Meine Damen und Herren! Weite Bevölkerungskreise, die als Besatzungsgeschädigte oder Besatzungsverdrängte in Betracht kommen, haben eine Sonderlast zu tragen; es werden ihnen Opfer zugemutet, die eigentlich die Allgemeinheit zu leisten und aufzubringen hätte. Es hätte erwartet werden dürfen, daß, wenn schon hier im Zwangswege in das Privateigentum eingegriffen wird, dann wenigstens die Regelung der Abgeltung der Ansprüche, der Gegenforderungen der aus ihren Heimen Vertriebenen und ihre Schadensersatzansprüche in einer den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften entsprechenden loyalen Weise erfolgte, mit anderen Worten, daß der Staat, wenn er hier schon als Zwingherr in das Privatrecht eingreift, dann wenigstens bei der Abgeltung der Ansprüche der Verdrängten nach den Grundsätzen eines loyalen und fairen Vertragspartners verfahren würde. Das ist nicht geschehen, und damit ist ein wesentlicher Grundsatz unserer abendländischen Kultur verletzt. Es ist gegenüber den Besatzungsverdrängten nach fiskalischen Grundsätzen und Gesichtspunkten gehandelt worden. Hier haben sich in der Stille oft viele Tragödien abgespielt, die nicht nach außen gedrungen sind. Es ist ein nobile officium der Bundesregierung und der Legislative, hier nach dem Rechten zu sehen und einen Zustand zu beenden, der unser unwürdig ist und einem großen Teil unserer deutschen Mitmenschen ein Opfer zumutet, das wir alle zu tragen hätten.
Nun ist von der Arbeitsgemeinschaft der Landesverbände der Besatzungsverdrängten oder Besatzungsgeschädigten der Versuch unternommen worden, eine solche Rechtsgrundlage vorzuschlagen. Dieser Vorschlag enthält die selbstverständlichen Prinzipien einer solchen Regelung. Der KPD-Antrag ist nichts anderes als die wörtliche Übernahme dieses von der Arbeitsgemeinschaft ausgearbeiteten Entwurfs.
Die formalrechtliche Vorfrage, ob hier die deutsche Legislative zuständig ist oder aber ob die Besatzungsmacht das Besatzungsrecht angewendet wissen will, sollte möglichst rasch geklärt werden. Uns kommt es vor allem darauf an, daß schnellstens ein Zustand beendet wird, den wir nicht billigen können.
Meine Fraktion hat am 15. Mai einen Antrag gestellt, der die Bundesregierung ersucht,
bei der Alliierten Hohen Kommission zu erwirken, daß die Abgeltung der Ansprüche natürlicher und juristischer Personen, die innerhalb des Gebiets der Bundesrepublik entstehen
a) aus der Inanspruchnahme von Leistungen und Lieferungen oder
b) anläßlich oder gelegentlich der Inanspruchnahme solcher Leistungen und Lieferungen für die Befriedigung der Bedürfnisse von Besatzungsstreitkräften und Angehörigen, Angestellten und Vertretern der Besatzungsbehörden,
nach rechtsstaatlichen und menschenrechtlichen Grundsätzen geregelt wird.
Wir haben weiterhin angeregt und gebeten, dahin zu wirken, daß im sechsten Jahr nach Beendigung der Kriegshandlungen diese Regelung beschleunigt erfolgt.
Wir haben diesen Antrag aus der Erwägung eingebracht, daß sich die Besatzungsmacht möglicherweise auf den Standpunkt stellt, daß hier das Besatzungsrecht zu gelten hat. Ich bin der Meinung, daß die Bundesregierung die Initiative durch die schleunige Vorlage eines Gesetzesentwurfs ergreifen soll und daß der Bundestag bei der Verabschiedung desselben es ruhig auf das Veto der Besatzungsmacht ankommen lassen könnte. Ich bin allerdings auch der Auffassung und verschließe mich nicht der Erwägung, daß es vielleicht empfehlenswert ist, gleichzeitig Verhandlungen mit der Besatzungsmacht darüber aufzunehmen, welchen Standpunkt sie in dieser formalrechtlichen Hinsicht einnimmt.
Der Antrag, auf den ich mir erlaubt habe, mich zu beziehen, ist am 17. Mai dem 7. Ausschuß überwiesen worden. Ich möchte mir gestatten anzuregen, daß die Bundesregierung auf zwei Gleisen fahren soll: erstens, raschestens ihren Initiativgesetzentwurf im Bundesrat einzubringen, und zweitens, gleichzeitig die Rechtslage bei der Alliierten Hohen Kommission zu klären. Uns ist der Weg vollkommen gleichgültig; es liegt uns ausschließlich an der Sache, daß ein Zustand beendet wird, der nicht den Grundsätzen des Rechts und der Moral entspricht.