Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es sind zwei Anträge zu unterscheiden, der Antrag der Fraktion der KPD und der Abänderungsantrag der Fraktion der SPD. Ich lasse zuerst über den Abänderungsantrag abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen.
Dann habe ich noch festzustellen, daß der Bundestag nach Art. 44 des Grundgesetzes auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder die Pflicht hat, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen, der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt. Dieses Viertel habe ich durch Abstimmung feststellen zu lassen. Ich bitte die Damen und Herren des Hauses, die für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses sind, die Hand zu erheben. - Das ist offensichtlich Einstimmigkeit. Es ist so beschlossen.
Wir kommen zu Punkt 14 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Freigabe der von den Besatzungsmächten beschlagnahmten Erholungsstätten .
Hier hat der Ältestenrat für die Einbringung des Antrags eine Redezeit von 10 Minuten und für die Gesamtaussprache 40 Minuten vorgeschlagen. — Kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Das Wort zur Begründung des Antrags hat der Abgeordnete Kohl.
Kohl (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Wenn wir diesen Antrag, der den Zweck haben soll, im Bundestag einmal sehr eingehend über die beschlagnahmten Sportplätze, über die Freibäder und über die Hallenbäder zu diskutieren, eingebracht haben, so sind wir von der Überzeugung ausgegangen, daß es im Interesse der Volksgesundheit notwendig ist, hier mit einem Zustand zu brechen, der auf die Dauer unhaltbar ist. Es gibt wohl kaum eine Stadt in Westdeutschland, die von der Beschlagnahme nicht betroffen ist. Es gibt wohl kaum cine kleinere Stadt, die unter diesen Zuständen, wie sie gegenwärtig bestehen, nicht außerordentlich stark leidet. Bei nüchterner und sehr realer Überlegung und bei Zugrundelegung der Erklärungen speziell der Sprecher der Besatzungsmächte konnte man der Meinung sein, daß seit langer Zeit eine Änderung des Verhältnisses der Besatzungsmächte zu den Deutschen eingetreten sei und daß auf Grund dieser Änderung doch nun eigentlich auch gewisse Auswirkungen in bezug auf die Beschlagnahme von Bädern und Sportplätzen hätte eintreten müssen. Was wir, nachdem die Besatzungsmächte uns mit ihrem Besuch seit fünf Jahren beehren, gegenwärtig noch sehen, ist immer noch die Methode, wie sie nun einmal von Besatzungsmächten in einem besetzten Staat mit Vorliebe angewendet wird. Wir haben, um einwandfreies statistisches Material zu erhalten, uns an Stellen gewandt, von denen man nicht sagen kann, wie bei einer Debatte über das Gesetz hinsichtlich der Besatzungsgeschädigten, das wir eingebracht haben, ein gewisser Widerspruch oder ein gewisser Zwiespalt zwischen den Besatzungsmächten und der Mehrheit dieses Hauses entstehen soll. Wir haben beispielsweise von der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen zu erfahren versucht, wie eigentlich die Frequenz der von den Besatzungsmächten beschlagnahmten Bäder überhaupt ist. Diese Stelle teilt uns mit, daß sie vor längerer Zeit einen Brief an den Bundeskanzler Dr. Adenauer gerichtet hat, in dem sie auf
die hohen Verdienste des Herrn Kanzlers in der Frage des Badewesens Bezug nimmt und dort feststellt, daß die Frequenz bei. zirka 10% liegt. Die Bäder, die im Interesse der Volksgesundheit für die deutsche Bevölkerung gebaut sind, werden von der Besatzungsmacht nach der Beschlagnahme also nur zu zirka 10% ausgenutzt und befinden sich im übrigen in einem Zustand, der unbedingt geändert werden muß.
Ich habe hier einen Ausschnitt aus der „NeuIsenburger Zeitung". Dieses eine Beispiel ist typisch für das, was wir gegenwärtig in Westdeutschland haben. In Neu-Isenburg, einer Arbeitergemeinde, wo allein 528 Wohnungen beschlagnahmt sind, die zum Teil zerstört ist, ist ein Waldschwimmbad eingerichtet worden, das in diesem Jahr durch die Besatzungsmacht am 9. Juni in Betrieb gesetzt worden ist. Wegen der Freigabe dieses Waldschwimmbades hat ein außerordentlich interessanter Briefwechsel mit dem Kommandanten des Rhein-Main-Flughafens stattgefunden, der natürlich nicht zu einer Freigabe dieses Bades geführt hat, obwohl auch dieses Bad außerordentlich schwach frequentiert ist. Was dabei aber typisch ist, ist die Einschätzung der deutschen Bevölkerung. Das schreibt die Isenburger Zeitung mit einer Deutlichkeit, die wirklich nichts zu wünschen übrig läßt. Dort steht beispielsweise:
Unser Waldschwimmbad wird am Dienstagmorgen 9 Uhr 30 für diese Saison eröffnet. Aber nicht für Deutsche! Jeden 25. Tag wird das Schwimmbad entleert. An diesem Tage dürfen deutsche Kinder in den amerikanischen Clubs das Waldschwimmbad benutzen.
Nachdem also 25 Tage die Besatzungsangehörigen ihre Körper in dem Waldschwimmbad der Reinigung überantwortet haben, mutet man der deutschen Jugend zu, in diesem Schmutzwasser zu baden. Für diese Methode sollte man sich, glaube ich, außerordentlich herzlich bedanken und den Besatzungsmächten sagen, daß wir von diesen Dingen eine andere Auffassung haben.
Nehmen Sie einen anderen Fall, die Beschlagnahme des Stadions „Rote Erde", das man noch nicht einmal für ein entscheidendes Fußballspiel freigegeben hat. In diesem Fall sind gerade die Befürworter des Dableibens der Garantiemächte in ein ziemlich hysterisches Geschrei ausgebrochen.
In Frankfurt ist das Hallenbad in Fechenheim mit Wannen- und Brausebad beschlagnahmt. Es wird nicht benutzt. Das ist die offizielle Auskunft des Direktors des Bäderamtes der Stadt Frankfurt: Der Besuch durch Besatzungsangehörige ist sehr mangelhaft, durchschnittlich 20 bis 50 Leute jeden Tag, die Aufnahmefähigkeit der Schwimmhalle ist zirka 700 Personen; 18 bis 20 Wannenbäder, 18 bis 20 Brausebäder. Das Bad wird also praktisch nicht benutzt, aber es bleibt beschlagnahmt. Weiterhin sind in Frankfurt fünf Sportplätze beschlagnahmt.
Ähnlich liegen die Verhältnisse beispielsweise in Darmstadt. Dort sind das Hochschulstadion und ein „Sportplatz 1898" beschlagnahmt. Wenn die Deutschen in Darmstadt von der Armee beschlagnahmte Sportplätze benutzen wollen, müssen sie nach den Mitteilungen des dortigen Oberbürgermeisters noch eine Abfindung an die Besatzungsmächte zahlen.
Ich könnte aus dem mir vorliegenden Material noch eine ganze Reihe von Dingen anführen, die wichtig wären, besprochen zu werden. Nach einer
Mitteilung der Landtagsdrucksachen 1998 und 1999 des niedersächsischen Landtags, in denen sich eine Zusammenstellung über beschlagnahmte Sportplatzanlagen befindet, sind es beispielsweise in Hannover allein 36, in Hildesheim 6, in Luneburg 10, in Stade 5, in Osnabrück 9, in Aurich 4, in Braunschweig 6, in Oldenburg 3 Sportplätze, die beschlagnahmt sind. Insgesamt sind es 79 Sportplätze, die allein in Niedersachsen beschlagnahmt sind.
Ich glaube, jeder, der es mit der Volksgesundheit ernst meint und der es ernst damit meint, der deutschen Jugend wieder ihre Sportplätze und der deutschen Bevölkerung wieder ihre Bäder zurückzugeben, der deutschen Bevölkerung wieder die Möglichkeit zu geben, hygienisch zu leben, muß unserem Antrag die Zustimmung geben.