Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 71. Sitzung des Deutschen Bundestags und bitte den Schriftführer Herrn Abgeordneten Matthes, die Liste der abwesenden Mitglieder bekanntgeben zu wollen.
Wegen Erkrankung fehlen die Abgeordneten Frau Dr. Gröwel, Herrmann, Bettgenhäuser, Mißmahl, Meitmann, Frau Albrecht, Dr. Gülich, Dirscherl, Weickert, Wittmann, Loritz, Determann. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Dresbach, Glüsing, Dr. Serres, Dr. Kopf, Dr. Henle, Feldmann, Schröter, Brookmann, Karpf, Gockeln, Dr. Suhr, Neumann, Seuffert, Dr. Baade, Frau Kipp-Kaule, Heiland, Dr. Becker , Dr. Middelhauve, Dr. Nowack, Dr. Hasemann, Wittenburg, Bahlburg, Freiherr von Aretin, Aumer, Dr. Baumgartner, Dr. Besold, Harig, Niebergall, Gundelach, Freiherr von Fürstenberg, Tobaben. Außerdem fehlen die Abgeordneten Reimann, Rische, Renner, Vesper, Müller (Offenbach).
Ich habe weiter folgende amtliche Mitteilungen zu machen.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat unter dem 20. Juni 1950 die Interpellation der Fraktion der FDP betreffend das Gesetz zur Neuordnung der Treibstoffpreise — Drucksache Nr. 880 — unter Drucksache Nr. 1072 beantwortet.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 20. Juni 1950 die Anfrage Nr. 83 der Abgeordneten Tichi, Fröhlich und Genossen betreffend Krankenfürsorge der Soforthilfeempfänger — Drucksache Nr. 1003 — auf Drucksache Nr. 1073 beantwortet.
Was die heutige Tagesordnung anlangt, meine Damen und Herren, möchte ich darauf aufmerksam machen, daß man sich inzwischen interfraktionell verständigt hat, die Drucksache Nr. 1043 — Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht über den Antrag der Abgeordneten Dr. Falkner, Dr. Etzel , Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei betreffend Art. 131 des Grundgesetzes — noch auf die Tagesordnung zu setzen und dann ohne Debatte über diesen Antrag abzustimmen.
Zur Geschäftsordnung Frau Abgeordnete Niggemeyer; die erste Dame, die zur Geschäftsordnung spricht, möchte ich ausdrücklich historisch feststellen.
Meine Herren und Damen! Im Namen der Mitglieder des Ausschusses für Jugendfürsorge möchte ich hier den Wunsch dieses Ausschusses zur Kenntnis geben, den Punkt 11 der Tagesordnung betreffend den Entwurf eines Gesetzes zur Erleichterung der Annahme an Kindes Statt von der Tagesordnung abzusetzen, weil die Verhandlungen darüber noch nicht abgeschlossen sind.
Erhebt das Haus Widerspruch gegen die Ausführungen der Frau Abgeordneten? — Ich nehme es nicht an. Ich stelle fest: demgemäß ist der Punkt 11 der Tagesordnung heute abgesetzt.
Wir kommen zu Punkt 1 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Verzögerung in der Ausführung des Wohnungsbauprogramms .
Der Herr Bundeskanzler hat mir schriftlich mitgeteilt, daß er infolge seines Gesundheitszustandes noch nicht in der Lage ist, persönlich zu antworten.
Statt seiner wird der zuständige Ressortminister, der Herr Bundesminister Wildermuth, antworten, dabei aber nicht nur zur Sache sprechen, sondern auch auf die persönlichen Bemerkungen des Herrn Kanzlers eingehen. Der Herr Kanzler wird nach völliger Wiederherstellung seiner Gesundheit auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe selbst noch einmal eingehen.
Ich erteile Herrn Bundesminister Wildermuth das Wort.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler
hat mich gebeten, da ihm seine Ärzte aufs dringendste verboten haben, an größeren Verhandlungen teilzunehmen, die Anfrage der SPD, Drucksache
Nr. 948, bezüglich der Äußerungen des Herrn Bundeskanzlers als Vorsitzenden der CDU vor dem
Zonenausschuß dieser Fraktion in Königswinter zu
beantworten; er hat mir zu der Anfrage mitgeteilt:
Meine Äußerungen im Zonenausschuß der CDU
sind von der Presse in viel schärferer Form
wiedergegeben worden, als ich sie gemacht habe.
— Schreien Sie lieber nachher!
Ich hatte aus der Frankfurter Presse entnommen, daß in Frankfurt noch kein einziges Baugesuch hätte genehmigt werden können, weil kurz vor Beginn der Bausaison das Land Hessen seine Baugenehmigungsvorschriften völlig geändert habe, daß nicht einmal die nötigen Formulare zu haben gewesen wären. Von Nordrhein-Westfalen habe ich ständig Klagen über die bürokratische Handhabung der Vorschriften durch das dortige Wiederaufbauministerium
gehört. Von diesen mir bekanntgewordenen Presseäußerungen und Mitteilungen bin ich ausgegangen.
Nun bitte ich Sie, sich daran zu erinnern, daß der Äußerung des Herrn Bundeskanzlers sehr scharfe Angriffe durch den Herrn Arbeitsminister Halbfell von Nordrhein-Westfalen und Herrn Minister Kubel von Niedersachsen auf die Bundesregierung vorausgegangen sind, in denen der Bundesregierung in schärfster Weise vorgeworfen wurde, daß ihr Wohnungsbau- und ihr Arbeitsbeschaffungsprogramm vollkommene Fehlschläge gewesen seien. Sie erinnern sich des Auftretens von Herrn Minister Kubel hier in diesem Hause. Meine Damen und Herren, es gilt das alte Wort: Wie es in den Wald hineinschallt, so schallt es zurück.
Warum sollen wir nicht Zitate anhören, die allbekannt sind?
Preisend mit viel schönen Reden? Warten Sie nur ab!
Einige zu Ihrer Partei gehörende Minister haben in ihrer Eigenschaft als Politiker das Bedürfnis gefühlt, Schwierigkeiten, die im Wohnungsbau aufgetreten sind, auf die Bundesregierung abzuladen. Nun kann ich dazu sagen: Auf meinem Schreibtisch häufen sieh andererseits die Beschwerden aus den Kreisen und Gemeinden und von einzelnen, die ihrerseits die Schwierigkeiten, die auftreten, auf die Länder abladen. Ich meinerseits bemühe mich, diese Dinge loyalerweise durch Erörterung mit den Ländern auszuräumen. Wenn der Herr Bundeskanzler D in seinen Äußerungen darauf hingewiesen hat, daß am besten jeder vor seiner eigenen Türe kehren soll, so hat er, glaube ich, damit recht gehabt.
-- Das kann man aber so verstehen, und nun sage ich's Ihnen!
Ihre Anfrage ist rein persönlich. Ich biege sie ins Sachliche ab, wenn Sie das gemerkt haben!
Zur Sache folgendes! Es besteht überhaupt kein Anlaß dazu, von einem Versagen des Wohnungsbaus zu reden. Der Wohnungsbau ist in vollem Umfang angelaufen. Darüber kann ich Ihnen eindeutige Zahlen geben. Die baugewerbliche Produktion ist von der Meßzahl 1936 = 100 von 77 auf 95 im April angestiegen. Die Erzeugung von Baustoffen hat im Mai erstmalig seit 1945 mit 102 die Zahl des Jahres 1936 überschritten. Dabei ist die Gesamtbauleistung nur um 7 %, die Leistung des Wohnungsbaus um 17 % gestiegen. Die Zahl der Baugenehmigungen hat in den ersten vier Monaten des Jahres 142 000 betragen. Das sind etwa 3/4 mehr als 1949.
Soeben habe ich eine Notiz bekommen, daß Herr Staatssekretär Fischer in Bayern erklärte, daß in der ersten Hälfte des Mai die Zahl der Baugenehmigungen in Bayern den Höchstand erreicht hat, den jeweils die Statistik der Baugenehmigungen zu verzeichnen hatte.
— Ja, die Bayern kriegen ein Lob!
Die Finanzierung läuft an. Wir hatten, wenn Sie sich erinnern, für erststellige Beleihungen von Sparkassen, Lebensversicherungsgesellschaften und Hypothekenbanken 650 Millionen in Aussicht genommen. Bis heute sind schon 840 Millionen zugesagt, also erheblich mehr, als wir in Aussicht genommen hatten, und zwar an die letzten Darlehensnehmer. Dabei sind kleinere Beträge aus dem Sektor der öffentlichen Versicherungen, der Sozialversicherung, der Genossen. schaftsbanken usw. gar nicht in Rechnung gezogen. Die Bausparkassen haben in Aussicht genommen, im Laufe des Jahres 220 Millionen zur Verfügung zu stellen. Sie haben bis zum 31. März bzw. Anfang Juni schon 211 Millionen zugesagt. Der Betrag wird sicherlich 230 bzw. 240 Millionen erreichen. Von den Bundeshaushaltsmitteln von 370 Millionen sind heute schon 110 Millionen abgerufen, d. h. an den letzten Darlehensnehmer ausgezahlt.
Der wichtigste Maßstab aber ist die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter. Die Zahl der arbeitslosen Bauarbeiter und Bauhilfsarbeiter hat Ende Februar, und zwar zweifellos nicht nur aus rein saisonalen Gründen, die Höchstzahl von 337 000 erreicht. Sie ist bis Ende März auf 260 000, bis Ende April auf 214 000 und bis Ende Mai auf 174 000 gefallen — darunter befinden sich nur noch 107 000 Baufacharbeiter — und geht weiter schnell zurück. Das ist in Anbetracht, daß wir 1,1 Millionen bis 1,2 Millionen Baufacharbeiter und Bauhilfsarbeiter haben, ein außerordentlich günstiges- Ergebnis und der sicherste Maßstab dafür, daß der Wohnungsbau anläuft.
Nun sind selbstverständlich bei der Durchführung des Wohnungsbaus Schwierigkeiten entstanden, und die möchte ich in aller Öffentlichkeit besprechen, weil sie in weiten Kreisen Unruhe herbeigeführt haben. Zunächst einmal braucht die Inbewegungsetzung von Milliardenbeträgen für Investitionszwecke einige Zeit. Nur wenn man Kopfquoten verteilt, geht das verhältnismäßig schnell.
Zweitens: Die Vorbereitung des Wohnungsbaus, vor allen Dingen die der Finanzierung, und die gesetzlichen Grundlagen sind erst im März dieses Jahres zum Abschluß gekommen. Das war dadurch bedingt, daß der Bund erst im Herbst des letzten Jahres seine Tätigkeit aufnehmen konnte und daß die notwendigen Verhandlungen mit den Ländern, Finanzinstituten, parlamentarischen Institutionen usw. eine gewisse Zeit erfordert haben.
Drittens: In der Wohnungsbaufinanzierung müssen die freien Hypotheken des Kapitalmarktes mit den gelenkten Mitteln der staatlichen Förderung verbunden werden. Das muß sich so einspielen, wie es sich auch seinerzeit in der Hauszinssteuerperiode bei den Hauszinssteuerhypotheken eingespielt hat. Ich habe keinen Zweifel, daß die Schwierigkeiten im Laufe dieser Wochen überwunden werden.
Viertens: Das Baujahr 1950 hat mit einem sehr beträchtlichen Überhang an Bauvorhaben aus dem letzten Jahre angefangen,. Allein etwa 40 000 oder etwas mehr Wohnungsbauten waren stillgelegt worden, weil die Finanzierung zu Ende war. Die Finanzierung dieser Bauten ist also 'zum großen Teil nicht wie früher sichergestellt
gewesen, sondern sie war offen geblieben. Es sind deswegen Mittel aus dem Programm 1950 in die Restfinanzierung von Überhangbauten aus dem Jahre 1949 hineingeflossen. Das ist in gewissem Umfange in jedem Jahre der Fall. Man wird aber auch sagen müssen, daß alle diese Bauten nicht begonnen wären ohne Hinblick auf das kommende Programm des Bundes und daß sie ganz sicher nicht ohne die Hilfe des Bundes hätten fertiggestellt werden können.
Ich habe auch dafür Zahlen. Von den ursprünglich vorgesehenen Beträgen der Sparkassen, Lebensversicherungen und Hypothekenbanken mit 650 Millionen hatten zu verschiedenen Stichtagen — April, Mai — die Sparkassen schon 30 % die Lebensversicherungen 35 %, die öffentlichen Bausparkassen 35 % an den letzten Darlehensnehmer ausbezahlt. Das ist an sich ein erfreuliches Zeichen für die rasche Durchführung der Finanzierung, beweist aber, in welchem Umfang die Finanzierung in die Restbauten hinübergegangen ist.
Fünftens: Die Weiterleitung von mehr als 1,2 Milliarden öffentlicher Mittel, die vom Steuerzahler aufgebracht werden, ist nach ihrer Art nicht ganz ohne bürokratische Methoden erreichbar. Zwischen den einzelnen Ländern bestehen in der Art und Weise der Durchführung dieser Dinge, in denen die Länder unabhängig sind, erhebliche Unterschiede in der Elastizität und in der Schnelligkeit.
Aber nun darf ich noch auf einige Schwierigkeiten kommen, die in der öffentlichen Erörterung eine Rolle gespielt haben und die auch in diesem Zusammenhang erwähnt werden müssen.
Sechstens: Unter den öffentlichen Mitteln sind allein 400 Millionen aus dem Lastenausgleichsstock vorgesehen. Der Lastenausgleichsstock unterliegt nach dem Soforthilfegesetz der Selbstverwaltung durch das Hauptamt für Soforthilfe und seinen Kontrollausschuß. Dieser Ausschuß hat am 18. März 1950 seine Richtlinien als Weisung für die Vergebung von Soforthilfemitteln für den Wohnungs- und Siedlungsbau herausgegeben. Ich habe mit Schreiben vom 13. März meine Bedenken gegen diese Weisung geäußert, muß aber hier feststellen, daß die Vertreter der Länder im Kontrollausschuß diesen Richtlinien zugestimmt haben. Ich muß loyalerweise sagen, daß das die Vertreter der Finanzressorts und nicht der Wohnungsbauressorts gewesen sind. Ich kann aber heute die bestimmte Erklärung abgeben, daß sich diese Schwierigkeiten im nächsten Jahre nicht wiederholen werden. Wir werden sie im Laufe dieses Sommers und Herbstes beheben.
Auf andere Schwierigkeiten muß ich noch näher eingehen, weil Herr Minister Kubel in einem Artikel vom 2. Juni dieses Jahres
unter seinem Namen diese Schwierigkeiten berührt und die Bundesregierung und mich persönlich für diese Schwierigkeiten verantwortlich gemacht hat.
Siebentens: Das sind die Schwierigkeiten, die bei den Richtlinien für die ERP-Mittel aufgetreten sind. Die Bundesregierung hat sich in Zusammenwirken mit der Bank deutscher Länder zu Beginn des Jahres in großzügiger Weise entschlossen, auf eine in Aussicht gestellte, aber nicht fest zugesagte Berücksichtigung des Wohnungsbaues mit 250 Millionen ERP-Mitteln in diesem Kalenderjahr hin diese Mittel vorzufinanzieren. Wir haben diese Mittel im März auf die Länder und die Kreditinstitute verteilt, die sie weiterleiteten und die für die Vorfinanzierung eingeschaltet werden mußten. Unmittelbar nach der Verteilung der Mittel haben wir auch Richtlinien herausgegeben, die mit den beteiligten Bundesressorts und den Ländern durchgesprochen waren, die eine wesentliche Vereinfachung der Richtlinien der ERP-Mittel für den Wohnungsbau vom letzten Jahre bedeutet haben, die ja, wie die Herren vom Wohnungsbau wissen, erhebliche Schwierigkeiten bereitet haben.
Wir haben diese unsere Absicht und die Grundlagen der Richtlinien auch mit amerikanischen Stellen vorbesprochen. Nun hat uns aber die ECA -Mission Anfang April durch ihre Beauftragten Wünsche auf eine Ergänzung dieser Richtlinien vom 4. März übermitteln lassen. Am 26. April erst haben wir den Wortlaut dieser Wünsche erfahren. Daran haben sich lange Verhandlungen angeschlossen, an denen wir auch die Länder beteiligt haben. Es ist uns gelungen, die Schwierigkeiten, auf die ich im einzelnen nicht eingehen will, auszuräumen. Wir haben jetzt, am 19. Juni, Ergänzungen zu diesen Richtlinien herausgegeben, die wieder mit den Ländern abgestimmt worden sind, und sind damit sicher, daß diese Schwierigkeiten ausgeräumt sind.
Diese Dinge sind auch dem Herrn Minister Kubel bekannt gewesen. Ich habe mich gerade in einer Sitzung am 1. Juni mit den Länderministern sehr ausführlich darüber ausgesprochen. Trotzdem hat er unter dem 2. Juni einen Artikel mit seinem Namen veröffentlicht, in dem er ausdrücklich sagt:
Dieser ganze Ablauf der Dinge, nämlich die Verzögerung des Wohnungsbaues um drei Monate es handelt sich um ein Zehntel der eingesetzten Summen —, war dem Herrn Bundesminister bekannt und kann von jedem der 11 Länder protokollarisch
- „protokollarisch" ist besonders gravierend! — bewiesen werden. In Wirklichkeit hat es also das Wohnungsbauministerium versäumt, seine Richtlinien vom 4. März 1950 von der ECA-Kommission bestätigen zu lassen. Darüber hinaus hat es auch diese Richtlinien mit dem Bundesminister für Vertriebene nicht voll abgestimmt.
Kurz: ich sei voll verantwortlich!
Meine Damen und Herren! Ich möchte annehmen, daß dieser Artikel unter dem 2. Juni nicht erschienen wäre, wenn Herr Minister Kubel vorher, ehe er den Artikel geschrieben hat, die Unterredung mit mir und den anderen Länderministern am 1. Juni gehabt hätte.
Nun folgendes! Es haben sich natürlich auch Schwierigkeiten bei der Auseinandersetzung über die Durchführung des Wohnungsbauprogramms bei den einzelnen Ländern ergeben, die darauf beruhen, daß die Länder Gesetze, Verordnungen und Richtlinien erlassen haben, bei denen mindestens zweifelhaft oder strittig ist, ob sie mit dem Wohnungsbaugesetz übereinstimmen, und zwar beziehen sich nun diese Differenzen in einem Punkt allerdings auf Länder, in denen Ihre Partei den
1 Wohnungsbau wesentlich beeinflußt. Es dreht sich dabei immer um die Auseinandersetzung, ob der private Wohnungsbau, auch soweit er sozialer Wohnungsbau ist, im Sinne der Bundesrichtlinien und des Bundesgesetzes genügend berücksichtigt wird.
Rechtlich strittig ist häufig der Zeitpunkt des Inkraftretens der rechtlichen Kongruenz mit dem Bundeswohnungsbaugesetz. Verhandlungen mit den betreffenden Ländern sind im Gange, und ich glaube, daß sie zu einer Klärung in diesen Fragen führen werden.
In anderen Schwierigkeiten, die entstanden sind, hat der Bund helfen können und hat loyalerweise geholfen. Die Herren kennen das große Programm des Landes Schleswig-Holstein, das von den Gewerkschaften inauguriert war und mit 40 Millionen ERP-Mitteln ein besonderes Flüchtlingswohnungsbauprogramm, das mustergültig sein soll, durchführt. Das Land Schleswig-Holstein hat sich verpflichten müssen, mit 35 Millionen eigenen Mitteln in dieses Programm hineinzugehen. Aber es war nicht in der Lage, diese 35 Millionen aufzubringen. Der Bund ist eingesprungen und hat 19 Millionen — — - Nein, der Bund hat nicht die Pflicht, Geld zu verteilen, und ich möchte Ihnen sagen, daß Schleswig-Holstein schon ohne diese 19Millionen wesentlich mehr als der Durchschnitt der übrigen Länder pro Kopf der Bevölkerung für den Wohnungsbau bekommen hat. Jedenfalls haben wir hier, ob Pflicht oder nicht, das Richtige in loyaler Weise getan.
) Meine Damen und Herren! Ich habe damit, glaube ich, nachgewiesen, daß der Wohnungsbau angelaufen ist, daß kein Grund dazu besteht, Sorge zu haben, daß dieses Wohnungsbauprogramm nicht in Gang käme. Ich kann hinzufügen, daß wir heute
gesehene Wohnungsbauprogramm wesentlich überschritten werden wird. Ich habe vorhin festgestellt, daß wir im Raum der 1. Hypothek mehr als 200 Millionen Mark mehr zur Verfügung haben, als wir bei den Ansätzen zum Programm gerechnet haben. Wir haben auch im zweiten Raum etwa 100 Millionen Mark mehr zur Verfügung, die aus dem Lastenausgleichsstock kommen. Kleine Beträge da und dort sind dabei gar nicht in Rechnung gestellt. Das heißt: Wir werden in diesem Jahr nicht 2,7 Milliarden, sondern etwa 3 Milliarden im Wohnungsbau anlegen, und damit wird die Zahl der Wohnungen, die wir in diesem Jahr bauen, weit näher an die 300 000 als an die 250 000, wie vorgesehen, herankommen.
Das ist eine gewaltige Leistung des ganzen Volkes, und ich glaube, es wäre erwünscht und würde der Größe der Aufgabe entsprechen, wenn wir uns um eine gemeinsame Lösung dieser Aufgabe bemühten, statt bei auftretenden Schwierigkeiten uns gegenseitig Vorwürfe zu machen.
Meine Damen und Herren! Ich habe vorhin übersehen, den Herren Interpellanten das Wort zu erteilen. Ich tue es jetzt, indem ich nunmehr das Wort Herrn Abgeordneten Klabunde gebe.
Klobunde , Interpellant: Meine Damen und K Herren! Es wäre, glaube ich, sehr dankenswert gewesen, wenn das Wissen, das uns der Herr Bundesminister für Wohnungsbau heute mitgeteilt hat, in dem Augenblick, wo kritische Äußerungen vorgenommen wurden, allen und auch dem Herrn Bundeskanzler voll zur Verfügung gestanden hätte.
Wir haben die Hoffnung, nicht nur für die Vergangenheit, wo sie sich einmal nicht erfüllt hat, sondern auch für die Zukunft, daß in diesen künftigen Monaten und Jahren — denn es ist ja eine mehrjährige Tätigkeit — alle vorher erschöpfende Informationen anfordern und danach ihre Kritik vortragen. Ich glaube, daß dann eine Zuspitzung der Debatte, wie sie hier vorübergehend vorhanden zu sein schien, nicht einzutreten braucht. Fest steht jedenfalls, daß im Besitz der Mitteilungen des Herrn Bundeswohnungsbauministers niemand und auch kein Mitglied der Bundesregierung in der Lage gewesen wäre, diejenige Kritik zu üben, die der Anlaß für die Interpellation meiner Partei geworden ist.
Ich möchte aber zu der Sache selbst einiges sagen, und zwar in aller politischen Freundschaft gegenüber dem Herrn Bundeswohnungsbauminister selbst, weil ich nämlich glaube, daß die Behebung von Schwierigkeiten in seinem Ministerium noch mehr Initiative finden sollte, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist, wobei ich für die Schwierigkeiten in der Vergangenheit jedes Verständnis aufbringe, aber ich glaube, wir könnten der Sache durch die Beachtung dieser Hinweise gemeinsam dienen.
Es handelt sich nämlich um folgendes: Das Bundeswohnungsbaugesetz ist tatsächlich, wenn auch mit aller Eile, damals später erschienen, als es für die Anwendung auf das Jahr 1950 vom 1. April an notwendig gewesen wäre. Wir hätten früher fertig werden müssen, damit schon das Baujahr 1950 vollkommen unter dem Zeichen des Gesetzes steht, während die Länder in den Beratungen des März im Ausschuß mit Recht und Nachdruck darauf hingewiesen haben, daß die alten Bestimmungen weitgehend noch in 1950 auslaufen müssen, denn die Umstellung auf das Gesetz hätte die Inhibierung des Wohnungsbaues für einige Monate bedeutet. Ich habe allerdings den Eindruck, daß manche Möglichkeiten, das Gesetz schneller zum Zuge zu bringen, bisher nicht effektiv geworden sind, und zwar deswegen, weil wir bei manchen Überlegungen zu gründlich und zu langwierig an einem Thema hängen. Ich darf darauf hinweisen, daß in dem Ministerium des Herrn Ministers Wildermuth seit dem November über die Frage der künftigen Mieten und deren Berechnungen Unterlagen fertig vorhanden sind und daß inzwischen eine Fülle von Beratungen stattgefunden hat. Diese Beratungen haben aber schließlich am Beginn der vorigen Woche dazu geführt, daß man sich entschloß, ihr Ergebnis nicht in einer Verordnung, sondern in zwei voneinander getrennten Verordnungen herauszubringen und sie erneut in gewissen Teilen neu zu fassen. Ich glaube, hier liegt ein Exzeß der Gründlichkeit vor, der dem Ansehen des Gesetzes mindestens nach unserer Auffassung — ich bin der Überzeugung, auch nach Auffassung des ganzen Hauses — schädlich ist.
Ich darf weiter Beispiele nennen: in dem Bundeswohnungsbaugesetz waren wir in diesem Hause einig — also das, was ich feststelle, ist nicht mehr ein Wunsch meiner Partei, sondern ich stelle fest,
daß einstimmig beschlossen wurde, daß eine Bundeskonferenz und 11 Länderkonferenzen über die Beeinflussung der Baupreise seitens der öffentlichen Auftraggeber zu bilden sind. Ich kann nicht feststellen, daß diese Konferenzen bisher eine fruchtbare Arbeit entfaltet haben, einfach deswegen, weil die Initiative des Hohen Hauses in die Hände normalarbeitender Referenten und Abteilungen gelegt ist und diese mit der Initiative selber deshalb nichts anfangen konnten, weil sie vor völlig neue Aufgaben gestellt wurden. Wir wären dem Herrn Bundeswohnungsminister dankbar, wenn seine Energie den Apparat so in Bewegung setzen könnte, daß wir im Laufe der nächsten Monate wenigstens gewisse Erfolge in dieser Hinsicht sehen könnten; denn solche Erfolge sind möglich. Wir haben ja früher gründlich genug diese Frage debattiert, ehe wir uns entschlossen, dem Bundestag vom Ausschuß her die Entschließung zur Annahme zu empfehlen.
Ich darf weiter darauf hinweisen, daß wir, ge messen an der Situation von heute, Sorgen für das nächste Jahr haben und sie deswegen heute aussprechen, wo noch alles in diesem Jahre gutgemacht werden kann und die Vorbereitungen für das nächste Jahr rechtzeitig getroffen werden können, damit man uns nicht später sagt: ihr hättet früher damit kommen können.
Meine Damen und Herren! Es ist richtig, es waren am 1. Januar fast wider Erwarten 300 000 begonnene Wohnungen in der Bundesrepublik vorhanden. Vergleichen Sie damit, daß die maximale Bauleistung an Wohnungen in der Weimarer Republik für das Gebiet der jetzigen Bundesrepublik 184 000 Wohnungen war. Es sind als über 50 % mehr Wohnungen begonnen gewesen, als in einem Maximaljahr fertig geworden sind. Beachten Sie aber bitte auch, daß ja volle 20 % stillagen, und zwar schon viele Monate stillagen, weil die betreffenden Bauherrn in ihrem Mut, zu beginnen, nicht für die Finanzierung der Dinge gesorgt hatten, weil sie teilweise auch der Hoffnung waren: habe ich begonnen, dann müssen mir die öffentlichen Mittel, die ich brauche, zugeworfen werden, ich kann die ausgebenden Stellen zwingen. Diese Unordnung, die da begonnen ist, sollte man nicht so sehr fördern, daß sie für die Zukunft ein empfehlenswertes Bei-. spiel gibt; denn sonst kommen wir dahin, daß wir ununterbrochen Löcher stopfen müssen, statt eine Disposition, die jeder treffen muß, der für diese Dinge verantwortlich ist, durchzuführen.
Ich darf weiter auf einen Tatbestand hinweisen, der dabei eine große Rolle spielt. Die Hypothekenmittel, die der Herr Bundeswohnungsminister nannte, mußten, wie er selbst sagte, in starkem Maße für die Restfinanzierung des Jahres 1949 verwandt werden. Dies bedeutet -- und das wollen wir uns doch wohl deutlich vor Augen halten —, daß diese Mittel im Jahre 1950 verbraucht werden und die Gefahr besteht, daß die 51er Mittel wieder weitgehend für eine Restfinanzierung von 1950 verwandt werden müssen. Hier ist durchaus eine gewisse Vorsicht im Optimismus am Platze, auch wenn die Bauzahlen in diesem Jahr — davon bin ich mit dem Minister überzeugt — über den Stand von 250 000 hinausgehen werden. Aber sie werden darüber hinausgehen dank des außerordentlich hohen Überhangs, und wir wissen bei weitem nicht, ob im Jahre 1950 ein Überhang für den nächsten Jahresbeginn wieder produziert wird. Wenn das nicht oder nicht in gleichem Maße geschieht, dann ist eine sehr ernste Situation im folgenden Jahre vorhanden.
Ich mache weiter darauf aufmerksam, daß die Zahlen leider erkennen lassen, daß durch die Privatinitiative, die unmittelbar nach der Währungsreform zum Teil aus den bekannten Umständen des Hortungskomplexes außerordentlich stark war, jetzt ganz offenbar rückgängig ist und daß die Steigerung der Bautätigkeit über den bisherigen Umfang hinaus lediglich aus der Ausdehnung des öffentlich geförderten Sektors stammt. Der öffentlich geförderte Sektor — Zahlen liegen vor — ist weit über das hinausgewachsen, was anfänglich war, während die privaten Zahlen kontinuierlich laufen. Es steht also fest, daß man die Dinge anders betrachten sollte, als es bislang üblich war. Es wäre besonders gut, wenn diese Dinge dann nicht, wie der Herr Bundeswohnungsbauminister uns vorgetragen hat, verschärft, sondern eher sachlich arrondiert weitergeleitet würden. Ich möchte dringend an den Herrn Minister appellieren, daß er die Möglichkeit, die das Gesetz für die weitere Entfaltung der Baukosten bietet, wirklich mit Initiative ausnutzt.
Ich möchte weiter dringend darum bitten, daß dieses System der länger als ein halbes Jahr verhandelten Durchführungsverordnung einmal ein Ende findet und die Probleme wirklich gelöst werden; denn die Folge davon ist, daß eine ganze Reihe von vorsichtigen Länderbehörden auf den Minister und seine Arbeit warten und sagen: wir müssen vorläufig nach dem alten System weiter funktionieren. Ich weiß nicht, ob der Herr Bundeswohnungsminister den Zusammenhang seiner eigenen Arbeit und der im Augenblick eingetretenen Verlangsamung mit den Wirkungen auf die Länder voll sieht. Es ist aber notwendig, daß es geschieht, wenn wir von der Entwicklung des Wohnungsbaues Gefahr abwenden wollen.
Ich möchte weiter darauf hinweisen, daß wir unter allen Umständen zu einer solchen Aneinanderfügung der verschiedenen Geldquellen kommen müssen, daß die gegenwärtige Situation mit der Atomisierung nach ERP-Mitteln, nach Soforthilfemitteln, nach Bundesmitteln, nach Ländermitteln usw. ausscheidet und daß in Zukunft eine stärkere Harmonie hergestellt wird. Ich weiß, daß der Bundeswohnungsbauminister -- er hat es selber angedeutet — diese Mängel empfindet, aber ich vermisse — das darf ich hier wohl ganz offen sagen —, daß schon der Weg beschritten ist, diese Mängel auszuräumen. Es genügt aber nicht, daß wir sie feststellen; es muß eine Initiative in dieser Hinsicht kommen.
Ich darf noch etwas anderes hinzufügen, meine Damen und Herren. Wenn wir jetzt an die weitere Durchführung des Gesetzes gehen, so empfinden wir immer stärker eine Lücke, die damals geblieben ist, nämlich daß ein verhältnismäßig großer Teil der Bevölkerung nicht einmal in der Lage ist, die Mieten dieses Gesetzes voll aufzubringen. Wir werden Ihnen deswegen in Kürze einen Vorschlag unterbreiten, daß ein bestimmter Teil der Mittel für den bedürftigsten Teil der Bevölkerung zur Verfügung gestellt wird, um die neuesten Neubauwohnungen zu den Mieten der Altwohnungen zur Verfügung zu stellen. Sonst kommen wir zu einer privilegierten Gruppe, die in der Lage ist, diese Mieten zu zahlen, während mindestens ein Fünftel, wahrscheinlich aber ein Viertel der Mieter für diese Gruppe ausscheidet. Ich möchte gerade diesen
Mangel heute schon betunen, urn klarzustellen, vor welch wichtigen sozialpolitischen Aufgaben wir hier stehen.
In diesem Zusammenhang noch eines. Es wäre sehr nützlich, wenn man den Augenblick nicht dazu benutzen würde, hinter der Kulisse eine solche Zahl von Neuerungen vorzubereiten, daß sie die Gesamtlösung gefährden. Ich weiß beispielsweise, daß in Kreisen des Ministeriums Erwägungen bestehen, die Qualität der Wohnungen unter dem Stichwort „Einfachstwohnung" so umzustellen, daß wir dort, preismäßig gesehen, vom Konsumenten her, vom Mieter her zu einer echten Verteuerung der Wohnung kommen würden. Ich möchte vor diesem Wege warnen, weil sich das Hohe Haus darüber klar werden muß, daß die Ausdehnung der Wohnungsbautätigkeit zu den Sätzen dieses Gesetzes eine so starke Belastung der Bewohner der Bundesrepublik mit mehr Miete bringt, daß wir darüber hinaus Erhöhungen nicht vornehmen können. Gerade dieses Ausweichen in Gedanken, die außerordentlich labil sind, die sehr wenig konkrete Gestalt haben, ist, glaube ich, geeignet, die Aktivität von dem großen Thema wegzulenken, nämlich dieses Gesetz wirklich durchzuführen. Ich stelle mit Genugtuung fest, daß der Herr Bundeswohnungsbauminister, wenn ich die Summe seiner Darlegungen ziehe, zweifellos bekundet hat, daß diese Tätigkeit in ganz Deutschland ausgeübt wird, daß es überall Schwierigkeiten gibt, aber daß Vorwürfe und insbesondere Vorwürfe politischer Art, die auch unwahrscheinlich waren, da der ganze Bundestag geschlossen hinter dem Gesetz stand, nicht berechtigt sind.
Meine Damen und Herren! Der Ältestenrat hatte zur Begründung der Interpellation und Beantwortung seitens der Bundesregierung keine Redezeit festgesetzt und sich dann auf den Standpunkt gestellt, keine Aussprache herbeizuführen. Ich bekenne, daß ich versäumt habe, darauf hinzuweisen. Es liegen nun ein paar Wortmeldungen vor. Ich möchte Ihnen von mir aus eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorschlagen. Ist das Haus damit einverstanden? -- Ich höre keinen Widerspruch.
Dann hat als erster Herr Abgeordneter Preusker das Wort. Fünf Minuten, bitte.
Meine Damen und Herren! Herr Klabunde hat eben davon gesprochen, daß Vorwürfe doch wohl nicht berechtigt seien, weil der Bundestag seinerzeit dieses Wohnungsbaugesetz einstimmig angenommen habe. Ich kann seinen Darlegungen leider nicht ganz folgen; vielmehr bin ich der Ansicht, daß man, gerade weil wir in diesem Gesetz zu einer einstimmigen Meinung im Bundestag über den Wohnungsbau und insbesondere den sozialen Wohnungsbau gekommen sind, auch damit hätte rechnen müssen, daß es bei den Ländern überhaupt keine Schwierigkeiten geben würde. Ich will gar nicht einmal politische Absichten unterstellen, sondern nur Tatsachen sprechen lassen. Beispielsweise sind im Lande Hessen die Richtlinien für den Wohnungsbau 1950 mit dem Datum vom 5. April nach einer Sitzung des Wiederaufbauausschusses des hessischen Landtages am 4. April hinausgegangen. Das Land Hessen hat im Bundesrat am 30. März ebenfalls einstimmig das Bundeswohnungsbaugesetz gebilligt. Daraus kann wohl der Bundestag die Verpflichtung für das Land Hessen ableiten, daß es ein einstimmig gebilligtes Gesetz, das es in seinem ganzen Wortlaut nicht nur bereits kannte, sondern auch kennen mußte — sonst konnte es dieses Gesetz ja nicht billigen —, auch so anwendet, wie es hier einstimmig beschlossen wurde. Wenn wir uns diese hessischen Richtlinien ansehen, so müssen wir feststellen, daß sie in wesentlichen Punkten dem hier beschlossenen Gesetz zuwiderlaufen;
in wesentlichen Punkten, so daß das Ergebnis sein muß, daß im Jahr 1950 weniger Wohnungen gebaut werden ' können, als gebaut werden könnten, wenn das Wohnungsbaugesetz in vollem Umfang Anwendung gefunden hätte.
Ein solch wesentlicher Punkt ist beispielsweise, daß in den hessischen Richtlinien grundsätzlich eine zweiprozentige Verzinsung und eine einprozentige Amortisation der Landesbaudarlehen fixiert wird.
Wir haben uns in diesem Fall sogar der sozialdemokratischen Argumentation im Bundestag einstimmig angeschlossen, daß, wenn man die Mieten fixiert, um sie auf einem sozial niedrigen Niveau zu halten, man dann bei gegebenen Kosten hinsichtlich der Verzinsung des Landesbaudarlehns variieren, notfalls bis auf 0 % heruntergehen muß, um damit eine Wirtschaftlichkeit des sozialen Wohnungsbaus zu gewährleisten und den Anreiz für den sozialen Wohnungsbau zu schaffen.
Wenn Sie dann noch dazu :nehmen, daß die hessische Regierung einen Antragsbogen herausgegeben hat, der auch entgegen dein klaren Wortlaut des Bundeswohnungsbaugesetzes keinerlei Spalten für die Verzinsung des Eigenkapitals, für Instandhaltungskosten, für Bewirtschaftungskosten, für Abschreibungen vorsieht, wenn alle diese Posten unter den Tisch fallen und nur dazu dienen, um diese dreiprozentige Verzinsung des Landesbaudarlehns irgendwie möglich zu machen, dann bedeutet das nichts anderes, als daß man praktisch die private Initiative im sozialen Wohnungsbau außerordentlich gefährdet und beschneidet.
Es kommt weiter hinzu, daß die hessischen Richtlinien den Begriff der „Wiederherstellung` überhaupt nicht kennen, daß sie die oberste Fördergrenze beim Wiederaufbau oder bei Kinderreichen starr auf 75 qm festlegen, obwohl nach dem Gesetz 120 qm möglich sind. Nun denkt natürlich niemand an diese oberste Grenze — wir haben damals ja auch nicht daran gedacht — als Regelfall. Aber wir wollten doch auch immerhin den Wiederaufbau von Wohnflächen von 78 oder 80 qm ermöglichen, die unter Umständen sehr einfach und billig wiederherzustellen wären.
Die hessischen Richtlinien schalten weiter die Förderung von Eigenheimen aus, wenn sie nicht in Reihenbauweise erstellt werden. Ja, wo sollen dann Einzelinteressenten für Eigenheimbau
ten sich erst zu einer großen Gemeinschaft zusammenfinden, die Reihenbauweise betreibt?
Sie schalten ferner die Förderung von Werkswohnungen aus. Wir waren uns hier im Bundestag darüber einig, daß wir an Stelle der Werkswohnungen lieber den werkgeförderten Wohnungsbau mit einem eigenen Bauträger und der völligen Unabhängigkeit des Mietvertrags vom Arbeitsvertrag sehen und daß die Entwicklung auch dorthin gehen sollte. Aber wir haben uns folgendes überlegt. Wir wollen doch im Jahre 1950 unter allen Umständen möglichst viele Wohnungen gebaut sehen. Wir haben deshalb diese Förderung ausdrücklich hineingenommen, vor allem im Hinblick auf die Landwirtschaft. Auch davon steht in den hessischen Richtlinien nichts.
Ich frage den Bundestag, wie er sich dazu stellt, wenn eine Landesregierung, die ein Bundesgesetz einstimmig gebilligt hat, fünf Tage später Richtlinien herausgibt, die diesem Gesetz vollständig widersprechen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Krause.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf diese Debatte benutzen, um an die Bundesregierung bzw. an den Herrn Bundesminister für Wohnungsbau die Bitte zu richten, sich doch einmal stark dafür zu interessieren, daß die Bauten von Ausgebombten fortgeführt werden, die vor der Währungsreform begonnen worden sind, aber nach der Währungsreform aus bekannten finanziellen Gründen stillgelegt werden mußten.
— Einen Moment, darauf komme ich gleich! — Vor allen Dingen möchte ich bitten, daß die Länder in der Konferenz ihrer Wohnungsbauminister sich für diese Dinge einmal praktisch interessieren möchten. Es geht nicht an, daß solche Bauten infolge Mangels der Bewilligung von verlorenen Zuschüssen oder sonstiger finanzieller Unterstützung stilliegen bleiben.
Zweitens darf ich bitten, daß seitens der Bundesregierung immer wieder mit stärkerem Nachdruck, wie wir das hier in diesem Hohen Hause schon oft mit erfreulicher Einmütigkeit getan haben, auf die Alliierten wegen der Freigabe von ehemaligen Truppenübungsplätzen, Flugplätzen, Munitionslagern usw. eingewirkt wird, damit diese für die Besiedlung endlich freigegeben werden. Bis jetzt hat man in der Öffentlichkeit des Bundesgebiets, vielleicht auch mit Recht, nicht überall den Eindruck, daß das Jahr 1950 zum Jahr des Wohnungsbaus werden würde. Denn die Hälfte des Jahres ist schon vorbei, und geschehen ist fast nichts.
Das Wort hat Herr Abgegeordneter Klabunde.
Herr Kollege Preusker hat hier eine Kritik vorgetragen. Ich darf für mich in Anspruch nehmen, als erster öffentlich darauf hingewiesen zu haben, daß die Länder den Bestimmungen des Gesetzes buchstäblich zu folgen haben.' Ich habe das in einer Frankfurter Tageszeitung getan. Wir sind uns also in der Frage, wie die Länder sich zu dem Bundeswohnungsbaugesetz zu verhalten haben, völlig einig. Das möchte ich feststellen, ohne auf den hessischen Fall selber irgendwie näher eingehen zu wollen.
Ich möchte aber auch feststellen, daß hier eine merkwürdige Situation dann entsteht, wenn die Herren Finanzminister mancher Länder — ich will auch hier keine Namen nennen, um keine zusätzlichen Spannungen entstehen zu lassen — dadurch, daß sie auf ihre Wiederaufbauminister einwirken, für den Wohnungsbau Bestimmungen erzwingen, die, etatmäßig motiviert, tatsächlich dem Gesetz widersprechen. Das spielt in manchen Ländern und vielleicht auch in dem von dem Kollegen Preusker geschilderten Fall eine wesentliche Rolle. Man sollte sich in diesem Hohen Hause bei aller Wahrung der Rechte der Länder darüber einig sein, daß es die Aufgabe der Länder ist, das Gesetz, das sie selber gebilligt haben, in allen Positionen genau durchzuführen
und daß Änderungen einige Monate oder — hoffentlich! — erst einige Jahre später erfolgen, wenn Bundesrat und Bundestag sich darüber einig sind. Es ist bemerkenswert, daß gerade jetzt Bemühungen laufen, die Einfügung der Länder in das Bundeswohnungsbauprogramm dadurch hinzuschieben, daß man mit der Erwägung, die Finanzierung, die dort gedacht ist, lasse sich ja doch nicht durchführen, den Ländern den Elan nimmt, sich überhaupt anzupassen. Ich möchte deswegen bei manchen Projekten, die auch schon hier in diesem Haus diskutiert worden sind, warnen. Wenn hier ein neues Projekt der Finanzierung diskutiert wird, können wir nicht erwarten, daß die Länder sich auf dieses Wohnungsbaugesetz in seinen Konsequenzen einstellen.
Mir scheint entscheidend zu sein, daß das Wohnungsbaugesetz auf die Baupreise eine ganz unbürokratische Wirkung auszuüben versucht, daß diese nach meiner Auffassung im Interesse der Herstellung eines wirklichen Wettbewerbs auf diesem Gebiet unbedingt erzwungen werden muß. Der Bundestag war sich damals darüber einig, er ist es hoffentlich heute noch. Ich bin der Meinung — und ich hoffe, Sie stimmen zu —, daß die Sätze für die Mieten usw. auch wirklich bis auf den letzten Pfennig akzeptiert werden müssen. Man darf keine Motivierung finden wie: das kostet ja pro Quadratmeter und Monat nur 5 Pfennig. Man ist dann bei einer Jahressumme, die in der Höhe eines Wochenlohnes liegt. Darüber sollten wir uns einig sein. Ich glaube, wenn diese Linie ernsthaft verfolgt wird, wenn vor allem der Herr Bundeswohnungsbauminister die Möglichkeiten des Gesetzes bis ins letzte ausnutzt und wenn er seinen eigenen Apparat davor schützt, zu einer Politik der Verwässerung beizutragen — es sind darüber konkrete Beispiele zu nennen, gerade auch in bezug auf die Miethöhe —, dann kommen wir zu der Weiterentwicklung, die wir haben wollen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Paul, und zwar 3 Minuten.
Meine Damen und Herren! Die Erklärungen des Bundeskanzlers Adenauer, die zur Auslösung der heutigen Debatte geführt
haben, waren zweifellos, von ihm gesehen, ein Wahltrick,
um die Wahlen in Nordrhein-Westfalen zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
Wenn aber heute von dem Herrn Minister für Wohnungswesen auf den „ungeheuren Fortschritt" im Wohnungsbau hingewiesen wird, so stehen doch seinen Erklärungen anderslautende Pressemeldungen gegenüber. Ich habe hier zum Beispiel die „Wirtschaftsrevue" vom 21. Juni. Sie bringt eine amtliche Meldung, aus der sich ergibt, daß bis Ende Juni von der Bundesregierung erst 87 Millionen DM an die Länder zugeteilt sind. Diese Zahl steht in keinem Verhältnis zu der Zahl, die der Herr Minister heute morgen genannt hat. Aber hier wird das amtlich belegt, und diese Zahlen scheinen doch aus dem Bundesministerium zu kommen.
Des weiteren habe ich hier die „Frankfurter Rundschau" vom gestrigen Tage mit einer Zuschrift. Danach ergibt sich aus dem Haushaltsplan der Stadt Frankfurt, daß im letzten Jahr 8 675 Wohnungen gebaut wurden; in diesem Jahre sollen es in Frankfurt nur 5 000 Wohnungen sein. Da kann man doch wirklich nicht von einem „Fortschritt" im Wohnungsbau reden.
Ich kann Ihnen jedenfalls nur eines sagen: daß diese Meldungen keineswegs mit jenen optimistischen Darstellungen im Einklang stehen, wie sie der Minister gegeben hat.
Es ist doch Tatsache, daß bis zur Zuteilung der amtlichen Gelder an die Bauherren viel zu viel Zeit vergeht. Hier ist ein toller Formularkrieg ausgebrochen. Ich habe mir selber einige solche Dinge angesehen. Was da alles von den einzelnen Bauherrn und von dem kleinen Mann ausgefüllt werden soll! Um alle diese Anforderungen erfüllen zu können. braucht er einen besonderen Finanzberater und Rechtsanwalt.
Solche systematischen Verzögerungen treten immer wieder auf, und mir scheint, daß der Wohnungsbau hier in die Räder der parteipolitischen Konzeptionsmaschine geraten ist.
— Jawohl, ich war auch mal Minister, aber ich kann Ihnen eins sagen: daß ein solcher Formularkrieg zu meiner Zeit nicht vorhanden war, und das kann man beweisen!
Auf jeden Fall muß der Wohnungsbau zügiger vorwärtsgetrieben werden als bisher!
Wenn der Herr Minister weiter sagt, daß die Arbeitslosigkeit auch unter den Bauarbeitern zurückgegangen ist, so kann ich auf eine Meldung verweisen, wonach zum Beispiel in Schleswig-Holstein bis heute noch 9000 Maurer arbeitslos sind. Danach kann man also wirklich nicht von einem zügigen Wohnungsbau reden.
Nun ein Wort zum Herrn Kollegen Klabunde. Ich wundere mich darüber, daß er heute über die Miethöhe spricht und bereits einen Antrag der Sozialdemokratie wegen der Miethöhe ankündigt. Als wir bei der Beratung des Wohnungsbaugesetzes darauf hinwiesen, daß die festgelegten Mieten zu hoch seien, konnte sich der Herr Kollege Klabunde und seine Fraktion nicht für eine Festsetzung niedrigerer Mieten für die Bauten im sozialen Wohnungsbau entscheiden. Wir Kommunisten sind der Meinung, daß man den Wohnungsbau zügig vorwärtstreiben muß. Bei der gesamtwirtschaftlichen Situation aber haben wir kein Vertrauen, daß der Notlage entsprechend der Wohnungsbau so vorwärtsgetrieben wird, wie es erforderlich wäre.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Lücke. — 8 Minuten.
Meine Damen und Herren! Ich bedauere persönlich außerordentlich, daß wir heute morgen wegen dieser Interpellation in eine Aussprache eingetreten sind, weil es mir notwendig erscheint, zu einem späteren Zeitpunkt eingehend über all die Schwierigkeiten zu sprechen, die tatsächlich den Anlauf des Wohnungsbaues bisher er- sehwert haben.
Ich möchte zunächst das, was Herr Kollege Klabunde sagte, auf die Länder übertragen wissen, und zwar das Tempo, das er dem Bundeswohnungsminister empfohlen hat. Die Länder bauen praktisch und sollten sich deshalb diese Anregungen in erster Linie zu Herzen nehmen.
Unser wesentlichstes Anliegen, das wir im Wohnungsbau erfüllt sehen wollten, ging doch dahin, daß im Rahmen des sozialen Wohnungsbaues auch der private Wohnungsbau, also der Kleineigenheimbau zum Zuge käme. Wir haben in § 21 des Bundeswohnungsbaugesetzes ausdrücklich erwähnt, daß die Verbände des gemeinnützigen Wohnungsbaues, öffentliche und private Wohnbauverbände und private Bauherren im kommenden Wohnungsbau gleichmäßig bedacht werden sollten.
Das aber, meine sehr verehrten Damen und Herren und auch Herr Wohnungsbauminister, ist in der Praxis leider bisher nicht der Fall. Ich erwähne hier nur nebenbei die Bestimmungen über den Kleinwohnungsbau, die das Land Nordrhein-Westfalen im Anschluß an das Bundeswohnungsbaugesetz herausgegeben hat, Bestimmungen, die einem privaten Bauherrn, der unter denselben Bedingungen wie beispielsweise beim Volkswohnungsbau oder Kleinsiedlungsbau ein Eigenheim erwerben will, nicht zum Zuge kommen lassen. Die Zuteilung der öffentlichen Mittel steht nicht im Einklang mit den Bestimmungen des Gesetzes. Die Mittelzuteilung ist hierfür erheblich geringer. Ebenso erfolgt die Verzinsung der Eigenleistung nicht so, wie es das Wohnungsbaugesetz in seinen Richtlinien vorsieht. Wir werden auf diese Frage später noch einmal zurückkommen.
Wir möchten aber heute noch einmal in aller Deutlichkeit aussprechen: Das Wohnungsbauprogramm wird nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn es uns gelingt, auch den Vertriebenen, den Ausgebombten und Heimkehrern zu einem Wohnungseigentum, wenn auch in kleinster Form, zu verhelfen, möglichst mit Garten, Feld oder Land dabei. Diese Forderung müssen wir immer und immer wieder erheben, weil diese privaten Bauherren in der Praxis einfach nicht wettbewerbsfähig sind. Mir haben einige Bankinstitute erklärt, daß sie die Stückelung der ersten Hypothek, die beim Eigenheimbau im Rahmen des sozialen Wohnungsbauprogramms nötig ist — ich spreche nicht vom steuerbegünstigten Eigenheimbau —, nicht gern durchführen, weil es, so sagen sie, leichter sei, eine große Hypothek an eine Baugenossenschaft, eine gemein-
nützige, öffentliche oder private zu geben, als zahlreiche Einzelkonten für erste Hypotheken zu führen. Ich habe diesen Herren erklärt, daß das nicht im Sinne einer Förderung des Wohnungsbaues und nicht im Sinne des Bundeswohnungsbaugesetzes sei. Wir müssen Wert darauf legen, daß die Banken und Realkreditinstitute die erste Hypothek so aufteilen, daß auch ein normaler Sterblicher, ein privater Bauherr im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus zum Zuge kommen kahn und ihm die erste Hypothek gegeben wird, falls öffentliche Mittel für sein Bauvorhaben bereitgestellt werden.
Allerdings, exakte Zahlen habe ich noch nicht, und es wird noch einige Zeit dauern.
Das Problem Quantität oder Qualität des Wohnungsbaues wird von mir rechtzeitig zur öffentlichen Diskussion gestellt werden. Ich weiß, daß die Meinungen darüber verschieden sind. Ich weiß, daß meine Gedanken aber auch häufig geteilt werden, etwa von den Oberbürgermeistern großer Städte, die die Not am nächsten sehen, und das sind sehr häufig Herren, die Ihrer Fraktion angehören.
Die Maßnahmen für das Jahr 1951 können wir in diesem Jahr rechtzeitig vorbereiten, und ich darf hier vielleicht daran erinnern, daß ein großer Teil dieser Maßnahmen auf dem Verhandlungswege und nicht auf dem Weg von Gesetzgebung und Verordnung erreicht werden muß, so wie dies im letzten Jahr der Fall gewesen ist.
Nun zu den von Herrn Kollegen Krause angeschnittenen Fragen. Es ist natürlich nur möglich, die Ausgebombten im Rahmen des allgemeinen Wohnungsbaues zu berücksichtigen. Dort aber werden sie bevorzugt; denn die Mittel, die aus dem Lastenausgleichsstock kommen, und andere, die zweckgebunden sind, wie ein Teil der Bundeshaushaltsmittel und ERP-Mittel, kommen ja auch besonders den Ausgebombten zugute.
Was die Besatzungsbauten anlangt, so kann ich sagen: Ich habe gestern die Möglichkeit gehabt, den Hohen Kommissar McCloy zu sprechen, und er hat mir ausdrücklich gesagt, daß die Absicht besteht, in ganz großem Umfange die Besatzung durch Erstellung eigenen Wohnraums selbst zu versorgen und damit den beschlagnahmten Wohnraum in Deutschland wieder freizugeben.
Herr Kollege Paul, wenn Sie Gelegenheit haben, Ihr Mandat noch solange auszuüben, daß wir länger zusammenarbeiten,
so werden Sie finden, daß die Zahlen, die ich Ihnen nenne, ganz zuverlässig sind, daß sie in den Grenzen, in denen es für Zahlen Zuverlässigkeit gibt, richtig sind. Es ist Ihnen, glaube ich, ein Irrtum unterlaufen. Sie haben gesagt, von den Bundesmitteln seien nach einer öffentlichen Bekanntmachung erst 88 Millionen ausbezahlt. Die neuesten Zahlen, die ich gestern habe feststellen lassen, sind effektiv 102 Millionen.
Aber ich benütze den Anlaß gern, um einen allgemeinen Irrtum auszuräumen. Diejenigen, die vom Wohnungsbau sind, wissen Bescheid und brauchen gar nicht herzuhören. Es ist entscheidend für die Baudurchführung, daß die Darlehen, seien es erste oder zweite Hypotheken, öffentliche oder private, zu Baubeginn verbindlich zugesagt sind. Dann kann angefangen werden zu bauen. Die Auszahlung der Darlehen, privat oder öffentlich, erfolgt erst während des Baujahres nach Baufortschritt, d. h. die Auszahlung der 3 Milliarden, die in diesem Jahre in den Wohnungsbau fließen, geht bis ins Ende dieses, vielleicht bis in den Anfang des nächsten Jahres hinein. Wenn also von den Bundesmitteln von 330 Millionen 102 Millionen schon abgerufen sind, so heißt das, daß nicht nur die Hypotheken zugesagt, sondern daß die Auszahlung an den letzten Darlehnsnehmer schon erfolgt ist, d. h. daß der Bau soweit schon durchgeführt ist.
Von vielen Seiten ist auf den fürchterlichen Formularkrieg hingewiesen worden, der gerade beim Bauwesen besteht. Es ist mein ernstes Bestreben diesen Formularkrieg zu reduzieren, soweit es möglich ist. Ich würde aber den Weg neuer Verordnungen und Reglementierungen, d. h. neuer Formulare vom Bund aus nicht für richtig halten, sondern möchte es lieber im Wege der Überzeugung und Überlegung mit den beteiligten Kreisen tun. Dabei glaube ich, daß wir im Wege ruhiger Verhandlung weiterkommen. Sie wissen ja, ich persönlich bin ein friedlicher Mann
und schieße nur dann wieder, wenn man auf mich schießt.
Schön; nach der letzten Bemerkung hat sich alles ausgeglichen!
Meine Damen und Herren, liegen weitere Wortmeldungen vor? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über die Interpellation auf Drucksache Nr. 948.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der KPD
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
die Abgeltung von Besatzungsleistungen und
Besatzungsschäden .
Nach § 88 der Geschäftsordnung schlägt Ihnen der Ältestenrat eine Redezeit von 10 Minuten für die Begründung des Antrages und von 40 Minuten für die Aussprache und dann Ausschußüberweisung vor. — Ich darf das Einverständnis des Hauses feststellen und frage, wer seitens der Herren Antragsteller das Wort wünscht. — Bitte, Herr Abgeordneter Kohl! 10 Minuten!
Kohl (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion, die den vorliegenden Gesetzentwurf eingereicht hat, hat darin in engem Einvernehmen mit den Landesverbänden der Besatzungsgeschädigten deren Grundsätze, die seit längerer Zeit aufgestellt worden sind, verankert. Die Besatzungsgeschädigten selber sollen sich einmal Gedanken darüber machen, warum keine der großen Fraktionen dieses Hauses, obwohl ihnen diese Grundsätze und die Verhältnisse auf diesem Gebiet bekannt waren, bisher einen solchen oder einen ähnlichen Gesetzentwurf dem Hause vorgelegt hat. Vielleicht liegt der Grund darin, daß in dieser etwas unpopulären Frage das Einvernehmen mit den hohen Herren auf dem Petersberg unter keinen Umständen gestört werden sollte.
Für uns war entscheidend, daß hier ein einheitliches Bundesrecht gewährleistet werden muß. Zweitens war entscheidend, daß die Einschaltung der Besatzungsgeschädigten in viel stärkerem Maße als bisher durchgeführt werden muß, und drittens war die Äußerung des Hohen Kommissars McCloy entscheidend, der am 22. Mai in Hannover erklärt hat, daß die Besetzung noch einige Jahre dauern wird. Ich glaube, auch die letzten Debatten im Bundestag haben eindeutig zu erkennen gegeben, daß die sogenannte Garantiemacht, wie Sie sie zu bezeichnen belieben, noch sehr lange in Deutschland sein wird.
In einer Denkschrift, die von dem Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen herausgegeben worden ist, wird die Situation der Besatzungsgeschädigten sehr eindeutig und drastisch geschildert. Dort heißt es beispielsweise:
Der Wert des zurückgelassenen Inventars dürfte die Milliardengrenze erheblich überschreiten und wurde beispielsweise in Bad Oeynhausen an Hand der von den Geschädigten eingereichten Schadenaufstellungen mit DM 40 Millionen auf Grund von Normalwerten von 1939 ermittelt.
Wieweit die systematische Zerstörung durch die Besatzungsmächte geht, mag folgendes Beispiel, ebenfalls aus dieser Denkschrift zitiert, zeigen:
In Siegburg z. B. waren britische Truppen kasernenmäßig in Wohnhäusern untergebracht. Bei der Übergabe der Wohnhäuser von den britischen an die belgischen Besatzungstruppen konnte beobachtet werden, daß der größte Teil der Wohnungseinrichtungen zerstört oder in Verlust geraten war.
Wenn wir weiter berücksichtigen, daß allenthalben Flugplätze und Truppenübungsplätze eingerichtet werden, was dazu führt, daß viele deutsche Menschen einfach aus ihren Wohnungen verdrängt werden, dann, glaube ich, ist es höchste Zeit, daß der Bundestag einmütig ein Gesetz beschließt, das diesen Geschädigten zu ihrem Recht verhilft.
Wir haben in Westdeutschland nach ziemlich ungenauen Angaben 31 654 Wohngebäude mit 293 775 Wohnräumen, 1208 Gaststätten bzw. Hotels, 167 Schulen und eine Reihe weiterer Dinge, die von den Besatzungsmächten beschlagnahmt worden sind und in Anspruch genommen werden. Dabei muß man wissen, daß die zweifelsohne ungeheuer starke Abnutzung dieser Wohngebäude durch die Besatzungstruppen das allgemein übliche Maß bei weitem überschreitet. Ein Beispiel aus Kassel! In Kassel sind gegenwärtig noch 50 Häuser bzw. Villen beschlagnahmt. Es laufen 81 Anträge auf Zahlung von Möbelmiete, und zwar stammen diese Anträge von Personen, deren Wohnung gegenwärtig noch beschlagnahmt ist. Nebenher laufen aber 800 Anträge auf Zahlung von Möbelmiete von solchen Personen, deren Wohnung beschlagnahmt gewesen ist. Bisher erhielten die Antragsteller 50 % dessen,
worauf sie eigentlich Anspruch haben, — ein Zustand, der auf die Dauer nicht tragbar ist und einer einheitlichen Regelung bedarf.
Der Herr Bundesfinanzminister und mit ihm die Länderfinanzminister, die bisher für die Besatzungsgeschädigten verantwortlich waren, sind heftigen Angriffen — und nach unserer Auffassung mit Recht heftigen Angriffen der Besatzungsgeschädigten ausgesetzt. Bezeichnenderweise — und das mag ein Charakteristikum sein — hat die Bundesregierung die Errichtung eines Besatzungskostenamts auf Einspruch des Bundesrats abgelehnt. Der Gesetzentwurf darüber ist deshalb nicht an den Bundestag gelangt. Was jetzt geschaffen worden ist, entspricht im allgemeinen den Wünschen der Länderfinanzminister und dem Wunsch des Herrn Bundesfinanzministers. Man hat in Bad Homburg eine Ministerialabteilung des Finanzministeriums eingerichtet und versucht mit dieser nach rein bürokratischen Grundsätzen, die Abgeltung der Besatzungsleistungen durchzuführen. Was dabei herauskommt, kann man sich denken. Als Beauftragte für die Durchführung der mit diesem gesamten Fragenkomplex zusammenhängenden Aufgaben gelten genau wie bisher die Länderfinanzminister. Man versucht einfach, einer einheitlichen, bundesgesetzlichen Regelung aus dem Wege zu gehen. Was in Bad Homburg geschaffen worden ist, ist weiter nichts als eine Art besserer Rechnungshof, mit dem versucht wird, die Besatzungsgeschädigten so wie bisher mit bürokratischen Grundsätzen übers Ohr zu hauen.
Ich habe hier zwei sehr interessante Fotografien von Häusern des Zeppelinheimkomplexes — Privateigentum der Angestellten der Zeppelinreedereien — in Frankfurt, die von den Bewohnern 1945 geräumt werden mußten. Die Wohnungen und die Einrichtungen stehen der Besatzungsmacht zur Verfügung. Die Leute erhalten eine monatliche Nutzungsentschädigung von insgesamt 42 DM. Dafür müssen sie noch alle auf diese Objekte, über die sie also nicht verfügen, entfallenden Abgaben, so auch die Abgabe für die Soforthilfe, bezahlen. Sie sind notdürftig in Baracken untergebracht und zahlen für eine halbverfaulte Baracke eine Miete bis zu 72 DM.
Ein anderer Fall, ebenfalls in Hessen, ist folgender. Ein Mann, dessen Wohnung beschlagnahmt ist,. erhält eine Nutzungsentschädigung von 27,45 DM monatlich. Die derzeitige Miete beträgt 32 DM, die Grundsteuerabgabe 3,48 DM monatlich. Somit übersteigen die monatlichen Ausgaben für die Wohnung die Einnahmen für das komplette Haus um 8,03 DM.
Wir sind der Meinung, daß auch im Ausschuß einmal sehr eindeutig über diese Fragen gesprochen werden sollte. Wir müssen bedenken, daß bei Mehrfamilienhäusern für die Berechnung der Nutzungsentschädigung die letzte Miete zugrunde gelegt worden ist. Bei den kleinen Einfamilienhäusern wird dagegen beispielsweise nach der Regelung in Hessen die Nutzungsentschädigung entsprechend dem Einheitswert, der um 7 °/o niedriger liegt, berechnet. Wenn man diese Dinge bedenkt, kann man sich vorstellen, wie praktisch die Schäden auslaufen.
In Frankfurt wurden 253 Häuser freigegeben. Die Stadt Frankfurt hat dazu aufgefordert, die Häuser in einen ordnungsgemäßen Zustand zu bringen, sie reparieren zu lassen. Von den 253 Hausbesitzern sind bisher 70 °/o entschädigt worden. Nach einer Anweisung des Generals Clay sollten die Reparaturkosten nur im Verhältnis 10 zu 1 bezahlt werden, so daß praktisch der Besitzer des Hauses der Geschädigte ist und außerdem die Handwerker kein Geld für ihre geleistete Arbeit bekommen.
Wir sind der Auffassung, daß auch die Frage der Möbelmiete geregelt werden muß. Der bisherige Zustand kann nicht weiter aufrechterhalten werden. In der britischen Zone gibt es die Möbelmiete schon seit längerer Zeit, in der amerikanischen Zone erst seit kurzem. Derselben ist die sogenannte Hamburger Norm zugrunde gelegt, welche auf den Stopppreisen von 1939 beruht. Obgleich diese seit 1946 aufgehoben sind und der Möbelindex seitdem auf 197 gestiegen ist, wird die Hamburger Norm immer wieder angewandt. Hiervon werden für die Vorabnutzung vor der Beschlagnahme 33 1/3 % abgesetzt, obgleich die mit sauer verdientem, erspartem Geld angeschafften Möbel einem außerordentlich starken Verschleiß ausgesetzt waren. Man macht dabei folgendes sehr interessante Rechenexempel auf. Man sagt: für jedes Jahr der Beschlagnahme werden 7 % Abnutzung gerechnet. Da seit Beginn der Beschlagnahme fünf Jahre herum sind, sind von der Hamburger Norm 5 mal 7 % gleich 35 % plus 33 1/3% für die Vorabnutzung, zusammen also 68 1/3 % abzuschreiben. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß sich niemand gegen die Behauptung wehren wird, diese Form der Abgeltung stelle ein Betrugsmanöver dar.
Wir haben in unserem Gesetzentwurf — und mit diesen Worten möchte ich zum Schluß kommen — eindeutig festgelegt, nach welchen Gesichtspunkten die Abgeltung zu geschehen hat. Wir haben dabei weitgehend geltendes deutsches Recht zugrunde gelegt. Ich sage aber abschließend noch einmal: die Besatzungsgeschädigten sollen sich überlegen, warum die großen Parteien dieses Hauses nicht den Mut hatten, einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen. Wir als Kommunisten werden jedenfalls auch hier für die Interessen der Besatzungsgeschädigten eintreten.
Meine Damen und Herren! Nach der Begründung durch den Herrn Antragsteller treten wir in die Aussprache ein. Der Ältestenrat hat dafür eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgesehen. — Da kein Widerspruch geltend gemacht wird, nehme ich die Zustimmung des Hauses dazu an. Ich bitte die Redner, sich entsprechend der festgesetzten Redezeit einzurichten. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Pfleiderer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, im Namen der Fraktionen der CDU, der DP und der FDP zu dem soeben eingebrachten Gesetzesantrag einige Worte zu sagen. Der Herr Abgeordnete Kohl hat soeben bemängelt, daß keine von den großen Parteien es bisher für nötig befunden habe, hier ein Gesetz vorzulegen. Ich darf auf diesen Punkt nachher zu sprechen kommen.
Der Entwurf, der uns vorgelegt worden ist, mutet uns alle sehr vertraut an; denn er ist eine Ausarbeitung der Arbeitsgemeinschaft der Landesverbände der Besatzungsgeschädigten.
Der Gesetzentwurf befaßt sich mit der Abgeltung aller Art von Leistungen — Dienstleistungen, Sach-
und Werkleistungen — für die Besatzungsmächte. Im Mittelpunkt steht jedoch die Abgeltung für die Nutzungsleistungen, und zwar insbesondere für die zur Verfügung gestellten Grundstücke. Ich glaube, es ist seit langer Zeit wohl das erste Mal, daß sich
die Fraktion der KPD so sehr der Interessen der Hausbesitzer annimmt, wie es in diesem Fall geschehen ist.
Wir sind hierüber sehr erfreut, und ich glaube, auch die Hausbesitzer sind erfreut, und wir wünschen, daß die Hoffnungen, die wir daran knüpfen, in der Zukunft nicht enttäuscht werden.
Der Entwurf, der vorgelegt worden ist, ist ein Interessentenentwurf. Er ist jedoch sehr sorgfältig ausgearbeitet. Es wird die Frage sein, ob er so, wie er ist, geltendes Recht würde werden können. Es ist eine Tatsache, daß auf diesem Gebiete, besonders auf dem Gebiete der Nutzungsleistungen, unendlich viel Beschwerden von seiten der betroffenen Deutschen vorliegen, und es hat sich als außerordentlich störend erwiesen, daß noch kein bundeseinheitliches Recht hier vorliegt. Wir werden jedoch prüfen müssen, ob es möglich ist, die Abgeltung so weitgehend vorzunehmen, wie es hier vorgeschlagen worden ist, und ob die Auszahlungen auch so rasch erfolgen können, wie es in § 32 des Gesetzentwurfs empfohlen wird. Denn wir müssen ja das eine berücksichtigen: die Besatzungsgeschädigten sind eine Gruppe von Geschädigten, und ganz Deutschland ist heute ein Staat von Geschädigten. Wir können nicht an die Schäden der Besatzungsgeschädigten herangehen, ohne nicht gleichzeitig an die Fliegergeschädigten und an die anderen Gruppen zu denken. Es wird also wahrscheinlich eine Begrenzung und eine zeitliche Verteilung Platz greifen müssen.
Aber ein Mangel haftet dem Entwurf an, denn dort ist die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Nach dem Besatzungsstatut, Art. 2 e, haben sich die Besatzungsmächte Sonderbefugnisse auf diesem Gebiet orbehalten, und man kann nicht über diese internationalen Bestimmungen einseitig hinweggehen. Das ist ja auch der Einwand gewesen, den man damals gegen den Antrag der Kommunistischen Partei gern ß Drucksache Nr. 8 zu erheben hatte, wo sie betreffend Besatzungskosten den Antrag stellte, den Alliierten mitzuteilen: „Wir können nicht mehr bezahlen, wir müssen eben um 50 % herunter". Solche einseitigen Maßnahmen sind unmöglich und unzweckmäßig, denn sie würden uns auf dem Wege zur allgemeinen Befriedung der Verhältnisse wieder zurückwerfen und nicht fördern.
Soviel ich unterrichtet bin, ist im Bundesfinanzministerium ein Referentenentwurf in Ausarbeitung begriffen, und es sind auch schon Besprechungen mit dem Petersberg aufgenommen worden. Man hat dort erklärt, diese deutschen Vorschläge entgegenzunehmen.
Das eine möchte ich aber hier — ich glaube, da darf ich im Namen aller Deutschen sprechen — offen sagen, daß auf dem Gebiete der Nutzungsleistungen politisch ein wunder Punkt in den ganzen Beziehungen zu den Besatzungsmächten noch vorliegt und daß wir alle dringend wünschen möchten, daß hier bald eine Beruhigung eintritt und daß der sich wandelnde Charakter der Besatzung sich eines Tages hier ausdrücken möge. Wir wünschen, daß die Besatzungslasten insgesamt gesenkt werden, daß diejenigen Einsparungen möglich sind, die wir brauchen, um diese Nutzungsleistungen angemessen entschädigen zu können. Ich glaube, alles, was dieses Hohe Haus tun konnte, hat es getan, indem es seinerzeit dem Antrag des Ausschusses für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zustimmte, Es ist damals beantragt worden, die Regierung zu ersuchen, Verhandlungen mit der Hohen
Kommission aufzunehmen, um ein einheitliches deutsches Gesetz für die Regelung des Vergütungs-
und Entschädigungsrechts herauszubringen. Damals hat das Hohe Haus zugestimmt, nur hat sich leider die kommunistische Fraktion damals nicht für die Besatzungsgeschädigten ausgesprochen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Das, was sachlich zu der Sache zu sagen
ist, hat mein sehr verehrter Kollege Dr. Pfleiderer
für die Regierungskoalition getan. Lassen Sie mich
nun noch einige Worte zum politischen Inhalt hinzufügen. Ich glaube, niemand war mehr erstaunt,
daß ausgerechnet die Kommunistische Partei
diesen Gesetzentwurf einbrachte, als die Arbeitsgemeinschaft der Landesverbände der Besatzungsgeschädigten selbst. Es ist in der Tat für uns ein
völlig neues Schauspiel, unseren sehr verehrten Kollegen Kohl so plötzlich als den leidenschaftlichen
und flammenden Befürworter der „Bourgeoisie"
und der „besitzenden Klasse" auftreten zu sehen.
Ich glaube, daß wir uns dieses Umschwenken merken werden. Ich habe für meine Person einige Befürchtungen für die Person unseres verehrten Herrn Kollegen Kohl; denn wie soll das ausgehen, wenn später einmal ein solcher Gesetzentwurf zugunsten der Bourgeoisie ein für alle Mal in den Moskauer Akten verewigt wird? Ich fürchte sehr für seine politische Zukunft! Eine Partei, die sich an sich die Vernichtung des privaten Eigentums zum größten und vornehmsten Ziel gesetzt hat,
heute plötzlich als flammende Befürworterin eines Gesetzentwurfs wie dieses hier auftauchen zu sehen, ist in der Tat für uns ein völlig neues Schauspiel. Wir wissen allerdings darum, daß es hier bestimmten Personen darauf ankommt, einen unnützen Zwiespalt zwischen uns und den Besatzungsmächten hervorzurufen, und daß wir auf alle Fälle darüber wachen müssen, daß hier nicht durch derartige Aktionen der KPD sinnlos Keile zwischen uns getrieben werden.
Wir wissen sehr genau, daß in der Ostzone von derartigen Entschädigungen keine Rede ist. Wir wissen ferner sehr genau, daß drüben auch nicht die Rede davon ist, die Aktionäre der jetzt volkseigenen Werke und anderer Besitzungen, die enteignet worden sind, zu entschädigen.
Wir wissen nur das eine, daß drüben die Leute sich
auf das einen Vers machen, was von seiten der sowjetischen Besatzungsmacht in der Ostzone angerichtet wird. Lassen Sie mich Ihnen ganz kurz den
Vers zitieren, den drüben die Bevölkerung auf dieses
Verhalten gemacht hat; er lautet folgendermaßen:
Für uns — da tun sie alles, und alles ohne Lohn;
sie woll'n nur unser Bestes, das meiste haben
sie schon.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Etzel .
Meine Damen und Herren! Weite Bevölkerungskreise, die als Besatzungsgeschädigte oder Besatzungsverdrängte in Betracht kommen, haben eine Sonderlast zu tragen; es werden ihnen Opfer zugemutet, die eigentlich die Allgemeinheit zu leisten und aufzubringen hätte. Es hätte erwartet werden dürfen, daß, wenn schon hier im Zwangswege in das Privateigentum eingegriffen wird, dann wenigstens die Regelung der Abgeltung der Ansprüche, der Gegenforderungen der aus ihren Heimen Vertriebenen und ihre Schadensersatzansprüche in einer den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften entsprechenden loyalen Weise erfolgte, mit anderen Worten, daß der Staat, wenn er hier schon als Zwingherr in das Privatrecht eingreift, dann wenigstens bei der Abgeltung der Ansprüche der Verdrängten nach den Grundsätzen eines loyalen und fairen Vertragspartners verfahren würde. Das ist nicht geschehen, und damit ist ein wesentlicher Grundsatz unserer abendländischen Kultur verletzt. Es ist gegenüber den Besatzungsverdrängten nach fiskalischen Grundsätzen und Gesichtspunkten gehandelt worden. Hier haben sich in der Stille oft viele Tragödien abgespielt, die nicht nach außen gedrungen sind. Es ist ein nobile officium der Bundesregierung und der Legislative, hier nach dem Rechten zu sehen und einen Zustand zu beenden, der unser unwürdig ist und einem großen Teil unserer deutschen Mitmenschen ein Opfer zumutet, das wir alle zu tragen hätten.
Nun ist von der Arbeitsgemeinschaft der Landesverbände der Besatzungsverdrängten oder Besatzungsgeschädigten der Versuch unternommen worden, eine solche Rechtsgrundlage vorzuschlagen. Dieser Vorschlag enthält die selbstverständlichen Prinzipien einer solchen Regelung. Der KPD-Antrag ist nichts anderes als die wörtliche Übernahme dieses von der Arbeitsgemeinschaft ausgearbeiteten Entwurfs.
Die formalrechtliche Vorfrage, ob hier die deutsche Legislative zuständig ist oder aber ob die Besatzungsmacht das Besatzungsrecht angewendet wissen will, sollte möglichst rasch geklärt werden. Uns kommt es vor allem darauf an, daß schnellstens ein Zustand beendet wird, den wir nicht billigen können.
Meine Fraktion hat am 15. Mai einen Antrag gestellt, der die Bundesregierung ersucht,
bei der Alliierten Hohen Kommission zu erwirken, daß die Abgeltung der Ansprüche natürlicher und juristischer Personen, die innerhalb des Gebiets der Bundesrepublik entstehen
a) aus der Inanspruchnahme von Leistungen und Lieferungen oder
b) anläßlich oder gelegentlich der Inanspruchnahme solcher Leistungen und Lieferungen für die Befriedigung der Bedürfnisse von Besatzungsstreitkräften und Angehörigen, Angestellten und Vertretern der Besatzungsbehörden,
nach rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Grundsätzen geregelt wird.
Wir haben weiterhin angeregt und gebeten, dahin zu wirken, daß im sechsten Jahr nach Beendigung der Kriegshandlungen diese Regelung beschleunigt erfolgt.
Wir haben diesen Antrag aus der Erwägung eingebracht, daß sich die Besatzungsmacht möglicherweise auf den Standpunkt stellt, daß hier das Besatzungsrecht zu gelten hat. Ich bin der Meinung, daß die Bundesregierung die Initiative durch die schleunige Vorlage eines Gesetzesentwurfs ergreifen soll und daß der Bundestag bei der Verabschiedung desselben es ruhig auf das Veto der Besatzungsmacht ankommen lassen könnte. Ich bin allerdings auch der Auffassung und verschließe mich nicht der Erwägung, daß es vielleicht empfehlenswert ist, gleichzeitig Verhandlungen mit der Besatzungsmacht darüber aufzunehmen, welchen Standpunkt sie in dieser formalrechtlichen Hinsicht einnimmt.
Der Antrag, auf den ich mir erlaubt habe, mich zu beziehen, ist am 17. Mai dem 7. Ausschuß überwiesen worden. Ich möchte mir gestatten anzuregen, daß die Bundesregierung auf zwei Gleisen fahren soll: erstens, raschestens ihren Initiativgesetzentwurf im Bundesrat einzubringen, und zweitens, gleichzeitig die Rechtslage bei der Alliierten Hohen Kommission zu klären. Uns ist der Weg vollkommen gleichgültig; es liegt uns ausschließlich an der Sache, daß ein Zustand beendet wird, der nicht den Grundsätzen des Rechts und der Moral entspricht.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fischer.
Ich komme hoffentlich nicht in den Verdacht, kapitalistische Hausbesitzerinteressen zu vertreten, wenn ich sage, daß meine Fraktion diesem Gesetzentwurf absolut positiv gegenübersteht. Ich weiß aus praktischer Erfahrung, daß sich ein sehr großer Teil dieser Besatzungsgeschädigten gerade aus Arbeiter- und Mittelstandskreisen rekrutiert
und daß hier ein Zustand entstanden ist, bei dem die Volksvertretung alle Veranlassung hat, nach schneller Abhilfe zu trachten und Wege zu begehen, die wirklich eine deutsche gesetzliche Grundlage ermöglichen.
Wir sind auch nicht der Auffassung, daß es in allem, was wir hier in diesem Hause behandeln, darauf ankäme, was für einen Gesetzentwurf die Bundesregierung hier nun etwa vorlegt. Denn wir glauben, daß der von den Besatzungsgeschädigten ausgearbeitete und von der kommunistischen Fraktion übernommene Entwurf nach unserem Dafürhalten eine sehr geeignete Grundlage darstellt, um zu einem brauchbaren Gesetz zu kommen.
Ich glaube, daß man bei diesem ganzen Fragenkomplex noch eins sehen muß, daß nämlich ein so großer Kreis von Personen und Familien betroffen ist, wie man sich das kaum vorstellen kann, wobei darüber leider keinerlei statistische Unterlagen vorliegen. In der Regel sind Besatzungs- und Fliegergeschädigte wenigstens auf lokaler Ebene zusammengeschlossen, und man darf ruhig sagen, daß bei der Fülle von Problemen auf diesem Gebiet, wo geschädigten Menschen irgendwie geholfen werden soll, gerade die Flieger- und Besatzungsgeschädigten noch am schlechtesten wegkommen.
Es ist doch so, daß durch die Besetzung von Häusern, ja von Betriebsanlagen, wirkliche Not- und Zwangslagen für viele Teile dieses Personenkreises entstanden sind. Ich bin der letzte, der die Nöte und Sorgen der Vertriebenen auch nur im entferntesten in den Hintergrund stellen möchte. Aber ich bin der Überzeugung, daß durch Fliegerschäden und nach 1945 durch Besatzungsschäden für Personen und Familien vielfach Schwierigkeiten entstanden
sind, die den Schwierigkeiten der anderen Geschädigten, Vertriebenen usw. gleichzustellen wären.
— Oh ja, in sehr vielen Fällen!
Man muß einmal sehen, wie man Besatzungsgeschädigte, deren Häuser seit mehr als vier oder fünf Jahren besetzt sind, untergebracht hat. Ich würde Ihnen nur wünschen, in eine Stadt wie die meines Wahlkreises Nürnberg-Fürth zu gehen, wo zunächst einmal das Internationale Militärtribunal war, mit einem Riesenapparat von Personal, und wo man in der Regel Privatgebäude und Privatwohnungen beschlagnahmt hat. Als wir die Hoffnung hatten, daß durch den Abschluß der Kriegsverbrecherprozesse eine Erleichterung erfolgen würde, da kam EUCOM von Berlin und besetzte neuerdings in der Regel die gleichen Gebäude.
Wir haben aber auch bei Betrieben die Tatsache festzustellen, daß sie verlagert werden mußten, weil sie innerhalb eines Areals lagen, das nur die Besatzungsmacht für sich in Anspruch nahm. Dabei hat es nicht nur technische, sondern auch materielle Schäden gegeben, die in keiner Weise durch die Besatzungskostenämter auch nur irgendwie abgegolten worden sind. Ich bin der Meinung: Gerade weil diese Belastung eines nicht unbeträchtlichen Teils unseres Volkes nach Beendigung der Feindseligkeiten entstanden ist, haben diese Menschen ein Anrecht darauf, daß sofort und möglichst schnell nach einer Lösung gesucht wird.
Wir haben doch die Tatsache zu verzeichnen, daß besonders für Wohnzwecke vielfach Häuser mit der ganzen Kraft einer Familie unter Hinzuziehung aller möglichen kleinen Ersparnisse usw. erbaut wurden und daß diese Menschen nun auf Jahre hinaus — man weiß nicht, auf wie lange — noch auf ihr Wohnrecht verzichten müssen. Leider ist es so, daß die Handhabung der Dinge durch die Besatzungsämter im deutschen Bund keineswegs einheitlich ist, ja man darf sagen, daß sie selbst in den einzelnen Besatzungszonen nicht einmal einheitlich erfolgt. Herr Abgeordneter Kohl hat in seiner Begründung darauf hingewiesen, daß allgemein 50 % der üblichen Mieten bezahlt werden und daß Hessen nur 7 % des Einheitswertes abgelten wird.
- Ich kenne die einzelnen Maßnahmen in den verschiedenen Ländern nicht. Aber es ist so, daß beispielsweise die US-Zone einen Teil der Kosten für die Schädenbeseitigung übernimmt, während dies nach meinen Informationen in der britischen Zone nicht geschieht. Das allein beweist die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung.
In der Praxis ist es aber auch so, daß Reparaturen an den Häusern in einer absolut unverständlichen Art und Weise vorgenommen werden, wogegen auch der Bundestag durch geeignete Gesetzesvorlagen und Gesetze vorgehen müßte. Man kann sagen, daß das Verhältnis sehr oft etwa so aussieht, daß an Mietentschädigungen, sagen wir, 500 DM ausbezahlt werden, wogegen jährlich etwa 1500 DM an Reparaturkosten aufgehalst werden, ob es sich nun dabei darum handelt, um ein Anwesen einen neuen Zaun zu ziehen, Bäder einzurichten, Wohnungen zu verändern oder Garagen zu errichten. Jedenfalls ist es immer so, daß sich ein Teil von Handwerkern diese besondere Situation sehr gern zunutze macht, daß von diesen Handwerkern Arbeiten ohne Einreichung eines Voranschlages durchgeführt werden und daß sehr häufig die aufgewendeten oder berechneten Kosten weit übersetzt sind.
— Es fragt sich! Bitte gehen Sie in die Praxis hinein oder besuchen Sie einmal eine Versammlung der Besatzungsgeschädigten, wo man Ihnen sehr gern mit stichhaltigem Material aufwarten wird.
Es ist bei der Möbelbenutzung auch so, wie hier dargestellt worden ist; ein Unrecht, das nach unserer Auffassung praktisch einer Enteignung gleichkommt.
Zum Schluß möchte ich kurz auch auf die Handhabung bei Personenschäden hinweisen. Hier hat man bei uns in Bayern nicht die Möglichkeit, etwa durch den Vertreter des Finanzministeriums gegen Entscheidungen des Claim Einspruch zu erheben oder eine Linderung eines endgültigen Urteils zu verlangen, sondern hier liegt die Entscheidung eines amerikanischen Offiziers, der in München beim Claim sitzt, vor, und damit hat es sein Bewenden. Dadurch sind bei Unglücksfällen mit tödlichem Ausgang, bei denen der Ernährer verunglückt ist und ihm die Schuld an dem Todesfall zugeschoben wurde, furchtbare Nöte entstanden.
Die Sozialdemokratie — ich möchte das hier betonen — ist absolut der Auffassung, daß in aller Schnelligkeit und in aller Eile und möglichst gründlich auf der Plattform des Gesetzentwurfes' der Arbeitsgemeinschaft der Besatzungsgeschädigten ein geeignetes Gesetz geschaffen werden sollte.
Herr Abgeordneter Fisch, das Schlußwort für den Herrn Interpellanten! — Drei Minuten bitte!
Fisch , Interpellant: Meine Damen und Herren! Ich kann die Gewissenskonflikte, in die wir den Sprecher der Partei des Herrn Dr. Adenauer durch unseren Gesetzentwurf gebracht haben, sehr gut verstehen.
Die Gewissenskonflikte des Herrn Dr. Vogel bestehen darin, daß er einerseits nicht abstreiten daß hier eine unsägliche Not von Tausenden von Menschen und der Zustand brutaler Rechtlosigkeit vorliegt, daß es sich aber andererseits um ein sehr heikles Problem handelt, daß es sich um Menschen handelt, die man Unter den Linden nicht gern grüßen möchte, weil sie einen an die Verpflichtung der Einlösung von Schulden erinnern, die von den höchsten Freunden der Partei des Herrn Dr. Vogel gefordert werden muß, eben von den Besatzungsmächten selbst. Ich kann verstehen, daß man solche Forderungen, die sich auf Willkürakte der Besatzungsmächte erstrecken, nicht gern übernimmt und daß man sich nicht gern zu ihren Sprechern macht.
Es ist hier davon gesprochen worden, es handle sich um eine Gruppe von Geschädigten schlechthin, wie es andere Gruppen von Geschädigten auch gebe. Meine Damen und Herren, wer die Probleme an Ort und Stelle in seinem eigenen Wohnort kennt, der weiß, daß es sich nicht um Geschädigte schlechthin handelt, sondern um die Opfer brutaler Willkürakte, um Opfer einer unsäglichen Arroganz und Kaltschnäuzigkeit, die von Leuten angewandt wird, die sich heute fünf Jahre nach Abschluß des Krieges wie Kolonialherren in einem unterworfenen Lande gegenüber Eingeborenen benehmen.
Na, Herr Abgeordneter!
Es sind nicht nur Bourgeois, die durch diese Maßnahmen betroffen sind. Jeder, der die Dinge kennt, weiß, daß es sich um Zehntausende von kleinen Leuten handelt. Hotelbesitzer, Besitzer großer Gaststätten, die beschlagnahmt worden sind, erhalten in der Regel eine sehr ordentliche Entschädigung. Aber die Besitzer kleiner Mietwohnungen, die Besitzer kleiner Eigenheime haben erleben müssen, daß man sie nicht nur aus den Wohnungen herausschmeißt, sondern daß man die Wohnungseinrichtungen willkürlich demoliert. Man weiß, daß solche Wohnungseinrichtungen auf Lastwagen transportiert und in die Wälder geschafft worden sind, mit Benzin übergossen und angezündet wurden. Man weiß, daß heute von Holzhändlern Bruchholz zum Preise von 60 Pf. pro Zentner angeboten wird, Bruchholz, das aus diesen alten Möbeln der herausgeworfenen Wohnungsinhaber besteht.
Man könnte solche Beispiele hier zu Dutzenden anführen. Worum es geht, das ist, daß der Bundestag eine klare Rechtsforderung von Hunderttausenden von Menschen anerkennt, daß er sich für die Einlösung einer Ehrenschuld gegenüber diesen Geschädigten einsetzt. Wenn hier Einwände in der Art gebracht werden, man sei vielleicht nicht zuständig für ein Problem, das die Befehlsgewalt der Besatzungsmächte angehe, so möchte ich vorschlagen: Bitte, wenn das der einzige Einwand ist, den Sie haben, dann arbeiten Sie mit uns gemeinsam so schnell wie möglich an der Fertigstellung eines brauchbaren Gesetzes. Beschließen Sie einstimmig die Annahme des Gesetzes, und dann möge der Petersberg erklären, daß ein solches Gesetz seinen Interessen widerspricht, weil es der Bewegungsfreiheit seiner Kolonialsoldaten und ihren Willkürakten Schranken anlegt.
Ich schließe die Aussprache. Wir überweisen die Drucksache Nr. 978 an folgende Ausschüsse: erstens an den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen federführend, zweitens an den Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten.
— Meinen Sie nicht?
Wollen wir die Drucksache noch an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht geben?
— Also nehmen wir den Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungswesen und den Ausschuß für innere Verwaltung. — Einverstanden? — Gut, demgemäß beschlossen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen damit zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten aus Aktien während der Wertpapierbereinigung .
Der Ausschuß schlägt eine Redezeit von 10 Minuten vor. Ich darf diesbezüglich an den Herrn Staatssekretär Dr. Hartmann appellieren. Ich hoffe, daß er auch da ist; er war doch eben da. — Oder sind Sie zuständig, Herr Justizminister Dr. Dehler? — Keine Aussprache und dann Überweisung an den Ausschuß. Das Wort hat der Herr Justizminister Dr. Dehler.
Meine Damen und Herren! Ich kann im wesentlichen auf die schriftliche Begründung der Vorlage des Entwurfs eines Gesetzes über die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten aus Aktien während der Wertpapierbereinigung Bezug nehmen. Der Entwurf ist eine Folge des Wertpapierbereinigungsgesetzes, das der Wirtschaftsrat für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet am 19. August vorigen Jahres beschlossen hat. Nach diesem Gesetz werden alle Wertpapiere, die bis zum 8. Mai 1945 ausgestellt worden sind und für die keine Lieferbescheinigung besteht oder innerhalb einer bestimmten Frist nicht ausgestellt wird, für kraftlos erklärt. Daraus folgt jetzt für die Übergangszeit bis zur Durchführung der Wertpapierbereinigung eine Art Rechtshemmung für die materiell Berechtigten, die ihre formale Berechtigung noch nicht nachweisen können.
Hier will jetzt das Gesetz, das Ihnen vorliegt, eine einstweilige Regelung schaffen. Die Hauptversammlungen der Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien, die jetzt durchgeführt werden müssen, stehen vor bedeutsamen Fragen: DM-Eröffnungsbilanz, Kapitalneufestsetzung. Wenn wir hier nicht eingreifen, dann wären schätzungsweise 80 % der Aktionäre rechtlos. Dieses Intervall soll durch das Gesetz geschlossen werden. Der Vorschlag geht dahin, dais an Stelle der Legitimation durch die Aktienurkunde vorübergehend die Möglichkeit eines besonderen Ausweises als Aktionär geschaffen wird.
Die Entscheidung darüber treffen auf Grund der Bestimmungen des Gesetzes der Vorstand der Aktiengesellschaften, bei den Kommanditgesellschaften auf Aktien die persönlich haftenden Gesellschafter. Aus diesem Ausweis entsteht kein materielles Recht auf Gewinnanteil oder auf Abwicklungserlös, sondern nur die Möglichkeit der Geltendmachung von Mitgliedschaftsrechten. Die Gültigkeit dieser Ausweise besteht nur so lange, bis auf Grund des Wertpapierbereinigungsgesetzes der wirklich materiell Berechtigte in der Form festgestellt wird, daß ihm auf dem Sammeldepotkonto eine Gutschrift erteilt wird. Im einzelnen wird die Bestimmung getroffen, daß keine Möglichkeit der nachträglichen Anfechtung der Beschlüsse der Hauptversammlung besteht, wenn auf Grund der Wertpapierbereinigung ein anderer materiell Berechtigter festgestellt wird.
Zwischen dem Entwurf der Regierung und dem Bundesrat hat hinsichtlich der Namensaktie eine Meinungsverschiedenheit bestanden. Mein Entwurf hatte vorgesehen, daß nicht die Eintragung im Aktienbuch allein bei der Namensaktie genügen soll, sondern daß auch noch der besondere Ausweis vorgelegt werden muß. Der Bundesrat hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß die Eintragung im Aktienbuch genügen soll. Ich stimme insoweit der Beschlußfassung des Bundesrats zu. Im übrigen darf ich auf die Einzelheiten der Vorlage Bezug nehmen.
Sie haben die Ausführungen des Herrn Justizministers gehört. Eine Aussprache findet nicht statt. Ich darf das Einverständnis des Hauses damit annehmen, daß die Drucksache Nr. 985 als dem Ausschuß für Geld und Kredit und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen gilt. — Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der
Bayernpartei eingebrachten Entwurfs eines Ge-
setzes über die Zulassung neuer Krankenkassen .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen gemäß § 88 der Geschäftsordnung vor, lediglich eine Begründung von 10 Minuten entgegenzunehmen und alsdann den Entwurf ohne Aussprache an den Ausschuß zu überweisen. Das Wort hat Herr Abgeordneter Rahn.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte den vorliegenden Antrag der Bayernpartei kurz begründen. In der Verordnung vom 10. Oktober 1934 verbot der Nationalsozialismus die Errichtung neuer Krankenkassen. Grund und Zweck war, auch in der Krankenversicherung die Gleichschaltung vorzubereiten; die Verordnung unterdrückt insbesondere das Selbstbestimmungsrecht der Gemeindeverbände, der Betriebsunternehmer und der Innungen, neue Landkrankenkassen, Betriebskrankenkassen und Innungskrankenkassen zu errichten — §§ 231, 245 und 250 der RVO —, und mißachtet das Mitwirkungsrecht der beteiligten Arbeitnehmer. Die bezeichneten Sonderkassen berücksichtigen die arteigenen Bedürfnisse ihrer Versicherten und sind zugleich geeignet, auch auf anderen Gebieten das Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu fördern; der mißbräuchlichen Gründung von Sonderkassen treten die allgemeinen Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Errichtung von Krankenkassen entgegen —§§ 225 ff. RVO —.
Im besonderen Auftrage des bayerischen Landtages hat die bayerische Staatsregierung schon vor längerer Zeit beim Bundesarbeitsministerium die Aufhebung des Verbotes beantragt.
In der französischen Besatzungszone hat die Militärregierung durch ihre Verordnung vom 9. Juni 1949 die Art. 8 und 9 ihrer Verordnung vom 27. April 1946, die neben den Allgemeinen Ortskrankenkassen und den knappschaftlichen Krankenkassen die anderen Kassenarten löschte, wieder aufgehoben und den gesetzgebenden Körperschaften der französischen Zone die Freiheit des Handelns zurückgegeben; von dieser Befugnis hat das Land Württemberg-Hohenzollern Gebrauch gemacht.
Da die Bundesregierung die berechtigten und dringenden Erwartungen der Gemeindeverbände, der Betriebsunternehmer, der Innungen und der beteiligten Arbeitnehmer nicht erfüllt, ist eine Gesetzesvorlage aus der Mitte des Bundestags notwendig.
Ich bitte das Haus, unseren Antrag zu unterstützen.
Sie haben die Ausführungen des Herrn Einbringers der Gesetzesvorlage gehört. Ich darf Ihr Einverständnis annehmen, daß die Drucksache Nr. 1019 als an den Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen gilt.
Punkt 5 der Tagesordnung ist bereits gestern erledigt worden, und wir können ihn übergehen. Wir kommen zu Punkt 6:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Personalausweise .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen nach § 88 der. Geschäftsordnung vor, sich mit 10 Minuten Begründung durch die Herren Einbringer — die Bundesregierung — und einer Aussprache von 40 Minuten zu begnügen. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich stelle das Einverständnis fest. Das Wort hat der Herr Bundesinnenminister.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu dieser Vorlage über Personalausweise in Kürze drei Dinge: Erstens die Frage: Warum überhaupt ein Gesetz? Antwort: Die Rechtsverhältnisse auf diesem Gebiet sind derart zersplittert, sowohl von Zone zu Zone als auch innerhalb der Zonen, daß wenigstens eine Vereinheitlichung Platz greifen muß. Es kann dabei nur die Frage erhoben werden, ob man Personalausweise überhaupt fortführen will. Das wird Gegenstand der besonderen Überlegungen im Ausschuß sein müssen.
Die Regierung steht auf dem Standpunkt — und das wäre der zweite Problemkreis —, daß ein Personalausweis bestehen sollte. Ich dart daran erinnern, daß wir in einem seltenen Maße nach dem Kriege ein Fluktuieren der Bevölkerung erlebt haben, das in keiner Weise zum Abschluß gekommen ist. Wenn Pressemitteilungen stimmen, so haben die Hohen Kommissare gerade in diesen Tagen die bisherigen Beschränkungen für die Freizugigkeit aufgehoben. Die Bundesregierung hat sich darum seit langem bemüht, und wir würden eine derartige Maßnahme der Hohen Kommissare außerordentlich begrüßen. Wenn aber die Freizügigkeit im ganzen Bundesgebiet wieder hergestellt wird, so ist damit zu rechnen, daß sich daraus abermals ein erhebliches Fluktuieren der Bevölkerung entwickeln wird. Das dürfte Anlaß sein, die Identität der Person durch eben solche Personalausweise festzuhalten.
Im übrigen bitte ich zu berücksichtigen, daß die Personalausweise für viele Arten von anderen amtlichen Vorgängen die Grundlage sind. Eine Reihe von Bescheinigungen anderer Art basiert auf der Verkoppelung mit dem Personalausweis, z. B. die Ausstellung eines Interzonenpasses, Ausstellung von Flüchtlingsscheinen und dergleichen mehr. Wir würden also, wenn wir den Personalausweis als solchen abschafften, bei etlichen anderen Dingen neue Regelungen treffen müssen, weil sie bisher nur in der Verkoppelung mit dem Personalausweis funktionieren. Deshalb also das Votum der Bundesregierung, dem sich auch der Bundesrat angeschlossen hat dahingehend, daß Personalausweise bestehen sollten.
Die dritte und letzte Frage wird die sein, wie man diesen Personalausweis auszustatten hat. Er muß in etwa für das Bundesgebiet einheitlich sein. Er wird sicherlich auch nach Ihrer aller Zustimmung ein Lichtbild beinhalten. Problematisch ist der Fingerabdruck. Der Fingerabdruck wird empfohlen, weil er die einzige Unterschrift ist, die wirklich nicht gefälscht werden kann. Wenn wir also etwas tun wollen, wollen wir etwas Gründliches tun und deshalb Personalausweise mit Fingerabdruck fordern.
Ich bitte den Bundestag, das einzelne in dem Ausschuß zu erwägen. Dabei wird auch Gelegenheit sein, zu den Änderungsvorschlägen des Bundesrates Stellung zu nehmen.
Sie haben die Ausführungen des Herrn Bundesinnenministers gehört. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Arnholz. 8 Minuten bitte.
Meine Damen und Herren! Grundsätzlich begrüßt die Fraktion der SPD es, wenn Schritte unternommen werden, das Recht im Geltungsbereich des Grundgesetzes zu vereinheitlichen. Insofern erkennen wir die Absicht an, das Personalausweiswesen durch ein Rahmengesetz bundeseinheitlich zu regeln, dessen Entwurf uns in Drucksache Nr. 1032 vorliegt. Es muß unseres Erachtens aber ge-
prüft werden, ob überhaupt ein Ausweiszwang erforderlich ist. Die Bundesregierung hat anscheinend selbst Zweifel daran; denn in Abs. 4 ihrer Begründung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf bejaht sie nicht unbedingt diesen Zwang, sondern sie sagt, die Beibehaltung des allgemeinen Ausweiszwanges wird bejaht werden müssen. Schon daraus ergibt sich, daß ein gewisser Zweifel wohl vorhanden ist.
Uns will scheinen, daß ein Staat solche Maßnahmen nur dann ergreift, wenn er sich irgendwie innerlich bedroht fühlt. Dieses Verhalten ist die typische Furcht der „Diktatoren" und der Diktaturen. Im allgemeinen richten sich solche Maßnahmen gegen Illegalität, zu der ja zumal in einer Demokratie Veranlassung nicht bestehen sollte. Wenn sie im geringen Umfange vorhanden sein sollte, nun, dann glauben wir, ist die Bekämpfung auch auf anderem Wege als durch den Ausweiszwang möglich. Es ist nicht recht einzusehen, weshalb ein besonderer Personalausweis neben anderen gültigen Lichtbildausweisen eingeführt oder aufrechterhalten werden soll, z. B. neben einem gültigen Paß oder einem Führerschein. In diesem Punkt weichen wir von der Auffassung des Bundesrates ab, der den Paß nicht anerkennen will.
Grundsätzlich abzulehnen ist, daß diese Frage, wie der Bundesrat es vorschlägt, in einem späteren Paßgesetz geregelt werden soll. Eine solche Verzettelung der Bestimmungen macht die Gesetzgebung unübersichtlich. Vorschriften über Personalausweise gehören in das Personalausweisgesetz und nicht in ein später zu erlassendes Paßgesetz.
Dagegen teilen wir die Bedenken des Bundesrates gegen die Fingerabdrücke. Die Einführung dieser Fingerabdrücke bei den Personalausweisen hat seinerzeit fast allgemeinen Unwillen erregt. Im ) Bewußtsein der Bevölkerung verbindet sich mit dem Nehmen eines Fingerabdruckes die Vorstellung der Aufnahme in das sogenannte Verbrecheralbum. Daraus erklärt sich die innere Abneigung weitester Kreise der Bevölkerung gegen eine solche Maßnahme.
Wenn die Begründung der Bundesregierung sagt, daß ein tunlichst schlüssiger Nachweis der Identität nur durch Lichtbild und Fingerabdruck möglich sei, so beweist das Wort „tunlichst" schon, daß wohl auch die Bundesregierung einen absolut schlüssigen Nachweis der Identität auf diese Weise nicht als gegeben ansieht. Wir sollten nicht übersehen, daß die der Praxis näher als die Bundesregierung stehenden Mitglieder des Bundesrates die Meinung vertreten, daß durch die Aufnahme des Lichtbildes den praktischen Bedürfnissen hinreichend Rechnung getragen ist.
Im übrigen ist die Auffassung der Bundesregierung nicht ganz überzeugend. Wer so raffiniert ist, daß er auf einem Paß das Lichtbild einer anderen Person durch sein eigenes ersetzt oder Stempelabdrücke anbringt, wird auch die Bundesregierung enttäuschen bezüglich ihrer Stellungnahme zu dem betreffenden Abänderungsvorschlag des Bundesrates. Die Bundesregierung behauptet, der Fingerabdruck sei die einzige nicht fälschbare, unveränderliche Unterschrift. Nun, unveränderlich dürfte sie wohl sein, da beim Fingerabdruck ja wohl eine Urkundenfälschung im engeren Sinne nicht möglich ist. Aber wie will man denn die Herstellung einer falschen Urkunde mit einem echten Fingerabdruck auf einem nachgemachten oder gestohlenen echten Vordruck mit dem richtigen Lichtbild des Inhabers und mit Stempelabdrücken verhindern, die etwa von einem echten Stempel her vervielfältigt oder die mit Hilfe von gestohlenen oder nachgemachten Stempeln angefertigt worden sind? Ich glaube also auch, es ist nicht ganz schlüssig, wenn von der Bundesregierung gesagt wird, daß der Fingerabdruck die einzige nicht fälschbare Unterschrift sei. Wir sind sehr skeptisch gegen diese Ansicht hinsichtlich der einzigen nicht fälschbaren Unterschrift.
Nach unserer Meinung muß aber unter allen Umständen die Extra-Ausfertigung einer amtlich angeordneten Ausstellung eines Ausweises gebührenfrei sein. Die Regelung dieser Frage darf nicht, wie es der Bundesrat vorschlägt, den Ländern überlassen bleiben. Dadurch würde erneut eine Rechtszersplitterung ermöglicht werden, und die Bundesregierung ist meines Erachtens inkonsequent, wenn sie dem diesbezüglichen Vorschlag des Bundesrats zustimmt. Die Formulierung des Entwurfs müßte meinen Ausführungen entsprechend auch in Richtung einer zweifelsfreien Klarstellung der Gebührenfreiheit geändert werden. Die Erhebung einer Gebühr für die Erstausfertigung eines solchen Ausweises widerspräche dem allgemein anerkannten Grundsatz, daß für solche Amtshandlungen Gebühren nicht zu erheben sind, die überwiegend im öffentlichen Interesse vorgenommen werden. Wenn schon ein Ausweiszwang eingeführt oder aufrechterhalten wird, dann ist eben die Ausstellung der jeweils ersten Ausfertigung überwiegend im öffentlichen Interesse; insofern muß also die Gebührenfreiheit unter allen Umständen gewährleistet werden. Aber selbst wenn die Gebührenfreiheit aufrechterhalten wird, bleibt eine unnötige Belastung der Bevölkerung für die Beschaffung der Lichtbilder bestehen, wenn nicht der schlüssige Nachweis erbracht wird, daß die Aufrechterhaltung des Personalausweiszwanges unbedingt erforderlich ist.
Die hier dargelegten Zweifel und Bedenken müssen unseres Erachtens zunächst geklärt werden. Ich beantrage daher namens meiner Fraktion die Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für die Angelegenheiten der inneren Verwaltung.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Ewers. 3 Minuten bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Daß bei dem gegenwärtigen Zustand der Bundesrepublik ein allgemeiner Ausweis sehr erwünscht ist, wird jeder einsehen, und ich möchte glauben, daß das Parlament insofern der Bundesregierung folgen kann. Daß man aber glaubt, bei solch allgemeinen Ausweisen Methoden anwenden zu müssen, die zunächst einmal vom Dritten Reich zum allgemeinen Erstaunen eingeführt wurden, und daß man sie nun übernehmen will, das setzt meine Fraktion in Erstaunen. Mag der Fingerabdruck für kriminalpolitische Zwecke anders geartet sein als der einfache Daumen- oder Zeigefingerabdruck auf einem Ausweis, so ist jedenfalls die Tatsache, daß man nur von solchen Leuten einen Fingerabdruck zu fordern pflegte, gegen die man irgendeinen Verdacht hat, nicht von der Hand zu weisen. Es liegt nichts dafür vor, daß man in Bausch und Bogen ganz allgemein jedem Staatsbürger zumutet, daß er mit seinem Ausweis mogeln würde, wenn er nicht kriminell erprobte Beweismittel beschaffe. Eine solche Auffassung haben wir von dem Wesen unserer Staatsbürger nicht.
Ich habe für meine Fraktion — und dazu reichen drei Minuten vollkommen aus — zu erklären, daß für uns das ganze Gesetz unannehmbar ist, wenn
diese Bestimmung des Fingerabdrucks erhalten bleibt.
Die übrigen Bemerkungen meines Herrn Vorredners haben wir mit Interesse gehört. Auf sie mag im Ausschuß näher eingegangen werden.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Meine Herren und Damen! Auch meine Fraktion ist der Auffassung, daß nach diesem Gesetzentwurf die Bevölkerung einem Verfahren unterstellt werden soll, das bisher nur bei kriminellen Vergehen und kriminellen Verbrechern angewandt wurde, nämlich neben dem Lichtbildausweis auch noch einen Fingerabdruck zu fordern. Der Bundesrat hat bereits darauf hingewiesen, daß der Identitätsnachweis durch den Lichtbildausweis vollkommen gegeben ist. Ich möchte hier noch darauf hinweisen, daß diese Methoden bereits die Nazis bei politisch Inhaftierten anwandten, um damit die politisch Inhaftierten mit den kriminellen Verbrechern gleichzustellen. Das war bei ihnen eine ganz besondere Methode. Ich möchte Sie, wenn Sie dieses Gesetz beraten, daran erinnern, daß sich manch einer, gleich mir, noch der Diffamierungsmethode erinnern wird, die von den Nazis damals angewandt worden ist. Es ist eine schlechte Angelegenheit, wenn jetzt dieselbe Diffamierungsmethode auf die westdeutsche Bevölkerung angewandt werden soll.
Meine Fraktion wird diesem Gesetz ihre Zustimmung nicht geben, wenn dieses Verfahren beibehalten wird.
Herr Abgeordneter Dr. Bertram. Bitte drei Minuten.
Meine Damen und Herren! Die wesentlichen Gesichtspunkte, die bei diesem Gesetz
anzumerken sind, sind vorgetragen. Mir scheint aber
noch ein Gesichtspunkt wichtig zu sein. Das sind die Kosten der Ausstellung dieser Ausweise. Wenn wir davon ausgehen, daß über 30 Millionen Ausweise notwendig sind und ein Ausweis — sagen wir —3 Mark erfordert, so würde das ein Gesamtauf wand von annähernd hundert Millionen Mark sein. Ich weiß nicht, ob die polizeilichen Wünsche, die im Innenministerium bei der Vorlage dieses Gesetzes Pate gestanden haben, tatsächlich so wichtig sind, daß eine solch große Ausgabe überhaupt nötig wird.
Ich komme zu einer zweiten Frage. Wenn gesagt wird, der Fingerabdruck in dem Ausweis sei die einzige unverwechselbare Unterschrift, so ist es doch so, daß auch jemand da sein muß, der sie vergleichen kann. Man kann einen Fingerabdruck nicht ohne weiteres vergleichen, indem man den Daumen nimmt und den Paß oder die Ausweiskarte danebenhält. Zum Vergleichen gehört eine gewisse Kenntnis und Erfahrung. Während ein Bild und eine Unterschrift von jedem Kontrollbeamten, von jedem Polizeibeamten verglichen werden kann, läßt sich ein Fingerabdruck nicht unmittelbar vergleichen. Auch aus diesem Grunde ist der Fingerabdruck für die vorgesehenen Zwecke ungeeignet und sollte aus dem Gesetz verschwinden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Dann schließe ich die Aussprache über die Drucksache Nr. 1032 und darf das Einverständnis des Hauses damit annehmen, daß die
Drucksache Nr. 1032 an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung überwiesen wird.
Wir kommen zu Punkt 7 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Aussprache eine Redezeit von 60 Minuten vor. Ich bitte den Herrn Bundesminister Niklas, mit einer Zeit von 10 Minuten für die Einbringung des Gesetzes auskommen zu wollen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Meine Damen und Herren! Ich kann mich sogar wesentlich kürzer fassen; denn das Vieh- und Fleischgesetz ist das kürzeste der vier Marktordnungsgesetze, die Ihnen vorgelegt werden.
Im Mittelpunkt der gesamten Regelung steht der Markt. Zweck des Gesetzes ist es, im Viehverkehr dem Markt wiederum die Bedeutung zukommen zu lassen, die er nun einmal im Laufe des letzten Jahrhunderts erworben hat. Es bringt immer Nachteile mit sich, wenn die Bedeutung des Marktes mißachtet wird. Wir haben das in der Zwangswirtschaft während des ersten und des zweiten Weltkrieges zur Genüge gespürt. Es sollen im Einvernehmen mit den Landesregierungen über das ganze Bundesgebiet verteilt 24 Großviehmärkte geschaffen werden. Auf diesen Großviehmärkten wird sich an den von den Landesregierungen festgesetzten Tagen zu festgesetzten Stunden das Marktgeschehen vollziehen. Verboten bleibt nach alter Übung der Handel über Kopf oder über Haupt, wie die technischen Ausdrücke heißen. Der Handel ist nach wie vor als Handel nach Lebendgewicht vorgeschrieben. Amtliche, von den Kommunalverwaltungen wie bisher zu bestellende Verwäger stellen das Lebendgewicht fest. Es wird ein amtlicher Schlußschein ausgestellt. Das ist die Basis für die weiteren Aktionen. Zunächst dreht es sich darum, an Hand dieser amtlichen Schlußscheine eine amtliche, hieb- und stichfeste Marktnotierung zu ermöglichen, die das wahre Gesicht der tatsächlichen Marktverhältnisse zeigt. Weiter dreht es sich darum, die Marktnotierungen — sozusagen als Fernphotographie — an die Interessenten, vor allem an die Landwirte hinauszugeben, die dem Markt nicht beiwohnen können, um sie an Hand dieser amtlichen Verlautbarungen über den tatsächlichen Verlauf des Marktes und seine Tendenz zu unterrichten.
Zusammenfassend kann ich sagen, daß auf diesem Gebiet alles das neu zusammengefaßt ist, was sich in der kaiserlichen und in der Weimarer Zeit bewährt hat.
Ein weiterer Punkt ist die Vorratsstelle. Hier handelt es sich im Gegensatz zum Getreide-, zum Zucker- und zum Milch- und Fettgesetz nur um eine innerdeutsche Regelung. Sie wissen, der Fleischanfall ist im ganzen Jahr nicht der gleiche. Von Dezember bis Mai liefern die Winterstallmastgebiete, von Juli bis Dezember die Weidemastgebiete. Das Intervall wird durch die Gebiete gedeckt, die eine über das ganze Jahr sich gleichbleibende Viehproduktion haben. Aber der Anfall ist wie gesagt nicht gleich. Infolgedessen muß eine Vorratsstelle da sein. Früher haben das der Handel und das verarbeitende Gewerbe besorgt, die das jetzt wegen Kapitalknappheit nicht mehr tun können. Die Vorratsstelle nimmt die Ausgleiche vor.
Der Bundesrat ist darüber hinausgegangen und hat auch eine Einfuhrstelle vorgesehen. Daneben schlägt er zur Tragung der Kosten dieser Einfuhrstelle eine Steuer für Vieh vor. Es ist dem Bundestag überlassen, zu entscheiden, inwieweit diesem weitergehenden Wunsch des Bundesrats Rechnung zu tragen ist. Die Bundesregierung hat jedenfalls die Auffassung, daß das vorliegende Gesetz alle Maßnahmen enthält, die eine Gewähr dafür bieten, daß die Verhältnisse auf dem Gebiete des Vieh- und Fleischverkehrs geregelte bleiben.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dannemann. Acht Minuten bitte!
Meine Damen und Herren! Während des Krieges und in den ersten Nachkriegsjahren wurde versucht, die Versorgung der Bevölkerung mit den wichtigsten Nahrungsmitteln mit Hilfe des Bewirtschaftungsnotgesetzes, der dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen und des Kostendeckungsgesetzes sicherzustellen. Wir alle kennen noch zur Genüge die Auswirkungen all dieser Zwangsbewirtschaftungsmaßnahmen, die auf der einen Seite der Landwirtschaft die unerfreulichen Zwangskontingente und Zwangskontrollen auferlegten und auf der anderen Seite dem Konsumenten auch mit Hilfe des unerwünschten Markensystems doch nicht genügend Nahrungsmittel zur Verfügung stellen konnten. Ich glaube, es wird keiner hier im Hause sein, der sich diesen Zustand der Zwangsbewirtschaftung zurücksehnt.
Andererseits liegt nun aber die Tatsache vor, daß wir im Bundesgebiet nur 60% der benötigten Nahrungsmittel selber erzeugen können, während 40% eingeführt werden müssen. Es wird Aufgabe der Staatsregierung sein müssen, die Eigenerzeugung und die Einfuhr so aufeinander abzustellen, daß einmal unsere Landwirtschaft existenzfähig bleibt, auf der anderen Seite aber auch der Konsument jederzeit die Nahrungsmittel, und zwar zu erschwinglichen Preisen, bekommen kann.
Sicher hat die Liberalisierung sich im großen und ganzen befruchtend und belebend auf das gesamte Wirtschaftsleben ausgewirkt. Auch die Landwirtschaft wird um eine gewisse Liberalisierung nicht herumkommen. Das Tempo und der Umfang, mit und in dem jedoch in den letzten Monaten auf dem Agrarsektor liberalisiert worden ist, erfüllt unsere Landwirtschaft mit äußerster Sorge. Wenn bislang nach dem Importausgleichsgesetz und dem Bewirtschaftungsnotgesetz immer noch ein gewisser Schutz — gegenüber der viel günstigeren Lage der Landwirtschaft des Auslandes — gegeben war, so ist festzustellen, daß dieser Schutz nach Ablauf der Frist am 30. Juni fortfällt.
Das Eintreten dieses unmöglichen Zustandes soll jetzt durch die von der Regierung vorgelegten — leider reichlich spät vorgelegten — Agrargesetze verhindert werden. An der Notwendigkeit dieser Gesetze dürfte grundsätzlich nicht zu zweifeln sein; Form und Inhalt jedoch werden noch einer sehr ernsthaften Untersuchung und Beratung unterzogen werden müssen.
Eines der wichtigsten dieser Gesetze ist zweifellos das Vieh- und Fleischgesetz. Eine gewisse Ordnung wird, wie wir eben aus den Ausführungen des Herrn Ernährungsministers gehört haben, in Zukunft zweifellos notwendig sein, wobei ganz besonderes Gewicht auf die amtlichen Notierungen und vor allen Dingen auf eine bundeseinheitliche Einreihung in Handelsklassen gelegt werden muß. Mit aller Entschiedenheit jedoch müssen irgendwelche beabsichtigten Zwangskontingentierungen, Zwangsablieferungen und Zwangszuteilungen abgelehnt werden.
Notwendig sind gleichfalls die im Gesetz vorgesehenen Vorratsstellen, die nach unserer Auffassung den Vorschlägen des Bundesrats entsprechend in Einfuhr- und Vorratsstellen umgewandelt werden sollten, wobei wir größtes Gewicht darauf legen müssen, daß die Wirtschaft und die beruf ständischen Organisationen weitestgehenden Einfluß in diesen Einfuhr- und Vorratsstellen erhalten. Die Einfuhr- und Vorratsstellen geben uns die Gewähr, daß in Zeiten des Überflusses überflüssige Mengen aus dem Markt herausgenommen werden können, damit sie in Zeiten des Mangels der Bevölkerung wieder zur Verfügung gestellt werden können.
Sehr wesentlich erscheint uns ebenfalls die Bildung privatrechtlicher Marktgemeinschaften, die auf freiwilliger Grundlage Produktion und Versorgung in Einklang zu bringen haben.
Die Fraktion der Freien Demokraten stimmt diesem Entwurf grundsätzlich zu, hält es jedoch für unbedingt erforderlich, daß manche Bestimmungen, die nach dem Wortlaut des Gesetzes große Ähnlichkeit mit den hinter uns liegenden Reichsnährstandsbestimmungen haben, einer gründlichen Überprüfung zugeführt werden. Wir von der FDP beantragen daher die Überweisung dieses Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Vizepäsident Dr. Schäfer: Das Wort hat Herr Abgeordneter Kriedemann, 12 Minuten.
Meine Damen und Herren! Wer von dem gegenwärtigen Stand der Bemühungen um die Marktordnung Kenntnis hat, wird es recht merkwürdig empfinden, wenn er jetzt zu einem neuen Gesetzentwurf auf diesem Gebiete Stellung nehmen soll. Immerhin hat der Ernährungsausschuß vor 14 Tagen bei der ersten Beratung des ersten Gesetzes zur Marktordnung, des sogenannten Getreidegesetzes, seine Beratungen unterbrochen, um zunächst einmal zu klären, ob die von der Bundesregierung beabsichtigte Politik — ausgedrückt in der Mitteilung, daß in Zukunft Subventionen nicht mehr gezahlt werden sollen — überhaupt noch die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung oder für die Einführung einer wirksamen Marktordung bietet.
Nach einer 14tägigen Pause haben wir gestern im Ernährungsausschuß Gelegenheit gehabt, die zuständigen Herrn des Bundesministers in dieser Frage zu hören, und es wird sich meiner Meinung nach erst herausstellen müssen, ob die dem Ausschuß gestern gemachten Mitteilungen es erlauben, an der Marktordnung so, wie sie mit dem ersten Gesetz und einigen weiteren Gesetzen beabsichtigt wird, weiter zu arbeiten. Wir haben doch gestern bestätigt bekommen, daß die finanziellen Mittel, deren Bereitstellung von allen Seiten — ich betone: von allen Seiten — für unerläßlich gehalten wird, wenn man eine Marktordnung herstellen, in diesem Falle den Brot- und Getreidepreis sichern will, nicht mehr zur Verfügung stehen und daß man noch nicht weiß, woher man sie sonst eventuell nehmen soll.
Wir haben außerdem gestern erfahren, daß wir höchstwahrscheinlich noch einen sehr schweren politischen Kampf mit den Vertretern der Besat-
zungsmächte durchfechten müssen, um überhaupt die Einrichtungen zu erhalten, ohne die eine Marktordnung unmöglich durchgeführt werden kann und ohne deren Vorhandensein und ohne deren ausreichende Stärkung eine Marktordnung nur auf dem Papier stehen würde.
Zur Überwindung gerade dieser Widerstände wird es notwendig sein, daß man sich auf allen Seiten dieses Hauses einheitlich zusammenfindet, und ich bedauere in diesem Zusammenhang besonders, daß man uns die Marktordnung so stückweise vorgelegt hat und daß sie keinen Zusammenhang erkennen läßt, daß sogar offenbar bei der Regierung oder beim zuständigen Ressort oder bei den beteiligten Wirtschaftskreisen die Meinung vertreten ist, man könnte auf dem einen Gebiet anders als auf einem anderen Gebiet verfahren.
Diese Unklarheit tritt besonders bei den Einrichtungen in Erscheinung, die wir alle miteinander für notwendig halten. Ich meine jetzt die Einfuhr- und Vorratsstelle. Es ist bei dem Getreidegesetz genügend über diese Dinge geredet worden, und ich will jetzt nicht alles wiederholen, was da schon über die Bedeutung einer solchen Einfuhr- und Vorratsstelle gesagt worden ist. Ich wünsche sehr, und ich nehme an, daß die meisten Mitglieder des Ernährungsausschusses, auf welcher Seite sie immer sitzen, mir zustimmen, daß die Regierung so schnell wie möglich hier zu einer einheitlicheren Vorstellung kommt und daß sie, nachdem sie sich zu den von ihr geschaffenen Tatsachen gestern noch einmal ausdrücklich bekannt hat, ihre Entwürfe so ändert, daß darüber geredet werden und im Ausschuß ernsthaft daran gearbeitet werden kann, um unter diesen Umständen doch noch zu einer Marktordnung zu kommen.
Nachdem alle Fragen so offen sind, wäre es eigentlich naheliegend, zu sagen, daß es sich gar nicht lohnt, zur ersten Lesung hier etwas ausführlicher zu werden, daß es vielmehr darauf ankommt, erst einmal einige Grundsatzfragen zu klären, damit man auch nach draußen dann ehrlich und guten Gewissens sagen kann, ob es eine Marktordnung geben oder ob es sie nicht geben wird. Ich möchte aber trotzdem ein paar Bemerkungen zu dem vorliegenden Entwurf machen und mich so kurz wie möglich fassen.
Wenn der Herr Minister sagte, daß der Entwurf der kürzeste ist, so scheint er mir — ich kenne die anderen noch nicht — deswegen vielleicht besonders vage zu sein und erhebliche Lücken aufzuweisen. Hier in § 15 ist nur von einer Vorratsstelle die Rede. Mein Herr Vorredner hat schon darauf hingewiesen, daß man diese Vorratsstelle auch in eine Einfuhrstelle umwandeln sollte. Was hier bezüglich der Kontrolle und der Beeinflußung der Einfuhren beabsichtigt ist, geht aus dem Gesetz leider gar nicht hervor, und das zeigt schon, wie lückenhaft es ist. Denn eine Marktordnung ohne eine Kontrolle der Einfuhren kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen.
In § 19 heißt es, daß erst nähere Bestimmungen über die Durchführung und die Überwachung der Meldungen von eingeführtem Vieh und Fleisch erlassen werden sollen. Hier habe ich wieder zu beanstanden, daß in diesem Gesetzentwurf eine Fülle von „kann" und „soll" und „es ist möglich" vorhanden ist, ohne daß ganz klar zu erkennen ist, was letzten Endes denn eigentlich beabsichtigt wird. Das wird vielleicht sehr erheblich dazu beitragen, auf dem Petersberg gewisse Verdachtsmomente hervorzurufen. Da wir der Meinung sind,
daß sie ausgeräumt werden müssen und die Widerstände, die von daher kommen, im Interesse einer funktionierenden Marktordnung überwunden werden müssen, wünschen wir, daß hier ganz klar gesagt wird, was wir wollen und was die Regierung in diesem Falle will.
Zu beanstanden ist von uns aus, daß in dem Organ, das diese Vorratsstelle kontrollieren soll, unter 20 Mitgliedern nur drei Vertreter der Verbraucher sind. Das ist um viele Personen zu wenig, denn die Vorratshaltung ist nicht nur eine Angelegenheit, an der die Produzenten interessiert sind, die zu ihren Gunsten den Markt entlasten soll, sondern sie ist eine Angelegenheit, an der auch die Verbraucher interessiert sind,
die immer gern einen Markt vorfinden möchten, der auch ihren Bedürfnissen und Wünschen Rechnung trägt. Die Vorratshaltung hat ja schließlich die Aufgabe, diesen beiden Seiten gerecht zu werden. Deshalb müssen die Verbraucher an der Steuerung dieser Vorratsstelle sehr viel stärker beteiligt werden als in diesem Verhältnis 17 : 3.
Dann heißt es in § 16, daß die Vorratsstelle die Vorratshaltung nach Maßgabe der im Haushalt bereitgestellten Mittel durchzuführen hat. Es scheint mir ganz unzweckmäßig zu sein, hier von den im Haushalt zur Verfügung gestellten Mitteln auszugehen. Man müßte hier wohl ausgehen von den Bedürfnissen der Vorratshaltung, von den Bedürfnissen der Versorgung
und dann soviel Mittel in den Haushalt einstellen, daß die Stelle ihre Aufgabe erfüllen kann. Denn schließlich nutzt uns eine Vorratsstelle nichts, die eines schönen Tages erzählt, daß das Geld aufgebraucht ist, das im Haushalt vorgesehen ist, und nun leider in den Markt nicht mehr eingegriffen werden kann. Das ist schließlich nicht der Sinn.
Im Gegensatz zu meinem Herrn Vorredner habe ich erhebliche Bedenken, wenn ich den § 17 über die Bildung von Marktverbänden sehe. Hier ist man, scheint mir, besonders weit den Bestrebungen entgegengekommen, wesentliche Aufgaben der Marktordnung auf die sogenannten beteiligten Wirtschaftskreise zu verlegen. Es scheint mir ein bißchen viel zu sein, wenn solche privaten Marktverbände u. a. die Aufgabe haben, einen Ausgleich des Viehangebots und des Fleischbedarfs durch Unterrichtung der berufsständischen Organisationen und der Märkte zu fördern. Das ist meiner Ansicht nach eine Aufgabe der Regierung, die für die Marktordnung und ihr Funktionieren verantwortlich ist und gerade hier eingreifen muß, damit der Markt gleichmäßig versorgt ist.
Meine Bedenken gegen § 19 habe ich schon ausgesprochen. In ihm ist — für mein Gefühl sehr, sehr unzulänglich — etwas über die mögliche Regelung der Einfuhren niedergelegt und dann nur in der vagen Form, daß der Herr Bundesminister noch nähere Bestimmungen dazu schaffen wird.
Meine Damen und Herren! Auch an diesem Gesetz wird sehr viel gearbeitet werden müssen, wenn es nun dem Ernährungsausschuß überwiesen wird; denn auch von diesem Gesetz glaube ich, daß es sich in seiner Form wesentlich ändern wird und hoffentlich dann in seiner Zielsetzung eindeutiger ist. Wir sind leider noch eine ganze Weile von der Beratung dieses Gesetzes im Ausschuß entfernt, auch wenn es uns nun überwiesen wird, weil wir zunächst ja immer noch mit der Beratung des Getreidegesetzes befaßt sind. Ich habe Ihnen in meinen einleitenden Ausführungen gesagt, wie sehr da
alles noch auf sehr unsicherem Boden steht. Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß die gründliche Beschäftigung mit dem Problem der Marktordnung auf allen Seiten des Hauses zu der eindeutigen Formulierung unserer Vorstellungen beiträgt; denn erst wenn wir uns untereinander über die Form, die allen am Markt Beteiligten gerecht wird, verständigt und die richtigen Verbindungen untereinander hergestellt haben, werden wir Aussicht darauf haben, auch die Widerstände zu beseitigen, die gegen eine wirksame Marktordnung offenbar noch von außen her bestehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bauknecht.
Meine Damen und Herren! Freiheit und Bindung sind die beiden Komponenten, die das gesamte Leben stark beeinflussen, auch das der Wirtschaft. Es ist aber durchaus abwegig, etwa zu glauben, daß das eine das andere völlig ausschließt. Erfreulicherweise hat sich auch die Bundesregierung zu dieser Auffassung bekannt und in dem Reigen der Marktgesetze, die sie uns in diesen Wochen vorlegt, auch auf dem Gebiete der Fleisch- und Viehbewirtschaftung ein Gesetz herausgebracht. Es ist erfreulich, daß sich dies Gesetz auf das beschränkt, was auf diesem Sektor unumgänglich notwendig zu tun ist, daß es vor allen Dingen nicht mehr einen starken Zwangscharakter trägt und namentlich auf dem Preisgebiet anstrebt, marktgerechte Preise sich selber entwickeln zu lassen. Das Kernstück des ganzen Gesetzes ist ja der Markt. Wenn sich aber echte Marktpreise entwickeln sollen, kann man naturgemäß auf eine Bindung an den Markt nicht verzichten. Es wird davon abhängen, ob auf Grund des Gesetzes die Möglichkeit besteht, die Märkte gleichmäßig zu beschicken, um eine Kontinuität der Preisentwicklung zu gewährleisten.
Meine Herren, ich darf Sie daran erinnern, was damals bei dem Übergang der Zwangswirtschaft in die freie Marktwirtschaft passiert ist. Im Monat Januar haben wir bei Vieh ganz ungeheure Preisstürze erleben müssen, und dann sind die Preise wieder stark angestiegen. Der Erzeuger hat kein Interesse daran, und der Verbraucher kann auch keines haben, weil sich solche saisonmäßig bedingte Preisabschläge im Fleischerladen naturgemäß kaum oder gar nicht auswirken. Es ist deshalb zu begrüßen, daß Möglichkeiten geschaffen werden, die Märkte gleichmäßig zu beliefern. Gefahren drohen dann in besonderem Maße, wenn durch irgendwelche Beeinträchtigungen von außen her, sagen wir: durch eine außerordentliche Trockenheit, der Drang zum Markt sehr stark ist. Hierfür wird eine Vorratsstelle notwendig sein. Wir begrüßen es, daß diese vorgesehen ist. Die Vorratsstelle kann selbstverständlich nur beschränkte Aufgaben erfüllen, weil ja eines schönen Tages das Fleisch, das auf Vorrat gelegt wurde, wieder auf den Markt gegeben werden muß, und in diesem Augenblick besteht wieder die Gefahr, daß Preiseinbrüche geschehen. Man wird also deswegen durch die gerechte freie Marktpreisentwicklung auch solchen jahreszeitlichen Schwankungen nicht voll ausweichen können.
Nun ersehen Sie aus der Anlage, daß der Bundesrat nicht in allen Stücken der gleichen Auffassung ist wie das Bundeskabinett. Er ist es insbesondere in einem maßgebenden Stück nicht: in der Frage der Einfuhrstelle. Von der Einfuhrstelle steht
kein Wort im Entwurf. Gestern früh hat sich der Ausschuß des Bundestages für Ernährung und Landwirtschaft eingehend mit der allgemeinen landwirtschaftlichen Politik beschäftigt, und er ist zu einer einheitlichen Auffassung gekommen. Sämtliche Parteien sind danach einstimmig der Auffassung, daß Einfuhr- und Vorratsstelle geschaffen werden sollen. Meine Herren, ich glaube, daß meine Partei sich hier weitgehend der Auf fas-sung des Bundesrates anschließen kann, wonach diese Lücke, nämlich das Fehlen der Einfuhrstelle, ausgefüllt werden soll. Wenn die Dinge immer so blieben, wie sie im Moment sind, daß die Einfuhren von außen her geregelt vor sich gehen und den deutschen Markt nicht bedrohen, dann könnten wir auf diese Stelle verzichten; aber ich glaube nicht daran, und die meisten von Ihnen, meine Herren, wahrscheinlich auch nicht. Die Handelsverträge werden sich so entwickeln, daß man bestimmte Mengen von Fleisch hereinnehmen muß. Wenn wir hier der Willkür der Importeure ausgeliefert sein sollten, die dann eben einführen, wenn sie ein Geschäft dahinter wittern, dann, glaube ich, können wir auf die Einflußnahme des Staates, oder, was noch besser ist, freiwilliger Marktverbände nicht verzichten, an denen sich alle, die interessiert sind, beteiligen können, der Verbraucher wie das verarbeitende Gewerbe, der Handel und die Landwirtschaft. Solche Einfuhrstellen müssen also mindestens vorgesehen werden, und wenn dann kein Bedürfnis oder keine Notwendigkeit besteht, davon Gebrauch zu machen, dann kann ja der Importeur sein Fleisch auf den Markt bringen. Das scheint mir das wichtigste zu sein.
Herr Abgeordneter Kriedemann hat vorhin gesagt, daß er diese Funktionen lieber in der Hand des Staates als in der Hand der Marktverbände sehen würde. Hier kann man geteilter Meinung sein. Ich neige weitgehend der Auffassung zu, daß man der Wirtschaft hier eine Verantwortung übergeben kann.
Ich will nun nicht auf Einzelheiten eingehen. Auch wir werden eine Reihe von Abänderungsvorschlägen zu den einzelnen Paragraphen zu machen haben und diese im Ausschuß vorbringen. Besonders umstritten wird wohl die Frage sein, wer die Mittel für diese Einfuhr- und Vorratsstelle aufzubringen hat. Hier neige ich durchaus der Auffassung meines Vorredners zu, daß sich die Tätigkeit nicht etwa nach dem Vorhandensein von vielleicht ganz geringen Mitteln im Etat richten darf. Die Mittel müssen durchaus so groß sein, daß diese Stelle auch funktionsfähig ist.
Ich beantrage zum Schluß namens meiner Fraktion, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Eichner. Bitte, 5 Minuten!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Bayernpartei begrüßt diesen Entwurf eines Vieh- und Fleischgesetzes, weil er dem Wohle des Erzeugers wie auch des Verbrauchers dienen soll. Wir kommen auch in der Demokratie um eine gewisse Ordnung nicht herum.
— Das ist bestimmt so. Ich glaube, da gibt es nichts zu lachen.
Wir müssen uns auch hier einem gewissen, ich möchte nicht sagen: Zwang, aber Gesetz unterwerfen, wenn wir auf diesem Gebiet nicht vor die Hunde gehen wollen.
Es ist hier auch so, daß dieser oder jener Stand unter Umständen zu Schaden kommt, wenn die genannte Ordnung nicht aufrechterhalten bleibt.
Wir möchten nun haben, daß gerade auch bei diesem Gesetzentwurf die Länder überall, so gut es geht, zu ihrem Recht kommen und daß die Dinge nicht zentralistisch ausgeschlachtet werden. Es geht nicht an, daß in Sachen, die von den Ländern selber gemacht werden können,. von einer zentralen Stelle zu große Bindungen auferlegt werden. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß hier zwar die große und gemeinsame Linie gesehen werden muß, aber das andere, wie gesagt, nicht vergessen werden darf.
Zum Schluß möchte ich sagen, daß meine Freunde und ich diesen Gesetzentwurf begrüßen und darum bitten, ihn dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache zu Punkt 7 der Tagesordnung geschlossen.
Es ist beantragt, den Gesetzentwurf, dessen erste Lesung soeben stattgefunden hat, dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als dem federführenden Ausschuß und zugleich dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mitbearbeitung zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Damit ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 8 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Verkehr mit Zucker (Drucksache Nr. 1035).
Das Wort zur Begründung hat der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Meine Damen und Herren! Zucker ist im Bundesgebiet im Gegensatz zu den Verhältnissen im alten Reichsgebiet Mangelware. Bei der Annahme des Gleichbleibens des derzeitigen Verbrauchs von 24 kg Weißzucker pro Kopf und Jahr haben wir einen Bedarf von 1 200 000 Tonnen. Davon haben wir 1949/50 554 000 Tonnen selber erzeugt. Wir mußten 446 000 Tonnen Weißzucker, das sind 54 % des Bedarfs, einführen. Das bedeutet bei Zugrundelegung des augenblicklichen Weltmarktzuckerpreises von 132 Dollar einen Devisenaufwand von jährlich 85 Millionen Dollar oder 358 Millionen D-Mark. Die zur Zeit über dem deutschen Zuckerpreis liegenden Weltmarktzuckerpreise erfordern außerdem eine Subvention des eingeführten Zuckers in Höhe von etwa 4 bis 5 DM je Doppelzentner. Da die Weltmarktpreise rückläufig sind, ist zu hoffen, daß in allernächster Zeit die Subvention unnötig wird.
Man darf bei Erörterung der Zuckerfrage nicht vergessen, welche ausschlaggebende Bedeutung der Zuckerrübenbau für die deutsche Landwirtschaft hat. Er ist eigentlich das Barometer für die Intensivierung. Es ist so, daß der Zuckerrübenbau nicht nur eine hervorragende Rolle in der Deckung des Butterbedarfs der deutschen Tierbestände spielt — ein Hektar Zuckerrüben bringt allein durch die Blätter soviel an Futtergut wie ein Hektar an Hafer —, sondern daß des weiteren die ungeheure Bedeutung der Zuckerrübe als Vorfrucht in Frage kommt.
Meine Damen und Herren, bei dem Gesetz über die Zuckersteuerermäßigung, das vom Wirtschaftsrat begonnen und vom Deutschen Bundesrat zu Ende geführt wurde, standen folgende Gedanken im Vordergrund: auf der einen Seite die Gewährung eines billigen Nahrungsmittels, auf der anderen Seite die Schaffung eines Anreizes für die Landwirte, in möglichst großem Umfang Zuckerrüben anzubauen. Es darf hier festgestellt werden, daß diese Maßnahme des Bundestages sich landeskulturell in einer geradezu glänzenden Weise ausgewirkt hat. Nach den nunmehr vorliegenden abschließenden Meldungen über die Anbaufläche ist es dadurch gelungen, die Vertragsanbaufläche für Zucker 1949 auf 148 000 Hektar und 1950 auf 175 000 Hektar zu steigern. Das ist gleichbedeutend damit, daß wir im kommenden Wirtschaftsjahr rund 170 000 tons Weißzucker aus eigener Ernte mehr haben und damit 18,7 Millionen Dollar Devisen ersparen.
Sinn und Ziel des Gesetzes gehen also dahin, die deutsche Zuckererzeugung soviel wie möglich zu heben, um den Devisenaufwand für ausländischen Zucker zu verringern. Das soll durch folgende Maßnahmen erreicht werden.
Erstens: Gemäß § 4 des Gesetzes dürfen Zuckerfabriken Zuckerrüben nur auf Zucker verarbeiten.
Zweitens: Durch ein dem wahren Bedarf der Bevölkerung entsprechendes Freigabegesetz wird so viel Zucker auf den Markt gebracht, daß die Bevölkerung unabhängig von den Schwankungen der Zuckerpreise auf dem Weltmarkt zu gleichbleibenden Preisen bei einer derartigen Bemessung des Zuckerpreises versorgt werden kann, daß die deutschen. Zuckerrübenanbauer vor Preisschwankungen bewahrt bleiben und einen angemessenen Zuckerrübenpreis erhalten, der zur Zeit auf 4,75 DM bis 5 DM je Doppelzentner festgesetzt ist. Ich darf also sagen: Sorge für den Erzeuger und gleichzeitig für den Verbraucher.
Drittens: Die gesamten notwendigen Einfuhren von Zucker müssen genau festgesetzt werden, um sie in das Freigabesystem einzubeziehen. Zu diesem Zweck sieht § 9 des Gesetzes eine Einfuhrstelle als Anstalt des öffentlichen Rechts vor. Der Bundesregierung sind im Gesetz bestimmte Befugnisse eingeräumt, die unseres Erachtens genügen, den deutschen Zuckerrübenanbau zu erhalten und zu fördern sowie die Versorgung der Bevölkerung mit Zucker sicherzustellen. Es handelt sich um a) die Festsetzung der Jahres- und Teilfreigaben, damit der reibungslose Verkehr durchgeführt werden kann; b) um die Verteilung des Rohzuckers, und zwar sowohl des Rüben- als auch des Rohrrohzuckers, auf die verarbeitenden Betriebe. Diese ist notwendig, um je nach Überschuß- und Mangelgebieten den Zucker nach Eintreffen in den deutschen Häfen oder nach Lage der deutschen Rohzuckerfabriken so zu verteilen, daß die Verarbeitung zu den frachtgünstigsten Bedingungen in solchen Betrieben vorgenommen werden kann, die gewährleisten, daß der Zucker mit den geringsten Ausbeuteverlusten auf Weißzucker umgearbeitet werden kann; und c) die Durchführung eines Frachtausgleichs, der notwendig ist, wenn im ge-
samten Bundesgebiet ein einheitlicher Zuckerpreis für erforderlich gehalten wird.
Zur technischen Mitarbeit an den obengenannten Aufgaben kann der Bundesminister einen Marktverband heranziehen, der zwar keine Hoheitsrechte ausüben, aber der Behörde beratend zur Seite stehen soll, indem er Berechnungen und Beurteilungen der Marktlage und Vorschläge einreicht, die nach Billigung des Ministeriums von ihm in die Praxis umgesetzt werden. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß der vorliegende Entwurf dazu beiträgt, die Versorgung der deutschen Bevölkerung mit diesem hochwertigen und billigen nicht Genuß-, sondern Nahrungsmittel sicherzustellen.
Wir treten in die Aussprache ein. Der Ältestenrat hat dafür eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an. Das Wort zur Aussprache hat zunächst Herr Abgeordneter Dr. Karl Müller . 8 Minuten.
Meine Damen und Herren! Das Zuckergesetz gehört in den großen Rahmen der marktregelnden Gesetze, die jetzt zur Beratung im Ausschuß stehen bzw. in den nächsten Tagen kommen. Ich will auf die Aufgaben, die diese Marktregelung hat, nicht eingehen, nachdem der Herr Kollege Kriedemann nach dieser Richtung hin schon das Notwendigste gesagt hat. Ich muß aber im Zusammenhang mit dem Zuckergesetz unterstreichen, was der Herr Minister gesagt hat, daß der Rübenbau das Rückgrat unserer Viehhaltung und der intensiven Landwirtschaft ist. Es ist interessant, daß die Besatzungsbehörden sich schon im Herbst 1945 sehr intensiv um diesen Anbau kümmerten und einen eigenen Beauftragten aus England zur Arbeit in der Zuckerwirtschaft herüberschickten. Der Long-term-Plan hat ja als Ziel gestellt, daß mindestens im Jahre 1952/53 der Vorkriegsstand in der Agrarerzeugung erreicht wird; ich darf feststellen, daß der Zuckerrübenbau in der Bundesrepublik den Vorkriegsstand schon überschritten hat. Wir hatten im Jahr 1938/39 hier 138 000 Hektar, stehen in diesem Jahr auf 176 000 Hektar, und ich bin der Überzeugung, daß wir, wenn die Ernte gut ausfällt, nur noch ein Drittel unseres Bedarfs einzuführen haben. Damit unsere Freunde zur äußersten Linken eine kleine „Freude" haben, darf ich darauf hinweisen, daß der Anbau in der Ostzone 1938/39 220 000 Hektar und im letzten Jahr erst 210 000 Hektar betrug.
Eine entsprechende Regelung der Zuckerwirtschaft ist no wendig, um einen angemessenen Preis für die Rüben zu sichern und den Konsum zu angemessenen Preisen sicherzustellen. Notwendig ist der Schutz vor der ausländischen Einfuhr.
In der Weltzuckerproduktion sind die Dinge so verlaufen, daß die Rübenzuckerproduktion der Welt den Vorkriegsstand erreicht hat, daß aber die Rohrzuckerproduktion von 1938/39 von 17 600 000 t schon auf 21 Millionen t gestiegen ist, wobei zu beachten ist, daß Java in der Produktion ausgefallen ist. Wir werden — international gesehen — nicht daran vorbeikommen, daß wir wieder zu dem System zurückkehren, das wir im Jahre 1933 in dem internationalen Zuckerabkommen, in dem Chadbourneplan geschaffen haben, in dem die Produktion, der Verbrauch und die Einfuhr der einzelnen Länder festgelegt worden sind. Dieser Schutz der
deutschen Zuckerwirtschaft und des Rübenbaus soll durch die in § 9 vorgesehene Einfuhrstelle erreicht werden.
Leider müssen wir feststellen, daß ein Sachberater der amerikanischen Militärregierung gegenüber den ganzen Marktgesetzen eine Stellung bezogen hat, die wir nicht unwidersprochen lassen können. Er erklärte nämlich, daß mit diesen Gesetzen der deutsche Handelsliberalismus umgestoßen, daß ein Warenimportmonopol geschaffen werde, wobei die Importeure gezwungen würden, zum Selbstkostenpreis zu verkaufen.
Ich stelle fest, in dem Zuckergesetz ist festgelegt, daß der Importeur als Preis seinen Einstandspreis frei Grenze zuzüglich der üblichen Handelsspanne erhält.
Es wird weiter darauf hingewiesen, daß die Trennung des einheimischen Preisgefüges von den internationalen Märkten verlassen und eine Machtkonzentration durch Kartelle geschaffen werde. Wer alle diese Gesetze sorgfältig durchliest, wird nichts finden, was nach Kartellen aussieht, sondern er wird eine Mitarbeit der Wirtschaft finden; er wird aber auch feststellen, daß letzten Endes die Entscheidung über diese Dinge absolut in der Hand der Regierung liegt.
Meine Damen und Herren, wenn wir ein reiches Volk wären, dann würden wir die Dinge bei uns landwirtschaftlich regeln können, wie das die Vereinigten Staaten tun, die jedes Jahr Millionenbeträge an Dollars zur Stützung ihrer landwirtschaftlichen Produktion aufwenden. Dagegen hat man anscheinend nichts einzuwenden, das scheinen auch keine kartellähnlichen Gebilde zu sein. Aber wir sind ein armes Volk, und wir müssen unsere Wirtschaft nach den uns gegebenen Möglichkeiten ordnen; wir müssen versuchen, ohne Aufwendung von besonderen Mitteln unsere Wirtschaft auf diesem Gebiet in Ordnung zu bringen. Wenn man uns schon vorwirft, daß wir Einfuhrstellen schaffen, dann darf ich darauf hinweisen, daß z. B. Holland, das ja auch zu den Marshalländern gehört, eine sogenannte Mehlstelle als Einfuhrschleuse hat und daß dort sogar der Reis durch diese Einfuhrschleuse geht. In einem Memorandum von dem Bipartite Control Office vom 9. 6. 1948 ist darauf hingewiesen worden, daß gewünscht wird, die Fähigkeiten der deutschen Kaufleute und Industrie in die Regelung dieser Dinge einzuschalten. Wenn man demgegenüber die Äußerungen des Herrn Hanes sieht, dann kann man nur sagen: Das Leben ist vielgestaltig, aber die Gedanken der Menschen sind oft konfus.
Meine Damen und Herren, ein paar Bemerkungen zu dem Gesetz. Im großen und ganzen billigen wir das Gesetz. In § 8 hat der Bundesrat eingeschoben, daß dem Marktverband keine hoheitlichen Aufgaben übertragen werden können, ohne zu erklären, was hoheitliche Aufgaben sind. Ich habe mich bemüht, das einmal festzustellen. Wir wissen aus der Vergangenheit, daß sich jeder Pimpfenführer als Hoheitsträger fühlte und daß der Ortsgruppenleiter glaubte, einen Hoheitsakt zu vollziehen, wenn er irgend jemanden der Gestapo überlieferte. Ich habe versucht, von ein paar Staatsrechtslehrern eine ganz klare Begriffsbestimmung des Begriffes „Hoheitsaufgaben" zu erhalten, weil auf diesem Gebiet mit diesem Wort von seiten der Verwaltung oft Unfug getrieben wird.
Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Dr. Dr. Müller (CDU): Ich bin jetzt
fertig. — Ich habe eine Erklärung nicht bekommen können.
Bezüglich des Preises habe ich folgendes zu sagen. Im Gesetz wird gesagt: Einstandspreis plus Handelsspanne. Damit können wir uns nicht befreunden. Wir möchten den Durchschnittspreis des Augenblicks zahlen, in dem eingeführt und der Kontrakt vorgelegt wird. Wir möchten nicht gewissen Kreisen Gelegenheit geben, sich durch Verträge eine Kasko-Versicherung an Devisen im Auslande zu beschaffen.
Wir beantragen, das Gesetz dem Ausschuß für Ernährung unter Mitarbeit des Wirtschaftsausschusses zu überweisen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Schmidt.
Meine Damen und Herren! Ich kann mich sehr kurz fassen und beziehe mich dabei insbesondere auf die Ausführungen meines Parteifreundes Kriedemann zu den Marktordnungsmaßnahmen überhaupt. Das Zuckergesetz verankert im großen und ganzen die Grundsätze, die das Marktordnungsgutachten vorsieht. Wir haben zu diesem Gesetz eine ganze Reihe von Änderungswünschen, und ich darf vielleicht einmal ganz kurz einige Paragraphen dieses Gesetzes erwähnen.
§ 3 sagt an. sich ganz richtig, daß man vom Ablieferungszwang absehen und an dessen Stelle die Verträge setzen soll. Aber, meine Damen und Herren, es hat auch schon Zeiten gegeben, in denen die Abnahme nicht immer garantiert war und Zuckerfabriken sich weigerten, weitere Zuckerrübenmengen abzunehmen. Vielleicht kommt einmal wieder diese Situation, auf die wir uns einzurichten haben werden.
In § 6 sieht das Gesetz vor, daß Mindestpreise für Zuckerrüben und Zucker durch die Bundesregierung festgesetzt werden. Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß die Festsetzung solcher Grundpreise für Grundnahrungsmittel eine Angelegenheit des Parlaments ist
und daß das Parlament allein für diese Preise verantwortlich gemacht werden muß.
In § 7 richtet die Regierung einen Zuckerausschuß ein, der uns vollkommen überflüssig erscheint. Die Aufgaben dieses Zuckerausschusses können durch den Ernährungsausschuß des Bundestages, ohne daß er dadurch überlastet wird, wahrgenommen werden.
In § 8 wird ein Marktverband eingesetzt, der zwar keine hoheitlichen Aufgaben haben soll, aber was noch nicht ist, kann immer noch werden. Sie werden verstehen, daß wir dabei ein berechtigtes Mißtrauen haben.
In § 9 spricht man von einer Einfuhrstelle. Dazu kann ich nur sagen, daß wir den staatlichen Charakter dieser Einfuhrstelle auf alle Fälle gewahrt wissen möchten.
Das nur ganz kurz zum Gesetz! Allgemein sind zum Zuckerrübenanbau hier bereits richtige Worte gefunden worden. Ich möchte nur noch sagen, daß
das Ziel des Marshallplans, den Zuckerrübenanbau auf 180 000 ha auszudehnen, in diesem Jahre schon erreicht ist und daß es als weiteres Ziel gelten muß, diesen Anbau auf 200 000 bis 220 000 ha auszudehnen. Das ist ohne jeden Zwang durchaus möglich. Wir erreichen das ohne Schwierigkeiten durch Sicherung angemessener Preise für die Bauern. Wir haben bereits vor einigen Monaten einen diesbezüglichen Schritt getan, können und wollen aber noch einen weiteren Schritt gehen. Ich denke dabei insbesondere an die Verbraucher, und zwar an die Senkung der Zuckersteuer auf das alte Maß von 20 Mark. Der Herr Finanzminister braucht meines Erachtens diesbezüglich gar keine Angst zu haben; denn durch die Steigerung der Eigenproduktion wird dieser vermeintliche Ausfall wieder glatt ausgeglichen. Ein normaler Mensch kann es an sich gar nicht begreifen, daß diese unsittliche Steuer auf ein einheimisches Produkt nicht schon lange beseitigt worden ist. Wir werden jedenfalls bei der Neuregelung der Verbrauchssteuern auf diesen Punkt noch einmal zurückkommen.
Damit bin ich am Ende meiner Bemerkungen. Meine Damen und Herren, wir stimmen der Ausschußüberweisung zu.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rüdiger.
Meine Damen und Herren! Auch meine Fraktion, die FDP, stimmt für die Ausschußüberweisung. Ich darf wohl sagen, daß die Zuckerrübenfrage letzten Endes für die Intensivierung der deutschen Landwirtschaft eine sehr entscheidende Frage ist.
Nach der eingehenden Begründung, die Herr Bundesminister Niklas bereits gegeben hat, kann ich mich in diesem Zusammenhang kurz fassen. Ich möchte aber darauf hinweisen, daß aus Gründen der Fruchtfolge und der Gesunderhaltung der Böden, aus Gründen der Steigerung unserer Ernten der Rübenanbau von entscheidender Bedeutung ist, zumal durch die Liberalisierung des Handels der Hülsenfrucht- und auch der Ölfruchtanbau in weitestgehendem Maße als geschädigt erscheint. Wir müssen dazu kommen, möglichst auch den Zuckerrübenanbau zu forcieren, vor allen Dingen auch arbeitstechnisch, um einen Großteil unserer arbeitslosen Kräfte bei uns aufzunehmen. Wir müssen mit Bedauern feststellen, daß wir den bei weitem größten Teil unseres Zuckerrübenanbaugebietes im Osten verloren haben, und wir müssen nun versuchen, möglichst einen Ausgleich zu schaffen. Das ist allen Dingen devisentechnisch ein zwingendes Erfordernis, um die Devisenausgaben möglichst einzuschränken.
Aus all den angeführten Gründen stimmen wir dem Gesetz im wesentlichen zu und beantragen Ausschußüberweisung.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Meine Herren und Damen! Diesem Gesetz liegt die Absicht zugrunde, der Zuckerrübenindustrie ein absolutes Monopol, insbesondere bei der Preisgestaltung, zu sichern.
— Herr Dr. Müller, die Vaterschaft für dieses Gesetz liegt wahrscheinlich nicht weit von Ihnen entfernt.
Ich bin der Auffassung, daß die Regierung der sogenannten freien Marktwirtschaft, wenn es um die Profitinteressen einer bestimmten Gruppe geht, eine Beherrschung des Marktes gesetzlich festlegt.
Im übrigen ist auch durch dieses Gesetz die Kontrollmöglichkeit und die Beschlußmöglichkeit jeder parlamentarischen Körperschaft ausgeschaltet und der Regierung über sogenannte ständische Körperschaften uneingeschränkt Vollmacht gegeben. Diese Tendenz der Ausschaltung der parlamentarischen Körperschaften, der Verbraucherschaft und der Gewerkschaften läuft durch alle vorliegenden Gesetze auf dem Gebiete der Ernährungswirtschaft.
Hier bedient sich zum Beispiel die Bundesregierung eines Marktverbandes, der mindestens zu drei Vierteln aus Interessengruppen zusammengesetzt ist, wobei der Verbrauchergruppe nur zwei Vertretungen zukommen. Zuckerrübenanbau, Zuckerfabriken, Raffinerien und Rohzuckerimporteure!
— Aber die Minister haben uneingeschränkt Vollmacht ohne die Kontrolle des Parlaments — das ist die entscheidende Frage —. und die Verbindungen der Minister zu diesen Interessengruppen sind Ihnen genau so wie mir bekannt. Das gleiche gilt für die Einfuhrstelle. Beide Organe
sind als Anstalten des öffentlichen Rechts vorgesehen. Wir sind der Auffassung. daß auf dem Gebiete der Ernährungswirtschaft die entscheidende Funktion den staatlichen, d. h. den durch das Parlament gewählten Organen und insbesondere auch der Verbraucherschaft zukommt. Sie hat ein entscheidendes Wort dabei mitzusprechen.
Auch wir sind der Auffassung, daß es notwendig ist, möglichst schnell die Zuckersteuer zu senken oder ganz abzuschaffen, damit die Bevölkerung dieses wichtigste Nahrungsmittel tatsächlich in größerem Umfange kaufen kann, als es heute der Fall ist.
Wir lehnen also dieses Gesetz ab, weil es ein Mittel der Monopolbildung, ein Mittel zur Beherrschung des Marktes im Interesse einer bestimmten Interessengruppe darstellt.
Keine weiteren Wortmeldungen. — Ich schließe die Aussprache.
Es ist Überweisung an den Ausschuß für Ernährung. Landwirtschaft und Forsten und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik beantragt. Die Federführung soll bei dem erstgenannten Ausschuß liegen. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Dann rufe ich Punkt 9 und Punkt 10 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung von Abgaben auf dem Gebiete der Ernährungswirtschaft und zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Lübke und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes (Drucksachen Nr. 1052 und 992).
Die beiden Punkte gehören zusammen. Die Berichterstattung wird 10 bzw. 5 Minuten in Anspruch nehmen. Die Gesamtredezeit soll nach dem Vorschlag des Ältestenrats 40 Minuten betragen. — Es erhebt sich kein Widerspruch. Es ist so beschlossen.
Ich bitte den Herrn Berichterstatter um seinen Bericht. Herr Abgeordneter Schill hat das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich habe Ihnen namens des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Verlängerung von zwei Gesetzen zu berichten, und zwar nach Drucksache Nr. 922 über ein Gesetz über die Erhebung von Abgaben auf dem Gebiete der Ernährungswirtschaft und über einen Initiativantrag der Abgeordneten Lübke und Genossen betreffend ein Gesetz zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes. Die Berichterstattung und die ganze Behandlung dieser beiden Dinge sind deshalb nicht angenehm, weil es sich um die Verlängerung von Gesetzen der Zwangswirtschaft handelt und wir doch endlich einmal wieder in eine freiere Zeit hinüberwollen. Die Verlängerung ist aber notwendig, weil die entsprechenden Marktgesetze noch nicht geschaffen sind. In der Begründung zu dem Gesetz über die Erhebung von Abgaben auf dem Gebiete der Ernährungswirtschaft wird darauf hingewiesen, daß die Marktgesetze auf dem Gebiete der Getreidewirtschaft, der Milchwirtschaft und der Fischwirtschaft noch nicht so weit gediehen sind.
Es handelt sich bei diesem Gesetz einmal um die Erhebung eines Frachtausgleichs für Getreide. Dieser Ausgleich soll dazu dienen, den frachtungünstig liegenden Landwirten denselben Erzeugerpreis zu geben wie den frachtgünstig liegenden. Dazu ist eine Abgabe erforderlich.
Der zweite Punkt betrifft die Milchwirtschaft. Hier liegen ähnliche Verhältnisse vor. Es ist vorgesehen, durch eine Abgabe der besser liegenden Betriebe den ungünstig liegenden einen Zuschuß zu geben und ihnen auch einen einigermaßen annehmbaren Milchpreis zu ermöglichen.
Drittens handelt es sich um die Fischwirtschaft, wo durch Ausgleichsabgaben der Fischfang, der Fischabsatz und die Fischmehlerzeugung gefördert werden sollen.
Der vierte Punkt betrifft Abgaben zum Zwecke der Güteförderung auf dem Gebiet der Getreide- und Milchwirtschaft, und zwar in Bayern für Getreidewirtschaft und im Lande Nordrhein-Westfalen bisher für Milchwirtschaft.
Bei dem Initiativantrag der CDU handelt es sich lediglich um die Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes bis zum 30. September. Die beiden Gesetze sollen ja nur Übergangsgesetze sein, bis die Marktordnung gesetzmäßig verankert ist.
Im Ausschuß selber war man recht ungehalten darüber, daß man diese beiden Gesetze noch einmal verlängern muß, hat aber dann betont, daß sich das Parlament hier in einer Zwangslage befindet und daß die Lücke bis zur Fertigstellung der Marktordnung unbedingt geschlossen werden muß, wenn nicht Gefahren für die Ernährungswirtschaft entstehen sollen. Ein Abgeordneter hat in drastischer Weise darauf hingewiesen, daß sich
dann, wenn hier die Lücke offen bleibt, Seeräuber der Ernährungswirtschaft bemächtigen und zum Schaden von Erzeuger und Verbraucher ihr Handwerk treiben werden. Es wurde im Ausschuß auch betont, daß die Verschiebung der Marktordnungsgesetze bzw. die Verlängerung der vorliegenden Gesetze eine gewisse Gefahr bedeute und daß die Marktordnung, die später kommen solle, nicht von vornherein zerschlagen werden dürfe. Im Ausschuß war man sich darüber im klaren, daß wir unter einem gewissen Zeitdruck arbeiten, was falsch ist, und daß die Verlängerung dieser Gesetze keinerlei Freibrief für die Bundesregierung darstellen soll, die Marktordnungsgesetze noch weiter hinauszuschieben. Wenn wir auch die Schwierigkeiten der Bundesregierung anerkennen, die jetzt auf verschiedenen Gebieten nicht souverän ist, so wird doch unbedingt gefordert, daß diese Verlängerung nur eine Schonfrist ist, nach der es eine Verlängerung der Gesetze nicht mehr geben kann.
Des weiteren wurde im Ausschuß betont, daß die aufkommenden Mittel aus den Ausgleichsausgaben nicht für die Verwaltung verbraucht werden dürfen. Sowohl von der Bundesregierung als vom Bundesrat wurde darauf hingewiesen, daß diese Mittel zweckgebunden sind und zweckgebunden verwandt werden, wie dies im Gesetz vorgeschrieben ist.
Nach eingehender Beratung und Erörterung einiger Änderungen kam der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu zwei Vorschlägen, die Ihnen unter Drucksache Nr. 1051 und Nr. 1052 vorliegen. Bezüglich des Gesetzes über die Erhebung von Abgaben auf dem Gebiete der Ernährungswirtschaft hält der Ausschuß es für notwendig, in Art. I folgenden Zusatz hinzuzufügen:
Die obersten Landesbehörden werden ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die Verpflichtung zur Zahlung von Abgaben für deutsche Anlandungen auf dem Gebiet der Fischwirtschaft den Betrieben der Hochsee- und Küstenfischerei aufzuerlegen.
Bezüglich des Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes hat der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten es für notwendig befunden, unter § 2 als Ziffer 5 folgendes einzufügen:
Fleisch, Fleischwaren und Speck, soweit es sich um die Abgabe und die Anrechnung der für das 1. Halbjahr 1950 bewilligten Spitzenzulage für den Kohlenbergbau handelt.
§ 3 soll folgende Fassung erhalten:
Dieses Gesetz tritt mit Wirkung vom 1. Juli 1950, hinsichtlich der Strafbestimmungen jedoch erst am Tage seiner Verkündung in Kraft.
Ich habe die Ehre, Ihnen den seitens des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten einstimmig gefaßten Antrag zur Beschlußfassung vorzulegen.
Ich danke dem
Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache über die beiden Gesetzentwürfe Drucksachen Nr. 1051 und Nr. 1052. — Da keine Wortmeldungen erfolgen, ist die Aussprache geschlossen.
Ich rufe in der zweiten Beratung die einzelnen Artikel auf. Drucksache Nr. 1051 Art. I — keine
Wortmeldungen; Art. II — Einleitung und Überschrift — keine Wortmeldungen. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Die Vorlage ist in zweiter Beratung angenommen.
Ich eröffne die
dritte Beratung
und rufe Art. I, II, Einleitung und Überschrift auf. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Die Vorlage ist in dritter Beratung angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung über das Gesetz über die Erhebung von Abgaben auf dem Gebiete der Ernährungswirtschaft. Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist gegen eine Stimme angenommen.
Ich rufe zur zweiten Beratung den Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes — Drucksache Nr. 1052 — auf. Wer für die Annahme der §§ 1, 2 und 3 sowie der Einleitung und der Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —Ich bitte um die Gegenprobe. — Sie sind angenommen.
Ich schließe die zweite Beratung und rufe zur dritten Beratung § 1, § 2, § 3, Einleitung und Überschrift auf. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Sie sind angenommen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzentwurfs im ganzen ist, den bitte ich um das Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das Gesetz ist gegen zwei Stimmen angenommen.
Die Tagesordnungspunkte 9 und 10 sind damit erledigt. Die Punkte 11 und 12 sind weggefallen.
Ich rufe Punkt 13 der gedruckten Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Grubenkatastrophe auf Zeche „Dahlbusch" .
Das Wort hat Herr Abgeordneter Agatz.
Meine Damen und Herren! Als am 20. Mai dieses Jahres die Kunde zu uns drang, daß auf der Schachtanlage Dahlbusch eine Schlagwetterexplosion stattgefunden habe, die 78 Todesopfer forderte, waren wir alle sehr erschüttert. Es wurde die Frage nach den Ursachen dieser Katastrophe gestellt. Ich glaube, daß in dieser Fragestellung nach der Ursache der Katastrophe ein Fehler liegt. Es steht fest: es war eine Schlagwetter- und Kohlenstaubexplosion. Mithin also müssen Schlagwetter und Kohlenstaub vorhanden gewesen sein, die sich dann durch gewisse Umstände entzündeten und so den Tod der Bergleute herbeiführten.
Es wurde dann so dargestellt, als sei es ein unabwendbares Schicksal, daß solche Katastrophen im Bergbau von Zeit zu Zeit immer wieder eintreten. Wir müssen uns, möchte ich sagen, gegen diese Auffassung zur Wehr setzen. Die heutigen Erkenntnisse über die Gefahren des Bergbaues und die Vermeidung dieser Gefahren reichen durchaus aus, um solche Katastrophen unmöglich
zu machen. Es kommt also darauf an, zu überprüfen, ob es auf dieser Schachtanlage ein schuldhaftes Versagen gegeben hat, welches diese Katastrophe herbeigeführt hat. Ich sage: eben weil alle Möglichkeiten gegeben sind, derartige Katastrophen zu verhindern, muß ein schuldhaftes Versagen vorliegen, wenn von diesen Möglichkeiten kein Gebrauch gemacht worden ist.
Man muß also jetzt nach den Verantwortlichkeiten fragen. Wer trägt die Verantwortung für diese Katastrophe? Hier sagen wir, daß geprüft werden muß, inwieweit die DKBL, inwieweit die Zechenverwaltung, inwieweit auch die Werkbehörde schuldig sind, ob gewisse Umstände schuld sind an der Entstehung dieser Katastrophe.
Zweifellos unterliegt unsere heutige Bergbauwirtschaft dem Gesetz des Kapitalismus. Dieses Gesetz heißt Rentabilität, dieses Gesetz heißt Steigerung der Kohlenförderung. Dieses Gesetz heißt Steigerung der Leistung, dieses Gesetz heißt — die Zeche Dahlbusch ist eine Schachtanlage, deren Aktien vorwiegend in belgischem Besitz sind — Steigerung des Profits.
Wenn man nun die Verhältnisse auf Dahlbusch überprüft - und das haben wir getan —, dann kann man an den Tatsachen, die dort vorgelegen haben, nicht vorbeisehen. Die Explosion hat stattgefunden im Flöz „Hugo", einem Flöz, welches sehr stark schlagwetterführend ist. Das war der Zechenverwaltung bekannt; denn in demselben Flöz hat schon im Jahre 1943 eine Schlagwetterexplosion stattgefunden, die damals ebenfalls, ich glaube, 28 Tote forderte, wovon die meisten Fremdarbeiter gewesen waren. Es hätte also in diesem Flöz von vornherein größte Vorsicht geboten sein müssen. Aber was stellte man fest? Man hatte dort ein Streb aufgefahren von 300 m Länge. Es wird Sache des zu bildenden Untersuchungsausschusses sein, zu prüfen, inwieweit diese Streblänge mit eine Ursache dafür ist, daß es zu dieser Explosion und vor allem zu der schrecklichen Auswirkung dieser Explosion kam.
Ein weiterer sehr erschwerender Umstand ist die Tatsache, daß dieses Flöz im Bruchbau abgebaut wurde. Es war also so, daß der abgebaute Streb nicht versetzt wurde mit Bergversatz, sondern daß man das Gebirge nachdrängen ließ. Es mußte dadurch unabwendbar Schlagwettergefahr entstehen, weil sich in den Hohlräumen des Bruchbaues Schlagwetter ansammeln müssen in einem Flöz, welches schlagwetterführend ist. Irgendein Gebirgschlag, irgendein größerer Steinfluß muß diese Schlagwetter hineindrücken in den Streb und muß dann solche Katastrophen auslösen. Die Kumpels selbst haben diese Arbeitsstelle das Feuerloch genannt. Sie haben sich vor dieser Arbeitsstelle gefürchtet. Es gibt eine Menge Aussagen von Bergarbeitern dieses Reviers, die davon sprechen, das die Arbeit in diesem Flöz als Strafarbeit aufgefaßt wurde, in die man kam, wenn man sich nicht ganz ordentlich verhalten hatte. Es gibt Aussagen, die bekunden, daß es dort eine wilde Antreiberei gab. Das ist nicht zu bestreiten, und dadurch sind zweifellos die Sicherheitsvorschriften außer acht gelassen worden. Es gibt Aussagen, die bezeugen, daß der in dem Flöz verwandte Panzerförderer mehrfach geglüht habe. Da braucht man nicht mehr nach der Zündungsursache zu forschen, wenn sich herausstellen sollte, daß das stimmt. Das ist ebenfalls von dem Untersuchungsausschuß zu prüfen. Es gibt Aussagen,
die bezeugen, daß das Lichtkabel defekt war, daß die Eisenstempel, an denen das Lichtkabel vorbeigeführt wurde, elektrisch geladen waren, daß man sie nicht anfassen konnte, ohne einen elektrischen Schlag zu bekommen.
Das sind Dinge, die uns veranlaßt haben, die Frage der Verantwortlichkeit für diese Grubenkatastrophe auf die Tagesordnung zu setzen und eine Untersuchungskommission zu fordern, die diese Verantwortlichkeit und alle Umstände überprüft, die zu dem Unglück geführt haben können. Es liegt hier nun ein Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vor; er nennt sich Änderungsantrag. Was hier gefordert wird, ist sicherlich richtig, daß man überprüfen muß, ob die Grubensicherheit und die Arbeiterschutzvorschriften ausreichen.
Aber bei „Dahlbusch" geht es um viel mehr. Es muß endlich mit der Auffassung aufgeräumt werden, als seien solche Katastrophen unabwendbares Schicksal. Mit solcher Auffassung werden wir immer weiter Gefahren für die Bergarbeiter heraufbeschwören. Erst wenn wir alle auf dem Standpunkt stehen, daß solche Katastrophen abwendbar sind, daß die heutige Forschung unbedingt ausreicht, sie abwenden zu können, erst dann erfüllen wir die Verpflichtung, die wir gegenüber den Bergarbeitern haben. Die Bergarbeiter, die solche schwere Arbeit leisten, haben doch todsicher Anspruch darauf, daß wir alles tun, was in unseren Kräften steht, um sie zu schützen.
Ich möchte deswegen bitten, daß Sie diesem unserem Antrag zustimmen.
Ich eröffne die Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die Gesamtdauer der Aussprache auf 40 Minuten zu beschränken. — Es erhebt sich kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Nölting.
Meine Damen und Herren! Auch die sozialdemokratische Fraktion ist natürlich lebhaft interessiert an einer restlosen Aufklärung aller Ursachen, die zu diesem so bedauerlichen Unglück geführt haben, das uns alle aufs tiefste erschüttert hat. Wir dürfen aber dabei nicht alle Kompetenzen über den Haufen werfen. Ob ein schuldhaftes Verhalten irgendeiner Stelle vorliegt, wird bereits durch die parlamentarische Grubensicherheitskommission, die der Landtag Nordrhein-Westfalen eingesetzt und die ihre Tätigkeit bereits aufgenommen hat, bzw. durch den Staatsanwalt nachgeprüft werden.
Der von der kommunistischen Fraktion eingebrachte Antrag erscheint uns auch schon deshalb unmöglich, weil wir ja hier nicht Leute beliebig einsetzen können, die nicht zum Bundestag gehören, was natürlich nicht ausschließt, daß diese Herren als Sachverständige und Zeugen in jedem uns erwünschten Umfang hinzugezogen werden. Die SPD-Fraktion hat deshalb einen Abänderungsantrag eingebracht, der Ihnen auf Drucksache Nr. 1068 vorliegt. Wir bitten, einen Ausschuß einzusetzen, der aus 27 Mitgliedern besteht und der das zu entscheiden hat, was allein auf der Bundesebene möglich ist, nämlich nachzuprüfen, ob irgendwelcher Anlaß besteht, die Grubensicherheits- und die Arbeiterschutzvorschriften usw. bundesgesetzlich
neu zu fassen und gegebenenfalls zu erweitern.
Ich darf bitten, unserem Antrag in dieser Form zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es sind zwei Anträge zu unterscheiden, der Antrag der Fraktion der KPD und der Abänderungsantrag der Fraktion der SPD. Ich lasse zuerst über den Abänderungsantrag abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Dann habe ich noch festzustellen, daß der Bundestag nach Art. 44 des Grundgesetzes auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht hat, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Dieses Viertel habe ich durch Abstimmung feststellen zu lassen. Ich bitte die Damen und Herren des Hauses, die für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses sind, die Hand zu erheben. - Das ist offensichtlich Einstimmigkeit. Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 14 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Freigabe der von den Besatzungsmächten beschlagnahmten Erholungsstätten .
Hier hat der Ältestenrat für die Einbringung des Antrags eine Redezeit von 10 Minuten und für die Gesamtaussprache 40 Minuten vorgeschlagen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Das Wort zur Begründung des Antrags hat der Abgeordnete Kohl.
Kohl (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Wenn wir diesen Antrag, der den Zweck haben soll, im Bundestag einmal sehr eingehend über die beschlagnahmten Sportplätze, über die Freibäder und über die Hallenbäder zu diskutieren, eingebracht haben, so sind wir von der Überzeugung ausgegangen, daß es im Interesse der Volksgesundheit notwendig ist, hier mit einem Zustand zu brechen, der auf die Dauer unhaltbar ist. Es gibt wohl kaum eine Stadt in Westdeutschland, die von der Beschlagnahme nicht betroffen ist. Es gibt wohl kaum cine kleinere Stadt, die unter diesen Zuständen, wie sie gegenwärtig bestehen, nicht außerordentlich stark leidet. Bei nüchterner und sehr realer Überlegung und bei Zugrundelegung der Erklärungen speziell der Sprecher der Besatzungsmächte konnte man der Meinung sein, daß seit langer Zeit eine Änderung des Verhältnisses der Besatzungsmächte zu den Deutschen eingetreten sei und daß auf Grund dieser Änderung doch nun eigentlich auch gewisse Auswirkungen in bezug auf die Beschlagnahme von Bädern und Sportplätzen hätte eintreten müssen. Was wir, nachdem die Besatzungsmächte uns mit ihrem Besuch seit fünf Jahren beehren, gegenwärtig noch sehen, ist immer noch die Methode, wie sie nun einmal von Besatzungsmächten in einem besetzten Staat mit Vorliebe angewendet wird. Wir haben, um einwandfreies statistisches Material zu erhalten, uns an Stellen gewandt, von denen man nicht sagen kann, wie bei einer Debatte über das Gesetz hinsichtlich der Besatzungsgeschädigten, das wir eingebracht haben, ein gewisser Widerspruch oder ein gewisser Zwiespalt zwischen den Besatzungsmächten und der Mehrheit dieses Hauses entstehen soll. Wir haben beispielsweise von der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen zu erfahren versucht, wie eigentlich die Frequenz der von den Besatzungsmächten beschlagnahmten Bäder überhaupt ist. Diese Stelle teilt uns mit, daß sie vor längerer Zeit einen Brief an den Bundeskanzler Dr. Adenauer gerichtet hat, in dem sie auf
die hohen Verdienste des Herrn Kanzlers in der Frage des Badewesens Bezug nimmt und dort feststellt, daß die Frequenz bei. zirka 10% liegt. Die Bäder, die im Interesse der Volksgesundheit für die deutsche Bevölkerung gebaut sind, werden von der Besatzungsmacht nach der Beschlagnahme also nur zu zirka 10% ausgenutzt und befinden sich im übrigen in einem Zustand, der unbedingt geändert werden muß.
Ich habe hier einen Ausschnitt aus der „NeuIsenburger Zeitung". Dieses eine Beispiel ist typisch für das, was wir gegenwärtig in Westdeutschland haben. In Neu-Isenburg, einer Arbeitergemeinde, wo allein 528 Wohnungen beschlagnahmt sind, die zum Teil zerstört ist, ist ein Waldschwimmbad eingerichtet worden, das in diesem Jahr durch die Besatzungsmacht am 9. Juni in Betrieb gesetzt worden ist. Wegen der Freigabe dieses Waldschwimmbades hat ein außerordentlich interessanter Briefwechsel mit dem Kommandanten des Rhein-Main-Flughafens stattgefunden, der natürlich nicht zu einer Freigabe dieses Bades geführt hat, obwohl auch dieses Bad außerordentlich schwach frequentiert ist. Was dabei aber typisch ist, ist die Einschätzung der deutschen Bevölkerung. Das schreibt die Isenburger Zeitung mit einer Deutlichkeit, die wirklich nichts zu wünschen übrig läßt. Dort steht beispielsweise:
Unser Waldschwimmbad wird am Dienstagmorgen 9 Uhr 30 für diese Saison eröffnet. Aber nicht für Deutsche! Jeden 25. Tag wird das Schwimmbad entleert. An diesem Tage dürfen deutsche Kinder in den amerikanischen Clubs das Waldschwimmbad benutzen.
Nachdem also 25 Tage die Besatzungsangehörigen ihre Körper in dem Waldschwimmbad der Reinigung überantwortet haben, mutet man der deutschen Jugend zu, in diesem Schmutzwasser zu baden. Für diese Methode sollte man sich, glaube ich, außerordentlich herzlich bedanken und den Besatzungsmächten sagen, daß wir von diesen Dingen eine andere Auffassung haben.
Nehmen Sie einen anderen Fall, die Beschlagnahme des Stadions „Rote Erde", das man noch nicht einmal für ein entscheidendes Fußballspiel freigegeben hat. In diesem Fall sind gerade die Befürworter des Dableibens der Garantiemächte in ein ziemlich hysterisches Geschrei ausgebrochen.
In Frankfurt ist das Hallenbad in Fechenheim mit Wannen- und Brausebad beschlagnahmt. Es wird nicht benutzt. Das ist die offizielle Auskunft des Direktors des Bäderamtes der Stadt Frankfurt: Der Besuch durch Besatzungsangehörige ist sehr mangelhaft, durchschnittlich 20 bis 50 Leute jeden Tag, die Aufnahmefähigkeit der Schwimmhalle ist zirka 700 Personen; 18 bis 20 Wannenbäder, 18 bis 20 Brausebäder. Das Bad wird also praktisch nicht benutzt, aber es bleibt beschlagnahmt. Weiterhin sind in Frankfurt fünf Sportplätze beschlagnahmt.
Ähnlich liegen die Verhältnisse beispielsweise in Darmstadt. Dort sind das Hochschulstadion und ein „Sportplatz 1898" beschlagnahmt. Wenn die Deutschen in Darmstadt von der Armee beschlagnahmte Sportplätze benutzen wollen, müssen sie nach den Mitteilungen des dortigen Oberbürgermeisters noch eine Abfindung an die Besatzungsmächte zahlen.
Ich könnte aus dem mir vorliegenden Material noch eine ganze Reihe von Dingen anführen, die wichtig wären, besprochen zu werden. Nach einer
Mitteilung der Landtagsdrucksachen 1998 und 1999 des niedersächsischen Landtags, in denen sich eine Zusammenstellung über beschlagnahmte Sportplatzanlagen befindet, sind es beispielsweise in Hannover allein 36, in Hildesheim 6, in Luneburg 10, in Stade 5, in Osnabrück 9, in Aurich 4, in Braunschweig 6, in Oldenburg 3 Sportplätze, die beschlagnahmt sind. Insgesamt sind es 79 Sportplätze, die allein in Niedersachsen beschlagnahmt sind.
Ich glaube, jeder, der es mit der Volksgesundheit ernst meint und der es ernst damit meint, der deutschen Jugend wieder ihre Sportplätze und der deutschen Bevölkerung wieder ihre Bäder zurückzugeben, der deutschen Bevölkerung wieder die Möglichkeit zu geben, hygienisch zu leben, muß unserem Antrag die Zustimmung geben.
Das Wort hat Herr Bundesfinanzminister Schäffer.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! In Vertretung des Herrn Bundesministers für Wirtschaft, Dr. Erhard, habe ich folgende Erklärung abzugeben.
Die Angelegenheit, die in dem Antrag Drucksache Nr. 981 behandelt worden ist, ist bereits Gegenstand der Anfrage Nr. 65 auf Drucksache Nr. 815 der Abgeordneten Hammer, Dr. Wellhausen, Stahl, Stegner, Dr. Friedrich, Dr. Oellers, Dr. Schäfer und Fraktion der FDP gewesen und mit Drucksache Nr. 915 beantwortet worden. Die Bundesregierung ist bereits seit langem mit der Frage befaßt, die Beschlagnahme von Kur- und Heilbädern in Verhandlungen mit den Besatzungsmächten zu lockern, damit diese Einrichtungen insbesondere den durch Krieg oder Kriegsfolgen geschädigten oder geschwächten Menschen zur Wiederherstellung ihrer Gesundheit dienen können.
Zusammenfassend wird über den damaligen Stand der Angelegenheit hinaus noch folgendes ergänzend ausgeführt. In erster Linie mußten die dahin zielenden Bemühungen den Ländern überlassen werden, weil sich erwiesen hat, daß in Verhandlungen auf örtlicher oder regionaler Grundlage Erleichterungen erzielt werden können. Das gilt vor allem für die in dem Antrag genannten Erholungsstätten, die kommunalen und privaten Badeanstalten, Schwimmbäder, Licht- und Luftbäder und Sportanlagen. Hinsichtlich der Freigabe der Heilbäder und Kurheime muß leider festgestellt werden, daß, obwohl sich die jeweiligen Wirtschaftsministerien der Länder die erdenklichste Mühe gegeben haben, die regionalen Besatzungsdienststellen von der Notwendigkeit der Freigabe der Kureinrichtungen zu überzeugen, sich die erwünschte Freigabe mit den Bedürfnissen der Besatzungsmächte nicht hat in Einklang bringen lassen.
Als Beispiel seien hier Bad Oeynhausen und Bad Mergentheim genannt.
Die Bundesregierung wird ihre Bemühungen, eine Freigabe der Heilbäder und Kurheime von der Beschlagnahme mindestens abschnittsweise zu erzielen, weiter fortsetzen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Tenhagen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion stimmt dem Antrage, der Ihnen in Drucksache Nr. 981 vorliegt, grundsätzlich zu; sie stimmt zu, weil sie kein Verständnis dafür hat, daß der deutschen Bevölkerung nunmehr, 5 Jahre nach dem Ende des Krieges, immer noch eine erhebliche Anzahl von Bädern, Heilstätten und Sportanlagen entzogen werden und so nicht ihrem eigentlichen Zweck, der Gesundheitspflege der deutschen Bevölkerung zu dienen, zugeführt werden können.
Ich will hier keinen Katalog aller in Frage kommenden Stätten aufführen, möchte aber doch zur Verdeutlichung der Situation einige besonders markante Beispiele herausgreifen. Es dürfte allgemein bekannt sein, daß viele von den großen Badeorten — Oeynhausen, Driburg, Hermannsbad, Lippspringe, Salzuflen und viele andere —, die heute noch ganz oder zu einem erheblichen Prozentsatz von der Militärregierung belegt sind, keineswegs so voll ausgenutzt werden, wie es dem Zweck dieser Bäder an sich entspräche. Für Oeynhausen gilt noch das Kuriosum, daß beispielsweise der Bürgermeister dieser Stadt nicht einmal sein Rathaus benutzen kann, sondern seine Amtsgeschäfte von einer anderen Gemeinde aus führen muß, weil eben der ganze Ort beschlagnahmt ist.
Es sind in dem Zusammenhang aber auch noch einige andere besonders hervortretende Fälle der Behandlung von Heil- und Pflegeanstalten zu erwähnen, in denen wir für die dort geübte Handhabung keinerlei Verständnis aufbringen können. Ich erwähne hier insbesondere das in Lerbach im Kreise Bergisch-Gladbach gelegene Waisenhaus, das als Waisenhaus für Kinder bis zu 3 Jahren, insbesondere zur Aufnahme von Tbc-kranken Kindern und zur Behandlung von Frühgeburtsfällen bestimmt war. Dieses Haus mußte im August des vergangenen Jahres auf Befehl der Militärregierung innerhalb 8 Tagen geräumt werden. Der Versuch, eine Verlängerung der Räumungsfrist zu erreichen, ist gescheitert. Die Folge davon ist, daß ein großer Prozentsatz dieser Kinder auch heute noch in unfertigen und unzureichenden Gebäuden untergebracht ist. Das Heim dient den Offizieren der Besatzungsmacht als Ferienheim.
In Bedburg-Hau, einer der größten Anstalten, sind noch 650 Betten für DPs beschlagnahmt.
Ein besonderes Kuriosum ist auch die Behandlung der Angelegenheit des Hotels „Zur Bruchertalsperre" ih Marienheide, ein Bad, das zwar nicht allzu groß ist, aber dadurch, daß es über Kneippkureinrichtungen verfügt, besonders wertvoll ist und besonders von der Bevölkerung des Ruhrgebiets sehr stark in Anspruch genommen wurde. Dieses Bad ist nach fast zweijährigem Kampf nunmehr von der englischen Militärregierung geräumt worden. Man hat aber fast sämtliche Einrichtungsgegenstände des Hotels mitgenommen,
insbesondere die eingebauten Herde und die elektrischen Kühlschränke, so daß das Bad jetzt leersteht. An sich steht es jetzt der belgischen Besatzungsmacht zur Verfügung, nicht etwa den Deutschen.
Auf ein Beispiel, das uns besonders tragisch anmutet, möchte ich in dem Zusammenhang ebenfalls hinweisen, und zwar ist das die Situation im Sauerland, vor allem an der Möhnetalsperre. Dort hat sich ein Erholungszentrum für Besatzungsangehörige entwickelt. Das hat dazu geführt, daß die Bevölkerung des Ruhrgebiets, die gerade diesen Ort, weil er nahe gelegen ist, über das Wochenende sehr oft als Erholungsaufenthalt benutzte, jetzt keine oder fast keine Möglichkeit mehr hat — fast sämt-
liche in Frage kommenden Hoteles und Pensionen sind beschlagnahmt —, dort die ihnen notwendige Erholung zu finden. Wir sind der Auffassung, daß hier allmählich eine weise Beschränkung der Besatzungsmächte Platz greifen sollte.
Darüber hinaus sind wir der Meinung, daß wir diese Erholungsstätten und Bäder nicht in Sonderheit für die Leute zurückfordern, die über die dikken Brieftaschen verfügen, damit gerade diese eventuell dort ihren privaten Erholungsurlaub verleben. Wir fordern diese Stätten zurück, damit der schwer arbeitenden Bevölkerung die Möglichkeit gegeben ist, ihre in schwerer Arbeit erlittenen gesundheitlichen Schäden wieder auszukurieren.
Wir fordern sie insbesondere deshalb zurück, weil Reihenuntersuchungen in Schulen ergeben haben, daß die Kinder, die heranwachsende Jugend, in bezug auf Gewicht und Größe, im wesentlichen wieder als normal zu bezeichnen sind, daß aber die inneren Organe sehr stark in ihrer Entwicklung zurückgeblieben sind. Bei 70% der untersuchten Kinder müssen sehr starke Haltungsschädeñ verzeichnet werden. Gerade für diese Kinder müssen solche Heimstätten zur Verfügung gestellt werden, damit die schweren Schäden der Hungerzeit wenigstens in etwa wieder ausgeglichen werden können.
Auch zu dem Problem der Sportstätten möchte ich noch einige kurze Bemerkungen machen. Es ist leider so, daß nicht nur die Stadien der großen Städte — Düsseldorf, Köln usw. — beschlagnahmt sind. Das würde nicht einmal so sehr ins Gewicht fallen. Aber auch hier werden Maßnahmen durchgeführt, für die wir wiederum keinerlei Verständnis aufbringen können, ebensowenig wie die Jugend, für die man angeblich immer soviel tun will, vor allen Dingen auf seiten sehr vieler, die es nach ihren Worten so gut mit ihr meinen. Ich weise hier auf das Beispiel Brühl hin. In ganz Brühl ist nur eine einzige Sportplatzanlage vorhanden, und diese einzige Anlage ist von der Militärregierung auch noch beschlagnahmt worden, so daß die sporttreibende Jugend von Brühl, wenn sie den Sport pflegen will, nach auswärts gehen muß.
Auch eine Unzahl von Schwimmhallen, Bädern, Tennisplätzen und kleineren Sportstätten ist beschlagnahmt, wodurch eine sehr starke Erschwernis auch auf diesem Gebiet eingetreten ist. Wir meinen, wir sollten gerade der heranwachsenden Jugend in großem Maße Gelegenheiten schaffen, damit sie auf diese Art und Weise sich gesund erhalten oder körperliche Schäden wieder ausgleichen kann.
Daß der Sport allerdings nicht nur für die Aktiven, sondern auch für die Passiven eine besondere Bedeutung hat, ist jedem klar, der sonntags einmal zu den großen Sportplätzen hingeht und feststellen kann, daß Zehntausende von Menschen dort ihre Entspannung und ihre Erholung suchen und auch finden.
Wenn ich hier nur einige Beispiele aus der britischen Zone genannt habe, dann ist damit nicht etwa zum Ausdruck gebracht, daß in den anderen Zonen die Situation besser sei, sondern ich bin durchaus darüber informiert, daß es dort nicht besser und insbesondere in der französischen Zone eher schlechter aussieht als bei uns.
Aber ein Wort möchte ich auch noch zu der kommunalpolitischen Situation sagen, die sich dadurch ergibt. Gerade dort, wo die großen Heilstätten sind, wo die eigentlichen Kurorte sind, sind auch die Schäden, die der Kommunalverwaltung
besonders in finanzieller Hinsicht erwachsen, wahrscheinlich gar nicht abschätzbar; sie bedeuten eine gewaltige Erschwernis dieser Arbeit.
Wir sind nun der Auffassung — damit komme ich zum Schluß —, daß es ein gemeinsames Anliegen aller Fraktionen sein sollte, auf diesem Gebiete eine Änderung herbeizuführen, und ich freue mich, daß der Herr Finanzminister in Vertretung hier schon mitteilen konnte, daß die Bundesregierung bemüht ist, eine Änderung herbeizuführen. Ich möchte nur hoffen und wünschen, daß diese Bemühungen sehr bald von Erfolg gekrönt sein werden.
Ich bin aber trotzdem der Auffassung, daß wir diesen Antrag an den Ausschuß für innere Verwaltung überweisen sollten, um dort das ganze Material einmal zusammenzutragen und vor allen Dingen auch alle die Maßnahmen, die bereits von den Ländern eingeleitet worden sind, in unsere Aufgaben miteinzubauen. Die sozialdemokratische Fraktion stimmt also dem Antrag zu und bittet, auch der Überweisung an den Ausschuß für innere Verwaltung zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Decker, 3 Minuten!
Meine Fraktion hat mit dem Antrag Drucksache Nr. 197 schon im November 1949 Verhandlungen der Regierung mit den Alliierten bezüglich der Freigabe von Hotels und Wohnraum verlangt. In diesen Zusammenhang gehört nach seinem Inhalt auch der Antrag, der heute hier gestellt warden ist. Ich möchte auf einen Einzelfall hinweisen, der die typischen Schwierigkeiten zeigt, die durch die einseitige und weit über das Bedürfnis der Besatzung hinausgehende Beschlagnahme entstehen. Das ist der Fall am Königsee. Am Königsee ist das Hotel Schiffmeister beschlagnahmt und damit auch in weitem Bereich das davor liegende Ufer. Der Erfolg ist, daß der Königsee für Deutsche buchstäblich nur noch über Hinterhöfe zu erreichen ist. Das einzige schöne Ufer des Königsees ist für uns alle gesperrt. Das ist ein Zustand, der eigentlich noch sehr den Geist des Morgenthauplans demonstriert; denn es müßte doch möglich sein, hier bei einigermaßen gutem Willen eine Basis zu einer gemeinsamen Benutzung dieser Stätten zu finden. Ähnliche Verhältnisse liegen in Garmisch, am Eibsee, an der Zugspitze und außerdem am Rasthaus am Chiemsee vor. Alle diese Stätten sind weit über ein Maß hinaus abgesperrt, wie es der Bedarf der Besatzung erfordert. Wir sind der Ansicht, daß die Möglichkeit, unsere Jugend an die Erholungsstätten, an die Bäder hinzubringen, bedeutend wichtiger ist, als einmal im Jahre ein Seifenkistenrennen mit großer Propaganda zu veranstalten.
Aus diesem Grunde stimmt meine Fraktion dem Antrag zu.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Strauß.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen der Vorredner kann ich mich kurz fassen. Ich möchte nur auf drei Beispiele hinweisen und an Hand dieser drei Bei-
spiele die Bundesregierung bitten, gerade in diesen Fällen mit der Besatzungsmacht zu verhandeln. Es handelt sich um das wohl krasseste Beispiel aus dieser Reihe von Einzelfällen, und zwar um die Freigabe des Jodbades Tölz. Bad Tölz war bisher das bekannteste Jod- und Erholungsbad für Herzleidende aller Art und nicht nur von wirtschaftlich erheblicher Bedeutung in diesem Raum, was hier vielleicht nicht das Ausschlaggebende wäre, sondern im besonderen auch für die Volksgesundheit, weil dort jährlich Tausende deutscher Menschen und Tausende von Ausländern sich aufgehalten haben. Die Kuranlagen von Bad Tölz sind nun fast ausschließlich von der Besatzungsmacht in Anspruch genommen, wobei die Belegung durch die Besatzungsmacht jeweils nur durch einige Personen erfolgt und 90% der gesamten Anlagen nicht ausgenutzt sind. In einem der großen Häuser ist ein großes Post Exchange untergebracht mit Schokolade, Drops, Zigaretten usw. Ich glaube, daß man die Unterbringung dieser Gegenstände anderswo vornehmen könnte als ausgerechnet in den Kuranlagen. Ich möchte die Bundesregierung gerade im Namen aller Abgeordneten der CSU bitten, sich aus gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gründen mit Nachdruck für die Freigabe des Jodbades Tölz zu verwenden.
Ich möchte in zweiter Linie im Anschluß an das, was vorhin gesagt worden ist, noch auf das Beispiel Reichenhall hinweisen, wo ähnliche Verhältnisse vorliegen, und auf das Beispiel Garmisch, wo wir nicht vermeiden können, daß dort die Besatzungsmacht für sich ein Recreation Center, ein Erholungszentrum eingerichtet hat, wo man aber auch die alten trennenden Wände jetzt endlich einmal beseitigen und ein Konvivium zwischen der Besatzungsmacht und den Deutschen einführen könnte, ein Konvivium, das ja auch im privaten Leben schon in der Zeit des Verbotes der Fraternisierung mit voller Intensität geübt worden ist. Man sollte also hier das, was schon illegal und legal zur Praxis geworden ist, zumindest dort, wo es der Vernunft entspricht, nicht mehr durch solche trennende Schranken unterbinden, sondern es ermöglichen, daß sich in ein und demselben Hotel amerikanische Gäste für sich und deutsche Gäste für sich — ich meine: getrennt, in ihren Zimmern —
aufhalten und aus wirtschaftlichen Gründen wie aus Gründen der Völkerverständigung nunmehr nach außen hin die gemeinsame Benutzung von Hotels erfolgen könnte. Gerade bei Garmisch haben sich infolge der trennenden und einschränkenden Bestimmungen große Schäden herausgestellt. In jedem Monat müssen ungeheure Summen an Besatzungskosten für Mieten von Gebäuden gezahlt werden, die überhaupt nicht ausgenutzt sind, und auf der andern Seite ist es dort nicht möglich, die vielen Fremden, die sich aus sportlichen und anderen Gründen da aufhalten wollen, unterzubringen. Ich bitte die Bundesregierung, auch im Falle Garmisch mit besonderem Nachdruck dafür zu sorgen, daß eine gemeinsame Benutzung der Erholungsanlagen möglich ist. Es wird keinem von beiden Teilen zum Schaden gereichen, wie wir in einer Reihe von Beispielen schon erlebt haben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist der Antrag gestellt, die Drucksache Nr. 981 an den Ausschuß für Angelegenheiten der inneren Verwaltung zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Die Gegenprobe. — Es ist so beschlossen.
Dann habe ich einen Punkt aufzurufen, der nicht auf der gedruckten Tagesordnung steht:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Beamtenrecht über den Antrag der Abgeordneten Dr. Falkner, Dr. Etzel , Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei betreffend Artikel 131 des Grundgesetzes (Drucksache Nr. 1043).
Ich schlage Ihnen vor, meine Damen und Herren, auch hier die allgemeine Aussprache auf höchstens 40 Minuten zu beschränken. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Das Wort hat der Abgeordnete Böhm zur Berichterstattung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bayernpartei hat mit dem Antrag Drucksache Nr. 824 die Regierung aufgefordert, zu dem Fragenkomplex des Art. 131 des Grundgesetzes einen Gesetzentwurf vorzulegen, um damit eine Angelegenheit zum Abschluß zu bringen, die in der Öffentlichkeit außerordentlich viel diskutiert wird.
Der Antrag, der Ihnen heute mit der Drucksache Nr. 1043 vorliegt, stimmt im Wortlaut mit dem Antrag Drucksache Nr. 824 überein; es besteht nur der Unterschied, daß der Ausschuß für Beamtenrecht in Übereinstimmung mit dem Vertreter der Bayernpartei den Termin für die Vorlage des Gesetzentwurfes seitens der Regierung vom 1. Juni auf den 1. Juli abgeändert hat.
Mit Rücksicht darauf, daß die Frage im Kabinett schon sehr eingehend behandelt wurde und begründete Aussicht besteht, daß der Bundesrat das vom Kabinett behandelte Gesetz recht bald vorlegen wird, hat der Beamtenrechtsausschuß in Übereinstimmung mit den Antragstellern beschlossen, die Regierung aufzufordern, dieses Gesetz bis zum 1. Juli vorzulegen. Der Ausschuß hat diesen Beschluß einstimmig gefaßt. Ich empfehle Ihnen, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter und eröffne die Aussprache. — Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Ausschußantrags nach Drucksache Nr. 1043 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, damit ist die Tagesordnung erschöpft.
Ich habe noch eine Reihe von Mitteilungen zu machen.
Der Vorsitzende des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht bittet mitzuteilen, daß die auf 16 Uhr angesetzte Sitzung des Ausschusses schon um 15 Uhr 15 beginnt.
Die Fraktion der FDP will sich eine halbe Stunde nach Schluß der Plenarsitzung versammeln.
Die Sitzung des Ausschusses für Wirtschaftspolitik, die für Freitag, den 23. Juni, vorgesehen war, muß wegen der an diesem Tag stattfindenden Plenarsitzung ausfallen.
I Der Ausschuß für Fragen der Jugendfürsorge will heute um 15 Uhr 30 im Zimmer 10 des Südflügels zusammentreten.
Weiter habe ich bekanntzugeben, daß morgen eine halbe Stunde nach Schluß der Plenarsitzung eine Sitzung des Ältestenrats stattfindet, in der der Sitzungsplan für die nächsten zwei Wochen festgesetzt werden soll. Offenbar besteht die Absicht, für Montag, den 26., und Dienstag, den 27. Juni, Fraktions- und Ausschußsitzungen und für Mittwoch, den 28. Juni, eine Plenarsitzung vorzusehen; die Woche vom 3. bis 8. Juli soll völlig frei von Plenarsitzungen sein und nur den Arbeiten der Ausschüsse dienen.
Ich gebe noch bekannt, daß der Ausschuß für Immunität um 1/2 3 Uhr zusammentritt.
Ich berufe die 72. Sitzung des Deutschen Bundestags auf den 23. Juni, vormittags 9 Uhr, ein und schließe die 71. Sitzung des Deutschen Bundestags.