Rede von
Dr.
Victor-Emanuel
Preusker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Herr Klabunde hat eben davon gesprochen, daß Vorwürfe doch wohl nicht berechtigt seien, weil der Bundestag seinerzeit dieses Wohnungsbaugesetz einstimmig angenommen habe. Ich kann seinen Darlegungen leider nicht ganz folgen; vielmehr bin ich der Ansicht, daß man, gerade weil wir in diesem Gesetz zu einer einstimmigen Meinung im Bundestag über den Wohnungsbau und insbesondere den sozialen Wohnungsbau gekommen sind, auch damit hätte rechnen müssen, daß es bei den Ländern überhaupt keine Schwierigkeiten geben würde. Ich will gar nicht einmal politische Absichten unterstellen, sondern nur Tatsachen sprechen lassen. Beispielsweise sind im Lande Hessen die Richtlinien für den Wohnungsbau 1950 mit dem Datum vom 5. April nach einer Sitzung des Wiederaufbauausschusses des hessischen Landtages am 4. April hinausgegangen. Das Land Hessen hat im Bundesrat am 30. März ebenfalls einstimmig das Bundeswohnungsbaugesetz gebilligt. Daraus kann wohl der Bundestag die Verpflichtung für das Land Hessen ableiten, daß es ein einstimmig gebilligtes Gesetz, das es in seinem ganzen Wortlaut nicht nur bereits kannte, sondern auch kennen mußte — sonst konnte es dieses Gesetz ja nicht billigen —, auch so anwendet, wie es hier einstimmig beschlossen wurde. Wenn wir uns diese hessischen Richtlinien ansehen, so müssen wir feststellen, daß sie in wesentlichen Punkten dem hier beschlossenen Gesetz zuwiderlaufen;
in wesentlichen Punkten, so daß das Ergebnis sein muß, daß im Jahr 1950 weniger Wohnungen gebaut werden ' können, als gebaut werden könnten, wenn das Wohnungsbaugesetz in vollem Umfang Anwendung gefunden hätte.
Ein solch wesentlicher Punkt ist beispielsweise, daß in den hessischen Richtlinien grundsätzlich eine zweiprozentige Verzinsung und eine einprozentige Amortisation der Landesbaudarlehen fixiert wird.
Wir haben uns in diesem Fall sogar der sozialdemokratischen Argumentation im Bundestag einstimmig angeschlossen, daß, wenn man die Mieten fixiert, um sie auf einem sozial niedrigen Niveau zu halten, man dann bei gegebenen Kosten hinsichtlich der Verzinsung des Landesbaudarlehns variieren, notfalls bis auf 0 % heruntergehen muß, um damit eine Wirtschaftlichkeit des sozialen Wohnungsbaus zu gewährleisten und den Anreiz für den sozialen Wohnungsbau zu schaffen.
Wenn Sie dann noch dazu :nehmen, daß die hessische Regierung einen Antragsbogen herausgegeben hat, der auch entgegen dein klaren Wortlaut des Bundeswohnungsbaugesetzes keinerlei Spalten für die Verzinsung des Eigenkapitals, für Instandhaltungskosten, für Bewirtschaftungskosten, für Abschreibungen vorsieht, wenn alle diese Posten unter den Tisch fallen und nur dazu dienen, um diese dreiprozentige Verzinsung des Landesbaudarlehns irgendwie möglich zu machen, dann bedeutet das nichts anderes, als daß man praktisch die private Initiative im sozialen Wohnungsbau außerordentlich gefährdet und beschneidet.
Es kommt weiter hinzu, daß die hessischen Richtlinien den Begriff der „Wiederherstellung` überhaupt nicht kennen, daß sie die oberste Fördergrenze beim Wiederaufbau oder bei Kinderreichen starr auf 75 qm festlegen, obwohl nach dem Gesetz 120 qm möglich sind. Nun denkt natürlich niemand an diese oberste Grenze — wir haben damals ja auch nicht daran gedacht — als Regelfall. Aber wir wollten doch auch immerhin den Wiederaufbau von Wohnflächen von 78 oder 80 qm ermöglichen, die unter Umständen sehr einfach und billig wiederherzustellen wären.
Die hessischen Richtlinien schalten weiter die Förderung von Eigenheimen aus, wenn sie nicht in Reihenbauweise erstellt werden. Ja, wo sollen dann Einzelinteressenten für Eigenheimbau
ten sich erst zu einer großen Gemeinschaft zusammenfinden, die Reihenbauweise betreibt?
Sie schalten ferner die Förderung von Werkswohnungen aus. Wir waren uns hier im Bundestag darüber einig, daß wir an Stelle der Werkswohnungen lieber den werkgeförderten Wohnungsbau mit einem eigenen Bauträger und der völligen Unabhängigkeit des Mietvertrags vom Arbeitsvertrag sehen und daß die Entwicklung auch dorthin gehen sollte. Aber wir haben uns folgendes überlegt. Wir wollen doch im Jahre 1950 unter allen Umständen möglichst viele Wohnungen gebaut sehen. Wir haben deshalb diese Förderung ausdrücklich hineingenommen, vor allem im Hinblick auf die Landwirtschaft. Auch davon steht in den hessischen Richtlinien nichts.
Ich frage den Bundestag, wie er sich dazu stellt, wenn eine Landesregierung, die ein Bundesgesetz einstimmig gebilligt hat, fünf Tage später Richtlinien herausgibt, die diesem Gesetz vollständig widersprechen.