Meine Damen und Herren! Zucker ist im Bundesgebiet im Gegensatz zu den Verhältnissen im alten Reichsgebiet Mangelware. Bei der Annahme des Gleichbleibens des derzeitigen Verbrauchs von 24 kg Weißzucker pro Kopf und Jahr haben wir einen Bedarf von 1 200 000 Tonnen. Davon haben wir 1949/50 554 000 Tonnen selber erzeugt. Wir mußten 446 000 Tonnen Weißzucker, das sind 54 % des Bedarfs, einführen. Das bedeutet bei Zugrundelegung des augenblicklichen Weltmarktzuckerpreises von 132 Dollar einen Devisenaufwand von jährlich 85 Millionen Dollar oder 358 Millionen D-Mark. Die zur Zeit über dem deutschen Zuckerpreis liegenden Weltmarktzuckerpreise erfordern außerdem eine Subvention des eingeführten Zuckers in Höhe von etwa 4 bis 5 DM je Doppelzentner. Da die Weltmarktpreise rückläufig sind, ist zu hoffen, daß in allernächster Zeit die Subvention unnötig wird.
Man darf bei Erörterung der Zuckerfrage nicht vergessen, welche ausschlaggebende Bedeutung der Zuckerrübenbau für die deutsche Landwirtschaft hat. Er ist eigentlich das Barometer für die Intensivierung. Es ist so, daß der Zuckerrübenbau nicht nur eine hervorragende Rolle in der Deckung des Butterbedarfs der deutschen Tierbestände spielt — ein Hektar Zuckerrüben bringt allein durch die Blätter soviel an Futtergut wie ein Hektar an Hafer —, sondern daß des weiteren die ungeheure Bedeutung der Zuckerrübe als Vorfrucht in Frage kommt.
Meine Damen und Herren, bei dem Gesetz über die Zuckersteuerermäßigung, das vom Wirtschaftsrat begonnen und vom Deutschen Bundesrat zu Ende geführt wurde, standen folgende Gedanken im Vordergrund: auf der einen Seite die Gewährung eines billigen Nahrungsmittels, auf der anderen Seite die Schaffung eines Anreizes für die Landwirte, in möglichst großem Umfang Zuckerrüben anzubauen. Es darf hier festgestellt werden, daß diese Maßnahme des Bundestages sich landeskulturell in einer geradezu glänzenden Weise ausgewirkt hat. Nach den nunmehr vorliegenden abschließenden Meldungen über die Anbaufläche ist es dadurch gelungen, die Vertragsanbaufläche für Zucker 1949 auf 148 000 Hektar und 1950 auf 175 000 Hektar zu steigern. Das ist gleichbedeutend damit, daß wir im kommenden Wirtschaftsjahr rund 170 000 tons Weißzucker aus eigener Ernte mehr haben und damit 18,7 Millionen Dollar Devisen ersparen.
Sinn und Ziel des Gesetzes gehen also dahin, die deutsche Zuckererzeugung soviel wie möglich zu heben, um den Devisenaufwand für ausländischen Zucker zu verringern. Das soll durch folgende Maßnahmen erreicht werden.
Erstens: Gemäß § 4 des Gesetzes dürfen Zuckerfabriken Zuckerrüben nur auf Zucker verarbeiten.
Zweitens: Durch ein dem wahren Bedarf der Bevölkerung entsprechendes Freigabegesetz wird so viel Zucker auf den Markt gebracht, daß die Bevölkerung unabhängig von den Schwankungen der Zuckerpreise auf dem Weltmarkt zu gleichbleibenden Preisen bei einer derartigen Bemessung des Zuckerpreises versorgt werden kann, daß die deutschen. Zuckerrübenanbauer vor Preisschwankungen bewahrt bleiben und einen angemessenen Zuckerrübenpreis erhalten, der zur Zeit auf 4,75 DM bis 5 DM je Doppelzentner festgesetzt ist. Ich darf also sagen: Sorge für den Erzeuger und gleichzeitig für den Verbraucher.
Drittens: Die gesamten notwendigen Einfuhren von Zucker müssen genau festgesetzt werden, um sie in das Freigabesystem einzubeziehen. Zu diesem Zweck sieht § 9 des Gesetzes eine Einfuhrstelle als Anstalt des öffentlichen Rechts vor. Der Bundesregierung sind im Gesetz bestimmte Befugnisse eingeräumt, die unseres Erachtens genügen, den deutschen Zuckerrübenanbau zu erhalten und zu fördern sowie die Versorgung der Bevölkerung mit Zucker sicherzustellen. Es handelt sich um a) die Festsetzung der Jahres- und Teilfreigaben, damit der reibungslose Verkehr durchgeführt werden kann; b) um die Verteilung des Rohzuckers, und zwar sowohl des Rüben- als auch des Rohrrohzuckers, auf die verarbeitenden Betriebe. Diese ist notwendig, um je nach Überschuß- und Mangelgebieten den Zucker nach Eintreffen in den deutschen Häfen oder nach Lage der deutschen Rohzuckerfabriken so zu verteilen, daß die Verarbeitung zu den frachtgünstigsten Bedingungen in solchen Betrieben vorgenommen werden kann, die gewährleisten, daß der Zucker mit den geringsten Ausbeuteverlusten auf Weißzucker umgearbeitet werden kann; und c) die Durchführung eines Frachtausgleichs, der notwendig ist, wenn im ge-
samten Bundesgebiet ein einheitlicher Zuckerpreis für erforderlich gehalten wird.
Zur technischen Mitarbeit an den obengenannten Aufgaben kann der Bundesminister einen Marktverband heranziehen, der zwar keine Hoheitsrechte ausüben, aber der Behörde beratend zur Seite stehen soll, indem er Berechnungen und Beurteilungen der Marktlage und Vorschläge einreicht, die nach Billigung des Ministeriums von ihm in die Praxis umgesetzt werden. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß der vorliegende Entwurf dazu beiträgt, die Versorgung der deutschen Bevölkerung mit diesem hochwertigen und billigen nicht Genuß-, sondern Nahrungsmittel sicherzustellen.