Rede von
Otto
Arnholz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Grundsätzlich begrüßt die Fraktion der SPD es, wenn Schritte unternommen werden, das Recht im Geltungsbereich des Grundgesetzes zu vereinheitlichen. Insofern erkennen wir die Absicht an, das Personalausweiswesen durch ein Rahmengesetz bundeseinheitlich zu regeln, dessen Entwurf uns in Drucksache Nr. 1032 vorliegt. Es muß unseres Erachtens aber ge-
prüft werden, ob überhaupt ein Ausweiszwang erforderlich ist. Die Bundesregierung hat anscheinend selbst Zweifel daran; denn in Abs. 4 ihrer Begründung zu dem vorliegenden Gesetzentwurf bejaht sie nicht unbedingt diesen Zwang, sondern sie sagt, die Beibehaltung des allgemeinen Ausweiszwanges wird bejaht werden müssen. Schon daraus ergibt sich, daß ein gewisser Zweifel wohl vorhanden ist.
Uns will scheinen, daß ein Staat solche Maßnahmen nur dann ergreift, wenn er sich irgendwie innerlich bedroht fühlt. Dieses Verhalten ist die typische Furcht der „Diktatoren" und der Diktaturen. Im allgemeinen richten sich solche Maßnahmen gegen Illegalität, zu der ja zumal in einer Demokratie Veranlassung nicht bestehen sollte. Wenn sie im geringen Umfange vorhanden sein sollte, nun, dann glauben wir, ist die Bekämpfung auch auf anderem Wege als durch den Ausweiszwang möglich. Es ist nicht recht einzusehen, weshalb ein besonderer Personalausweis neben anderen gültigen Lichtbildausweisen eingeführt oder aufrechterhalten werden soll, z. B. neben einem gültigen Paß oder einem Führerschein. In diesem Punkt weichen wir von der Auffassung des Bundesrates ab, der den Paß nicht anerkennen will.
Grundsätzlich abzulehnen ist, daß diese Frage, wie der Bundesrat es vorschlägt, in einem späteren Paßgesetz geregelt werden soll. Eine solche Verzettelung der Bestimmungen macht die Gesetzgebung unübersichtlich. Vorschriften über Personalausweise gehören in das Personalausweisgesetz und nicht in ein später zu erlassendes Paßgesetz.
Dagegen teilen wir die Bedenken des Bundesrates gegen die Fingerabdrücke. Die Einführung dieser Fingerabdrücke bei den Personalausweisen hat seinerzeit fast allgemeinen Unwillen erregt. Im ) Bewußtsein der Bevölkerung verbindet sich mit dem Nehmen eines Fingerabdruckes die Vorstellung der Aufnahme in das sogenannte Verbrecheralbum. Daraus erklärt sich die innere Abneigung weitester Kreise der Bevölkerung gegen eine solche Maßnahme.
Wenn die Begründung der Bundesregierung sagt, daß ein tunlichst schlüssiger Nachweis der Identität nur durch Lichtbild und Fingerabdruck möglich sei, so beweist das Wort „tunlichst" schon, daß wohl auch die Bundesregierung einen absolut schlüssigen Nachweis der Identität auf diese Weise nicht als gegeben ansieht. Wir sollten nicht übersehen, daß die der Praxis näher als die Bundesregierung stehenden Mitglieder des Bundesrates die Meinung vertreten, daß durch die Aufnahme des Lichtbildes den praktischen Bedürfnissen hinreichend Rechnung getragen ist.
Im übrigen ist die Auffassung der Bundesregierung nicht ganz überzeugend. Wer so raffiniert ist, daß er auf einem Paß das Lichtbild einer anderen Person durch sein eigenes ersetzt oder Stempelabdrücke anbringt, wird auch die Bundesregierung enttäuschen bezüglich ihrer Stellungnahme zu dem betreffenden Abänderungsvorschlag des Bundesrates. Die Bundesregierung behauptet, der Fingerabdruck sei die einzige nicht fälschbare, unveränderliche Unterschrift. Nun, unveränderlich dürfte sie wohl sein, da beim Fingerabdruck ja wohl eine Urkundenfälschung im engeren Sinne nicht möglich ist. Aber wie will man denn die Herstellung einer falschen Urkunde mit einem echten Fingerabdruck auf einem nachgemachten oder gestohlenen echten Vordruck mit dem richtigen Lichtbild des Inhabers und mit Stempelabdrücken verhindern, die etwa von einem echten Stempel her vervielfältigt oder die mit Hilfe von gestohlenen oder nachgemachten Stempeln angefertigt worden sind? Ich glaube also auch, es ist nicht ganz schlüssig, wenn von der Bundesregierung gesagt wird, daß der Fingerabdruck die einzige nicht fälschbare Unterschrift sei. Wir sind sehr skeptisch gegen diese Ansicht hinsichtlich der einzigen nicht fälschbaren Unterschrift.
Nach unserer Meinung muß aber unter allen Umständen die Extra-Ausfertigung einer amtlich angeordneten Ausstellung eines Ausweises gebührenfrei sein. Die Regelung dieser Frage darf nicht, wie es der Bundesrat vorschlägt, den Ländern überlassen bleiben. Dadurch würde erneut eine Rechtszersplitterung ermöglicht werden, und die Bundesregierung ist meines Erachtens inkonsequent, wenn sie dem diesbezüglichen Vorschlag des Bundesrats zustimmt. Die Formulierung des Entwurfs müßte meinen Ausführungen entsprechend auch in Richtung einer zweifelsfreien Klarstellung der Gebührenfreiheit geändert werden. Die Erhebung einer Gebühr für die Erstausfertigung eines solchen Ausweises widerspräche dem allgemein anerkannten Grundsatz, daß für solche Amtshandlungen Gebühren nicht zu erheben sind, die überwiegend im öffentlichen Interesse vorgenommen werden. Wenn schon ein Ausweiszwang eingeführt oder aufrechterhalten wird, dann ist eben die Ausstellung der jeweils ersten Ausfertigung überwiegend im öffentlichen Interesse; insofern muß also die Gebührenfreiheit unter allen Umständen gewährleistet werden. Aber selbst wenn die Gebührenfreiheit aufrechterhalten wird, bleibt eine unnötige Belastung der Bevölkerung für die Beschaffung der Lichtbilder bestehen, wenn nicht der schlüssige Nachweis erbracht wird, daß die Aufrechterhaltung des Personalausweiszwanges unbedingt erforderlich ist.
Die hier dargelegten Zweifel und Bedenken müssen unseres Erachtens zunächst geklärt werden. Ich beantrage daher namens meiner Fraktion die Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für die Angelegenheiten der inneren Verwaltung.