Rede von
Willy
Fischer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich komme hoffentlich nicht in den Verdacht, kapitalistische Hausbesitzerinteressen zu vertreten, wenn ich sage, daß meine Fraktion diesem Gesetzentwurf absolut positiv gegenübersteht. Ich weiß aus praktischer Erfahrung, daß sich ein sehr großer Teil dieser Besatzungsgeschädigten gerade aus Arbeiter- und Mittelstandskreisen rekrutiert
und daß hier ein Zustand entstanden ist, bei dem die Volksvertretung alle Veranlassung hat, nach schneller Abhilfe zu trachten und Wege zu begehen, die wirklich eine deutsche gesetzliche Grundlage ermöglichen.
Wir sind auch nicht der Auffassung, daß es in allem, was wir hier in diesem Hause behandeln, darauf ankäme, was für einen Gesetzentwurf die Bundesregierung hier nun etwa vorlegt. Denn wir glauben, daß der von den Besatzungsgeschädigten ausgearbeitete und von der kommunistischen Fraktion übernommene Entwurf nach unserem Dafürhalten eine sehr geeignete Grundlage darstellt, um zu einem brauchbaren Gesetz zu kommen.
Ich glaube, daß man bei diesem ganzen Fragenkomplex noch eins sehen muß, daß nämlich ein so großer Kreis von Personen und Familien betroffen ist, wie man sich das kaum vorstellen kann, wobei darüber leider keinerlei statistische Unterlagen vorliegen. In der Regel sind Besatzungs- und Fliegergeschädigte wenigstens auf lokaler Ebene zusammengeschlossen, und man darf ruhig sagen, daß bei der Fülle von Problemen auf diesem Gebiet, wo geschädigten Menschen irgendwie geholfen werden soll, gerade die Flieger- und Besatzungsgeschädigten noch am schlechtesten wegkommen.
Es ist doch so, daß durch die Besetzung von Häusern, ja von Betriebsanlagen, wirkliche Not- und Zwangslagen für viele Teile dieses Personenkreises entstanden sind. Ich bin der letzte, der die Nöte und Sorgen der Vertriebenen auch nur im entferntesten in den Hintergrund stellen möchte. Aber ich bin der Überzeugung, daß durch Fliegerschäden und nach 1945 durch Besatzungsschäden für Personen und Familien vielfach Schwierigkeiten entstanden
sind, die den Schwierigkeiten der anderen Geschädigten, Vertriebenen usw. gleichzustellen wären.
— Oh ja, in sehr vielen Fällen!
Man muß einmal sehen, wie man Besatzungsgeschädigte, deren Häuser seit mehr als vier oder fünf Jahren besetzt sind, untergebracht hat. Ich würde Ihnen nur wünschen, in eine Stadt wie die meines Wahlkreises Nürnberg-Fürth zu gehen, wo zunächst einmal das Internationale Militärtribunal war, mit einem Riesenapparat von Personal, und wo man in der Regel Privatgebäude und Privatwohnungen beschlagnahmt hat. Als wir die Hoffnung hatten, daß durch den Abschluß der Kriegsverbrecherprozesse eine Erleichterung erfolgen würde, da kam EUCOM von Berlin und besetzte neuerdings in der Regel die gleichen Gebäude.
Wir haben aber auch bei Betrieben die Tatsache festzustellen, daß sie verlagert werden mußten, weil sie innerhalb eines Areals lagen, das nur die Besatzungsmacht für sich in Anspruch nahm. Dabei hat es nicht nur technische, sondern auch materielle Schäden gegeben, die in keiner Weise durch die Besatzungskostenämter auch nur irgendwie abgegolten worden sind. Ich bin der Meinung: Gerade weil diese Belastung eines nicht unbeträchtlichen Teils unseres Volkes nach Beendigung der Feindseligkeiten entstanden ist, haben diese Menschen ein Anrecht darauf, daß sofort und möglichst schnell nach einer Lösung gesucht wird.
Wir haben doch die Tatsache zu verzeichnen, daß besonders für Wohnzwecke vielfach Häuser mit der ganzen Kraft einer Familie unter Hinzuziehung aller möglichen kleinen Ersparnisse usw. erbaut wurden und daß diese Menschen nun auf Jahre hinaus — man weiß nicht, auf wie lange — noch auf ihr Wohnrecht verzichten müssen. Leider ist es so, daß die Handhabung der Dinge durch die Besatzungsämter im deutschen Bund keineswegs einheitlich ist, ja man darf sagen, daß sie selbst in den einzelnen Besatzungszonen nicht einmal einheitlich erfolgt. Herr Abgeordneter Kohl hat in seiner Begründung darauf hingewiesen, daß allgemein 50 % der üblichen Mieten bezahlt werden und daß Hessen nur 7 % des Einheitswertes abgelten wird.
- Ich kenne die einzelnen Maßnahmen in den verschiedenen Ländern nicht. Aber es ist so, daß beispielsweise die US-Zone einen Teil der Kosten für die Schädenbeseitigung übernimmt, während dies nach meinen Informationen in der britischen Zone nicht geschieht. Das allein beweist die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung.
In der Praxis ist es aber auch so, daß Reparaturen an den Häusern in einer absolut unverständlichen Art und Weise vorgenommen werden, wogegen auch der Bundestag durch geeignete Gesetzesvorlagen und Gesetze vorgehen müßte. Man kann sagen, daß das Verhältnis sehr oft etwa so aussieht, daß an Mietentschädigungen, sagen wir, 500 DM ausbezahlt werden, wogegen jährlich etwa 1500 DM an Reparaturkosten aufgehalst werden, ob es sich nun dabei darum handelt, um ein Anwesen einen neuen Zaun zu ziehen, Bäder einzurichten, Wohnungen zu verändern oder Garagen zu errichten. Jedenfalls ist es immer so, daß sich ein Teil von Handwerkern diese besondere Situation sehr gern zunutze macht, daß von diesen Handwerkern Arbeiten ohne Einreichung eines Voranschlages durchgeführt werden und daß sehr häufig die aufgewendeten oder berechneten Kosten weit übersetzt sind.
— Es fragt sich! Bitte gehen Sie in die Praxis hinein oder besuchen Sie einmal eine Versammlung der Besatzungsgeschädigten, wo man Ihnen sehr gern mit stichhaltigem Material aufwarten wird.
Es ist bei der Möbelbenutzung auch so, wie hier dargestellt worden ist; ein Unrecht, das nach unserer Auffassung praktisch einer Enteignung gleichkommt.
Zum Schluß möchte ich kurz auch auf die Handhabung bei Personenschäden hinweisen. Hier hat man bei uns in Bayern nicht die Möglichkeit, etwa durch den Vertreter des Finanzministeriums gegen Entscheidungen des Claim Einspruch zu erheben oder eine Linderung eines endgültigen Urteils zu verlangen, sondern hier liegt die Entscheidung eines amerikanischen Offiziers, der in München beim Claim sitzt, vor, und damit hat es sein Bewenden. Dadurch sind bei Unglücksfällen mit tödlichem Ausgang, bei denen der Ernährer verunglückt ist und ihm die Schuld an dem Todesfall zugeschoben wurde, furchtbare Nöte entstanden.
Die Sozialdemokratie — ich möchte das hier betonen — ist absolut der Auffassung, daß in aller Schnelligkeit und in aller Eile und möglichst gründlich auf der Plattform des Gesetzentwurfes' der Arbeitsgemeinschaft der Besatzungsgeschädigten ein geeignetes Gesetz geschaffen werden sollte.