Schön; nach der letzten Bemerkung hat sich alles ausgeglichen!
Meine Damen und Herren, liegen weitere Wortmeldungen vor? — Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über die Interpellation auf Drucksache Nr. 948.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der KPD
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über
die Abgeltung von Besatzungsleistungen und
Besatzungsschäden .
Nach § 88 der Geschäftsordnung schlägt Ihnen der Ältestenrat eine Redezeit von 10 Minuten für die Begründung des Antrages und von 40 Minuten für die Aussprache und dann Ausschußüberweisung vor. — Ich darf das Einverständnis des Hauses feststellen und frage, wer seitens der Herren Antragsteller das Wort wünscht. — Bitte, Herr Abgeordneter Kohl! 10 Minuten!
Kohl (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion, die den vorliegenden Gesetzentwurf eingereicht hat, hat darin in engem Einvernehmen mit den Landesverbänden der Besatzungsgeschädigten deren Grundsätze, die seit längerer Zeit aufgestellt worden sind, verankert. Die Besatzungsgeschädigten selber sollen sich einmal Gedanken darüber machen, warum keine der großen Fraktionen dieses Hauses, obwohl ihnen diese Grundsätze und die Verhältnisse auf diesem Gebiet bekannt waren, bisher einen solchen oder einen ähnlichen Gesetzentwurf dem Hause vorgelegt hat. Vielleicht liegt der Grund darin, daß in dieser etwas unpopulären Frage das Einvernehmen mit den hohen Herren auf dem Petersberg unter keinen Umständen gestört werden sollte.
Für uns war entscheidend, daß hier ein einheitliches Bundesrecht gewährleistet werden muß. Zweitens war entscheidend, daß die Einschaltung der Besatzungsgeschädigten in viel stärkerem Maße als bisher durchgeführt werden muß, und drittens war die Äußerung des Hohen Kommissars McCloy entscheidend, der am 22. Mai in Hannover erklärt hat, daß die Besetzung noch einige Jahre dauern wird. Ich glaube, auch die letzten Debatten im Bundestag haben eindeutig zu erkennen gegeben, daß die sogenannte Garantiemacht, wie Sie sie zu bezeichnen belieben, noch sehr lange in Deutschland sein wird.
In einer Denkschrift, die von dem Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen herausgegeben worden ist, wird die Situation der Besatzungsgeschädigten sehr eindeutig und drastisch geschildert. Dort heißt es beispielsweise:
Der Wert des zurückgelassenen Inventars dürfte die Milliardengrenze erheblich überschreiten und wurde beispielsweise in Bad Oeynhausen an Hand der von den Geschädigten eingereichten Schadenaufstellungen mit DM 40 Millionen auf Grund von Normalwerten von 1939 ermittelt.
Wieweit die systematische Zerstörung durch die Besatzungsmächte geht, mag folgendes Beispiel, ebenfalls aus dieser Denkschrift zitiert, zeigen:
In Siegburg z. B. waren britische Truppen kasernenmäßig in Wohnhäusern untergebracht. Bei der Übergabe der Wohnhäuser von den britischen an die belgischen Besatzungstruppen konnte beobachtet werden, daß der größte Teil der Wohnungseinrichtungen zerstört oder in Verlust geraten war.
Wenn wir weiter berücksichtigen, daß allenthalben Flugplätze und Truppenübungsplätze eingerichtet werden, was dazu führt, daß viele deutsche Menschen einfach aus ihren Wohnungen verdrängt werden, dann, glaube ich, ist es höchste Zeit, daß der Bundestag einmütig ein Gesetz beschließt, das diesen Geschädigten zu ihrem Recht verhilft.
Wir haben in Westdeutschland nach ziemlich ungenauen Angaben 31 654 Wohngebäude mit 293 775 Wohnräumen, 1208 Gaststätten bzw. Hotels, 167 Schulen und eine Reihe weiterer Dinge, die von den Besatzungsmächten beschlagnahmt worden sind und in Anspruch genommen werden. Dabei muß man wissen, daß die zweifelsohne ungeheuer starke Abnutzung dieser Wohngebäude durch die Besatzungstruppen das allgemein übliche Maß bei weitem überschreitet. Ein Beispiel aus Kassel! In Kassel sind gegenwärtig noch 50 Häuser bzw. Villen beschlagnahmt. Es laufen 81 Anträge auf Zahlung von Möbelmiete, und zwar stammen diese Anträge von Personen, deren Wohnung gegenwärtig noch beschlagnahmt ist. Nebenher laufen aber 800 Anträge auf Zahlung von Möbelmiete von solchen Personen, deren Wohnung beschlagnahmt gewesen ist. Bisher erhielten die Antragsteller 50 % dessen,
worauf sie eigentlich Anspruch haben, — ein Zustand, der auf die Dauer nicht tragbar ist und einer einheitlichen Regelung bedarf.
Der Herr Bundesfinanzminister und mit ihm die Länderfinanzminister, die bisher für die Besatzungsgeschädigten verantwortlich waren, sind heftigen Angriffen — und nach unserer Auffassung mit Recht heftigen Angriffen der Besatzungsgeschädigten ausgesetzt. Bezeichnenderweise — und das mag ein Charakteristikum sein — hat die Bundesregierung die Errichtung eines Besatzungskostenamts auf Einspruch des Bundesrats abgelehnt. Der Gesetzentwurf darüber ist deshalb nicht an den Bundestag gelangt. Was jetzt geschaffen worden ist, entspricht im allgemeinen den Wünschen der Länderfinanzminister und dem Wunsch des Herrn Bundesfinanzministers. Man hat in Bad Homburg eine Ministerialabteilung des Finanzministeriums eingerichtet und versucht mit dieser nach rein bürokratischen Grundsätzen, die Abgeltung der Besatzungsleistungen durchzuführen. Was dabei herauskommt, kann man sich denken. Als Beauftragte für die Durchführung der mit diesem gesamten Fragenkomplex zusammenhängenden Aufgaben gelten genau wie bisher die Länderfinanzminister. Man versucht einfach, einer einheitlichen, bundesgesetzlichen Regelung aus dem Wege zu gehen. Was in Bad Homburg geschaffen worden ist, ist weiter nichts als eine Art besserer Rechnungshof, mit dem versucht wird, die Besatzungsgeschädigten so wie bisher mit bürokratischen Grundsätzen übers Ohr zu hauen.
Ich habe hier zwei sehr interessante Fotografien von Häusern des Zeppelinheimkomplexes — Privateigentum der Angestellten der Zeppelinreedereien — in Frankfurt, die von den Bewohnern 1945 geräumt werden mußten. Die Wohnungen und die Einrichtungen stehen der Besatzungsmacht zur Verfügung. Die Leute erhalten eine monatliche Nutzungsentschädigung von insgesamt 42 DM. Dafür müssen sie noch alle auf diese Objekte, über die sie also nicht verfügen, entfallenden Abgaben, so auch die Abgabe für die Soforthilfe, bezahlen. Sie sind notdürftig in Baracken untergebracht und zahlen für eine halbverfaulte Baracke eine Miete bis zu 72 DM.
Ein anderer Fall, ebenfalls in Hessen, ist folgender. Ein Mann, dessen Wohnung beschlagnahmt ist,. erhält eine Nutzungsentschädigung von 27,45 DM monatlich. Die derzeitige Miete beträgt 32 DM, die Grundsteuerabgabe 3,48 DM monatlich. Somit übersteigen die monatlichen Ausgaben für die Wohnung die Einnahmen für das komplette Haus um 8,03 DM.
Wir sind der Meinung, daß auch im Ausschuß einmal sehr eindeutig über diese Fragen gesprochen werden sollte. Wir müssen bedenken, daß bei Mehrfamilienhäusern für die Berechnung der Nutzungsentschädigung die letzte Miete zugrunde gelegt worden ist. Bei den kleinen Einfamilienhäusern wird dagegen beispielsweise nach der Regelung in Hessen die Nutzungsentschädigung entsprechend dem Einheitswert, der um 7 °/o niedriger liegt, berechnet. Wenn man diese Dinge bedenkt, kann man sich vorstellen, wie praktisch die Schäden auslaufen.
In Frankfurt wurden 253 Häuser freigegeben. Die Stadt Frankfurt hat dazu aufgefordert, die Häuser in einen ordnungsgemäßen Zustand zu bringen, sie reparieren zu lassen. Von den 253 Hausbesitzern sind bisher 70 °/o entschädigt worden. Nach einer Anweisung des Generals Clay sollten die Reparaturkosten nur im Verhältnis 10 zu 1 bezahlt werden, so daß praktisch der Besitzer des Hauses der Geschädigte ist und außerdem die Handwerker kein Geld für ihre geleistete Arbeit bekommen.
Wir sind der Auffassung, daß auch die Frage der Möbelmiete geregelt werden muß. Der bisherige Zustand kann nicht weiter aufrechterhalten werden. In der britischen Zone gibt es die Möbelmiete schon seit längerer Zeit, in der amerikanischen Zone erst seit kurzem. Derselben ist die sogenannte Hamburger Norm zugrunde gelegt, welche auf den Stopppreisen von 1939 beruht. Obgleich diese seit 1946 aufgehoben sind und der Möbelindex seitdem auf 197 gestiegen ist, wird die Hamburger Norm immer wieder angewandt. Hiervon werden für die Vorabnutzung vor der Beschlagnahme 33 1/3 % abgesetzt, obgleich die mit sauer verdientem, erspartem Geld angeschafften Möbel einem außerordentlich starken Verschleiß ausgesetzt waren. Man macht dabei folgendes sehr interessante Rechenexempel auf. Man sagt: für jedes Jahr der Beschlagnahme werden 7 % Abnutzung gerechnet. Da seit Beginn der Beschlagnahme fünf Jahre herum sind, sind von der Hamburger Norm 5 mal 7 % gleich 35 % plus 33 1/3% für die Vorabnutzung, zusammen also 68 1/3 % abzuschreiben. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß sich niemand gegen die Behauptung wehren wird, diese Form der Abgeltung stelle ein Betrugsmanöver dar.
Wir haben in unserem Gesetzentwurf — und mit diesen Worten möchte ich zum Schluß kommen — eindeutig festgelegt, nach welchen Gesichtspunkten die Abgeltung zu geschehen hat. Wir haben dabei weitgehend geltendes deutsches Recht zugrunde gelegt. Ich sage aber abschließend noch einmal: die Besatzungsgeschädigten sollen sich überlegen, warum die großen Parteien dieses Hauses nicht den Mut hatten, einen solchen Gesetzentwurf vorzulegen. Wir als Kommunisten werden jedenfalls auch hier für die Interessen der Besatzungsgeschädigten eintreten.