Rede von
Willi
Agatz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Als am 20. Mai dieses Jahres die Kunde zu uns drang, daß auf der Schachtanlage Dahlbusch eine Schlagwetterexplosion stattgefunden habe, die 78 Todesopfer forderte, waren wir alle sehr erschüttert. Es wurde die Frage nach den Ursachen dieser Katastrophe gestellt. Ich glaube, daß in dieser Fragestellung nach der Ursache der Katastrophe ein Fehler liegt. Es steht fest: es war eine Schlagwetter- und Kohlenstaubexplosion. Mithin also müssen Schlagwetter und Kohlenstaub vorhanden gewesen sein, die sich dann durch gewisse Umstände entzündeten und so den Tod der Bergleute herbeiführten.
Es wurde dann so dargestellt, als sei es ein unabwendbares Schicksal, daß solche Katastrophen im Bergbau von Zeit zu Zeit immer wieder eintreten. Wir müssen uns, möchte ich sagen, gegen diese Auffassung zur Wehr setzen. Die heutigen Erkenntnisse über die Gefahren des Bergbaues und die Vermeidung dieser Gefahren reichen durchaus aus, um solche Katastrophen unmöglich
zu machen. Es kommt also darauf an, zu überprüfen, ob es auf dieser Schachtanlage ein schuldhaftes Versagen gegeben hat, welches diese Katastrophe herbeigeführt hat. Ich sage: eben weil alle Möglichkeiten gegeben sind, derartige Katastrophen zu verhindern, muß ein schuldhaftes Versagen vorliegen, wenn von diesen Möglichkeiten kein Gebrauch gemacht worden ist.
Man muß also jetzt nach den Verantwortlichkeiten fragen. Wer trägt die Verantwortung für diese Katastrophe? Hier sagen wir, daß geprüft werden muß, inwieweit die DKBL, inwieweit die Zechenverwaltung, inwieweit auch die Werkbehörde schuldig sind, ob gewisse Umstände schuld sind an der Entstehung dieser Katastrophe.
Zweifellos unterliegt unsere heutige Bergbauwirtschaft dem Gesetz des Kapitalismus. Dieses Gesetz heißt Rentabilität, dieses Gesetz heißt Steigerung der Kohlenförderung. Dieses Gesetz heißt Steigerung der Leistung, dieses Gesetz heißt — die Zeche Dahlbusch ist eine Schachtanlage, deren Aktien vorwiegend in belgischem Besitz sind — Steigerung des Profits.
Wenn man nun die Verhältnisse auf Dahlbusch überprüft - und das haben wir getan —, dann kann man an den Tatsachen, die dort vorgelegen haben, nicht vorbeisehen. Die Explosion hat stattgefunden im Flöz „Hugo", einem Flöz, welches sehr stark schlagwetterführend ist. Das war der Zechenverwaltung bekannt; denn in demselben Flöz hat schon im Jahre 1943 eine Schlagwetterexplosion stattgefunden, die damals ebenfalls, ich glaube, 28 Tote forderte, wovon die meisten Fremdarbeiter gewesen waren. Es hätte also in diesem Flöz von vornherein größte Vorsicht geboten sein müssen. Aber was stellte man fest? Man hatte dort ein Streb aufgefahren von 300 m Länge. Es wird Sache des zu bildenden Untersuchungsausschusses sein, zu prüfen, inwieweit diese Streblänge mit eine Ursache dafür ist, daß es zu dieser Explosion und vor allem zu der schrecklichen Auswirkung dieser Explosion kam.
Ein weiterer sehr erschwerender Umstand ist die Tatsache, daß dieses Flöz im Bruchbau abgebaut wurde. Es war also so, daß der abgebaute Streb nicht versetzt wurde mit Bergversatz, sondern daß man das Gebirge nachdrängen ließ. Es mußte dadurch unabwendbar Schlagwettergefahr entstehen, weil sich in den Hohlräumen des Bruchbaues Schlagwetter ansammeln müssen in einem Flöz, welches schlagwetterführend ist. Irgendein Gebirgschlag, irgendein größerer Steinfluß muß diese Schlagwetter hineindrücken in den Streb und muß dann solche Katastrophen auslösen. Die Kumpels selbst haben diese Arbeitsstelle das Feuerloch genannt. Sie haben sich vor dieser Arbeitsstelle gefürchtet. Es gibt eine Menge Aussagen von Bergarbeitern dieses Reviers, die davon sprechen, das die Arbeit in diesem Flöz als Strafarbeit aufgefaßt wurde, in die man kam, wenn man sich nicht ganz ordentlich verhalten hatte. Es gibt Aussagen, die bekunden, daß es dort eine wilde Antreiberei gab. Das ist nicht zu bestreiten, und dadurch sind zweifellos die Sicherheitsvorschriften außer acht gelassen worden. Es gibt Aussagen, die bezeugen, daß der in dem Flöz verwandte Panzerförderer mehrfach geglüht habe. Da braucht man nicht mehr nach der Zündungsursache zu forschen, wenn sich herausstellen sollte, daß das stimmt. Das ist ebenfalls von dem Untersuchungsausschuß zu prüfen. Es gibt Aussagen,
die bezeugen, daß das Lichtkabel defekt war, daß die Eisenstempel, an denen das Lichtkabel vorbeigeführt wurde, elektrisch geladen waren, daß man sie nicht anfassen konnte, ohne einen elektrischen Schlag zu bekommen.
Das sind Dinge, die uns veranlaßt haben, die Frage der Verantwortlichkeit für diese Grubenkatastrophe auf die Tagesordnung zu setzen und eine Untersuchungskommission zu fordern, die diese Verantwortlichkeit und alle Umstände überprüft, die zu dem Unglück geführt haben können. Es liegt hier nun ein Antrag der sozialdemokratischen Fraktion vor; er nennt sich Änderungsantrag. Was hier gefordert wird, ist sicherlich richtig, daß man überprüfen muß, ob die Grubensicherheit und die Arbeiterschutzvorschriften ausreichen.
Aber bei „Dahlbusch" geht es um viel mehr. Es muß endlich mit der Auffassung aufgeräumt werden, als seien solche Katastrophen unabwendbares Schicksal. Mit solcher Auffassung werden wir immer weiter Gefahren für die Bergarbeiter heraufbeschwören. Erst wenn wir alle auf dem Standpunkt stehen, daß solche Katastrophen abwendbar sind, daß die heutige Forschung unbedingt ausreicht, sie abwenden zu können, erst dann erfüllen wir die Verpflichtung, die wir gegenüber den Bergarbeitern haben. Die Bergarbeiter, die solche schwere Arbeit leisten, haben doch todsicher Anspruch darauf, daß wir alles tun, was in unseren Kräften steht, um sie zu schützen.
Ich möchte deswegen bitten, daß Sie diesem unserem Antrag zustimmen.