arbeitsgruppe „Zukunft
des Zivildienstes“ ihre Empfehlungen vorgelegt hat, in
dieser Frage rein gar nichts mehr gehört habe.

Zwischendurch hat sich der Wehrbeauftragte noch ein-
mal zu Wort gemeldet, der Bundespräsident fühlte sich
bemüßigt, in die Diskussion einzugreifen oder eine Dis-
kussion zu befördern, auch der eine oder andere aus die-
sem Hause hat sich zu diesem Thema geäußert, die zu-
ständige Ministerin hat allerdings nichts dazu gesagt.

Sie hat auch nichts zum Thema der Wehrgerechtigkeit
gesagt.


(Klaus Haupt [F.D.P.]: Dann hat sie auch nichts Falsches gesagt!)


Sie hat nichts gesagt beispielsweise zu der Tatsache, dass
in dem Eckpunktepapier zur Wehrgerechtigkeit, das Bun-
desverteidigungsminister Scharping vorgelegt hat und das
er dankenswerterweise auch ins Internet hat stellen lassen,
von gänzlich anderen Zahlen die Rede ist als in dem Pa-
pier der Arbeitsgruppe „Zukunft des Zivildienstes“. Die
Arbeitsgruppe „Zukunft des Zivildienstes“ geht von ma-
ximal 144 000 Zivildienstleistenden in den kommenden
Jahren aus.


(Antje-Marie Steen [SPD]: Reden Sie doch mal zum Haushalt, das wäre doch auch gut!)


– Frau Kollegin Steen, Sie sprachen eben in Ihrer Rede
von 124 000, das fanden wir auch interessant.


(Antje-Marie Steen [SPD]: Im Jahresdurchschnitt, Herr Kollege! Wir haben ja ein Übergangsjahr!)


Die Zahl der anerkannten Kriegsdienstverweigerer ist
nach dem Papier von Herrn Scharping in den Jahren 2005
bis 2012 irgendwo zwischen 160 000 und 154 000 anzu-
siedeln.

Nicht nur die Konzepte zwischen Familienministerium
und BMVg sind nicht aufeinander abgestimmt – das
könnte man noch verschmerzen –, auch zwischen Minis-
terium und Fraktion und zwischen den Koalitionsfraktio-
nen selbst ist das Ganze nicht abgestimmt.

Ich bin dafür, dass wir genau hinsehen und hinhören.
Wenn beispielsweise die Arbeitsgruppe „Zukunft des Zi-
vildienstes“ selbst wörtlich sagt, dass „grundsätzlich Pla-
nungssicherheit“ herrsche und zurzeit – wörtliches Zitat –
„keine grundsätzliche Neustrukturierung im Zivildienst
notwendig“ sei, dann hat man während der Arbeit dieser
Arbeitsgruppe offensichtlich erkannt, dass eben doch
nicht so ganz sicher ist, ob Planungssicherheit besteht, so-
wohl was die Zukunft der Zivildienststellen als auch was
die Zukunft der Zivildienstleistenden angeht.

Ein letzter Satz, meine Damen und Herren: Frau Mi-
nisterin, wenn in der Bilanz über Ihre Amtszeit eine an-
dere Zeitung, der „Tagesspiegel“ hier in Berlin, zugege-
benermaßen etwas freundlicher titelte „Lizenz zum
Lächeln“, stelle ich fest: Lizenz zum Lächeln, auch wenn
es charmant ist, ist zu wenig. Wir erwarten, dass Sie, ins-
besondere in dieser Frage, Ihre Arbeit tun.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413511500
Das Wort hat
jetzt die Ministerin Christine Bergmann.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Frau Präsidentin!
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich werde ja
wahrscheinlich noch einmal lächeln dürfen – jedenfalls in
Richtung der Koalitionsfraktionen. Das mache ich auch
gerne.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – AntjeMarie Steen [SPD]: Es gibt keinen Grund zur Traurigkeit!)


Es ist ja interessant, dass wir uns in diesem Hause im-
merhin über die Bedeutung dieses Ressorts einig sind.
Das ist schon einmal ganz erfreulich.


(Antje-Marie Steen [SPD]: Das ist wahr!)

Aber diese Einigkeit trägt nicht weit, wenn man sich

einmal ansieht, wie diese Wertschätzung umgesetzt wird.
Meine Damen und Herren von der Opposition, von Ihnen
höre ich permanent Sprüche, nicht als heiße Luft.


(Ina Lenke [F.D.P.]: Ach, nein! Jetzt ist es aber gut! Die Sprüche kommen von Ihnen!)


Das werde ich noch belegen.
Wir handeln wirklich für Familien, Alte, Junge und

Frauen in der Gesellschaft. Immer dann, wenn wir einen
Vorschlag auf den Tisch legen – einen Vorschlag, der zum
Teil sogar von Ihnen gefordert wurde –, sagen Sie: Nein,
das wollen wir nicht. Das ist alles von Übel. – Das werde
ich Ihnen an einigen Beispielen belegen. Das ist es, was
uns ganz wesentlich unterscheidet. Ich denke, das kommt
zum einen in diesem Haushalt, zum anderen aber auch in
unserer Politik zum Ausdruck.

Ich fange mit dem Bereich der Altenpolitik an.

(Zuruf von der CDU/CSU: Bei uns heißt das „Seniorenpolitik“!)





Thomas Dörflinger
13116


(C)



(D)



(A)



(B)


Meine Damen und Herren von der Opposition, zehn Jahre
lang haben wir um eine bundeseinheitliche Altenpflege-
ausbildung gestritten. Diese ist auch von Ihren Fach-
leuten, von den Fachministern der Länder, immer ge-
fordert worden. Sie haben sie immer hintertrieben. Aber
wir haben es gepackt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben einen entsprechenden Vorschlag auf den Tisch
gelegt. Das ist doch schon einmal ein Ergebnis.


(Zuruf von der F.D.P.)

– Sie haben ihn unterstützt. In Bezug auf die Opposition
muss man differenzieren; das ist klar.

Ab dem 1. August 2001 wird es eine einheitliche, qua-
litativ hochwertige Altenpflegeausbildung geben, die ge-
währleistet, dass alte Menschen in unserer Gesellschaft
die Hilfe bekommen, die sie benötigen, und dass dieser
überwiegend von Frauen ausgeübte Beruf die Aufwertung
erfährt, die er verdient.

Frau Eichhorn ist nicht mehr da; das macht nichts. Sa-
gen Sie ihr – aber das ist wahrscheinlich auch egal; denn
sie nimmt nicht zur Kenntnis, was auf dem Tisch liegt –:
Auch die Altenpflegeverbände aus Bayern wollten diese
bundeseinheitliche Altenpflegeausbildung. Wir haben
alle Fachverbände mit einbezogen.

Mit dem Heimgesetz, das übrigens als Referentenent-
wurf bereits im Kabinett beschlossen wurde, machen wir
weiter.


(Zuruf von der F.D.P.: Kommt das nächste Woche?)


Nun stehen die Beratungen im Bundesrat an. Am
21. Dezember wird der erste Durchgang im Bundesrat
stattfinden. Sie wissen, dass dies ein Stück Vorbereitung
brauchte. Das heißt, unser nächster Gesetzentwurf liegt
auf dem Tisch. Es passiert schon wieder das Gleiche: Sie,
meine Damen und Herren von der CDU/CSU, sagen, dass
Sie das alles nicht wollen: keine stärkeren Kontrollen und
offensichtlich auch nicht mehr Transparenz. Was wollen
Sie denn? Wenn Sie sagen, dass Sie etwas für alte und
auch für pflegebedürftige Menschen in dieser
Gesellschaft tun wollen, dann müssen Sie auch einmal
Nägel mit Köpfen machen und sich dementsprechend zu
diesem Gesetzent-wurf verhalten. Dazu wird Gelegenheit
bestehen. Wir werden sehen, wie es läuft. In Bezug auf die
Altenpflegeausbildung gab es vonseiten der CDU oder
der CSU keinen Antrag mit Verbesserungsvorschlägen.
Auch das habe ich mir gemerkt.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413511600
Gestatten Sie
eine Zwischenfrage der Kollegin Lenke?

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Ja, sicher; Frau
Lenke immer.


Ina Lenke (FDP):
Rede ID: ID1413511700
Frau Bergmann, ich war auf ver-
schiedenen Veranstaltungen von Heimträgern, auch von
karitativen. Ich habe immer gehört, dass das Heimgesetz
und das Pflegequalitätssicherungsgesetz sehr bürokra-
tisch sind. Haben nicht auch Sie Briefe bekommen? Was
wollen Sie tun, um dieses Heimgesetz unbürokratischer
zu gestalten? Denn hier muss wirklich noch etwas getan
werden.


(Zuruf von der SPD: Es geht um den Haushalt!)


– Auch die Kolleginnen und Kollegen der SPD müssen
sich das bei solchen Veranstaltungen anhören.

Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Das ist klar: Wir
werden diese Debatte weiter führen. Im Vorfeld haben wir
sehr viele Gespräche mit den Verbänden, übrigens auch
mit den Heimbewohnerinnen und -bewohnern und deren
Vertretern geführt. Wir haben ein gutes Maß in Bezug auf
die notwendige Kontrolle gefunden. Wenn man Ältere
schützen möchte, braucht man bessere Kontrollen und
mehr Transparenz. Diejenigen Einrichtungen, die bisher
schon vorbildlich gearbeitet haben – solche haben wir ja
Gott sei Dank überwiegend –, werden mit den Regelun-
gen gut zurechtkommen. Die Fachdebatte werden wir im
Einzelnen noch führen.

Ich komme zu dem nächsten Bereich: Familienpolitik.
Ich muss als Erstes sagen: Wir müssen uns in diesem Haus
darüber im Klaren sein, dass Familienpolitik und Kinder-
politik zunächst einmal bedeuten, dass man nicht – wie
bisher – weiter Schulden macht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese Last kann die nächste Generation nicht mehr tragen.
Darüber müsste man sich verständigen können. Sie
machen es doch in Ihren Familien zu Hause genauso, in-
dem Sie sagen: Ich will meinen Kindern keine Last
hinterlassen, die sie gar nicht tragen können.

Wenn Sie jetzt beklagen, was sozusagen in Ausfüllung
der Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichtes auf uns
zukommt: Diese Beschlüsse sind die Bilanz Ihrer Regie-
rungstätigkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben das jetzt präsentiert bekommen, und wir gehen
an die Umsetzung. Ich denke, wir haben schon ganz erheb-
liche finanzielle Verbesserungen für Familien erreicht;
das wird auch fortgesetzt werden.

Familien brauchen Geld – das ist klar – aber Familien
brauchen auch eine bessere Infrastruktur, Familien brau-
chen auch Rahmenbedingungen, die es ihnen ermögli-
chen, so zu leben, wie sie das gern möchten. Ich denke,
dazu haben wir eine ganze Menge vorgelegt.

Denken Sie an die Änderung des Bundeserziehungs-
geldgesetzes und die darin enthaltenen materiellen Ver-
besserungen. Aber wir haben jetzt endlich auch Verbesse-
rungen hinsichtlich möglicher Teilzeitarbeit. Zum ersten




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann

13117


(C)



(D)



(A)



(B)


Mal haben wir einen Teilzeitanspruch für Väter und Müt-
ter vorgesehen; dieser wird nicht von allen hier gebilligt.
Wir begleiten diese Regelung mit einer entsprechenden
Väterkampagne im nächsten Jahr. Dazu haben wir Unter-
nehmen gewonnen, die wirklich mitmachen und sagen:
Auch uns ist das ein Anliegen. – Das heißt, wir wirken auf
diesem Gebiet in die Gesellschaft hinein.

Herr Dörflinger, da sind wir auf einem guten Weg. Das
erreicht man nicht über Nacht, wenn man eine solche Hy-
pothek übernimmt, wie Sie sie uns hinterlassen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Erst einmal müssen wir den gesamten Reformstau ab-
bauen, dann müssen wir gesellschaftliche Debatten in
Gang setzen und deutlich machen, dass Familien bei uns
einen höheren Stellenwert haben, einen sehr viel zeit-
gemäßeren, der dem entspricht, was die jungen Leute und
auch die nicht mehr ganz so jungen in unserer Gesell-
schaft wirklich wollen. Das setzen wir um.

Damit komme ich zum nächsten Beispiel. Ich kann
mich erinnern – wahrscheinlich bin ich die Einzige, die
sich überhaupt noch daran erinnert –, dass es einmal ein
Papier der CDU zur Familienpolitik gab.


(Zustimmung bei der SPD)

„Mut zur Familie“ oder so ähnlich war es überschrieben.
Sie haben offensichtlich vergessen, was Sie darin for-
muliert haben. Das war gar nicht so schlecht. Sie hatten
ganz gute Anleihen bei uns genommen und Dinge präsen-
tiert, die ich zum großen Teil unterstützen könnte. Darin
war zum Beispiel auch ein Anspruch von Eltern auf
Teilzeitarbeit formuliert, der nicht nur für die Zeit des
Erziehungsurlaubs, sondern auch darüber hinaus gelten
sollte. Das haben Sie in Ihrem Papier zur Familie for-
muliert. Daran gemessen erkennt man Ihre ganze
Heuchelei, die heiße Luft, die Sie produzieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Vor einer Woche haben wir hier ein Teilzeitgesetz auf
den Tisch gelegt, das für Familien, so finde ich, eminent
wichtig ist. Niemand wird gezwungen, dieses Gesetz in
Anspruch zu nehmen; aber es eröffnet sehr viel mehr
Möglichkeiten. Was tun Sie? Sie lehnen dieses Gesetz ab.
Das ist nicht sehr überzeugend. Ich denke, das werden die
Familien in unserem Land auch entsprechend einschätzen
können.

Herr Luther, Sie haben mich auf das Thema gleich-
geschlechtliche Lebensweisen angesprochen. Dieses
Thema und die rechtliche Möglichkeit, die wir geschaffen
haben, sind für Sie offensichtlich ein Punkt, der auf der
Skala familienpolitischer Themen zuoberst steht.

Natürlich lasse ich es gern zu, dass endlich eine Ak-
zeptanz dieser Lebensweisen in der Gesellschaft erreicht
wird. Dazu braucht man rechtliche Änderungen, und dazu
braucht man auch eine Änderung des Klimas in der Ge-
sellschaft. Das werden wir ja wohl aushalten.

Ich als altgediente Ehefrau – 37 Jahre mit dem gleichen
Mann; das ist ja schon etwas – sage dazu auch: Mir nimmt

doch niemand etwas weg. Ich fühle mich in gar keiner
Weise von irgendjemandem angegriffen, der in einer
Beziehung mit einer anderen sexuellen Orientierung lebt.
Ich sage: Ihr übernehmt Fürsorge füreinander, seid für-
einander da. Das ist doch gut. Das ist doch eigentlich ein
Wert. Standen Sie nicht einmal für Werte?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ina Lenke [F.D.P.] – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das war sehr platt!)


Ich will noch einmal deutlich machen, dass – –

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Für dieses Amt war das sehr platt!)

– Nein, das war nicht platt. Das geht schon an die
Wurzeln, an die Wurzeln dessen, was wir in unserer
Gesellschaft an Lebensformen akzeptieren. Reden Sie
doch einmal mit den Betroffenen.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: So einen Quatsch zu erzählen!)


Wenn mir ein schwules Paar sagt: „Wir leben 40 Jahre
zusammen, wir wollen endlich Akzeptanz“, dann nehme
ich das sehr ernst.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413511800
Liebe Kollegin-
nen und Kollegen! Frau Ministerin, gestatten Sie mir
bitte, Sie für einen Moment zu unterbrechen. Ich muss
jetzt einmal eingreifen; denn mir nimmt das mit den
Chauvinismen in dieser Debatte jetzt überhand. Ich
möchte das nicht durchgehen lassen.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der PDS)


Dr. Christine Bergmann, Bundesministerin für Fa-
milie, Senioren, Frauen und Jugend: Das fällt schon gar
nicht mehr auf.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke,
wenn wir in dieser Gesellschaft etwas verändern wollen,
wenn wir sie weiterentwickeln wollen, dann geht das
nicht ohne die Frauen.Wir brauchen den Mut, die Kraft,
die Qualifikation, den Gestaltungswillen von Frauen in
dieser Gesellschaft. Das haben wir nicht nur begriffen,
sondern verinnerlicht. Deswegen sind wir dabei, die Bar-
rieren abzubauen, die verhindern, dass Frauen zum Bei-
spiel in der Wirtschaft an die entsprechenden Positionen
kommen. Das ist nicht nur eine Frage der Demokratie.
Das ist auch eine Frage der Ökonomie in unserer Gesell-
schaft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Hier gibt es einen ganz deutlichen Nachholebedarf.
Deswegen nehmen wir uns dieses Themas an. Wir haben
die Eckpunkte für die Gleichstellung in der Privatwirt-
schaft vorgestellt. Ich halte es für sehr kreativ, wie wir
vorgehen. Wir sagen den Unternehmen, die immer erklä-
ren, sie möchten gerne etwas tun: Ihr dürft jetzt etwas ma-
chen. Ihr seid zwar verpflichtet, etwas zu machen, aber ihr




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann
13118


(C)



(D)



(A)



(B)


könnt auswählen, was für euch das Wichtigste ist. Doch
ihr steht in der Pflicht: Wenn ihr es nicht im ersten Anlauf
schafft, dann werden wir in der zweiten Stufe schärfere
Maßnahmen ergreifen.

Wir haben in dieser Sache auch Unternehmen an unse-
rer Seite. Wir haben die Zeit genutzt, um mit Unterneh-
men ins Gespräch zu kommen, um deutlich zu machen,
dass es den Unternehmen, die das Prinzip begriffen haben
und es umsetzen wollen, ökonomische Vorteile bringt.
Der Nachholebedarf ist nicht bei der Mehrzahl der Unter-
nehmen, sondern bei den Verbandsvertretern – das muss
man einmal ganz klar sagen –, die auf die Anforderungen
von morgen mit den uralten Argumenten von vorgestern
antworten.

Frau Eichhorn hat das Thema Gewalt angesprochen.
Ich habe nicht mehr so viel Redezeit zur Verfügung,
möchte aber sagen: Dass wir in diesem Bereich etwas zu-
stande gebracht haben, ist wohl unstrittig. Wir haben das
Ausländergesetz geändert. Es ist wichtig, dass man hier
mit den Ländern und den Kommunen zusammenarbeitet.
Wir haben die Frauenhäuser und die Beratungsstellen ver-
netzt. Es gibt eine enge Zusammenarbeit, damit dieses
Thema endlich den Stellenwert in der Gesellschaft erhält,
den es verdient.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Sehnsucht der CSU nach einem Gewaltschutzgesetz
hat mich gefreut. Ich nehme an, Sie werden einem solchen
Gesetz zustimmen. Ich bin gespannt.

Zu Ihnen, Frau Bläss. Sie haben CEDAW angespro-
chen. Nun muss man fairerweise sagen, was dort wirklich
abgelaufen ist. Es gab in dem Bericht über Deutschland
Kritik. Es war der Bericht über das Handeln der alten Re-
gierung. Es gab aber ebenso viel Zustimmung – auch das
erleben wir – für das, was wir mittlerweile zustande ge-
bracht haben. Das Handeln der alten und der neuen Re-
gierung müssen wir schon auseinander halten.

Ich freue mich, dass wir es gemeinsam geschafft haben
– ich bedanke mich vor allen Dingen bei den Regierungs-
fraktionen, die das initiiert haben, und bei allen anderen,
die es mitunterstützt haben – dass wir für die Bekämp-
fung von Rechtsextremismus und Ausländerfeindlich-
keitmehr Geld im Haushalt haben. Das muss man einmal
zur Kenntnis nehmen. Wir haben dadurch mehr Möglich-
keiten, etwas zu tun.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wissen, dass dies ein besonderes Thema ist. Dieses
Thema hat schon eine andere Qualität, Herr Luther. Ge-
walt ist immer schlimm; darüber werden wir uns schnell
verständigen können. Aber wir erleben diese fürchterli-
chen rechtsextremen Gewalttaten in einem Ausmaß, wie
wir es uns vor einigen Jahren wahrscheinlich nicht vor-
stellen konnten. Es geht nicht nur darum, an einem Tag,
dem 9. November, zu demonstrieren – das ist wichtig –,
sondern dass wir all diejenigen, die vor Ort aktiv sind, un-
terstützen. Das sind die mobilen Beratungsteams und
viele andere kleine Projekte. Dorthin muss das Geld ge-

hen, zum Beispiel in die Unterstützung von Jugendpro-
jekten, die auf vorbildliche Weise versuchen, etwas zu be-
wegen. Sie wollen in der Gesellschaft ein anderes Klima
herbeiführen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben noch zusätzliche Gelder: Uns stehen mit
dem Programm Xenos in den nächsten drei Jahren pro
Jahr 25 Millionen DM aus dem ESF zur Verfügung. Sie
werden durch die Kofinanzierung von Ländern und Kom-
munen aufgestockt. Das kommt noch hinzu. Das heißt,
wir können in diesem Bereich – ich bitte hierbei alle um
Unterstützung – sehr viele Projekte fördern.

Noch eines zu Ihnen, Herr Luther. Sie sprachen an, was
man in diesem Bereich für Jugendliche tun soll. Ich weiß
nicht, ob Sie zur Kenntnis genommen haben, dass von den
Geldern für das JUMP-Programm – das sind immerhin
2 Milliarden DM – mittlerweile 50 Prozent, also 1 Milli-
arde DM, neben dem, was wir sowieso an Sonderpro-
grammen zur Finanzierung von Ausbildungsplätzen ha-
ben, in die neuen Länder fließen. Ich denke, ein solches
Ergebnis kann sich sehen lassen.

Die knappe Redezeit erlaubt es mir nicht, noch näher
auf den Zivildienst einzugehen. Aber, Herr Dörflinger,
rechnen sollte man noch können. Wir haben 124 000 im
Jahresdurchschnitt, das heißt 140 000 einberufene Zivil-
dienstleistende. Das muss man auseinander halten. Die
Regelung, die wir gefunden haben, ist vernünftig. Wir ha-
ben noch einige Möglichkeiten. Sie werden zu gegebener
Zeit dem Hause vorgestellt. Dann können wir das weiter
diskutieren.

Ich möchte mich zum Schluss bei all denjenigen be-
danken, die mich im zuständigen Fachausschuss und
natürlich auch im Haushaltsausschuss bei der politischen
Arbeit unterstützt haben.

Ich denke, das, was wir geschafft haben, kann sich se-
hen lassen. In den nächsten zwei Jahren haben wir noch
genug zu tun. Herr Dörflinger, ich weiß nicht, was daran
schädlich ist, wenn man Vorhaben hat.

Danke.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413511900
Ich schließe da-
mit die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 17
des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen
und Jugend in der Ausschussfassung. Hierzu liegen Än-
derungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
CDU/CSU auf Drucksache 14/4740? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen
von CDU/CSU und PDS bei Enthaltung der F.D.P. abge-
lehnt worden.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/4741? – Wer stimmt dagegen? –




Bundesministerin Dr. Christine Bergmann

13119


(C)



(D)



(A)



(B)


Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stim-
men des ganzen Hauses gegen die Stimmen der PDS, die
natürlich zugestimmt hat, abgelehnt worden.

Abstimmung über den Einzelplan 17 in der Ausschuss-
fassung. – Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Gibt es
Enthaltungen? – Der Einzelplan 17 ist damit mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der
gesamten Opposition angenommen worden.

Ich rufe jetzt die Einzelpläne 07 und 19 auf:
III. 9 hier: Einzelplan 07

Bundesministerium der Justiz
– Drucksachen 14/4507, 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Carsten Schneider
Albrecht Feibel
Matthias Berninger
Dr. Werner Hoyer
Heidemarie Ehlert

III. 10 hier: Einzelplan 19
Bundesverfassungsgericht

– Drucksache 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Carsten Schneider
Albrecht Feibel
Matthias Berninger
Dr. Werner Hoyer
Dr. Christa Luft

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die
Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen
Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der
Abgeordnete Albrecht Feibel.


Albrecht Feibel (CDU):
Rede ID: ID1413512000
Frau Präsidentin!
Meine verehrten Kolleginnen! Verehrte Kollegen! Es be-
steht sicherlich Einigkeit aller demokratischen Parteien in
diesem Hohen Hause, dass Rechtsextremismus nicht ge-
duldet werden darf. Aufrechte Demokraten dürfen nicht
wegschauen, wenn Menschen Opfer rechtsextremisti-
scher Gewalt zu werden drohen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Gegen rechtsextremistische Gewalt sind Demonstra-
tionen eine Sache, eine andere ist unsere Aufgabe, die ei-
gentlichen Ursachen dieser Gewaltbereitschaft zu erfor-
schen. Inwieweit kommen Eltern, Schulen, Medien,
Politik und gesellschaftliche Gruppen ihrer Verantwor-
tung nach, junge Menschen so zu erziehen, dass sie eben
nicht für rechtsextremistische Aktionen, Organisationen
und Gewalt anfällig werden?

Leider werden wir – trotz aller Anstrengungen – auch
in Zukunft mit extremistischer Gewalt rechnen müssen.
Deshalb ist es grundsätzlich richtig, dass es im Einzel-
plan 07, im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der

Justiz, die Bereitstellung von 10 Millionen DM für Härte-
leistungen für Opfer extremistischer Gewalt gibt.

Wir werden aber in Zukunft, wie in der Vergangenheit,
mit extremistischer Gewalt unterschiedlicher Hinter-
gründe zu rechnen haben. Es wird neben der rechtsextre-
mistischen Gewalt auch weiterhin eine linksextremisti-
sche Gewalt geben. Es wird Gewalt aus religiöser
Motivation geben. Es wird Gewalt geben, die weder einen
politischen, noch einen religiösen Hintergrund hat.

Menschen, die Opfer rechtsextremistischer Gewalt
werden, und nur diese, sollen nach dem vorliegenden
Haushaltsplan Härteleistungen erhalten, so will es die Ko-
alition von SPD und Bündnis 90/Die Grünen. Opfer jeg-
licher anderer extremistischer Gewalt dagegen werden
leer ausgehen.

Das widerspricht dem grundgesetzlich verbrieften
Recht auf Gleichbehandlung aller Bürger in unserer Re-
publik.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Funke [F.D.P.])


Sie wollen hier ein Gesetz zur Ungleichbehandlung ver-
abschieden. Damit schaffen Sie eine Zweiklassenge-
sellschaft von Opfern extremistischer Gewalt. Hinzu
kommt, dass die Koalitionsparteien in den Erläuterungen
zu diesem Mittelansatz ausführen: „Die Prüfung der Vo-
raussetzungen und Auszahlung der Mittel sollen dem
Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof oblie-
gen.“ Weiter heißt es, dass zur Soforthilfe Mittel bereit-
gestellt werden sollen. Soforthilfe bedeutet für die Koali-
tion, dass diese Hilfe erst nach eingehender Prüfung der
Tätermotivation gewährt werden kann, weil zuerst
geprüft werden muss, ob es sich bei dem Übergriff um
rechts, links oder religiös motivierte Gewalt handelt oder
ob „nur“ ein Opfer mafioser, erpresserischer Gewalt zu
beklagen ist.

Erst nach eingehender Prüfung, die möglicherweise
Monate in Anspruch nimmt, wollen Sie von der Regie-
rungskoalition Ihre so genannte Soforthilfe den Opfern
zukommen lassen. Wenn Sie den Hintergrund der Tatbe-
gehung nicht aufklären können, wird im Zweifel gegen
das Opfer entschieden. Damit schaffen Sie eine Zwei-
klassengesellschaft von Opfern. Sie teilen in gute und
schlechte Opfer ein; Opfer rechtsextremistischer Gewalt
sind die guten Menschen, denen man helfen muss, und
Opfer linksextremistischer Gewalt oder Opfer religiös
motivierter Straftaten sind schlechte Menschen, die zu
kurz kommen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion lehnt
deshalb den Einzelplan 07 in dieser Fassung ab.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gibt einen zweiten wichtigen Grund, warum wir die-

sen Einzelplan ablehnen: In vielfacher Hinsicht haben so-
wohl die Regierungskoalition als auch die Regierung
selbst bekundet, dass die Personalsituation beim Deut-
schen Patent- und Markenamt ganz dringend verbes-
sert werden muss. Das DPMA leidet seit geraumer Zeit
unter einer gewaltigen Zunahme der Patent- und Marken-
anträge einerseits und einer völlig unzureichenden Perso-




Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer
13120


(C)



(D)



(A)



(B)


nalausstattung andererseits. Das ist ein absolut unerträgli-
cher Zustand.

Bedenkt man, dass heute Erfindungen in verhältnis-
mäßig kurzer Zeit überholt sein können und durch neue
Entwicklungen ersetzt werden, kann ein Erfinder ange-
sichts der immensen Wartezeiten seine Erfindung kaum
noch angemessen vermarkten. Dadurch wirkt das DPMA
ungewollt wie eine Innovationsbremse. Vor dem Hinter-
grund der noch immer angespannten Lage auf dem deut-
schen Arbeitsmarkt müsste die Bundesregierung bestrebt
sein, das Gegenteil zu erreichen: Gas geben anstatt brem-
sen. Wir brauchen eine schnellere Bearbeitung der Patent-
anträge und damit eine Lösung der Innovationsbremse.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Die jetzt vorgesehene Personalaufstockung um netto
21 Stellen ist der berühmte Tropfen auf den heißen Stein.
In Vorgesprächen waren sowohl das Bundesfinanzminis-
terium als auch das Bundesjustizministerium der Auf-
fassung, dass eine Personalaufstockung um mindestens
43 qualifizierte Mitarbeiter anzustreben ist, um das Pro-
blem einigermaßen in den Griff zu bekommen.

Völlig unverständlich ist uns von der CDU/CSU-Frak-
tion die ablehnende Haltung der Koalition bei den Bera-
tungen im Haushaltsausschuss und hier im Plenum. Sie
vergießen, wenn Sie die Personalsituation beim Patent-
und Markenamt ansprechen, immer wieder Krokodilsträ-
nen und die sind bekanntermaßen nicht ernst zu nehmen.
Völlig unverständlich wird die Haltung der Koalition
– und natürlich auch Ihre Haltung, Frau Minister –, wenn
man bedenkt, dass das DPMA seine Ausgaben eigentlich
selbst finanziert. Für die zu bearbeitenden Anträge wer-
den entsprechende Gebühren fällig und vereinnahmt. Das
heißt, je mehr Anträge bearbeitet werden, desto mehr
Geld kommt in die Kasse.

Nun hat die Justizministerin auch noch dafür gesorgt,
dass diese Gebühren kräftig erhöht wurden. Gleichzeitig
sind Sie aber nicht bereit, das DPMA in die Lage zu ver-
setzen, die nunmehr auf über 100 000 Überhänge ange-
stiegene Zahl der Anträge in einem angemessenen Zeit-
raum abzuarbeiten. Mit Ihrem Verhalten schaden Sie den
Erfindern, der deutschen Wirtschaft und auch dem Ar-
beitsmarkt und betätigen und profilieren sich als Innova-
tionsbremser.

Wenn ich den Bundeshaushalt 2001 insgesamt be-
trachte, so verstehe ich die Rechnung des Bundesfinanz-
ministers – er ist leider nicht da – ganz und gar nicht. 1998
– der Haushalt wurde von der CDU/CSU und von der
F.D.P. verantwortet – beliefen sich die Ausgaben auf
457 Milliarden DM. Im Jahre 2001 werden es 479 Milli-
arden DM sein. Das sind bekanntermaßen mehr als
457 Milliarden DM. Aber die Steuereinnahmen, die 1998
noch 341 Milliarden DM betrugen, steigen nach der Pla-
nung der derzeitigen Regierung im Jahr 2004 auf 446Mil-
liarden DM an. Das bedeutet, auf der Grundlage von 1998
gerechnet, 105 Milliarden DM mehr Steuern, die die Bür-
ger zu zahlen haben. Der Bundesfinanzminister will,
großzügig wie er ist, eine Entlastung von 43 Milli-
arden DM durchbringen. Das bedeutet für die Bürger eine

zusätzliche Belastung von rund 60Milliarden DM. Da der
Haushalt in diese Richtung zeigt, können wir ihm nicht
zustimmen.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413512100
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Carsten Schneider.


Carsten Schneider (SPD):
Rede ID: ID1413512200
Frau Präsidentin! Sehr
geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin, wenn wir
heute Abend abschließend über den Haushalt des Einzel-
plans 07, also über den Etat des Bundesjustizminis-
teriums, debattieren, so müssen wir auch diesen kleinen
Etat im Zusammenhang mit der Haushaltspolitik des Bun-
des sehen. Ohne wieder zu den grundsätzlichen Debatten
der Finanz- und Haushaltspolitik zurückkehren zu wollen,
möchte ich doch die von allen Seiten – ich betone: wirk-
lich von allen Seiten – gelobte Konsolidierungs- und Re-
formpolitik von Rot-Grün am Beispiel des Justiz-
haushaltes erläutern.

Zuvor möchte ich noch sagen, dass es mir als Vertreter
der jungen Generation ein besonderes Anliegen ist, dass
wir mit unserer Haushaltspolitik den eingeschlagenen
Pfad der Konsolidierung voranschreiten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt verschiedene Theorien über die Vor- und Nachteile
öffentlicher Kreditaufnahme. Eines steht aber fest: Die
Schulden werden von Bürgern zurückgezahlt, die nicht in
den Entscheidungsprozess eingebunden waren. Entweder
waren sie zu jung, um zu wählen, oder sie waren noch
nicht einmal geboren. Daher bedarf es der Nachhaltigkeit
auch in der Finanz- und Haushaltspolitik,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


und zwar Nachhaltigkeit in dem Sinn, dass Haushaltspo-
litik immer die Auswirkungen auf die Gestaltungsspiel-
räume der kommenden Generationen im Blick hat. Schul-
den schränken die Handlungsfähigkeit kommender
Generationen ein, ja sie schränken deren Freiheit ein.
Mein Verständnis als Mitglied des Haushaltsausschusses
und als Berichterstatter für den Justizetat ist daher von
dem Bestreben eines auf Nachhaltigkeit ausgerichteten
Bundeshaushaltes wie – soweit das eben möglich ist –
auch Justizhaushaltes geprägt.

Der uns vorliegende Justizhaushalt verbindet wie der
ganze Bundeshaushalt als solcher Konsolidierung mit Re-
formen. Das heißt ganz konkret: Der Haushalt der Justiz
reagiert sehr schnell auf Veränderungen in Gesellschaft
und Wirtschaft. Er unterstützt dabei lobenswerte Verän-
derungen im wissenschaftlich-technischen Bereich und er
leistet sogar einen Beitrag gegen den Rechtsextremismus
an einer Stelle, die ich für sehr wichtig halte und auf die
ich in meiner Rede noch zurückkommen werde.

Die Beratungen im Haushaltsausschuss zum Einzel-
plan 07 waren von einer sehr zielgerichteten und kolle-
gialen Haltung aller Beteiligten geprägt. Das Ergebnis




Albrecht Feibel

13121


(C)



(D)



(A)



(B)


dieser Beratungen sieht für den Haushalt des Bundesmi-
nisteriums der Justiz Einnahmen in Höhe von 516,8 Mil-
lionen DM vor. Dem stehen Ausgaben in Höhe von
680,2 Millionen DM gegenüber. Die im Haushaltsaus-
schuss beschlossenen Mehrausgaben sind damit zwar um
14 Millionen DM höher als im Regierungsentwurf vorge-
sehen. Aber sie sind durch eine Einnahmenerhöhung pla-
fondneutral finanziert worden. Damit sind die Ausgaben
um 13Millionen DM geringer als die, die für das laufende
Jahr eingestellt sind. Sie sind zum einen das Ergebnis ad-
äquater Sparanstrengungen und beruhen zum anderen auf
dem Rückgang der Bauinvestitionen, der sich auf den
Baufortschritt in einigen Liegenschaften zurückführen
lässt.

Wir stellen mit Freude fest, dass der Kostenplan für den
Umbau des ehemaligen Reichsgerichtsgebäudes in Leip-
zig eingehalten werden kann, dass unsere Vorschläge zur
Reduzierung der Kosten umgesetzt wurden und dass so-
gar noch weitere Einsparungen möglich sind. Wir werden
den Umbau natürlich weiterhin mit argwöhnischem Auge
überwachen. Wir hoffen, dass das Gerichtsgebäude 2002
fertig gestellt ist, sodass das Bundesverwaltungsgericht
einziehen kann.

Die Personalausgaben liegen mit knapp 440 Milli-
onen DM in etwa so hoch wie die im Haushalt für 2000.
Damit machen die Personalausgaben mit 64 Prozent zu-
sammen mit den personengebundenen Sachausgaben bei
insgesamt 80 Prozent des Gesamthaushalts für den Justiz-
bereich aus. Das ist so hoch wie in kaum einem anderen
Ressort. Diese Zahl verdeutlicht auch, unter welch
schwierigen Bedingungen dem Konsolidierungspfad der
Haushaltspolitik Rechnung getragen werden muss. Ich
verstehe die zunehmenden Probleme, die sich für das Mi-
nisterium aus der linearen Stelleneinsparung ergeben. So
waren wir alle mehr als erstaunt, als wir im Berichterstat-
tergespräch erfuhren, dass allein in diesem Jahr über
25 000 Überstunden verfallen. Ich denke, dass dies auf
Dauer nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. Aber
das zeigt auch die sehr hohe Leistungsbereitschaft der
Mitarbeiter des Justizministeriums, denen ich dafür aus-
drücklich danken möchte.


(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)

Lassen Sie mich nun auf Veränderungen eingehen, die

wir beim Deutschen Patent- und Markenamt – Herr
Kollege Feibel hat das schon angesprochen – vorgenom-
men haben. Ich möchte an dieser Stelle zuerst darauf
eingehen, wie sich die Situation des DPMA dargestellt
hat, als 1998 die Bundesregierung wechselte. Das DPMA
hatte von 1991 bis 1999 einen Rückgang der Zahl der Be-
schäftigten um 13,4 Prozent zu verzeichnen. Herr Feibel,
Sie waren mit dabei, als wir das Amt in München besucht
haben, und konnten vor Ort prüfen, wie sich der Perso-
nalbestand entwickelt hat. Wir waren meines Erachtens in
dieser Zeit nicht an der Regierung. Daher kann ich die
Kritik, die Sie vorgebracht haben, nicht in Gänze verste-
hen. Aber ich kann sie durchaus nachvollziehen. Sie wa-
ren zwar genau wie ich damals – leider – nicht Mitglied
dieses Parlaments. Aber zumindest Ihre Fraktion muss
sich vorhalten lassen, dass ihre jetzigen Mehrausgaben-
forderungen ihrer damaligen Politik entgegenstehen.

Die Zahl der Beschäftigten ging zurück, die Zahl der
Markenprüfer sogar um 19,3 Prozent. Im Gegensatz dazu
stieg die Zahl der Patentanmeldungen um 225 Prozent.
Durch technische Neuerungen ist es gelungen, den Mitar-
beitern des DPMA ihre Arbeit zu erleichtern und die Effi-
zienz ihrer Arbeit zu steigern. Aber das reicht nicht aus,
keine Frage. Deshalb sage ich nicht ohne Stolz, dass
es unsere Haushaltspolitik in den letzten zwei Jahren war
– das wird auch weiterhin so sein; das sage ich dem
DPMA zu –, die dem Patent- und Markenamt wieder die
Geltung verschafft hat, die es auf dem Gebiet des ge-
werblichen Rechtsschutzes eigentlich verdient.


(Beifall bei der SPD)

Deutschland ist für seine Erfinder- und Ingenieursleis-

tungen bekannt. Das Markenzeichen „made in Germany“
steht weltweit noch immer für erstklassige Produkte. Dass
das so bleibt und noch intensiviert wird, damit junge Men-
schen und somit die gesamte Gesellschaft die Möglichkeit
bekommen, kreative und innovative Arbeit anzunehmen,
sehe ich als einen wichtigen Beitrag an, um die Position
Deutschlands als Entwickler- und Forscherland zu stär-
ken.

Die Stärkung des Deutschen Patent- und Markenamtes
ist nachhaltige Politik im wahrsten Sinne des Wortes und
der beste Beweis dafür, dass trotz der Vorgaben des Ein-
zelplans 07 die Möglichkeit besteht, eine Haushaltspolitik
zu betreiben, die im Ergebnis zu einer Verbesserung des
Wirtschafts- und Wissenschaftsstandorts Deutschland
führen wird.


(Beifall bei der SPD)

Um ein Zitat des früheren Bundesfinanzministers Karl
Schiller etwas abzuändern: Wir sparen da, wo es mög-
lichst sinnvoll ist, und wir investieren da, wo es nötig ist.

Natürlich reicht das Plus von 49 Stellen – Herr Kollege
Feibel, es sind 49 Stellen, die wir in diesem Jahr neu
schaffen; das DPMAhatte nur 43 Stellen gefordert – nicht
aus, um die gesamte Bugwelle abzuarbeiten; da bin ich
mir sicher. Allerdings wissen Sie auch, dass der Arbeits-
markt gerade im Bereich der Patentprüfer nicht sehr viel
hergibt und dass es deshalb schwer genug werden wird,
diese 49 Stellen im Laufe des Jahres zu besetzen und die
neuen Mitarbeiter einzuarbeiten. Ich glaube aber, dass
dies eine gute und mit Augenmaß getroffene Entschei-
dung der Koalitionsfraktionen war.

Mehr Personal ist jedoch nicht alles. Daher haben wir
auch zusätzliche 4 Millionen DM zur Stärkung des
DEPATIS-Systems beschlossen. Dieses elektronische Ar-
chiv- und Recherchesystem, welches dem DPMAund der
Öffentlichkeit dient, ist obendrein auch zur Sicherstellung
der internationalen Kooperation im Patentwesen ausge-
sprochen nützlich.

Der Haushalt des Einzelplans 07 hat sich gegenüber
dem Regierungsentwurf aber auch an anderen Stellen ver-
ändert. Als Beispiel hierfür möchte ich den Arbeitsstab
zur Beilegung internationaler Konflikte in Kindschafts-
sachen nennen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





Carsten Schneider
13122


(C)



(D)



(A)



(B)


Hier hat das Ministerium rasch reagiert und die Voraus-
setzungen für die Bildung eines Arbeitsstabes, befristet
auf drei Jahre – wie ich gehört habe, hat er bereits am
Montag in Paris getagt –, geschaffen. Dieser soll vor al-
lem im Interesse der Kinder helfen, akzeptable Lösungen
für alle Beteiligten zu finden.

Als nächsten Punkt nenne ich den nächste Woche er-
folgenden Gründungsbeschluss für ein Deutsches Insti-
tut für Menschenrechte.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir kommen damit einerseits unserer Koalitionsverein-
barung und andererseits internationalen Verpflichtungen
nach. Wir tragen damit der weltweit steigenden Bedeu-
tung der Menschenrechte Rechnung und unterstreichen
die Förderung der Menschenrechte als Leitlinie unserer
Außenpolitik.


(Beifall bei der SPD)

In diesem Zusammenhang möchte ich der Ministerin
nochmals für ihre Initiative des Deutsch-Chinesischen
Rechtsdialogs danken.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In den Haushaltsberatungen wurde kritisiert, dass wir

die Mittel im Bereich der Forschung ein weiteres Mal er-
höht haben. Wir haben das getan, weil wir zu den dank der
so tatkräftigen Justizministerin umfangreichen Reform-
vorhaben der Bundesregierung auch eine begleitende For-
schung benötigen, ein Teil des Geldes aber noch durch die
Vorhaben der Vorgängerregierung gebunden ist.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Hört! Hört! Habt Ihr das alle gehört?)


Beim Institut für Ostrecht, von dessen Nützlichkeit
wir uns als Berichterstatter vor Ort überzeugt haben,
wurde der Haushaltsvermerk ausgebracht, dass ein Teil
der zusätzlichen Einnahmen im Institut verbleibt. Damit
ist diesem Institut ein Anreiz gegeben, noch mehr Dritt-
mittel einzuwerben, die dann letztendlich auch im Institut
– in die Bibliothek – investiert werden können.


(Dr. Werner Hoyer [F.D.P.]: Sehr gut!)

In der ersten Lesung zum Bundeshaushalt hat die Mi-

nisterin auf eine Anregung des Kollegen Hoyer – man
sieht daran, dass die SPD auch auf gute Vorschläge der
F.D.P. eingeht – davon gesprochen, dass das Recht auf der
Seite der Schwächeren stehen muss. Ich kann ihr da nur
zustimmen und bin nicht zuletzt aus diesem Grund stolz,
dass wir eine Soforthilfe für Opfer rechtsextremistischer
Überfälle geschaffen haben. Wir setzen damit ein Zei-
chen, dass der Staat und die Gesellschaft konsequent ge-
gen rechtsextremistische Übergriffe vorgehen. Zur ver-
fassungsrechtlichen Einordnung dieser Soforthilfe wird
die Ministerin wohl später noch etwas beitragen. Ich
möchte hier nur so viel sagen: Wer auf der einen Seite bür-
gerschaftliches Engagement als Voraussetzung für eine
erfolgreiche Bekämpfung des Rechtsextremismus for-
dert, der muss auf der anderen Seite auch bereit sein, sie
zu fördern. Es ist gut, dass die Bundesregierung hierfür
Geld bereitstellt und auch die Opfer von Gewalt im Auge
hat.

Herr Feibel, ich habe – um noch einmal auf Ihre vorhin
gemachten Ausführungen einzugehen – im Ausschuss
ganz deutlich gesagt, dass im Zweifelsfalle – wenn nicht
klar ist, ob es ein rechtsextremistischer Anschlag ist, wie
das in Düsseldorf der Fall ist – zugunsten der Opfer ent-
schieden wird. Ich sehe dieses Geld, die 10Millionen DM
für die Entschädigungen, als wichtiges politisches Zei-
chen nach außen an, dass wir uns nicht nur um die Präven-
tion, sondern auch um die Opfer rechtsextremistischer
Gewalt kümmern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Als ich 1998 Berichterstatter für diesen Einzelplan
wurde, hätte ich nicht gedacht, dass die Etatisierung einer
solchen Soforthilfe in diesem Einzelplan nötig sein wird.
Ich hätte auch nicht gedacht, dass meine Heimatstadt
Erfurt dadurch an Bekanntheit gewinnt, dass am 20.April
dieses Jahres rechtsextremistische Jugendliche einen
Brandanschlag auf die dortige Synagoge verübten. Ich
hätte vor allen Dingen nicht gedacht, dass ein solcher
heimtückischer Anschlag in Erfurt überhaupt denkbar ist.
Er hat aber einmal mehr gezeigt, dass unsere Demokratie
verteidigt werden muss. Dafür tragen wir alle Verantwor-
tung.

Unsere Politik muss klarmachen, dass wir Antisemitis-
mus, Ausländerfeindlichkeit, Rechtsextremismus und In-
toleranz keine Chance geben. Und wir müssen klarma-
chen, dass wir mit unseren jüdischen Mitbürgerinnen und
Mitbürgern, mit den hier lebenden Ausländerinnen und
Ausländern und mit denen, die Opfer von Gewalttaten ge-
worden sind, solidarisch sind. Wir müssen unseren Wor-
ten auch Taten folgen lassen. Daher ist die nun vor-
gesehene Opferentschädigung der richtige Weg.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bei dem Anschlag in Erfurt wurde kein Mensch ver-
letzt, weil die Brandsätze nicht zündeten. Es hätte aber
Opfer geben können, wie es beispielsweise in Düsseldorf
geschehen ist. Deshalb ist es wichtig, dass den Opfern die
benötigte Hilfe schnell zuteil werden kann.

Zum Schluss meiner Rede möchte ich den Kolleginnen
und Kollegen Mitberichterstattern für die konstruktive
Zusammenarbeit danken. Ich möchte auch der Frau Mi-
nisterin, dem Herrn Staatssekretär und deren Mitarbeitern
im Justizministerium sowie den Mitarbeitern des Bundes-
verfassungsgerichts danken.


(Ulla Jelpke [PDS]: Das hat sonst der Herr Marschewski gemacht!)


Es ist viel wert, wenn ein Ministerium von einer allseits
kompetenten, von Juristen und Nichtjuristen geachteten
Persönlichkeit geleitet wird. Sie werden jetzt vielleicht
fragen, warum ich das so betone. Das ist in den jeweiligen
Bundesländern nicht selbstverständlich. Rechtspolitische
Differenzen liegen in der Natur der Sache. Wer das Ver-
trauen der gesamten thüringer Justiz durch seine Einfluss-
nahme in laufende Verfahren, so wie es der thüringer Jus-
tizminister Birkmann getan hat, missbraucht hat, der




Carsten Schneider

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(C)



(D)



(A)



(B)


sollte die Größe haben, die Konsequenzen zu ziehen und
sich zu verabschieden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413512300
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Rainer Funke.


Rainer Funke (FDP):
Rede ID: ID1413512400
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren! Gerade die Vorkommnisse der letzten
Wochen und Monate zeigen, wie wichtig die rechtsstaat-
liche Ordnung für unser Gemeinwesen ist. Das Bundes-
ministerium der Justiz hat dabei eine zentrale Funktion,
obwohl der Etat des Justizministeriums eher von geringer
Bedeutung ist, was sicherlich auch an der föderalen Ord-
nung in der Bundesrepublik liegt, da die Justizverwal-
tungen Organe der Länder sind.

Aber überall stellen wir fest, dass trotz des Rufens nach
Recht und Ordnung, nach Rechtsstaatlichkeit, die Finanz-
minister von Bund und Ländern versuchen, die Justiz-
haushalte zu kürzen und Personaleinsparungen vorzuneh-
men. Dies ist sicherlich der falsche Weg, wenn man den
Rechtsstaat erhalten oder gar ausbauen will.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Innere und äußere Sicherheit sowie das Justizwesen sind
Kernaufgaben des Staates. An dieser Stelle zu sparen be-
deutet sicherlich, am falschen Ende zu sparen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Auch die so genannte Justizreform, die am Freitag in

erster Lesung für eine halbe Stunde im Deutschen Bun-
destag beraten werden darf – eine halbe Stunde ist für eine
wichtige Reform, die sie sein soll, ja „angemessen“ –, hat
zumindest im Ansatz fiskalische Ursprünge der Ein-
sparung gehabt und hat sie eigentlich noch heute. Den
Rechtsschutz des Bürgers zu verkürzen ist sicherlich der
falsche Weg, wenn man den Rechtsstaat stärken will.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P. und der CDU/CSU)


Mit Sorge sieht meine Fraktion, dass die Justizministe-
rin immer wieder versucht, ihre Gesetzesvorhaben durch
den Rechtsausschuss zu peitschen. Selbst bessere Ein-
sichten aufgrund von Anhörungen im Rechtsausschuss
und Diskussionen in Berichterstattergesprächen werden
nicht berücksichtigt. Vom Justizministerium wird Druck
auf die Kollegen, beispielsweise auf die der SPD, aus-
geübt. Es wäre wünschenswert, wenn wir im Rechtsaus-
schuss zur kollegialen Zusammenarbeit, wie es sich unter
Juristen eigentlich gehört, zurückkehrten.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Norbert Geis [CDU/CSU]: Da kann man nicht laut genug klatschen!)


Das Niederstimmen der Opposition hilft bei der Erar-
beitung von Gesetzen nicht immer weiter. Ein gewisses
Verständnis kann man sicherlich dafür haben, dass man
nach 26 Jahren Arbeit als Abgeordnete – später auch als
Oppositionspolitikerin – nunmehr Erfolgserlebnisse in

der Form haben möchte, dass diese Gesetze schnell ins
Bundesgesetzblatt kommen. Das darf aber nicht zulasten
der gründlichen Erarbeitung, vor allem nicht zulasten der
Kollegialität im Rechtsausschuss gehen.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Die Justizreform allerdings wird sicherlich kein Er-

folgserlebnis für Sie werden, Frau Ministerin,

(Alfred Hartenbach [SPD]: Das wollen wir ab warten!)

da alle im Justizbereich Tätigen gegen dieses so genannte
Reformvorhaben sind. Dasselbe Schicksal könnte auch
die Schuldrechtsreform erleiden, wenn man versucht,
auch sie durch die Parlamentsgremien zu peitschen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, peitschen!)


Eine so grundlegende Reform bedarf gründlichster, auch
wissenschaftlicher Begleitung. Unter Hinweis auf umzu-
setzende Richtlinien der EU Druck zu machen dient nicht
der Sache. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen
Schuldrechtsreform und den umzusetzenden Richtlinien
besteht ohnehin nicht; das wissen Sie ganz genau, Herr
Hartenbach.

Die F.D.P.-Fraktion begrüßt, dass durch die Initiative
auch meiner Fraktion – Herr Hoyer ist ja hier – die Zahl
der Personalstellen beim Deutschen Patent- und Mar-
kenamt erhöht worden ist. Das Patent- und Markenamt
bietet eine für unsere Wirtschaft unentbehrliche Dienst-
leistung. Wir werden sehr genau beobachten, ob es durch
diese Stellenvermehrung gelingt, den erheblichen Rück-
stau aufzulösen, und sagen hierfür auch unsere Hilfe zu.
Wir teilen Ihre Kritik, Herr Kollege Feibel, nicht ganz; wir
sind vielmehr froh, dass wir durch gemeinsame Anstren-
gungen diese Stellen bekommen haben. Ich hoffe, dass
dadurch wenigstens Teile des Rückstaus abgebaut werden
können.

Mit Sorge sehe ich jedoch, dass die Bundesregierung
noch immer kein Konzept für die internationale rechtli-
che Beratung entwickelt hat. Zunehmend haben sowohl
Industrieländer als auch Entwicklungsländer und die
MOE-Staaten ein Interesse daran, sich mit unserer deut-
schen Rechtsordnung auseinander zu setzen und Gesetze
zu übernehmen. Die Zuständigkeit für diese Beratung ist
aber in der Bundesregierung nach wie vor zersplittert. Ich
habe schon vor zwei Jahren angeregt, die Beratung kon-
zentriert im Bundesjustizministerium anzusiedeln. Dort
wäre diese rechtliche Beratung am besten aufgehoben und
dort könnte ein Konzept entwickelt werden.


(Beifall des Abg. Dr. Klaus Kinkel [F.D.P.])

Ich frage mich nur, warum dies nicht geschieht. Das sollte
nun endlich in Angriff genommen werden.


(Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. Norbert Geis [CDU/CSU])


Lassen Sie mich abschließend zur Insolvenzordnung
kommen.

Die 1994 verabschiedete und seit dem 1. Januar 1999
in Kraft getretene Insolvenzordnung hat sich im Prinzip
bewährt. Sie ist seinerzeit gründlich vorbereitet und auch




Carsten Schneider
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von der damaligen Opposition – auch von Ihnen, Frau
Justizministerin; Sie haben zum Teil an den Berichterstat-
tergesprächen teilgenommen – unterstützt worden. Ich
glaube, es ist ein gutes Gesetz geworden. Das damals ein-
geführte Institut für Verbraucherinsolvenz und der Rest-
schuldbefreiung ist im Prinzip richtig, auch wenn es in
den vergangenen Monaten bei den Vorverfahren, also ins-
besondere bei den Schuldnerberatungsstellen, zu Engpäs-
sen gekommen ist. Dies liegt im Wesentlichen an den
Bundesländern, die diesen Flaschenhals nicht durch ent-
sprechende finanzielle Spritzen erweitert haben. Mit an-
deren Worten, es fehlt schlicht am Geld und es ist auch
von den Ländern – auch weil man sparen wollte – schlecht
vorbereitet worden. Das gilt für alle Länder. Am Prinzip
der Verbraucherinsolvenz und an den Restschuldverfah-
ren werden wir nicht rütteln lassen; denn wir wollen, dass
den zwei Millionen überschuldeten Haushalten und deren
Familienangehörigen eine Perspektive für ihr künftiges
Leben gegeben wird. Deswegen werden wir dort, wo es
zu Fehlentwicklungen gekommen ist, an einer Novellie-
rung der Insolvenzordnung tatkräftig mitwirken. Ich
glaube aber, dass die Insolvenzordnung insgesamt gut ist.

Abschließend danke ich den Mitarbeiterinnen und Mit-
arbeitern des Bundesministeriums der Justiz für ihre nicht
immer leichte Arbeit und hoffe auch für das nächste Haus-
haltsjahr auf konstruktive Gespräche.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413512500
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Volker Beck.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413512600

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Diese rot-
grüne Koalition steht für einen entschlossenen und kon-
sequenten Kampf gegen den Rechtsextremismus. Das
belegt auch der Justizhaushalt für das nächste Jahr:
10 Millionen DM werden Opfern rechtsextremistischer
Übergriffe künftig als Soforthilfe zur Verfügung stehen.
Auch wenn in diesem Zusammenhang letzte juristische
Fragen, etwa das Verhältnis zu anderen Ausgleichsan-
sprüchen wie dem Opferentschädigungsgesetz, noch im
Detail geklärt werden müssen, steht fest, dass diese Ko-
alition es nicht hinnehmen wird, dass die Opfer des brau-
nen Mobs nur deshalb leer ausgehen, weil den Tätern in
aller Regel die Mittel zur Wiedergutmachung des Scha-
dens fehlen. Dort, wo aus humanitären Gründen zügige
und unbürokratische Hilfe geboten ist, werden wir die
Opfer nicht auf den Rechtsweg verweisen. Auch das zeugt
von verantwortungsvoller Rechtspolitik.

Meine Damen und Herren, es hat mich doch sehr ver-
wundert, dass Herr Feibel hier gesagt hat, er sei gegen
diese Soforthilfe, weil wir hier Opfern rechtsextremis-
tischer Gewalt einen besonderen Zugang zur Opfer-
entschädigung ermöglichen. Ich bin über seine Äußerun-
gen sehr erstaunt. Sein brandenburgischer Kollege, der
Justizminister Schelter, fordert seltsamerweise genau für
diesen Bereich Strafverschärfungen.


(Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/ CSU]: Gerade den wollt ihr doch zum Rücktritt auffordern! Ihr seid komische Leute!)


Da kann man auf einmal rechtsextremistische Gewalt sehr
genau definieren – oder meint es zumindest. Wenn es aber
um die Opfer geht, geht dieses auf einmal nicht mehr.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Norbert Geis [CDU/CSU]: Das sind zwei Paar Stiefel, Herr Beck! Sie können nicht unterscheiden!)


Wir als Politiker haben die Bevölkerung draußen im
Lande aufgefordert, aufzustehen, Zivilcourage zu zeigen
und einzuschreiten. Wenn aber jemand einmal einschrei-
tet und dabei zum Opfer wird, dann hat er unsere Solida-
rität verdient.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie machen populistische Anträge! – Albrecht Feibel [CDU/ CSU]: Sie sind auf dem linken Auge blind, Herr Beck!)


Wenn wir diese nicht zeigen, dann lassen wir die Men-
schen alleine und dann sind unsere Aufforderungen zur
Zivilcourage leere Phrasen. Hier geht es um die Glaub-
würdigkeit der Politik. Unser Verhalten ist nur konse-
quent.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: Das sind doch Phrasen, die Sie bringen, Herr Beck! – Norbert Geis [CDU/CSU]: Es geht um die Glaubwürdigkeit der Rechtspolitik!)


Meine Damen und Herren, die von der Bundesregie-
rung zusätzlich bereitgestellten Mittel im Kampf gegen
rechts tragen einer alarmierenden Entwicklung Rech-
nung: Über 1 000 Straftaten haben rechtsgerichtete Täter
allein im letzten Monat verübt. Knapp 11 000 Straftaten
waren es seit Jahresbeginn. Rund 600 Menschen wurden
in diesem Jahr von rechten Schlägern verletzt, zwei Per-
sonen sogar getötet. Verharmlosungen sind da nicht ange-
bracht, aber auch kein legislatorischer Aktionismus. Ma-
chen wir uns nichts vor: Weder ein NPD-Verbot durch
Karlsruhe noch irgendwelche, angeblich notwendigen
Gesetzesänderungen würden an dieser Entwicklung ir-
gendetwas nachhaltig ändern: Es gibt keine juristischen
Patentrezepte. Wer aber diesen Eindruck vermittelt, han-
delt meines Erachtens genauso verantwortungslos wie
derjenige, der nichts tut.

Ein Beispiel für verantwortungslose Schaumschlägerei
ist die Gesetzesinitiative aus Brandenburg. Sie vermittelt
den Bürgern unter dem Motto „Der Gesetzgeber wird es
schon richten – Zivilcourage überflüssig!“ ein von Grund
auf falsches Signal. Dabei hat der vergangene Samstag
doch eindrucksvoll gezeigt: Wer es wagt, sich den Rech-
ten in den Weg zu stellen, kann damit Erfolg haben. Diese
Einstellung müssen wir durch unsere Politik fördern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das schafft keine Gesetzesänderung.
Auch die von einigen vorgeschlagene Änderung des

Versammlungsgesetzes hätte übrigens die NPD-
Demonstration am Samstag nicht verhindern können.




Rainer Funke

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(B)


Warum aber in ein Grundrecht von allen eingreifen, wenn
es noch nicht einmal nützt? Wir brauchen keinen Flicken-
teppich befriedeter Bezirke in unserem Land. Den Tri-
umph, dass wir in Deutschland Freiheitsrechte opfern, nur
weil ein paar Neonazis es so wollen, dürfen wir den Rech-
ten nicht gönnen. Wir lassen nicht zu, dass Demokratie
und Rechtsstaatlichkeit eingeschränkt werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413512700
Herr Kollege,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Gehb?


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413512800

Aber gerne doch.


Dr. Jürgen Gehb (CDU):
Rede ID: ID1413512900
Herr Kollege Beck,
ich habe nur die Frage, ob Sie das Verhalten der Gegen-
demonstranten aus der linken bzw. autonomen Szene ge-
gen die NPD-Demonstration eigentlich als besonderen
Ausdruck von Zivilcourage ansehen.


Volker Beck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413513000

Ich sehe es als einen besonderen Ausdruck von Zivilcou-
rage an, wenn viele Bürgerinnen und Bürger auf die
Straße gehen, weil sie wissen, dass der braune Mob durch
die Stadt läuft, und diese Tatsache nicht unwidersprochen
hinnehmen, sondern sich dem entgegenstellen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der PDS)


Wenn einzelne Demonstranten, bei welcher Veranstaltung
auch immer, Straftaten verüben oder irgendwie über die
Stränge schlagen, dann ist das immer zu verurteilen. Wir
haben Gesetze, die für alle gelten. Man darf aber nicht die
Zivilcourage der vielen Bürgerinnen und Bürger, die sich
in Berlin auf die Straße getraut haben, diskreditieren, nur
weil sich einzelne Personen womöglich nicht hundert-
prozentig korrekt verhalten haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Jürgen Gehb [CDU/ CSU]: Ich bin bis jetzt stehen geblieben, obwohl es keine Beantwortung meiner Frage war!)


– Wie ich die Fragen beantworte, die Sie mir stellen, ist
immer noch meine Sache.

Wir brauchen keine neuen Straftatbestände. Der
Straftatbestand der Körperverletzung aus niedrigen Be-
weggründen, wie ihn Herr Schelter vorschlägt, ist über-
flüssig. Jedes Gericht ist schon heute verpflichtet, Frem-
denfeindlichkeit als strafverschärfend im Rahmen der
Strafzumessung zu berücksichtigen. Dann reichen auch
die Strafrahmen aus. Man muss also die bestehenden Ge-
setze nur richtig anwenden. Aber damit hat Herr Schelter,
wie sich in den letzten Wochen zur Empörung der gesam-
ten Richterschaft in Brandenburg gezeigt hat, offenbar
seine liebe Mühe.

Was wir brauchen, ist ein Bündel von Maßnahmen.
Dazu mag auch die Initiative zum Verbot der NPD
gehören. In kriminalpolitischer Hinsicht ist im Kampf ge-
gen Straftaten von rechts eine Trias aus Repression,
Prävention und Resozialisierung der Täter unverzicht-
bar. Der Chef der Staatsschutzabteilung des BKA, Herr
Neidhardt, hat letzte Woche auf der Herbsttagung in Wies-
baden festgestellt: „Hartes Durchgreifen allein ist nicht
ausreichend.“ Recht hat er. Aber dort, wo es geboten ist,
wo hinreichende Verdachtsmomente existieren, da muss
auch konsequent ermittelt und notfalls hart durchgegrif-
fen werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die rot-grüne Reformpolitik läuft auch im Bereich

Kriminalitätsbekämpfung und Erneuerung des Rechts-
staates auf Hochtouren. Wir werden am Freitag Gelegen-
heit haben, über die Justizreform ausführlich zu reden.
Mit der Sanktionenrechtsreform erweitern wir für die
Gerichte das Instrumentarium, um auf kriminelles Ver-
halten angemessen und nachhaltig einzuwirken. Das
unflexible Geld- und Freiheitsstrafensystem aus dem
19. Jahrhundert hat ausgedient. Sanktionen wie Fahrver-
bot und gemeinnützige Arbeit sind manchmal schmerz-
hafter und führen das Unrecht einer Tat besser vor Augen
als die Überweisung eines Geldbetrages.

Diese Sanktionenrechtsreform ist auch eine Reform für
die Opfer und zu ihrem Schutz. Denn: Wenn wie heute in
überfüllten Haftanstalten eine Resozialisierung der Täter
gar nicht mehr möglich ist, dann darf man sich über die
hohen Rückfallquoten nicht wundern. Eine Perle dieser
Reform ist, dass 10 Prozent der Geldstrafen an die Opfer-
hilfe gehen. Wir haben also eine Wende in der kriminal-
politischen Diskussion eingeleitet. Wir reden nicht nur
über die Opfer, sondern wir tun auch etwas für sie.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Am Freitag wird der Bundesrat über ein weiteres wich-
tiges Reformprojekt der rot-grünen Koalition diskutieren.
Es geht um die eingetragene Partnerschaft, die wir hier
auf den Weg gebracht haben. Das Signal ist klar: Die
eingetragene Lebenspartnerschaft wird ihren Weg ins
Bundesgesetzblatt finden. Deshalb ergibt sich für die
Mehrheit des Bundesrates die Notwendigkeit, die rechtli-
chen Konsequenzen im Lebenspartnerschaftsergänzungs-
gesetz zu ziehen und hier nicht aus parteipolitischen
Gründen zu blockieren.

Allgemeine Rechtsgrundsätze müssen auch für ho-
mosexuelle Partnerschaften sowie für die schwulen Bür-
ger und die lesbischen Bürgerinnen dieses Landes gelten.
Zu diesen allgemeinen Rechtsgrundsätzen gehört: Die
Besteuerung muss an der steuerlichen Leistungsfähigkeit
anknüpfen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das haben wir doch alles schon diskutiert! Das müssen Sie doch nicht ständig wiederholen! Er kommt nicht mehr davon los!)


Diese wird durch gesetzliche Unterhaltsverpflichtung
berührt. Die Bedürftigkeitsprüfung im Sozialrecht muss




Volker Beck (Köln)

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(D)



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(B)


gesetzliche Unterhaltsrechte berücksichtigen und einbe-
ziehen. Dies hat auch bei der eingetragenen Partnerschaft
der Fall zu sein. Das Alimentationsprinzip bei Beamten
gilt selbstverständlich auch bei eingetragenen Lebens-
partnern, die Beamte sind. In diesem Land ist immer noch
das Standesamt für Personenstandsfragen zuständig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dem Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz kann
nur derjenige die Zustimmung verweigern, der einen Kul-
turkampf gegen die Rechte von Lesben und Schwulen
führen will. Wie Sie, Herr Geis, vor einigen Wochen zu
diesem Thema gesprochen haben,


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Vor zwei Wochen!)


stößt mittlerweile auch bei immer mehr Mitgliedern in Ih-
rer Partei auf Scham, Entsetzen und Verbitterung.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das haben Sie festgestellt! Nicht ich!)


Ich verweise in diesem Zusammenhang auf den saarlän-
dischen Ministerpräsidenten, der in der „Woche“ gesagt
hat, es habe ihn betroffen gemacht, welche Sätze vonsei-
ten der Unionsfraktion zu diesem Thema gefallen sind.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Norbert Geis [CDU/CSU]: Sagen Sie es doch mal laut!)


– Es waren die Kollegen Geis und Hohmann, die den
Herrn Kollegen Müller betroffen gemacht haben.

Ich finde es gut, dass in der CDU/CSU mittlerweile
eine Debatte beginnt. Ich hoffe deshalb, dass wir hin-
sichtlich der Rechtsfolgen der eingetragenen Partner-
schaft zu einer sachbezogenen Diskussion finden werden,
die zum Ausdruck bringt, dass wir die Rechte von Lesben
und Schwulen in diesem Land respektieren und diesen
auch gesetzgeberisch Rechnung tragen. Ich denke, wir
haben hier eine Riesenchance. Ich hoffe, dass der Bun-
desrat, dessen Bänke heute leider etwas leer sind,


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Etwas?)


am Freitag den Weg für den zweiten Teil der Reform frei
macht.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413513100
Das Wort hat
jetzt die Abgeordnete Sabine Jünger.


Sabine Jünger (PDS):
Rede ID: ID1413513200
Frau Präsidentin! Meine Da-
men und Herren! Sieht man sich die Protokolle der letz-
ten Debatten um den Justizhaushalt an, dann fällt auf, dass
fast alle Rednerinnen und Redner ungeachtet ihrer Frakti-
onszugehörigkeit immer wieder betonen, wie klein, aber
doch fein das Justizministerium ist und wie klein bzw.
schmal auch der dazugehörige Haushalt. Darüber, ob der

Haushalt ebenso fein ist, herrschte hier schon keine Ei-
nigkeit mehr.

Im kommenden Haushaltsjahr haben wir die gleiche Si-
tuation: Das Justizministerium als Schlüssel- und Quer-
schnittsressort ist noch immer ein feines Haus, das in Re-
lation zu seiner Bedeutung ziemlich klein ist und auch im
nächsten Jahr über ein sehr überschaubares Budget verfü-
gen wird.

Volker Beck hat an dieser Stelle einmal gesagt, die
Rechtspolitik sei in der Koalition ein deutlicher Schwer-
punkt. Es sind in dieser Legislaturperiode nicht wenige
rechtspolitische Vorhaben angegangen oder zumindest
angekündigt worden. Das war auch heute wieder der Fall.

Aber ich frage mich schon, wie das alles bewerkstelligt
werden soll. In Anbetracht der großen Veränderungen, die
die Regierungskoalition noch auf den Weg bringen will,
erscheint mir der finanzielle Rahmen doch mehr als dürf-
tig auszufallen. Reformen, vor allem so ehrgeizige, sind
nun einmal nicht zum Nulltarif zu haben.


(Beifall bei der PDS)

Wie Sie mit den vorgesehenen Mitteln zum Beispiel die
Mietrechtsreform zum großen Wurf werden lassen wol-
len, frage ich mich schon. Wir werden – es ist schon ge-
sagt worden – am Freitag in diesem Haus die Reform der
Zivilprozessordnung behandeln. Das ist wahrlich kein
kleines Gesetzesvorhaben. Eine Reform ist längst über-
fällig, gerade aus Gründen der Unzulänglichkeiten im Be-
reich der Rechtspflege. Aber ich sage es ganz deutlich:
Die PDS-Fraktion will eine Reform zugunsten der Bürge-
rinnen und Bürger. Die vorgesehene Reform wird zwar als
bürgernah gepriesen, hat aber, wie ich denke, nicht zuletzt
den Zweck, Geld zu sparen.

Die angekündigte große Justizreform, bei der die ZPO-
Reform ein Teil sein sollte, ist, wie gesagt, nicht zum
Nulltarif zu haben. Im Gegenteil, zumindest anfangs wer-
den die Umstellungen und Veränderungen sogar zusätzli-
che Kosten mit sich bringen.

Immerhin wird es im nächsten Jahr wieder mehr Geld
für Fortbildung und für Ausbildung geben. Es scheint
mir dennoch sehr fragwürdig, wie mit so geringen Mitteln
und so wenig Personal ein so bedeutende Reform be-
werkstelligt werden soll. Eine wirkliche Strukturreform
sehe ich so nicht.

Wo ich gerade bei den großen Würfen bin, lassen Sie
mich auf ein Gesetz zu sprechen kommen, das vor einigen
Wochen hier verabschiedet worden ist und das in den
letzten Jahren immer als rot-grüner Knüller angekün-
digt worden ist – Herr Beck hat gerade dazu gesprochen –:
die eingetragene Lebenspartnerschaft. Der Kollege
Ströbele hat im letzten Jahr nicht verstanden, warum ich
gesagt habe, dass man dafür Geld braucht. Ich kann es Ih-
nen gerne noch einmal erklären. Wir alle haben in den
letzten Monaten deutlich gesehen, wie schlecht die Öf-
fentlichkeit über dieses Projekt informiert war und ist.
Das hat sich daran gezeigt, dass sowohl die CDU/CSU als
auch die Betroffenenverbände und große Teile der Bevöl-
kerung nicht begriffen haben, dass die rot-grüne Koalition
uns hier mitnichten die Homoehe beschert hat.


(Beifall bei der PDS)





Volker Beck (Köln)


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(D)



(A)



(B)


In diesem Zusammenhang begrüße ich übrigens aus-
drücklich, dass das Bundesjustizministerium erneut einen
größeren Etat für Öffentlichkeitsarbeit bekommt. Das
scheint mir ziemlich notwendig. Vielleicht sollten Sie,
Frau Ministerin, wenigstens etwas Geld für eine Auf-
klärungskampagne lockermachen, damit Schwule und
Lesben mit amtlich besiegeltem Willen zur Bindung und
zur Verantwortungsgemeinschaft wenigstens wissen, wor-
auf sie sich einlassen.

Vielleicht schieben Sie gleich noch einen Infobrief an
die bundesdeutschen Gerichte einschließlich des Bundes-
verfassungsgerichtes, dessen Etat wir hier mit verhan-
deln, hinterher. Erklären Sie den Richterinnen und Rich-
tern, warum Sie Ihre politische Verantwortung an die
Rechtsprechung delegieren. Die rot-grüne Koalition hat
nicht den Mumm in den Knochen, für die völlige Gleich-
berechtigung von Schwulen und Lesben zu streiten,


(Beifall bei der PDS)

und belastet jetzt die Gerichte damit, die notwendigen
Klarstellungen zu verfassen.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Aber Frau Jünger, woher wissen Sie denn das? Wirklich erstaunlich!)


– Herr Hartenbach, das, was Sie verabschiedet haben,
zeigt mir, dass Sie nicht den Mumm in den Knochen ha-
ben, wahrlich eine Gleichstellung hinzubekommen. – Das
war kein Betriebsunfall und noch nicht einmal Schuld der
konservativen Opposition. Nein, das war von vornherein
von Ihnen so geplant. Dazu könnte man eine Menge von
Zitaten anführen.


(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU])


– Manchmal haben auch Sie Schuld.
Frau Ministerin, meine Damen und Herren von der Re-

gierungskoalition, lassen Sie mich ganz zum Schluss ei-
nen Vorschlag meiner Kollegin Christina Schenk aufgrei-
fen: Richten Sie doch einen Rechtshilfefonds für die
Homos ein, die wegen ihrer Rechte vor Gericht ziehen
müssen! Wenn Sie schon auf halber Strecke stehen blei-
ben und die Arbeit andere machen lassen, dann stellen Sie
diesen doch wenigstens die notwendigen Ressourcen zur
Verfügung.

Danke schön.

(Beifall bei der PDS)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413513300
Das Wort hat
jetzt der Abgeordnete Norbert Geis.


Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1413513400
Frau Präsidentin! Meine
sehr verehrten Damen und Herren! Ich werde zu einigen
Punkten der Rechtspolitik Stellung nehmen, ohne dabei
die anderen Punkte, die ich nicht erwähnen kann, völlig
ausklammern zu wollen. Diese Punkte sind genauso wich-
tig; aber es ist nicht die Zeit vorhanden, um auf alle Pro-
bleme, die wir haben, einzugehen.

Das wichtigste Thema der Rechtspolitik ist die Justiz-
reform. Hier wird der Versuch unternommen, gegen den

Rat der Anwaltschaft, gegen den Rat weiter Bereiche der
Richterschaft und gegen den Rat von vielen Sachverstän-
digen und Wissenschaftlern eine Reform durchzuboxen,
die dann am Ende mehr Schaden als Nutzen bringen wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Es wird hier nach der neuen Devise der Rechtspolitik ge-
handelt: Helm fest, Augen zu und mitten durch die Wand!
Das ist Ihre Methode.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die hatten wir früher in der Rechtspolitik nicht.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben gar nichts gemacht!)


Wir konnten uns in der Rechtspolitik auseinander setzen;
wir sind aufeinander zugegangen. Das Argument hat ge-
golten. Jetzt gilt ein Argument nichts mehr. Wir leben
vielmehr mitten in der „Basta-Politik“: Basta, so wird es
gemacht! Das Argument zählt nicht mehr. Das ist die
Lage, in der wir uns befinden, und das ist das Problem, vor
dem wir stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Ich unterstütze Herrn Funke in seinem Appell, im

Rechtsausschuss zu einer vernünftigen Diskussion, zu ei-
nem vernünftigen Diskurs zurückzukehren.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn Sie dort abhauen, dann kommen wir nicht dazu! – Alfred Hartenbach [SPD]: Wenn ihr nicht immer aus dem Ausschuss auszieht, dann klappt das auch! – HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr seid geflohen!)


Das ist verdorben. Hier müssen wir einiges tun, um den
entstandenen Schutt wegzuräumen.

Die Justizreform wird als bürgernah und effizient ver-
kauft. Die Effizienz unserer Ziviljustiz ist sehr hoch. Im
europäischen Vergleich liegen wir bei den Erledigungs-
zahlen vorne. Die Justiz ist kaum effizienter zu gestalten,
ohne die Einzelfallgerechtigkeit zu beschädigen. Es ist
also nicht notwendig, ein großes Reformwerk auf die
Schiene zu setzen mit der Behauptung, dadurch solle die
Justiz effizienter werden. Wir haben eine effiziente Justiz.
Das muss hier einmal festgehalten werden. Wir brauchen
insofern keine Reform.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Aber ihr habt selber ein Gesetz eingebracht!)


Es wird behauptet, nach der Reform werde die Justiz
bürgernäher werden. Wir haben eine bürgernahe Justiz;
sonst würden sich nicht jährlich immer mehr Menschen
an die Justiz wenden und dort ihr Recht suchen.


(Lachen bei der SPD)

Das ist doch das Ergebnis einer bürgernahen Justiz. Wenn
die Justiz den Bürgern wirklich fern wäre, dann würden
wir nicht derart hohe Eingangszahlen haben. Das ist doch
kein falsches Argument. Wir haben eine bürgernahe Justiz
und ich fürchte, nach der Reform wird sie bürgerfern sein.




Sabine Jünger
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(C)



(D)



(A)



(B)


Überlegen Sie nur einmal, was geschieht, wenn durch-
geht, was vorgesehen ist, nämlich dass die Berufungsin-
stanz bei den Oberlandesgerichten konzentriert wird.
Dann müsste man bei mir zu Hause von Aschaffenburg
nach Bamberg fahren. Dazu bräuchte man einen ganzen
Tag. Bei einem Streitwert von 1 500 DM sind die dadurch
entstehenden Kosten viel zu hoch. Man verliert viel Zeit –
und das für 1 500 DM. Die Kostenrelation wird den ein-
zelnen Bürger dazu bringen, zu sagen: Ich gehe nicht in
die Berufung.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für manche sind 1 500DM viel Geld!)


Was bedeutet das? Das ist ein Weniger an Rechts-
schutz; das ist ein Weniger an Rechtskultur. Deswegen
müssen Sie von diesem Vorhaben Abstand nehmen. Ich
bitte Sie darum.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Dies gilt auch für die Zurückschneidung des Sachvor-

trags. Hier sind Sie uns zwar einen Schritt entgegenge-
kommen;


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Eben!)


aber das ist immer noch zu wenig. Sie müssen den Sach-
vortrag in zweiter Instanz zulassen. Ich habe es wiederholt
gesagt: 90 Prozent des Zivilprozesses bestehen nun ein-
mal aus Sachverhalt. Der Bürger muss die Möglichkeit
haben, auch in zweiter Instanz noch einmal seinen Sach-
verhalt zur Debatte und zur Diskussion zu stellen und
dann darüber urteilen zu lassen. Darum geht es im Zivil-
prozess. Sie machen das zunichte. Ich halte das für einen
Verstoß gegen unsere Rechtskultur.

Wir müssen alles unternehmen, mit der Anwaltschaft,
mit der Richterschaft und mit weiten Teilen der Wissen-
schaft, damit diese Reform so, wie sie auf dem Tisch liegt,
nicht durchgebracht wird.

Wir werden am Freitag die Regierungsvariante dieser
Reform erleben. Wer geglaubt hat, die vielen Diskussio-
nen und die vielen Gespräche mit den Richtern, den
Rechtsanwälten und der Wissenschaft auf dem Juristentag
hätten irgendetwas gebracht, der sieht sich getäuscht, der
lebt auf einem anderen Stern. Der Vorschlag vom Freitag
wird nichts anderes sein als eine Variation des Vorschlags
der Koalition vor der Sommerpause. Deswegen sind wir
auch insofern tief enttäuscht.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir sind Ihnen entgegengekommen!)


Die Diskussion hat sich nicht ausgezahlt. Ich fürchte,
auch die Anhörung wird nichts bringen.

Ich fürchte, wir werden dieses Gesetz durchgepeitscht
bekommen, wie das ja üblich ist.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Basta! – HansChristian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da ist der Anwalt-Verein anderer Meinung!)


Die Gesetze werden durchgepeitscht, man kann gar
nicht mehr vernünftig miteinander reden. Die Möglich-
keit, noch einmal ein Rechtsgespräch mit Experten zu
führen, ist ja nicht mehr gegeben.


(Alfred Hartenbach [SPD]: Wenn ihr auszieht! Ihr müsst mal drin bleiben!)


Ich fürchte, dass wir wieder ein Gesetz bekommen, bei
dem die Regierungsparteien brutal von ihrer Mehrheit
Gebrauch machen und zum Schluss vor einem Scherben-
haufen im justiziellen Bereich stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Durch die Einführung des Einzelrichters in fast allen

Bereichen werden die Kammern so gut wie abgeschafft.
Alle Welt sieht in der Teamarbeit den großen Wurf, nur hat
sich diese Erkenntnis noch nicht bis zum Justizministe-
rium und bis zur Koalition durchgesprochen. Ich verstehe
das nicht. Der Einzelrichter ist ein Verlust an Binnenkon-
trolle. Die Abschaffung der Kammern ist ein Verlust der
Binnenkontrolle der Richter untereinander. Das führt zu
Fehlurteilen, das führt zu einem Verlust an Rechtskultur.
Auch dagegen müssen wir uns wehren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es heißt nun
nicht, dass wir nicht aufmerken müssen. Wir müssen alle
Versuche unternehmen, um auch im justiziellen, auch im
zivilrechtlichen Bereich Verbesserungen zu erreichen.

Das Telekommunikationswesen hat auch im Rechts-
bereich längst Einzug gehalten. Wir erleben immer mehr,
dass Rechtsgeschäfte über das Internet abgewickelt wer-
den. Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Nutzung des
Internets auch im Verhältnis von Richter und Staatsanwalt
auf der einen und Betroffenen auf der anderen Seite und
zwischen Richter und Kläger oder beklagter Partei auf der
einen und der anderen Seite möglich ist. Hier brauchen
wir Rechtsvorschriften. Dafür sollten wir uns einsetzen,
statt Reformvorhaben durchzusetzen, die am Schluss nur
einen Scherbenhaufen übrig lassen.

Dass die Telekommunikation im Bereich der Justiz
sehr wohl ihren Platz hat, beweist das elektronische
Grundbuch, das wir jetzt schon haben. Das Handelsregis-
ter muss folgen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben ja nicht einmal ein Faxgerät!)


In diesem großen Bereich bietet sich für den Bundestag
die Möglichkeit, die neue Kommunikationstechnik auch
in der Justiz zu verankern.

Ein Wort zum Gerichtsvollzieher. Wir werden in
Kürze das Gerichtsvollziehergesetz erneuern. Ich glaube,
dass der Gerichtsvollzieher in der Justiz eine wichtige
Funktion hat. Was nützt mir der schönste Titel, wenn ich
ihn nicht durchsetzen kann? Dazu brauchen wir den Ge-
richtsvollzieher. Deshalb glauben wir, dass der, der hier zu
knapp kalkuliert, am falschen Ende spart.

Ein Wort zur Streitschlichtung. Frau Ministerin, Sie
haben mit Recht – da unterstütze ich Sie – darauf hinge-
wiesen, dass das Instrument der Streitschlichtung, das wir
hier im Parlament geschaffen haben, in den Ländern noch




Norbert Geis

13129


(C)



(D)



(A)



(B)


zu wenig genutzt wird. Die Streitschlichtung ist ein ex-
zellentes Mittel, um bei Streitwerten unterhalb von
1 500 DM zu einem vernünftigen Ausgleich zu kommen,
ohne dafür gleich einen großen Prozess beginnen zu müs-
sen. Es ist nach der Devise eingerichtet worden: mehr Ei-
genverantwortung und weniger Staat auch im Bereich der
zivilrechtlichen Kleinverfahren. Die kleine Konfliktlö-
sung sollten wir stärker vorantreiben. Hier unterstützen
wir Sie. Wir halten dies für eine richtige und wichtige
Einrichtung.

Ein Wort zum Lebenspartnerschaftsgesetz. Verehrter
Herr Beck, wir haben darüber ausgiebig diskutiert. Aber
mit diesem Gesetz wurde in einer provokanten und, wie
ich meine, missglückten Weise versucht, eine Kopie der
Ehe durchzusetzen. Wir halten dies für verfassungswid-
rig. In dieser Frage werden wir uns wohl – je nachdem,
wie der Bundesrat entscheidet – vor dem Verfassungsge-
richt wiedersehen.

Eine der wichtigsten Aufgaben der Justiz überhaupt ist
nach wie vor die Bekämpfung der Kriminalität. Das
Vertrauen der Bürger hängt davon ab, ob es der Justiz ge-
lingt, die Kriminalität zu bekämpfen und die innere Si-
cherheit zu wahren.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, hier geht es da-
rum, dass wir gute Polizeien haben, dass wir gute Staats-
anwaltschaften haben, die entsprechend anklagen, Ge-
richte, die auch einmal bereit sind, den Strafrahmen
auszuschöpfen, und dass wir über einen vernünftigen
Strafvollzug verfügen, der dem Täter klarmacht, dass er
für seine Taten einzustehen hat und der Strafvollzug keine
Freizeitveranstaltung ist.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir müssen nach wie vor gegen die organisierte Kri-

minalität kämpfen. Dazu brauchen wir die Kronzeugen-
regelung. Sie ist vor einem Jahr ausgelaufen. Es ist uns
völlig unverständlich, weshalb die Koalition untereinan-
der zerstritten ist, ob die Kronzeugenregelung nun wieder
eingeführt werden soll oder nicht. Es wurde eine eigene
Kommission eingesetzt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich hoffe, Sie kommen zu einem vernünftigen Ergebnis.
Hier sollte sich die SPD einmal nicht so sehr nach den
Grünen richten. Beim Lebenspartnerschaftsgesetz haben
Sie es zur Genüge getan. Richten Sie sich nun einmal nach
Ihrem eigenen Empfinden.

Ob es Ihnen und der F.D.P. recht ist oder nicht: Wir
brauchen die Videoüberwachung, um Verbrechen effizi-
ent zu bekämpfen. Wir brauchen eine Besserstellung der
Position des verdeckten Ermittlers. Bei der grenzüber-
schreitenden Verfolgung von Verbrechen brauchen wir
eine europäische Regelung.

Verehrte Frau Ministerin, wir brauchen aber kein
Sanktionssystem, das es letztendlich gut mit dem Täter
meint, das ihn billiger davonkommen lässt und dem Be-
troffenen unter Umständen nicht sein Recht verschafft.
Wir brauchen vielmehr ein Sanktionssystem, das den

Straftaten gerecht wird. Wenn die Informationen, die aus
Ihrem Hause herausdringen, richtig sind, sind Sie davon
meilenweit entfernt.

Natürlich müssen wir gegen rechtsextremistische
Straftaten angehen. Hier können wir nicht die Hände in
den Schoß legen. Diese Gewalttaten müssen mit aller Ent-
schiedenheit bekämpft werden. Aber es kann doch nicht
möglich sein, dass Sie die Gesinnung eines Täters als aus-
schlaggebend dafür ansehen, ob das Opfer ein paar Mark
mehr bekommt oder nicht bzw. ob das Opfer besser ent-
schädigt wird oder nicht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das kann doch nicht wahr sein! Das kann nicht mit unse-
rer Rechtsordnung in Einklang gebracht werden. Hier
muss man von Populismus unterscheiden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich meine:
Die Skinheads sollte man nicht zu hoch einschätzen. Un-
ter diesen – Entschuldigung, wenn ich das so sage – Glatz-
köpfen ist nicht so viel Hirn, dass allzu viel Ideologie –
von rechts oder von links – darin Platz hätte. Das sind
dumpfe Gewalttäter und Verbrecher, die das Verbrechen
wollen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Der Staat muss mit aller Entschiedenheit dagegen antre-
ten. Ein solches Vorgehen unterstützten wir mit aller Ent-
schiedenheit. Wir fordern die Gerichte auf, ihren Straf-
rahmen endlich auch einmal auszuschöpfen.


(Dr. Wolfgang Freiherr von Stetten [CDU/CSU]: So ist es!)


Wir fordern den Strafvollzug auf, entsprechend strafver-
folgend tätig zu sein und den Strafvollzug durchzusetzen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Strafvollzug durchsetzen“ – was heißt das? Folter? Oder was?)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, aber man
darf hier keinen Popanz aufbauen. Wir würden die Täter
nicht richtig einschätzen, wenn wir sie nicht als dumpfe
Gewalttäter qualifizierten und wenn wir nachlassen wür-
den, dieser dumpfen Gewalt mit aller Macht entgegenzu-
treten.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413513500
Herr Kollege
Geis, denken Sie bitte an die Zeit.


Norbert Geis (CSU):
Rede ID: ID1413513600
Oh ja. Einen Satz sage ich
noch.

Wir haben im April dieses Jahres, lange bevor die
Welle des Rechtsextremismus begann, eine Verbesserung
des Jugendstrafrechts und des Jugendgerichtsgesetzes
eingeleitet. Hier zeigen wir Möglichkeiten auf, um diesen
rechten Gewalttätern entgegenzutreten. Ich möchte Sie
bitten, diesen Gesetzentwurf zu unterstützen. Die Rechts-
politik ist nicht so spektakulär wie manche andere Poli-
tikbereiche. Aber es geht hier um langfristige Weichen-




Norbert Geis
13130


(C)



(D)



(A)



(B)


stellungen für die Gesellschaft. Deswegen kämpfen wir so
sehr um den richtigen Weg.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413513700
Das Wort hat
jetzt die Frau Bundesministerin der Justiz, Herta Däubler-
Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin der
Justiz: Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kolle-
gen! Zunächst einmal möchte ich mich bei dem Kollegen
Eichel, dem Bundesfinanzminister, und insbesondere bei
Ihnen, Herr Staatssekretär Diller, und natürlich bei den
verehrten Kolleginnen und Kollegen des Haushaltsaus-
schusses


(Hans Georg Wagner [SPD]: Das gehört an die erste Stelle!)


ganz herzlich für die zwar außerordentlich schwierigen,
aber doch sehr sachlichen und sehr konstruktiven Ver-
handlungen zum Haushalt 2001 bedanken.

Lassen Sie mich sagen, warum ich das so ausdrücklich
betone. Wir alle, jedenfalls wir von der Koalition, tragen
gerade auch im Interesse der jungen Generation den
Sparkurs dieser Bundesregierung und gerade auch des
Bundesfinanzministers und des Haushaltsausschusses
mit. Es bleibt uns gar nichts anderes übrig. Dass das aber
bei einem kleinen und außerdem außerordentlich stark auf
Verwaltungshaushalt ausgerichteten Etat eine besondere
Schwierigkeit mit sich bringt, das wissen wir. Wir haben
eigentlich keine Rationalisierungspotenziale mehr. Des-
wegen, meine Damen und Herren, brauchen wir – da bin
ich für die Hilfe, egal, woher sie kommt, dankbar – immer
die Unterstützung dieses Hauses, um unsere Prioritäten
tatsächlich durchsetzen zu können.

Wir müssen angesichts der Notwendigkeiten, also an-
gesichts dessen, was wir eigentlich alles tun müssten, auf
manches Vorhaben verzichten, vieles zurückstellen und
unsere Prioritäten sehr sorgfältig setzen. Das macht uns
im Einzelnen vielleicht ungeduldig, aber es geht nicht an-
ders. Nur: Wenn Sie uns helfen, dass wir die Prioritäten
dann auch zeitgerecht tatsächlich erledigen können, dann
sind wir sehr dankbar.

Zu diesen Prioritäten gehört auf der einen Seite die
Stück für Stück vorzunehmende Modernisierung des
nachgeordneten Bereiches und auf der anderen Seite
auch die Modernisierung von Justiz und Recht sowohl
zum Schutz der Schwächeren in unserer Gesellschaft als
auch zu dem Zweck, dass die Justiz ihre Eigenschaft als
tragender Pfeiler unserer demokratischen und sozialen
Rechtsordnung tatsächlich behalten kann.

Lassen Sie mich mit dem nachgeordneten Bereich,
insbesondere mit dem Deutschen Patent- und Marken-
amt, beginnen. Ich bin Ihnen, Herr Kollege Schneider,
und Ihnen, Herr Kollege Berninger, sehr dankbar für die
Unterstützung bei der Modernisierung des Deutschen Pa-
tent- und Markenamtes, Ihnen, Kollege Diller, auch.

Lieber Herr Feibel, Sie haben gerade so signifikant ge-
sagt, das Deutsche Patent- und Markenamt leide unter
dem stärkeren Eingang von Anträgen. Das ist nicht der
Fall. Es ist sehr gut, dass die deutsche Wirtschaft das
Deutsche Patent- und Markenamt stärker in Anspruch
nimmt. Worunter es leidet, das ist die von Anfang der
90er-Jahre bis 1998 praktizierte falsche Personalpolitik:
Während die Zahl der Anträge stieg, nahm die der Perso-
nalstellen ab. Darunter leiden wir noch heute.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Natürlich brauchen wir noch erheblich mehr Personal,
aber es hat überhaupt keinen Sinn, jetzt die rot-grüne Re-
gierung für Ihre Versäumnisse anzugreifen. Die Stellen,
die wir besetzen können, werden wir besetzen. Wir brau-
chen Geduld, um auf dem Arbeitsmarkt, den Sie ange-
sprochen haben, tatsächlich hochleistungsfähige Patent-
prüfer in ausreichender Zahl zu bekommen.

20 Stellen für Patentprüfer, 5 Stellen für Markenprüfer,
14 Stellen für IT-Fachpersonal, 10 weitere Stellen für Ju-
risten zum Abbau des Rückstands im Markenbereich –
das ist zusätzlich zu dem, was gerade besprochen wurde,
nicht so schlecht, aber Sie haben völlig Recht: Wir wer-
den weitermachen.

Lassen Sie mich noch eines dazu sagen. Der Zustand
des Deutschen Patent- und Markenamtes, so wie wir es
übernommen haben, musste natürlich auch im Bereich der
Informations- und Kommunikationstechnologie verbes-
sert werden. Es war ein Skandal, dass viele Patentprüfer
einen PC zwar aus ihren Patentanmeldungen kannten,
aber nicht als Arbeitsmittel. Dass es einen unglaublich ho-
hen Betrag an Geld erfordert, um tatsächlich PCs und
DEPATIS-Stationen in ausreichender Zahl zur Verfügung
zu stellen, das wissen Sie. Auch dafür, dass wir hierfür
noch zusätzlich etwas bekommen haben, sage ich herzli-
chen Dank, aber ich sage Ihnen ebenso: Auch das muss
weitergehen.

Wir haben ferner zum 1. April des kommenden Jahres
Maßnahmen vorgesehen, die natürlich in einem industri-
ellen Hightechland längst hätten passieren müssen. Wir
werden zum 1.April des kommenden Jahres in der Tat den
Internetzugang zu DEPATIS – das ist die Patentdatenbank
für Forschung und Industrie – ermöglichen.


(V o r s i t z: Vizepräsidentin Petra Bläss)

Lassen Sie mich noch etwas sagen. Es wird mir immer

vorgeworfen – ich habe das jedenfalls gehört –, ich würde
im Zuge der Modernisierung gelegentlich heilige Kühe
schlachten oder Sakrilege begehen. Ich bekenne mich
schuldig. Wir werden auch im Bereich des Deutschen Pa-
tent- und Markenamtes wieder eine heilige Kuh schlach-
ten, und zwar die gezackte Gebührenmarke, die älter als
100 Jahre ist. Sie wird es ab dem 1. Januar 2002 mit der
Einführung des Euro nicht mehr geben,


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das ist aber schade!)


sondern ein außerordentlich modernes Abrechnungssys-
tem.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)





Norbert Geis

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(A)



(B)


Es hätte Sie niemand davon abgehalten, spätestens An-
fang der 90er-Jahre diese Veränderungen und Verbesse-
rungen einzuführen. Zu der Zeit waren sie längst auf dem
Markt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Dann hätten Sie ja nichts mehr zu tun gehabt!)


Ich habe als einen weiteren Punkt genannt, dass wir das
Recht und die Justiz modernisieren und damit den von Ih-
nen in 16 Jahren hinterlassenen Reformstau Stück für
Stück abbauen, Herr Funke. Natürlich war abzusehen,
dass Ihnen nicht alles gefällt, was wir vorschlagen oder
was wir in den Bundestag einbringen. Aber dass wir Sie
einladen, mitzudiskutieren


(Zuruf von CDU/CSU: Gnädig, diese Einladung!)


und sich nicht zu verweigern, wie Sie es in weiten Berei-
chen getan haben, will ich noch einmal sehr deutlich zum
Ausdruck bringen.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wozu, glauben Sie, ist ein Parlament da?)


Es waren Sie, die Kolleginnen und Kollegen von CDU
und CSU, die sich bei unserem Gesetz „Erziehung ja –
Gewalt nein“ verweigert haben. Sie waren es, die Nein ge-
sagt haben.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir haben in der letzten Legislaturperiode ein vernünftiges Gesetz gemacht!)


– Sie haben dagegen gestimmt, auch wenn es Ihnen jetzt
nicht passt, dass man Sie daran erinnert.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Es war gerade zwei Jahre alt!)


– Lieber Kollege Geis, Sie haben auch gegen die Besser-
stellung von Alleinerziehenden hinsichtlich des Kinder-
geldes gestimmt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn Sie jetzt ankündigen, dass Sie beim Gewaltschutz-
gesetz dafür stimmen werden, finde ich das hervorragend.
Wir werden Sie beim Wort nehmen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir haben erst vor zwei Jahren ein vernünftiges Gesetz gemacht!)


All das gehört dazu, dass das Recht auf der Seite der
Schwächeren stärker werden muss.

Jetzt kommen wir zu den Kriminalitätsopfern. Sie sind
im Grundsatz, wie ich Ihren Worten entnehmen kann, gar
nicht so weit von mir entfernt. Aber dann müssen Sie
auch, wenn es um den verstärkten Täter-Opfer-Aus-
gleich geht, zustimmen und dürfen dazu nicht Nein sagen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Einem vernünftigen Gesetz stimmen wir immer zu! Wir haben den Täter-Opfer-Ausgleich doch eingeführt!)


Auch beim strafrechtlichen Sanktionensystem werden wir
die Rechte der Opfer weiter verstärken. Auch dabei wer-

den wir Sie beim Wort nehmen, weil Sonntagsreden allein
ohne Zustimmung hier im Bundestag nicht ausreichen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich noch etwas zu dem, wie ich hoffe, ge-
meinsamen Eintreten für Menschenrechte sagen. Herr
Feibel, ich hätte mich sehr gefreut, wenn Sie gesagt hät-
ten: Jawohl, dieser 10-Millionen-DM-Fonds für die Opfer
rechtsextremistischer Gewalt ist wirklich eine gute Sache.


(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Das habe ich doch gesagt! Lesen Sie es doch einmal nach!)


Wenn Sie noch hinzugefügt hätten, dass Sie einen weite-
ren Fonds wünschen, wenn Bedarf besteht, lieber Herr
Feibel, dann fände ich das in Ordnung. Aber es hat doch
keinen Sinn, immer die Opfer der einen Seite gegen die
anderen auszuspielen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Das machen Sie doch mit Ihren 10 Millionen DM! Das passiert doch automatisch!)


– Ob Sie jetzt nun wieder schreien oder nicht, spielt doch
keine Rolle. Wir werden ja sehen, ob Sie dem Justizhaus-
halt zustimmen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Natürlich nicht!)

Ich würde mich freuen, wenn Sie das sehr deutlich täten.

Dass 2001 das Menschenrechtsinstitut endlich anfangen
kann, zu arbeiten, dass wir mit der Ratifizierung jetzt in der
Tat dem Internationalen Strafgerichtshof den Weg frei ge-
macht haben, dass wir dem Menschenrechtsgerichtshof in
Straßburg – übrigens auch dafür ganz herzlichen Dank – die
notwendigen zusätzlichen Mittel tatsächlich zugestehen
können, ist das Ergebnis der Haushaltsberatungen. Ich be-
danke mich ausdrücklich beim Haushaltsausschuss, dass
dies möglich gewesen ist.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das haben Sie schon einmal gesagt!)


Jetzt lassen Sie mich noch etwas zur Modernisierung
sagen. Ich hätte es gerne gesehen, wenn Sie das Miet-
recht modernisiert oder angefangen hätten, die Schuld-
rechtsmodernisierung voranzubringen. Niemand hat Sie
daran gehindert. Herr Funke, in dem Punkt gebe ich Ihnen
völlig Recht: Beides sind ganz wichtige Projekte. Ich habe
mich gerade noch einmal vergewissert: Sie haben am
18. September 2000 unseren Diskussionsentwurf zur
Schuldrechtsmodernisierung übermittelt bekommen.


(Rainer Funke [F.D.P.]: Das ist richtig!)

Meine Bitte ist, jetzt nicht wieder so lange darüber zu
schimpfen, bis es zu spät ist, sondern mitzudiskutieren.
Ich stehe Ihnen für Diskussionen in beiden Fällen – das
wissen Sie ganz genau – gerne zur Verfügung. Eine wis-
senschaftliche Begleitkonferenz wird es geben, und zwar
eine ständige, weil wir in der Tat zusammenarbeiten müs-
sen.

Nur, die Bereitschaft zur Zusammenarbeit muss auch
von Ihrer Seite kommen. Zur Zusammenarbeit laden wir
Sie ein, genauso wie zum Beispiel bei der Namensaktie,




Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin
13132


(C)



(D)



(A)



(B)


der virtuellen Hauptversammlung oder jetzt bei der Auf-
hebung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung.
Selbstverständlich tun wir das auch bei den Gesetzesvor-
haben, die ja schon alle eingebracht sind und die, wenn es
nach uns geht, bis Ende des kommenden Jahres beraten
werden sollen.

Das sind die Grundlagen, die Sie anmahnen, Herr Geis,
und die die Möglichkeit geben sollen, die Informations-
und Kommunikationstechnologien nicht nur bei Ge-
richt, sondern auch im Rechtsverkehr ohne Schaden ein-
zusetzen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Da werden Sie uns auf Ihrer Seite haben!)


Auch diese Grundlagen hätten Sie schon vor Jahren ein-
bringen können. Wir tun das jetzt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Norbert Geis [CDU/CSU]: Schauen Sie einmal, was wir alles gemacht haben! Das übersehen Sie immer!)


Ich will noch auf zwei Bereiche eingehen, die ganz be-
sonders wichtig sind, nämlich auf das Biopatentgesetz
und das Urheberrecht. Ich sage Ihnen: Auch da werden
wir Sie zu gemeinsamen Diskussionen einladen, da das
Recht auch auf diesen Gebieten modernisiert werden
muss, wenn wir den Anschluss ans 21. Jahrhundert errei-
chen wollen.

Sie haben die Justizreform erwähnt. Ich freue mich
darüber. Noch nie ist so häufig über die Notwendigkeit der
Modernisierung von Justiz geredet worden wie jetzt und
noch nie so wenig über das, was Sie in den letzten 16 Jah-
ren getan haben, nämlich ständig die Streitwerte zulasten
der kleinen Leute zu erhöhen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir haben viel verändert! Wir haben die beste Justiz in Europa!)


Wenn ich mir die Debatten der vergangenen Tage und
Monate anhöre, höre ich nichts mehr von diesem etwas
merkwürdigen Vorwurf, wir würden gegen die Amtsge-
richte vorgehen.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Natürlich!)

Denn Sie wissen mittlerweile, dass Sie damit gar keinen
Erfolg mehr haben werden. Wir stärken die Amtsgerichte.
Auch dazu laden wir Sie ein.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Verehrter Herr Geis, Sie waren schon einmal weiter.

Ich darf Sie an den Sachverständigenrat „Schlanker Staat“
erinnern und an den Gesetzentwurf zur Rechtspflegeent-
lastung, den Sie sogar eingebracht haben. Ich fürchte, es
wird wieder Folgendes passieren: Jetzt werden Sie Him-
mel und Hölle in Bewegung setzen, aber wenn wir das
Gesetz verabschieden, werden Sie sagen: Wir haben das
früher schon immer gesagt, aber Rot-Grün macht das
nicht in der Art und Weise, wie wir das immer wollten.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Wir sind doch nicht die Einzigen, die Widerspruch einlegen!)


Die F.D.P. wird dann auf den Redebeitrag meines Vor-
gängers, des Herrn Kollegen Schmidt-Jortzig, auf dem
Deutschen Juristentag in Bremen verweisen. Er ist im
Übrigen sehr viel konsequenter in die Richtung, die Sie
heute bekämpfen, gegangen, als es Ihnen heute recht ist.

Ich sage Ihnen: Diskussionen zur Verwaltungsgerichts-
ordnung, zur StPO und zum FGG werden folgen. Bei der
ZPO freue ich mich auf die Auseinandersetzung, auch am
nächsten Mittwoch bei der Anhörung im Rechtsaus-
schuss.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist auch nötig!)


Lassen Sie mich noch einmal betonen: Wir machen all
das in größter denkbarer Transparenz. Sie waren früher,
zu Ihrer Regierungszeit, nicht bereit, die Referenten- und
Diskussionsentwürfe allen zur Verfügung zu stellen, die
sich dafür interessieren. Wir tun das. Sie finden sie immer
im Internet.


(Norbert Geis [CDU/CSU]: Die Referentenentwürfe haben wir immer zur Verfügung gestellt!)


– Das kann ja sein – für einige Privilegierte.

(Norbert Geis [CDU/CSU]: Sie haben sie immer bekommen!)

Wir hingegen legen großen Wert darauf, dass sich alle in-
teressierten Bürgerinnen und Bürger via Internet über
diese Vorhaben informieren und ihren Sachverstand oder
ihre Meinungen einbringen können.


(Beifall bei der SPD)

Ich finde es gut, dass jetzt wieder über Rechtspolitik

geredet wird. Ich finde es auch unvermeidlich, dass wir
uns darüber auseinander setzen. Lassen Sie mich
nochmals sagen: Ich lade Sie herzlich dazu ein.

Ich möchte diese Ausführungen gerne damit schließen,
dass ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bun-
desministeriums der Justiz und aller nachgeordneten Be-
reiche ganz herzlich danke. Ich weiß, wie viel Motivation,
Engagement und Arbeitskraft sie jeweils in die Moderni-
sierung unseres Rechtssystems und der Justiz stecken. Ich
freue mich über alle aus diesem Hause, die ihnen auch ge-
dankt haben.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413513800
Ich schließe die Aus-
sprache.

Wir kommen zu den Abstimmungen. Wir stimmen
zunächst über den Einzelplan 07 des Bundesministeriums
der Justiz in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür?
– Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzel-
plan 07 ist angenommen.

Wir kommen zum Einzelplan 19 des Bundesverfas-
sungsgerichts in der Ausschussfassung. Wer stimmt
dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der
Einzelplan 19 ist mit den Stimmen des gesamten Hauses
angenommen.




Bundesministerin Dr. Herta Däubler-Gmelin

13133


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich rufe auf:
III. 11 hier: Einzelplan 06

Bundesministerium des Innern
– Drucksachen 14/4506, 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Werner Hoyer
Gunter Weißgerber
Lothar Mark
Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein
Herbert Frankenhauser
Oswald Metzger
Dr. Christa Luft

III. 12 hier: Einzelplan 33
Versorgung

– Drucksachen 14/4000, 14/4302 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Günter Rexrodt
Ewald Schurer
Josef Hollerith
Oswald Metzger
Heidemarie Ehlert

Zum Einzelplan 06 liegen zwei Änderungsanträge der
Fraktion der CDU/CSU und neun Änderungsanträge der
Fraktion der PDS vor. Über einen Änderungsantrag der
Fraktion der PDS werden wir später namentlich abstim-
men.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner für die Frak-
tion der CDU/CSU ist der Kollege Detlev von
Hammerstein.


(CDU/ CSU)

ehrten Kolleginnen und Kollegen! Im Einzelplan 06 gibt
es zumindest in Teilbereichen einen Konsens; das ist in
parlamentarischen Beratungen manchmal ganz schön.
Aber es gibt auch andere Bereiche, die nicht in dem Maße
konsensfähig sind, wie wir als CDU/CSU-Fraktion es uns
vorstellen.


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schade!)


Ich nenne als Beispiel die Behandlung der Russlanddeut-
schen sowie andere Themen, zu denen sicherlich mein
Freund Erwin Marschewski später einige politische Aus-
sagen machen wird.

Ein wichtiges Problemfeld – ich denke, darin sind wir
uns parteiübergreifend einig – sind Personalfragen. In
diesem Zusammenhang bin ich sehr glücklich darüber,
dass wir auf einzelnen Sektoren – zum Beispiel Bundes-
kriminalamt, Bundesgrenzschutz und THW– in der Frage
von Stellenanhebungen ein ganzes Stück weitergekom-
men sind und zum Teil eine Stellenaufstockung erreichen
konnten.

Allerdings, Herr Minister, gehört zu einem guten und
schlanken Staat auch Personal, das mit Begeisterung an
seine Arbeit geht. Ich habe in den letzten Wochen ver-
hältnismäßig viele Beschwerdebriefe von Mitarbeitern
des Bundeskriminalamts und des Bundesgrenzschutzes
bekommen, die sich darüber beklagt haben, trotz ihrer ho-
hen Qualifizierung nicht originär polizeiliche Aufgaben
wahrnehmen zu müssen, sozusagen im Büro statt an der
Grenze. Ich habe deshalb an Sie die Bitte, sich in Ihrem
Hause um diese Bereiche zu kümmern und sich gegen-
über dem Parlament auch klar zu äußern. Denn die Si-
cherheit der Bundesrepublik, die im internationalem Ver-
gleich Gott sei Dank sehr hoch ist, lässt sich nur
gewährleisten – ich habe das bei früherer Gelegenheit
schon erwähnt –, wenn sie auf gute Beamte mit fundier-
ten Kenntnissen und Fähigkeiten zurückgreifen kann.

Nun lassen Sie mich zu einzelnen Punkten kommen:
Herr Minister, Sie wissen, dass es einige Felder gibt, auf
denen ich erhebliche Schwierigkeiten habe, die Haus-
haltsansätze nachzuvollziehen. Ich will mit dem Bundes-
grenzschutz anfangen; man kennt mich dort und weiß,
dass ich eine andere Auffassung als die Regierung ver-
trete. Ich habe vorhin ein Gespräch mit dem Vorstands-
vorsitzenden der Deutschen Bahn, Herrn Mehdorn, ge-
habt. Auch zu diesem Zeitpunkt, Herr Minister, steht trotz
der entsprechenden Behauptungen von Ihnen und der
Haushaltsgruppe der SPD noch nicht fest, ob die 125 Mil-
lionen DM, die jetzt im Haushalt 06 gekürzt werden, vom
Bundesgrenzschutz zu zahlen sind.

Meine Auffassung ist, dass der Bundesgrenzschutz die
Aufgabe der Sicherung des Schienennetzes und der
Bahnhöfe hat.

Deswegen ist es meines Erachtens sehr wichtig, dass
wir uns zu dieser Thematik klar äußern. Ich bitte Sie,
nachher zu erläutern, ob es hier zu einem Konsens kom-
men kann. Wer heute die Zeitungen aufgeschlagen hat,
konnte feststellen, dass Herr Mehdorn in Anbetracht von
Konflikten mit dem Aufsichtsrat der Deutschen Bahn sehr
stark angegriffen wird. Ich glaube aber, er ist ein guter Un-
ternehmer und kümmert sich zunächst einmal darum, fest-
zustellen, welche möglichen Ausgaben der Bahn für die
Zukunft noch nicht klar und deutlich feststehen.


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil Sie die Bahn in den letzten Jahren unterfinanziert hatten!)


– Nein, lieber Kollege, wir sind jetzt beim Haushalt 2001.
Deswegen sprechen wir dazu. Auch wir haben, rück-
blickend besehen, vielleicht hier und dort einmal einen
Fehler gemacht.


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zusagen nicht eingehalten!)


Trotzdem berichte ich jetzt über den Haushaltsplan 2001.
Über ihn reden wir und über ihn diskutieren wir. Über ihn
müssen wir uns jetzt Gedanken machen und überlegen,
was wir wollen.

Es kann nicht angehen – das muss ich Ihnen sagen; da
brauche ich gar nicht den Minister anzuschauen –, dass




Vizepräsidentin Petra Bläss
13134


(C)



(D)



(A)



(B)


wir zum Beispiel die Bahn, die Sie als Grüne ja favorisie-
ren – –


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir kämpfen für sie!)


– Sie kämpfen für sie, aber Sie befreien sie nicht von den
– so die letzten Daten – 700Millionen DM Ökosteuer. Es
gibt keine Bahn, die in Europa im Wettbewerb und in
Konkurrenz zur Bundesbahn steht, die diese Ökosteuer zu
zahlen hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Wenn Sie sich wirklich definitiv für die Deutsche Bahn
einsetzen, die in ganz großen Schwierigkeiten steckt – –


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zwei Milliarden jedes Jahr zusätzlich!)


– Wir kommen zu den zwei Milliarden DM. Ich sprach
von den 125 Millionen DM. Ich komme gleich zu einem
zweiten Fall, dem Flugsicherheitsdienst. Natürlich kann
man immer sagen: Wir sparen Steuern und wir sind bereit,
zusätzliche Gelder auszugeben. Wenn aber zur gleichen
Zeit mehrere hundert Millionen DM zusätzliche Abgaben
geleistet werden müssen, so können wir das nicht mittra-
gen – das muss man verstehen – und der Vorstandsvorsit-
zende der Deutschen Bahn auch nicht. Wenn Sie für die
Deutsche Bahn kämpfen, dann ist es auch Ihre Aufgabe,
sich darum zu kümmern, dass zumindest sie diese Öko-
steuer nicht zu zahlen hat. Sie hat noch viele andere Dinge
zu bezahlen, die Mehrwertsteuer zum Beispiel, und steht
in Konkurrenz mit anderen. Wenn Sie sich darum küm-
merten, wäre ich Ihnen sehr dankbar. Ich hoffe, dass wir
in Zukunft zu klaren Finanzdaten kommen. Ich gehe auch
davon aus, dass sich der Minister hierzu äußern wird.

Ich will zwei weitere Beispiele aus dem investiven Be-
reich nennen, die mich ein wenig irritieren, weil dort er-
hebliche Kürzungen vorgenommen werden. Ich meine den
Bundesgrenzschutz und das Bundeskriminalamt. – Ich
will nicht auf alle Bereiche eingehen, weil meine Redezeit
hierfür zu kurz ist. – Auch hier hoffe ich, Herr Minister,
dass wir zu Regelungen kommen, was Geräte, Ausrüstung,
Waffen, Fahrzeuge und andere Dinge mehr angeht, auch
wenn der Einzelplan 06 nicht so viele Gelder im investi-
ven Bereich ausweist.

Einen weiteren Bereich hatte ich schon angesprochen.
Das ist die Flugsicherheit. Hier werden wir auch nicht
zustimmen. Es mag ja sein, dass wir an den Flughäfen in
Zukunft etwas mehr Geld für die Sicherheit ausgeben sol-
len. Diese spielt eine große Rolle. Wenn Sie aber so etwas
tun, so ist es wichtig, dass wir es dem Bürger öffentlich
und klar sagen, dass wir also nicht auf der einen Seite sa-
gen, wir sparen Steuern, und auf der anderen Seite unun-
terbrochen neue Gebühren erheben und neue Verordnun-
gen erlassen. Ich gehe davon aus, dass hierüber eine
einhellige Meinung im Deutschen Bundestag zu erzielen
ist.

Nun zu einem dritten Bereich, Herr Minister, nämlich
dem Sport. Hier besteht nun in vielen Dingen Gott sei
Dank Einigkeit. Meines Erachtens ist es eine Aufgabe
aller Politiker und aller Bürger dieser Bundesrepublik
Deutschland, sich für den Sport einzusetzen. Ich bin auch

ein wenig stolz darauf, dass die CDU/CSU-Haushälter
mit den anderen zusammen – das muss ich klar und deut-
lich sagen – in vielen Punkten Dinge erreicht haben, die
Sie zunächst nicht wollten, aus welchen Gründen auch
immer, meistens aus finanziellen. Zwar wollten Sie Milli-
arden, aber Ihr Nachbar, der Herr Eichel, der leider nicht
da ist, wollte immer weiter kürzen.


(Günter Graf [Friesoythe] [SPD]: Charly, der Eichel ist aber gut!)


– Nein, nein, lieber Günter. Warum er immer noch als
Sparminister bezeichnet wird, weiß ich allerdings nicht.
Darüber wollen wir uns nicht mehr äußern.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Minister, es gibt also Teilbereiche – ich denke an

den Goldenen Plan –, in denen es Komplikationen gab.
Ich bin sehr stolz darauf, dass es uns als CDU/CSU-
Gruppe gelungen ist, hier etwas zu erreichen. Ich bin auch
damit zufrieden, dass im Spitzensport etwas passiert ist.
Bei den Hochleistungszentren hatten Sie gekürzt. Wir ha-
ben eine Aufstockung um 28 Millionen DM vorgeschla-
gen, die SPD-Fraktion will 14 Millionen DM zusätzliche
Mittel zur Verfügung stellen. Ich halte das für richtig,
auch für die Olympia-Leistungszentren. Obwohl wir in
diesem Jahr nicht mit allen Olympioniken zufrieden ge-
wesen sind, ist es Aufgabe des Staates, sich auch in Zu-
kunft um diese Menschen zu kümmern. Ich bin ganz po-
sitiv gestimmt und erwarte, dass da in Zukunft wieder
mehr passiert.

Ein Bereich, Herr Minister, den ich gerne anspreche
und der natürlich auch sehr schön ist, betrifft die beiden
Stadien in Leipzig und Berlin, die jetzt für die Fußball-
weltmeisterschaft 2006 in Deutschland umgebaut werden.
Das alles ist zwar schön und gut. Aber ich lehne es strikt
ab – das sage ich klar und deutlich –, wenn man sich im
Berliner Senat einkaufen muss, indem man den Umbau
des Olympiastadions mit 386 Millionen DM zusätzlich fi-
nanziert – ich weiß noch nicht, in welchem Haushalt diese
Summe eingestellt wird; aber vielleicht lässt sich das he-
rausfinden, und zwar möglichst bald, damit der Bürger
auch mit Sicherheit davon ausgehen kann, dass das bezahlt
wird; das ist meines Erachtens entscheidend –, um so eine
Mehrheit für die Steuerreform zu bekommen.

Wenn wir den Umbau der Stadien in Berlin und Leip-
zig mitfinanzieren, dann müssen wir uns in gleichem
Maße – Gunter Weißgerber nickt sporadisch – auch für die
Städte einsetzen, die sich mit ihren Stadien ebenfalls als
Austragungsorte für die Fußballweltmeisterschaft 2006
beworben haben. Deswegen fordern wir, dafür weitere
222 Millionen DM einzustellen.


(Zuruf von der SPD: Sowas von lächerlich!)

Darüber kann der Minister ruhig lachen. Er kann sich dazu
nachher noch äußern, wenn er möchte. Herr Schily, Sie
sollten nur bedenken: Wenn Sie mit den Bürgern in Mün-
chen oder in anderen Städten zum Beispiel in Nordrhein-
Westfalen sprechen, dann werden Sie feststellen, dass die
Leute die gleiche Auffassung haben wie die Menschen in
Berlin und Leipzig.


(Beifall bei der CDU/CSU)





Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein

13135


(C)



(D)



(A)



(B)


Zum Schluss meiner Rede möchte ich – auch wenn der
Staatssekretär dazwischenredet – den Minister direkt an-
sprechen und ihm sagen: Ich bin sehr zufrieden, dass wir
über alle Parteigrenzen hinweg die finanziellen Regelun-
gen für die Stiftungen hinbekommen haben. Aber ich
glaube, dass im Augenblick die Mitglieder des Präsidiums
und die Fraktionsvorsitzenden sehr intensiv über die fi-
nanzielle Ausstattung der Stiftungen und der Botschaften
diskutieren. Ich gebe zu bedenken, Herr Minister: Es ist
ein Fehler, wenn ein so großer und international bedeutsa-
mer Staat mit großen Exportchancen wie die Bundesrepu-
blik Deutschland nicht bereit ist, seine Außenstellen wie
Stiftungen, Botschaften und andere Auslandsvertretungen
finanziell und personell so auszustatten, dass sie auch in
Zukunft gut arbeiten können. Deswegen bitte ich Sie – der
jetzige Haushalt steht schon fest –, sich im laufenden Jahr
Gedanken über eine Verbesserung der Situation zu ma-
chen, weil dies meines Erachtens ein sehr wichtiger Be-
reich ist.

Als Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion möchte
ich mich bei allen Kollegen aus dem Haushaltsausschuss,
die für die Erarbeitung des Einzelplans 06 zuständig wa-
ren, herzlich bedanken. Wir haben trotz einiger unter-
schiedlicher Auffassungen ein gutes, harmonisches und
freundschaftliches Verhältnis untereinander. Herzlichen
Dank!


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413513900
Nächster Redner ist
für die SPD-Fraktion der Kollege Lothar Mark.


Lothar Mark (SPD):
Rede ID: ID1413514000
Frau Präsidentin! Liebe Kolle-
ginnen! Liebe Kollegen! Mir fällt die Aufgabe zu, einiges
über den Sporthaushalt zu sagen. Auch mir steht, lieber
Kollege Hammerstein, sehr wenig Zeit zur Verfügung.
Auch ich möchte betonen, dass wir im Haushaltsaus-
schuss immer wieder ein weitestgehendes Einvernehmen
in Fragen des Sports erzielt haben und dass ein gutes
Klima in den Berichterstattergesprächen über diesen The-
menbereich herrschte.

Der Sporthaushalt ist in diesem Jahr deutlich erhöht
worden. Dies ist eine Reverenz an den gesamten Sport.
Ich betone bewusst, dass in diesem Jahr auch der Breiten-
sport im Rahmen des Goldenen Planes Ost davon profi-
tiert, genauso der Behindertensport und der Hochleis-
tungssport.

Der Sport erfüllt in Deutschland nicht nur eine Ge-
sundheitsfunktion, sondern auch eine große soziale
Funktion. Immerhin sind 27 Millionen Mitglieder in
87 000 Sportvereinen organisiert. Im Zusammenhang mit
dem Problem der Fremdenfeindlichkeit fällt dem Sport
eine besondere Bedeutung zu; denn wir wissen, dass in
den Sportvereinen Integration betrieben wird und Frem-
denfeindlichkeit und Fremdenhass dort Fremdwörter
sind. Deswegen legen wir großen Wert darauf, dass die
Vereine gestärkt werden und der Sport seinen gegenwär-
tigen Stellenwert behält bzw. weiter gefördert wird.


(Zurufe von der SPD: Sehr richtig! – Bravo!)


Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass gerade beim
Profisport, der ja in unserem Haushalt nichts zu suchen
hat, sehr viele Sportkoryphäen Ausländer sind. Es gibt
auch Beispiele, wo dies besonders aufgezeigt und gesagt
wird: Wenn sie nicht mehr da wären, könnte diese Mann-
schaft überhaupt nicht mehr spielen. – Das ist sowohl
beim Fußball, beim Eishockey, beim Basketball als auch
bei vielen anderen Sportarten so.

Der Kollege von Hammerstein hat auf den „Goldenen
Plan Ost“ hingewiesen. Sie wissen alle, dass dies von der
sozialliberalen – wollte ich gerade sagen –,


(Dr. Werner Hoyer [F.D.P.]: Da war der Wunsch der Vater des Gedankens!)


von der Regierungskoalition eingeführt wurde und dass
der Mittelansatz für den „Goldenen Plan Ost“ nun erst-
mals erhöht wurde, und zwar auf 29 Millionen DM, was
zusätzliche Investitionen in den jeweiligen Bundeslän-
dern ermöglicht.

Zum anderen ist es uns gelungen, die Mittel für den
Hochleistungssport im investiven Sektor von 40 auf
54 Millionen DM zu erhöhen,


(Beifall bei der SPD – Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein [CDU/CSU]: Wir wollten 68 Millionen!)


obwohl die Sportverbände eigentlich schon akzeptiert
hatten, mit diesen 40 Millionen DM auskommen zu müs-
sen. Aber wir wollten dem vorbeugen, dass gesagt würde:
Weil die Bundesrepublik bei der Olympiade nicht so son-
derlich gut abschnitt, kürzen wir. – Das kann nicht sein.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bei dieser Gelegen-
heit möchte ich allen Olympioniken in Sydney Dank sa-
gen. Ob es nun die Olympischen Spiele selbst waren oder
die Paralympics, spielt dabei keine Rolle. Wir dürfen
nicht immer nur denjenigen Dank sagen, die Medaillen
gewinnen, sondern auch denjenigen, die sonst hervorra-
gende Leistungen erbringen.


(Beifall im ganzen Hause)

Wenn man zum Beispiel in einer Sportart den achten Platz
weltweit einnimmt, dann ist dies eine absolut erwähnens-
werte Leistung.

Ich möchte zu den Stadien in Berlin und Leipzig sa-
gen, dass hier von der CDU/CSU ein falsches Spiel ge-
trieben wird.


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Ursprünglich wurde für die beiden Stadien in Berlin und
Leipzig die Zusage erteilt: Wenn die Weltmeisterschaft
nach Deutschland kommt, dann wird der Ausbau dieser
Stadien finanziert. Das haben wir eingehalten. Dies ist
quasi eine Infrastrukturfinanzierung für den Osten, weil
sonst kein Stadion in Ostdeutschland in der Lage wäre,


(Dr. Ruth Fuchs [PDS]: Das Olympiastadion steht im Westen Berlins!)


Wettkämpfe im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft
durchzuführen.


(Zuruf von der SPD: Genau so war es!)





Carl-Detlev Freiherr von Hammerstein
13136


(C)



(D)



(A)



(B)


Hinzu kommt – und deswegen sage ich auch einiges
zum Antrag der CDU/CSU –: Wenn nun der Antrag
kommt, dass alle anderen Stadien mitfinanziert werden
sollten, in denen Spiele der Weltmeisterschaften ausgetra-
gen werden, dann geht das an der Thematik vorbei.


(Zuruf von der SPD: Völlig!)

Die meisten Fußballvereine, die über Stadien verfügen,
wären in der Lage, diese selbst umzubauen. Dazu kommt
noch, dass sie sich auf einem sehr hohen Niveau befinden.
Ich will als Beispiel erwähnen – weil immer von Bayern
München gesprochen wird –: Wenn ein Bundesligaverein
einen 250-Millionen-DM-Etat für die Mannschaft auf-
bringen kann, dann kann er auch gemeinsam mit der Lan-
deshauptstadt und dem betreffenden Bundesland das Sta-
dion sanieren, noch dazu, wenn andere Bundesligavereine
in der gleichen Liga – ebenfalls in der ersten – mit weni-
ger als einem Fünftel des Etats auskommen.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Jürgen Koppelin [F.D.P.])


Wir dürfen in diesem Sektor keinen Steinbruch eröff-
nen, weil die Sportpolitik sonst nicht mehr überschaubar
und finanzierbar sein wird.


(Beifall bei der SPD)

Ich möchte als Nächstes die Olympiastützpunkte er-

wähnen. Der Deutsche Sportbund hat bereits mitgeteilt,
dass ihre Anzahl reduziert wird. Ich möchte meine Stel-
lungnahme offen lassen. Das Bundesinnenministerium
wird diese Frage diskutieren und hoffentlich mit uns – da-
von gehe ich einmal aus – eine Entscheidung her-
beiführen.

Ich möchte ferner darauf hinweisen, dass wir, was die
Ausgaben für die Olympiastützpunkte angeht, eine Er-
höhung vorgenommen haben. Dies beweist, dass wir zu-
mindest in diesem Jahr keine Unruhe hinsichtlich der
Olympiastützpunkte bekommen wollen. Wir werden die
Aufwendungen für die Lehrgänge und die Wettkampf-
maßnahmen der Verbände um 2,6 Millionen DM und die
Ausgaben für den Behindertensport erhöhen.

Herr Bundesinnenminister, ich habe den Wunsch, dass
wir uns für die Zeit ab dem Jahr 2002 auch einmal – das
ist perspektivisch gedacht – die Budgetierung bei den
Olympiastützpunkten und bei den Sporteinrichtungen ins-
gesamt zum Ziel setzen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zum anderen möchte ich noch darauf hinweisen, dass

wir die Überlegungen beim Bundesinstitut für Sportwis-
senschaft sehr ernst nehmen. Wir sollten über diese Über-
legungen hier noch einmal diskutieren, bevor weitere Ent-
scheidungen gefällt werden.

Der Sportetat 2001 macht deutlich, dass die Regie-
rungskoalition dem Sport einen hohen Stellenwert bei-
misst und dass wir dieses Thema nachhaltig investiv an-
gehen, um auch in der Zukunft Spitzensportangebote,
Breitensportangebote und Behindertensportangebote auf
hohem Niveau gewährleisten zu können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413514100
Für die F.D.P.-Frak-
tion spricht jetzt der Kollege Dr. Werner Hoyer.


Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1413514200
Frau Präsidentin! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Mark, ich
danke Ihnen zunächst einmal für die deutlichen Worte
zum Sport und insbesondere zum Bundesinstitut für
Sportwissenschaft. Ich hoffe, dass im BMI genau gehört
wird, welch großen Konsens wir aufseiten der Berichter-
statter in dieser Frage hatten. Das wird sich hoffentlich in
den konkreten Entscheidungen niederschlagen.


(Beifall bei der F.D.P.)

Der Einzelplan des Bundesinnenministeriums spiegelt

die ungeheure Aufgabenvielfalt dieses Ressorts wider.
Folglich verlaufen die Haushaltsberatungen sehr kompli-
ziert, sehr extensiv und sehr intensiv; denn dieser Etat
deckt nicht nur das BMI ab, sondern eine ungeheure Fülle
von nachgeordneten Behörden. Sie reicht von überschau-
baren Einrichtungen wie dem Bundesamt für Kartogra-
phie und Geodäsie bis hin zu großen Personalkörpern wie
dem BGS und so sensiblen Institutionen wie dem Bun-
deskriminalamt oder der Gauck-Behörde. Die Haushalts-
beratungen verlaufen dementsprechend anstrengend.

Ich möchte die Gelegenheit nicht versäumen, mich als
Hauptberichterstatter bei den Mitberichterstattern für das
gute Klima und für das gute Miteinander ganz herzlich zu
bedanken. Ich möchte mich bei den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern des Hauses, insbesondere des Haushaltsrefe-
rats bedanken. Herr Schmidt, geben Sie bitte meinen
Dank für die hervorragende Zuarbeit während des ganzen
Jahres und insbesondere in den letzten drei Monaten wei-
ter.


(Beifall bei der F.D.P. und der SPD)

Dass wir im Geschäftsbereich des BMI auf vielen Ge-

bieten eine große Gemeinsamkeit haben und die Position
des Bundesinnenministers durchaus stützen können, hat
mein Kollege Guido Westerwelle in der ersten Lesung
schon gesagt. Deswegen konzentriere ich mich im Fol-
genden auf ein paar Punkte, in denen wir nicht einer Mei-
nung sind.

Das beherrschende Thema der zweiten Jahreshälfte
2000 war leider der Rechtsextremismus und die Not-
wendigkeit seiner Bekämpfung. Natürlich muss sich dies
auch im Haushalt niederschlagen. Wir alle wissen, dass
wir diesem Thema nicht einfach mit Geld beikommen
können. Wir wissen aber auch, dass manche gute, sinn-
volle und wichtige Initiative ausbleiben muss, wenn das
notwendige Geld nicht etatisiert wird.

Im Bundeshaushalt finden sich nunmehr in fast allen
Einzelplänen, damit natürlich auch im Haushalt des BMI,
an vielen Stellen Einzelansätze, aus denen Initiativen zur
Bekämpfung des Rechtsextremismus und rechtsextremis-
tisch motivierter Gewalt finanziert werden können. Das
ist im Prinzip gut so. Nur, wir Liberalen hätten es schon
bevorzugt, wenn man sich nicht in zig verschiedenen ein-
zelnen Titeln verzettelt hätte, sondern im Einzelplan 60 ei-
nen Globalansatz von nach unserer Auffassung nicht we-
niger als 250 Millionen DM ausgebracht hätte,


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der PDS)





Lothar Mark

13137


(C)



(D)



(A)



(B)


aus dem gezielt sinnvolle Initiativen – von der kommuna-
len Jugendarbeit bis hin zu Sport-, Gewerkschafts- und
kirchlichen Aktivitäten – hätten finanziert werden kön-
nen. Man muss jetzt schon sehr genau darauf achten, dass
nicht die organisationalen Eigeninteressen der Träger sol-
cher Maßnahmen im Vordergrund stehen, sondern dass
strikt nach der Devise verfahren wird: Erst die Idee bzw.
das Projekt, dann das Geld.


(Beifall bei der F.D.P.)

Bei einer der Etatentscheidungen, die in diesem Zu-

sammenhang im Haushaltsausschuss getroffen worden
sind – das ist vorhin schon angesprochen worden –, habe
ich große Bedenken und die Begründungen, die die Jus-
tizministerin vorhin vorgetragen hat, haben mich nicht
überzeugt.


(Beifall des Abg. Jürgen Koppelin [F.D.P.])

Es sieht zwar auf den ersten Blick sehr gut aus, wenn man
einen besonderen Titel zugunsten der Opfer rechtsextre-
mistischer Gewalt ausbringt. Auch gehöre ich nicht zu
denjenigen, bei denen sofort der Reflex ausgelöst wird, zu
fragen, was man eigentlich gegen den Linksextremismus
tut. Das würde der Sache nicht gerecht. Wir haben hier ein
besonderes Problem und brauchen besondere Maßnah-
men; völlig d’accord.

Aber diese Fokussierung auf den Rechtsextremismus
sollte nach meiner Auffassung für die Ursachen und für
die Täter gelten. Bei den Opfern zu differenzieren halte
ich für außerordentlich problematisch.


(Beifall bei der F.D.P. sowie des Abg. Dietrich Austermann [CDU/CSU] und der Abg. Ulla Jelpke [PDS])


Es ist den Eltern eines Kindes, das in unserer nun einmal
sehr der Gewalt zugeneigten Zeit abends in der U-Bahn
von völlig unpolitischen Gewalttätern drangsaliert und
malträtiert wird, nicht zu erklären, warum der Staat mit
den Leiden ihres Kindes anders als mit denen eines Op-
fers rechtsextremistischer Gewalt umgeht.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Es ist blanker Zynismus, so zu tun, als wären die Schmer-
zen eines Polizeibeamten, der bei einer Demonstration ge-
gen die NPD von Anhängern der autonomen Szene eine
Eisenstange auf den Kopf geschlagen oder in den Bauch
gerammt bekommt, weniger groß, als es der Fall wäre,
wenn er von einem glatzköpfigen Neonazi in Springer-
stiefeln angegriffen worden wäre.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)

Damit bin ich beim Thema Polizei, dem ich mich ne-

ben den Themen Einwanderung und Asyl zuwenden
möchte. Es gibt im Haushalt 2001 ein paar Verbesserun-
gen, über die ich mich freue, insbesondere bei der Perso-
nalstruktur im mittleren Dienst des BGS. Aber ich möchte
auch meiner großen Enttäuschung Ausdruck verleihen,
was das Thema BGS und BKA insgesamt angeht. Zum
dritten Mal hintereinander hat die Koalition am Schluss
der Beratungen unseren Antrag abgelehnt, auch die nicht
uniformierten Mitarbeiter des BGS und die die Polizei-
vollzugsbeamten unmittelbar fachlich unterstützenden

Zivilbeschäftigten des BKA von den pauschalen Stel-
lenkürzungen auszunehmen. Ich hatte den Eindruck, wir
wären hier gemeinsam schon weiter gewesen,


(Beifall bei der F.D.P.)

so wie wir es geschafft haben, gemeinsam einen Fort-
schritt für die Mitarbeiter der Rechts- und Konsularabtei-
lungen der Auslandsvertretungen, die gewissermaßen
vorgeschobene Außenposten innerer Sicherheit darstel-
len, zu erzielen. Im Haushalt des BMI ist das leider nicht
gelungen. Dass die Haushälter der Grünen dort mit den
Kollegen der Sozialdemokraten, mit denen ich mich in der
Sache eigentlich immer einig wähnte, so Schlitten fahren
konnten, ist bemerkenswert.

Warum ist denn diese Frage so wichtig? Wir beklagen
in allen politischen Lagern und in allen Sonntagsreden,
dass zu viele Polizeibeamte auf den Revieren und in Stä-
ben sitzen, anstatt auf der Straße oder in der unmittelba-
ren Ermittlungstätigkeit erkennbar Sicherheit zu produ-
zieren. Wie oft höre ich, dass Politiker aller Parteien nach
Besuchen von Polizeiinspektionen beklagen, dass dort in
Büros, deren Ausstattung eher an ein Schreibmaschinen-
museum als an eine moderne Polizeibehörde erinnert,
hoch qualifizierte Polizeivollzugsbeamte Verwaltungs-
tätigkeiten leisten, die billiger und besser von entspre-
chendem Verwaltungspersonal erledigt werden könnten.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Gerade dem steht aber entgegen, dass im Gegensatz zu
den Polizeivollzugsbeamten die zivile Infrastruktur und
die Stellen der Zivilbeschäftigten regelmäßig pauschal
gekürzt werden, obwohl dort das Ende der Fahnenstange
längst erreicht ist. Dann werden in der Not Polizeivoll-
zugsbeamte mit der Bearbeitung von Dienstreiseanträgen
befasst, was sonst noch länger dauern würde, als es oh-
nehin schon der Fall ist. Die Devise müsste eigentlich
„moderne Technik und effizienter Personaleinsatz“ lau-
ten, aber das Gegenteil passiert: Der Missbrauch von Po-
lizeivollzugsbeamten für nicht vollzugsrelevante Aufga-
ben wird immer schlimmer. Da steckt in ihrem Haushalt
ein grundlegender Webfehler, Herr Minister, und die Ko-
alition hat es wieder nicht gepackt, daran etwas zu verän-
dern.


(Beifall bei der F.D.P.)

Im BKA stellen sich die Dinge noch etwas anders dar.

Die hohe Qualität der deutschen Kriminalistik im BKAist
nur mit Spitzenkräften aus Wissenschaft und Technik auf-
rechtzuerhalten, die mit ihrer Expertise die eigentlichen
Kriminalbeamten nachhaltig unterstützen.


(Beifall bei der F.D.P.)

Wenn ausgerechnet diese Stellen weiter abgebaut werden,
müssen auch in diesen Bereichen von Daktyloskopie bis
Informatik zunehmend Polizeivollzugsbeamte eingesetzt
werden, die für diese Aufgaben eigentlich nicht optimal
vorbereitet sind und an anderer Stelle schmerzlich fehlen.

Zu den Fortschritten dieser Legislaturperiode zählt das
Staatsangehörigkeitsrecht. Ich bin davon überzeugt, dass
wie hier auch bei zwei anderen großen Reformwerken am
Ende der Vorschlag der F.D.P. den Weg weisen und auch




Dr. Werner Hoyer
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(C)



(D)



(A)



(B)


den Weg in das Bundesgesetzblatt finden wird, nämlich
bei der Einwanderungspolitik und bei der rechtlichen Ab-
sicherung nicht ehelicher Lebensgemeinschaften.


(Beifall bei der F.D.P.)

Im Zusammenhang mit letzterem Thema haben Sie mit
viel Euphorie und – das unterstelle ich – viel gutem Wil-
len ein schlicht verfassungswidriges Gesetz durchge-
peitscht. Deswegen werden Sie noch einmal auf uns zu-
kommen müssen.

Bei der Einwanderungspolitik verlässt Sie der Mut,
den Realitäten und Notwendigkeiten von Einwanderung
gerecht zu werden, wie die halbherzige Green-Card-Lö-
sung zeigt. Wir werden eines Tages noch große Werbe-
kampagnen starten müssen, um die Einwanderungsquo-
ten zu erzielen, die wir benötigen. Deswegen stellt die
F.D.P. übrigens den Antrag, die Mittel, die die Ausländer-
beauftragte für diesen Zweck aus dem Einzelplan von
Herrn Riester zur Verfügung gestellt bekommt, entspre-
chend zu erhöhen. Ich möchte einmal sehen, wie sich die
Koalition bei der Abstimmung über diesen Antrag verhält.


(Beifall bei der F.D.P.)

Wir müssen Einwanderung rational gestalten und aktiv

betreiben. Nicht nur kulturell, sondern auch wirtschaftlich
ist rationale Einwanderungspolitik von Gewinn.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413514300
Herr Kollege Hoyer,
gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Wiefelspütz?


Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1413514400
Von Herrn Wiefelspütz
immer.


Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):
Rede ID: ID1413514500
Herr Kollege Hoyer, hal-
ten Sie es als jemand, der einer Regierung angehört hat,
die 16 Jahre regiert hat, nicht auch für eine respektable
Leistung, dass die neue Regierung in den ersten zwei Jah-
ren, wie Sie zu Recht gesagt haben, einen wichtigen
Schritt mit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechtes
gemacht hat und sich anschickt, in diesem Bereich ein
weiteres Stück Reformstau durch die Regelung der Zu-
wanderung aufzulösen? Finden Sie nicht, dass diese neue
Regierung schon in ihrer ersten Legislaturperiode auf
wichtigen und zentralen Politikfeldern, die in der Ver-
gangenheit vernachlässigt worden sind, ein beachtliches
Ergebnis vorzuweisen hat?


Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1413514600
Wenn dabei tatsächlich so
gute Regelungen herauskommen, wie wir sie jetzt beim
Staatsangehörigkeitsrecht erreicht haben, bin ich sofort
bereit, das auch anzuerkennen. Ich habe aber in der De-
batte über die Green-Card-Regelung gemerkt, dass die
Gefahr besteht, dass wir hier in die falsche Richtung ge-
hen und ein Ergebnis herauskommt, das nicht den Reali-
täten entspricht, denen wir uns im Zusammenhang mit der
Einwanderung stellen müssen.


(Beifall bei der F.D.P. – Widerspruch bei der SPD – Sebastian Edathy [SPD]: Sie laufen in die falsche Richtung!)


Nun zu meinen zwei Punkten:
Erstens. Eine aktive Einwanderungspolitik sieht eben

auch in der kulturellen Bereicherung durch Einwande-
rung einen Gewinn. Das ist der Grund, warum ich die
Sorge habe, dass der Begriff der Leitkultur möglicher-
weise in die falsche Richtung führt bzw. Beifall von der
falschen Seite bekommen könnte.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich nehme die Argumente, die der Kollege Merz in die-
sem Zusammenhang heute vorgetragen hat, sehr ernst. Ich
nehme sie ihm auch ab. Die Debatte zur Europapolitik
heute Morgen hat ja gezeigt, dass wir ein einiges Europa
in Vielfalt wollen, kein Europa, das zu einem kulturellen
Schmelztiegel wird, sondern ein Europa, das seine Kraft
aus der Vielfalt seiner Nationen, Kulturen, Religionen und
Regionen zieht.


(Beifall bei der F.D.P.)

Deshalb ist die Frage nach dem Umgang von Einwande-
rern mit der Sprache und Kultur des Gast- bzw. Einwan-
derungslandes mehr als legitim.

Meine Bauchschmerzen rühren allerdings von einer
anderen Überlegung her. Sie kommen daher, dass mit dem
Begriff des Leitens unweigerlich der Eindruck eines
Zwangs zur Anpassung und zumindest partiellen Iden-
titätsveränderung impliziert zu sein scheint. Häufig wird
damit gewissermaßen auch der Eindruck einer Überle-
genheit über andere Kulturen vermittelt.


(Beifall bei der F.D.P.)

Das ist das Letzte, was ich den Kollegen von der Union

bei diesem Punkt unterstelle.
Aber ich fürchte, sie bekommen den Beifall von einer
Seite, deren Auffassungen Anlass zu schlimmen Befürch-
tungen geben. Ich habe so meine Ahnung, was mancher
Beifallspender eigentlich unter deutscher Kultur versteht.
Das ist sicherlich nicht das, was zum Kernbestand unse-
rer ethischen Kultur zählt und was in unvergleichbar schö-
ner Form Einzug in den Text unseres Grundgesetzes ge-
funden hat:

Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Zweiter Punkt. Es erfüllt mich die erneute Debatte über

eine Abschaffung des Grundrechts auf Asyl mit Sorge.

(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der PDS)


Unser langjähriger Kollege Otto Graf Lambsdorff hat
doch Recht, wenn er sagt, dass es hier um eine ganz zen-
trale Wertentscheidung des Grundgesetzes geht.


(Beifall des Abg. Dieter Wiefelspütz [SPD])

Der Zusammenhang zwischen der Einwanderungspolitik
und der Asylpolitik darf auf diese Weise nicht hergestellt
werden,


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD)





Dr. Werner Hoyer

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sondern nur über den Zusammenhang einer aktiven Ein-
wanderungspolitik mit dem aktiven Bekämpfen des Asyl-
missbrauchs. Hier ist eine Chance gegeben.


(Beifall bei der F.D.P.)

Es muss sich ja wohl jeder darüber im Klaren sein, dass
derjenige, der nachgewiesenermaßen vom Recht auf Asyl
missbräuchlich Gebrauch gemacht hat, hinterher keinen
Anspruch darauf hat, im Rahmen einer Einwanderungs-
quote noch berücksichtigt zu werden.


(Beifall bei der F.D.P.)

Letztes Wort, liebe Kolleginnen und Kollegen: Ich

möchte dringend dafür plädieren, bei der Änderung der
allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Staatsangehörig-
keitsrecht voranzukommen. Hier gibt es in der Tat noch
etwas nachzubessern. Es war bewusst vorgesehen wor-
den, dass der Einbürgerungsanspruch für Kinder von
rechtmäßig und dauerhaft in Deutschland lebenden Eltern
nicht nur auf diejenigen bezogen werden soll, die nach
dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes geboren wurden,
sondern auch für diejenigen gelten soll, die noch nicht äl-
ter als 10 Jahre sind. Diese Übergangsregelung läuft aus.
Sie ist nicht in dem von uns gewünschten Maße in An-
spruch genommen worden. Das liegt an den mit 500 DM
zu hohen Gebühren und auch an den Verwaltungsprakti-
ken. Aus diesem Grunde haben wir einen Gesetzentwurf
eingebracht, der zum einen eine Verlängerung dieser
Übergangsfrist vorsieht und der zum anderen eine deutli-
che Absenkung der Gebühren auf maximal 100 DM for-
dert.


(Beifall bei der F.D.P.)

Herr Bundesminister, ich würde mich freuen, wenn es

Ihnen gelingt, mit den Ländern in dieser Frage bald einen
Konsens zum Wohle unserer aktiven Einwanderungspoli-
tik zu erzielen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der F.D.P. – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist mit Ihren Landesregierungen in Hessen und Baden-Württemberg?)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413514700
Nächster Redner in
dieser Debatte ist der Kollege Cem Özdemir für die Frak-
tion Bündnis 90/Die Grünen.


Cem Özdemir (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1413514800
Frau
Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Umgang mit
dem Thema Rechtsradikalismus ist eine der großen He-
rausforderungen der deutschen Innenpolitik geworden.
Diese Bundesregierung hat gehandelt und entschlossen
Maßnahmen eingeleitet.

Herr Koch aus Hessen befindet sich im Übrigen in ei-
ner Koalition mit der F.D.P.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die lassen sich doch von denen in Hessen an der Nase herumführen!)


Dazu sollten Sie etwas sagen, wenn Sie hier zum Thema
Staatsangehörigkeit und Verwaltungsvorschriften spre-
chen; denn die Koalition in Hessen sagt das Gegenteil von
dem, was die F.D.P. im Bundestag regelmäßig verkündet.
Aber diese schizophrene Situation müssen Sie selbst
klären.

Wenn ich in diesen Tagen im „Stern“ lese, was Herr
Koch von sich gibt, nämlich dass alles halb so schlimm sei
und dass das Thema Rechtsradikalismus im Großen und
Ganzen eine Erfindung der Medien sei, dann möchte ich
in Anlehnung an ein Zitat aus der deutschen Geschichte
sagen: Man kann gar nicht so viel fressen, wie man sich
übergeben möchte, wenn man über Herrn Koch liest.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Was sind denn das für Töne?)


Ich hoffe, dass wir alle gemeinsam dafür sorgen, dass die-
ser Koch – im Wirkungsbereich Hessen hat er die Verant-
wortung hoffentlich nicht mehr sehr lange – bundesweit
keine Verantwortung übernimmt. Das wäre wirklich ein
Anlass, sich zu überlegen, ob man in diesem Land noch
richtig aufgehoben ist.

Meine Damen, meine Herren, wir unterstützen die kon-
krete Arbeit vor Ort, indem wir 50 Millionen DM im
Haushalt einstellen. Dafür möchte ich den Haushältern
herzlich danken, die dieses möglich gemacht haben. Wir
senden damit trotz der angespannten Haushaltslage eine
klare Botschaft im Rahmen der Haushaltsdebatte an die
Initiativen vor Ort und an die Zivilgesellschaft, dass wir
nicht nur in Sonntagsreden die Bekämpfung des Rechts-
radikalismus einfordern, sondern dass wir denjenigen, die
Zivilcourage und Mut aufbringen und die sich in
Kirchengemeinden, Initiativen, Gewerkschaften, Be-
triebsräten und sonstigen Organisationen vor Ort jeden
Tag für Menschlichkeit und Humanität einsetzen, auch
zeigen: Die Bundesregierung lässt sie nicht allein. Sie ist
ihnen dankbar für ihre Arbeit; denn sie setzen sich mit
ihren Initiativen gegen Rechtsradikalismus, gegen An-
tisemitismus und gegen Rassismus dafür ein, dass das An-
sehen unseres Landes im In- und Ausland zunimmt. Des-
halb sagen wir mit aller Entschlossenheit: Wir wollen den
Glatzen ihre Springerstiefel ausziehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dazu gehört auch, dass man das Thema „Verbot der
NPD“ mit dem gebotenen Ernst behandelt. Wir werden
darüber morgen im Innenausschuss debattieren. Meine
Fraktion – das gilt sicherlich auch für die anderen Frak-
tionen – macht es sich nicht leicht mit der Entscheidung.
Einige Gründe geben uns Anlass, kritisch mit diesem
Thema umzugehen. Ich will die Gründe angesichts der
Kürze meiner Redezeit nicht weiter vertiefen. Die Debatte
wurde schon hinreichend geführt; Sie kennen die Argu-
mente.

Wir haben uns mit dem vorliegenden Material gründ-
lich auseinander gesetzt. Wir haben uns nicht, wie be-
hauptet wurde, nur eine Stunde in die Geheimschutz-
stelle begeben und anschließend eine Pressekonferenz




Dr. Werner Hoyer
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abgehalten, auf der wir das gesagt haben, was wir schon
vorher wussten, sondern wir haben uns einem umfangrei-
chen Aktenstudium unterzogen.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer ist denn das?)


– Ich glaube, wir wissen alle, wer gemeint ist. Es ist der
Herr, der sich gelegentlich in den Container von „Big Bro-
ther“ verirrt. Das umfangreiche Aktenstudium hat auch
die Mehrzahl derjenigen unter uns, die sich mit diesem
Thema kritisch auseinander setzen, davon überzeugt, dass
es notwendig ist, diese widerliche Vereinigung NPD zu
verbieten. Deshalb wollen wir die Bundesregierung und
auch den Bundesrat in den Maßnahmen bezüglich eines
NPD-Verbotes unterstützen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich möchte ausdrücklich begrüßen, dass die Haushäl-
ter die Errichtung des neuen Bundesgrenzschutzstandor-
tes Lausitz mit circa 80 Vollzugsbeamten ermöglichen.
Das kostet uns 10 Millionen DM. Ich glaube aber, dass
dieses Geld gut angelegt ist. Sie wissen, dass meine Frak-
tion Ausgaben in diesem Bereich traditionell sehr kritisch
gegenübersteht. Aber dieses Geld ist gut angelegt,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


weil dort Beamte des Bundesgrenzschutzes für eine sinn-
volle Arbeit eingesetzt werden. Es wird eine intensive Zu-
sammenarbeit mit den Länderpolizeien geben. Die Zusage
des Innenministers steht, dass Beamte des Bundesgrenz-
schutzes immer dort zur Unterstützung eingesetzt werden,
wo es einen Bedarf gibt. Ich bin sehr gespannt, ob das in
den neuen Ländern in Anspruch genommen wird.

Lassen Sie mich kurz auf einen aktuellen Fall einge-
hen. Ich möchte mich nicht umfassend dazu äußern, son-
dern nur einen Aspekt des schrecklichen Ereignisses in
Sebnitz vor drei Jahren aufgreifen. Die Ermittlungen lau-
fen; Sie wissen, dass das Verfahren neu aufgerollt worden
ist. Mich hat neben dem Tod des Kindes Joseph und den
Begleitumständen vor allem eine Sache schockiert. Am
Tag nach dem Bekanntwerden dieses Falles in den Me-
dien marschierten grölende alkoholisierte Jugendliche an
dem Haus der Familie des Jungen vorbei und obwohl man
davon ausgehen konnte, dass es dort zu Problemen
kommt, dass die Familie bedroht wird, war niemand da,
der die Familie geschützt hat. Es waren die Medien, die
das dokumentiert und am nächsten Tag im Fernsehen ge-
zeigt haben.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Die Medien haben eine Menge transportiert! Eine Menge Unwahres!)


Ich finde, diese Jugendlichen gehören vor ein ordentli-
ches Gericht, wo sie entsprechend dem, was der Rechts-
staat in einem solchen Fall vorsieht, bestraft werden müs-
sen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Das muss vor allen Dingen deshalb geschehen, damit der
schreckliche Verdacht, dass unsere Sicherheitsbehörden
auf dem rechten Auge Sehstörungen haben könnten, so
schnell wie möglich und gründlich ausgeräumt wird.


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Es ist unglaublich, was Sie behaupten! Davon ist nichts bewiesen!)


Ich habe an die Kollegen aus Sachsen die Bitte – die
Grünen sitzen ja bedauerlicherweise nicht im Landtag
von Sachsen; in diesem Zusammenhang merkt man, wie
notwendig das wäre –, dass sie, vielleicht auch in Form ei-
nes Untersuchungsausschusses, dieser Sache nachgehen
und sie umfangreich erforschen.


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Sie haben sich aber stark gewandelt! Früher haben die Grünen zu Sitzblockaden aufgerufen!)


– Sie können gerne eine Zwischenfrage stellen, wenn Sie
Fragen dazu haben.

Ich möchte aber auch die Gelegenheit nutzen, dem
Bundeskriminalamt dafür zu danken, dass es sich bei sei-
ner jüngsten Herbsttagung sehr kritisch und auch sehr
selbstkritisch mit diesem Thema auseinander gesetzt hat.
Das Thema der Tagung des Bundeskriminalamtes lautete:
„Rechtsextremismus und Antisemitismus in der deut-
schen Gesellschaft – Sind die Behörden auf dem rechten
Auge blind?“ Dazu wurden Kritiker eingeladen, ein Vor-
gang, den man wahrscheinlich zu Ihrer Regierungszeit in
der Form nicht erlebt hätte. Es waren viele Leute dabei,
die sich mit Kritik an der Ermittlungsarbeit in den ver-
gangenen Jahren hervorgetan haben. Ich finde es sehr be-
grüßenswert, dass sich unsere Sicherheitsorgane mit den
Kritikern zusammensetzen, sich dieser Kritik stellen und
versuchen, diese in ihre Arbeit einzubauen. Auch von die-
ser Stelle aus einen herzlichen Dank an das Bundeskrimi-
nalamt, dass es dieses Thema aufgegriffen hat.

Wir sagen Ja zu Maßnahmen gegen rechts, aber wir sa-
gen Nein zum Abbau von Bürgerrechten. Lassen Sie mich
dies in aller Deutlichkeit sagen. Ich meine die Debatte um
die Beschneidung des Versammlungsrechts. Das Recht,
sich friedlich unter freiem Himmel zu versammeln, ist in
unserer Gesellschaft ein Grundrecht und keine rechts-
staatliche Gnade. Das wird es auch bleiben. Ich bitten alle,
sich dafür einzusetzen. Dieses Recht ist ein Kronjuwel un-
serer Verfassung. Wir sollten vorsichtig damit umgehen.
Mein Appell an die Innenminister ist, hier nicht das Kind
mit dem Bade auszuschütten. Die notwendigen Maßnah-
men zur Bekämpfung des Rechtsradikalismus dürfen
nicht so weit gehen, dass wir dazu den Rechtsstaat ab-
bauen. Das ist mit unserer Fraktion nicht zu machen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Versammlungsfreiheit ist ein hohes Gut. Wir hal-

ten nichts davon, Berlin in eine Art Flickenteppich unter-
schiedlicher Demonstrationszonen zu verwandeln. Wir
wollen die Glatzenparaden der NPD verhindern. Am letz-
ten Wochenende konnte man sehen, wie das erfolgreich
geschehen kann. Da haben sich Bürgerinnen und Bürger
versammelt und gegen die NPD demonstriert. Man muss
auch der Polizei für ihre schwierige Arbeit, die sie leistet,




Cem Özdemir

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danken; denn sie muss das Demonstrationsrecht, auch das
der NPDler, schützen. Ich weiß von vielen Polizeibeam-
ten, dass es nicht gerade eine vergnügungssteuerpflichtige
Arbeit ist, wenn man diese Glatzköpfe, diese widerlichen
Gestalten auch noch schützen muss. Das ist ein Grund,
warum das NPD-Verbot überfällig ist.

Wir werden die Einführung einer Superbannmeile, wie
sie Herr Werthebach, der Innensenator von Berlin,
möchte, nicht unterstützen. Überlegungen einiger Innen-
minister, Orte von herausgehobener nationaler Bedeutung
herauszugreifen, sind nicht verfassungsfest. Wir werden
keinem Gesetz zustimmen, das nicht verfassungsfest ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wie soll man sich das denn praktisch vorstellen, wenn
eine Demonstration angemeldet wird? Zunächst darf nach
dem normalen Versammlungsrecht am Alexanderplatz
demonstriert werden. Danach geht es vielleicht in Rich-
tung Neue Wache; dafür bedarf es dann nach den Plänen
der Innenminister wegen der herausgehobenen nationalen
Symbolik einer besonderen Genehmigung. Von wem ei-
gentlich? Von den Erben von Käthe Kollwitz oder von dem
Verein der Auslandspresse? Nachdem die Neue Wache
dann glücklich passiert wurde, geht es Unter den Linden
weiter zum Brandenburger Tor, dem nationalen Symbol
Nummer zwei. Hier wird wahrscheinlich der Regierende
Bürgermeister persönlich die Durchgangskarten verteilen.
Wenn auch das geschafft ist, landen wir schließlich in dem
befriedeten Bereich des Reichstagsgebäudes. Da wird es
dann dank unserer liberalen Regelung unproblematisch
zugehen.

So wird das Versammlungsrecht garantiert nicht ausse-
hen. Einen solchen Unsinn werden wir nicht mitmachen.
Ich lade alle ein, sachlich mit uns zu debattieren. Wem es
um den Schutz des Holocaust-Mahnmals, das noch nicht
gebaut worden ist, geht, den lade ich ein, sich gemeinsam
mit dem Kuratorium Gedanken zu machen, wie ein sol-
cher Schutz erfolgen kann. Wir müssen abwarten, was das
Kuratorium dazu sagt. Dies werden wir dann sehr ernst
nehmen.

Meine Damen, meine Herren, ich möchte einen Be-
reich ansprechen, der in der innenpolitischen Debatte ge-
meinhin zu kurz kommt – ich bin froh, dass alle Vorred-
ner darauf eingegangen sind, dass hier ein sehr hohes Maß
an Einigung besteht –: Ich meine das Thema Sport. Es
freut mich, dass die Mittel für den Goldenen Plan Ost von
15 Millionen DM auf 29 Millionen DM aufgestockt wer-
den konnten. Wir alle wissen, dass die Überorganisiertheit
des Lebens in der ehemaligen DDR für viele in zahlrei-
chen Lebensbereichen – dies betrifft auch die Freizeitge-
staltung – eine Desorientierung mit sich gebracht hat. Ein
unabhängiges Vereinsleben muss erst noch aufgebaut
werden. Gesellschaftliche Selbstorganisationen benöti-
gen nach wie vor staatliche Unterstützung. Das gilt vor al-
lem auch im sportlichen Bereich. Gerade dort, wo marode
oder gar keine Sportstätten vorhanden sind, greift der Gol-
dene Plan Ost. Mit ihm werden gerade in Brennpunkten
nach sozialen und – das ist für uns besonders wichtig –
ökologischen Kriterien Sportanlagen gefördert. Ich
glaube, dieses Geld ist sehr gut angelegt. Wir alle sollten

a) den Haushältern danken und b) darauf achten, dass dies
in den Folgejahren entsprechend weitergeführt wird.

Noch einen Punkt möchte ich lobend hervorheben: Das
sind die Maßnahmen, die wir nachträglich bei den
Kriegsheimkehrern vornehmen konnten. Sie wissen,
dass diese Menschen in den neuen Ländern ein besonders
dramatisches Schicksal erfahren haben; denn sie durften
über ihr Schicksal, über das erduldete Unrecht, das sie er-
lebt haben, nicht sprechen. Gleiches gilt für SED-Opfer.
Wie Sie alle weiß ich, dass kein Geld dieses erlittene Un-
recht, dieses Leid aufwiegen kann. Trotzdem, glaube ich,
müssen wir dankbar dafür sein, dass hier jeweils 5 Milli-
onen DM für Unterstützung und für die Rehabilitation
vorgesehen sind. Auch dafür ein herzlicher Dank an die
Haushälter.

Ein Punkt, auf den ich noch eingehen möchte – denn er
konnte bisher nicht zu unserer Befriedigung gelöst wer-
den; wir brauchen dazu die Unterstützung der Opposi-
tion –, ist das Thema „direkte Demokratie“. Jüngste
Untersuchungen zeigen, dass 75 Prozent der Menschen in
der Bundesrepublik Deutschland Volksentscheide wün-
schen. Die Koalitionsmehrheit weiß sich hier an der Seite
der Mehrheit der bundesdeutschen Bevölkerung. Die
Mehrheit unserer Bevölkerung möchte, dass Volksent-
scheide eingeführt werden.

Dafür benötigen wir eine Verfassungsänderung. Ich ap-
pelliere an Sie von der Opposition, Ihre hier bestehende
Blockade aufzugeben. Kommen Sie aus dem Bremser-
häuschen heraus und lassen Sie uns gemeinsam mehr Ele-
mente der direkten Demokratie einführen! In diesem Zu-
sammenhang kann auch gern über Ihren Vorschlag der
Verlängerung der Legislaturperiode gesprochen werden;
aber bitte nur in diesem Zusammenhang. Denn wir kön-
nen nicht auf der einen Seite die Legislaturperioden ver-
ändern, wenn wir nicht den Bürgerinnen und Bürgern auf
der anderen Seite direktdemokratische Mittel an die Hand
geben. Übrigens, mehr als die Hälfte der Anhänger der
Union ist für mehr direkte Demokratie. Sie sehen also, es
gibt keinen Grund, hier Angst vor der Vernunft unserer
Wählerinnen und Wähler zu haben.

Da der von mir sehr geschätzte Kollege Max Stadler in
diesem Zusammenhang gerne die Gelegenheit nutzt, die
Regierung zu kritisieren, noch ein Wort an die F.D.P.: Es
war in der Gemeinsamen Verfassungskommission vor al-
lem der geschätzte Kollege Otto, der damals nun wirklich
jeden Vorschlag meiner Gruppe in Richtung mehr Demo-
kratie verhindert hat. Von den Akteneinsichtsrechten über
mehr direkte Demokratie bis hin zum Verbandsklagerecht
wurde jeder Vorschlag von der F.D.P. abgelehnt. Von da-
her sollte auch die F.D.P. ein wenig Aufarbeitung ihrer
Vergangenheit betreiben.


(Widerspruch bei der F.D.P.)

Zum Thema Datenschutz möchte ich ganz kurz Fol-

gendes feststellen: Für uns steht ein modernes Daten-
schutzrecht im Mittelpunkt einer Bürgerrechtspolitik. Da-
tenschutz ist eben mehr als ein Abwehrrecht, wie wir es
aus der Vergangenheit kennen. Zum modernen Daten-
schutz gehört auch, dass wir moderne Mittel nutzen. Ich
nenne das Stichwort „Auditierung“. Das heißt, es müssen




Cem Özdemir
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für Unternehmen wirtschaftliche Anreize geschaffen wer-
den, datenschutzfreundlich zu sein. Datenschutz und
Wirtschaft sind kein Gegensatz. Im Gegenteil: Dies ist
mittlerweile genauso ein Standortfaktor, wie es der
Umweltschutz geworden ist. Ich bin froh, dass die Regie-
rung in diesem Zusammenhang die entsprechende EU-
Richtlinie so schnell wie möglich umsetzen wird, die Sie
damals nicht umgesetzt haben, und noch in dieser Legis-
laturperiode die zweite Stufe eines neuen Datenschutz-
rechtes in Angriff nimmt, damit wir in Deutschland wie-
der eines der modernsten Datenschutzrechte bekommen.

Zum Schluss möchte ich noch auf die Migrationsde-
batte eingehen. Es freut mich, dass Herr Müller von der
Union, der Ministerpräsident des Saarlandes, mittlerweile
klar Position bezogen hat, indem er gesagt hat, dass eine
Vermischung von Asyl und Einwanderung keinen Sinn
macht. Dafür gebührt Herrn Müller Dank. Man kann hier
nur sagen, dass Herr Müller offensichtlich der Galileo Ga-
lilei der Union ist. Man kann der Union nur zurufen: Und
sie dreht sich doch!

Ähnlich wie damals bei der Green Card gilt das Ange-
bot an die von der Union regierten Länder, die dazu bereit
sind, zum Wohle unseres Landes mitzuarbeiten: Arbeiten
Sie an der Beantwortung einer der wichtigsten Zukunfts-
fragen dieser Republik mit, an der Frage, wie wir die Zu-
wanderung in die Bundesrepublik Deutschland in dem
Bereich, wo das möglich ist, steuern können. Sie sind
herzlich eingeladen, mit uns zusammenzuarbeiten.

Die Anregung, die verschiedentlich in der Debatte
kam, den Etat unserer Ausländerbeauftragten über das,
was wir gemacht haben, hinaus weiter aufzustocken, neh-
men wir sehr gerne auf.


(Dr. Werner Hoyer [F.D.P.]: Der Haushalt wird am Freitag beschlossen! Ich schlage vor, dass wir baldmöglichst eine Berichterstatterrunde machen, in der wir uns überlegen, wie wir das im nächsten Haushalt machen können. Vielleicht können wir sogar im Rahmen dessen, was wir eingeleitet haben, aus der Ausländerbeauftragten Marieluise Beck, die anerkanntermaßen eine sehr gute Arbeit macht, eine Integrationsbeauftragte machen. Auch das wäre ein sehr wichtiges Signal für die Bundesrepublik Deutschland. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Werner Hoyer [F.D.P.]: Der Innenminister strahlt schon wegen dieses Vorschlages!)


– Der Innenminister schreit nicht,

(Dr. Werner Hoyer [F.D.P.]: Er strahlt!)


sondern der Innenminister unterstützt uns und macht, wie
wir wissen, beim eigenständigen Aufenthaltsrecht für
Frauen und der Einsetzung der Einwanderungskommission
eine Politik, die die Mehrheit des Parlaments stützt.

Herzlichen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413514900
Das Wort hat die Kol-
legin Ulla Jelpke, PDS-Fraktion.


Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1413515000
Frau Präsidentin! Meine Damen
und Herren! Auch ich meine, dass die Diskussion um den
Kampf gegen den Rechtsextremismus in diesem Som-
mer die gesamte Öffentlichkeit bewegt hat. Wenn man
den Haushalt des Innenministeriums betrachtet, hat man
aber den Eindruck, dass die Diskussion an diesem Haus-
halt vorbeigegangen ist.

Ich bin der Meinung, dass es weder einen Aktionsplan
noch ein Gesamtkonzept gibt. Auch wenn man mit einbe-
zieht, die Mittel auf verschiedene Einzelpläne aufgeteilt
sind, wird nach meiner Meinung nicht deutlich, dass es
ein Konzept der Bundesregierung für den Kampf gegen
Rechtsextremismus gibt.

Richtig ist – das ist schon erwähnt worden und das be-
grüßen wir auch –, dass aufgrund des Drucks vieler Ini-
tiativen und gesellschaftlicher Institutionen – meiner
Meinung nach eher zu spät – endlich etwas getan wird für
den Opferschutz bzw. für die Entschädigung von Opfern
von rechterGewalt und natürlich auch für diejenigen, die
Menschen helfen wollten, die Opfer rechter Gewalt ge-
worden sind.

Wenn wir von Schutz reden, dann möchte ich an dieser
Stelle noch einmal einfordern, dass Schutz eben auch
heißt, den Opfern ein Bleiberecht zu geben, und sie nicht
abzuschieben, wie es leider immer noch passiert. Wenigs-
tens das könnte ein erster Beitrag sein, den das
Innenministerium hierzu leistet.

Zynisch wird es allerdings, wenn man die Tagung des
BKA in Wiesbaden, die eben schon der Kollege Özdemir
erwähnt hat, genauer betrachtet. Zweifellos hat der In-
nenminister in der letzten Haushaltsdebatte angekündigt,
man werde die unterschiedlichen Zahlen über Straftaten
mit rechtsextremistischem und antisemitischem Hinter-
grund prüfen. Er hat sich sehr kritisch und sehr offen ge-
zeigt.

Wenn ich aber die neuen Zahlen sehe, die bei der BKA-
Tagung bekannt gegeben wurden, kommen mir große
Zweifel, ob diese Überprüfung eigentlich ernsthaft vorge-
nommen wurde, weil immer wieder schnell neue Zahlen
in die Öffentlichkeit gebracht werden. Ein Blick in die
Zeitung zeigt: Sofort ist auch wieder das Argument der
Verharmlosung da, meines Erachtens zu Recht.

Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen:
Noch im Sommer hat die Bundesregierung in einer Ant-
wort auf eine Anfrage für den Zeitraum von 1990 bis 1999
exakt die Zahl von 26 Todesopfern durch rechte Gewalt
genannt. Ich möchte daran erinnern, dass die alte
CDU/CSU-F.D.P.-Regierung schon für die Jahre 1990 bis
1993 auf 30 Opfer gekommen ist. Danach hat es eine
breite Initiative von Journalisten und auch von uns gege-
ben, die Zahl der Todesopfer und die diesbezüglichen Ur-
teile zusammenzutragen. Diese sind im „Tagesspiegel“, in
der „Frankfurter Rundschau“ und in anderen Medien
veröffentlicht worden. Man kann den Urteilen entneh-
men, dass tatsächlich rechtsextremistische Hintergründe
vorlagen.




Cem Özdemir

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Trotzdem kommt der Innenminister auf der BKA-Ver-
sammlung seit 1990 auf ganze 36 Opfer, die es seit 1990
gegeben haben soll. Ich frage mich: Wie will man diese
Bagatellisierung abwenden, wenn nicht endlich anerkannt
wird, dass die Zahl der Opfer – unserer Meinung nach –
inzwischen sogar weit über 100 liegt? Denn wenn wir
über Opfer, Opferschutz und Entschädigungen sprechen,
muss festgestellt werden: Es sind die Opfer, die An-
sprüche erheben können und die, wie auch ihre Familien,
ein Recht haben, entsprechende Gelder bzw. Entschädi-
gungen zu bekommen. Ich meine, dass es wirklich an der
Zeit ist, dass die Forderung – die nicht nur wir erhoben ha-
ben –, eine unabhängige Beobachtungsstelle einzurich-
ten, erfüllt wird. Über diesen Antrag werden wir heute na-
mentlich abstimmen. Diese Forderung ist mehr denn je
notwendig.

Ich möchte verdeutlichen, warum eine solche unab-
hängige Beobachtungsstelle wichtig ist. Wir alle haben
persönlich viele Beispiele erlebt. In vielen Städten, in de-
nen ich Veranstaltungen durchführe oder Asylunterkünfte
besuche, bekomme ich auf meine diesbezügliche Frage
die Antwort, es gebe in dieser Stadt keine organisierte
rechte Szene, sondern nur vereinzelte Rechte.

Auch der Innenminister hat noch im Sommer, bevor er
für das NPD-Verbot eingetreten ist, von einer dubiosen
und alkoholisierten Jugendszene gesprochen. In fast allen
Städten besteht das große Problem, dass man Zahlen ba-
gatellisiert oder überhaupt nicht registriert. Denn man
möchte natürlich nicht zu den Gemeinden bzw. Städten
zählen, die von braunem Sumpf und brauner Gewalt ge-
prägt sind.

Betrachten wir beispielsweise die Debatte um den klei-
nen Joseph und um Sebnitz. Ich möchte diesen Fall hier
nicht aufrollen. Dazu möchte ich mich nicht äußern. Das
kann ich auch gar nicht. Aber die Tatsache, wie hier rea-
giert wird, und die Angst, dass diese Stadt sich damit aus-
einander setzen muss, dass sie eine rechtsextremistische
Szene hat, sind wichtige Punkte. Und diese Stadt hat eine
Szene. Wer sich damit beschäftigt, stellt das fest. Man
braucht nur in die Verfassungsschutzberichte zu schauen,
in denen Sebnitz eindeutig auftaucht.


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die ganze Sächsische Schweiz!)


Anstatt sich damit auseinander zu setzen, werden
Schlachten geführt, um das Bild einer sauberen Stadt zu
erhalten. Das halte ich für unerträglich. Genau dies soll
eine Beobachtungsstelle recherchieren.

Ich denke auch an die Angstzonen. Das haben wir in
den Anhörungen erfahren. Auch hier gibt es häufig Baga-
tellisierungen und das Herunterspielen von entsprechen-
den Straftaten und von tatsächlichen gesellschaftlichen
Verhältnissen. Wer den Kampf gegen den Rechtsextre-
mismus wirklich ernst nimmt, muss die Untersuchung,
vor allen Dingen der Straftaten, unabhängigen Beobach-
tungsstellen übergeben. Darum werden wir diesen Antrag
heute zur Abstimmung stellen.

Der nächste Punkt. Wir haben herausgefunden, dass
jetzt etwa 50 Millionen DM mehr ausgegeben werden.
Natürlich tauchen sie nicht im Haushalt des Innenminis-
teriums auf. 30 Millionen DM werden im Bereich Jugend

und Familie angesiedelt sein. Wir wissen nicht genau, was
mit diesen 30 Millionen DM tatsächlich gemacht wird
und welche Formen der Aufklärungsarbeit es geben
wird. Ich bin der Meinung, dass diese 50 Millionen DM
ein Tropfen auf den heißen Stein sind und dass man über-
haupt nicht erkennen kann, was tatsächlich mit diesem
Geld bekämpft werden soll bzw. wie die Aufklärungsar-
beit dieser Bundesregierung in Zukunft aussehen wird.

Das Innenministerium selbst hat eine halbe
Million DM mehr für Aufklärungsarbeit veranschlagt. Im
Vergleich zu dem Betrag von 2 Millionen DM, der zuvor
zur Verfügung stand, ist diese Erhöhung fast eine Lach-
nummer; insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass
das „Bündnis für Toleranz“ immer noch eine Luftnummer
ist und dass wir kaum Aktivitäten dieses Bündnisses
wahrnehmen, geschweige denn Taten.

Wir werden heute auch einen Antrag zur Abstimmung
stellen, der Initiativen unterstützen will, die antirassisti-
sche Arbeit bzw. Arbeit gegen Antisemitismus leisten und
die seit vielen Jahren vor Ort – in Schulen, in Institutio-
nen – sehr viel Kleinarbeit geleistet haben, um tatsächlich
über die Situation aufzuklären bzw. um Menschen aus-
ländischer Herkunft Hilfestellung zu geben und ihnen Be-
ratung anzubieten.

Ich möchte daran erinnern, dass das Land
Nordrhein-Westfalen – das ist zwar nicht viel, aber im-
merhin – pro Bürger 1 DM zur Verfügung stellt, also fast
20 Millionen DM, die für solche Initiativen ausgegeben
werden sollen. Über diese Gelder entscheiden die runden
Tische gegen rechts, die Ausländerbeiräte und antifaschis-
tische Initiativen.

Wenn man diesem Beispiel folgen würde und auf
Bundesebene ebenfalls 1 DM pro Bürger bereitstellte,
hätte man immerhin 80 Millionen DM für solche Initiati-
ven und könnte solche Initiativen auch materiell fördern.
Denn Sie wissen alle: Öffentlichkeitsarbeit, egal ob in
Form von Publikationen, von Hilfestellung oder von Be-
ratung, kostet Geld.

Solche Bemühungen sind in diesem Haushalt über-
haupt nicht erkennbar. Deswegen möchte ich darum bit-
ten, unserem Antrag zuzustimmen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413515100
Frau Kollegin Jelpke,
Sie müssen bitte zum Schluss kommen.


Ulla Jelpke (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1413515200
Zum Schluss möchte ich Sie noch
einmal darauf aufmerksam machen: Solange man über ein
formales NPD-Verbot redet, aber nicht über ein Gesamt-
konzept zur Bekämpfung des Rechtsextremismus, so-
lange man nicht eine andere Flüchtlingspolitik betreibt
und nicht endlich aufhört, Menschen in Länder wie bei-
spielsweise die Türkei abzuschieben – nach der Antwort
auf eine Anfrage von mir sind das seit 1998 allein 16 000
Kurden, die auch in der Westtürkei Verfolgung und Folter
ausgesetzt sind –, muss ich Sie auffordern endlich eine an-
dere Ausländerpolitik zu betreiben. Denn auch das wäre
ein wichtiger Beitrag gegen den Rechtsextremismus.

Danke.

(Beifall bei der PDS)





Ulla Jelpke
13144


(C)



(D)



(A)



(B)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413515300
Für die SPD-Fraktion
spricht jetzt der Kollege Günter Graf.


Günter Graf (SPD):
Rede ID: ID1413515400
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, der bisherige
Debattenverlauf hat eines deutlich gezeigt: Die rot-grüne
Bundesregierung setzt ihren erfolgreichen Weg der Haus-
haltskonsolidierung fort.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU: Oje!)


Die Nettokreditaufnahme wird in diesem Haushalt
weiter zurückgeführt. Damit kommen wir dem sicherlich
sehr ehrgeizigen Ziel, die Nettoneuverschuldung bis zum
Jahr 2006 auf null zu bringen, ein großes Stück näher. Das
ist zwingend notwendig, damit wir Handlungsspielräume
zur Politikgestaltung zurückgewinnen.

Wenn ich unhöflich wäre, würde ich jetzt an die
Adresse der ehemaligen Koalitionsregierung sagen: Sie
haben uns ein Finanzchaos hinterlassen. Ich will das nicht
tun; ich sage: Sie haben uns einen Schuldenberg hinter-
lassen und den wollen wir jetzt abtragen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber das ist nicht mein wesentlicher Punkt, sondern das
ist meine Vorbemerkung.

Ich möchte mich in einigen Punkten mit dem Einzel-
plan 06, dem Einzelplan des Ministeriums des Innern, be-
fassen, vor allen Dingen vor dem Hintergrund der inne-
ren Sicherheit in unserem Lande.

Dabei möchte ich zunächst einmal grundsätzlich fest-
stellen, dass gerade der für unser Land so wichtige Be-
reich der inneren Sicherheit durch die Einsparungen beim
Bundesgrenzschutz und beim Bundeskriminalamt nicht
berührt wird, im Gegenteil: Vergleicht man die Haushalte
der Jahre bis 1998 mit dem Haushaltsplanentwurf für das
Jahr 2001, stellt man fest, dass es beim Bundesgrenz-
schutz und beim Bundeskriminalamt deutliche Erhöhun-
gen gegeben hat. Dies war notwendig und richtig, um der
Kriminalitätsfurcht der Bevölkerung wirksam zu begeg-
nen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Lassen Sie mich zunächst in aller Deutlichkeit darauf

hinweisen, dass die Kriminalität in unserem Land seit
1993 ständig zurückgegangen ist. Die Aufklärungsquote
hat den höchsten Stand seit 1966 erreicht und beträgt nun-
mehr 52,8 Prozent. Sicherlich ist das nicht allein das Er-
gebnis der Politik. Aber es ist ein besonderes Verdienst der
Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern. Deswegen
möchte ich an dieser Stelle in besonderer Weise den Poli-
zeibeamten in Bund und Ländern für das großartige En-
gagement danken. Ohne die hoch motivierte Arbeit der
Polizei wäre ein solches Ergebnis nicht zu erreichen ge-
wesen.


(Beifall bei der SPD)

Auch bei der Prävention hat sich eine Menge getan.

Wenn ich dies sage, will ich nichts schönreden. Es gibt

immer noch über 6 Millionen polizeilich registrierte
Straftaten. Mit besonderer Sorge erfüllt uns alle der hohe
Anstieg von Gewalt, Rauschgift- und Wirtschaftskrimi-
nalität. Deshalb wird die SPD-Bundestagsfraktion die
Bemühungen des Bundesinnenministers nachhaltig unter-
stützen, die Kriminalitätsbekämpfung und eine noch bes-
sere Kriminalprävention weiter zu verstärken.

Was die Sicherheitsbehörden des Bundes angeht, las-
sen Sie mich einige wenige Bemerkungen zum Bundes-
grenzschutzmachen. Auch hier werden die Ausgaben auf
einem zwingend erforderlichen Niveau gehalten. Mit
rund 3,3 Milliarden DM stehen dem Bundesgrenzschutz
gegenüber den Ausgaben von 1999 rund 264 Milli-
onen DM mehr zur Verfügung. Diese Ausgaben sind not-
wendig, da insbesondere die Grenzsicherung auch im Jahr
2001 eine der wesentlichen Aufgaben des Bundesgrenz-
schutzes bleibt.

Ich darf Sie darauf hinweisen, dass sich die am 1. Sep-
tember 1998 in Kraft getretene Befugniserweiterung des
Bundesgrenzschutzes zur Verhinderung und Unterbin-
dung unerlaubter Einreisen bewährt hat. Allein bei diesen
Kontrollen wurden fast 20 Prozent aller unerlaubten Ein-
reisen in die Bundesrepublik Deutschland festgestellt.
Hierzu beigetragen hat ganz sicher auch die verbesserte
Ausstattung des Bundesgrenzschutzes. Ich darf nur an die
geländegängigen Fahrzeuge, die Infrarot-Nachtsicht-
geräte und Ähnliches erinnern. Wir haben gerade vor ei-
nigen Wochen, als wir über den Schutz der deutsch-tsche-
chischen Grenze gesprochen haben, diese Dinge in aller
Deutlichkeit dargestellt.

Was die illegale Einreise in die Bundesrepublik
Deutschland angeht, so muss man auch darauf hinweisen,
dass sich die Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten in
den letzten Jahren massiv verbessert hat. Dazu beigetra-
gen hat ganz sicherlich, dass wir die Finanzmittel zur Un-
terstützung der Grenzschutzbehörden der mittel- und ost-
europäischen Staaten gegenüber dem Haushaltsansatz auf
nunmehr 6 Millionen DM verdoppelt haben. Diese Mittel
werden unter anderem zur polizeilichen Ausbildung und
zur Ausstattungshilfe in den mittel- und osteuropäischen
Staaten verwandt. Dies scheint mir eine zwingende Not-
wendigkeit zu sein, um der illegalen Einreise noch wirk-
samer begegnen zu können.

Da ich bereits den Dank an die Polizei und den Bun-
desgrenzschutz gerichtet habe, will ich an dieser Stelle da-
rauf hinweisen, dass ich immer deutlich gemacht habe:
Nur Danke zu sagen kann es nicht sein. Dem müssen Ta-
ten folgen. Umso erfreuter bin ich darüber, dass der
Bundesinnenminister gemeinsam mit der SPD-Fraktion
und natürlich mit der vollen Unterstützung des Haus-
haltsausschusses und unserer Vertreter dafür gesorgt hat,
den Planstellenkegel für den Bundesgrenzschutz für das
Jahr 2001 erheblich zu vergrößern.


(Beifall bei der SPD)

Mit diesem Haushalt sind alleine 1 361 Planstellenhebun-
gen beabsichtigt. Dies bedeutet, dass zusätzlich rund
3 500 Beförderungen im Bundesgrenzschutz im kom-
menden Jahr möglich sein werden.






(C)



(D)



(A)



(B)


Eine weitere Behörde des Bundes, die für die innere Si-
cherheit von großer Bedeutung ist, ist das Bundeskrimi-
nalamt. Gestatten Sie mir dazu einige Bemerkungen.
Auch das Bundeskriminalamt erhält aus dem Haushalt
2001 gegenüber dem Jahr 1999 rund 26 Millionen DM
mehr. Das entspricht einer Steigerung von 5 Prozent; es
sind nunmehr insgesamt 562 Millionen DM. Mit dieser
Bereitstellung wird es dem Bundeskriminalamt möglich
sein, die neuen Aufgabenfelder, die ihm zugewiesen wor-
den sind, mit Leben zu erfüllen:

Erstens. Es wird ein neues kriminalpolizeiliches Aus-
wertungsverfahren eingeführt.

Zweitens. Es werden neue Technologien eingeführt,
um die Kriminalitätsforschung und die Ermittlungsarbeit
mit diesen neuen Technologien zu unterstützen.

Drittens. Ich darf auf die Zentralstelle für anlassunab-
hängige Recherchen im Datennetz verweisen.

Hierbei kommt dem internationalen Bereich eine be-
sondere Bedeutung zu. So darf ich daran erinnern, dass
die erforderlichen Ausgaben für Europol auch in diesem
Jahr steigen werden. Nach Jahren der Stagnation ist es
endlich gelungen, in einem für die Sicherheit wichtigen
Bereich in Fahrt zu kommen. Allein 4 Prozent der Mittel
des Bundeskriminalamtes werden für Leistungen an in-
ternationale Organisationen verausgabt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist zu viel Geld!)


Im Übrigen darf ich daran erinnern, dass es zwi-
schenzeitlich 51 Rauschgift-Verbindungsbeamte des Bun-
deskriminalamtes gibt, die in 41 Ländern dieser Welt ihre
Arbeit verrichten, und das oft unter sehr schwierigen Be-
dingungen. Sie sind aber in unserem System unverzichtbar
geworden. Deswegen möchte ich von dieser Stelle den vie-
len Mitarbeitern unseren herzlichen Dank – zumindest den
Dank unserer Fraktion – aussprechen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der F.D.P.)


Die vom Bundesinnenminister ins Leben gerufene
Stiftung „Deutsches Forum für Kriminalprävention“ ist
nunmehr im Haushalt 2001 abgesichert. Die Einlage des
Bundes in das Stiftungsvermögen beträgt 2,5 Milli-
onen DM bei einem Kapitalgrundstock in Höhe von
10Millionen DM. Das Ziel dieses „Deutschen Forums für
Kriminalprävention“ liegt darin, die Entwicklung von
Strategien gegen die Kriminalitätsursachen sowie die In-
tensivierung der Zusammenarbeit öffentlicher und priva-
ter Stellen sowie internationaler Einrichtungen zu leisten.

Ein Wort noch zu dem Titel über die Mittel für die Be-
reitschaftspolizeien der Länder. Wir haben es letztlich
geschafft, 20 Millionen DM bereitzustellen, damit die
Führungs- und Einsatzmittel für die Bereitschaftspoli-
zeien der Länder auf den neusten Stand gebracht werden.
Es könnte sicherlich mehr sein, aber es ist schon einiges
und wir sind auf einem guten Weg. Wir haben das am An-
fang nicht erwarten können. Das ist wichtig, damit die ge-
schlossenen Einheiten der Polizei in Bund und Ländern
auch künftig in der Lage sein werden, polizeiliche Großla-
gen in diesem Lande zu bewältigen.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413515500
Herr Kollege Graf, ich
muss auch Sie an Ihre Redezeit erinnern. Das Problem ha-
ben heute aber merkwürdigerweise alle.


Günter Graf (SPD):
Rede ID: ID1413515600
Es geht ganz schnell.
Ich möchte dem Inspekteur der Bereitschaftspolizeien,

Herrn Manthey, ganz herzlich für seinen engagierten Ein-
satz danken. Das kann man nicht immer unbedingt erwar-
ten, deshalb möchte ich es hier in besonderer Weise er-
wähnen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und der F.D.P.)


Es gibt noch eine Menge zu sagen, aber wir haben noch
einige Redner. Ich muss an dieser Stelle leider Schluss
machen. Ich hätte gerne noch etwas zu der hervorragen-
den Arbeit des Aussiedlerbeauftragten der Bundesregie-
rung, des Kollegen Jochen Welt, gesagt, was die Integra-
tion von Spätaussiedlern in diesem Lande angeht. Aber
vielleicht komme ich noch an anderer Stelle zu Wort.

Ich bedanke mich für Ihre Geduld, Frau Präsidentin.

(Beifall bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413515700
Das Wort hat der Kol-
lege Erwin Marschewski für die CDU/CSU-Fraktion.


(Zurufe von der CDU/CSU: Erwin, gib es ihnen! – Keine Gnade!)



Erwin Marschewski (CDU):
Rede ID: ID1413515800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehr-
ter Herr Minister, ich räume ein: Sie haben wenig Fehler
gemacht. Aber ich muss auch gestehen, dass dies nur die
halbe Wahrheit ist. Die andere Hälfte lautet: Wer kaum et-
was verändert, wer kaum etwas verbessert, wer wenig tut,
macht wenig Fehler.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: An diesem Einstieg hast du aber sechs Tage gearbeitet!)


Sie haben beim Amtsantritt nicht nur versprochen, we-
nige Fehler zu machen, sondern auch, vieles besser zu ma-
chen. Stattdessen sind Sie nach der verfehlten Doppelpass-
entscheidung weiteren Fehlerquellen konsequent aus dem
Weg gegangen. Anstatt zu handeln, haben Sie es häufig
dabei belassen, für die Koalition, aber auch für Ihre Um-
gebung überraschende Feststellungen zum Asylrecht und
zur Zuwanderungsbegrenzung zu treffen.

Ihr Verfassungsauftrag ist aber ein anderer: Sie müssen
nicht nur reden, Herr Minister, Sie müssen nicht nur Pro-
bleme erkennen, Sie müssen handeln!


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Themen liegen auf der Straße: Wo bleibt die Rege-

lung zum Asylrecht? Wann kommt endlich das Zuwande-
rungsbegrenzungsgesetz, das Sie vor der Wahl verspro-
chen haben? Warum haben Sie zugestimmt, die
Bannmeile so einzuschränken, dass es den Nazis möglich
wurde, unter dem Brandenburger Tor zu demonstrieren,




Günter Graf (Friesoythe)

13146


(C)



(D)



(A)



(B)


Herr Minister? Das Gesetz über befriedete Bezirke war
kein gutes Gesetz.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele)

GRÜNEN]: Ein hervorragendes Gesetz! Ein
Beispiel! – Zuruf von der SPD: Doch!)

Ich hoffe, Herr Bundesinnenminister, dass nicht nur
unsere Innenminister zustimmen, wenn es um ein neues
Gesetz geht. Sie haben vorhin gehört, dass die Grünen da-
gegen sind, eine Bannmeilenregelung zu schaffen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir halten uns an die Verfassung!)


Sie haben auch gehört, dass die SPD nicht sehr viel davon
hält. Die einzige Unterstützung, die Sie bekommen, ist of-
fensichtlich die der Christlich-Demokratischen Union.
Wir haben einen Gesetzentwurf vorbereitet, da wir keine
Aufzüge der Nazis am Brandenburger Tor oder an ande-
ren Orten nationaler bzw. historischer Bedeutung wollen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Günter Graf [Friesoythe] [SPD]: Das wollen wir auch nicht! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo waren Sie am Samstag?)


Wir wollen keinen grundgesetzlichen Schutz für Verfas-
sungsfeinde.

Ein anderes Gebiet: Bekämpfung der organisierten
Kriminalität. Sie wissen, dass wir eine Reihe von Geset-
zen beschlossen haben wie zum Beispiel das Geldwä-
schegesetz, das Gesetz bezüglich des genetischen Finger-
abdrucks oder zur Bekämpfung der Korruption.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sich aber nicht daran gehalten! Fragen Sie doch einmal Herrn Kohl, Herrn Koch und Herrn Kanther! Sie haben Gesetze gemacht und gebrochen! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Rechtsbrecherpartei!)


Wir sind die politische Kraft, die sich gegen das Verbre-
chen entschlossen zur Wehr setzt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei Ihnen dagegen herrscht tatenlose Ratlosigkeit. Sie ha-
ben kein einziges wirksames Gesetz zur Bekämpfung der
organisierten Kriminalität beschlossen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben sich nicht daran gehalten! Sie haben die Gesetze gebrochen!)


Das ist eine Schande.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn ich Ihren Haushalt lese, fallen mir nur unbe-
gründete Einschnitte auf: Herr Bundesinnenminister, Sie
kürzen bei der Integration von Aussiedlern und Vertriebe-
nen.


(Günter Graf [Friesoythe] [SPD]: Erwin, das ist die Unwahrheit!)


Sie schließen Behörden oder bringen diese ideologisch
bzw. personell auf Linie. Sie streichen investive Ausga-
ben zusammen und kassieren für die Verpflichtung des
Staates, den Bahnkunden und Fluggästen Sicherheit zu
gewähren, ab. Das ist nicht in Ordnung, das ist weder ein-
fallsreich noch zukunftsträchtig, aber leider das Spiegel-
bild, in dem sich Ihre Politik darstellt.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413515900
Herr Kollege
Marschewski, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kol-
legen Graf?


Erwin Marschewski (CDU):
Rede ID: ID1413516000

Bitte schön, Herr Kollege Graf.


Günter Graf (SPD):
Rede ID: ID1413516100
Herr Kollege
Marschewski, haben Sie eben gesagt – ich weiß nicht,
vielleicht habe ich mich auch verhört –, dass die Bundes-
regierung die Mittel für die Integration von Spätaussied-
lern gekürzt hat? War das ein Hörfehler meinerseits?


Erwin Marschewski (CDU):
Rede ID: ID1413516200

Das war kein Hörfehler, Sie haben im Haushalt zum
Nachteil dieser Menschen umgeschichtet; die Haus-
hälter unserer Fraktion, zum Beispiel Herr Dr. von
Hammerstein, können Ihnen das bestätigen. Das ist, was
ich kritisiere.

Nehmen wir als ein anderes Beispiel die Zuwande-
rung: Herr Bundesinnenminister, Sie haben zu Recht ge-
sagt, die Grenzen der Belastbarkeit seien überschritten. Es
hat zu lange gedauert, bis Sie die Zuwanderungskommis-
sion gegründet haben und ich erwarte von dieser Kom-
mission Ergebnisse.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie das Frau Süssmuth!)


Sie haben einen interessanten Vorschlag der F.D.P. auf
dem Tisch und auch wir haben Resolutionen und Be-
schlüsse gefasst. Auf uns, Herr Minister, können Sie rech-
nen! Sie müssen einen entsprechenden Gesetzentwurf
sehr schnell vorlegen. Wir legen keinen Wert darauf, diese
Problematik im Wahlkampf zu diskutieren. Wir müssen
das Problem – ebenso wie damals beim Asylrecht; ich
spreche hier über Bereiche, die ich kenne – vor der Bun-
destagswahl lösen, damit es kein Wahlkampfthema wird.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Dazu passt aber eines nicht: Sie können nicht durch die
Hintertür die Zuwanderungsmöglichkeiten, so wie es
SPD und Grüne machen, ständig erweitern. Ich denke da-
bei an die so genannte Familienzusammenführungsricht-
linie des Europäischen Parlaments; SPD und Grüne haben
ihr zugestimmt. Wenn das Realität wird, kommen jährlich
Hunderttausende zu uns. Sie verringern die notwendigen
Aufenthaltszeiten für den Familiennachzug, erstrecken
ihn auf homosexuelle und unverheiratete Paare und deh-
nen ihn auf Eltern und Großeltern aus.


(Günter Graf [Friesoythe] [SPD]: Schüre doch keine Ängste!)





Erwin Marschewski (Recklinghausen)


13147


(C)



(D)



(A)



(B)


Wer kann da noch Grenzen ziehen?

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch unverantwortlich! Das ist nicht nur dummes Zeug; das ist unverantwortlich!)


Sie tun das alles, ohne diesen Menschen eine Integrati-
onsbereitschaft abzuverlangen oder entsprechende Sprach-
kenntnisse zu fordern.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wen bedienen Sie eigentlich mit einer solchen Rede?)


– Herr Kollege Schmidt, ich begrüße, dass auch nicht-
deutsche Angehörige der Spätaussiedler deutsche Sprach-
kenntnisse nachweisen müssen; das ist gut so. Ich meine
aber, das sollte auch für alle Ausländer gelten, die auf
Dauer in Deutschland bleiben wollen. Diese sollten nach-
weisen müssen, dass sie deutsch können. Entsprechendes
wird auch von anderen Staaten, zum Beispiel den Verei-
nigten Staaten von Amerika und Australien, praktiziert.

Das gilt zum Beispiel auch für das türkische Mädchen,
das nach Deutschland kommt, hier heiratet und auf Dauer
hier bleibt.


(Zurufe von der SPD)

– Jawohl, meine Damen und Herren, Integration auf
Dauer ist nur dann möglich, wenn man die Sprache kann.
Erst das eröffnet die Chance, in diesem Land gleichbe-
rechtigt, unabhängig und erfolgreich zu sein.


(Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gilt das für die Deutschen auch?)


Ich habe das Thema Kriminalitätsbekämpfung schon
angesprochen und wiederhole das, was Kollege von
Hammerstein vorhin gesagt hat: Es ist nicht in Ordnung,
dass die Bundesbahn 125 Millionen DM für den Einsatz
des Bundesgrenzschutzes zahlen muss. Das ist nicht nur –
ein finanzieller Verschiebebahnhof, meine Damen und
Herren der SPD. Damit strangulieren Sie auch die
umweltfreundliche Eisenbahn. Und die Grünen haben
dem sogar zugestimmt, was mich wirklich wundert. Aber
langsam wundert mich gar nichts mehr. Was, verehrte
Damen und Herren der Grünen, bleibt von Ihren Grund-
sätzen noch übrig? Sie strangulieren die Bundesbahn, der
es ohnehin nicht gut geht.

Es wäre besser gewesen, Sie hätten Maßnahmen zur
Bekämpfung der organisierten Kriminalität zugestimmt.
Da gibt es doch Bedarf, Herr Bundesinnenminister. Ich
habe es vor einer Woche von diesem Pult aus gesagt:
Warum sprechen wir nicht gemeinsam über die akustische
Wohnraumüberwachung in Gangsterwohnungen?


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das dürfen Sie gerne, aber wir tun es nicht!)


In der Kommission gab es doch auch andere Meinun-
gen dazu: Diese vielen Ausnahmen führen letzten Endes
dazu, dass Gangster in ihren Wohnungen konspirativ neue
Verbrechen planen. Das darf nicht sein. Deshalb brauchen
wir auch die Möglichkeit einer optischen Überwachung in
diesen Gangsterwohnungen.

Oder nehmen wir das Thema Kreditkartenkriminali-
tät: Im letzten Jahr hatten wir in diesem Bereich eine
Steigerung von 40 Prozent zu verzeichnen, jetzt von
60 Prozent. Dabei ginge das ganz einfach: Wir führen
fälschungssichere Chips ein, wir führen Fotos auf den
Kreditkarten ein, und das Problem ist zumindest
eingeschränkt. Jetzt habe ich im Innenausschuss gehört,
die Wirtschaft brauche fünf Jahre, um das, was ich
gefordert habe – Lichtbilder, fälschungssichere Chips –
umzusetzen. Wenn das so lange dauert, Herr Bundesin-
nenminister, müssen wir dieses Problem durch Gesetze
lösen. Und das eilt, meine Damen und Herren!


(Beifall bei der CDU/CSU – Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben keine Staatswirtschaft, wir haben eine Marktwirtschaft! – Lothar Mark [SPD]: Und das Schwarzkontenproblem?)


Herr Innenminister, wir sind einer Meinung: Innere
Sicherheit ist nicht zum Nulltarif zu haben. Sie wird
garantiert durch den Bundesgrenzschutz, durch Polizei-
beamte, durch Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst. Da-
her ist es falsch, wenn Beamte in diesem Jahr auf die
lineare Gehaltserhöhung verzichten müssen. Lassen
Sie mich das einmal so flapsig sagen: Der öffentliche
Dienst besteht nicht nur aus Staatssekretären und Minis-
terialdirektoren, die Sie umgeben. Die meisten Leute im
öffentlichen Dienst – ich komme ja daher; ich war Bun-
desbahnarbeiter und kleiner Bundesbahnbeamter – ver-
dienen 2 000 DM bis 3 000 DM. Sie warten natürlich auf
eine lineare Gehaltserhöhung. Darauf sind sie an-
gewiesen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P.)

Sie kennen § 14 des Bundesbesoldungsgesetzes, der

davon spricht, dass die Besoldung im öffentlichen Dienst
den allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Ver-
hältnissen entsprechen muss. Was Sie machen, ist ein
Gesetzesverstoß, Herr Bundesinnenminister, und eine
Missachtung der Fürsorgepflicht. Denn dies fördert nicht
gerade das, was wir gefordert haben: mehr Mobilität,
mehr Initiative und mehr Leistungsbereitschaft im öf-
fentlichen Dienst.

Herr Bundesinnenminister, ich fordere Sie auf, das zu
tun, was Sie bei dem Entwurf, den mein Freund Meinrad
Belle eingebracht hat, getan haben, wo es darum geht, die
kinderreichen Beamtenfamilien – insbesondere jene der
unteren Besoldungsgruppen – finanziell zu unterstützen.
Nach langem Zaudern haben Sie unsere Vorstellungen
akzeptiert. Tun Sie dies auch bei dem Entwurf der Union
zum Besoldungsrecht! Denn die lineare Erhöhung steht
den Polizeibeamten und den anderen Beamten genauso
zu wie den Arbeitern und Angestellten im öffentlichen
Dienst.

Das Fazit, Herr Bundesinnenminister: Er ist kein Meis-
terstück, Ihr Bundeshaushalt. Wir hören große Worte, was
jedoch fehlt, sind Taten. Ich wiederhole: Erstens. Das
Zuwanderungsbegrenzungsgesetz lässt auf sich warten.
Zweitens. Sie haben kein einziges Gesetz zur Bekämp-
fung der organisierten Kriminalität eingebracht. Drittens.
Kleine und mittlere Beamte sind offensichtlich nicht Ihre
besten Freunde.




Erwin Marschewski (Recklinghausen)

13148


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir müssen daher den Bundeshaushalt ablehnen. Er ist
kein Signum für eine erfolgreiche deutsche Innenpolitik.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der F.D.P.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413516300
Nächster Redner ist
der Kollege Gunter Weißgerber, SPD-Fraktion.


Gunter Weißgerber (SPD):
Rede ID: ID1413516400
Herr Marschewski, das
war ja ein mächtiger Theaterdonner. Aber das Stück, in
dem wir spielen, heißt, glaube ich, anders.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und
Kollegen! Konsolidieren mit Augenmaß, Verbesserung
der inneren Sicherheit, Prävention und Bekämpfung ex-
tremistischer Ideologien und Gewalttaten sind wichtige
Markenzeichen der vorliegenden Beschlussfassung zum
Einzelplan 06. Sah der Regierungsentwurf im Vergleich
zum Haushalt 2000 bereits eine Ausgabensteigerung um
1,5 Prozent auf 6,786 Milliarden DM vor, so brachten die
Beratungen im Ausschuss eine nochmalige Steigerung um
rund 194Millionen DM. Dies ist beachtlich, gerade in An-
betracht unserer fortdauernden Pflicht zur Haushalts-
konsolidierung.

Seit 1990 bin ich mit bundesdeutscher Politik befasst.
Seitdem erlebe ich hautnah die Diskussion über Zuwan-
derung, Spätaussiedler und Asyl. Zwischenzeitlich hatte
ich sogar den Eindruck gewonnen, dass sich die Diskus-
sion versachlicht. Seit der anmaßenden Nonsensdiskus-
sion über Leitkultur ist dieser Eindruck allerdings dahin.
In Deutschland wird die Diskussion über das Thema
Zuwanderung zulasten Wehrloser und zur Freude von
Rechtsextremisten wieder stärker missbraucht. Bleibt zu
hoffen – davon gehen wir selbstverständlich aus –, dass
die vom Innenminister einberufene Kommission „Zu-
wanderung“ Lösungswege aufzeigen wird, die in der
Bevölkerung und im Parlament einen breiten Konsens
finden werden. Wir brauchen eine geregelte Zuwan-
derung. Wir wollen weiterhin politisches Asyl gewähren
und wir müssen Missbrauch verhindern. Vor der Lösung
dieser Aufgaben stehen wir.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die unabhängige Kommission und ihre Vorsitzende

haben eine gewaltige Aufgabe übernommen, eine Auf-
gabe mit Langzeitwirkung. Im Haushaltsausschuss haben
wir deshalb für 2001 3,5 Millionen DM für die Arbeit der
Kommission veranschlagt, gut angelegtes Geld, wie ich
meine.

Der Bundesinnenminister und wir wollen, dass
Deutschland sicherer wird, dass sich die Bevölkerung
sicherer fühlt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Anstieg der Ausgaben für die innere Sicherheit seit
1998 stellt dies nachdrücklich unter Beweis. Hervorra-
gend passt in diesen Zusammenhang die Vereinbarung
vom Juni 1999 zwischen dem Bundesinnenminister und

dem brandenburgischen Innenminister über die Zusam-
menarbeit ihrer Polizeien. Ich zitiere:

… die Minister bekräftigen ihren Willen, vor allem
grenzüberschreitender und internationaler Krimina-
lität gemeinsam entgegenzuwirken und die Krimina-
litätsbekämpfung insgesamt durch koordiniertes
Vorgehen zu verbessern, gemeinsam mit der Repu-
blik Polen die polizeilich-nachbarschaftliche Zusam-
menarbeit weiterzuentwickeln, auf den Gebieten der
Gefahrenabwehr und der Strafverfolgung unter Bün-
delung der Kräfte einen effektiven Sicherheitsver-
bund im Land Brandenburg anzustreben.

Für die Umsetzung dieser Vereinbarung stellen wir dem
Bundesgrenzschutz zusätzlich 9,1 Millionen DM zur Ver-
fügung.

Ebenso gut angelegt ist der Zuschuss in Höhe von
2,6 Millionen DM an das Deutsche Forum für Kriminal-
prävention als zentrale Informations- und Servicestelle
der Kriminalprävention. Leider sehen sich Baden-Würt-
temberg, Bayern und Berlin finanziell noch nicht in der
Lage, sich zu beteiligen, was gerade angesichts der fi-
nanziellen Situation dieser Länder Verwunderung auslö-
sen sollte.

Stichwort Integration der Spätaussiedler und Ver-
triebenen: Auch hier setzen wir unsere Politik der letzten
Jahre fort, also weg von dem populistischen Vorgehen, die
Menschen aus ihren jetzigen Heimatländern anzuwerben,
hin zur Integration der hier Angekommenen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

2,65 Millionen DM stellen wir hier zusätzlich bereit. Da-
mit steigt der entsprechende Titel auf 52,625 Milli-
onen DM.

Beständig halten wir an der Verbesserung der Situa-
tion der SED-Opfer fest. Wir müssen uns hier nicht wie
andere verbiegen. Anders als die vorherige CDU/CSU-
Regierung können wir den SED-Opfern in die Augen
schauen. Wir haben 1999 die Entschädigung auf die von
uns versprochenen 600 DM für alle Häftlinge erhöht – an-
ders als die CDU/CSU-Regierung, die bis 1998 die
Entschädigungen bei 350 DM deckelte und jetzt perfide
politpopulistisch 1 400 DM pro Haftmonat fordert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Stammtische haben für so etwas extrem deftige Aus-
drücke. Ich nenne es Rosstäuscherei. Wir stocken den ent-
sprechenden Titel um weitere 5 Millionen DM auf. Glei-
ches tun wir bei dem Titel für die Heimkehrer.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Mittel für die Ostseeakademie Lüneburg

mussten wir in Höhe von 700 000 DM qualifiziert sper-
ren.


(Dr. Werner Hoyer [F.D.P.]: Das ist auch sehr gut so!)


Das Durcheinander von persönlichen Vorwürfen, angeb-
lichen finanztechnischen Fehlleistungen und möglicher
politischer Schwerpunktverlagerung ins Völkische war




Erwin Marschewski (Recklinghausen)


13149


(C)



(D)



(A)



(B)


für uns im Haushaltsausschuss nicht klärbar. Deshalb
diese Sperre.


(Beifall bei Abgeordneten der F.D.P.)

Sollte diese Situation politisch schwierig bleiben, dann er-
warten wir vom BMI grundsätzliche Vorschläge zur Trä-
gerschaft der Akademie.


(Dr. Werner Hoyer [F.D.P.]: Sehr gut. Da sind wir uns völlig einig!)


Einigen konnten wir uns im Kreise der Berichterstatter
mit dem BMI über die fortlaufende Finanzierung der
politischen Stiftungen. In dieser Legislatur wird der
Ansatz im Einzelplan 06 bei 167 Millionen DM bleiben.
Ich kann an dieser Stelle nur raten, diesen Ansatz auch
über 2002 hinaus mindestens beizubehalten. Gerade vor
dem Hintergrund des ausufernden Rechtsextremismus
müssen wir uns auch an dieser Stelle zur Bedeutung der
politischen Bildung bekennen.


(Beifall bei der SPD und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der PDS)


In diesem Zusammenhang stelle ich für mich klar:
Sowohl Rechts- als auch Linksradikalismus gehören in
Deutschland beobachtet, selbstverständlich auch extre-
mistisch motivierte Straftaten ausländischer Organisatio-
nen. Doch ist die Situation im Moment in Deutschland
anders, als vielfach von der rechten Seite hier im Hause
beschrieben. Die größten Probleme bereitet uns derzeit
der Rechtsextremismus; deshalb liegt die Betonung da-
rauf, deshalb auch die Notwendigkeit des NPD-Verbots.

Sehr fahrlässig in dieser Diskussion, meine ich, argu-
mentiert die F.D.P. Angeblich reichen über 600 Seiten
Material zur NPD beim Innenminister nicht aus. So oder
ähnlich leichtfertig wurde in den 20er-Jahren Hitlers
„Mein Kampf“ abgetan. Dessen kriminelles Konvolut
nahm damals auch fast niemand ernst und doch führte er
dann seine Politik wie in seinem Buch beschrieben durch.
Wir haben angesichts dieser Erfahrungen keinen Grund,
anzunehmen, dass Nazis das, was sie heute sagen, nicht
ernst meinen.


(Dr. Werner Hoyer [F.D.P.]: Lesen Sie lieber vorher durch, was die Jungs Ihnen aufgeschrieben haben!)


Hüten wir uns vor solcher Leichtfertigkeit!

(Beifall bei der SPD)


Der Bundesinnenminister hat Recht. Die NPD muss ver-
boten werden. Dieses Zeichen müssen wir setzen.

Insgesamt bleibt festzustellen: Der Bundeshaushalt
2001 bildet ein solides Fundament für eine rot-grüne In-
nenpolitik, die uns Sicherheit gibt. Herr Minister, viel Er-
folg! Unsere Unterstützung haben Sie.


(Beifall bei der SPD)

Abschließend möchte ich mich bei meinen Berichter-

statterkollegen für die fairen und konstruktiven Beratun-
gen bedanken. Besonderen Anteil an diesem Klima hatte

der Hauptberichterstatter Dr. Werner Hoyer; dies soll hier
nicht unerwähnt bleiben.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und der F.D.P.)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413516500
Es spricht jetzt Kol-
lege Hartmut Koschyk für die CDU/CSU-Fraktion.


(Cem Özdemir [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt können Sie uns einmal loben, Herr Koschyk!)



Hartmut Koschyk (CSU):
Rede ID: ID1413516600
Frau Präsidentin!
Liebe Kolleginnen und liebe Kollegen! Kollege Özdemir
hat gesagt, jetzt könne man die Regierung einmal loben.
Also, lieber Herr Özdemir, bei dem vielen Lob, das Sie
von den Koalitionsfraktionen über der Regierung ausge-
schüttet haben, müssen wir, damit das Verhältnis heute
Abend noch irgendwie stimmt, einige kritische An-
merkungen bringen. Ich möchte mich, bevor der Herr
Minister zum Schluss der Debatte das Wort nimmt, zu drei
Bereichen äußern.

Ein Bereich ist schon von fast allen Rednern ange-
sprochen worden – das zeigt auch die Bedeutung, die
dieses Thema im Hinblick auf die innere Sicherheit für
uns alle hat –: der Bundesgrenzschutz. Wir haben uns
immer fraktions- und parteiübergreifend bemüht, lieber
Kollege Graf, Anstrengungen zu unternehmen, um den
Bundesgrenzschutz für die Aufgaben, die er im
Sicherheitsverbund unseres Landes hat, fit zu machen.
Wir haben damals – noch unter unionsgeführter Bun-
desregierung – eine Reform in die Wege geleitet, die der
Herr Bundesinnenminister im Wesentlichen fortgesetzt
hat.

Wenn ich mich bei Einsatzabteilungen des Bundes-
grenzschutzes in Bayern umhöre, erfahre ich, dass sie na-
hezu dieselbe Abordnungsquote in den Einzeldienst
haben, wie es vor der Reform der Fall war, obwohl dies ja
gerade abgestellt werden sollte. Wenn wir uns einmal
überlegen, welche Großlagen für den Bundesgrenzschutz
im nächsten Jahr anstehen – ich denke zum Beispiel an die
dann wieder stattfindenden Castor-Transporte oder die
Geldtransporte, die der Bundesgrenzschutz am Ende des
Jahres 2001 im Zusammenhang mit der Einführung des
Euro mit zu bewachen haben wird –, dann müssen wir
schon fragen, ob diese hohe Abordnungsquote den Ein-
satzwert der Einsatzabteilungen des BGS so erhält, dass
er nach wie vor in der Lage ist, auch bei Großlagen
entsprechend zu agieren.

Es gibt weitere Herausforderungen für den BGS im
nächsten Jahr, zum Beispiel den Beitritt der Nordischen
Passunion zum Schengener Übereinkommen. Wir
müssen fragen, ob vor allem im Norden Deutschlands
Vorkehrungen getroffen sind, damit wir dort nicht ebenso
überrascht werden, wie seinerzeit, als an den Grenzen zu
den Beneluxstaaten nach Wegfall der Passkontrollen die
Einführung eines Sicherheitsschleiers notwendig war.

Herr Bundesinnenminister, uns ist zu Ohren gekom-
men, dass es im Hinblick auf die Einführung des neuen




GunterWeißgerber
13150


(C)



(D)



(A)



(B)


Fahndungssystems Inpol-neu – sie steht im nächsten Jahr
an; bezüglich einer Softwarelösung ist ein Vertrag mit
dem Freistaat Sachsen über die Anwendung von PAVOS
abgeschlossen worden – doch fraglich sein soll, ob diese
Softwarelösung auf den Bundesgrenzschutz uneinge-
schränkt übertragen werden kann. Man sieht die Gefahr,
dass im Falle dieser Einführung auf bestimmte
Datenbestände nicht mehr zurückgegriffen werden kann.
Das sagen uns Fachleute. Man muss der Sache nachge-
hen, damit die Einführung von Inpol-neu nicht zu einem
Flop wird.

Lassen Sie mich auf ein Thema kommen, das heute
bereits angesprochen worden ist, nämlich die Einglie-
derung von Spätaussiedlern, aber auch die Unter-
stützung deutscher Minderheiten in den Staaten Mittel-
und Osteuropas. Wir erkennen an – das darf ich hier
sagen –, dass Sie die Mittel für den Integrationsfonds, der
vor allem der Eingliederung junger Spätaussiedler dient,
erhöht haben. Lieber Kollege Welt, Sie wissen, dass wir
uns in dieser Diskussion immer um einen Konsens be-
mühen. Sie sollten nicht im Lande herumreisen und so
tun, als hätte die neue Bundesregierung diesen Integra-
tionsfonds erfunden. Er bestand bereits 1998. Horst
Waffenschmidt hat ihn eingeführt. Dieser Fonds war
damals, 1998, mit 38Millionen DM bestückt. Sie erhöhen
seine Mittel jetzt auf 50Millionen DM. Wir begrüßen das.

Allerdings: Der Preis, zu dem Sie diese Erhöhung
erkaufen, ist sehr hoch.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Sehr wahr! Jawohl!)


Denn Sie sparen bei den Rückführungskosten ganz mas-
siv, also bei den Kosten für diejenigen Aussiedler, die zu
uns kommen.

Wir hatten heute Mittag – Herr Graf, ich habe gehört,
dass auch Sie ein Gespräch gehabt haben – ein Treffen mit
Vertretern des Katholischen Flüchtlingsrats in Deutsch-
land. Wir haben dabei erschütternde Berichte darüber
gehört, unter welch unwürdigen Verhältnissen Großfami-
lien mit alten Menschen 14 Tage lang mit der Bahn und
mit Bussen unterwegs sind, um in die Bundesrepublik
Deutschland zu kommen. Sie sollten noch einmal darüber
nachdenken, ob man diese Maßnahme, dass Sie bei den
Rückführungskosten so massiv sparen, nicht revidieren
kann.

Ich möchte einen zweiten Bereich nennen, in dem die
Einsparungen wirklich eklatant sind. Es geht um die Un-
terstützungsleistungen für deutsche Minderheiten in
den Staaten Mittel- und Osteuropas. Im Jahr 1998 be-
trug der entsprechende Ansatz im Haushalt des Bundesin-
nenministeriums nahezu 140 Millionen DM. Dieser
Ansatz wird im Haushalt 2001 auf 64 Millionen DM
gekürzt.

Herr Welt, wir stimmen mit Ihnen darin überein, dass
es richtig war, bestimmte Großprojekte, vor allem solche
in der ehemaligen Sowjetunion, zu überdenken. Vor dem
Hintergrund der Weite und der Größe dieses Landes und
der schwierigen Verhältnisse dort ist es sicherlich besser,
statt in Großprojekte, die in der Vergangenheit viel Geld

verschlungen und die teilweise auch zu Misserfolgen
geführt haben, in kleine Projekte zu investieren.

Aber Sie kürzen nicht nur bei Großprojekten, sondern
auch ganz empfindlich bei anderen Projekten. Ich war vor
kurzem in Polen und habe mir dort angesehen, welche
Auswirkungen die Rückführung der Projekte hat. Sie wis-
sen, dass dort ein sehr starkes Verlangen nach einer
Diskussion mit Ihnen, mit der Bundesregierung besteht.
Inzwischen haben schon polnische Gesprächspartner die
Sorge, dass Infrastrukturmaßnahmen, die dank der
deutschen Projekte eingeleitet worden sind, in Zukunft
aufgrund der Kürzungen in diesem Bereich notleidend
werden. Ich halte das für sehr bedenklich.

Insgesamt müssen wir schon darauf achten, Herr Welt
und Herr Bundesinnenminister, kein falsches Signal zu
setzen, damit Deutsche in Staaten Mittel- und Osteuropas
nicht das Gefühl haben, dass wir nicht mehr die nötigen
Haushaltsmittel aufbringen, um ihnen für ein Verbleiben
in ihren Herkunftsländern die notwendige Unterstützung
zukommen zu lassen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Lassen Sie mich ein letztes Thema ansprechen, bei dem

zwar die Initiative bei den Koalitionsfraktionen liegt, aber
bei dem auch Sie, Herr Innenminister, eine gewisse Ver-
antwortung tragen: die Vorschläge, die die Koalitions-
fraktionen jetzt im Hinblick auf Veränderungen bei der
Einteilung der Bundestagswahlkreise vorgelegt haben.
Dass von den Vorschlägen der Wahlkreiskommission so
massiv abgewichen wird, wie Sie es jetzt tun, hat es in der
Vergangenheit noch nicht gegeben.

Für den Freistaat Sachsen wollen Sie bei 17Wahlkreisen
14 gravierende Abweichungen vornehmen, die völlig an
dem vorbeigehen, was die Wahlkreiskommission emp-
fohlen hat. Herr Minister, ich verweise auch auf Bayern.
1997 haben wir darüber diskutiert, ob der im Freistaat Bay-
ern einzusparende Wahlkreis in Oberbayern, in der Lan-
deshauptstadt München oder in Oberfranken wegfallen
soll. Dass Sie jetzt nicht mehr berücksichtigen, dass sich
von 1997 bis 2000 Veränderungen der Einwohnerzahlen
ergeben haben, ist ein Problem, auf das Sie auch Ihre
Parteifreunde in München und Oberbayern ansprechen.
Ferner werden Veränderungen, die Sie in drei Wahlkreisen
in Oberfranken vornehmen wollen, von Ihren eigenen
Parteifreunden in der SPD als manipulativ bezeichnet.

Ich möchte Sie daher noch einmal herzlich bitten – wir
hatten uns in der Vergangenheit auch darum bemüht –, die
Veränderungen, die angesichts der Vorschläge der
Wahlkreiskommission bei der Neuzuschneidung von
Wahlkreisen vorgenommen werden müssen, einiger-
maßen im Konsens herbeizuführen, statt sie par ordre de
mufti durchzusetzen, sogar ohne die kommunalen Kör-
perschaften zu hören. Mir hat in den letzten Tagen ein
bayerischer Landrat gesagt, dass er zwar ständig höre,
dass sein Landkreis „zerlegt“ werden solle, dass aber
bisher noch niemand mit ihm gesprochen habe. Kein Kol-
lege der SPD aus dieser Region hat mit diesem Landrat
– trotz schwer wiegender Veränderungen durch die
Neueinteilung der Wahlkreise – darüber gesprochen.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Unglaublich!)





Hartmut Koschyk

13151


(C)



(D)



(A)



(B)


Herr Innenminister, mein Appell ist, dass Sie noch ein-
mal mit Ihren Kolleginnen und Kollegen aus den Koali-
tionsfraktionen sprechen, damit die Neueinteilung der
Wahlkreise klug und maßvoll vorgenommen wird und die
Menschen nicht am Ende das Gefühl haben, hier werde
politisch manipuliert. Die Menschen würden es uns näm-
lich bei der Bundestagswahl 2002 mit Wahlverweigerung
und Wahlenthaltung quittieren, wenn sie das Gefühl hät-
ten, die da oben teilten die Wahlkreise an den Köpfen der
Menschen vorbei willkürlich neu ein. Deshalb unser Ap-
pell, dass Sie sich dieser Sache annehmen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413516700
Letzter Redner in die-
ser Debatte ist der Bundesinnenminister Otto Schily.


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1413516800
Frau Präsi-
dentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich
zunächst für eine doch weitgehend faire Debatte bedan-
ken. Selbst der Kollege Marschewski hat eine für seine
Verhältnisse fast sachliche Rede gehalten.


(Heiterkeit)

Insofern glaube ich schon, dass man diesen Dank rück-
haltlos aussprechen kann. Mein Dank richtet sich aber vor
allen Dingen an die Kolleginnen und Kollegen des Haus-
haltsausschusses und natürlich in erster Linie an die der
Koalitionsfraktionen, die ja die Mehrheit haben.

Der Haushalt meines Hauses ist eine gute Grundlage
für eine weitere verlässliche, kompetente und erfolgreiche
Arbeit der Sicherheitsinstitutionen im Interesse unserer
Bürgerinnen und Bürger und für die kompetente und
zukunftsorientierte Politik der Bundesregierung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, auch der Innenminister hat
in der Parlamentsdebatte eine begrenzte Redezeit. Des-
halb wird es mir nicht möglich sein, auf alles einzugehen,
was hier in der Debatte zuvor gesagt worden ist. In eini-
gen Bereichen lohnen die Stichworte, die dort ange-
sprochen worden sind, eine eigenständige Debatte.

Aber auf eines möchte ich die Damen und Herren von
der Opposition schon hinweisen: Sie verwirbeln sich ein
wenig in Ihren Widersprüchen. Ich war heute den ganzen
Tag in dieser Parlamentsdebatte zugegen – vielleicht im
Gegensatz zu anderen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb habe ich Herrn Austermann noch im Ohr, der
vorhin behauptet hat, wir würden zwar im Interesse der
Haushaltskonsolidierung handeln, aber keine Ausgaben-
beschränkungen vornehmen, keine Ausgabendisziplin
üben. Sie allerdings haben heute eigentlich immer nur
Ausgabenerhöhungen gefordert. Das passt nicht zusam-
men.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Verehrter Herr Hoyer, auch Ihnen danke ich für Ihren
sehr sachlichen Beitrag. Ich weiß – ich nehme das auch
ernst –, dass Sie sich sehr engagiert für die Sicherheitsin-
stitutionen, für den Bundesgrenzschutz und für das
Bundeskriminalamt, einsetzen. Ich bedanke mich dafür.
Auf der anderen Seite muss ich sagen: Das, was wir in
dem Bereich, ungeachtet der Haushaltskonsolidierungen,
geleistet haben – Herr Kollege Graf hat die Stellenan-
hebungen beim Bundesgrenzschutz erwähnt –, hält den
Vergleich mit Ihrer Regierungszeit wahrlich aus.


(Beifall bei der SPD – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Die haben nur SPD-Leute befördert!)


Wir haben die Zahl der Stellenanhebungen verdoppelt.
Sie wissen genau, dass die Stellenstruktur beim Bundes-
grenzschutz weit schlechter ist – das lag 16 Jahre lang in
Ihrer Regierungsverantwortung – als bei den Länderpoli-
zeien. Deshalb kommen die Einsichten, so sehr ich sie be-
grüße, relativ spät.


(Beifall bei der SPD)

Aber auch wer spät mit solchen Einsichten kommt, ist
willkommen. Deshalb bleibt Ihnen der Dank erhalten.

Herr von Hammerstein hat dankenswerterweise die
Sportpolitik angesprochen. Mir fehlt hier die Zeit, das
ausführlich vor Ihnen darzustellen. Sie wissen, ich bin ein
engagierter Sportminister.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sehr gut!)


Deshalb ist es auch gut, dass wir die notwendigen Mittel
für eine gute Sportpolitik von den Haushältern zugestan-
den bekommen haben. Ich bedanke mich insoweit auch
ausdrücklich bei der Opposition, dass sie das mitgemacht
hat. Dass Sie nun das Urheberrecht für den Goldenen Plan
Ost beanspruchen, finde ich allerdings ein wenig über-
trieben; denn in Ihrer Regierungszeit hat es einen Golde-
nen Plan Ost nicht gegeben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb müssen Sie verstehen, dass der Dank in erster Li-
nie an die Koalition geht. Sie sind ein Begleiter dieses
Projektes und haben daher einen Teil des Dankes verdient.

Herr von Hammerstein, Sie haben eine – das will ich
gar nicht bestreiten – schwierige Frage angesprochen. Es
ist die Frage, wie wir mit der Tätigkeit des Bundesgrenz-
schutzes im Bereich derBahn umgehen und wie wir dort
die Kosten ordnen. Das ist eine offene Frage, die zwi-
schen den Häusern – Bundesfinanzministerium, Bun-
desverkehrsministerium und Innenministerium – ent-
schieden wird. Wir sind der Meinung, dass der
Kostenfaktor der Bahn berücksichtigt werden muss. Aber
die Gespräche sind ja noch im Gang. Ich hoffe, sie kom-
men zu einem guten Ergebnis. Wie Sie wissen, schätze ich
Herrn Mehdorn sehr. Ich kenne ihn aus früherer Verant-
wortung in meinem Wahlkreis München-Land: Da war er
noch bei der DASA; später ging er zur Heidelberger
Druck. Er ist eine hervorragende Wahl für diesen wichti-
gen und schwierigen Posten. Ich sage jedenfalls für mein




Hartmut Koschyk
13152


(C)



(D)



(A)



(B)


Haus: Ich komme mit Herrn Mehdorn hervorragend aus.
Wir haben vor gerade erst 24 Stunden – die Tinte ist noch
nicht ganz trocken – eine Ordnungspartnerschaft unter-
schrieben. Das zeigt auch, wie effizient die Sicherheits-
politik der Bundesregierung ist. Wir sorgen nämlich
dafür, dass ein privater Sicherheitsdienst der Bundesbahn
gut und effizient mit dem Bundesgrenzschutz zusammen-
arbeitet. Das werden wir auch in Zukunft so handhaben.


(Beifall bei der SPD)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413516900
Herr Minister, gestat-
ten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dr. Hoyer?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1413517000
Bitte schön.


Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1413517100
Herr Minister, wenn Sie
jetzt sagen, dass diese Frage noch offen ist und dass da
noch Bewegung drin ist, müssen wir dann nicht die Be-
fürchtung haben, dass der Einnahmeposten von 125 Mil-
lionen DM an diesem Punkt eine Luftbuchung ist?


Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1413517200
Nein, das ist
keine Luftbuchung. Wir werden für eine vernünftige
Regelung sorgen. Ich sage Ihnen, die Regelung ist auf
gutem Wege. Machen Sie sich deshalb an der Stelle keine
Sorgen: Die 125 Millionen DM werden im Haushalt sein.

Herr von Hammerstein und auch Herr Hoyer haben die
Frage der Tarifbeschäftigten beim BKA und beim BGS
angesprochen. Ich will Ihnen sagen, dass ich zum Beispiel
beim BGS-Präsidium West dafür gesorgt habe, dass
Möglichkeiten zu mehr Tarifbeschäftigung geschaffen wer-
den. Sie wissen, die Versetzung von Tarifbeschäftigten ist
nicht immer ganz einfach.

Beim BKA besteht in der Tat die Schwierigkeit – wir
haben sie von Ihnen geerbt –, dass es keine Ausnahmen
bei den linearen Stellenkürzungen gibt. Aber, Herr Hoyer,
wir haben immerhin eine Flexibilisierung erreicht. Das ist
für diesen Bereich wichtig.

Herr Marschewski, Sie haben eine sehr eingeschränkte
Wahrnehmung von Innenpolitik.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Das ist aber nicht sachlich!)


Der größte Vorwurf, den Sie mir machen, ist, dass ich kein
Gesetz zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität
auf den Weg gebracht habe. Wer Innen- und Sicher-
heitspolitik mit der Produktion von Gesetzen gleichsetzt,
der hat von Innenpolitik keine Ahnung.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/CSU]: Das ist nicht die Frage!)


Im Übrigen will ich Sie daran erinnern – das haben wir
doch gemeinsam zustande gebracht –, dass wir vor eini-
gen Jahren – es ist also noch nicht allzu lange her – sehr

vernünftige Gesetze zur Bekämpfung der organisierten
Kriminalität auf den Weg gebracht haben,


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Jetzt sind sie plötzlich sehr vernünftig!)


auch Gesetze zur erweiterten Zuständigkeit des Bundes-
grenzschutzes. Nun kommt es darauf an, diese Gesetze or-
dentlich zu vollziehen. Das ist der entscheidende Punkt:
Es kommt nicht nur auf das Gesetz, sondern auch auf den
Gesetzesvollzug an.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das müssen Sie endlich lernen. Wenn Herr Marschewski
es bis jetzt noch nicht gelernt hat, dann muss er es eben
heute lernen.

Herr Marschewski, versuchen Sie doch einmal, sich ei-
nen Einblick zu verschaffen. Wir haben die Sicherheits-
strukturen auf nationaler und internationaler Ebene deut-
lich verbessert. Wir haben mit einer Reihe von Ländern
– mit Brandenburg, Sachsen, Schleswig-Holstein und an-
deren – Sicherheitspartnerschaften abgeschlossen. Wir
haben ein vorbildliches Abkommen mit der Schweiz zu-
stande gebracht. Das ist das beste Abkommen zur Be-
kämpfung der organisierten Kriminalität, das es im inter-
nationalen Bereich gibt.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich habe gerade ein Abkommen zur Bekämpfung der or-
ganisierten Kriminalität mit der Volksrepublik China ab-
geschlossen. Es gibt ein entsprechendes Abkommen mit
Tschechien. Von diesen Erfolgen konnten Sie während Ih-
rer Regierung nur träumen. Deswegen sage ich: Die Si-
cherheit unseres Landes ist bei der Bundesregierung in
guten Händen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Herr Koschyk, über das Thema Inpol-neu haben wir
gerade auf der Innenministerkonferenz gesprochen. Be-
vor Sie dieses Thema in einem kurzen Debattenbeitrag zur
Sprache gebracht haben, hätten Sie sich im Land Hessen
bei meinem Kollegen Bouffier informieren können, wel-
che Schwierigkeiten das Land Hessen hat, den Termin für
die Einführung von Inpol-neu einzuhalten. Das würde Ih-
nen vielleicht mehr Sorge bereiten, als Sie sie in Bezug
auf einen anderen Bereich geäußert haben.

Lassen wir das Thema an dieser Stelle ruhen. Ich stehe
Ihnen gerne später zu einem Zwiegespräch zur Verfü-
gung. Dann werde ich Sie über den Sachstand informie-
ren, den ich jetzt nicht im Detail erörtern kann; es ist ein
schwieriges Thema. Ich bin mit Ihnen einer Meinung,
dass dieses System für die Kriminalitätsbekämpfung
wichtig ist. Wir müssen dafür sorgen, dass es zum frühest-
möglichen Zeitpunkt eingesetzt wird.

Sie haben ferner die Einteilung der Wahlkreise ange-
sprochen. Ich bin ja ein Innenminister, der besonderen
Respekt vor dem Parlament hat.


(Zuruf von der CDU/CSU: Oh!)





Bundesminister Otto Schily

13153


(C)



(D)



(A)



(B)


Deshalb bin ich der Meinung, dass die Wahlkreiseintei-
lung in erster Linie eine Sache des Parlaments ist. Wir ge-
ben in dieser Frage gerne eine Hilfestellung – mein Staats-
sekretär Körper ist in diesem Punkt sehr engagiert –, aber
wir werden hier nicht, wie Sie behauptet haben, irgendet-
was par ordre du mufti verfügen. Das können wir nämlich
gar nicht. Das Parlament muss sich damit beschäftigen.
Ich stimme Ihnen zu, dass wir einen Konsens suchen müs-
sen. Mit dem Bemühen um einen Konsens war es in Ihrer
Regierungszeit nicht sehr weit her.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Doch!)


– Ich habe es selber bei meinem eigenen Wahlkreis erfah-
ren, bei dem Sie eine künstliche Einteilung vorgenommen
haben, indem ein anderer Bereich aus wahltaktischen
Gründen zugeschlagen wurde.

So viel zu Ihren Einzelbemerkungen. Ich könnte zu
einzelnen Fragen natürlich noch sehr viel mehr sagen.

Ich lege großen Wert darauf, dass erkannt wird, dass
ein Schwerpunkt der innenpolitischen Arbeit auf der Ge-
währleistung der inneren Sicherheit liegt. Herr Kollege
Graf hat das schon sehr deutlich anhand von Zahlen dar-
gelegt. Wir leisten mit diesem Haushalt mehrere Dinge:
Die Innenpolitik leistet ihren solidarischen Beitrag zur
Haushaltskonsolidierung. Das ist wichtig. Dieses Vor-
haben ist in meinem Haushalt aber besonders schwierig
umzusetzen, weshalb ich auf diese Leistung sehr stolz bin.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Gleichzeitig verstärken wir die Mittel für den Einsatz
für die innere Sicherheit. Es gibt einen Aufwuchs beim
Bundesgrenzschutz, beim Bundeskriminalamt und auch
beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Ähnliches gilt
für das Bundesamt für Sicherheit in der Informations-
technik. Darüber hinaus haben wir es vermocht – dafür
bedanke ich mich besonders –, die Mittel für die Bereit-
schaftspolizei von 6 Millionen DM auf 26 Millionen DM
zu erhöhen. Das ist ein gutes Zeichen für eine ordentliche
und solide Sicherheitspolitik.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb können wir uns neuen Aufgabenfeldern zu-
wenden. Wir brauchen neue kriminalpolizeiliche Aus-
wertungsverfahren, wir müssen das Sachgebiet neue
Technologien ordentlich angehen, wir brauchen eine Zen-
tralstelle für anlassunabhängige Recherchen im Daten-
netz und Ähnliches.

Natürlich gilt das auch für den internationalen Bereich.
Wenn Sie sich bei den Innenministerkollegen in Europa
erkundigen – ich bin inzwischen einer der dienstältesten
Innenminister in Europa –, stellen Sie fest, dass die In-
nenpolitik gerade unter dieser neuen Bundesregierung in
Europa erheblich an Ansehen gewonnen hat. Das kann ich
Ihnen versichern.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dazu gehören natürlich die Ansätze, die wir gewählt

haben. Wir haben etwa, um nur ein Beispiel zu nennen,
das „Deutsche Forum für Kriminalprävention“ ge-

schaffen. Damit tun wir etwas sehr Vernünftiges, das auch
im Sinne der Modernisierung unserer Verwaltung liegt. –
Ich bräuchte mindestens eine halbe Stunde Zeit, um über
die Modernisierung der Bundesverwaltung zu sprechen,
die wir in Gang gebracht haben. – Aber gerade durch das
„Deutsche Forum für Kriminalprävention“ suchen wir
den Dialog mit der Wirtschaft und mit der Gesellschaft.
Wir beziehen in die Kriminalprävention eben nicht nur die
Polizei ein, die ein wichtiger Faktor in diesem Bereich ist,
sondern auch gesellschaftliche Institutionen einschließ-
lich der Wirtschaft.

Ich habe kürzlich mit Vertretern der Wirtschaft zu-
sammengesessen. Dabei war auch der Punkt Kreditkar-
tenmissbrauch ein Thema. Wir haben die Vertreter der
Banken und der Kreditinstitute eingeladen und einen
Workshop veranstaltet, um mit der Wirtschaft über diese
Dinge zu sprechen und Lösungen zu finden. Das ist der
richtige Weg.


(Beifall bei der SPD – Unruhe)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413517300
Liebe Kolleginnen
und Kollegen, ich bitte, den Geräuschpegel ein wenig zu
verringern, damit wir dem Bundesinnenminister bis zum
Schluss seiner Rede angemessen folgen können.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Das ist keine gute Rede! Er kann sie beenden!)



Otto Schily (SPD):
Rede ID: ID1413517400
Die Bundes-
regierung ist ein Garant für die innere Sicherheit.


(Beifall bei der SPD)

Sie ist ein Garant für die entschlossene Bekämpfung von
Extremismus, insbesondere des Rechtsextremismus. Sie
ist ein Garant für die entschlossene Bekämpfung der Kri-
minalität, insbesondere der organisierten Kriminalität,
und zwar unter strikter Einhaltung rechtsstaatlicher Prin-
zipien. Das muss immer dazugesagt werden.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Außerdem ist sie ein Garant für die resolute und rasche
Modernisierung der Verwaltung. Nicht zuletzt ist sie ein
Garant für grundlegende Reformen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch zwei Dinge an-
sprechen. Das Erste ist das Staatsangehörigkeitsrecht.
Herr Hoyer, wenn ich noch einen Moment Ihre Aufmerk-
samkeit in Anspruch nehmen darf,


(Dr. Werner Hoyer [F.D.P.]: Jederzeit!)

möchte ich Ihnen sagen, dass Sie zu Recht darauf hinge-
wiesen haben, dass es in der Verfassungs- und Staatsge-
schichte unseres Landes eine historische Zäsur ist, dass
wir das Staatsangehörigkeitsrecht von einer ethnischen
Fixierung losgelöst und auf ein europäisches Niveau ge-
bracht haben.


(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der PDS)





Bundesminister Otto Schily
13154


(C)



(D)



(A)



(B)


Die Leute innerhalb der CDU/CSU, die das noch immer
nicht wahrhaben wollen und sich jetzt in dem unseligen
Begriff der Leitkultur verheddern, wollen wieder hinter
dieses Niveau zurückfallen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die zweite Reform auf diesem Wege – sie beweist eine
sehr konsequente Politik – wird die Reform des Zuwan-
derungsrechtes sein. Da wählen wir den Weg über eine
unabhängige Sachverständigenkommission. Ich freue
mich, dass sich sehr viele Menschen für diese Kommis-
sion zur Verfügung gestellt haben, insbesondere deren
Vorsitzende, Frau Kollegin Professor Süssmuth. Ich
möchte mich ausdrücklich bei ihr bedanken, dass sie den
Mut gefunden hat, diesen Kommissionsvorsitz zu über-
nehmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der PDS)


Alle Vorschläge sind willkommen. Wenn der Minister-
präsident des Saarlandes, Herr Müller, Vorschläge hat, die
durchaus vernünftig sein mögen, sind sie willkommen.
Andere Vorschläge, etwa vom Kollegen Beckstein, sind
ebenfalls willkommen. Wir werden sie vorurteilsfrei prü-
fen.

Ich bin auch der Meinung, dass es bei einem solchen
Vorhaben, das weit über eine Legislaturperiode hinaus-
geht, das etwas für das Schicksal kommender Generatio-
nen bedeutet, verantwortungslos wäre, wenn wir uns nicht
alle sorgfältig und engagiert um einen großen Konsens
bemühten. Das ist die Sache wirklich wert.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Werner Hoyer [F.D.P.])


Herr Marschewski, da Sie hier nun Eile anmahnen,
frage ich Sie: Wie lange haben Sie denn gebraucht, um
überhaupt festzustellen, dass es in Deutschland Einwan-
derung gibt? Das haben Sie doch gerade einmal in diesem
Jahr entdeckt. Sprechen Sie doch nicht von Eile!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Sorgen Sie dafür, dass in unserem Land nicht die Stim-
mung entsteht – es ist für viele Menschen ja nicht ganz
einfach, zu begreifen, welche Probleme damit verbunden
sind –, dass Zuwanderung als eine Bedrohung empfunden
wird. Ich unterstelle Herrn Merz nicht, dass er mit dem
Wort „Leitkultur“ irgendwelche ausländerfeindlichen
Überlegungen verbunden hat. Er hat es vielleicht gut ge-
meint, aber schlecht gemacht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)


Kürzlich waren bei mir Vertreter der dänischen Min-
derheit – das will ich Ihnen zum Abschluss sagen; Herr
Koppelin weiß das –, die gesagt haben: Wir sind gute
deutsche Staatsbürger; aber wir wollen unsere dänische
kulturelle Herkunft nicht verleugnen und wollen dänisch
sprechen.


(Erwin Marschewski [Recklinghausen] [CDU/ CSU]: Das ist doch nicht das Problem!)


– Herr Marschewski, zum eigentlichen Problem komme
ich doch erst. Hören Sie doch einmal einen Moment zu! –
Ich wurde von diesen Vertretern der dänischen Minderheit
gefragt: Ist unsere Kultur weniger wert als die deutsche
Kultur? – Sie empfinden den Begriff „Leitkultur“ als Be-
drohung.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Die dänische Minderheit? Was ist das für ein Käse? Noch nicht einmal dänischer Käse!)


Nehmen Sie das ernst! Dieser Begriff ist Unsinn. Verren-
nen Sie sich nicht in diese Debatte! Hören Sie damit auf!
Dann ziehen wir einen Strich unter diese Debatte und
dann können wir uns wieder zusammensetzen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der PDS)


Ich bin nun ein wahrlich überzeugter und leidenschaft-
licher Europäer. Auch Herr Fischer hat es heute Morgen
schon angesprochen: Kein Franzose, kein Italiener und
übrigens auch kein Schweizer käme auf den Gedanken,
von einer französischen, einer italienischen und einer
Schweizer Leitkultur zu sprechen. Man spricht zum Bei-
spiel von französischer Kultur und ist sich sicher, dass sie
eine der wunderbarsten Kulturen ist, die es gibt. Warum
sprechen wir nicht schlicht von deutscher Kultur? Sie ist
eine der wunderbarsten Kulturen, die es gibt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der F.D.P. und der PDS)


Also lassen Sie das doch mit der Leitgeschichte und
bleiben Sie besser bei Herrn Stoiber, der zu Recht auf
Bayerisch gesagt hat: D‘Leut brauch‘n a Kultur. – Im
Bayerischen stimmt das ja, Herr Merz.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413517500
Ich schließe die Aus-
sprache.

Wir kommen jetzt zu den Abstimmungen. Ich rufe den
Einzelplan 06 – Bundesministerium des Innern – in der
Ausschussfassung auf. Es liegen Änderungsanträge vor,
über die wir zuerst abstimmen.

Wir kommen zunächst zur Abstimmung über den Än-
derungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksa-
che 14/4769. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? –
Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungs-
antrag ist abgelehnt. 1)

Ich rufe die Abstimmung über den Änderungsantrag
der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 14/4771 auf.
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-
gen? – Auch dieser Änderungsantrag ist abgelehnt. 2)

Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/4765. Die Fraktion der PDS ver-
langt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftfüh-




Bundesminister Otto Schily

13155


(C)



(D)



(A)



(B)


1) Anlage 5
2) Anlage 6

rerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze ein-
zunehmen. Sind alle Urnen besetzt? – Ich eröffne die Ab-
stimmung. –

Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
Stimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall.

Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schriftfüh-
rerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu begin-
nen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später be-
kannt gegeben.

Wir setzen jetzt die Abstimmungen fort, und ich bitte
alle Kolleginnen und Kollegen, die Plätze wieder einzu-
nehmen. – Ich wiederhole noch einmal meine Aufforde-
rung: Bitte, nehmen Sie die Plätze ein, damit wir die Ab-
stimmungen fortsetzen können. Es gibt keine weitere
namentliche Abstimmung.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ände-
rungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksache
14/4766. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Der
Änderungsantrag ist abgelehnt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie
nochmals, die Plätze einzunehmen, da wir noch einige
Abstimmungen und letztlich auch die Endabstimmung
über den Haushalt haben.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/4767? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Auch dieser Änderungsantrag ist abge-
lehnt.

Wir kommen zum Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/4768. Wer stimmt für diesen Än-
derungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Der Ände-
rungsantrag ist abgelehnt.

Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf
Drucksache 14/4770 auf. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Auch dieser Änderungsan-
trag ist abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/4772? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt.

Ich rufe den Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf
Drucksache 14/4773 auf. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt
dagegen? – Enthaltungen? – Auch dieser Änderungsan-
trag ist abgelehnt.

Ich rufe den Änderungsantrag der PDS auf Drucksache
14/4774 auf. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist abgelehnt.

Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der
PDS auf Drucksache 14/4775? – Wer stimmt dagegen? –
Enthaltungen? – Auch dieser Änderungsantrag ist abge-
lehnt.

Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
Abstimmung unterbreche ich jetzt die Sitzung.


(Unterbrechung von 21.20 bis 21.24 Uhr)



Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID1413517600
Die Sitzung ist wieder
eröffnet.

Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-
führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-
mung über den Änderungsantrag der Fraktion der PDS
auf Drucksache 14/4765 bekannt. Abgegebene Stimmen
582. Mit Ja haben gestimmt 31 Abgeordnete, mit Nein ha-
ben gestimmt 551 Abgeordnete, Enthaltungen gab es
keine. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.




Vizepräsidentin Petra Bläss
13156


(C)



(D)



(A)



(B)


Endgültiges Ergebnis
Abgegebene Stimmen: 570;
davon

ja: 30
nein: 540

Ja
PDS
Dr. Dietmar Bartsch
Petra Bläss
Eva Bulling-Schröter
Roland Claus
Dr. Heinrich Fink
Dr. Ruth Fuchs
Wolfgang Gehrcke
Dr. Gregor Gysi
Uwe Hiksch
Dr. Barbara Höll
Carsten Hübner
Ulla Jelpke
Sabine Jünger
Gerhard Jüttemann
Dr. Evelyn Kenzler

Dr. Heidi Knake-Werner
Rolf Kutzmutz
Heidi Lippmann
Ursula Lötzer
Dr. Christa Luft
Heidemarie Lüth
Pia Maier
Angela Marquardt
Kersten Naumann
Rosel Neuhäuser
Christine Ostrowski
Dr. Uwe-Jens Rössel
Christina Schenk
Gustav-Adolf Schur
Dr. Ilja Seifert

Nein
SPD
Brigitte Adler
Ingrid Arndt-Brauer
Rainer Arnold
Hermann Bachmaier
Ernst Bahr

Doris Barnett
Dr. Hans Peter Bartels
Eckhardt Barthel (Berlin)

Klaus Barthel (Starnberg)

Ingrid Becker-Inglau
Wolfgang Behrendt
Dr. Axel Berg
Hans-Werner Bertl
Friedhelm Julius Beucher
Petra Bierwirth
Rudolf Bindig
Lothar Binding (Heidelberg)

Kurt Bodewig
Klaus Brandner
Willi Brase
Dr. Eberhard Brecht
Rainer Brinkmann (Detmold)

Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)


Hans-Günter Bruckmann
Edelgard Bulmahn
Dr. Michael Bürsch
Hans Martin Bury
Hans Büttner (Ingolstadt)

Marion Caspers-Merk
Wolf-Michael Catenhusen

Dr. Peter Danckert
Dr. Herta Däubler-Gmelin
Christel Deichmann
Karl Diller
Peter Dreßen
Detlef Dzembritzki
Dieter Dzewas
Dr. Peter Eckardt
Sebastian Edathy
Ludwig Eich
Marga Elser
Peter Enders
Gernot Erler
Petra Ernstberger
Annette Faße
Lothar Fischer (Homburg)

Gabriele Fograscher
Iris Follak
Norbert Formanski
Rainer Fornahl
Hans Forster
Dagmar Freitag
Peter Friedrich (Altenburg)

Lilo Friedrich (Mettmann)

Harald Friese
Anke Fuchs (Köln)


Arne Fuhrmann
Monika Ganseforth
Konrad Gilges
Günter Gloser
Uwe Göllner
Renate Gradistanac
Günter Graf (Friesoythe)

Angelika Graf (Rosenheim)

Dieter Grasedieck
Monika Griefahn
Kerstin Griese
Achim Großmann
Wolfgang Grotthaus
Hans-Joachim Hacker
Klaus Hagemann
Manfred Hampel
Christel Hanewinckel
Alfred Hartenbach
Anke Hartnagel
Klaus Hasenfratz
Nina Hauer
Hubertus Heil
Reinhold Hemker
Frank Hempel
Rolf Hempelmann
Dr. Barbara Hendricks
Gustav Herzog
Monika Heubaum
Reinhold Hiller (Lübeck)

Stephan Hilsberg
Jelena Hoffmann (Chemnitz)


(Darmstadt)


Iris Hoffmann (Wismar)

Frank Hofmann (Volkach)

Ingrid Holzhüter
Eike Hovermann
Christel Humme
Lothar Ibrügger
Barbara Imhof
Brunhilde Irber
Gabriele Iwersen
Renate Jäger
Jann-Peter Janssen
Ilse Janz
Dr. Uwe Jens
Volker Jung (Düsseldorf)

Johannes Kahrs
Ulrich Kasparick
Sabine Kaspereit
Susanne Kastner
Ulrich Kelber
Hans-Peter Kemper
Klaus Kirschner
Marianne Klappert
Siegrun Klemmer
Walter Kolbow
Fritz Rudolf Körper
Karin Kortmann
Nicolette Kressl
Volker Kröning
Angelika Krüger-Leißner
Horst Kubatschka
Ernst Küchler
Helga Kühn-Mengel
Ute Kumpf
Konrad Kunick
Dr. Uwe Küster
Werner Labsch

Christine Lambrecht
Brigitte Lange
Christian Lange (Backnang)

Detlev von Larcher
Christine Lehder
Dr. Elke Leonhard
Eckhart Lewering
Götz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)


Christa Lörcher
Erika Lotz
Dr. Christine Lucyga
Dieter Maaß (Herne)

Winfried Mante
Dirk Manzewski
Tobias Marhold
Lothar Mark
Ulrike Mascher
Christoph Matschie
Heide Mattischeck
Markus Meckel
Ulrike Mehl
Ulrike Merten
Angelika Mertens
Dr. Jürgen Meyer (Ulm)

Ursula Mogg
Christoph Moosbauer
Siegmar Mosdorf
Michael Müller (Düsseldorf)

Jutta Müller (Völklingen)

Christian Müller (Zittau)

Andrea Nahles
Volker Neumann (Bramsche)

Dr. Edith Niehuis
Dr. Rolf Niese
Dietmar Nietan
Günter Oesinghaus
Eckhard Ohl
Leyla Onur
Manfred Opel
Holger Ortel
Adolf Ostertag
Kurt Palis
Albrecht Papenroth
Dr. Martin Pfaff
Georg Pfannenstein
Johannes Pflug
Dr. Eckhart Pick
Joachim Poß
Karin Rehbock-Zureich
Dr. Carola Reimann
Margot von Renesse
Renate Rennebach
Bernd Reuter
Dr. Edelbert Richter
Reinhold Robbe
Gudrun Roos
René Röspel
Dr. Ernst Dieter Rossmann
Michael Roth (Heringen)

Birgit Roth (Speyer)

Gerhard Rübenkönig
Marlene Rupprecht
Thomas Sauer
Dr. Hansjörg Schäfer
Gudrun Schaich-Walch
Bernd Scheelen
Siegfried Scheffler
Horst Schild

Otto Schily
Dieter Schloten

(Nürnberg)


Ulla Schmidt (Aachen)

Silvia Schmidt (Eisleben)

Dagmar Schmidt (Meschede)

Wilhelm Schmidt (Salzgitter)

Regina Schmidt-Zadel
Heinz Schmitt (Berg)

Carsten Schneider
Dr. Emil Schnell
Walter Schöler
Olaf Scholz
Karsten Schönfeld
Fritz Schösser
Gisela Schröter
Dr. Mathias Schubert
Richard Schuhmann

(Delitzsch)


Brigitte Schulte (Hameln)

Volkmar Schultz (Köln)

Ewald Schurer
Dr. R. Werner Schuster
Dietmar Schütz (Oldenburg)

Dr. Angelica Schwall-Düren
Rolf Schwanitz
Bodo Seidenthal
Erika Simm
Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk
Dr. Cornelie Sonntag-
Wolgast

Wieland Sorge
Wolfgang Spanier
Dr. Margrit Spielmann
Jörg-Otto Spiller
Dr. Ditmar Staffelt
Antje-Marie Steen
Ludwig Stiegler
Rolf Stöckel
Rita Streb-Hesse
Reinhold Strobl (Amberg)

Dr. Peter Struck
Joachim Stünker
Joachim Tappe
Jella Teuchner
Dr. Gerald Thalheim
Wolfgang Thierse
Franz Thönnes
Uta Titze-Stecher
Adelheid Tröscher
Hans-Eberhard Urbaniak
Rüdiger Veit
Simone Violka
Ute Vogt (Pforzheim)

Hans Georg Wagner
Hedi Wegener
Dr. Konstanze Wegner
Wolfgang Weiermann
Reinhard Weis (Stendal)

Gunter Weißgerber

(Wiesloch)


Jochen Welt
Dr. Rainer Wend
Hildegard Wester
Dr. Margrit Wetzel
Dr. Norbert Wieczorek
Jürgen Wieczorek (Böhlen)



(Duisburg)


Heidemarie Wieczorek-Zeul
Klaus Wiesehügel
Brigitte Wimmer (Karlsruhe)

Engelbert Wistuba
Barbara Wittig
Dr. Wolfgang Wodarg
Verena Wohlleben

(Wolmirstedt)


Heidemarie Wright
Uta Zapf
Peter Zumkley
CDU/CSU
Ulrich Adam
Ilse Aigner
Peter Altmaier
Dietrich Austermann
Norbert Barthle
Dr. Wolf Bauer
Günter Baumann
Brigitte Baumeister
Meinrad Belle
Dr. Sabine Bergmann-Pohl
Otto Bernhardt
Hans-Dirk Bierling
Renate Blank
Dr. Heribert Blens
Peter Bleser
Dr. Maria Böhmer
Sylvia Bonitz
Jochen Borchert

(Bönstrup)


Wolfgang Bosbach
Klaus Brähmig
Dr. Ralf Brauksiepe
Paul Breuer
Monika Brudlewsky
Georg Brunnhuber
Hartmut Büttner

(Schönebeck)


Cajus Caesar
Manfred Carstens (Emstek)


(Nordstrand)


Leo Dautzenberg
Hubert Deittert
Albert Deß
Renate Diemers
Thomas Dörflinger
Hansjürgen Doss
Marie-Luise Dött
Maria Eichhorn
Anke Eymer (Lübeck)

Ilse Falk
Albrecht Feibel
Ulf Fink
Ingrid Fischbach
Dirk Fischer (Hamburg)


(KarlsruheLand)



(Erlangen)


Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)





Vizepräsidentin Petra Bläss

13157


(C)



(D)



(A)



(B)


Erich G. Fritz
Jochen-Konrad Fromme
Hans-Joachim Fuchtel
Dr. Jürgen Gehb
Norbert Geis
Dr. Heiner Geißler
Georg Girisch
Michael Glos
Peter Götz
Dr. Wolfgang Götzer
Kurt-Dieter Grill
Hermann Gröhe
Manfred Grund
Horst Günther (Duisburg)

Carl-Detlev Freiherr von
Hammerstein


(Großhennersdorf )


Norbert Hauser (Bonn)


(Rednitzhembach)


Klaus-Jürgen Hedrich
Helmut Heiderich
Ursula Heinen
Manfred Heise
Siegfried Helias
Hans Jochen Henke
Ernst Hinsken
Peter Hintze
Klaus Hofbauer
Martin Hohmann
Klaus Holetschek
Josef Hollerith
Dr. Karl-Heinz Hornhues
Siegfried Hornung
Joachim Hörster
Hubert Hüppe
Susanne Jaffke
Georg Janovsky
Dr.-Ing. Rainer Jork
Dr. Harald Kahl
Bartholomäus Kalb
Dr.-Ing. Dietmar Kansy
Irmgard Karwatzki
Volker Kauder
Eckart von Klaeden
Ulrich Klinkert
Norbert Königshofen
Eva-Maria Kors
Hartmut Koschyk
Thomas Kossendey
Rudolf Kraus
Dr. Paul Krüger
Dr. Hermann Kues

(Heidelberg)


Dr. Norbert Lammert
Helmut Lamp
Dr. Paul Laufs
Karl-Josef Laumann
Vera Lengsfeld
Werner Lensing

Peter Letzgus
Ursula Lietz
Walter Link (Diepholz)


(Offenbach)


Dr. Manfred Lischewski

(Lüdenscheid)


Julius Louven
Dr. Michael Luther

(Recklinghausen)



(Siegertsbrunn)


Wolfgang Meckelburg
Dr. Michael Meister
Dr. Angela Merkel
Friedrich Merz
Hans Michelbach
Meinolf Michels
Dr. Gerd Müller
Bernward Müller (Jena)

Elmar Müller (Kirchheim)

Bernd Neumann (Bremen)

Claudia Nolte
Günter Nooke
Franz Obermeier
Friedhelm Ost
Eduard Oswald
Norbert Otto (Erfurt)

Anton Pfeifer
Dr. Friedbert Pflüger
Beatrix Philipp
Ronald Pofalla
Ruprecht Polenz
Marlies Pretzlaff
Dr. Bernd Protzner
Thomas Rachel
Hans Raidel
Dr. Peter Ramsauer
Helmut Rauber
Peter Rauen
Christa Reichard (Dresden)

Erika Reinhardt
Hans-Peter Repnik
Klaus Riegert
Dr. Heinz Riesenhuber
Franz Romer

(Wiesbaden)


Dr. Klaus Rose
Adolf Roth (Gießen)

Norbert Röttgen
Dr. Christian Ruck
Anita Schäfer
Hartmut Schauerte
Heinz Schemken
Gerhard Scheu
Norbert Schindler
Dietmar Schlee
Bernd Schmidbauer

Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)


Andreas Schmidt (Mülheim)

Hans Peter Schmitz

(Baesweiler)


Birgit Schnieber-Jastram
Dr. Andreas Schockenhoff
Dr. Rupert Scholz
Reinhard Freiherr von
Schorlemer

Dr. Erika Schuchardt
Gerhard Schulz
Diethard Schütze (Berlin)

Horst Seehofer
Heinz Seiffert
Dr. h. c. Rudolf Seiters
Bernd Siebert
Johannes Singhammer
Bärbel Sothmann
Dr. Wolfgang Freiherr von
Stetten

Andreas Storm
Dorothea Störr-Ritter
Max Straubinger
Matthäus Strebl
Thomas Strobl (Heilbronn)

Michael Stübgen
Dr. Rita Süssmuth
Dr. Susanne Tiemann
Edeltraut Töpfer
Dr. Hans-Peter Uhl
Arnold Vaatz
Angelika Volquartz
Andrea Voßhoff
Peter Weiß (Emmendingen)

Gerald Weiß (Groß-Gerau)

Annette Widmann-Mauz
Heinz Wiese (Ehingen)

Hans-Otto Wilhelm (Mainz)

Klaus-Peter Willsch
Bernd Wilz
Willy Wimmer (Neuss)

Matthias Wissmann
Werner Wittlich
Dagmar Wöhrl
Peter Kurt Würzbach
Benno Zierer
Wolfgang Zöller
BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN
Gila Altmann (Aurich)

Marieluise Beck (Bremen)

Volker Beck (Köln)

Angelika Beer
Matthias Berninger
Grietje Bettin
Annelie Buntenbach
Ekin Deligöz
Dr. Thea Dückert
Franziska Eichstädt-Bohlig

Dr. Uschi Eid
Hans-Josef Fell
Andrea Fischer (Berlin)

Katrin Göring-Eckardt
Winfried Hermann
Antje Hermenau
Michaele Hustedt
Monika Knoche
Dr. Angelika Köster-Loßack
Steffi Lemke
Dr. Helmut Lippelt
Dr. Reinhard Loske
Kerstin Müller (Köln)

Winfried Nachtwei
Christa Nickels
Cem Özdemir
Simone Probst
Christine Scheel
Werner Schulz (Leipzig)

Christian Simmert
Christian Sterzing
Hans-Christian Ströbele
Jürgen Trittin
Dr. Antje Vollmer
Sylvia Voß
Helmut Wilhelm (Amberg)

Margareta Wolf (Frankfurt)

F.D.P.
Ina Albowitz

(Augsburg)


Ernst Burgbacher
Jörg van Essen
Ulrike Flach
Horst Friedrich (Bayreuth)

Rainer Funke
Hans-Michael Goldmann
Dr. Karlheinz Guttmacher
Klaus Haupt
Walter Hirche
Birgit Homburger
Dr. Werner Hoyer
Ulrich Irmer
Dr. Klaus Kinkel
Gudrun Kopp
Jürgen Koppelin
Ina Lenke
Sabine Leutheusser-
Schnarrenberger

Dirk Niebel
Günther Friedrich Nolting
Dr. Edzard Schmidt-Jortzig
Gerhard Schüßler
Dr. Irmgard Schwaetzer
Marita Sehn
Dr. Hermann Otto Solms
Dr. Max Stadler
Dr. Dieter Thomae
Jürgen Türk
Dr. Guido Westerwelle




Vizepräsidentin Petra Bläss
13158


(C)



(D)



(A)



(B)


Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel-
plan 06. Wer stimmt für den Einzelplan 06 in der Aus-
schussfassung? – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Enthal-
tungen? – Der Einzelplan 06 ist angenommen.

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel-
plan 33, Versorgung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt da-
gegen? – Enthaltungen? Der Einzelplan 33 ist angenom-
men.

Ich rufe auf:
Einzelplan 12
Bundesministerium für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen
– Drucksachen 14/4512, 14/4521 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Bartholomäus Kalb
Gerhard Rübenkönig
Dietmar Schütz (Oldenburg)

Matthias Berninger
Dr. Günter Rexrodt
Dr. Uwe-Jens Rössel

Es liegen vier Änderungsanträge der Fraktion der
CDU/CSU und drei Änderungsanträge der Fraktion der
PDS vor. Weiterhin liegen ein Entschließungsantrag der
Fraktion der CDU/CSU und ein Entschließungsantrag der
Fraktion der F.D.P. vor, über die am Freitag nach der
Schlussabstimmung abgestimmt wird.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die
Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die Fraktion
der CDU/CSU dem Kollegen Bartholomäus Kalb das
Wort.


Bartholomäus Kalb (CSU):
Rede ID: ID1413517700
Verehrte Frau Prä-
sidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Drei
Minister in zwei Jahren sind nicht gerade Ausweis für
Kontinuität in der Verkehrspolitik. Das spricht nicht
schon per se gegen den neuen Ressortchef; es spricht aber
gegen den Bundeskanzler, der diese Position zunächst mit
einem reinen Parteifunktionär und dann mit einem abge-
wählten Ministerpräsidenten besetzte, um Ruhe an der
Westfront der SPD zu haben.


(Zustimmung bei der CDU/CSU)

Eine klare Linie fehlt und Effizienz gibt es nicht. Bereits
Müntefering hatte einen Scherbenhaufen hinterlassen


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unsinn!)


und Klimmt fehlte offenbar das Vertrauen der eigenen
Leute und der eigenen Fraktion, um etwas bewegen zu
können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir müssen zu einer verlässlichen und wirkungsvollen
Verkehrs- und Baupolitik zurückkehren.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Da klatscht nur ein Einziger von Ihrer Fraktion, so ein Unsinn ist das!)


Zwei Jahre Rückschritt sind genug.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir brauchen wieder eine langfristig angelegte Ressort-
politik, die geeignet ist, die Probleme bei der Bahn zu lö-
sen, die Herausforderungen im Bereich des Fernstraßen-
baus zu bewältigen und das Durcheinander im Wohnungs-
und Städtebau zu beenden. Der Bereich Verkehrs-, Bau-
und Wohnungswesen ist viel zu wichtig und daher völlig
ungeeignet, um als personalpolitischer Verschiebebahn-
hof missbraucht zu werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie man in der Sache innerhalb der Bundesregierung

mit diesem Ressort umgegangen ist, belegt der Regie-
rungsentwurf. Die Investitionen wurden drastisch gekürzt,
am stärksten im Bereich des Verkehrsetats. Nur noch
11,4 Prozent Investitionsanteil am Gesamthaushalt waren
vorgesehen. Weitere fallende Linien waren zu verzeichnen.
Zudem hatte der Finanzminister mit milliardenschweren
Sperr- und Deckungsvermerken bereits Folterwerkzeuge
bereitgelegt, um bei mangelndem Wohlverhalten des Ver-
kehrsministers im Haushaltsvollzug weiter kürzen und
streichen zu können.

Die Mittel aus dem jetzt vielgerühmten Zukunfts-
investitionsprogramm haben Sie nicht bei den normalen
Investitionstiteln veranschlagt, sondern dafür extra An-
sätze gewählt und sie gleichzeitig ausdrücklich bis zum
Jahr 2003 begrenzt. Damit fehlt die notwendige Flexibi-
lität und Berechenbarkeit.

Natürlich weiß ich, dass alle nicht gesetzlich gebunde-
nen Ansätze unter dem Vorbehalt künftiger Beratungen
stehen; aber schon jetzt ausdrücklich zu beschließen, dass
nach 2003 die vorgenommenen Erhöhungen wieder
zurückgenommen werden, ist schon ein sehr starkes
Stück.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD], an die CDU/CSU gewandt: Jetzt haben Sie es gemerkt!)


Trotz dieser Sonderaktion erreichen Sie jetzt gerade ein
mal eine Quote der Investitionen von 12,1 Prozent des Ge-
samthaushaltes und bleiben weit hinter den Investitions-
quoten früherer Jahre zurück. Ein Zickzackkurs bei Inves-
titionen ist aber für die Bauwirtschaft und letztlich auch
für den Auftraggeber, insbesondere die öffentliche Hand,
von Übel. Im Hinblick auf die langen Planungs- und Ge-
nehmigungsabläufe von Verkehrsprojekten braucht man
Planungssicherheit und längerfristige Berechenbarkeit.
Deshalb fordern wir dringend eine Verstetigung der Inves-
titionen.

Auch die angebliche Rekordhöhe von Investitionen im
Fernstraßenbau ist nichts anderes als irreführend. Sie




Vizepräsidentin Petra Bläss

13159


(C)



(D)



(A)



(B)


kommen trotz der Sonderaktionen nicht über die Höhe der
Ansätze früherer Jahre hinaus.


(Zuruf von der SPD: Das ist doch lächerlich!)

– Das stimmt doch. – Auch Ihre weiteren Straßenbau-
investitionsprogramme bleiben weit hinter den Erwartun-
gen zurück. Ihr vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen
großartig angekündigtes Anti-Stau-Programm steckt im
Stau. Mit den Maßnahmen kann frühestens 2003 begon-
nen werden. Die Einnahmen haben Sie noch gar nicht,
ebenso wenig wie die rechtlichen Voraussetzungen. Auch
die Zustimmung der EU fehlt.

Nach meiner Überzeugung sind auch zahlreiche Pro-
jekte der so genannten ZIP-Liste in keiner Weise gesi-
chert, wenn es bei der Begrenzung bis zum Jahr 2003
bleibt, weil die Anschlussfinanzierung schlicht und ein-
fach fehlt.

Herr Minister Bodewig, Sie werden es nicht leicht ha-
ben. Ihr Vorgänger hat nämlich innerhalb eines Jahres vier
Zukunftsprogramme aus dem Hut gezaubert. Für Sie wird
es schwierig, diesen Rekord zu brechen.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das sind doch alles dieselben gewesen!)


– Das ist allerdings richtig, Herr Kollege Kansy.
Insbesondere die Bahn wird sich sehr schwer tun, die

gewünschten und notwendigen Maßnahmen durchzu-
führen, wenn Sie bei Ihren Beschlüssen bleiben. Sie wird
nicht in der Lage sein, die Kapazitäten für Planung und
Bauleitung so schnell aufzubauen und dann wieder
zurückzuführen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Weil Ihre Leute einen verrotteten Haufen hinterlassen haben! – Gegenruf des Abg. Eduard Oswald [CDU/CSU]: Darf eigentlich jeder Zwischenrufe machen?)


Die Bahnpolitik hat schließlich während der Haus-
haltsberatungen besondere Aufmerksamkeit erlangt. Mel-
dungen über eine Ergebnisabweichung bis 2005 um
20 Milliarden DM haben nicht nur heftige Diskussionen
ausgelöst. Das bedeutet letztlich auch 20 Milliarden DM
weniger für Modernisierung und damit auch weniger an
Wettbewerbsfähigkeit. Zugleich – das war Thema in der
vorausgehenden Debatte – belasten Sie die Bahn mit Son-
derlasten wie der Ökosteuer und mit Kosten für den
BGS – dieses Problem ist immer noch nicht ausgeräumt –
in einer beträchtlichen Größenordnung.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Was wahr ist, ist wahr! Trotz der nun angesetzten Sonderdotierung bei Bahninvestitionen bleiben Sie weit hinter dem zurück, was die Bahn für die Umsetzung der Bahnreform wirklich bräuchte. Sicherlich haben die Probleme der Bahn viele Ursachen. Diese werden aber nicht zu lösen sein, wenn es erstens nicht gelingt, jahrzehntelang gewachsene und verkrustete Strukturen mehr als bisher aufzubrechen, wenn es zweitens nicht gelingt, sich aus der engen Umklamme rung der Gewerkschaften und zum Teil auch der Politik zu lösen, (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unsinn!)


und wenn drittens nicht alle begreifen – Mitarbeiter und
Gewerkschaften ebenso wie Unternehmensvertreter auf
hoher und höchster Ebene –, dass sie an einem Strang und
in eine Richtung ziehen müssen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wer hat Ihnen das nur aufgeschrieben?)


Ich meine damit nicht nur das Aufsichtsratsmitglied
Albert Schmidt. Dennoch: Auch und gerade vom Bund
entsandte Aufsichtsratsmitglieder haben ihre Pflichten be-
sonders ernst zu nehmen und gewissenhaft zu erfüllen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der PDS – Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das tut er!)


Das Ansehen der Bahn, Herr Schmidt, ist mit Ihren öf-
fentlichen Äußerungen, solange Sie sie nicht belegen kön-
nen, jedenfalls nicht gemehrt worden.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das Geld für die Bahn ist gemehrt worden!)


Wir wissen alle, dass die Stärke der Bahn besonders auf
einer Entfernung zwischen 400 und 500 Kilometern zum
Tragen kommt. Das zeigen jedenfalls internationale Er-
fahrungen. Wir sind in Deutschland und in Europa aber
bereits an die Nationengrenzen gestoßen. Die dringend
notwendige Harmonisierung ist bisher nicht erreicht wor-
den.

Es kann doch nicht sein, dass Automobilhersteller mit
Werken in ganz Europa ihre Werke nicht vernetzen kön-
nen, nur weil die Bahnen nicht zueinander kommen und
die Systeme nicht kompatibel sind. Wir legen zwar euro-
paweit den zulässigen Krümmungsradius für Gurken fest
und definieren einheitlich, was Schnitt-, Stich- und Stoß-
stellen sind und wie die Schleppersitze aussehen müssen.
Nur bei der Bahn kommen wir keinen Schritt voran.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Vor drei Wochen wurde der neue Verkehrsbericht

vorgelegt. Danach werden bis 2015 der Personenverkehr
um rund 20 Prozent und der Güterverkehr gar um 64 Pro-
zent steigen. Ein Großteil der Verkehrssteigerungen wird
sich aus dem Zusammenwachsen Europas und dem Bei-
tritt weiterer Länder zur Europäischen Union ergeben.
Wir müssen uns darauf einstellen und Vorsorge treffen,
um den Herausforderungen gewachsen zu sein. Wir ver-
langen deshalb ein Programm „Verkehrsprojekte Europä-
ische Einigung“, um auf das zu erwartende, enorm stei-
gende Verkehrsaufkommen vorbereitet zu sein.

Herr Carsten Kreklau vom BDI sagt:
Zum einen muss die Verkehrsinfrastruktur moderni-
siert, zum anderen dem zusätzlichen Verkehrsauf-
kommen infolge der EU-Osterweiterung Rechnung
getragen werden.




Bartholomäus Kalb
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Mit Blick auf die Beitrittsländer wird die Verkehrsachse
Nürnberg–Regensburg–Passau–Wien enorm an Bedeu-
tung und Belastung gewinnen; auch und gerade auf der
Schiene. Deshalb wäre es fatal, diese Strecke jetzt zu ver-
nachlässigen und das Angebot auszudünnen.

Auch für den Donauausbau ist es erforderlich, dass
die – soweit ich das beurteilen kann – sehr gründlichen
und sehr sorgfältigen Untersuchungen zeitgerecht zum
Abschluss kommen und dass dann eine objektive Beur-
teilung vorgenommen und ohne weitere Verzögerungen
gemeinsam mit dem Freistaat Bayern eine klare Entschei-
dung getroffen wird.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Sehr wahr Gemeinsam!)


Alle Beteiligten und vor allem die betroffenen Bürger und
Kommunen müssen wissen, wie es weitergehen soll. Sie
müssen sich mit ihren Planungen darauf einstellen kön-
nen.

Das deutsche Transportgewerbe scheint für diese Bun-
desregierung keine Bedeutung zu haben. Man hat den
Eindruck, viele hier wissen nicht oder wollen nicht wis-
sen, von welchen Existenzsorgen die Inhaber, insbeson-
dere von kleineren und mittleren Unternehmen und deren
Mitarbeiter bereits erfasst sind. Versprechungen, sich bei
der EU dafür einzusetzen, dass es keine weiteren Geneh-
migungen für Subventionen anderer Länder seitens der
EU gibt, werden nicht eingehalten. Subventionen für Ita-
lien wurden mit rot-grünen Stimmen genehmigt. Das
deutsche Transportgewerbe leidet unter massiven Wettbe-
werbsverzerrungen. So treiben Sie unser Transportge-
werbe in den Ruin bzw. zur Ausflaggung und vernichten
Hunderttausende von Arbeitsplätzen hier im Lande.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P.)


Man fragt sich langsam: Interessiert denn den Bundes-
kanzler eigentlich nur noch das Großkapital? Interessie-
ren ihn die kleinen und mittleren Betriebe und die dort ar-
beitenden Menschen nicht mehr?


(V o r s i t z: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)


Ich darf noch einen anderen Punkt ansprechen. Wir ha-
ben es immer für falsch gehalten, dass die Transrapid-
strecke Hamburg–Berlin von Ihnen aufgegeben wurde.
Ich möchte dazu gerne sagen: Ich begrüße es ausdrück-
lich, dass man mit den beiden Projekten in München und
in Nordrhein-Westfalen nun endlich wieder einen neuen
Start begonnen hat. Ich denke, es ist wichtig, dass wir
diese neue, zukunftsweisende Technologie bei uns im
Lande zur Anwendung bringen, dass wir die Vorteile un-
sere Investitionen, die wir in Forschung und Entwicklung
gesteckt haben, auch selber nutzen und damit die Voraus-
setzungen dafür schaffen, dass diese neue Technologie ein
Exporterfolg werden kann.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Ich glaube erst daran, wenn alles fertig ist!)


Herr Minister Bodewig, bei aller Kritik an der Ver-
kehrspolitik, die wir zu üben haben, und bei allen unter-

schiedlichen Standpunkten, die wir einnehmen, möchte
ich es dennoch nicht versäumen, Ihnen persönlich im In-
teresse der Sache für Ihr neues, soeben angetretenes Amt
eine sehr glückliche Hand zu wünschen.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413517800
Als
nächster Redner hat der Kollege Gerhard Rübenkönig von
der SPD-Fraktion das Wort.


Gerhard Rübenkönig (SPD):
Rede ID: ID1413517900
Herr Präsident! Liebe
Kolleginnen und Kollegen! Mit dem Einzelplan 12 Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen, beraten wir heute den
Haushalt, der ein Signal für die Zukunft einer neuen Ver-
kehrspolitik in Deutschland gibt.

Zunächst möchte ich aber von dieser Stelle aus unse-
ren – erstmals auf der Regierungsbank – neuen Minister
für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, Kurt Bodewig,
begrüßen. Ich wünsche Ihnen, Herr Minister, alles Gute
für die Zukunft und eine erfolgreiche Arbeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Als Berichterstatter für den Bereich Verkehr möchte
ich zunächst meinen Kollegen Berichterstattern für die
gute, vertrauensvolle und konstruktive Zusammenarbeit
danken. Bedenkt man, dass sich das Volumen des Einzel-
plans 12, wie ihn die Bundesregierung eingebracht hat, in
einer Höhe von 44,8 Milliarden DM bewegte und jetzt,
nach den Beratungen, in einer Höhe von 48,6 Milliar-
den DM, so kann man ersehen, welch intensive Beratun-
gen hierzu erforderlich waren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Allein für Investitionen im Verkehrsbereich sind in die-
sem Haushalt über 22Milliarden DM veranschlagt; das ist
ein Anteil von über 60 Prozent und liegt damit weit über
dem, was Sie, meine Damen und Herren von der Opposi-
tion, uns in Ihrer Regierungszeit vorgelegt haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Aufgrund meiner begrenzten Redezeit möchte ich hier
nur zu einigen Schwerpunkten Stellung nehmen:

Erstens zum Zukunftsinvestitionsprogramm: Wie
Sie wissen, brachte die Versteigerung der UMTS-Lizen-
zen dem Bund 99,4 Milliarden DM ein und diese Gelder
werden voll zur Rückführung der Staatsschulden einge-
setzt. Die in diesem Zusammenhang aufgrund der Zins-
ersparnis für die Bundesschuld frei werdenden Mittel in
Höhe von rund 5 Milliarden DM werden zielgerecht für
Investitionen in die Zukunft eingesetzt. Für den Verkehrs-
haushalt bedeutet das pro Jahr einen Mittelzufluss von
2,9 Milliarden DM. Damit verbessern wir die Mobilität in
Deutschland. Mit einer Ausweitung der Investitionen in




Bartholomäus Kalb

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das Schienen- und Straßennetz werden somit die Grund-
lagen für einen reibungslosen und energiesparenden Ver-
kehrsfluss in Deutschland verbreitert. Bis zum Jahre 2003
werden diese zusätzlichen Investitionen 8,7 Milliarden
DM betragen und damit neue Impulse für die erfolgreiche
Beschäftigungspolitik dieser Bundesregierung geben.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Na, na!)


Zweitens zu Investitionen in das Straßennetz: Für In-
vestitionen in das Straßennetz werden einschließlich der
Mittel für das Zukunftsinvestitionsprogramm rund 9 Mil-
liarden DM bereitgestellt. Rechnet man die Zuschüsse für
die Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Ge-
meinden hinzu, so sind rund 10 Milliarden DM für Inves-
titionen in den Straßenbau vorgesehen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Das reicht doch nicht!)


– Hör zu! – Gegenüber 1998 – dem letzten Jahr der Re-
gierung Kohl – ist das eine erhebliche Steigerung.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wir sind jetzt schon drei Jahre weiter!)


Mit den zusätzlichen Mitteln aus dem Zukunftsinvesti-
tionsprogramm werden über 120 lang ersehnte Ortsum-
gehungen gebaut, was in Ihrer Regierungszeit nicht mög-
lich war.


(Beifall bei der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Nicht nur Spatenstiche wie bei der CDU/CSU!)


Mir ist auch bewusst, dass die Mittel für den Straßen-
bau, gemessen an den Wünschen, noch höher sein müss-
ten. Allein die Tatsachen, dass für Brückensanierungen in
Zukunft circa 80Milliarden DM erforderlich sind, dass an
den zweispurig ausgebauten Autobahnen, auf denen sich
immer wieder Staus bilden, dringend die dritte Spur ge-
baut werden muss


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das haben wir schon immer gefordert!)


und das im Rahmen der europäischen und innerdeutschen
Vernetzungen von Fernstraßen erhebliche Maßnahmen
zum Lückenschluss erforderlich sind, zeigen unter ande-
rem, dass in Zukunft weitere massive Investitionen in den
Straßenbau erforderlich sind. Ich denke aber, dass wir
durch unsere realistische Planung der Verkehrsinvestitio-
nen, die sauber gerechnet ist, der Bevölkerung nichts
mehr vorgaukeln und dass damit die unrealistische Spa-
tenstichpolitik der ehemaligen Regierung Kohl endgültig
ein Ende hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Jawohl!)


Drittens zum kombinierten Verkehr: Zur Förderung
von Umschlaganlagen des kombinierten Verkehrs haben
wir die Mittel von 90 Millionen DM auf 120 Millionen
DM erhöht. Dabei nimmt der kombinierte Verkehr in un-
serer Politik einen großen Stellwert ein. Hierdurch errei-
chen wir einen erheblichen Verlagerungseffekt von der

Straße auf die umweltfreundlicheren Verkehrsträger
Schiene und Wasserstraße.

Viertens zu Investitionen in die Bahn:Gerade die neu-
esten Diskussionen über die Bahn AG haben viele Pro-
bleme, die in diesem Bereich existieren, ans Tageslicht
gebracht. Das einzig Erfreuliche an dieser Situation ist,
dass hier erstmals – ich sage das ganz bewusst – nach der
Bahnreform intensiv über den Zustand der Bahn und ih-
res Netzes diskutiert wird. Diese Regierung hat sich zum
Ziel gesetzt, die Investitionen in die Schienenwege den
Straßenbauinvestitionen gleichzusetzen.

In unserem Zukunftsinvestitionsprogramm veranschla-
gen wir daher für den Erhalt des Schienennetzes circa
6 Milliarden DM bis 2003 zusätzlich. Damit können un-
ter anderem veraltete Signalanlagen, marode Brücken sa-
niert und Langsamfahrstrecken beseitigt werden. Mit der
Umstellung der Finanzierung von Bestandsnetzinvesti-
tionen von zinslosen Darlehen auf Baukostenzuschüssen
helfen wir der BahnAG erheblich bei der Finanzierung ih-
rer Aufgaben. Mit den jetzt vorgesehenen Investitionen in
die Schiene geben wir ein deutliches Signal pro Bahn.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Bahn AG ist jedoch aufgefordert, endlich eine Bi-
lanz vorzulegen und ein Zukunftskonzept aufzuzeigen,
wie sie unter anderem erstens die Bahn attraktiver ma-
chen, zweitens mehr Verkehre von der Straße auf die
Schiene bringen, drittens das vorhandene Schienennetz
instand setzen und ausbauen, viertens neue in Deutsch-
land erforderliche Strecken in einem europäischen Netz
ausbauen und fünftens den Nahverkehr neu organisieren
will.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Alles in Ordnung! Da sind wir uns einig!)


Durch die Investitionen in die Bahn trägt die Bundes-
regierung zur Sicherung und Schaffung von Arbeitsplät-
zen in der mittelständischen Bauindustrie, aber auch bei
der Bahn AG selbst bei. Ich fordere daher von dieser Stelle
aus den Bahnvorstand, an der Spitze Herrn Mehdorn, auf,
diese Zukunftskonzeption der Bahn schnellstens vorzule-
gen und mit uns zu diskutieren.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Der Eigentümer muss auch etwas machen!)


Ich sage aber auch, dass ein Arbeitsplatzabbau alleine,
so wie er zurzeit in den Medien diskutiert wird, zur Kon-
solidierung der Bahnfinanzen meines Erachtens nicht bei-
tragen kann.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zum
Schluss ein paar grundsätzliche Bemerkungen zu mei-
nem – ich sage das ganz bewusst – Lieblingsprojekt
Transrapid machen: Als am 5. Februar dieses Jahres die
Deutsche Bahn AG entschieden hat, aus wirtschaftlichen
Gründen die Strecke Hamburg–Berlin nicht zu realisie-
ren, glaubte jeder – und manche, auch hier im Hohen
Hause, wünschten sich das –, dass der Transrapid nun
endgültig gestorben sei. Ich persönlich, aber auch der da-




Gerhard Rübenkönig
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malige Verkehrsminister Reinhard Klimmt und die Bun-
desregierung wollten dies nicht zulassen.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Ach du meine Güte!)


– Sie können ruhig sagen: „Ach du meine Güte!“ Aber es
ist so. – Somit wurden in Abstimmung mit den Ländern
zwei Strecken in Deutschland für eine weitere Planung
und Realisierung festgelegt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Prinzip Hoffnung!)

In diesem Haushalt werden hierfür 6,1 Milliarden DM ab-
züglich der bereits verausgabten Mittel festgeschrieben.
Ich bin daher zuversichtlich, dass bis zur Fußballwelt-
meisterschaft 2006 der Transrapid von München City
zum Flughafen und ein so genannter Metrorapid in Nord-
rhein-Westfalen schweben werden.


(Zurufe von der CDU/CSU)

Mit der Unterzeichnung des Memorandums zur Zusam-
menarbeit der Bundesregierungen der USA und der Bun-
desrepublik Deutschland bezüglich der – –


(Fortgesetzte Zurufe von der CDU/CSU)

– Wenn es Ihnen in dieser Sache Ernst wäre


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Sehr!)

– das haben Sie früher immer gesagt –, dann würden Sie
jetzt zuhören und erkennen, wie wichtig es für Deutsch-
land ist, dieses Zukunftsprojekt nach vorne zu bringen.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Bei uns würde es schon im Bau sein, Herr Kollege! Das ist der Unterschied!)


Deshalb lassen Sie mich in Ruhe noch ein paar Aus-
führungen machen.

Mit der Unterzeichnung des Memorandums zur Zu-
sammenarbeit der Bundesregierungen der USA und der
Bundesrepublik Deutschland bezüglich der Entwicklung
der Transrapidtechnik ist ein großer Schritt dahin getan,
dass auch in den USA eine Strecke gebaut wird. Die ame-
rikanische Regierung hat hierfür bereits 2,3 Milliar-
den DM bereitgestellt.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Besser als die Deutschen!)


– Nein, die Deutschen haben 6,1 Milliarden DM bereit-
gestellt. Es ist möglich, dass Sie das so einschätzen.

Kolleginnen und Kollegen, wie Sie aus den Medien
vernommen haben, steht eine Verwirklichung des Projek-
tes von Schanghai zum Flughafen Pudong kurz vor dem
Abschluss. Ich gehe davon aus, dass entsprechende Ver-
träge noch in diesem Jahr unterzeichnet werden und dass
mit dem Bau im Januar 2001 begonnen werden wird.

Mit der Realisierung dieses Projektes wird der Trans-
rapid im Jahr 2003 erstmalig auf einer Anwendungs-
strecke schweben. Ich hoffe, dass die Bundesregierung
die zugesagte finanzielle Unterstützung in den nächsten
Tagen konkretisieren wird und uns entsprechende Vor-
schläge gemacht werden. Ich persönlich bin zutiefst da-

von überzeugt, dass nach Realisierung der Projekte in
China, den USAund in Deutschland ein neues Zeitalter in
der Personenbeförderung eingeläutet wird.

Lassen Sie mich zum Schluss Folgendes feststellen:
Der uns vorliegende Verkehrshaushalt ist ein Schritt


(Dr. Erika Schuchardt [CDU/CSU]: In den Abgrund!)


in eine zukunftsorientierte Verkehrspolitik. Mit den ein-
gestellten Investitionen gibt er ein Signal für eine bessere
Mobilität in unserer Gesellschaft. Er ist die Grundlage für
mehr Wachstum und mehr Beschäftigung. Deshalb bitte
ich Sie um Ihre Zustimmung zu diesem Haushalt und be-
danke mich gleichzeitig für Ihre Aufmerksamkeit.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413518000
Als
nächster Redner hat der Kollege Horst Friedrich von der
F.D.P.-Fraktion das Wort.


Horst Friedrich (FDP):
Rede ID: ID1413518100
Herr Präsident!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Im Ministerium für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen ist ja richtig was los:
In knapp zwei Jahren drei Minister und immerhin zehn
Staatssekretäre! Absoluter Weltrekord!


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Lothar Mark [SPD]: Da sehen Sie einmal, welches Potenzial wir haben! – Christine Ostrowski [PDS]: Das ist einsame Spitze!)


Aber ob das die richtige Antwort auf die die Mobilität be-
treffenden Probleme in der jetzigen Zeit ist, muss man mit
einem Fragezeichen versehen. Wo bleiben denn die Ant-
worten auf die wesentlichen Fragen des Lebens, die über
die dauernde Umbesetzung der Posten hinausgehen?
Wenn wir angesichts der Globalisierung in einer arbeits-
teiligen Welt mit der Stärkung des Wirtschaftsstandortes
Deutschland tatsächlich Ernst machen wollen, dann brau-
chen wir mittlerweile eine Mobilitätsgarantie für alle Ver-
kehrsträger, damit derjenige, der in den PKW, in den Zug
oder in das Flugzeug steigt, wenigstens einigermaßen zu-
verlässig weiß, wann er abfährt und – vor allen Dingen –
wann er ankommt.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das ist mittlerweile nicht nur eine Frage der verkehrs-
politischen Situation, sondern im Wesentlichen auch des
volkswirtschaftlichen Schadens. BMW hat errechnen las-
sen, dass allein durch die Staus auf den Autobahnen jähr-
lich 200 Milliarden DM an Volksvermögen schlicht und
ergreifend verschleudert werden.


(Lothar Mark [SPD]: Diese Staus sind doch nicht erst jetzt entstanden!)


Vor dem Hintergrund muss man sich fragen, ob die
Investitionsprogramme, die Anti-Stau-Programme, die




Gerhard Rübenkönig

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(B)


Zukunftsinvestitionsprogramme – und wie sie alle sonst
noch heißen – tatsächlich ausreichende Antworten auf die
drängenden Fragen geben. Daran habe ich, meine Damen
und Herren von Rot-Grün, meine Zweifel. Vorschläge
gibt es ja genug.

Sie selbst haben eine hochrangige Kommission unter
Leitung von Herrn Pällmann eingesetzt. Er war immerhin
Vorstandsmitglied der Deutschen Bahn AG und ist inso-
fern unverdächtig hinsichtlich seiner Vorschläge zum
Straßenverkehr. Er hat Ihnen wesentliche Wahrheiten ins
Stammbuch geschrieben, die Sie aber offensichtlich nicht
akzeptieren wollen:

Erstens. Wir müssen, wenn wir es tatsächlich schaffen
wollen, bedarfsgerecht zu finanzieren, auf eine realisti-
sche Nutzerfinanzierung umstellen. Das hat die
Pällmann-Kommission ganz klar in ihrem Bericht fest-
gestellt.

Zweitens. Die Umstellung – das ist der entscheidende
Punkt – der zeitbezogenen LKW-Gebühr auf eine
streckenbezogene bringt keine zusätzlichen Güter auf die
Schiene. Auch das ist im Pällmann-Bericht definitiv fest-
gestellt worden. Das Einzige, was Sie umzusetzen versu-
chen – ob das zum 1. Januar 2003 gelingen wird, ist noch
mit einem Fragezeichen zu versehen –, ist eine Erhöhung
der LKW-Gebühr. Die Vorschläge reichen mittlerweile
von 25 Pfennig – das hat die SPD vorgeschlagen – bis hin
zu 40 Pfennig, die der Kollege Schmidt in die Diskussion
eingebracht hat. Dazwischen bewegen sich alle anderen
Vorschläge. Jeder kann sich auf der Spielwiese tummeln.
Die Tendenz – auch das ist schon deutlich worden – geht
eher dahin, so hohe Gebühren wie in der Schweiz zu er-
heben,


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: 5 Mark! Bei den Grünen ist immer alles 5 Mark!)


und das alles, ohne dem deutschen Transportgüterge-
werbe zu signalisieren, dass ein Ausgleich gewährt
werden wird, und in einer Zeit, in der alle europäischen
Länder um uns herum ihre Straßenverkehrsgütergewerbe-
treibenden auf nationaler Ebene kräftig unterstützen.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die Debatte haben wir letztes Mal schon geführt!)


Mir liegt die offizielle Antwort der Bundesregierung
auf unsere Kleine Anfrage vom Oktober dieses Jahres vor.
Dass die Niederländer – Herr Müntefering bzw. Herr
Klimmt hat es mir sogar noch schriftlich bestätigt; das ist
beim Bundesverkehrsministerium noch gar nicht ange-
kommen – dieses Gewerbe subventionieren, habe ich
schriftlich vorliegen. Mittlerweile steht es in den Unterla-
gen: Es gibt eine Rückvergütung von bis zu 17 Pfennig
pro Liter Sprit.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Die F.D.P. und die Subventionen – das ist ein weites Feld! Sie negieren das Thema einfach und sagen: Ja, wir führen die EU-Förderlizenz ein, wir unterbreiten einen Vorschlag zur Beseitigung der grauen Kabotage. – Das ist alles richtig und wunderschön, kommt aber vier bis fünf Jahre zu spät, (Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Rede kommt fünf Wochen zu spät! – Zurufe von der SPD)


weil es bei der Bewältigung der jetzigen Probleme nicht
hilft. Das nächste Problem ist Ihr immer wiederkehrender
Glaube, die Bahn würde es schon richten.

Herr Kollege Rübenkönig, Sie haben soeben festge-
stellt, dass Sie aus den Windfall Profits der UMTS-Lizen-
zen zusätzliche Gelder bekommen haben, die Sie uns zu
verdanken haben. Die Grundlage für das Erzielen der Er-
löse ist ja nicht von Ihnen geschaffen worden. Nun sind
Sie froh und hoffen, dass die 6 Milliarden DM in den
nächsten drei Jahren der Bahn helfen.

Sie haben hier – ich habe es zumindest nicht festge-
stellt – keine Antwort darauf gegeben, was denn mit der
Kostenüberschreitung der Bahn bei ihren drei großen Pro-
jekten geschehen wird, die sich mittlerweile – von der
Bahn selbst zugegeben – mindestens in derselben Höhe
summiert.


(Zuruf von der SPD: Das sind eure Altlasten! – Albert Schmidt [Hitzhofen][BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sind Ihre Lügenberechnungen!)


Es gibt mittlerweile sogar Aussagen, dass auf der Strecke
Köln–Rhein/Main die von der Bahn unterschriebenen
Kostenansätze um 4 Milliarden DM überschritten wer-
den.


(Zuruf von der SPD: Das ist doch nicht von uns prognostiziert!)


Auf all diese Fragen haben Sie im Haushalt – wenn Sie
es wirklich ernst meinten, müssten Sie dies tun – keine
Antworten gegeben und vor allen Dingen keine Rück-
fahrposition eingenommen.


(Beifall bei der F.D.P. – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt uns diesen Koffer hinterlassen! – Zurufe von der SPD)


Nun höre ich mit großem Wohlwollen, dass die Grünen
als mittlerweile letzte Fraktion außer der SPD gestern
– endlich! – öffentlich erklärt haben, die Herauslösung
des Netzes aus der Bahn AG wäre sinnvoll. Ich kann Sie
nur auffordern,


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das sagen wir schon mindestens seit 1996! Da wart ihr bezüglich der Trennung noch ganz anderer Meinung!)


dem seit 22. Februar dieses Jahres vorliegenden Antrag
der F.D.P. zur Trennung von Netz und Betrieb im Deut-
schen Bundestag zuzustimmen. Wir haben mittlerweile
eine parlamentarische Mehrheit. F.D.P., CDU/CSU,
Grüne und PDS sind für die Trennung von Netz und Be-
trieb.


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)





Horst Friedrich (Bayreuth)

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Alle Sachverständigen im Deutschen Bundestag sind
für die Trennung von Netz und Betrieb.


(Lothar Mark [SPD]: Sie sind doch nicht sachverständig!)


Die einzigen, die sich immer noch verweigern, weil ja
nicht sein kann, was nicht sein darf, gehören der SPD an.
Aber auch die werden noch schlauer. Es dauert ein biss-
chen länger, aber es wird schon noch kommen.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die werden schon noch kommen! – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Warum habt Ihr es nicht gemacht? – Gerhard Rübenkönig [SPD]: Wir reagieren, wenn eine Konzeption vorliegt! Dann werden wir darüber beraten! Aber Sie urteilen vorher schon!)


Der letzte Punkt betrifft die Kapazität auf der Schiene
überhaupt. Originalton Mehdorn im Verkehrsausschuss
des Deutschen Bundestages vor wenigen Tagen: Ziel der
Bahn ist, den Anteil des Verkehrs auf der Schiene bis zum
Jahre 2015 um 50 Prozent zu erhöhen. 50 Prozent Erhö-
hung des Güteranteils zum jetzigen Zeitpunkt bedeuten
aber nur ungefähr 5 Prozent dessen, was derzeit auf der
Straße herumfährt.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ist noch nicht einmal der Zuwachs eines Jahres!)


– Das ist noch nicht einmal der Zuwachs eines Jahres!
Und das alles geschieht vor dem Hintergrund einer EU-
Osterweiterung, die uns nach Auffassung der EU-Kom-
mission eine Steigerung des Verkehrsaufkommens von
60 Prozent – und davon wahrscheinlich 80 Prozent auf der
Straße – bringt. Auf diese Problematik geben Sie mit Ihren
Haushalten im Übrigen auch keine Antworten;


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Die Lage ist sehr ernst!)


denn zu dem Thema „Grenzüberschreitende Verkehrs-
infrastruktur kurzfristig signalisieren“ ist nichts zu sehen.


(Beifall bei der F.D.P. und bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben den Antrag vorgelegt, dieses Thema neu zu
diskutieren, zum Beispiel bezüglich der planungsrechtli-
chen Möglichkeiten der Verkehrsprojekte Deutsche Ein-
heit; denn darauf müssen wir eine Antwort geben. Es kann
ja wohl nicht sein, dass die Verkehrswege aus der
Tschechei, aus Polen, aus anderen Ländern – wie schon
jetzt – an unsere Grenzen heranwachsen und dann nahtlos
in einen zweistreifigen Feldweg übergehen.


(Zuruf von der SPD: Es entstanden damals schon an den Wochenenden Staus an der polnischen Grenze, die wir dann übernommen haben!)


Wenn wir uns das leisten können, dann haben wir das
Thema eigentlich nicht ernst genommen. Sie bleiben in
Ihrem Haushaltsentwurf die Antworten auf all diese Fra-
gen schuldig.

Das nächste Thema ist die Luftfahrt.
Es gibt ein wunderschönes Luftfahrtkonzept der Bundes-
regierung. Auch darin stehen wesentliche Dinge des Le-
bens. Einer der markantesten Sätze ist: Die Umlagerung
der möglichen Passagiere im Nahbereich auf die Schiene
löst kein einziges Problem der Luftfahrt.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das steht so nicht drin! „Umlagerung“ steht im ganzen Konzept nicht drin!)


Wir brauchen einen konsequenten Ausbau in Deutsch-
land, was Flughafenkapazitäten angeht. Es gibt mittler-
weile seriöse Gutachten, die von vier zusätzlichen Start-
und Landebahnen in Deutschland sprechen, um den
Nachfrageüberhang, um das Zuwachspotenzial von jähr-
lich schätzungsweise 6 Prozent tatsächlich unterzubrin-
gen. Auf alle entscheidenden Fragen bleibt das Flugha-
fenkonzept der Bundesregierung die Antwort eigentlich
schuldig.


(Lothar Mark [SPD]: Das ist doch kein Problem, das erst seit zwei Jahren besteht!)


Das, was Sie tatsächlich noch goutieren können – ich
meine das ausschließlich im positiven Sinne –, ist das,
was wir eingeleitet haben, nämlich eine organisations-
und leistungsfähige Flugsicherung in Deutschland und
eine privatisierte Lufthansa, die bewiesen hat, dass sie,
losgelöst von den Fesseln des Staates, in der Lage ist, je-
des Jahr ein Rekordergebnis vorzulegen.

Warum, so frage ich mich, liebe Kollegen von der SPD,
weigern Sie sich eigentlich, der Bahn ebenfalls die Wett-
bewerbssituation zu verschaffen? Warum weigern Sie
sich, Wettbewerb auf der Schiene zuzulassen? Warum
signalisieren Sie nicht endlich weiteren Wettbewerbern,
dass nicht Herr Mehdorn von der Bahn, sondern eine un-
abhängige Institution darüber entscheidet, wer die
Schiene zu welchen Zeiten und zu welchen Bedingungen
nutzen darf? Dann würde in diesem Bereich investiert und
die Bahn würde endlich in den Wettbewerb gezwungen
werden. Es müssten dann keine Krokodilstränen mehr da-
rüber geweint werden, dass es in Deutschland schon so
viel Wettbewerb gibt.

Eine hohe Zahl von Unternehmen ist dem Wettbewerb
ausgesetzt. Nur, der Anteil von Verkehr auf der Schiene
liegt bei knapp 5 Prozent aller Wettbewerber außerhalb
der Bahn. Die Bahn ist also nach wie vor Monopolist. Was
sich im Bereich des Güterverkehrs anbietet, ist nicht un-
bedingt das Gelbe vom Ei.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Ihre Rede war auch nicht das Gelbe vom Ei!)


Ich möchte noch etwas zum Transrapid sagen: Es ist
schon bezeichnend, dass wahrscheinlich ausgerechnet
China die Vorteile dieses Systems erkannt hat


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Da haben wir die Kommunisten wieder!)





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und unter Umständen eher als die so technikfreundliche
SPD in der Lage ist, dieses System umzusetzen.


(Beifall bei der F.D.P. sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kommunisten und die totalitären Systeme! Elektrizität und Sozialismus! Elektrizität und Transrapid: Grundlage des Sozialismus!)


Ob das mit den im Haushalt ausgewiesenen Ansätzen zu
machen ist – die Chinesen rechnen vielleicht damit, um
das System umzusetzen –, bleibt dahingestellt.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: F.D.P. und China! Ich lache mich kaputt!)


Sehr verehrter Herr Verkehrsminister, wir werden Ihre
Arbeit kritisch verfolgen. Wir werden Ihnen zu gegebener
Zeit auch unbequeme Fragen stellen. Diesen Haushalt
können wir allerdings nicht mittragen, weil er zu den von
uns gestellten richtigen Fragen die falschen Antworten
gibt. In diesem Sinne!


(Beifall bei der F.D.P. und der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413518200
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Franziska
Eichstädt-Bohlig das Wort.


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

legen! Als Erstes möchte auch ich für unsere Fraktion un-
seren neuen Minister, Herrn Bodewig, ganz herzlich be-
grüßen. Das Gleiche gilt für unsere neue Parlamentarische
Staatssekretärin, Angelika Mertens, und unseren neuen
Parlamentarischen Staatssekretär, Stephan Hilsberg. Dass
ihr jetzt auf dieser Bank sitzt, das finde ich spannend. Ich
freue mich auf eine gute Zusammenarbeit.


(Beifall – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Und ein Dank an die Ausgeschiedenen!)


– Danke schön, Herr Kollege Oswald, das ist völlig rich-
tig: Ein Dank an die Ausgeschiedenen!


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Elke Ferner vor allen Dingen!)


– Ja, an Elke Ferner, aber auch an den Kollegen Scheffler.
Das ist schon richtig.

Zum Einzelplan 12. Trotz der Miesmache des Kollegen
Kalb und des Kollegen Friedrich:


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das geht zu weit!)


Ehrlich gesagt, mir macht die Rede zum Einzelplan 12
heute richtig Spaß. Ich lasse mir diese Laune auch nicht
verderben; denn wir können heute in gewissem Sinne ei-
nen ganz großen Erfolg feiern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Am allermeisten möchte ich mich bei den roten und bei
den jetzt nicht anwesenden grünen Haushältern dafür be-
danken,


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Die sind wahrscheinlich schon beim Feiern!)


dass sie für den Haushalt des Bundesministeriums für
Verkehr, Bau- und Wohnungswesen so aktiv gestritten ha-
ben. Wir sind in ganz besonderer Weise, Herr Kollege
Friedrich, die Nutznießer der UMTS-Profite in dem Zu-
kunftsprogramm geworden. Das kommt nicht nur uns,
sondern vor allen Dingen der Bauwirtschaft zugute, die es
auch wirklich bitter nötig hat.


(Dietmar Schütz [Oldenburg] [SPD]: Das ist Mittelstandspolitik!)


Von daher ist das, was uns in den letzten Wochen gelun-
gen ist, gar nicht hoch genug zu bewerten.

Ich werde jetzt nichts zur Bahn und zum Straßenbau sa-
gen; das macht nachher noch mein Kollege Ali Schmidt.
Vielmehr möchte ich etwas ansprechen, was bisher noch
nicht zur Sprache gekommen ist. Wir haben auch im
Bauressort enorme Erfolge zu verzeichnen. Ich bitte da-
her die Kollegen, die sich sonst ausschließlich mit dem
Verkehrsbereich befassen, auch einmal zuzuhören.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie des Abg. Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU] – Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Genau! Da bekommen Sie ausnahmsweise Beifall von mir!)


– Das kann sich nämlich auch sehen lassen, nicht wahr,
Herr Kollege Kansy?

Es ist uns gelungen, für die Altbausanierung, für die
die alte Regierung ein ganz bescheidenes CO2-Minde-rungsprogramm mit einem Budget von 16 bis 20 Milli-
onen DM hatte, ein echtes Förderungsvolumen in Höhe
von jährlich 400 Millionen DM für fünf Jahre zu realisie-
ren. Ich finde das sensationell.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ökologische Modernisierung!)


Damit werden wir es schaffen, ein Kreditvolumen von
jährlich 2 Milliarden DM für die Altbausanierung, für
CO2-Minderung und damit für den Klimaschutz im Bau-bereich auf den Weg zu bringen. Das sind 10 Milliar-
den DM. Selbstverständlich werden wir uns darum
bemühen, dass dieses Programm nach 2005 fortgesetzt
werden wird. Das ist ein enormer Beitrag für Umwelt und
Arbeit. An dieser Stelle bedanke ich mich nicht nur bei al-
len hier im Hause, sondern auch beim Bündnis für Arbeit,
in dem sich die Untergruppe für Umwelt und Arbeit in be-
sonderer Weise für dieses Programm engagiert hat. Mit
ihm leisten wir sowohl etwas für die Umwelt als auch für
die Beschäftigung in der Bauwirtschaft.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)





Horst Friedrich (Bayreuth)

13166


(C)



(D)



(A)



(B)


Als Zweites ist es gelungen, den Verpflichtungsrahmen
für die Städtebauförderung West, über die immer wie-
der gesagt wird, wir schafften hier nichts, noch einmal um
100Millionen DM aufzustocken. Auch das zeigt, dass wir
uns nicht von der Neubautätigkeit abhängig machen. Wir
wissen genau, dass wir inzwischen in Ballungsräumen
Wohnungsüberangebote haben, sodass wir nicht ständig
den Wohnungsbestand ausweiten müssen, sondern Schritt
für Schritt die Bestandsorientierung und Bestanderneue-
rung verstärken können. Das ist uns sehr wichtig. Dazu
dienen beide Bausteine, die ich eben genannt habe, und
dazu dient indirekt auch das Programm „Soziale Stadt“.
Auch hier ist es uns gelungen, noch einmal
50 Millionen DM auf den Verpflichtungsrahmen aufzu-
satteln. Auch das ist sehr wichtig, denn es hat sich ja ge-
zeigt, dass gerade dieses Programm in unseren Städten
enorm nachgefragt wird.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ein Drittes: Vor einem Jahr war es noch nicht möglich,
das Wort „Leerstand Ost“ öffentlich in den Mund zu
nehmen; da galt dies noch als unschicklich. Seither haben
wir, Rot und Grün, erst einmal intensiv daran gearbeitet,
dass das Problem überhaupt wahrgenommen wurde, und
dann dafür gesorgt, dass der Bund seinen Beitrag zur Lö-
sung des Problems in diesem Jahr sehr engagiert voran-
getrieben hat. Wir stellen jetzt einen Verpflichtungsrah-
men in Höhe von 700 Millionen DM in den Einzelplan 12
ein. Aus diesen Mitteln wird in Härtefällen Hilfe für Woh-
nungsunternehmen geleistet, die ihre Altschulden wegen
zu großen Wohnungsleerstands nicht finanzieren können.
Parallel dazu hat das Ministerium die entsprechende Ver-
ordnung auf den Weg gebracht. Wir haben dazu im Früh-
sommer die Verordnungsermächtigung beschlossen. Von
daher haben wir jetzt die Tür für die schwierige Aufgabe
des Stadtumbaus Ost geöffnet. Wir werden weiterhin da-
rauf achten, dass dieses schwierige Thema auch wirklich
Schritt für Schritt einer Lösung zugeführt wird. Auch
dafür bedanke ich mich bei den Haushältern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Lassen Sie mich noch einen vierten Punkt ansprechen.
Wir haben es schon im letzten Haushalt, dem harten Spar-
haushalt, geschafft, dass ab dem 1. Januar 2001 die Wohn-
geldnovelle greifen wird. Auch das ist eine großartige
Leistung. Gerade in diesem Winter, in dem ja die Heiz-
ölpreise gestiegen sind – die Opposition weiß allerdings
nicht, dass die Heizölpreise ohne Ökosteuer gestiegen
sind; aber das lernt sie eben erst allmählich – bringt diese
Wohngeldnovelle eine wirkliche Entlastung. Mit dem be-
sonderen Heizkostenzuschuss, den wir überwiegend aus
dem diesjährigen Haushalt, punktuell aber auch aus dem
Haushalt 2001 finanzieren, satteln wir noch einmal drauf.


(Beifall des Abg. Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wer sich immer beschwert, wir würden nicht arbeiten
und die Dinge kräftig vorantreiben, muss sich einmal ge-
nau anschauen, was in dieser Koalition passiert. Viele

Bausteine kommen zusammen. Inzwischen haben wir
schon ein ganz solides Haus gebaut.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413518300
Als
nächste Rednerin hat die Kollegin Christine Ostrowski
von der PDS-Fraktion das Wort.


Christine Ostrowski (PDS):
Rede ID: ID1413518400
Herr Präsident! Meine
Damen und Herren! Ich muss Ihren Spaß natürlich etwas
dämpfen, Frau Eichstädt-Bohlig; Sie werden das ja auch
nicht anders erwarten.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das ist mir völlig klar!)


Manfred Rommel war ein kluger Mann. In seinem politi-
schen Lexikon steht folgender Satz:

Noch nie hat einer die Wirklichkeit dadurch verbes-
sert, dass er sie geleugnet hat.

Ich muss sagen, das ist ein treffendes Motto; denn der
Bauhaushalt und die Realität gehen nicht immer zusam-
men. Im Gegenteil: Sie klaffen in manchen Positionen
ganz schön auseinander.


(Beifall bei Abgeordneten der PDS – Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Das ist bedauerlicherweise richtig!)


Erstes Beispiel: Wohngeld. Ab nächstem Jahr steigen
die Wohngeldleistungen für die bisher Berechtigten um
ungefähr 50 Prozent. Außerdem vergrößert sich der An-
spruchskreis durch die Erhöhung der Einkommens-
grenzen, das heißt, neue Haushalte kommen hinzu und an-
dere, die in den letzten Jahren herausgefallen waren, haben
wieder einen Anspruch. Es ist also mit einem Anstieg der
Mittel zu rechnen. Das DIW schätzt – ganz aktuell, Sie
können das im letzten Wochenbericht nachlesen –, dass
mittelfristig Mehraufwendungen von bis zu 1,5Milliarden
DM benötigt werden. Das entspricht im Übrigen auch
Ihren Rechnungen; als Sie die Wohngeldnovelle einge-
bracht haben, haben Sie die gleichen Zahlen genannt. Für
das nächste Jahr rechnet das DIW– das entspricht auch un-
seren Überlegungen – mit 9 Milliarden DM insgesamt.
Das würde für den Bund 4,5 Milliarden DM bedeuten. Sie
setzen nunmehr nur 3,9Milliarden DM an. Man fragt sich:
Warum dieser unrealistische Ansatz? Ich sehe dafür drei
Gründe.

Erster Grund: Es besteht ein Rechtsanspruch auf
Wohngeld. Daher ist es fast schon egal, welche Summe
Sie in den Haushalt schreiben. Zahlen müssen Sie am
Ende auf jeden Fall. Weil das so ist, eignet sich die Posi-
tion Wohngeld wunderbar zum Zurechtrechnen des Haus-
haltes: Denn über eine überplanmäßige Ausgabe am Jah-
resende regt sich niemand auf, die kriegt keiner mehr mit.

Zweiter Grund: Sie kalkulieren niedrigere Zahlungen
bei den Sozialhilfeempfängern. Sozialhilfeempfänger
werden bekanntlich nicht mehr nach ihren Unterkunfts-
kosten bezuschusst, sondern nach Mietobergrenzen.
Zwei-Personen-Sozialhilfehaushalte überschreiten bei




Franziska Eichstädt-Bohlig

13167


(C)



(D)



(A)



(B)


der Mietstufe III zu 26 Prozent, bei der Mietstufe V zu
38 Prozent und bei der Mietstufe VI zu 60 Prozent die
neuen Mietobergrenzen. Für diese Überschreitungen
müssen jetzt die Gemeinden aufkommen. Dass Sie auf
Kosten der Schwächsten sparen, geben Sie in der Be-
gründung zu Ihrem Gesetzentwurf sogar klipp und klar
zu. Dort reden Sie Klartext und sagen: Es wird eine Leis-
tungsminderung geben. Sie zahlen weniger Wohngeld
und verlangen von den Kommunen, dass die Unter-
kunftskosten per Sozialhilfe aufgebracht werden.


(Dietmar Schütz [Oldenburg] [SPD]: Auf Wohngeld gibt es einen Rechtsanspruch!)


Diesem finanziellen Druck werden die Gemeinden ein-
fach dadurch ausweichen, dass Sozialhilfeempfänger in
billigere Wohnungen kommen.

Dritter Grund: Sie hoffen, dass durch sinkende Ar-
beitslosenzahlen auch die Zahl der Wohngeldberechtig-
ten sinkt.


(Dietmar Schütz [Oldenburg] [SPD]: Es wäre doch gut, wenn die mehr Geld verdienen!)


Mag sein – Prinzip Hoffnung. Ich nenne nur drei Stich-
worte: weit über 3 Millionen ausschließlich geringfügig
Beschäftigte, Lohnzurückhaltung, Ausweitung der Teil-
zeitbeschäftigung.

Fazit eins: Ihr Wohngeldansatz geht unseres Erachtens
an der Realität vorbei.


(Beifall bei der PDS – Dietmar Schütz [Oldenburg] [SPD]: Das ist ein Rechtsanspruch!)


– Darüber habe ich geredet, haben Sie mir nicht zugehört?

(Dietmar Schütz [Oldenburg] [SPD]: Nein!)


Punkt zwei: der ostdeutsche Wohnungsmarkt.
Schaut man in die Ost-Haushaltspositionen des Planes
12 25, dann kommt man sich vor wie im falschen Film.
Ungeachtet der konkreten Realität, unbeeinflusst von der
Wohnungsmarktkrise, vom Leerstand und vom Konkurs
von Wohnungsunternehmen setzen Sie wie eh und je das
überholte und tradierte Schema an: Hier das Programm
für dieses, da jenes Programm für jenes; hier Städtebau-
förderung – und gnade Gott, auch nur eine Mark soll für
Abriss verwendet werden –, da sozialer Wohnungsbau –
und gnade Gott, man will mit nur einer Mark einen Spiel-
platz mitfinanzieren. Wir hatten beantragt, die getrennten
Programme zu einem einzigen Fonds zusammenzufassen,
aus dem je nach Lage vor Ort Sanierung, Stadtentwick-
lung, Abriss, Wohnumfeld usw. finanziert werden kann.
Das war ein intelligenter Vorschlag.


(Beifall bei der PDS)

Er kostet Sie keine Mark mehr, aber er hätte der ostdeut-
schen Wirklichkeit hundertmal besser entsprochen als
Ihre überholte, starre Struktur. Aber Sie konnten sich ja
nicht einmal dazu durchringen, diesen Vorschlag zu
akzeptieren.

Ihr einzig konkretes finanzielles Zugeständnis – das
muss einmal festgehalten werden – sind die 60 Milli-
onen DM, die im nächsten Jahr für existenzbedrohte

Wohnungsunternehmen für die Entlastung beim Woh-
nungsabriss vorgesehen sind. Das betrifft ungefähr 7 000
Wohnungen. Es gibt aber 1 Million Leerwohnungen.
Auch der Verpflichtungsrahmen von 700 Millionen DM
reicht nicht aus – er reicht nur für die Härtefälle –, die ge-
nerelle Situation in Ostdeutschland zu entkrampfen.

Wir haben beantragt – und zwar rechtzeitig, bevor Sie
die UMTS-Geschenke aufgeteilt haben –, 3 Milliar-
den DM davon zur Streichung der Altschulden einzuset-
zen. Auch dieser Antrag wird den Weg alles Irdischen ge-
hen; das ist uns bewusst. Dieser Punkt ist heute schon
mehrfach strapaziert worden: Wer in letzter Minute
10 Milliarden DM für einen Großraumtransporter der
Bundeswehr zusammenbringt, aber auf der anderen Seite
nicht bereit ist, 3 Milliarden DM für die Streichung der
Altschulden im Osten auszugeben, der interessiert sich
nicht wirklich für den Osten.


(Beifall bei der PDS)

Fazit zwei: Haushalt und Ostrealität sind wie Feuer und

Wasser.
Punkt drei: Investitionen. Die Investitionen im Woh-

nungswesen sinken, wie ein Diagramm über die Bundes-
ausgaben im Wohnungswesen zeigt.


(Abg. Christine Ostrowski [PDS] zeigt ein Diagramm – Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Der linke Teil ist besonders interessant, Frau Kollegin!)


– Darüber können Sie ja reden. – Ihre Investitionen gehen
also nach unten.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Zeigen Sie es noch einmal!)


Die Ausgaben für den Wohnungsbau sind bereits unter die
Grenze für den Ersatzbedarf gesunken.


(Dietmar Schütz [Oldenburg] [SPD]: Wie können Sie die Leerstände beklagen und sagen, es geht zurück?)


– Sie verstehen vielleicht etwas vom Einmaleins, aber
vom Bauwesen haben Sie keine Ahnung.


(Lachen bei der SPD)

Seien Sie also bitte ruhig oder stellen Sie mir eine Zwi-
schenfrage. Dann habe ich mehr Redezeit, Ihnen das zu
erklären.

Man kann sich darüber streiten, ob man jährlich 400 000
oder 500 000 Wohnungen braucht. Worüber man sich nicht
streiten kann: Wenn man die Lebensdauer einer Wohnung
mit 100 Jahren ansetzt, dann kommt man um 380 000 neue
Wohnungen jährlich nicht herum. Da beißt die Maus kei-
nen Faden ab. Darunter zu bleiben hieße schleichender
Substanzverzehr, neue Wohnungsknappheit, steigende
Mieten und schließlich – gezwungenermaßen – erneut hohe
Subventionen, um das Gleichgewicht wieder herzustellen.

Besonders schwer wiegt in diesem Zusammenhang Ihr
Rückzug aus dem sozialen Wohnungsbau, auf dessen Re-
form wir nach wie vor warten. Folgende Bemerkung passt




Christine Ostrowski
13168


(C)



(D)



(A)



(B)


gut an diese Stelle: Der perfide Umgang mit den Ei-
senbahnerwohnungen ist wohl das Letzte.


(Beifall bei der PDS)

Sie haben Wahlversprechen gebrochen. Für eine einma-
lige Einnahme verkaufen Sie 114 000 Wohnungen. Ich
halte das für einen ungeheuerlichen Vorgang.

Fazit drei: Auch bei Investitionen hat der Haushalt mit
der Realität herzlich wenig zu tun.

Punkt vier: CO2-Minderungsprogramm. Ich ver-stehe Frau Eichstädt-Bohlig, dass sie sich sehr darüber
freut. Vielleicht tritt ja auch der gewünschte Effekt ein.
Aber ich bitte Sie, auf den Boden der Realität zurückzu-
kommen. Es ist ja nicht so, dass in diesem Bereich noch
nichts unternommen wurde. Die Bundesregierung hat ein
interessantes Diagramm veröffentlicht, das den CO2-Aus-stoß für die Jahre 1990 bis 1998 zeigt.


(Abg. Christine Ostrowski [PDS] zeigt ein Diagramm)


Dieses Diagramm zeigt, dass der CO2-Ausstoß der pri-vaten Haushalte trotz der Mitte der 90er-Jahre in Kraft ge-
setzten Wärmeschutz- und Heizungsanlagenverordnung,
trotz des bereits vorhandenen CO2-Minderungspro-gramms und der Ökozulage vom Jahr 1990 bis zum Jahr
1998 gestiegen ist. Die entsprechende Kurve ist zwar eine
Zickzackkurve, aber der Trend zeigt nach oben.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ihre enge Zusammenarbeit mit der CDU/CSU ist schon ganz interessant!)


Ich muss Sie in diesem Zusammenhang fragen, ob Sie
einmal analysiert haben, woran das liegt. Ehe man neue
Steuergelder für einen gut gemeinten Zweck ausgibt,
möchte man doch bitte schön wissen, warum alle Maß-
nahmen der vergangenen Jahre das gewünschte Ziel nicht
erreicht haben. Ansonsten geht man unwirtschaftlich an
das Problem heran. Das hat mit der Realität nichts zu tun.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413518500
Frau
Ostrowski, kommen Sie bitte zum Schluss.


Christine Ostrowski (PDS):
Rede ID: ID1413518600
Ich komme zum
Schluss.

Ihr Haushalt liegt fern der Wirklichkeit. Vielleicht liegt
das daran, dass es schon den dritten Minister für dieses
Ressort gibt. Alle Minister waren nur Verkehrsminister.
Keiner hat nämlich auf mich den Eindruck gemacht
– auch Sie nicht, Herr Bodewig, bei Ihrem Amtsantritt –,
dass er ein Herz für das Wohnungswesen hat. Sie haben
sich ausschließlich zum Verkehrswesen geäußert. Sie wa-
ren alle nur Verkehrsminister.

Ich möchte aber endlich einen Bauminister haben,
dessen Herz auch für das Bau- und Wohnungswesen
schlägt; denn Wohnungsunternehmen, Genossenschaften,
private Vermieter, Kommunen und vor allem die Mieter
verdienen einen anderen Haushalt. Sie finanzieren ihn
nämlich zu einem großen Teil mit. Vergessen Sie das nie!


(Beifall bei der PDS)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413518700
Wir kom-
men zur zweiten Runde. Ich darf darauf hinweisen, dass
die geplanten Redezeiten nicht unbedingt eingehalten
werden müssen. Sie können unterschritten werden.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Aber sie müssen auch nicht unbedingt überschritten werden, Herr Präsident!)


– Sie dürfen nicht überschritten werden, aber sie können
unterschritten werden.

Der nächste Redner ist der Kollege Dietmar Schütz von
der SPD-Fraktion.


(Hans-Michael Goldmann [F.D.P.]: Der Oberbürgermeister!)



Dietmar Schütz (SPD):
Rede ID: ID1413518800
Herr Präsident!
Meine Damen und Herren! Der städtebau- und woh-
nungspolitische Teil des Einzelplans 12 hat, Herr Kalb,
durch unsere Bemühungen einen sehr deutlichen Auf-
wuchs hin zu mehr Investitionen erfahren. Der Investiti-
onsanteil des gesamten Haushaltsplanes beträgt jetzt
etwa 56 Prozent und gehört damit immer noch zu den in-
vestitionsfreundlichsten und am meisten mittelstandsori-
entierten Haushalten insgesamt.

Ich will einige Investitionsbereiche nennen.
Zu unseren ambitioniertesten Vorhaben – darauf ist

vorhin schon von meiner Vorrednerin von den Grünen
hingewiesen worden – gehören die Maßnahmen zum Alt-
bausanierungsprogramm bzw. CO2-Minderungspro-gramm. Dafür haben wir in diesem Jahr 400 Milli-
onen DM sowie für die Jahre 2002 bis 2005 viermal
400 Millionen DM eingestellt. Durch die Bereitstellung
der Zinsen werden etwas mehr als 200 000 Wohnungen
sanierungsfähig. Durch dieses Kreditprogramm haben
wir mehr als 10 Milliarden DM aktiviert.

Endlich, Frau Ostrowski, wird mit diesem Programm
der Erkenntnis der ersten Enquete-Kommission Klima
Rechnung getragen, dass die gesamte CO2-Belastung umetwa 40 Prozent im Wohnungsbau reduziert werden kann.


(Christine Ostrowski [PDS]: Es sind 29 Prozent!)


Rot-Grün handelt an dieser Stelle. Sie haben gesagt, das
sei Unsinn.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die klare Positionierung dieser Energiepolitik müssen
Sie natürlich auch im Zusammenhang mit den anderen
Haushaltstiteln sehen. Man darf nicht immer nur seinen
eigenen Haushalt anschauen, sondern kann sich zum Bei-
spiel auch den Wirtschaftshaushalt seines Kollegen anse-
hen, mit dem die Forschung finanziert wird. Auch das
100 000-Dächer-Programm zur Förderung der Solar-
energie und das Erneuerbare-Energien-Gesetz sind sol-
che Beispiele.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)





Christine Ostrowski

13169


(C)



(D)



(A)



(B)


Wenn wir all das zusammennehmen, kann man feststel-
len, dass wir wirklich etwas in die Hand genommen ha-
ben. Ich bin stolz, dass wir das gemeinsam getan haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es gibt ein vorzeigbares Gesamtprogramm dieser Re-
gierung, das den Betonköpfen der Global Climate Coali-
tion auf der Weltklimakonferenz in der vorigen Woche die
Schamröte hätte ins Gesicht treiben können.


(Zurufe von der F.D.P.: Oh!)

Wir tun etwas; Sie haben das nicht getan. Das ist der Un-
terschied zwischen uns.

Kollege Kalb, dieses Altbausanierungsprogramm ist
ein Mittelstandsförderungsprogramm erster Güte für
Klempner, Dachdecker, Zimmerleute, Installateure und
die gesamte Bauindustrie. Auch in anderen Bereichen gibt
es Mittelstandsförderungsprogramme, zum Beispiel im
Anlagenbau. Das ist keine Sache der Großindustrie, son-
dern Mittelstandsförderungspolitik, auf die wir stolz sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich freue mich, dass wir Haushälter das mit durchge-
setzt haben. Da haben wir mit unseren Kollegen gut zu-
sammengearbeitet.

Der zweite Bereich. Wir haben vor einem Jahr hier in
der Haushaltsdebatte auf unsere Verpflichtungen hinge-
wiesen, die sich aus den veränderten Bedingungen auf
dem Wohnungsmarkt mit Auswirkung auf das Wohngeld
ergeben. Die Wohngeldnovelle, Frau Ostrowski, tritt am
1. Januar 2001 in Kraft. Wir haben unsere Hausarbeiten
jetzt zum größten Teil erledigt, teilweise ohne die Länder.
Wir lösen mit der Finanzierung der Wohngeldnovelle un-
ser wichtigstes wohnungs- und sozialpolitisches Verspre-
chen ein. Der Reformstau der Vorgängerregierung wird
beseitigt, die Gerechtigkeitslücke wird geschlossen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir mussten zur Kenntnis nehmen, dass die Mietbelas-
tung der Privathaushalte in den alten Ländern nach Wohn-
geld von 23 Prozent im Jahr 1990 auf 31 Prozent im Jahr
1998 gestiegen war, also von knapp einem Viertel auf
knapp ein Drittel des gesamten Haushaltseinkommens.
Viele Haushalte mit Einkommen nur knapp oberhalb der
Sozialhilfegrenze hatten ihren Wohngeldanspruch völlig
verloren. Das ändern wir jetzt mit der Wohngeldnovelle.
Ich denke, dafür gebührt uns Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Zusätzlich zu den 2,8MillionenHaushalten, die derzeit
Wohngeld bekommen, werden 400 000 Haushalte wieder
oder erstmalig Wohngeld erhalten. Diese Haushalte liegen
insbesondere in den neuen Ländern.

Dieser Titel, Frau Ostrowski, ist nach unseren Vorstel-
lungen auch völlig ausreichend finanziert. Es besteht doch
ein Rechtsanspruch. Deswegen habe ich Sie vorhin über-
haupt nicht verstanden, als Sie gesagt haben, dass das

Ganze nicht finanziert sei. Es ist ein Schätztitel und es be-
steht ein Rechtsanspruch. Deswegen ist das, was Sie ge-
sagt haben, für einen, der ein bisschen Ahnung davon hat,
völlig unverständlich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben hier vernünftig gehandelt und etwas Richtiges
gemacht.

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU,
zum dritten Punkt: Wir haben im vorigen Jahr interfrak-
tionell über die Mittelausstattung des Programms „So-
ziale Stadt“ gestritten. Denn ein Kollege, der jetzt
Oberbürgermeister in Krefeld geworden ist,


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Der hat es geschafft!)


hatte behauptet, wir wollten damit nur Sozialprogramme
finanzieren. Wir haben jetzt durch die in diesem Zusam-
menhang sehr erfolgreich angelaufenen Programme be-
wiesen – davon sind Sie mittlerweile überzeugt –, dass
diese Programme vernünftig sind, wir die Programme
richtig angepasst haben und dass wir keine Marterinstru-
mente in Form von qualifizierten Sperrungen usw. benöti-
gen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: „Soziale Stadt“ ist ein Bund-Länder-Programm!)


Wir alle sind überzeugt, dass die Erhöhung der Inte-
grationskraft unserer Städte und deren Wohnquartiere ge-
rade auch vor dem Hintergrund der jüngsten Diskussion
über desorientierte Jugendliche, Rechtsradikale und Skin-
heads in bestimmten Wohnquartieren unbedingt erforder-
lich ist. Wir können doch nicht immer nur Demonstratio-
nen organisieren, sondern müssen auch die Bedingungen
ändern, zum Beispiel durch solche Programme wie das
der „Sozialen Stadt“,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


mit dem wir das Wohnumfeld sowie die Lebensumstände
verändern und mit dem wir etwas für Bürger in sozialen
Brennpunkten tun. Das haben wir durch die Verbesserung
der Wohnquartiere getan. Wir haben den Ansatz von
100 Millionen DM um 50 auf 150 Millionen DM erhöht.
Ich glaube, das wird seine Folgen haben. Sie werden das
nächste Mal vielleicht fordern, noch einmal draufzusat-
teln, weil Sie dann wahrscheinlich der Meinung sein wer-
den, dass dieses Programm sehr gut und erfolgreich ist.


(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Aber da müssen wir noch ziemlich lange warten! – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wenn das alles so gut ist, dann weiß ich nicht, warum wir darüber um 22.30 Uhr diskutieren und nicht tagsüber!)


Ein letzter Punkt im Rahmen des Investitionspro-
gramms: Wir haben den für die Städtebauförderung vor-
gesehenen Ansatz erhöht und diesen insbesondere auf den
Städtebau Westdeutschlands fokussiert. Das zuständige
Fachressort hatte den für das Jahr 2000 für die Städte-
bauförderung Ostdeutschlands festgelegten Ansatz in




Dietmar Schütz (Oldenburg)

13170


(C)



(D)



(A)



(B)


Höhe von 520 Millionen DM für das Jahr 2001 bei-
behalten, weil die Hausarbeiten in der Städtebausanierung
in Ostdeutschland natürlich noch lange nicht abgeschlos-
sen sind. Trotz der eklatanten Fehler in der städtebauli-
chen Entwicklung finde ich, dass dieser richtigerweise
hohe Ansatz der Stadtsanierungsmittel für Ostdeutschland
erhalten bleiben muss und dass diese Mittel weiterfließen
müssen.

Gleichwohl bleibt aber auch in Westdeutschland die
Aufgabe, die Städtebauförderung erhalten. Die nicht zu
üppige Erhöhung des Gesamtansatzes um 100 Millio-
nen DM auf 180 Millionen DM halten wir deshalb für un-
abdingbar erforderlich. Wir müssen unsere Förderung zu-
nehmend in den Bestand lenken, darauf unser Augenmerk
konzentrieren und sehen, dass dort noch vieles verbesse-
rungswürdig ist.

Ich will an dieser Stelle keine Diskussion über die För-
derung im Bereich des Bestandes und im Neubaubereich
beginnen; denn das würde sehr weit führen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wir haben ja Zeit!)


Aber als Haushälter haben wir die richtigen Maßnahmen
ergriffen und für die Städtebauförderung im Westen noch
einmal 100 Millionen DM draufgelegt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, auch wenn der Haushaltsti-
tel des Modellprogramms zur Weiterentwicklung des
Wohnungs- und Städtebaus, kurz ExWoSt, also experi-
menteller Wohnungs- und Städtebau, genannt, verhält-
nismäßig gering ist, möchte ich trotzdem auf ihn eingehen.
Im ExWoSt-Programm werden städtebauliche und woh-
nungspolitische Instrumente entwickelt, getestet, weiter-
entwickelt und erprobt, zugespitzt und bei Bedarf auch
wieder fallen gelassen. Dieser experimentelle Wohnungs-
und Städtebau ist quasi das Frühbeet und das Experimen-
tierfeld für größere Vorhaben in Richtung nachhaltige Ent-
wicklung in unseren Städten.

Wir sind gut beraten, diese Instrumente weiter zu er-
proben und für die großen Programme der Städtebauför-
derung, des Wohnungsbaus, der Eigenheimförderung und
der „Sozialen Stadt“ richtige und kostenschonendere Rah-
menbedingungen zu formulieren. Hierfür haben wir
5Millionen DM mehr in die Hand genommen. Ich glaube,
die sind richtig und gut angewendet. Sie sollten das durch
Ihren Beifall unterstützen. Zumindest wir haben gehan-
delt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Eines der zentralen Probleme der ostdeutschen Woh-
nungswirtschaft ist – darüber haben schon einige Vorred-
ner gesprochen – der Leerstand insbesondere in den Plat-
tenbaugebieten.


(Christine Ostrowski [PDS]: Das ist falsch!)

Wir haben die Leerstandsproblematik, die dann auch zur
Schuldenproblematik wird – diese Leerstände müssen ja
auch finanziert werden –, mit einem Baransatz von

60 Millionen DM und einem Gesamtansatz von 700 Mil-
lionen DM im Rahmen des Altschuldenhilfe-Gesetzes er-
gänzt und durchfinanziert. Nach unseren Berechnungen,
Frau Ostrowski, ist das ausreichend, um die Altschulden-
problematik in den Griff zu bekommen. Wir können da-
rüber noch im Einzelnen diskutieren. Leider wird mir ge-
rade signalisiert, dass meine Redezeit abgelaufen ist;
deshalb kann ich darauf nicht weiter eingehen.

Zusammenfassend möchte ich feststellen: Der Inves-
titionsanteil in diesem Einzelplan, den wir durch Haus-
haltsansätze im Rahmen der Altbausanierung um etwa
2 Milliarden DM, im Rahmen des Altschuldenhilfe-Ge-
setzes um 700 Millionen DM, durch Haushaltsansätze
zur Städtebauförderung West um 100 Millionen DM und
zum Programm „Soziale Stadt“ um 50 Millionen DM er-
höht haben, hat ein Volumen von fast 3 Milliarden DM.
Wir haben also noch einmal draufgesattelt. Nehmen Sie,
Kollege Kalb, das einmal zur Kenntnis. Dann müssten Sie
sich in Bezug auf den Angriff in Ihrer Rede, wir hätten
keine Investitionsbereitschaft gezeigt, keines Besseren
belehren lassen. Wir sind stolz und froh, dass wir für den
Wohnungs- und Städtebau richtig viel getan haben.


(Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Für den Wohnungsbau nichts!)


Ich glaube, wenn Sie richtig nachdenken, werden Sie das
auch unterstreichen können.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413518900
Als
nächster Redner hat das Wort der Kollege Dirk Fischer
von der CDU/CSU-Fraktion.


Dirk Fischer (CDU):
Rede ID: ID1413519000
Herr Präsi-
dent! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Alle Jahre wie-
der kommt ein neuer Verkehrsminister und macht neue
Versprechungen, die gebrochen werden, insgesamt bleibt
es aber doch bei drastischen Kürzungen im Verkehrs-
haushalt.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ein Unsinn!)


Aus dem Ministerium ist schon zu hören, in dieser Le-
gislaturperiode sei keine ergebnisorientierte Sacharbeit
mehr möglich, allein schon aufgrund der ständigen Minis-
terwechsel, von der völlig missratenen Zwangsfusion von
Verkehrs- und Bauministerium ganz abgesehen. Stark ist
diese rot-grüne Bundesregierung eigentlich nur im Trick-
sen, Tarnen und Täuschen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)


Ihr Investitionsprogramm 1999 bis 2002 und das
Anti-Stau-Programm sollen – so sagen Sie – Klarheit und
Wahrheit für die Verkehrsinfrastrukturinvestitionen brin-
gen. Das krasse Gegenteil ist der Fall. Das Investitions-
programm ist in Wahrheit ein Investitionskürzungs- und




Dietmar Schütz (Oldenburg)


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(C)



(D)



(A)



(B)


Täuschungsprogramm. Kürzungsprogramm deshalb, weil
Straßenbaumittel für den Zeitraum 1999 bis 2002 nur in
Höhe von rund 18 Milliarden DM vorgesehen sind,


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das glaubst du selber nicht!)


also eine Kürzung gegenüber der mittelfristigen Finanz-
planung von Verkehrsminister Wissmann um rund 5 Mil-
liarden DM.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das waren doch Luftbuchungen!)


Täuschungsprogramm, weil es in Wahrheit nicht 2002,
sondern allerfrühestens 2010 abgearbeitet sein wird. Der
größere Teil der Straßenbauinvestitionen liegt nämlich
außerhalb dieses Zeitraums. 22 Milliarden DM sind erst
für die Zeit ab 2003 vorgesehen. Jeder kann sich ungefähr
vorstellen, welche Bedeutung ein IP 1999 bis 2002 hat,
wenn der große Finanzkuchen erst hinterher zur Verfü-
gung steht. Bei Schiene und Binnenwasserstraße ist die
Situation noch viel krasser. Drei Viertel der investiven
Mittel hierfür sind erst für die Zeit nach 2002 vorgesehen.

Ein Anti-Stau-Programm ist bei der gegenwärtigen
Lage auf Deutschlands Straßen besonders dringlich. Das
gilt aber nicht, wenn der Name eine trügerische Fassade
für Straßenbauverzögerungsprogramme ist. Es wird eine
beschleunigte Engpassbeseitigung suggeriert; in Wahrheit
werden aber dringliche Maßnahmen auf die Zeit nach
2003 vertagt und jetzt gar nicht angepackt.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dass ein Anti-Stau-Programm aus einer LKW-Maut

finanziert werden soll, ist in Ordnung: dass aber von den
geplanten Einnahmen von 20 Milliarden DM im Zeit-
raum 2003 bis 2007 nur 3,7 Milliarden DM wieder in den
Straßenbau zurückfließen, beweist erneut, dass der Stra-
ßengüterverkehr mittels unzumutbarer Gebührensteige-
rungen nur als Schröpfkuh missbraucht wird.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Ein Skandal!)


Um es deutlich zu sagen: Die Straßenbenutzungsge-
bühr für LKWs wird um 500 Prozent erhöht – für viele
Unternehmen ist das absolut ruinös – und weniger als
20 Prozent der Einnahmen werden für den Straßenbau
verwendet. Das ist völlig unzumutbar.

Nicht nur bei uns, sondern auch in der Öffentlichkeit
und bei Verbänden mehren sich die Zweifel, ob die nut-
zungsabhängige elektronische LKW-Maut überhaupt
2003 eingeführt wird. Es könnte noch ziemlich spannend
werden, wie der Minister das versprochene Anti-Stau-
Programm dann finanzieren wird. Deswegen hat er das In-
Kraft-Treten dieses Programms vorsichtshalber schon
einmal hinter die nächste Bundestagswahl verschoben.

Vieles wird wohlklingend in so genannte Zukunftspro-
gramme verpackt. Diese Programme sind aber nichts als
Leimruten, die ausgelegt werden, damit Bürger und Wirt-
schaft dieser Regierung auf den sprichwörtlichen Leim
gehen. Nur einmal vorhandene Mittel werden in ver-

schiedene Programme eingestellt und tauchen in Teil-
mengen immer wieder auf.


(Dietmar Schütz [Oldenburg] [SPD]: Wie kommen Sie denn darauf?)


Auf diese Art und Weise werden sie in der Öffentlichkeit
mehrfach verkauft und es wird der Eindruck erzeugt, als
gebe es immer mehr Geld; in Wahrheit ist es immer das
gleiche Geld.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dietmar Schütz [Oldenburg] [SPD]: Herr Fischer, wie kommen Sie denn auf solche Ideen?)


Noch nicht vorhandene Mittel aus erhofften zukünftigen
Einnahmen werden bereits großzügig verplant und ver-
teilt, als wären sie schon in der Kasse;


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Jawohl!)

Milchmädchenrechnungen sollen vertuschen,


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Propagandaabrechnung!)


dass im größten Investitionshaushalt des Bundes massiv
der Rotstift angesetzt wurde.

Im Rahmen des Haushaltes 2000 wurde das so ge-
nannte erste Zukunftsprogramm beschlossen. Es be-
stand nicht aus Projekten, sondern ausschließlich aus Kür-
zungen. Im Einzelplan 12 wurden überwiegend im
Verkehrsbereich – im Zeitraum von 2000 bis 2003 Kür-
zungen in Höhe von 20,8 Milliarden DM vorgenommen.

Im zweiten Zukunftsprogramm versprach Ex-Minister
Klimmt der DB AG in einer gemeinsamen Presseerklärung
mit Herrn Mehdorn 25 bis 30MilliardenDM für die nächs-
ten zehn bis 15 Jahre. Lediglich 6 Milliarden DM davon
hat Herr Eichel für die nächsten drei Jahre übrig gelassen.
Die versprochene Zukunftsperspektive für die DB-AG
– so stand es in der Erklärung geschrieben – war eine schil-
lernde Seifenblase, die ganz schnell zerplatzte.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was haben Sie denn mit Herrn Ludewig gemacht?)


– Herr Kollege Schmidt, damit ist der Bahn die längerfris-
tige Planungsmöglichkeit verweigert worden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P. – Lachen des Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD])


Diese hat Herr Ludewig gerade in seinen letzten Tagen im
Amt immer wieder eingefordert.


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das hätte er mal machen sollen, als er noch am Ruder war! – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Nur Ruhe auf der linken Seite!)


Die Bahn kann gar nicht über einen längeren Zeitraum
planen, wenn sie diese Perspektive nicht hat.

Herr Kollege Schmidt, Ihr politisches Vorgehen ist auf-
grund der aktuellen Lage des Unternehmens ein schwer-
wiegender Vorgang.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)





Dirk Fischer (Hamburg)

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(C)



(D)



(A)



(B)


Noch schwerwiegender ist allerdings, dass die von Herrn
Mehdorn im Haushaltsausschuss, im Ausschuss für Ver-
kehr, Bau- und Wohnungswesen und gemeinsam mit
Herrn Klimmt in der Bundespressekonferenz genannten
Horrorzahlen offenbar im Unternehmen umstritten sind
sowie durch die mit der Prüfung beauftragten Firma
McKinsey nicht bestätigt werden.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Unglaublich! Das geht ja alles drunter und drüber!)


Dort wird erst im März 2001 mit Ergebnissen gerechnet.
Der Aufsichtsrat hat gerade jetzt seine für den 6. De-

zember dieses Jahres geplanten Beratungen über die mit-
telfristige Unternehmensplanung bis 2005 und über das
Budget 2001 auf März 2001 verschoben.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Woher wissen Sie denn das?)


„Verschoben“ durch Herrn Mehdorn müssen sich auch die
Abgeordneten und die Öffentlichkeit fühlen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das erfüllt uns mit Sorge!)


Denn er hat nicht gesagt, dass er uns ungesicherte, bahn-
interne Schätzzahlen vorträgt.

Aus der „Berliner Zeitung“ von heute darf ich eine Pas-
sage zitieren,


(Zuruf von der CDU/CSU: Die sind besorgt!)

in der es heißt:

Friedhelm Sack, Finanzvorstand der Bahn, wollte
sich diese Zahlen, die seit Wochen unter Bezug-
nahme auf McKinsey gezielt auch in der Öffentlich-
keit gestreut wurden, partout nicht zu Eigen machen.

(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Was alles in der Zeitung steht!)

Sie hätten, so Sack intern, mit den bei der Bahn vor-
liegenden Daten wenig gemein.

Ich kann nur eines sagen: So kann man das Parlament
und die Öffentlichkeit wirklich nicht behandeln.


(Beifall bei der CDU/CSU und der F.D.P. – Albert Schmidt [Hitzhofen] (BÜNDIS 90/DIE GRÜNEN)

hen!)

Für wie dumm halten Sie die Öffentlichkeit eigentlich? Es
ist nach unserer Auffassung an Dreistigkeit kaum noch zu
überbieten, dass Sie die spärlichen 6 Milliarden DM, die
übrig geblieben sind, nach diesem ersten Desaster jetzt
noch einmal als ein „Zukunftsinvestitionsprogramm
Schiene“ verkaufen. Sind Ihre Mitarbeiter im Ministe-
rium etwa nur noch damit beschäftigt, sich schön klin-
gende Titel auszudenken? Herr Minister, fehlende Kon-
zepte und Taten – in der Verkehrspolitik kann diese Art
von Semantik und Propaganda – Öffentlichkeitsarbeit un-
ter gar keinen Umständen ersetzten.

Das Wort Zukunft soll dynamisches Handeln propa-
gieren. Aber im Haushaltsentwurf 2001 taten Sie das Ge-
genteil. Sie haben die Schieneninvestitionen auf ein Re-
kordtief von nur noch 6,7 Milliarden DM abgesenkt.


(Lachen des Abg. Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Dann kamen die Windfall Profits, die jetzt wieder eine
Steigerung ermöglichen. Aber im Sommer dieses Jahres
wurde vom Kabinett unter Leitung von Herrn Schröder
die Entscheidung getroffen, für Schieneninvestitionen nur
noch 6,7 Milliarden DM vorzusehen. Daran können Sie
nicht vorbei. Das war Ihre politische Entscheidung.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der F.D.P.)


Mit dem auf drei Jahre angelegten 2,7-Milliarden-DM-
Programm für die Straße ist es nicht anders. Auch hier
wird der wahre Sachverhalt verschleiert. Die angeblich
zur Verfügung gestellten zusätzlichen 2,7 Milliarden DM
für die Bundesfernstraßen gleichen die vorherigen Kür-
zungen in Höhe von rund 5 Milliarden DM überhaupt
nicht aus. Besonders dreist ist, dass die 2,7Milliarden DM
auch noch für Ihre Wahlkampftaktik im Jahre 2002 miss-
braucht werden, um dann im Wahlkampf von einer Re-
kordhöhe bei dem Straßenbauinvestitionen sprechen zu
können. Die Verteilung sieht folgendermaßen aus:
900 Millionen DM im Jahre 2001, 1,2 Milliarden DM im
Jahre 2002 – Wahlkampfboom – und als Nachwahlflop
nur noch 500 Millionen DM im Jahr 2003.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Unglaublich! Es ist nicht zu fassen! – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Zufall! – Zurufe von der SPD: Oh, oh!)


So machen Sie Politik. So täuscht man die Bürger.
Unsere Forderung sieht eine Erhöhung der Mittel für

den Straßenbau um 2 Milliarden DM im Haushalt 2001

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lothar Mark [SPD]: Sie haben 15 Jahre keine Straßen gebaut!)


und eine Verstetigung dieses Ansatzes statt kurzfristiger
Strohfeuerprogramme vor. Das ist angesichts eines inzwi-
schen entstandenen Investitionsstaus bei baureifen Pro-
jekten im Umfang von 35,5 Milliarden DM angemessen.
Das sind keine Zahlen der Opposition, das sind Zahlen Ih-
rer Pällmann-Kommission.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Wenn er das gewusst hätte, hätte er sie nicht eingesetzt!)


Ich sage es hier einmal ganz deutlich: Viele teuer erwor-
benen Baurechte sind vom Verfall bedroht; deswegen
müssen wir uns mit dem Antrag aus dem Bundesrat be-
schäftigen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Lothar Mark [SPD]: Der große Investitionsstau kommt doch von Ihnen!)





Dirk Fischer (Hamburg)


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(C)



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(A)



(B)


Wann hört diese Regierung endlich mit ihren immer
neuen Propagandaprogrammen auf? Unverantwortliche
Investitionskürzungen sollen verschleiert werden, die Fi-
nanzierung ist unklar, die Realisierung von Verkehrspro-
jekten wird in unverantwortlicher Art und Weise verzö-
gert.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Und das Wetter ist auch noch schlecht!)


Wir müssen vielmehr die Finanzmittel dem tatsächlichen
Bedarf anpassen. Wir brauchen eine spürbare Erhöhung
der Mittel für Straße, Schiene und Wasserstraße.


(Beifall bei der CDU/CSU – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und gleichzeitig wollen Sie die Steuern senken!)


Eine streckenbezogene, nutzungsabhängige Straßenbe-
nutzungsgebühr für LKWs in wettbewerbsverträglicher
Höhe ist unumgänglich. Die Einnahmen müssen aber dem
Unterhalt, der Erneuerung und dem Ausbau der Straßen-
infrastruktur zugute kommen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, Ziel meiner Fraktion ist es,

die hohe Qualität und Leistungsfähigkeit unseres Ver-
kehrssystems zu erhalten und weiter voranzutreiben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Das geht aber nur, wenn endlich mit Taschenspielertricks
und neuen Luftbuchungen Schluss gemacht wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau, Schluss machen!)


Ich sage zum Abschluss, Herr Minister: Wie die Ver-
kehrspolitik dieser Bundesregierung selbst bei den wohl-
meinenden Freunden des DGB eingeschätzt wird, ha-
ben Sie doch gerade bei der Eisenbahnergewerkschaft
erfahren müssen. Als Sie behaupteten, die Bundesregie-
rung habe ein klares verkehrspolitisches Konzept,


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Leimrute, wollten Sie sagen!)


wurden Sie von den Freunden des DGB ausgelacht. Das
sagt wohl alles.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der F.D.P. – Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie sind ja gar nicht erst hingegangen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413519100
Als
nächster Redner hat der Kollege Albert Schmidt von
Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen! Das Einzige, was mich an Ihnen immer wieder
wirklich verblüfft, Kollege Fischer, ist: Sie scheinen den
ganzen Unsinn, den Sie erzählen, wirklich zu glauben.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Das finde ich wirklich beachtlich.

(Zuruf von der F.D.P.: Das geht mir genauso! – Zuruf von der CDU/CSU: Unverschämtheit!)


Die Kollegin Karin Rehbock-Zureich und ich waren
heute Nachmittag auf dem Gewerkschaftstag in Magde-
burg. Sie von der CDU/CSU sind gar nicht erst hinge-
fahren – Fehlanzeige! Sie haben überhaupt kein Recht,
sich darüber zu beklagen, wie die Gewerkschaft mit uns
umgeht, weil Sie selbst gar nicht erst hingehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Hans Georg Wagner [SPD]: Aus lauter Angst!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Haushalt leis-
tet Folgendes: Erstens. Wir bauen die Staatsschulden ab.
Sie haben sie erhöht.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: 47 Milliarden DM Neuverschuldung!)


Zweitens. Wir führen die Neuverschuldung zurück. Sie
haben sie auf Rekordhöhen getrieben. Drittens. Wir er-
höhen dabei die Investitionen, die Sie über Jahre drama-
tisch zusammengestrichen haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Eduard Oswald [CDU/ CSU]: Übertreiben Sie es doch nicht!)


Das werde ich Ihnen sehr präzise vorrechnen. Es ist viel
einfacher, als Sie es hier mit Ihren 100 000 Zahlen darzu-
stellen versucht haben.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die Steuern erhöhen Sie!)


Die Finanzkrise der Deutschen Bahn ist im Wesent-
lichen eine Krise des Netzes. Warum ist das so? – Es sind
gravierende Fehler gemacht worden, die sich jetzt addie-
ren und kumulieren und einander verstärken.

Das Bestandsnetz wurde über Jahre sträflich vernach-
lässigt; es waren Waigel und Wissmann, die in den ersten
Jahren der Bahnreform die Investitionen von Jahr zu Jahr
brutal zusammengestrichen haben, bis zuletzt – 1998, als
wir übernommen haben – überhaupt nur noch 5,8 Milliar-
den DM in die Bahn geflossen sind, im Vergleich zu einst-
mals 9 bis 10 Milliarden DM, was wir alle gemeinsam für
notwendig befunden haben.


(Zuruf von der SPD: So ist es! Recht hat er!)

Das war Ihre Politik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich kann es Ihnen anhand einer Entwicklungskurve
nachweisen. Die Investitionen erreichten einmal 9 Milli-
arden DM, im Jahr 1995, und dann rutschten sie ab in den
Keller. Sie aber besitzen die Frechheit, sich hier hinzu-
stellen und mehr Investitionen zu verlangen, obwohl Sie
sie jedes Jahr gekürzt haben.




Dirk Fischer (Hamburg)

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(C)



(D)



(A)



(B)


Ich sage Ihnen noch, was wir gemacht haben. In den
ersten beiden Jahren bereits – 1999 und 2000 – haben wir
die Investitionen für die Bahn um über 1 Milliarde DM
gesteigert – auf 6,8 Milliarden DM, nicht gekürzt. Wir ha-
ben sogar überplanmäßig 300 Millionen DM zusätzlich
ausgegeben, die gar nicht im Plan enthalten waren.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413519200
Herr Kol-
lege Schmidt, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kol-
legen Dirk Fischer?

Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): In Anbetracht der schon fortgeschrittenen
Zeit möchte ich jetzt zu Ende reden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/CSU)


Sie hatten ausreichend Zeit, Ihre obskuren Berechnungen
vorzuführen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Jetzt muss Herr Fischer im Ausschuss wieder länger sprechen!)


Es wird nicht dadurch besser, dass Sie jetzt eine Zwi-
schenfrage stellen.

Wir haben im ersten Jahr über 1 Milliarde DM drauf-
gesattelt. Wir satteln ab dem nächsten Jahr noch einmal
2 Milliarden DM drauf. Das heißt, innerhalb von drei Jah-
ren steigern wir die Bahninvestitionen von knapp 6 Milli-
arden auf über 9 Milliarden DM. Das ist innerhalb von
drei Jahren bei den Investitionen eine Steigerung von
50 Prozent. Wenn Sie das nur in einem einzigen Jahr ge-
schafft hätten, dann hätten wir jetzt nicht die Löcher im
Netz, die wir haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


So viel zum Thema Investitionshöhe.
Es kommt aber noch etwas anderes hinzu, nämlich die

Art und Weise, wie investiert wird. Das ist ein entschei-
dender Punkt. Der Kollege Rübenkönig hat es bereits an-
gesprochen. Die Bestandsnetzinvestitionen fließen jetzt
erstmals als Baukostenzuschuss und nicht mehr als zins-
loses Darlehen.


(Gerhard Rübenkönig [SPD]: So ist es!)

Wissen Sie, was das heißt, Sie Weltmeister der Re-
chenkünste, Herr Fischer? Das bedeutet, dass die Bahn
dieses Geld nicht mehr zurückbezahlen muss und bei be-
stimmten Projekten keine Abschreibungen bilanzieren
muss. Das allein wird die Bilanz des Unternehmens in den
nächsten zehn Jahren um 4,5 Milliarden DM entlasten.


(Beifall bei der SPD – Gerhard Rübenkönig [SPD]: Das versteht der Herr Fischer nicht!)


Das ist der Beschluss des Haushaltsausschusses. Ich be-
danke mich ausdrücklich bei Ihnen, Herr Kollege
Rübenkönig, bei Matthias Berninger, Oswald Metzger
und Hans Georg Wagner; denn es war nicht so einfach,
diesen Beschluss zu erreichen. Es besteht ein Unterschied

zwischen dummem Gerede und dem tatsächlichen Han-
deln.

Nun komme ich zu den Schwerpunkten der Investitio-
nen. Es geht nicht nur um die Höhe des Geldbetrages. Es
geht auch darum, wofür er ausgegeben wird. Diese zu-
sätzlichen dreimal 2 Milliarden DM für das Bestandsnetz
werden – das ist heute mehrmals angesprochen worden –
eben dieses Mal nicht in überteuerte Großprojekte ge-
steckt, sondern gehen Mark für Mark in die Erneuerung
des bestehenden Netzes.

Was heißt das für die Fahrgäste? Das heißt Beseitigung
von Langsamfahrstellen, verbesserte Pünktlichkeit, An-
schlusssicherheit und moderne Leit- und Sicherungstech-
nik. Das schafft mehr Sicherheit im System Bahn. Da-
rüber hinaus werden elektronische Stellwerke gebaut. Das
erhöht die Kapazität von Strecken und schafft modernen
Standard im Gleisnetz. Das sind unsere Schwerpunkte,
die dieses Mal richtig gesetzt sind.

Jetzt will ich Ihnen noch etwas sagen: Herr Kollege
Kalb, ich will Ihnen keine Antwort schuldig bleiben. Sie
haben mir vorgeworfen, ich hätte mich negativ über das
Unternehmen geäußert und ihm Bilanzmanipulationen
vorgeworfen. Ich habe das noch am selben Tage demen-
tiert.


(Hans-Michael Goldmann [F.D.P.]: Das stimmt nicht!)


Darauf lege ich großen Wert. Nicht alles, was in der
„Bild“-Zeitung steht, ist richtig.


(Zuruf von der SPD: Fast nichts, was drinsteht!)


Was ich gesagt habe – dazu stehe ich und wiederhole es –,
ist, dass von der früheren Bundesregierung politisch ge-
wollte Großprojekte wie Frankfurt–Köln, Nürnberg–In-
golstadt und der Knoten Berlin mit Phantasiepreisen
schöngerechnet wurden. Das fliegt jetzt auf. Im Vollzug
wird jetzt alles viel teurer.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietmar Schütz [Oldenburg] [SPD]: Jetzt wird gerechnet!)


Ich weiß noch, wie der Kollege Wissmann hier mit
leuchtenden Äuglein wie ein Erstkommunikant stand.
Plötzlich, über Nacht, kostete eine Neubaustrecke Frank-
furt–Köln – freuet euch, ihr Kindlein – nur noch 7,8 Mil-
liarden DM. Alle wussten, dass das nicht stimmt.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Hat die SPD es abgelehnt? Sie haben es mitbeschlossen!)


Jetzt kommen die realen Preise zum Vorschein. Das sind
die Folgen Ihrer Lügen und Betrügereien von damals. Wir
decken sie jetzt auf und müssen sie in Ordnung bringen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich will noch ein Wort zu der angeblichen Miss-
erfolgsbilanz sagen. Im Oktober dieses Jahres haben
wir im Personenverkehr auf der Schiene 11 Prozent
mehr Fahrgäste im Vergleich zum Vorjahresmonat und




Albert Schmidt (Hitzhofen)


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(D)



(A)



(B)


16 Prozent mehr Güterverkehr gehabt. So viel, Herr
Kollege Friedrich, zu Ihrem dummen Gerede, man könne
auf der Schiene gar nicht mehr Güterverkehr un-
terbringen.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Das nehmen Sie zurück!)


In einem Jahr wurde ein Plus von 16 Prozent im Güter-
verkehr auf der Schiene erreicht. Das ist noch nicht die
Lösung der Probleme, aber es ist ein enormer erster Er-
folg. Darauf sollten wir stolz sein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Sie sollen nicht dumm reden, sondern Mehdorn zitieren!)


Ich will auf die Fragen nach Wettbewerb und Umgang
mit dem Netz die Antworten nicht schuldig bleiben, Herr
Kollege Friedrich. Sie wissen sehr genau: Es war niemand
anders als die bündnisgrüne Fraktion, die schon 1996, als
Sie noch gläubig den Worten von Herrn Wissmann ge-
lauscht haben, gesagt hat: Die Lösung, die man bei der
Bahnreform gefunden hat, ist nicht optimal.


(Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Sie haben keinen Antrag vorgelegt!)


– Wenn wir als Grüne 1996 einen Parlamentsantrag ge-
stellt hätten – das können Sie sich vorstellen –, dann wäre
die Republik erzittert.


(Jürgen Koppelin [F.D.P.]: Wie bei den 5 DM von Magdeburg!)


Wir haben gestern einen Vorschlag gemacht, der ernst-
haft diskutiert und geprüft werden sollte. Es geht uns nicht
um ein Hauruck-Verfahren, sondern darum, die Poten-
ziale, die im Wettbewerb stecken, zu mobilisieren. Wir
dürfen nicht länger ausgerechnet das Eisenbahnnetz dem
Diktat der Eigenwirtschaftlichkeit unterwerfen, indem
wir es weiter als Aktiengesellschaft führen, bei der jede
Strecke immer wieder neu ihre Kosten erwirtschaften
muss.


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413519300
Herr
Schmidt, kommen Sie bitte zum Schluss.

Albert Schmidt (Hitzhofen) (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN): Ich komme zum Schluss, Herr Präsident. –
Dass wir in diesem Bereich mehr Wettbewerb brauchen,
ist, glaube ich, einheilige Meinung. Aber es geht darum,
dieses auch verantwortlich umzusetzen. Das ist ein Pro-
zess, der seine Zeit brauchen wird.

Mehr Investitionen, verbesserte Rahmenbedingungen
für den Verkehr und ein neuer Minister, der mit Tatkraft
und Engagement zur Sache geht – was gibt es Schöneres?
So wollen wir weitermachen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413519400
Das Wort
hat jetzt Kollege Dietmar Kansy von der CDU/CSU-Frak-
tion.


Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU):
Rede ID: ID1413519500
Herr Präsi-
dent! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Meine
fünf Damen und Herren Zuschauer, auch Sie darf ich be-
grüßen.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Viele sind im Fernsehen wahrscheinlich live dabei!)


In diesen Tagen, in denen wir unseren Bundeshaushalt
2001 beraten, bekommt Deutschland – das ist ja zwi-
schenzeitlich ausreichend gewürdigt worden – den dritten
Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen in
dieser Legislaturperiode. Ich erspare mir jetzt einmal, al-
les zu kommentieren, was über Müntefering und Klimmt
gesagt wurde. Aber eins möchte ich mit aller Ernsthaftig-
keit sagen: Vielleicht ist der Neuanfang für Sie, Herr
Minister, eine neue Chance. Ich bezweifle, dass es bisher
überhaupt eine Chance gegeben hat, durch die Zusam-
menlegung der beiden Ministerien Synergieeffekte für
beide Bereiche zu erreichen; dieses war bisher aber schon
allein aufgrund des Bäumchen-wechsel-dich-Spiels der
letzten zwei Jahre nicht möglich.

Schauen wir einmal, was in den nächsten Jahren pas-
siert.


(Lothar Mark [SPD]: Positives!)

Ich gratuliere Ihnen, Herr Minister, auch im Namen ins-
besondere der Baupolitiker dieser Fraktion herzlich und
wünsche Ihnen auch ausdrücklich Gottes Segen und eine
glückliche Hand. Ich bitte Sie aber dringend, nicht nur als
Verkehrsminister zu agieren, sondern auch wieder als
Bauminister dieses Landes; denn einen solchen brauchen
wir im Bund.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die von der Bundesregierung im Jahreswirtschaftsbe-

richt prognostizierte Trendwende ist trotz aller schönen
Worte im Baubereich natürlich nicht eingetreten. Statt ei-
ner Zunahme der Bauinvestitionen um 1,5 Prozent – wie
noch vor Jahr und Tag erwartet – erwarten die For-
schungsinstitute jetzt einen Rückgang um 2,5 Prozent. In
Arbeitsplätze umgerechnet bedeutet das ganz einfach eine
Abnahme der Beschäftigung um rund 100 000. Das ist
– bei aller Notwendigkeit zur Haushaltskonsolidierung –
mehr als ein Warnzeichen. Das Hauptwarnzeichen für un-
sere Fraktion ist dabei der Wohnungs- und Städtebau.

Wir haben es in den Ausschüssen schon so oft thema-
tisiert und versucht, Sie zu bewegen, Ihre Politik zu än-
dern, statt sich leichtfertig auf der nicht von Ihnen, son-
dern von der Vorgängerregierung geschaffenen guten
Ausgangsposition am Wohnungsmarkt auszuruhen.


(Lachen bei der SPD)

– Ich weiß nicht, warum Sie lachen. Ich gebe Ihnen gerne
ein Privatissimum, wenn es erforderlich ist. Nie hat in die-
sem Land ein so ausgeglichener Wohnungsmarkt ge-
herrscht. Nie hat es eine so niedrige Mietpreissteigerung




Albert Schmidt (Hitzhofen)

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in Höhe von 1,1 Prozent gegeben.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Schon allein dieses Lachen zeigt, wie ernst dieses Thema
von einigen Leuten genommen wird.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist wahr! Das war im Grunde genommen die Betroffenheit!)


Der Fehlschluss, wir bräuchten keine Wohnungspoli-
tik mehr – anders war das Handeln dieser Bundesregie-
rung ja nicht zu deuten –, wird in den nächsten Jahren
noch zu schweren Problemen in diesem Lande führen.
Denn wie kann man es sich sonst erklären, dass der Etat
für den sozialenWohnungsbau gleichzeitig mit dem Re-
gierungswechsel von 1,3 Milliarden DM auf heute
0,45 Milliarden DM runtergefahren wurde und die Rah-
menbedingungen für den frei finanzierten Wohnungsbau
durch unkoordinierte Eingriffe – ich unterstreiche das
Wort „unkoordiniert“ – ins Steuer- und Mietrecht sichtbar
verschlechtert werden? Gleichzeitig wurde und wird wei-
ter so lange an der Eigenheimzulage gebastelt, bis auch
dieses bisherige Flaggschiff der Baukonjunktur, das die
Wünsche der Bürger am ehesten erreicht und das übrigens
auch die beste Alterssicherung ist – wir diskutieren ja im-
mer wieder über die Neuorientierung der Renten –, auf
Grund gesetzt wird.

Dieses Nichtstun oder Wenigtun wird teilweise – wir
haben es vorhin wieder gehört – mit angeblich hohen
Leerständen in den neuen Ländern begründet. Diese
Leerstände gibt es und sie sind eine Riesenherausforde-
rung für uns alle, und zwar für Bund, Länder und Ge-
meinden. Diese Leerstände dürfen aber nicht als Alibi
dafür dienen, nicht mehr wohnungspolitisch zu handeln.
Wir haben zwar – das sagen alle Institute – rückläufige
Geburtenzahlen und Leerstand in den neuen Ländern,
trotzdem wird die Nachfrage nach Wohnraum in Deutsch-
land weiter steigen, da es Wanderungsbewegungen gibt,
die Haushaltsgrößen kleiner werden und pro Kopf mehr
Wohnfläche beansprucht wird. Diese Steigerung wird in
erheblichem Umfang eintreten, und zwar nicht nur kurz-
fristig, sondern über Jahre hinaus.

Deswegen fordert die CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Sie nochmals auf, jetzt baldmöglichst eine aktuelle Fort-
schreibung der vom damaligen Bauminister Töpfer vor-
gelegten Raumordnungsprognose mit der erwarteten
Haushalts-, Wohnungs- und Wohnbauentwicklung vorzu-
nehmen, um einen neuen so genannten Schweinezyklus
im Wohnungsbau zu vermeiden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir bedauern, dass wir bereits im Fachausschuss bei

SPD und Bündnis 90/Die Grünen mit unserer Forderung
nach einer nur bescheidenen Anhebung der Mittel für den
sozialen Wohnungsbau gescheitert sind. Umso dringender
ist es jetzt, in einer intelligenten Verknüpfung von Städ-
tebauförderung und dem Programm „Soziale Stadt“
einen neuen Schwerpunkt zu setzen. Wir hatten im Fach-
ausschuss Anträge gestellt – ebenso abgelehnt von Rot-
Grün –, die Mittel für die Städtebauförderung West, die
Städtebauförderung Ost und das Programm „Soziale

Stadt“ um insgesamt 400 Millionen DM zu erhöhen, wo-
bei 100 Millionen DM auf das Programm „Soziale Stadt“
entfallen wären.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das wäre gut gewesen!)


Wir sind nämlich der Auffassung, dass in diesen Berei-
chen nicht gekleckert werden darf, sondern geklotzt wer-
den muss.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben nun – ich sage das als jemand, der 16 Jahre

lang Sprecher einer Fraktion war, die die Regierung stellte
und das Ringen zwischen Fachministern und Finanzmi-
nistern, nicht zuletzt auch mit den Staatssekretären, die
auch bei Regierungswechseln im Amt bleiben, miterlebt
hat – 100Millionen DM mehr für Städtebauförderung und
50Millionen DM mehr für das Programm „Soziale Stadt“
angesetzt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung.


(Dietmar Schütz [Oldenburg] [SPD]: Das ist gut!)


– Ja, Herr Kollege Schütz, das ist ein Schritt in die rich-
tige Richtung. Nicht nur Ihr Zuruf war sympathisch, auch
Ihr Vorname ist mir außerordentlich sympathisch.

Aber das ist zu wenig um eine wirkliche Initialzündung
zu erreichen. Es ist eine alte Tatsache, die sich vielfach be-
stätigt hat: Eine Mark des Bundes mehr in der Städte-
bauförderung setzt 8 DM an tatsächlichen Ausgaben im
Baubereich frei. Das gilt gerade für das von Ihnen ange-
sprochene Handwerk, in dem kleinteilig gearbeitet wird.
Sie haben Philipp Holzmann nicht erwähnt, aber das sei
Ihnen heute verziehen. Basta!

Wir sehen in der Städtebauförderung den einzig zen-
tralen Ansatz. Wenn Sie sagen, Sie wollten den sozialen
Wohnungsbau nicht finanzieren, hätten wir auch in ande-
rer Zusammensetzung über das Programm „Soziale
Stadt“ und Städtebauförderung reden können. Die ange-
setzte Summe ist uns aber insgesamt zu niedrig. Wir wer-
den deshalb unseren Antrag etwas modifizieren und die
Summe von 400Millionen DM mit dem Schwerpunkt auf
Städteförderung etwas anders aufteilen. Ich hoffe aber,
dass die Erhöhung der Mittel für das Programm „Soziale
Stadt“ in Verbindung mit den Mitteln für die Städte-
bauförderung in Höhe von 100 Millionen DM einen Neu-
anfang ermöglicht und damit Prioritäten gesetzt werden,
die auch unseren Auffassungen entsprechen.

Das Programm „Soziale Stadt“ ist keine Erfindung der
rot-grünen Koalition.


(Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das ist wahr!)

Die entsprechende Kommission ist von Bauminister
Töpfer eingesetzt und von seinem Nachfolger Oswald
weitergeführt worden.


(Beifall bei der CDU/CSU – Eduard Oswald [CDU/CSU]: Das kann man nicht oft genug sagen!)


Sie haben auf Ergebnissen aufgebaut, die von dieser
Kommission erarbeitet worden sind.




Dr.-Ing. Dietmar Kansy

13177


(C)



(D)



(A)



(B)


Ich möchte Ihnen zum Schluss noch sagen: Natürlich
begrüßen wir die Erhöhung der Haushaltsmittel für die
Minderung des CO2-Ausstoßes. Soweit ich informiertbin, ist die Abstimmung darüber im Haushaltsausschuss
einstimmig erfolgt. Wir tragen auch den Wohngeldkom-
promiss mit. Sie sollten aber nie vergessen, dass nach dem
ursprünglichen Plan der Regierung Kosten in Höhe von
2,5 Milliarden DM auf Länder und Gemeinden abgewälzt
werden sollten. Das haben wir zu dessen Gunsten verhin-
dert.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413519600
Kommen
Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege Kansy.


Dr.-Ing. Dietmar Kansy (CDU):
Rede ID: ID1413519700
Jawohl, Herr
Präsident.

Der Schluss soll sein: Herr Minister, nehmen Sie etwas
stärker als Ihre beiden Vorgänger auch das Bauwesen in-
nerhalb Ihres neuen Amtsbereichs wahr und Sie werden
sehen, Sie finden ein interessiertes Parlament, das auf die-
sem Sektor mit Ihnen zusammenarbeitet.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413519800
Das Wort
hat jetzt der Bundesminister Kurt Bodewig.

Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Heute ist für mich ein besonderer Tag, nicht nur
wegen des Beginns dieses Plenartages. Ich finde es auch
ausgesprochen schön, dass ich jetzt am Abend die Erfolge
dieser Regierung verkünden kann.

Ich glaube, dass wir einen Haushalt vorlegen, den Sie
gerne gehabt hätten; Sie hätten sich nach der Decke
strecken müssen, um das zu erreichen. Wir haben – auch
dank der Berichterstatter im Haushaltsausschuss – viele
Erfolge erzielen können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das freut mich in ganz besonderem Maße – ich sage es un-
umwunden –, weil dies eine gute Vorgabe ist, auf der man
aufbauen, mit der man etwas machen kann.

Herr Kollege Fischer, ich kenne Ihre Zahlen, Ihre Be-
rechnungsmethoden. Ich kann Ihnen nur sagen: Die
20 Milliarden DM, die Sie für eine entfernungsabhängige
LKW-Maut in Rechnung stellen, hätte ich gerne. Ich hätte
nichts dagegen, wenn ich sie bekäme. Aber man darf sich
die Zahlen nicht backen, sondern man muss die Zahlen
fundiert ermitteln.

Deshalb sage ich auch dem Kollegen Kalb ganz aus-
drücklich: Ich habe eine klare Linie. Die Linie heißt: not-
wendige Investitionen. Damit kommen wir, denke ich,
voran, im Sinne des gesamten Parlaments und im Sinne
aller Menschen, die hier leben. Diese klare Linie haben

wir bislang schon verfolgt. Wir haben Schulden abgebaut,
wir haben neue Handlungsspielräume entwickelt und wir
können froh sein, dass uns dies gelungen ist. Allen muss
dies am Herzen liegen.

Hierzu will ich noch einige Bemerkungen machen.
Erstens. Im Straßenbau ist im Jahre 2001 eine neue
Rekordhöhe zu verzeichnen: 10,8 Milliarden DM für die-
sen Haushaltsbereich. Zweitens. Erstmals haben im
Investitionsbereich Straße und Schiene gleichgezogen.
Das hätten Sie auch gerne erreicht. Jetzt haben wir es rea-
lisiert. Ich denke, das ist ein Riesenerfolg.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich sage – das macht mir noch viel mehr Vergnü-
gen –: 2 Milliarden DM in ein Zukunftspaket Schiene zu
investieren, ist sinnvoll. Das sage ich vor dem Hinter-
grund, dass wir, Herr Friedrich, das marode Netz nicht zu
verantworten haben. Wir haben es übernommen und wir
verbessern es jetzt.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Wir haben 1982 auch ein marodes Netz übernommen!)


An dieser Stelle kann ich nur unterstreichen: Wir sind fünf
Jahre zu spät. Wir hätten Ihre Regierung schon drei Jahre
vorher ablösen sollen. Dann wären wir auch bei den
Langsamfahrstellen schon ein Stück weitergekommen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich mit Blick auf Herrn Kansy den dritten
Punkt auch noch ausdrücklich nennen: Ab 2001 werden
wir jährlich 400 Millionen DM für die Altbausanierung
aufwenden, und zwar mit ausgesprochen positiver Wir-
kung. Wir werden den Energieverbrauch senken. Die
Kosten für Mieter und Eigentümer werden sinken. Wir
werden die Wohnungsbestände fit machen. Ich kann Ih-
nen, Herr Kansy, ausdrücklich versichern – rechnen Sie
damit –: Ich verstehe mich als Infrastrukturminister. Die-
ses Haus hat auch in der neuen Konstellation ungeheure
Chancen. Da sind Potenziale, da sind kreative Mitarbeiter
vorhanden. Wir haben hier etwas und wir müssen es sinn-
voll zusammenfügen. Deshalb sage ich: Es wird keine iso-
lierte Betrachtung des Verkehrs und keine isolierte Be-
trachtung des Bauens und Wohnens geben, sondern wir
sprechen von einem integrierten Gesamtkonzept.


(Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU]: Das sagen Sie schon lange, es passiert aber nichts!)


Ich kündige einen zweiten Schritt an. Ich möchte noch
eine andere Form der Integration und ich glaube, das habe
ich auch bewiesen. Wir werden nicht mehr die Debatte
Ost und die Debatte West führen, sondern wir werden eine
gesamtdeutsche Integrationsdebatte haben. Dies ist eine
Riesenaufgabe und wir werden sie erfüllen. Auch in die-
sem Sinne verstehe ich mich als Integrationsminister in
einem Infrastrukturministerium.

Jetzt sage ich Ihnen etwas zu den Mitteln. Ich kann Ih-
nen versichern: Das Zukunftsinvestitionsprogramm ist
durchfinanziert. Das gibt mir Beruhigung, weil ich weiß,




Dr.-Ing. Dietmar Kansy
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(C)



(D)



(A)



(B)


dass hiermit ungeheuer viele wichtige Maßnahmen in
Gang gesetzt werden. Ich kann Ihnen bündelweise die
Schreiben von Bürgermeistern, von Bürgern, von Bür-
gerinitiativen zeigen, in denen steht: Ich bin froh, dass die
Ortsumgehung gebaut worden ist. Ich bin froh, dass die
Lärmbelastung weg ist. Ich bin froh, dass sich der Verkehr
nicht mehr staut.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: So ein Schreiben möchte ich Ihnen auch schicken! – Dr.-Ing. Dietmar Kansy [CDU/CSU]: Die B 188 in Burgdorf!)


– Es sind viele CDU-Kollegen dabei, die auch gesagt ha-
ben, es sei prima, dass wir das endlich anpacken. Sie hät-
ten es schon früher machen können. Wir machen es. Ich
denke, das ist ein guter Grund, stolz zu sein.


(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Politik für den Bürger zu machen macht Spaß. Wir ha-
ben hinsichtlich des Investitionsprogramms endlich für
eine klare Haushaltslinie gesorgt. Wir haben für kalku-
lierbare Haushaltsansätze gesorgt. Bei uns gibt es den
Wunsch- und Wundertitel „100 Milliarden DM für den
unterfinanzierten Bundesverkehrswegeplan“ nicht mehr.
Wir stellen zusätzlich zu unserem Investitionsprogramm,
das ein Gesamtvolumen von 67,4 Milliarden DM umfasst,
über drei Jahre hinweg zusätzlich 8,7 Milliarden DM für
Schiene und Straße zur Verfügung. Das ist ein riesiger
Schritt nach vorne. Damit können wir wunderbar leben.

Wir werden das Anti-Stau-Programm realisieren. Ab
2003 werden wir zusätzlich 7,4 Milliarden DM zur Be-
seitigung von Engpässen zur Verfügung stellen. Ich freue
mich, dass es im Sommer gelungen ist, die globale Min-
derausgabe vom Tisch zu wischen. Auch das fand ich gut;
denn auch das ist ein Riesenschritt nach vorne. Alles passt
also zusammen. Alle Bundesländer werden profitieren,
unter anderem auch Baden-Württemberg. Ich möchte
gern aus einem Kommentar der „Stuttgarter Nachrichten“
vom 16. August zitieren:

Die CDU-F.D.P.-Landesregierung hat sich … in ih-
rer Fundamentalopposition verrannt. Dabei über-
sieht sie geflissentlich, dass die … jahrelange Be-
nachteiligung des Südwestens zusehends korrigiert
wird. Denn die Durststrecke fiel in die Ära der CDU-
Regierung unter Kanzler Kohl. Nun aber, unter Rot-
Grün, wird es … langsam, aber sicher wieder etwas
besser. Vom Anti-Stau-Programm … profitiert
Baden-Württemberg mit 755 Millionen DM nach
NRW am stärksten. Außerdem gibt es nun schon für
2001/2002 weitere 125 Millionen DM …

Das Gute ist: Die Mittel aus dem Zukunftsinvestitions-
programm, mit denen 15 Ortsumgehungen in Baden-
Württemberg realisiert werden sollen, sind hier noch gar
nicht berücksichtigt, genauso wenig wie die Mittel für
Hunderte Schienenprojekte. Es geht also voran. Wir ha-
ben, glaube ich, da einiges auf die Schiene bzw. den Weg
gebracht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Der letzte Transnet-Kongress war für mich sehr wich-
tig; denn auf diesem Kongress ist deutlich geworden: Es
muss sich etwas bei der Bahn bewegen. Die Bahn in ih-
rer jetzigen Form kann so nicht bleiben. Wir wollen, dass
es auch noch in Zukunft eine Bahn gibt und dass der Gü-
terverkehr auf die Schiene verlagert wird. Wir haben ehr-
geizige Ziele.

Wir werden nächste Woche über den Verkehrsbericht
2000 diskutieren. Das ist ein schönes Dialogangebot an
Sie von der Opposition. Ich kann Ihnen nur sagen: Wir
müssen etwas verändern. Ich bin auch entschlossen,
Veränderungen herbeizuführen. Dazu gehört auch, die Fi-
nanzen der Bahn klar zu regeln. Die interministerielle Ar-
beitsgruppe der Staatssekretäre, die ich neu eingesetzt
habe und die direkt unterhalb der Ebene der Minister des
BMVBW, des BMF und des BMWi angesiedelt ist, zeigt,
dass wir ganz ernsthaft an die Lösung der Probleme he-
rangehen und dass wir den Umgestaltungsprozess wirk-
lich begleiten und überwachen werden. Das werden wir
auch tun; das kann ich Ihnen versichern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Horst Friedrich [Bayreuth] [F.D.P.]: Die sitzen doch alle im Aufsichtsrat der Bahn! Was soll denn das?)


Stichwort Investitionen für die Bahn: Wir haben die In-
vestitionen in das Schienennetz deutlich verstärkt. 6 Mil-
liarden DM an Steuergeldern müssen jetzt sinnvoll inves-
tiert werden. Ich bin mir sicher: Die Bahn schafft das.
Auch diesen Prozess werden wir begleiten. Wir werden –
darauf habe ich eben schon hingewiesen – die Mittel für
Investitionen in das Netz, die bisher als zinslose Darlehen
gewährt wurden, künftig mit nicht rückzahlbaren Zu-
schüssen finanzieren. Die Bahn ist dann nicht mehr ge-
zwungen, für teures Geld Darlehen auf dem Kapitalmarkt
aufzunehmen und Zinsen zu zahlen. Die Zuschüsse gehen
jetzt direkt in das Netz. Meine Linie heißt – hören Sie zu,
Herr Fischer! –: Investieren in das Netz und keine Sub-
ventionen für den Betrieb. Dies wird die Bahn voranbrin-
gen.

Zu den ordnungspolitischen Maßnahmen: Wir werden
– das sage ich deutlich – den diskriminierungsfreien Zu-
gang gewährleisten. Schluss, Punkt, aus! Das ist ein wich-
tiger Schritt hin zu mehr Wettbewerb. Aber ich möchte
auch noch einen Satz zur Trennung von Fahrweg und Be-
trieb sagen. Ich schließe dies für die Zukunft nicht gänz-
lich aus. Aber ich möchte auch, dass die Bahn endlich
wieder Ruhe hat. Auf dem Transnet-Kongress wurde
deutlich: Die Eisenbahner wollen nicht, dass ihre Bahn je-
den Tag in die Schlagzeilen gerät. Sie wollen vielmehr
kalkulierbare Konzepte und deren Umsetzung. In diese
Richtung werden wir weitergehen.


(Abg. Dirk Fischer [Hamburg] [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413519900
Herr Bun-
desminister, Herrn Fischer drängt es, eine Zwischenfrage
zu stellen. In Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit
möchte ich Sie allerdings bitten, diese Zwischenfrage
nicht zuzulassen.




Bundesminister Kurt Bodewig

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(C)



(D)



(A)



(B)


Kurt Bodewig, Bundesminister für Verkehr, Bau- und
Wohnungswesen: Ich folge Ihrer Bitte. Herr Fischer, wir
werden noch so viel Zeit haben, miteinander zu streiten.
Das werden wir mit Vergnügen zu einem späteren Zeit-
punkt nachholen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich hätte noch so viel zur Verkehrspolitik, zur anste-
henden Liberalisierung in Europa und zu den neuen Ver-
kehrsträgern, insbesondere zum Transrapid, zu sagen. Ich
kann Ihnen jetzt nur eines sagen: Wir werden in der kom-
menden Woche und auch noch später Zeit genug haben,
darüber ausführlich zu diskutieren. Darauf freue ich mich.
Das sage ich mit ehrlichem Herzen.

Ich möchte in den restlichen sechs Minuten meiner Re-
dezeit auch noch etwas zur Wohnungs- und Städtebau-
politik sagen. Ich kann Ihnen, Herr Kansy, nur eines sa-
gen: Es darf nicht dazu kommen – das ist mir wichtig –,
dass die Öffentlichkeit mich nur als Verkehrsminister
wahrnimmt. Das wäre falsch. Ich bin der Verkehrs- und
Bauminister. Wir werden beides miteinander verknüpfen.
Wir tun dies durch die raumordnerische Funktion im Bun-
desverkehrswegeplan – das ist der erste Schritt –


(Zuruf von der CDU/CSU: Wann kommt er denn?)


und wir werden dies mit einer konsequenten Wohnungs-
baupolitik, mit einer Stadtpolitik fortsetzen. Auch das ist
für mich wichtig. Wir haben hier viel zu sagen.

Was das Programm „Soziale Stadt“ angeht: Ich will
mich nicht darüber streiten, wer der Urheber dieser Idee
ist. Aber wir haben es realisiert, nicht Sie. Darum geht es
doch.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dass wir die Mittel hierfür ordentlich erhöhen, nämlich
von 100 Millionen DM auf 150 Millionen DM, dass wir
mit den Mitteln der Länder und Gemeinden 450 Milli-
onen DM mobilisieren, ist der entscheidende Punkt. Es
geht nicht um den Streit der Ideen – den sollten wir krea-
tiv führen –, sondern darum, wer Politik macht. Das ist
unser Profil: Wir sehen Probleme und lösen Probleme.
Wenn wir so weitermachen, dann bin ich frohen Mutes,
dass wir eine gute Politik für die Bürger in diesem Land
machen.

Was die Städtebauförderung betrifft, freue ich mich,
dass wir die Bundesmittel für die alten Länder von 80Mil-
lionen auf 180 Millionen DM anheben konnten. 100 Mil-
lionen DM sind doch kein Pappenstiel. Auch dass wir das
hohe Niveau bei der Förderung für die neuen Länder mit
520 Millionen DM beibehalten, freut mich. Ich sage
gleichzeitig: Dass nach zehn Jahren Stillstand endlich das
Wohngeld wieder angehoben wird, ist ein entscheidender
Punkt. Wir haben 1,4 Milliarden DM zusätzlich. Wir wer-
den insgesamt fast 8 Milliarden DM dafür aufwenden.
Dadurch werden wir viel mehr Menschen erreichen als in
der Vergangenheit.


(Albert Schmidt [Hitzhofen] [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Plus Heizkostenzulage!)


– Plus Heizkostenzulage und vieles mehr. Darauf freue
ich mich und ich weiß, dass sich diejenigen, die es betrifft,
ebenfalls darauf freuen. Das werden wir am 1. Januar des
kommenden Jahres erleben können.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben eine Entspannung auf dem Wohnungsmarkt.
Das ist mir wichtig. Frau Ostrowski, all Ihre Zahlenrech-
nereien will ich jetzt nicht kommentieren, aber eines will
ich Ihnen sagen: Die Eisenbahnerwohnungen haben für
die betroffenen Mieter wie auch für die Beschäftigen der
Gesellschaften die besten, nämlich optimale, Schutzvor-
schriften, die man sich denken kann. Ich komme aus der
Wohnungswirtschaft; ich weiß, wovon ich spreche. Da-
rauf kann man stolz sein. Auch die Gewerkschaft Trans-
net kann stolz sein, dass sie ihren Mitgliedern diese Kon-
ditionen bieten kann. Das ist doch etwas! Politik heißt
nicht mäkeln, Politik heißt gestalten. Das haben wir an
dieser Stelle getan.


(Beifall bei der SPD)

Ich richte meinen Dank an die Haushälter, dass endlich

dieser Unsinn mit den kommunizierenden Röhren, die nur
dazu führen, dass die Investitionstätigkeit, die dringend
notwendig ist, unterbleibt, endlich beseitigt ist. Herr Kalb,
herzlichen Dank! Das gilt auch für die Herren Rübenkönig,
Schütz und alle anderen, die daran mitgewirkt haben; denn
das ist eine große Leistung, die von allen gewollt war. Ich
danke auch dafür, dass der Haushaltsausschuss diese Linie
in den vergangenen Jahren klar gehalten hat. Wir haben es
lange gewollt, jetzt haben wir es geschafft; das freut mich.
Das müssen Sie mir auch zubilligen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will auf noch einen Punkt eingehen, nämlich auf
die Probleme der Wohnungswirtschaft in den neuen
Ländern.Wir alle wissen um die Problematik von Woh-
nungsunternehmen, die durch hohen Leerstand in ihrer
Existenz gefährdet sind. Wenn ein Abriss unvermeidlich
ist, dann muss man den Abriss auch finanzieren, dann
muss man die Wohnungsunternehmen von den Altschul-
den befreien. Die Bundesregierung stellt in den nächsten
zehn Jahren hierfür 700 Millionen DM ein; 60 Milli-
onen DM schon im nächsten Jahr. Das zeigt, dass wir
diese Problematik erkannt haben. Wir werden die Vor-
schläge der Leerstandskommission prüfen. Ich denke, das
ist das Beste, was wir hier machen können: ruhig und
sachlich an ein Problem herangehen und gemeinsam nach
den besten Lösungen suchen.

Zum Bereich Bau- und Wohnungspolitik wäre noch
viel zu sagen, gerade im Zusammenhang mit diesem er-
freulichen Haushalt. Ich will jedoch die Redezeit nicht
überdehnen und mit einem Dank schließen: Ich danke
meinen Kollegen von den beiden Regierungsfraktionen,
Dietmar Schütz, Herrn Rübenkönig, dem Kollegen
Berninger, sowie dem Generalberichterstatter, dem Kol-
legen Kalb, weil ich weiß, dass die Haushälter hier sehr






(C)



(D)



(A)



(B)


verantwortlich gehandelt haben, verantwortlich im Sinne
dieser Gesellschaft.


(Hans Georg Wagner [SPD]: Wir haben noch mehr Berichterstatter!)


– Ihnen, Hans Georg Wagner, sei ebenfalls gedankt. Der
Dank richtet sich an alle Berichterstatter. Auch diejeni-
gen, die für die Fraktion etwas zusammenhalten mussten,
verdienen hier einen besonderen Dank. Ich spreche diesen
Dank wirklich ehrlichen Herzens aus, weil ich finde, wir
haben hier gemeinschaftlich – das ist immer der beste
Weg – einige neue Wegmarken gesetzt. Mein Dank gilt
aber auch dem Ausschussvorsitzenden, Herrn Oswald.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Ich sage allen, die mitgewirkt haben – allen aus den
Koalitionsfraktionen, die die Impulse gegeben haben,
aber auch allen aus den Oppositionsfraktionen, die einmal
dafür und einmal dagegen gestimmt haben –: Im Ergebnis
werden dieses Parlament, die Koalitionsfraktionen und
die Regierung deutlich machen können, dass wir einen
Haushalt haben, für den es sich zu kämpfen gelohnt hat.
Ich bin froh, dass ich in Zukunft mit diesem Haushalt ar-
beiten darf. In diesem Sinne: Herzlichen Dank!


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1413520000
Ich
schließe die Aussprache.

Wir kommen zu den Abstimmungen. Wir stimmen
zunächst über die Änderungsanträge ab.

Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4755. Wer stimmt für diesen Änderungs-
antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der
Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfrak-
tionen und der PDS-Fraktion bei Zustimmung der
CDU/CSU-Fraktion und bei Enthaltung der F.D.P.-Frak-
tion abgelehnt.

Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4756. Wer stimmt für diesen Änderungs-
antrag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Ände-
rungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen

und der PDS bei Zustimmung der CDU/CSU-Fraktion
und bei Enthaltung der F.D.P.-Fraktion abgelehnt.

Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4757. Wer stimmt für diesen Änderungs-
antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die-
ser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen bei Zustimmung von CDU/CSU und PDS und
bei Enthaltung der F.D.P. abgelehnt.

Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf
Drucksache 14/4758. Wer stimmt für diesen Änderungs-
antrag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Die-
ser Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitions-
fraktionen bei Zustimmung von CDU/CSU und PDS und
bei Enthaltung der F.D.P. abgelehnt.

Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksa-
che 14/4759. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen?
– Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen, der CDU/CSU und
der F.D.P. bei Zustimmung der PDS abgelehnt.

Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksa-
che 14/4760. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen?
– Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit den
Stimmen der Koalitionsfraktionen, der CDU/CSU und
der F.D.P. bei Zustimmung der PDS-Fraktion abgelehnt.

Änderungsantrag der Fraktion der PDS auf Drucksa-
che 14/4761. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen?
– Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist mit dem
gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor abgelehnt.

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 12 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzel-
plan 12 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen bei
Gegenstimmen von CDU/CSU, F.D.P. und PDS ange-
nommen.

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-
nung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Mittwoch, den 29. November 2000,
9 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.