Rede von
Herbert
Kriedemann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Wer von dem gegenwärtigen Stand der Bemühungen um die Marktordnung Kenntnis hat, wird es recht merkwürdig empfinden, wenn er jetzt zu einem neuen Gesetzentwurf auf diesem Gebiete Stellung nehmen soll. Immerhin hat der Ernährungsausschuß vor 14 Tagen bei der ersten Beratung des ersten Gesetzes zur Marktordnung, des sogenannten Getreidegesetzes, seine Beratungen unterbrochen, um zunächst einmal zu klären, ob die von der Bundesregierung beabsichtigte Politik — ausgedrückt in der Mitteilung, daß in Zukunft Subventionen nicht mehr gezahlt werden sollen — überhaupt noch die Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung oder für die Einführung einer wirksamen Marktordung bietet.
Nach einer 14tägigen Pause haben wir gestern im Ernährungsausschuß Gelegenheit gehabt, die zuständigen Herrn des Bundesministers in dieser Frage zu hören, und es wird sich meiner Meinung nach erst herausstellen müssen, ob die dem Ausschuß gestern gemachten Mitteilungen es erlauben, an der Marktordnung so, wie sie mit dem ersten Gesetz und einigen weiteren Gesetzen beabsichtigt wird, weiter zu arbeiten. Wir haben doch gestern bestätigt bekommen, daß die finanziellen Mittel, deren Bereitstellung von allen Seiten — ich betone: von allen Seiten — für unerläßlich gehalten wird, wenn man eine Marktordnung herstellen, in diesem Falle den Brot- und Getreidepreis sichern will, nicht mehr zur Verfügung stehen und daß man noch nicht weiß, woher man sie sonst eventuell nehmen soll.
Wir haben außerdem gestern erfahren, daß wir höchstwahrscheinlich noch einen sehr schweren politischen Kampf mit den Vertretern der Besat-
zungsmächte durchfechten müssen, um überhaupt die Einrichtungen zu erhalten, ohne die eine Marktordnung unmöglich durchgeführt werden kann und ohne deren Vorhandensein und ohne deren ausreichende Stärkung eine Marktordnung nur auf dem Papier stehen würde.
Zur Überwindung gerade dieser Widerstände wird es notwendig sein, daß man sich auf allen Seiten dieses Hauses einheitlich zusammenfindet, und ich bedauere in diesem Zusammenhang besonders, daß man uns die Marktordnung so stückweise vorgelegt hat und daß sie keinen Zusammenhang erkennen läßt, daß sogar offenbar bei der Regierung oder beim zuständigen Ressort oder bei den beteiligten Wirtschaftskreisen die Meinung vertreten ist, man könnte auf dem einen Gebiet anders als auf einem anderen Gebiet verfahren.
Diese Unklarheit tritt besonders bei den Einrichtungen in Erscheinung, die wir alle miteinander für notwendig halten. Ich meine jetzt die Einfuhr- und Vorratsstelle. Es ist bei dem Getreidegesetz genügend über diese Dinge geredet worden, und ich will jetzt nicht alles wiederholen, was da schon über die Bedeutung einer solchen Einfuhr- und Vorratsstelle gesagt worden ist. Ich wünsche sehr, und ich nehme an, daß die meisten Mitglieder des Ernährungsausschusses, auf welcher Seite sie immer sitzen, mir zustimmen, daß die Regierung so schnell wie möglich hier zu einer einheitlicheren Vorstellung kommt und daß sie, nachdem sie sich zu den von ihr geschaffenen Tatsachen gestern noch einmal ausdrücklich bekannt hat, ihre Entwürfe so ändert, daß darüber geredet werden und im Ausschuß ernsthaft daran gearbeitet werden kann, um unter diesen Umständen doch noch zu einer Marktordnung zu kommen.
Nachdem alle Fragen so offen sind, wäre es eigentlich naheliegend, zu sagen, daß es sich gar nicht lohnt, zur ersten Lesung hier etwas ausführlicher zu werden, daß es vielmehr darauf ankommt, erst einmal einige Grundsatzfragen zu klären, damit man auch nach draußen dann ehrlich und guten Gewissens sagen kann, ob es eine Marktordnung geben oder ob es sie nicht geben wird. Ich möchte aber trotzdem ein paar Bemerkungen zu dem vorliegenden Entwurf machen und mich so kurz wie möglich fassen.
Wenn der Herr Minister sagte, daß der Entwurf der kürzeste ist, so scheint er mir — ich kenne die anderen noch nicht — deswegen vielleicht besonders vage zu sein und erhebliche Lücken aufzuweisen. Hier in § 15 ist nur von einer Vorratsstelle die Rede. Mein Herr Vorredner hat schon darauf hingewiesen, daß man diese Vorratsstelle auch in eine Einfuhrstelle umwandeln sollte. Was hier bezüglich der Kontrolle und der Beeinflußung der Einfuhren beabsichtigt ist, geht aus dem Gesetz leider gar nicht hervor, und das zeigt schon, wie lückenhaft es ist. Denn eine Marktordnung ohne eine Kontrolle der Einfuhren kann ich mir jedenfalls nicht vorstellen.
In § 19 heißt es, daß erst nähere Bestimmungen über die Durchführung und die Überwachung der Meldungen von eingeführtem Vieh und Fleisch erlassen werden sollen. Hier habe ich wieder zu beanstanden, daß in diesem Gesetzentwurf eine Fülle von „kann" und „soll" und „es ist möglich" vorhanden ist, ohne daß ganz klar zu erkennen ist, was letzten Endes denn eigentlich beabsichtigt wird. Das wird vielleicht sehr erheblich dazu beitragen, auf dem Petersberg gewisse Verdachtsmomente hervorzurufen. Da wir der Meinung sind,
daß sie ausgeräumt werden müssen und die Widerstände, die von daher kommen, im Interesse einer funktionierenden Marktordnung überwunden werden müssen, wünschen wir, daß hier ganz klar gesagt wird, was wir wollen und was die Regierung in diesem Falle will.
Zu beanstanden ist von uns aus, daß in dem Organ, das diese Vorratsstelle kontrollieren soll, unter 20 Mitgliedern nur drei Vertreter der Verbraucher sind. Das ist um viele Personen zu wenig, denn die Vorratshaltung ist nicht nur eine Angelegenheit, an der die Produzenten interessiert sind, die zu ihren Gunsten den Markt entlasten soll, sondern sie ist eine Angelegenheit, an der auch die Verbraucher interessiert sind,
die immer gern einen Markt vorfinden möchten, der auch ihren Bedürfnissen und Wünschen Rechnung trägt. Die Vorratshaltung hat ja schließlich die Aufgabe, diesen beiden Seiten gerecht zu werden. Deshalb müssen die Verbraucher an der Steuerung dieser Vorratsstelle sehr viel stärker beteiligt werden als in diesem Verhältnis 17 : 3.
Dann heißt es in § 16, daß die Vorratsstelle die Vorratshaltung nach Maßgabe der im Haushalt bereitgestellten Mittel durchzuführen hat. Es scheint mir ganz unzweckmäßig zu sein, hier von den im Haushalt zur Verfügung gestellten Mitteln auszugehen. Man müßte hier wohl ausgehen von den Bedürfnissen der Vorratshaltung, von den Bedürfnissen der Versorgung
und dann soviel Mittel in den Haushalt einstellen, daß die Stelle ihre Aufgabe erfüllen kann. Denn schließlich nutzt uns eine Vorratsstelle nichts, die eines schönen Tages erzählt, daß das Geld aufgebraucht ist, das im Haushalt vorgesehen ist, und nun leider in den Markt nicht mehr eingegriffen werden kann. Das ist schließlich nicht der Sinn.
Im Gegensatz zu meinem Herrn Vorredner habe ich erhebliche Bedenken, wenn ich den § 17 über die Bildung von Marktverbänden sehe. Hier ist man, scheint mir, besonders weit den Bestrebungen entgegengekommen, wesentliche Aufgaben der Marktordnung auf die sogenannten beteiligten Wirtschaftskreise zu verlegen. Es scheint mir ein bißchen viel zu sein, wenn solche privaten Marktverbände u. a. die Aufgabe haben, einen Ausgleich des Viehangebots und des Fleischbedarfs durch Unterrichtung der berufsständischen Organisationen und der Märkte zu fördern. Das ist meiner Ansicht nach eine Aufgabe der Regierung, die für die Marktordnung und ihr Funktionieren verantwortlich ist und gerade hier eingreifen muß, damit der Markt gleichmäßig versorgt ist.
Meine Bedenken gegen § 19 habe ich schon ausgesprochen. In ihm ist — für mein Gefühl sehr, sehr unzulänglich — etwas über die mögliche Regelung der Einfuhren niedergelegt und dann nur in der vagen Form, daß der Herr Bundesminister noch nähere Bestimmungen dazu schaffen wird.
Meine Damen und Herren! Auch an diesem Gesetz wird sehr viel gearbeitet werden müssen, wenn es nun dem Ernährungsausschuß überwiesen wird; denn auch von diesem Gesetz glaube ich, daß es sich in seiner Form wesentlich ändern wird und hoffentlich dann in seiner Zielsetzung eindeutiger ist. Wir sind leider noch eine ganze Weile von der Beratung dieses Gesetzes im Ausschuß entfernt, auch wenn es uns nun überwiesen wird, weil wir zunächst ja immer noch mit der Beratung des Getreidegesetzes befaßt sind. Ich habe Ihnen in meinen einleitenden Ausführungen gesagt, wie sehr da
alles noch auf sehr unsicherem Boden steht. Ich hoffe, meine Damen und Herren, daß die gründliche Beschäftigung mit dem Problem der Marktordnung auf allen Seiten des Hauses zu der eindeutigen Formulierung unserer Vorstellungen beiträgt; denn erst wenn wir uns untereinander über die Form, die allen am Markt Beteiligten gerecht wird, verständigt und die richtigen Verbindungen untereinander hergestellt haben, werden wir Aussicht darauf haben, auch die Widerstände zu beseitigen, die gegen eine wirksame Marktordnung offenbar noch von außen her bestehen.