Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion stimmt dem Antrage, der Ihnen in Drucksache Nr. 981 vorliegt, grundsätzlich zu; sie stimmt zu, weil sie kein Verständnis dafür hat, daß der deutschen Bevölkerung nunmehr, 5 Jahre nach dem Ende des Krieges, immer noch eine erhebliche Anzahl von Bädern, Heilstätten und Sportanlagen entzogen werden und so nicht ihrem eigentlichen Zweck, der Gesundheitspflege der deutschen Bevölkerung zu dienen, zugeführt werden können.
Ich will hier keinen Katalog aller in Frage kommenden Stätten aufführen, möchte aber doch zur Verdeutlichung der Situation einige besonders markante Beispiele herausgreifen. Es dürfte allgemein bekannt sein, daß viele von den großen Badeorten — Oeynhausen, Driburg, Hermannsbad, Lippspringe, Salzuflen und viele andere —, die heute noch ganz oder zu einem erheblichen Prozentsatz von der Militärregierung belegt sind, keineswegs so voll ausgenutzt werden, wie es dem Zweck dieser Bäder an sich entspräche. Für Oeynhausen gilt noch das Kuriosum, daß beispielsweise der Bürgermeister dieser Stadt nicht einmal sein Rathaus benutzen kann, sondern seine Amtsgeschäfte von einer anderen Gemeinde aus führen muß, weil eben der ganze Ort beschlagnahmt ist.
Es sind in dem Zusammenhang aber auch noch einige andere besonders hervortretende Fälle der Behandlung von Heil- und Pflegeanstalten zu erwähnen, in denen wir für die dort geübte Handhabung keinerlei Verständnis aufbringen können. Ich erwähne hier insbesondere das in Lerbach im Kreise Bergisch-Gladbach gelegene Waisenhaus, das als Waisenhaus für Kinder bis zu 3 Jahren, insbesondere zur Aufnahme von Tbc-kranken Kindern und zur Behandlung von Frühgeburtsfällen bestimmt war. Dieses Haus mußte im August des vergangenen Jahres auf Befehl der Militärregierung innerhalb 8 Tagen geräumt werden. Der Versuch, eine Verlängerung der Räumungsfrist zu erreichen, ist gescheitert. Die Folge davon ist, daß ein großer Prozentsatz dieser Kinder auch heute noch in unfertigen und unzureichenden Gebäuden untergebracht ist. Das Heim dient den Offizieren der Besatzungsmacht als Ferienheim.
In Bedburg-Hau, einer der größten Anstalten, sind noch 650 Betten für DPs beschlagnahmt.
Ein besonderes Kuriosum ist auch die Behandlung der Angelegenheit des Hotels „Zur Bruchertalsperre" ih Marienheide, ein Bad, das zwar nicht allzu groß ist, aber dadurch, daß es über Kneippkureinrichtungen verfügt, besonders wertvoll ist und besonders von der Bevölkerung des Ruhrgebiets sehr stark in Anspruch genommen wurde. Dieses Bad ist nach fast zweijährigem Kampf nunmehr von der englischen Militärregierung geräumt worden. Man hat aber fast sämtliche Einrichtungsgegenstände des Hotels mitgenommen,
insbesondere die eingebauten Herde und die elektrischen Kühlschränke, so daß das Bad jetzt leersteht. An sich steht es jetzt der belgischen Besatzungsmacht zur Verfügung, nicht etwa den Deutschen.
Auf ein Beispiel, das uns besonders tragisch anmutet, möchte ich in dem Zusammenhang ebenfalls hinweisen, und zwar ist das die Situation im Sauerland, vor allem an der Möhnetalsperre. Dort hat sich ein Erholungszentrum für Besatzungsangehörige entwickelt. Das hat dazu geführt, daß die Bevölkerung des Ruhrgebiets, die gerade diesen Ort, weil er nahe gelegen ist, über das Wochenende sehr oft als Erholungsaufenthalt benutzte, jetzt keine oder fast keine Möglichkeit mehr hat — fast sämt-
liche in Frage kommenden Hoteles und Pensionen sind beschlagnahmt —, dort die ihnen notwendige Erholung zu finden. Wir sind der Auffassung, daß hier allmählich eine weise Beschränkung der Besatzungsmächte Platz greifen sollte.
Darüber hinaus sind wir der Meinung, daß wir diese Erholungsstätten und Bäder nicht in Sonderheit für die Leute zurückfordern, die über die dikken Brieftaschen verfügen, damit gerade diese eventuell dort ihren privaten Erholungsurlaub verleben. Wir fordern diese Stätten zurück, damit der schwer arbeitenden Bevölkerung die Möglichkeit gegeben ist, ihre in schwerer Arbeit erlittenen gesundheitlichen Schäden wieder auszukurieren.
Wir fordern sie insbesondere deshalb zurück, weil Reihenuntersuchungen in Schulen ergeben haben, daß die Kinder, die heranwachsende Jugend, in bezug auf Gewicht und Größe, im wesentlichen wieder als normal zu bezeichnen sind, daß aber die inneren Organe sehr stark in ihrer Entwicklung zurückgeblieben sind. Bei 70% der untersuchten Kinder müssen sehr starke Haltungsschädeñ verzeichnet werden. Gerade für diese Kinder müssen solche Heimstätten zur Verfügung gestellt werden, damit die schweren Schäden der Hungerzeit wenigstens in etwa wieder ausgeglichen werden können.
Auch zu dem Problem der Sportstätten möchte ich noch einige kurze Bemerkungen machen. Es ist leider so, daß nicht nur die Stadien der großen Städte — Düsseldorf, Köln usw. — beschlagnahmt sind. Das würde nicht einmal so sehr ins Gewicht fallen. Aber auch hier werden Maßnahmen durchgeführt, für die wir wiederum keinerlei Verständnis aufbringen können, ebensowenig wie die Jugend, für die man angeblich immer soviel tun will, vor allen Dingen auf seiten sehr vieler, die es nach ihren Worten so gut mit ihr meinen. Ich weise hier auf das Beispiel Brühl hin. In ganz Brühl ist nur eine einzige Sportplatzanlage vorhanden, und diese einzige Anlage ist von der Militärregierung auch noch beschlagnahmt worden, so daß die sporttreibende Jugend von Brühl, wenn sie den Sport pflegen will, nach auswärts gehen muß.
Auch eine Unzahl von Schwimmhallen, Bädern, Tennisplätzen und kleineren Sportstätten ist beschlagnahmt, wodurch eine sehr starke Erschwernis auch auf diesem Gebiet eingetreten ist. Wir meinen, wir sollten gerade der heranwachsenden Jugend in großem Maße Gelegenheiten schaffen, damit sie auf diese Art und Weise sich gesund erhalten oder körperliche Schäden wieder ausgleichen kann.
Daß der Sport allerdings nicht nur für die Aktiven, sondern auch für die Passiven eine besondere Bedeutung hat, ist jedem klar, der sonntags einmal zu den großen Sportplätzen hingeht und feststellen kann, daß Zehntausende von Menschen dort ihre Entspannung und ihre Erholung suchen und auch finden.
Wenn ich hier nur einige Beispiele aus der britischen Zone genannt habe, dann ist damit nicht etwa zum Ausdruck gebracht, daß in den anderen Zonen die Situation besser sei, sondern ich bin durchaus darüber informiert, daß es dort nicht besser und insbesondere in der französischen Zone eher schlechter aussieht als bei uns.
Aber ein Wort möchte ich auch noch zu der kommunalpolitischen Situation sagen, die sich dadurch ergibt. Gerade dort, wo die großen Heilstätten sind, wo die eigentlichen Kurorte sind, sind auch die Schäden, die der Kommunalverwaltung
besonders in finanzieller Hinsicht erwachsen, wahrscheinlich gar nicht abschätzbar; sie bedeuten eine gewaltige Erschwernis dieser Arbeit.
Wir sind nun der Auffassung — damit komme ich zum Schluß —, daß es ein gemeinsames Anliegen aller Fraktionen sein sollte, auf diesem Gebiete eine Änderung herbeizuführen, und ich freue mich, daß der Herr Finanzminister in Vertretung hier schon mitteilen konnte, daß die Bundesregierung bemüht ist, eine Änderung herbeizuführen. Ich möchte nur hoffen und wünschen, daß diese Bemühungen sehr bald von Erfolg gekrönt sein werden.
Ich bin aber trotzdem der Auffassung, daß wir diesen Antrag an den Ausschuß für innere Verwaltung überweisen sollten, um dort das ganze Material einmal zusammenzutragen und vor allen Dingen auch alle die Maßnahmen, die bereits von den Ländern eingeleitet worden sind, in unsere Aufgaben miteinzubauen. Die sozialdemokratische Fraktion stimmt also dem Antrag zu und bittet, auch der Überweisung an den Ausschuß für innere Verwaltung zuzustimmen.