Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die erste Sitzung des Deutschen Bundestages — seine 26. Plenarsitzung — im Jahre 1950.
Ehe wir in die Tagesordnung eintreten, haben wir wiederum die betrübliche Feststellung zu machen,
daß der Tod in unsere Reihen eingegriffen hat. Während der Sitzungspause sind die Mitglieder des Hauses die Herren Abgeordneten Klinge von der Deutschen Partei und Dr. Ziegler von der Bayernpartei dahingeschieden.
Herr Abgeordneter Klinge, 1883 geboren, hat jahrzehntelang in der kommunalen Verwaltung gestanden, bis 1933 als Oberbürgermeister an der Spitze der Kommunalverwaltung in Goslar. 1948 hat er dieses Amt erneut übernommen.
Der verstorbene Herr Kollege Dr. Ziegler stammte aus dem Sudetenland. Er war Jurist. 1945 wurde er nach der Besetzung durch die Amerikaner Bürgermeister seines Heimatortes Mies. Er ist dann, wie so viele andere Deutsche, ausgewiesen worden und hat später in bayerischen Diensten gestanden, unter anderem als Stellvertreter des Staatssekretärs für das Flüchtlingswesen.
Meine Damen und Herren! Beide Herren haben ihr Teil Arbeit geleistet, still und zurückgezogen in den Ausschüssen, in denen sie als Mitglieder tätig waren, und sind hier im Plenum weniger hervorgetreten. Es ist beinahe schicksalhaft zu nennen, daß in der kurzen Zeit des Bestehens unseres Parlamentes bereits vier Mitglieder durch Tod ausgeschieden sind. Doch das ist ein höheres Schicksal, dem wir uns nicht entziehen können.
Im Namen des Hauses erlaube ich mir, den Fraktionen der Deutschen Partei und der Bayernpartei herzlichste Anteilnahme an diesem schweren Verlust zum Ausdruck zu bringen.
Meine Damen und Herren, Sie haben sich zu Ehren der Verstorbenen von den Plätzen erhoben; ich danke Ihnen.
Ich bitte nunmehr den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Matthes, die Liste der abwesenden Mitglieder des Hauses zur Verlesung zu bringen.
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Dr. Solleder, Dr. Weiß, Blachstein, Schönauer, Aumer, Wittmann, Reimann, Kurt Müller. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Bausch, Massoth, Schmitz, Schüttler, Dr. Steinbiss, Winkelheide, Brandt, Dr. Greve, Neumann, Dr. Schöne, Dr. Suhr, Willy Müller, Euler, Dirscherl, Dr. Pfleiderer, Revenstorff.
Meine Damen und Herren! Ich darf dann weiter folgende Mitteilungen machen.
Das Mandat des verstorbenen Herrn Abgeordneten Klinge ist nunmehr von dem von früher her manchem von uns im Hause noch gut bekannten Abgeordneten des Wirtschaftsrats Herrn Dr. von Campe übernommen worden. Ich begrüße ihn hiermit in unseren Reihen und wünsche ihm gute Zusammenarbeit mit allen Kolleginnen und Kollegen im, Hause. Der Nachfolger des verstorbenen Herrn Abgeordneten Dr. Ziegler ist mir amtlich noch nicht bekanntgegeben. Ich darf annehmen, daß das in den nächsten Tagen geschieht. Es wird der Herr Abgeordnete Rahn sein.
Ich habe dann weiter die Freude, den Herrn Abgeordneten Dr. Mücke unter uns wieder zu begrüßen, nachdem er nach mehreren Monaten Daniederliegens von seinem schweren Autounfall wieder genesen ist.
Mit Schreiben vom 19. bzw. 20. Dezember 1949 hat mir der Herr Präsident des Bundesrats mitgeteilt, daß der Bundesrat in seiner Sitzung am 19. Dezember 1949 gemäß Artikel 78 des Grundgesetzes folgenden Gesetzesvorlagen zugestimmt hat:
Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit;
Gesetz zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes, des Gesetzes zur Deckung der Kosten für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren und des Preisgesetzes;
Gesetz zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Fachstellengesetzes und der Fachstellengebührenordnung;
Gesetz über die Wirkung der bei den Annahmestellen Darmstadt und Berlin eingereichten Patent-, Gebrauchsmuster- und Warenzeichenanmeldungen in den Ländern Baden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern und dem bayerischen Kreis Lindau;
Gesetz zur Verlängerung des Gesetzes über die Festsetzung und Verrechnung von Ausgleichs- und Unterschiedsbeträgen für Einfuhrgüter der Land- und Ernährungswirtschaft;
Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung des Lohnstops;
Gesetz zur Änderung des Zuckersteuergesetzes.
Was die Beantwortung von Kleinen Anfragen anlangt, so darf ich auf folgendes hinweisen.
Der Herr Bundesminister für Finanzen hat mit Schreiben vom 16. Dezember 1949 die Anfrage der FDP-Fraktion wegen Senkung der Tabaksteuer — Drucksache Nr. 243 — beantwortet.
Der Herr Bundesminister für Wirtschaft hat mit Schreiben vom 17. Dezember 1949 die Anfrage der SPD-Fraktion betreffend Stromversorgung in Bayern — Drucksache Nr. 242 — beantwortet.
Der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat mit Schreiben vom 17. Dezember 1949 die Anfrage der Abgeordneten Niebergall, Renner und Genossen betreffend Reblausbekämpfung — Drucksache Nr. 289 — beantwortet.
Der Herr Bundesminister für Arbeit hat am 3. Januar 1950 die Anfrage der Abgeordneten Dr. Leuchtgens und Genossen betreffend Berechnung der Arbeitslosenunterstützung — Drucksache Nr. 309 — beantwortet.
Ferner hat der gleiche Herr Minister unter dem 21. Dezember 1949 die Anfrage der Abgeordneten Niebergall, Renner und Genossen betreffend deutschen Weinhandel — Drucksache Nr. 288 — und die Anfrage der SPD-Fraktion betreffend BerlinHilfe — Drucksache Nr. 304 — beantwortet.
Der Herr Bundesminister für Wohnungsbau hat am 19. Dezember 1949 die Anfrage der Abgeordneten Dr. von Rechenberg und Fraktion betreffend Umquartierung im Raume Köln — Drucksache Nr. 188 — beantwortet.
Sämtliche Antworten, die ich eben aufgezählt habe, liegen den Mitgliedern des Hohen Hauses unter den Drucksachen vor.
Ferner darf ich darauf aufmerksam machen, daß dem Hohen Hause die Drucksache Nr. 319 — eine Übersicht über die bisher ersichtlichen Wahleinsprüche — vorliegt. Ich möchte dem Hause vorschlagen, diese Einsprüche dem Wahlprüfungsausschuß zur Behandlung zu überweisen. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit diesem Vorschlag annehmen? — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist demgemäß beschlossen.
Ich darf ferner darauf hinweisen, daß die Beschlüsse der 24. und 25. Sitzung wie üblich zur Kenntnisnahme ausliegen.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich dann noch ein paar Worte zu der künftigen Gestaltung und Handhabung unserer parlamentarischen Arbeit sagen. Wir haben uns gestern im Ältestenrat sehr eingehend darüber unterhalten und sind im Interesse einer Straffung, einer geregelten Ordnung und eines geregelten Ablaufs unserer parlamentarischen Arbeit zu folgendem Beschluß gekommen. Ausschußsitzungen werden in Zukunft an den Vormittagen am Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag stattfinden, Plenarsitzungen an den Nachmittagen am Mittwoch, Donnertag und Freitag, und zwar in der Zeit von 14 Uhr 30 bis möglichst 18 Uhr 30, so daß auch an diesen Abenden noch Gelegenheit gegeben ist, wenn notwendig, Fraktionssitzungen abzuhalten. Der Ältestenrat wird jeden Dienstag vormittag 9 Uhr 30 zusammentreten, um die Tagesordnungen auf Grund der bis zum vorhergehenden Freitag 13 Uhr eingegangenen Vorlagen, Anträge, Gesetzentwürfe pp. vorzubereiten. Wir hoffen, daß wir auf diese Weise zu einer entsprechenden Straffung unserer parlamentarischen Arbeit gelangen.
Ich habe damit meine amtlichen Mitteilungen erschöpft, und wir treten nunmehr in die Tagesordnung ein. Ich darf vorausschicken, daß wir gestern im Ältestenrat in weitestgehendem Umfang eine Verständigung darüber erzielt haben, zeitlich die heutige Tagesordnung so abzuwickeln, daß wir etwa um 20 Uhr oder 20 Uhr 30 zu Ende kommen. Wir haben uns über gewisse Redezeiten verständigt, auf die ich im, einzelnen bei den einzelnen Punkten noch eingehen werde.
Bei Punkt 1 der Tagesordnung — um das gleich vorauszuschicken — wollen die Interpellanten nach der Antwort des Herrn Bundesjustizministers noch einige Ausführungen machen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Hilfe für in Frankreich verurteilte deutsche Kriegsgefangene .
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz, Herr Dr. Dehler.
Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Dr. Schumacher hat in der Sitzung dieses Hohen Hauses vom 15. November vorigen Jahres im Zusammenhang mit der Bewertung und der Behandlung des deutsch-französischen Verhältnisses etwa folgendes ausgeführt. In der Psychose der Vergeltung nach der Liquidation des Hitlerkrieges seien in Frankreich eine große Anzahl von militärgerichtlichen Urteilen gegen deutsche Kriegsgefangene gefällt worden, die wohl nicht immer den Tatsachenbestand gerecht beurteilt hätten, in der großen Überzahl der Fälle aber im Strafmaß, das gleich nach Jahrzehnten bemessen worden sei, über das menschlich Erträgliche hinausgegangen seien; das habe sich vor allem in den Jahren 1945 und 1946 abgespielt; betroffen worden seien vor allem die kleinen Leute, die Mannschaften; es seien un-
ter den Verurteilten, die heute noch sitzen, kein einziger General, nur ein einziger Oberst; die Gewerkschaft der Generale sei also die einzige internationale Gewerkschaft, die wirklich funktioniere. Der Herr Abgeordnete Dr. Schumacher hat daran die Hoffnung geknüpft, daß das französische Volk und seine Regierung Verständnis dafür haben werde, daß die Nachprüfung dieser Urteile von deutscher Seite erbeten werde, und er hat namens seiner Fraktion an den Herrn Bundeskanzler den Wunsch gerichtet, in dieser Hinsicht tätig zu werden.
Auf diese Ausführungen nimmt die Interpellation der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei vom 9. Dezember Bezug und fragt die Bundesregierung, was unternommen worden ist, um diesen Gefangenen Hilfe zuteil werden zu lassen. An sich, meine Damen und Herren, ist die Antwort auf diese Interpellation schon durch den mündlichen Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und für auswärtige Angelegenheiten vom 1. Dezember 1949 vorweggenommen. Damals ist ein Antrag der Fraktion der CDU/CSU betreffend Maßnahmen für Deutsche, die in Auswirkung des Krieges im Ausland zurückgehalten werden, behandelt und durch den Herrn Kollegen Dr. Gerstenmaier beantwortet worden. Ich habe dazu Stellung genommen und erklärt, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreift. Ich glaube, daß dort an sich der Tatbestand und die notwendigen Maßnahmen schon hinreichend dargelegt worden sind; ich will mich aber der Verpflichtung nicht entziehen, noch einmal darauf einzugehen. Es handelt sich ja an sich nicht nur um die Kriegsgefangenen, die vor französische Militärgerichte gestellt worden sind oder werden - es sind jetzt noch ungefähr 1200, die ihrer Aburteilung entgegensehen —, sondern es handelt sich, wie ich glaube, in viel größerem Maße um die mindestens 300 000 deutschen Menschen, die in Rußland zurückgehalten werden.
unter Vorwänden und unter kollektiven Beschuldigungen, die wohl nicht stichhaltig sind. Es handelt sich weiterhin um 8000 Frauen und Männer in Polen, die dort unter Beschuldigungen in Arbeitslagern verwahrt werden, und um 1400 Soldaten in Jugoslawien und etwa weitere 500 in anderen Staaten. Ich glaube, der Herr Kollege Gerstenmaier hat in seinem Bericht in sehr überlegener und in sehr gerechter Weise Licht und Schatten verteilt. Es liegt uns wohl allen fern, das, was geschehen ist, beschönigen zu wollen. Ich glaube, für jeden von uns brennt der Name Oradour als ein Schandmal in der Seele. Aber, meine Damen und Herren, wir wissen auch, wie schwer es ist, auf dieser Erde eine Schuld festzustellen und eine Schuld zu sühnen, und vor allem, wie verhängnisvoll es ist, wenn man Schuld nach Vermutungen feststellen will. Die Interpellation der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei hat durchaus recht, wenn sie sagt, daß hier — nach dem fürchterlichen Gesetz, daß Unrecht immer Wieder neues Unrecht zeugt — Dinge geschehen sind, die über das menschlich Erträgliche hinausgehen. Der Fall Oradour! Wo sind die Schuldigen? Soweit Feststellungen getroffen worden sind, sind sie tot oder verschollen, übrig geblieben sind fünf kleine Leute, fünf junge Menschen, die zum größten Teil bei dem Vorgang noch minderjährig waren, die durch einen Befehl in ein Kommando hineingestellt worden sind, denen man — abgesehen von einem — gar nicht nachweisen kann, daß
sie gehandelt haben; und der eine, der beschuldigt wird, ist ein Elsässer. So sehen die Dinge in der Praxis aus.
Für die französische Justiz, die ja wirklich ein hohes Ansehen zu wahren hat, sind die Verfahren gegen die deutschen Kriegsgefangenen — das darf ich wohl sagen — eine schwere Belastungsprobe.
Gegen die Methoden, welche die französischen Untersuchungsrichter anwenden, werden Vorwürfe erhoben. Die Verfahren werden Jahr über Jahr verzögert. Die Annahme des Herrn Abgeordneten Dr. Schumacher, daß gerade in den Jahren 1945 und 1946 besonders viele und harte Urteile gefällt worden sind, trifft nach meinen Feststellungen nicht zu, im Gegenteil, seit diesen Jahren sitzen diese 1200 Leute in den Gefängnissen und warten auf eine Verhandlung. Die Dinge werden gerade von den Deutschen bitter empfunden. Nur eine Tatsache: Es gibt in Frankreich nur ein Gefängnis, das heizbar ist. So sehen die Dinge in der Praxis ans.
Man hat in Frankreich Ausnahmegerichte gebildet. Die Gerichte, vor denen die deutschen Kriegsgefangenen stehen, bestehen aus einem Oberlandesgerichtsvorsitzenden und sechs militärischen Beisitzern, darunter nach einer Verordnung vom 28. August 1944, die noch von der provisorischen Regierung in Algier erlassen worden ist, vier alte Widerstandskämpfer. Die Verfahren entsprechen nicht deutschen Rechtsvorstellungen. Eine ausführliche Würdigung des Beweisergebnisses und eine klare Feststellung des Tatbestandes finden nicht statt; es erfolgt lediglich eine sehr abstrakte Beantwortung von Fragen nach der Art des alten Schwurgerichts. Dadurch ist die Möglichkeit, eine Sachüberprüfung durch das Kassationsgericht zu erreichen, so gut wie genommen. Die Strafen — auch insoweit hat die Interpellation recht — werden nicht individualisiert. Sie lauten: Todesstrafe, 20 Jahre, 15 Jahre, 10 Jahre Zwangsarbeit. Weil diese Verordnung vom 28. August 1944 nicht ausreichte, hat die französische Regierung noch am 15. September 1948 — meine Damen und Herren, ich unterstreiche: 1948 — eine Verordnung erlassen, die man als lex Oradour bezeichnen muß. Sie begründet eine in der Praxis gar nicht widerlegbare Schuldvermutung. Man kann mit den Angeklagten, die in diese Zwangslage kommen, nur Mitleid haben.
Ich habe die von Herrn Dr. Schumacher aufgestellte Behauptung, daß nur kleine Leute unter Anklage gestellt würden, überprüft und nach den Unterlagen nicht bestätigt gefunden. Die Untersuchungen erstreckten sich auf Mannschaften und Offiziere aller Rangstufen. Vielleicht darf man hier nicht vergessen, daß nach der Kapitulation gerade eine große Anzahl von deutschen Offizieren, die schon Gefangene waren, in Frankreich ihr Leben lassen mußte.
Der Rechtsschutz für die Kriegsgefangenen war bei einem Ausschuß des südwestdeutschen Länderrates in Stuttgart zusammengefaßt worden und war im Laufe der letzten Jahre zu einer trizonalen Arbeitsgemeinschaft ausgeweitet worden. Die einzelnen Fälle wurden bei den Rechtsschutzstellen des Roten Kreuzes in Stuttgart, in Hamburg und n Bad Kreuznach bearbeitet, dann durch die Rechtsschutzstellen der Caritas in Freiburg und des Evangelischen Hilfswerkes in Stuttgart, weiterhin noch durch die Vereinigung der Anwaltskammern in der britischen Zone. Im Frühjahr 1949 ist für diese Rechtsschutzstellen der Wohlfahrtsverbände
eine Koordinierungsstelle bei dem Justizminister für Württemberg-Baden besonders mit dem Ziele geschaffen worden, das Material einheitlich auszuwerten.
In Frankreich hat das Internationale Komitee des Roten Kreuzes als eine Art Schutzmacht für die deutschen Gefangenen gewirkt und sich um den Rechtsschutz für die Kriegsgefangenen bemüht. Wir haben allen Anlaß, dem Roten Kreuz für die Dienste, die es in dieser schweren Zeit geleistet hat, zu danken. Man kann diese Dienste gar nicht hoch genug bewerten. Neben dem Roten Kreuz haben katholische kirchliche Stellen und hat der Ökumenische Weltkirchenrat sich für den Rechtsschutz der Kriegsgefangenen eingesetzt.
Nunmehr ist dieser Rechtsschutz von der Bundesregierung übernommen und mir als besondere Aufgabe zugeteilt worden. Die gesamten Verteidigungsgrundlagen werden durch Sammlung und Sichtung des juristischen Materials, auch der Rechtsprechung, geschaffen, und die erforderlichen Mittel für die Verteidigung werden zur Verfügung gestellt . Die Verteidigung ist zunächst nur in Frankreich und in anderen westlichen Staaten möglich. Von den etwa 1200 Angeklagten haben bereits 1079 Verteidigerschutz bekommen; sie werden durch uns betreut. Daneben besteht das Problem der Korrektur der bereits gefällten Urteile. Ich werde den Herrn Bundeskanzler bitten, den Anlaß des Besuches des Herrn französischen Außenministers zu benützen, mit ihm in dieser Frage Fühlung zu nehmen.
Meine Damen und Herren! Man würde kein gerechtes Bild geben, wenn man nicht der Männer gerade in Frankreich gedenken würde, die aus eigener Überzeugung aufgestanden sind und in einer bewundernswerten Weise für das Recht gezeugt haben. Ich nenne für viele Donnedieu de Vabre und den Anwalt de la Pradelle. Ich denke auch an einen mutigen Mann, den jetzigen Marineattaché der französischen Gesandtschaft in Kairo, Fregattenkapitän Jules Meyer, der in einem Verfahren, welches vor wenigen Wochen erst vor dem Militärgericht in Marseille gespielt hat, von sich aus als Zeuge aufgetreten ist und geltend gemacht hat, daß die Angeklagten nicht bestraft werden dürften, weil er als Unterhändler bei der Übergabe der Festung La Rochelle als Übergabebedingung ausdrücklich die Freiheit, auch die Straffreiheit, auf beiden Seiten zugesichert und dafür sein Wort als Offizier verpfändet hat.
Meine Damen und Herren, es ist in dieser schauerlichen Zeit, die hinter uns liegt, viel gefehlt worden. Ich meine, man sollte mit diesen Dingen zu Ende kommen. Es sollte Wahrheit werden, was in einer ähnlichen Zeitlage vor 300 Jahren festgelegt worden ist, als man am 24. Oktober 1648 den Westfälischen Frieden schloß. Dort hat man gesagt: „Ewiges Vergessen alles dessen, was seit Beginn der Unruhen geschehen ist, gleichgültig an welchem Orte und in welcher Weise, durch die eine oder durch die andere Partei; alle Beleidigungen, alle Gewalttaten, Feindseligkeiten ohne Ansehen der Person oder Sache, sollen abgetan, in einem ewigen Vergessen begraben sein." Ich glaube, nur wenn dieser Geist lebendig ist, besteht die Möglichkeit für eine bessere Zukunft und die Möglichkeit, daß diese letzten Zuckungen der schlimmen Zeit, unter denen noch viele Unschuldige leiden müssen, aufhören.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers zu der Interpellation gehört. Wird die Aussprache beantragt? — Das ist der Fall.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Eichler.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei erklärt sich mit der Antwort des Herrn Bundesjustizministers auf ihre Interpellation für befriedigt. Wir möchten im Anschluß an diese Antwort noch eine Anregung geben, die vielleicht ohnehin befolgt worden wäre, die wir aber nicht für überflüssig halten.
Zunächst einmal möchte ich folgendes sagen. Daß wir hier eine Anfrage über den Rechtsschutz der von französischen Gerichten verurteilten deutschen Kriegsgefangenen gestellt haben, bedeutet nicht, daß wir nicht davon überzeugt sind, daß auch Kriegsgefangene in andern Ländern denselben Rechtsschutz nötig haben; unsere Interpellation bezog sich auf eine uns zuteil gewordene konkrete Information gerade über Frankreich.
Zweitens glauben wir, daß der Hinweis des Herrn Justizministers, die verständliche Empörung des französischen Volkes über eine Reihe von Taten der deutschen Armee in Frankreich und nicht nur der Untat von Oradour bei diesen Versuchen, in einer so schwierigen Frage Gerechtigkeit zu erhalten, in Rücksicht zu ziehen, sehr weise und verständlich ist. Am kränkendsten ist aber, daß wir gerade an der einzigen Stelle, an der Empörung nicht in die Entscheidung eingreifen sollte, nämlich in der Funktion ordentlicher Gerichte, merken, daß offenbar mehr die Empörung als der strenge Sinn für Gerechtigkeit die Feder und die Stimme des Herzens gelenkt hat.
Wir sind all den Institutionen, die geholfen haben, den Gefangenen Rechtsschutz zu geben, für ihre Unterstützung dankbar, und wir hoffen, daß alle, die sich weiter darum bemühen werden, in ihrer Arbeit von Erfolg gekrönt sein werden.
Es ist uns zum Beispiel ein Urteil bekannt geworden, durch das ein Soldat, der auf dem Rückzug auf Anordnung seiner Vorgesetzten irgendeine Maschine des technischen Nachrichtenapparats in die Luft gesprengt hat, wegen Brandstiftung zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde.
Wir können nicht wissen, wieviel ähnliche Urteile es gibt. Wir haben weder die Möglichkeit gehabt, Untersuchungen darüber anzustellen, noch glauben wir, daß es unsere Funktion ist. Es scheint uns aber eine unerläßliche Notwendigkeit, solche Urteile schließlich zu korrigieren.
Wir sind erfreut zu hören, daß der Herr Bundesjustizminister den Bundeskanzler darauf aufmerksam machen wird, daß es vielleicht tunlich sei, beim Besuch des französischen Außenministers hierüber eine kurze Andeutung fallen zu lassen.
Wir glauben vor allem, daß sich der Rechtsschutz nicht nur darauf erstrecken sollte, den Strafvollzug zu kontrollieren. Das vornehmste Bestreben muß darauf gerichtet sein, hier Wiederaufnahmeverfahren in Gang zu bringen. Erst wenn wir alle diese Möglichkeiten erschöpft haben, muß man versuchen, den Opfern, soweit sie unschuldig verurteilt worden sind, auf dem Wege des Gnadenerlasses Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Höfler.
Meine Damen und Herren! Auch meine Freunde begrüßen die Erklärung des Herrn Justizministers. Es ist überaus dankenswert, daß man jetzt nach einer Zeit, in der man nicht recht wußte, wohin man mit diesen schweren Anliegen für die besonders drüben in Frankreich Gefangenen gehen sollte, endlich weiß, daß die oberste Stelle, die für die Pflege der Justiz in Deutschland verantwortlich ist, auch den Rechtsschutz für diejenigen gewährleistet, die in Frankreich unter harter Anklage oder in Verbüßung ihrer Strafe stehen.
Was hier zwischen dem deutschen und französischen Volk aufsteht, ist ein altes Leid. Es ist notwendig, daß war darüber hinwegkommen. Es hieße der deutsch-französischen Verständigung, die ja in diesen Tagen wiederum angebahnt und vertieft werden soll, einen bösen Dienst tun, wenn man weiter in dem Geist verharrte, der mindestens einen Teil der französischen Justiz in dieser Hinsicht kennzeichnete. Es tut uns leid, daß wir das von der Bühne dieses Hauses andeutend und auch manchesmal anprangernd sagen müssen — denn wir möchten damit nicht irgendeinen Nationalismus nähren —, daß nämlich die französische Justiz in dieser Sache weithin in einer Weise versagt hat, daß es dem Freund ernster Verständigung zwischen den beiden Völkern wirklich leid tun kann.
Aus persönlicher Arbeit in dieser Angelegenheit weiß ich, wieviele Bemühungen innerhalb der beiden Völker -- und ich möchte sagen: von seiten der Besten der beiden Völker — dem Ziel der Befreiung von diesem Unfug gegolten haben. Die Rechtsschutzstellen insbesondere des Roten Kreuzes, des Evangelischen Hilfswerks und der Caritas waren schon seit drei Jahren intensiv bemüht, den Dingen die Härte zu nehmen, die sie nun einmal durch das Existieren unguter Verordnungen justiziärer Art hatten. Wir haben alles getan, was möglich ist, und haben die französische Öffentlichkeit in ihren besten Teilen organisiert und mobolisiert, damit eine Änderung eintritt. Ich möchte mich hier nicht über die Hintergründe verbreiten, die zu gewissen nationalistischen Ausartungen auf der französischen Seite geführt haben; ich möchte nur sagen, wir müssen dankbar sein, daß viele aus besten Kreisen des französischen Volkes unseren Freunden drüben auch in der Gefängniszeit geholfen haben.
Damit wird nicht zugedeckt, was nicht richtig war. Es war zum Beispiel nicht richtig, daß man ein volles Drittel dieser Menschen nicht als Angeklagte, sondern als Zeugen bis zur Stunde drüben festhielt. Es war nicht richtig, daß man die justiziären Grundlagen dieser Dinge auf Verordnungen basieren ließ, die noch aus einer, ich möchte sagen, bösen Zeit stammen. Und es war erst recht nicht richtig, daß man eine Verordnung aus dem Jahre 1944 durch eine neue Anordnung im Jahre 1948 sich verhärten ließ. In der Zwischenzeit ist das geschehen, was der Herr Justizminister ausgeführt hat — es ist dankenswert, daß das geschah -: daß sich französische Rechtslehrer und französische Rechtsanwälte in großer Zahl auch unter ganz schlechten materiellen Bedingungen zur Verfügung stellten, um unsere Landsleute drüben aus dem Gefängnis zu bringen oder ihnen vor Gericht zu ihrem Recht zu verhelfen. Aber einige Dinge können nicht geschenkt werden.
Es ging nicht an — ich habe den betreffenden Akt dem französischen Außenminister Herrn Schumann persönlich in die Hand gegeben —, daß einer der Gefangenen mir schreiben mußte: „Ich warte nun seit zwei Jahren jeden morgen um fünf Uhr mit Ausnahme der Sonntage auf meine Hinrichtung."
Es geht auch nicht an, daß einer mir schreiben mußte: „Am soundsovielten August 1948 geht für mich das sechste Jahr der Untersuchungshaft an, ohne daß die Affäre weitergeht." Ich will mich darüber nicht weiter verbreiten, sondern ich möchte nur die Bundesregierung bitten, daß die Anwesenheit französischer Behördenvertreter in den nächsten Tagen dazu benutzt wird, daß die Dinge zwischen unseren beiden Völkern nicht mehr aufstehen. Denn aus dieser Gesinnung, die sich manchmal da ausdrückt, kann nur der Haß geboren werden. Wir aber brauchen nicht den Haß, sondern wir brauchen die Verständigung.
Von einer anderen Stelle der Welt ist in diesen Tagen das große und schöne Wort erklungen, daß die Völker daran denken sollten, nun endlich einmal das große Verzeihen und das große Vergessen zum Gegenstand und zum Ausgangspunkt ihrer gegenseitigen Beziehungen zu machen. Ich möchte wünschen, daß dieser Stern auch über den kommenden Verhandlungen zwischen Herrn Schumann und der Bundesregierung steht.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen vor. Ich schließe damit die Aussprache über den Punkt 1 der Tagesordnung und erkläre ihn für erledigt.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 2 der Tagesordnung:
Vorlage des Entwurfs einer Verordnung des Bundesministers der Justiz betreffend Errichtung einer Zweigstelle des Deutschen Patentamtes in Groß-Berlin .
Ich erteile das Wort zur Einbringung der Vorlage dem Herrn Bundesjustizminister.
Meine Damen und Herren! Ich möchte die Vorlage nicht einbringen, sondern bitten, sie zunächst zurückzustellen. Es ist ein Zweifel über die Frage der Zuständigkeit des Bundestages zur Zustimmung zu der von mir beabsichtigten Verordnung entstanden. Es handelt sich um die Errichtung einer Zweigstelle des Deutschen Patentamtes in Berlin. Als zuständig ist in dem Gesetz vom 12. August 1949, das der Wirtschaftsrat erlassen hat, der Vorsitzende des Verwaltungsrates des Vereinigten Wirtschaftsgebietes mit Zustimmung des Wirtschaftsrats bezeichnet. Nach Artikel 129 unseres Grundgesetzes treten an Stelle dieser Stellen die jetzt zuständigen Stellen. Zweifellos tritt an die Stelle des Vorsitzenden des Verwaltungsrates der zuständige Fachminister, hier der Justizminister. Nun sind auf seiten des Bundesrates Zweifel entstanden, ob der Bundestag oder der Bundesrat die Zustimmung geben muß. Dieser Zweifel ergibt sich aus der komplexen Natur, die der Wirtschaftsrat hatte, der ja nicht nur Parlament, sondern zu gleicher Zeit Exekutivorgan war. Diese Frage, die ja nicht nur hier, sondern auch für andere Fälle von Bedeutung ist, muß grundsätzlich ge-
klärt werden. Ich bitte daher, damit einverstanden zu sein, daß dieser Tagesordnungspunkt heute abgesetzt und daß die Angelegenheit zurückgestellt wird.
Meine Damen und Herren! Sie haben gehört, daß der Einbringer der Vorlage, der Herr Bundesjustizminister, selbst darum bittet, den Punkt von der Tagesordnung abzusetzen. Darf ich das Einverständnis des Hauses damit aus den vorgetragenen Gründen annehmen? — Ich höre keinen Widerspruch. Damit würde Punkt 2 der Tagesordnung und logischerweise ebenfalls Punkt 9, der die Beschlußfassung vorsah, entfallen.
Wir kommen zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erteilung einer Kreditermächtigung — Antrag der Abgeordneten Bausch, Dr. Dr. Höpker-Aschoff, Dr. von Merkatz, Schuster und Genossen — .
Ich darf darauf hinweisen, daß wir uns gestern im Ältestenrat darüber klar geworden waren, nach der Einbringung der Vorlage die gesamte Redezeit im wesentlichen auf etwa 30 Minuten zu beschränken.
— Bitte, Herr Abgeordneter Renner.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundestagspräsident war, wenn ich mir die Vorbemerkung erlauben darf, meines Erachtens verpflichtet, nicht nur mitzuteilen, daß der Ältestenrat eine Beschränkung der Redezeit für gewisse Punkte der Tagesordnung festgelegt und darüber hinaus auch beschlossen hat, gewisse Tagesordnungspunkte ohne Debatte über die Bühne gehen zu lassen, sondern auch diesen Beschluß durch das Plenum bestätigen zu lassen. Das hat er bedauerlicherweise nicht getan.
Was wir heute erleben, ist, daß erstmalig auf Grund einer Abrede im Ältestenrat, gegen die nur der Vertreter der KPD sich gewendet hat, die Redezeit für Bundestagsabgeordnete, wie ich bereits sagte, nicht nur reduziert, sondern daß auch festgelegt worden ist, daß Gesetzesvorlagen, die in erster Lesung stehen, ohne Debatte hier an den jeweiligen Ausschuß überwiesen werden sollen.
— So ist das. Ich kann Ihnen das an Hand der einzelnen Beschlüsse beweisen, Herr Kollege Mellies. Ich freue mich, daß Ihnen jetzt anscheinend ein Teil dieses Beschlusses, den Sie selber mitgemacht haben, weh tut. — Damit wird meines Erachtens ein demokratisches Grundrecht, auf das der Abgeordnete ein Recht hat, willkürlich — und ich sage darüber hinaus: ohne Notwendigkeit — verletzt. Der Abgeordnete ist hierhergeschickt, um die Interessen seiner Wähler zu vertreten. Das minimalste Recht, das ihm daraus resultieren müßte, ist, daß ihm Gelegenheit gegeben wird, seine Auffassung zu den jeweiligen Gesetzesvorlagen oder den Initiativanträgen, die die Parteien hier einbringen, zu bekunden.
Ich greife nun die Beschlüsse heraus, die sich auf die heutige Tagesordnung beziehen. Heute soll ein Kreditermächtigungsgesetz über die
Bühne gehen, nach dem die Kreditspanne für den Herrn Bundesfinanzminister bzw. für die Bundesregierung von 500 auf 800 Millionen DM erhöht werden soll. Darüber kann hier nicht ausgiebig genug gesprochen werden. Hier wird heute in erster Lesung das Einkommensteuergesetz behandelt, über das in der Öffentlichkeit seit mehr als Jahresfrist ganz ausgiebig geredet und gestritten wird. Zehn Minuten Redezeit für die kleinen Parteien!
Herr Abgeordneter Renner, darf ich Sie einen Moment unterbrechen. Ich glaube, es liegt hier nach dem, wie Sie mich zitiert haben, zwischen Ihnen und mir ein Mißverständnis vor. Wir haben gestern im Ältestenrat — wenn ich das jetzt in toto bekanntgeben darf, ich hatte es nämlich nicht nötig, das vorher zu tun — eine förmliche Vereinbarung lediglich über die Redezeit für Punkt 4 der Tagesordnung getroffen. Bei den übrigen Punkten haben wir einen Überschlag gemacht und haben uns gesagt: wir werden in dem einen oder anderen Fall mit 30 Minuten oder 35 Minuten auskommen. Nach der eingehenden Aussprache im Ältestenrat lag für mich weder geschäftsordnungsmäßig noch sachlich eine Verpflichtung vor, darauf hinzuweisen. Denn es war eine Selbstverständlichkeit, daß die Damen und Herren, die die Fraktionen im Ältestenrat vertreten haben, die Fraktionen davon in Kenntnis gesetzt haben. Es kann sich also nachher lediglich um die bekannte Begrenzung der Redezeit im Sinne des § 88 der Geschäftsordnung handeln, für die ich auch nachher, Herr Abgeordneter Renner, in aller Form geschäftsordnungsgemäß die Zustimmung des Hauses einholen werde. Ich bitte, das bei Ihren weiteren Ausführungen zu berücksichtigen.
Also scheint bei uns beiderseits zumindest ein halber Irrtum vorzuliegen.
Beiderseits?
Gestern abend ist im Ältestenrat beschlossen worden, die Redezeit, die das Haus haben soll, außer für den Gesetzentwurf über die Einkommensteuer, auf 30 bzw. 35 Minuten festzulegen. Das ist doch auch eine Reduzierung der Redezeit. Der Herr Präsident hat allerdings in folgendem recht. In einem konkreten Fall hat man eine Rechnung angestellt, wie man 120 Minuten Redezeit auf die Fraktionen verteilt. Das ist allerdings nur in einem konkreten Fall geschehen. Aber in einer Reihe von Fällen hat man generell eine Redezeit für das gesamte Plenum festgelegt
und dabei unterstellt, daß die Fraktionen sich an diese Redezeit halten sollen. Ich bedaure, daß ich meine Notizen über den Ältestenrat nicht hier habe; sonst könnte ich Ihnen das schwarz auf weiß beweisen. Aber auch wenn es so ist, wie der Herr Präsident es hier darstellt, daß nur für einen einzigen Punkt, für das Einkommensteuergesetz, die Reduzierung der Redezeit beschlossen worden ist, ändert das an der Beurteilung nichts.
— Da haben Sie anscheinend nicht richtig zugehört; ich bin nicht so unvornehm, zu sagen: geschlafen. Ich habe ausdrücklich dagegen protestiert.
— Bitte, unterbrechen Sie mich nicht! Sonst erlebe ich noch, daß der Herr Präsident mir Ihre Unterbrechung auf meine Redezeit anrechnet. — Ja, ich weiß: Sie haben eine komische Buchführung.
Nein, ich rechne Ihnen natürlich meine drei Minuten nicht an.
Dann rechnen Sie mir auch nicht die Unterbrechungen an, für die ich nicht verantwortlich bin!
Nein, nein!
Die Methode, die die Mehrheit des Ältestenrats gestern angewendet hat, läuft praktisch und faktisch auf die Mundtotmachung gewisser Abgeordneter hinaus.
Sie nimmt diesen Abgeordneten aas Recht, ihre Meinung, das heißt die Meinung der Wähler, die hinter den Abgeordneten stehen, hier zu den jeweiligen Tagesordnungspunkten zu sagen. Wie man aus dem Protest gegen derartige Methoden die Absicht der Sabotage der Arbeit des Parlaments konstruieren kann, das ist mir schleierhaft. Das Parlament wird in seinem Wert draußen nach der praktischen Arbeit beurteilt, die hier geleistet wird.
Aber die praktische Arbeit kann nicht so geschehen, daß sie in Geheimkonventikel verlegt wird. Sie können dieser Methode gut zustimmen, meine Herren von der Regierungskoalition. Sie haben es gar nicht nötig, den Mund aufzutun. Für Sie spricht und arbeitet ja die Regierung.
Aber wir haben als einzige und echte Opposition hier eine Pflicht zu erfüllen, die Pflicht, die Interessen des deutschen Volkes gegen diese reaktionäre Koalition zu verteidigen. Das ist unsere Aufgabe.
Herr Abgeordneter Renner, Ihre fünf Minuten sind um.
Sie ändern nichts an dem Tatbestand. Sie beweisen nur einmal mehr, daß Sie Demokratie so weit zu spielen belieben und zu gewähren bereit sind, wie sie Ihren volksfeindlichen Interessen nicht im Wege steht. Das ist die Lage, klar ausgesprochen.
Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist nicht nötig, die überwältigende oder 95prozentige Mehrheit des Ältestenrats gegen den hier erhobenen Vorwurf der Mundtotmachung der Minderheit besonders in Schutz zu nehmen. Ich gehe deshalb über diese Bemerkung hinweg.
Wir treten nunmehr in die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erteilung einer Kreditermächtigung — Antrag der Abgeordneten Bausch, Dr. Dr. Höpker-Aschoff, Dr. von Merkatz,
Schuster und Genossen, Drucksache Nr. 366
ein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. HöpkerAschoff.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat nach dem Haushaltsgesetz des Wirtschaftsrats das Recht, 500 Millionen DM Kassenkredite zur Verstärkung seiner Betriebsmittel aufzunehmen, und dieser Betrag erhöht sich um weitere 60 Millionen für die französische Zone. Bei der Beratung des Haushaltsgesetzes für das zweite Halbjahr 1949 im Haushaltsausschuß hat der Herr Finanzminister darum gebeten, die Kreditermächtigung auf 800 Millionen DM zu erhöhen. Aus welchem Grunde? Meine Damen und Herren, nach dem ECA-Abkommen gehen die GARIOA-
Sonderkonten und die ERP-Sonderkonten fortab auf die Bundesregierung über. Die Bundesregierung hat auf diesen Konten gewisse Einzahlungen zu machen, nämlich dann, wenn die GARIOA-
Lieferungen oder ERP-Lieferungen eingehen und der Bundesregierung eine entsprechende Benachrichtigung zugestellt worden ist, Einzahlungen in D-Mark! Diese Lieferungen werden dann später über den Importhandel an die deutsche Wirtschaft weitergeleitet und alsdann bezahlt. Zwischen den Einzahlungen auf die Sonderkonten und den Zahlungen der Importeure liegt also ein Zwischenzeitraum, der eben durch die Kassenkredite überdeckt werden soll.
Für diesen Zweck braucht der Herr Bundesfinanzminister nach seinen Angaben eine Erhöhung des Kassenkredits um etwa 200 Millionen. Weitere 47 Millionen sind aus einem andern Grunde notwendig. Nach dem ECA-Abkommen mit dem französischen Hohen Kommissar ist die Bundesregierung verpflichtet, eine schwebende Schuld, die wohl dadurch entstanden ist, daß die französische Besatzungsmacht ERP-Gegenwerte für Besatzungszwecke in Anspruch genommen hat, so schnell wie möglich abzudecken. Dafür werden 47 Millionen gebraucht.
Aus beiden Gründen ist also eine Erhöhung der Ermächtigung, Kassenkredite aufzunehmen, von 560 Millionen auf 800 Millionen notwendig. Diese Ermächtigung, erhöhte Kassenkredite aufzunehmen, hätte bei ordnungsmäßigem Ablauf durch das Haushaltsgesetz, das wir augenblicklich beraten, erteilt werden müssen. Der Herr Bundesfinanzminister hat aber darum gebeten, diese Erhöhung der Kreditermächtigung vorwegzunehmen, damit sich keine Schwierigkeiten, keine Verzögerungen in der Durchführung des ECA-Abkommens ergeben.
Wir haben im Haushaltsausschuß hierüber bereits gesprochen, und auch von seiten der Opposition sind keine Bedenken geltend gemacht worden, oder doch nur von seiten des Herrn Kollegen Renner. Eine Vorwegnahme der Kreditermächtigung ist aber nur in der Form möglich, daß die Kreditermächtigung aus dem Haushaltsgesetz herausgenommen und als Sondergesetz hier verabschiedet wird. Zu diesem Zwecke ist seitens der Koalitionsparteien der ihnen auf Drucksache Nr. 366 vorliegende Antrag eingebracht worden, den ich im Auftrag der drei Parteien der Regierungskoalition zu begründen habe.
Meine Damen und Herren! Sachliche Bedenken sind nach meinem Dafürhalten nicht vorhanden.
Es fragt sich nur, wie wir jetzt prozedieren wollen. Wenn kein Widerspruch erhoben werden würde, könnten wir den Gesetzentwurf in erster, zweiter und dritter Lesung verabschieden, ohne ihn dem Ausschuß zu überweisen. Sollte von irgendeiner Seite Widerspruch erhoben werden, dann müssen wir uns zunächst auf die erste Lesung beschränken und den Entwurf dem Haushaltsausschuß überweisen. Der Haushaltsausschuß könnte aber noch wahrend der Tagung des Plenums zur Beratung dieses Entwurfs zusammentreten, und der Gesetzentwurf könnte dann, da mit Sicherheit damit zu rechnen ist, daß der Haushaltsausschuß den Antrag unverändert annehmen wird, noch heute in zweiter und dritter Lesung angenommen werden. Dahin geht mein Vorschlag.
Ich darf darauf aufmerksam machen, Herr Abgeordneter Dr. HöpkerAschoff, daß demgemäß bereits gestern im Ältestenrat beschlossen worden ist, daß unter Punkt 8 der Tagesordnung die zweite und dritte Beratung vorgesehen ist unter der Voraussetzung, daß während der Sitzung der Haushaltsausschuß zusammentritt.
Herr Präsident, wenn von keiner Seite Widerspruch erhoben werden würde, könnten wir ja auch di-e Ausschußüberweisung sparen. Dann brauchen wir ja die Sache gar nicht an den Ausschuß zu überweisen.
Das müssen wir erst aus den Wortmeldungen ersehen.
Sonst würde ich Überweisung an den Haushaltsausschuß beantragen.
Ich eröffne die Aussprache in der ersten Beratung des Gesetzentwurfs. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Das neue Jahr scheint mit einer ganzen Reihe von Mißverständnissen mindestens in den Ausschüssen zu beginnen. Der Herr Kollege Renner hat im. Ältestenrat nicht nur 50 Prozent, sondern darüber hinaus hinsichtlich der Abmachungen, die dort getroffen worden sind, mißverstanden oder nicht verstanden. Aber auch mein verehrter Herr Vorredner hat sich geirrt, wenn er zum Ausdruck brachte, die Opposition habe dieser Vorlage ihre Zustimmung gegeben. Ich habe ausdrücklich im Haushaltsausschuß erklärt, Herr Kollege Höpker-Aschoff, daß wir uns mit dieser Vorlage nicht einverstanden erklären können. Ich darf unsere Haltung ganz kurz begründen.
Herr Höpker-Aschoff hat schon darauf hingewiesen, daß es sich bei dieser Vorlage praktisch darum handelt, den § 13, der die Kreditermächtigung enthält, aus dem Haushaltsgesetz auszugliedern. Wenn die Kreditermächtigung im Haushaltsgesetz festgelegt ist, dann hat das immer seinen sehr guten Grund; denn solange der Haushalt nicht mit seinen Einzelplänen fertig ist, so lange ist auch nicht zu übersehen, wie hoch der Kreditbedarf für den Finanzminister sein wird. Infolgedessen muß man mit einer derartigen Kreditermächtigung schon so lange warten, bis der Haushaltsplan auch tatsächlich verabschiedet worden ist.
In der Begründung ist nun ausgeführt, daß der Kredit nicht nur für die laufenden Ausgaben benötigt wird, sondern auch zu dem Zwecke, um gewisse Überbrückungen bei den GARIOA- und ECA-Krediten vorzunehmen. Aber das Abkommen, das diesen Krediten zugrunde liegt, ist von diesem Hohen Hause noch nicht verabschiedet worden. Es fehlt also für die hier vorgesehene Kreditermächtigung nach jeder Richtung hin die Grundlage. Deshalb sehen wir uns aus prinzipiellen Gründen nicht in der Lage, dem vorliegenden Gesetzentwurf zuzustimmen.
Was die formale Seite der Verabschiedung betrifft, so sind wir von uns aus mit der Regelung einverstanden, daß die zweite und dritte Beratung noch heute stattfindet, und zwar aus folgendem Gesichtspunkt. Würden wir dagegen Einspruch erheben, so würde das nur bedeuten, daß die zweite und dritte Lesung um einige Tage hinausgeschoben wird. Da offenbar die Koalitionsparteien gewillt sind, dem Herrn Finanzminister diese Kreditermächtigung zu geben, würde noch im Laufe dieser Woche nur zu diesem Zwecke eine neue Plenarsitzung erforderlich sein, und das Gesetz würde doch verabschiedet werden. Ein Einspruch würde zwecklos sein . und den Lauf der Dinge nicht aufhalten. Daher werden wir gegen die formale Behandlung keinen Einspruch erheben, das Gesetz aber aus grundsätzlichen Bedenken ablehnen müssen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rische.
Meine Damen und Herren! Eine sehr wichtige Angelegenheit soll hier sozusagen im Handumdrehen verabschiedet werden. Die Frucht des ECA-Vertrages reift, obwohl dieser Vertrag der deutschen Öffentlichkeit von dieser Stelle aus noch nicht bekanntgegeben wurde.
Dieser Vertrag mit seinen für die deutsche Wirtschaft weitgehenden Wirkungen ist von diesem Hohen Hause noch nicht ratifiziert worden. Dennoch wollen einige Abgeordnete — wahrscheinlich auf Anregung des Herrn Finanzministers — heute schon in Auswirkung eines noch nicht rechtsgültigen Vertrages von der Volksvertretung Mittel haben, um die in dem Vertrag festgelegten Bestimmungen von deutscher Seite erfüllen zu können.
Meine Damen und Herren! Über den materiellen Inhalt des ECA-Vertrages wird es sicherlich von dieser Stelle aus noch eine Diskussion geben. Die weitgehenden Folgen des Vertrages für die gesamte deutsche Wirtschaft kann man kurz dahin skizzieren, daß es von nun an eine wirklich unabhängige deutsche Wirtschaft nicht mehr gibt, daß die deutschen Arbeitskräfte, die Arbeiter aus den Betrieben gemäß den Bestimmungen des Vertrags auf Anforderung irgendwelchen ausländischen Mächten zur Verfügung gestellt werden müssen,
daß ferner die Regierung sich verpflichtet, der USA-Regierung Einsicht in alle Produktionsmethoden und in alle Geschäftsmethoden der deutschen Wirtschaft zu geben, und daß außerdem die Regierung sich noch verpflichtet, die mit dem ganzen Vertrag in Zusammenhang stehende Schuldenwirtschaft zu übernehmen. Zu guter Letzt ist sie nach den Bestimmungen des Gesetzes sogar noch verpflichtet, für den Marshallplan Propaganda zu treiben.
Herr Abgeordneter, darf ich eine kleine Bemerkung machen. Der Gegenstand der Tagesordnung lautet: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erteilung einer Kreditermächtigung.
Herr Präsident, das hätte uns der Vorredner auch deutlicher sagen müssen. In Wirklichkeit handelt es sich doch darum, daß wir der Regierung in Auswirkung des ECA-Vertrages 800 Millionen DM im Wege der Kreditermächtigung zubilligen sollen. Darüber kann doch kein Zweifel bestehen.
Noch bevor das Haus über den endgültigen Haushaltsplan der Bundesregierung sich ein einigermaßen zuverlässiges Bild verschaffen konnte, verlangt nun der Herr Bundesfinanzminister im Handumdrehen, das heißt durch die Vermittlung einiger Herren des Hauses, eine Kreditermächtigung für 800 Millionen DM. Ich glaube, daß es mit den Finanzen des Bundes, wenn man von dieser Seite einmal an die Frage herangeht, nicht sehr gut bestellt sein muß, wenn schon wenige Wochen nach der Diskussion über das Überleitungsgesetz die Regierung den Kreditbedarf von 500 Millionen auf 800 Millionen DM erhöhen muß. Die finanziellen Schwierigkeiten müssen demnach außerordentlich groß sein. Kein Wunder, wenn man die Auswirkung des Marshallplans auf die deutsche Wirtschaft gebührend berücksichtigt!
Die Gründe für die Verschlechterung der finanziellen Lage sind uns jedenfalls eindeutig klar. Sie ergeben sich durch den aus dem Marshallplan entstandenen Notstand der deutschen Wirtschaft, insbesondere der deutschen Exportwirtschaft. Sie ergeben sich aus den unerhört hohen Ausgaben durch die wachsende Arbeitslosigkeit, durch die Kurzarbeit, ebenfalls eine Folge der bedingungslosen Unterwerfung der Regierung unter den Marshallplan. Ich will hier nur ganz kurz andeuten, daß die Bundesregierung sich erst kürzlich den Befehlen der Hohen Kommission vom Petersberg unterwarf und wiederum eine diskriminierende Maßnahme gegen die deutsche Wirtschaft unterschrieb, nämlich die Senkung des Kohlenexportpreises.
In diesem Zusammenhang verweise ich außerdem auf die unerhört wachsenden Ausgaben für den Verwaltungsaufwand. Erst in der vorigen Woche hat die westdeutsche Presse über die Ministergehälter und Aufwandsentschädigungen der Ministerien berichtet. Allein für Aufwandsentschädigungen soll nach diesen Pressemeldungen eine halbe Million DM den Ministerien zur Verfügung gestellt werden.
Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Überleitungsgesetzes haben wir bereits unsere grundsätzlichen Bedenken gegen Kreditermächtigungen dem Hohen Hause zur Kenntnis gegeben. Wir wiederholen diese grundsätzlichen Bedenken heute und wehren uns auch dagegen, daß man hier versucht, ohne gründliche Beratung im Ausschuß, im Handumdrehen sozusagen schon die zweite und dritte Lesung vorzunehmen. Wir glauben, daß dies keine demokratischen Methoden sind, sondern Methoden, die daran erinnern, wie man sich weiland während der Nazizeit Ermächtigungen geben ließ, um eine verhängnisvolle Politik durchzuführen. Gegen eine derartige Praxis melden wir unentwegt unsere Bedenken an.
— Hier, mein Herr, und bei der Öffentlichkeit, beim deutschen Volk. Das deutsche Volk hat zu dieser Regierung kein Vertrauen.
Ich möchte mit August Bebel schließen, der einmal sinngemäß erklärt hat: Dieser Regierung keinen Mann und keinen Groschen!
Meine Damen und Herren! Wird das Wort noch gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Aussprache über Punkt 3 der Tagesordnung. Ich nehme das Einverständnis des Hauses damit an, daß der Gesetzentwurf dem Haushaltsausschuß zur Beratung überwiesen wird. — Ich darf den Herrn Vorsitzenden des Haushaltsausschusses bitten, selber das Nötige in geeigneter Form zu veranlassen.
— Ja, das war auch -der Sinn. Dann darf ich in Ihrem. Namen, Herr Vorsitzender, —
— Dann bitte ich Herrn Kollegen Schoettle, sich mit den Herren untereinander zu verständigen.
Ich stelle das Einverständnis des Hauses fest, daß der Gesetzentwurf als an den Haushaltsausschuß überwiesen gilt und daß die zweite und dritte Beratung, wie vorgesehen, unter Punkt 8 der Tagesordnung erfolgt.
Wir kommen damit nunmehr zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes .
Hierzu, meine Damen und Herren, mache ich auf folgendes aufmerksam. Der Ältestenrat hat gestern unter Anwendung des § 88 der Geschäftsordnung, der besagt, daß für einen Gegenstand der Tagesordnung eine Gesamtredezeit festgesetzt werden kann, beschlossen, eine solche festzusetzen. Diese Gesamtredezeit beträgt — wir haben uns gestern um 10 Minuten verrechnet — 130 Minuten und ist wie folgt unterteilt: CDU/ CSU und SPD je 30 Minuten, FDP 15 Minuten, Bayernpartei, WAV, KPD, Zentrum je 10 Minuten, Nationale Rechte 5 Minuten. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit diesem Vorschlag des Ältestenrates feststellen?
— Wer für die Regelung ist, wie sie der Ältestenrat Ihnen vorschlägt, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Nur für diesen Fall! — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist gegen wenige Stimmen mit eindeutiger Mehrheit beschlossen.
— DP natürlich auch 10 Minuten; ich bitte um Entschuldigung.
Ich erteile nunmehr für die Einbringung der Vorlage dem Herrn Bundesfinanzminister das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung legt .dem Hohen Hause mit Zustimmung des Bundesrats einen Gesetzentwurf zur Änderung der Einkommensteuer vor. Ich habe vor wenigen Tagen im Haushaltsausschuß aus einem besonderen Anlaß Gelegenheit nehmen müssen, Bemerkungen über die allgemeine finanzielle Lage des Bundes und der Länder zu machen, und bin dort gebeten worden, in der heutigen Aussprache gleichzeitig ein allgemeines Bild über die Finanz- und Wirtschaftslage des Bundes und der Länder zu geben. Dieser Gesetzentwurf gibt Anlaß zu einem solchen allgemeinen Bild.
Der Gesetzentwurf enthält eine starke Senkung der Einkommensteuertarife und eine starke Erweiterung all der Bestimmungen, die als Steuerbegünstigungen das Ziel haben, den Sparwillen und die Kapitalbildung der deutschen Volkswirtschaft zu stärken. Der Gesetzentwurf bezieht sich, was ich betonen möchte, auf eine Steuer, deren Erträgnis den Ländern zukommt. Es ist deshalb doppelt beachtenswert, daß der Bundesrat als Vertretung der Länder dem Gesetzentwurf einhellig zugestimmt hat. Die Abänderungsanträge, die im Bundesrat gestellt worden sind und denen die Bundesregierung grundsätzlich nicht widerspricht, unterstreichen nur noch die in dem Gesetzentwurf an sich schon gegebene Tendenz, das Verwaltungsverfahren der Steuergesetzgebung möglichst zu vereinfachen und die überlastete Verwaltung zu entlasten. Die deutschen Länder sind sich vollkommen bewußt, daß rein rechnerisch der Gesetzentwurf einen Steuerausfall zur Folge haben müßte, und zwar einen solchen von sehr beträchtlicher Höhe. Sie hoffen zusammen mit dem Bundesfinanzminister und der Bundesregierung, daß die endgültige Wirkung des Gesetzentwurfes sein wird, daß die gewährten Steuererleichterungen die Steuermoral und die Leistungsfähigkeit des deutschen Steuerzahlers heben, so daß nach einer Überangszeit mit dem alten und vielleicht sogar mit einem höheren Aufkommen gerechnet werden kann. Sie sind sich aber bewußt, daß dieser Erfolg nur dann erreicht werden kann, wenn der Gesetzentwurf in diesem Hohen Hause nicht eine Änderung in dem Sinne erfährt, daß die wirtschaftspolitische Absicht des Gesetzentwurfs nicht mehr erreicht werden könnte. Die deutschen Länder haben im Bundesrat zum Ausdruck gebracht, daß ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf davon abhängig ist, daß diese wirtschaftspolitische Absicht des Gesetzentwurfs erhalten bleibt, und nur so lange und nur unter dieser Voraussetzung solle ihre Zustimmung als gegeben betrachtet werden.
Ich möchte ausdrücklich betonen, daß Bundesregierung und Länderregierungen, die Finanzminister der Länder und der Finanzminister des Bundes in der wirtschaftspolitischen Absicht des Gesetzentwurfes völlig einig sind, und ich möchte dazu noch vorausschicken: Der Gesetzentwurf wird nicht vorgelegt, weil die Finanzminister der Meinung seien, die Finanzverhältnisse seien so günstig, daß wir uns eine Steuersenkung erlauben könnten; im Gegenteil: der Gesetzentwurf wird vorgelegt, weil der Finanzminister des Bundes und die Finanzminister der Länder der Überzeugung sind: unsere Finanzlage ist so ernst, daß mit der bisherigen Finanzpolitik eine Wende gemacht werden muß und daß wir auch finanzpolitisch neue Wege gehen müssen. Der Gesetzentwurf ist geboren aus der schwersten Sorge über unsere Finanzlage; er ist aber auch geboren aus der Erkenntnis, daß die sozialpolitischen Aufgaben, vor denen wir stehen, nicht erfüllt werden können, wenn nicht die Grundlage der Sozialpolitik, eine gesunde Wirtschaft, gegeben ist. Er ist geboren aus der Überzeugung, daß diese gesunde Wirtschaft nicht vorhanden sein kann, wenn eine falsche, in veralteten Gleisen laufende Finanzpolitik der Wirtschaft die Kraft nimmt, um die Aufgaben, die ihr im deutschen Volk gestellt sind, zu erfüllen.
Dieser Gesetzentwurf ist aus der Erkenntnis geboren, daß die Grundlage aller Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik der einfache Mann im Volk ist — ich sage: der unbekannte Steuerzahler — und daß wir vor der Gefahr stehen, daß dieser unbekannte Steuerzahler als Grundlage unserer Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, moralisch und leistungsfähig betrachtet, im Zusammenbrechen begriffen ist.
Um das zu begründen, lassen Sie mich zunächst den vom Haushaltsausschuß gewünschten Überblick über die gesamte Finanz- und Wirtschaftslage des deutschen Volkes geben. Ich tue das zunächst an Hand eines Vergleichs zwischen den tatsächlichen Haushaltsausgaben und -einnahmen im Bund und in den Ländern aus dem Rechnungsjahr 1948 und für das Rechnungsjahr 1949/1950.
Ich darf vorausschicken: die Haushalte von Bund und Ländern sind nicht nur im Rechnungsjahr 1949/50 insofern eine innere Einheit, als ja die Bundessteuern in diesem Haushaltsjahr noch von den Ländern eingenommen werden und der Bund in derselben Zeit auch die Kriegsfolgelasten noch trägt, was zur Folge hat, daß der gesamte Überschuß der Ausgaben im Bund über die Einnahmen von den Haushalten der Länder getragen werden muß; diese innere Einheit gilt auch für die folgenden Jahre. Auch in den folgenden Jahren ist nach Artikel 106 des Grundgesetzes der Bund berechtigt und gezwungen, seine Fehlbeträge, seine Ausgabenüberschüsse aus den Länderhaushalten, also durch Eingriff in Ländersteuern zu decken, und infolgedessen bleibt die innere Einheit im Haushalt zwischen Bund und Ländern.
Das Rückgriffsrecht des Bundes ist rein theoretisch, wenn die Haushaltspläne der Länder nicht gesund sind, und die Länderhaushalte können nicht gesund sein, wenn der Bund nicht eine gesunde, starke Finanzpolitik treibt, um unnötige Belastungen der Haushaltspläne der Länder zu vermeiden. Also diese innere Einheit wird so lange gegeben sein, wie das Grundgesetz bei uns besteht.
Wenn ich nun von diesem Gesichtspunkt aus die tatsächlichen Haushaltseinnahmen und -ausgaben des gesamten Bundesgebiets im Jahre 1948/49 vergleiche und ihnen gegenüberstelle die zu erwartenden Ausgaben und die Steigerungen der Ausgaben, die in diesem Haushaltsjahr eingetreten sind, so ergibt sich folgendes Bild. Im Rechnungsjahre 1948 mußten im Bundesgebiet — ich rechne die neun Monate dieses Rechnungsjahres auf einen Zwölfmonatsabschluß um, um vergleichbare Zahlen zu erhalten — an Besatzungskosten ausgegeben werden 4683 Millionen.
Es wird gerechnet, daß der Anfall im laufenden
Jahre sich um 183 Millionen auf 4500 Millionen
senkt. An sonstigen Kriegslasten, insbesondere
Fürsorge für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene, sind im Rechnungsjahr 1948 angefallen
2329 Millionen Mark. Im Rechunngsjahre 1949/50
wird gerechnet mit einem Anfall von 3060 Millionen Mark. Diese beiden Posten aus Kriegslasten, also Besatzungskosten und Ausgaben für Kriegsbeschädigte zusammen, bedeuten demnach im Rechnungsjahr 1948/49 eine Ausgabe von 7012 Millionen D-Mark und sind in einem Jahr um 548 Millionen auf 7560 Millionen gestiegen.
Die Zuschüsse zur Arbeitslosenversicherung sind im Rechnungsjahr 1948/49 eingesetzt mit 112 Millionen D-Mark; sie werden für das Rechnungsjahr 1949/50 geschätzt mit 625 Millionen D-Mark. Wir haben also bei diesem einen Posten eine Steigerung in einem Jahr von 513 Millionen D-Mark.
Die Zuschüsse zu den Sozialversicherungsanstalten sind im Rechnungsjahr 1948/49 angefallen mit 533 Millionen D-Mark, werden für das Jahr 1949/50 geschätzt mit 600 Millionen D-Mark, also auch hier eine Steigerung um rund 70 Millionen D-Mark.
Die gesamten Kriegsfolge- und Soziallasten sind also zusammen gestiegen von 7657 Millionen D-Mark im Kalenderjahr 1948/49 auf 8785 Millionen D-Mark, also um 1128 Millionen D-Mark.
Zu diesen Aufwendungen muß ich auch noch die Aufwendungen rechnen, die zur Verbilligung der Lebenshaltung, zur Verbilligung insbesondere der eingeführten Lebensmittel ausgegeben werden, die ich nur mit der Zahl des letzten Halbjahres 1949/50 einsetze, mit dem Betrag von 350 Millionen, so daß wir insgesamt auf dieser Seite des Haushaltes eine Ausgabe von 9135 Millionen D-Mark haben, mithin eine Steigerung in einem Jahr für diese konsumtiven Ausgaben um 1478 Millionen, also rund anderthalb Milliarden Mark!
Dieser einen Seite des Haushalts stelle ich die Ausgaben auf der anderen Seite des Haushalts gegenüber, also alle die Ausgaben, die die eigentlichen Staatsaufgaben betreffen, zum Beispiel innerhalb des Bereiches der Länder die Finanzausgleichszahlungen an die Gemeinden, damit diese ihre kulturellen und sonstigen Aufgaben erfüllen können, Ausgaben auch für Schuldendienst, für sogenannte Ausgleichsforderungen, persönliche Ausgaben für Beamte, Angestellte und Ruhegehaltsempfänger, die gesamten Verwaltungsausgaben, alle Ausgaben für Investierungen, sämtliche Wohnungsbauten, alle Ausgaben für Brükken, Straßen und so fort und die Aufwendungen für kulturelle Zwecke. Im Rechnungsjahr 1948/49 haben die Ausgaben für diese Zwecke im deutschen Bundesgebiet 8072 Millionen D-Mark betragen. Im Rechnungsjahr 1949/50 betragen sie 7777 Millionen D-Mark; hier also ergibt sich eine Minderum um 295, rund gerechnet also um 300 Millionen D-Mark.
Bei einer Gegenüberstellung der Gesamtzahlen ergibt sich: wir haben an Ausgaben für konsumtive Zwecke im letzten Haushaltsjahr 1949/50 9135 Millionen, für eigentliche Staatsaufgaben 7777 Millionen zu verzeichnen, der erste Posten 54 Prozent, der zweite Posten 46 Prozent; aber das besondere Kennzeichen, daß die konsumtiven Ausgaben seit Jahren eine ständig steigende Tendenz aufzuweisen haben, eine Steigerung, die sich in diesem Jahre mit eineinhalb Milliarden beziffern läßt, und bei den Ausgaben für den eigentlichen Staatsaufwand eine ständig sinkende Tendenz, ein Absinken in diesem Jahre um 300 Millionen.
Um Ihnen nun die Schwierigkeiten der Finanzminister zu zeigen, noch eine Ziffer. Diese Gesamtausgaben betragen 16 912 Millionen D-Mark, als 16,9 Milliarden. Diesen 16,9 Milliarden stehen gegenüber an Einnahmen im Rechnungsjahr 194849 16 Milliarden, im Rechnungsjahr 1949/50 16 916 Millionen D-Mark. Bei einer Etatsumme von fast 17 Milliarden D-Mark ergibt sich im Durchschnitt von Bund und Ländern ein Überschuß, in dem sich die Finanzminister bewegen können, von ganzen 4 Millionen D-Mark!
Damit ist eines gekennzeichnet: daß Bund und Länder heute an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben stehen. Sie sehen sich ständig wachsenden Sozialausgaben gegenüber, müssen Jahr für Jahr für die eigentlichen staatlichen Aufgaben, kulturelle Aufwendungen und Förderung des Wirtschaftslebens ihre Ausgaben einschränken und — und hier liegt die Entscheidung — müssen gleichzeitig erkennen, daß der Steuerzahler nicht mehr weiter belastet werden kann, daß dieser Steuerzahler bereits überbelastet ist. Denn in den Ziffern, die ich Ihnen genannt habe, ist die neue Soforthilfe-Abgabe, die auch Milliardenbeträge umfaßt, noch nicht enthalten.
Wenn ich die gesamten öffentlichen Lasten, die Berliner Nothilfe, die Soforthilfe-Abgabe und die Beiträge zur Sozialversicherung, also alles, was öffentliche Abgaben sind, zusammenrechne, ergibt sich die heutige Belastung des deutschen Steuerzahlers mit. jährich 25 Milliarden D-Mark.
Nun ein Wort über die Bedeutung dieser Ziffern. Die Steuer- und Sozialbelastung im Bundesgebiet hat sich gegenüber dem Jahre 1913/14, absolute Ziffern genommen, verneunfacht. Sie ist gegenüber dem Jahr 1936/37 um 115 Prozent gestiegen, obwohl das Jahr 1936/37 bereits das Jahr der Hitlerschen Wirtschaftspolitik, der Scheinblüte und Aufblähung des Wirtschaftslebens und der Aufrüstung gewesen ist. Entscheidend ist aber bei dieser Steigerung der Anteil dieser gesamten öffentlichen Abgaben am Volkseinkommen. Der Anteil der Steuern und Soziallasten am Volkseinkommen war 1913/14 11 Prozent, im Jahr 1936/37 32,5 Prozent. Heute beträgt der Anteil an Steuern und öffentlichen Abgaben, gerechnet zum Volkseinkommen, 43 Prozent!
Wir haben also eine ständige Steigerung dieses prozentualen Anteils, der sich gegenüber der Zeit vor dem ersten Weltkrieg fast vervierfacht und gegenüber der Zeit 1936/37 eine Steigerung erfahren hat, die so groß ist wie die Gesamtbelastung im Jahre 1913/14 überhaupt.
Das, meine Damen und Herren, ist der Zustand!
Und nun lassen Sie mich über das Ziel sprechen, das eine deutsche Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik heute verfolgen muß. Ich gehe dabei von der äußeren Zahlungsbilanz des Bundesgebietes im Jahre 1949/50 aus. Dieses Bild gibt einen Querschnitt dessen, was heute an Aufgaben vor der deutschen Wirtschaft steht. Im deutschen Bundesgebiet sind aufzuwenden gewesen zur Deckung der industriellen Einfuhr 1107,6 Millionen Dollar, für landwirtschaftliche Einfuhr 907,4 Millionen Dollar, für unsichtbare Einfuhr 258 Millionen Dollar, insgesamt belief sich der Einfuhrbedarf auf 2273 Millionen Dollar. Einnahmen an Ausfuhren in dieser Zahlungsbilanz wurden erzielt: für Warenausfuhr 1272 Millionen Dollar, für unsichtbare Ausfuhren. 141 Millionen Dollar, insgesamt 1413 Millionen Dollar; also eine Lücke zwischen Einnahmen an Ausfuhr und Ausgaben für Einfuhr
A) in Höhe von 859 Millionen Dollar oder, nun in D-Mark umgerechnet, von 3500 Millionen D-Mark. Diese Lücke ist bisher gedeckt durch die Hilfe, die das deutsche Volk, wie Gesamt-Westeuropa, aus dem Marshallplan und den ERP-Mitteln erhält. Die erste Phase des Marshallplans und des ERP-Plans ist gewesen, den wirtschaftlichen Zusammenbruch und die Verelendung der im zweiten Weltkrieg verarmten Länder zu verhindern. Die zweite Phase des Marshallplans und des ERP-Plans ist der Wille, den die Vereinigten Staaten immer aussprechen und den auch wir begrüßen müssen, die europäischen Völker so gesund zu machen, daß sie ihren Export steigern können, ihre Wirtschaft aufbauen können und so stark werden, daß sie in der Lage sind, ihr Brot mit eigner Arbeit zu verdienen.
Das heißt also, daß die zweite Phase das Ziel hat, die Produktivkraft der einzelnen Völker zu stärken. Wir wissen, daß Marshallplan und ERP-Plan überhaupt nur bis zum Jahre 1952 dauern und daß das Ziel im Jahre 1952 e r r eicht sein muß. Wir wissen, daß, um dieses Ziel zu erreichen, wohl die gesamte deutsche Kraft eingesetzt werden muß.
Die Betrachtung über den Haushaltsplan und die Ziffern, die ich Ihnen vorhin gegeben habe, gaben Ihnen den Zustand; die Betrachtung der äußeren Zahlungsbilanz gibt Ihnen das Ziel.
Nun ein. Überblick darüber, wie sich voraussichtlich der Bundeshaushaltsplan 1950/51 gestalten wird.
Nach Artikel 120 des Grundgesetzes müssen mit
Beginn des neuen Rechnungsjahres die Kriegsfolgelasten vom Bunde übernommen werden. Auf den Bund gehen die ihm nach dem Grundgesetz zustehenden Steuern über.
Die Einnahmen, die auf ihn übergehen, sind in folgendem ganz roh und unwirklich geschätzt. Sie sind nach dem wirklichen Aufkommen der letzten Monate und unter der Voraussetzung geschätzt, daß die an sich günstige Entwicklung der steuerlichen Einnahmen in den letzten Monaten fortdauert.
Es wären zu rechnen: für Umsatzsteuer mit einer Einnahme von 4250 Millionen, Beförderungssteuer 260 Millionen, Zölle einschließlich der in den letzten Tagen erhöhten Treibstoffzölle 600 Millionen, Tabaksteuer mit 2000 Millionen, Kaffeesteuer 280 Millionen, Zuckersteuer 360 Millionen, Spiritusmonopol 450 Millionen, sonstige Verbrauchsabgaben 200 Millionen, zusammen 8500 Millionen. Das Berlin-Notopfer mit 250 Millionen noch dazu gerechnet ergibt zu erwartende Einkünfte von 8750 Millionen D-Mark.
Dem stehen gegenüber allein an Forderungen, die als Kriegs- und Kriegsfolgelasten an den Bund voraussichtlich gestellt werden — die ebenfalls nach den Anfällen geschätzt sind, die sich in den letzten Monaten bei Bund und Ländern gezeigt haben, ohne Rücksicht auf die in diesen Ausgaben steckende innere Tendenz der weiteren Steigerung —: Besatzungskosten 4500 Millionen, Versorgung der Kriegsopfer 3178 Millionen, Zuschüsse zur Sozialversicherung 826 Millionen, Zuschüsse zur Arbeitslosenfürsorge 1009 Millionen, besondere Leistungen in der Fürsorge für Heimatvertriebene, für verdrängte Ruhegehaltsempfänger, für verdrängte Beamte, ehemalige Wehrmachtangehörige 805 Millionen, das sind zusammen 10 318 Millionen D-Mark. Darin ist kein Pfennig für die Berlin-Hilfe enthalten, wo wir doch auch mit einem Anfall von mehreren Hundert Millionen D-Mark zu rechnen haben. Es ist nichts darin für etwaige Leistungen für den Lastenausgleich enthalten, nichts für die reinen Verwaltungsausgaben im Bund, obwohl der Bund zum Beispiel die gesamte Zollverwaltung zum 1. April 1950 zu übernehmen hat.
Sie können sich also vorstellen und mir glauben, daß der Finanzminister des Bundes und die Bundesregierung dem neuen Haushaltsjahr mit ernster Sorge entgegensieht. Die Bundesregierung weiß, daß sie einen schweren Weg zu gehen hat. Sie weiß auch, daß sie diesen Weg gehen muß, ohne den Glauben an die Ehrlichkeit des deutschen Geldes zu gefährden. Die Bundesregierung wird diesen Weg gehen, ohne eine Maßnahme zu ergreifen, die das deutsche Volk, das bereits zweimal seine Spargroschen völlig verloren hat, in den Abgrund der Inflation stürzen könnte. Aber auch das Ausland muß nicht nur an die Ehrlichkeit des deutschen Kaufmanns, sondern auch an die Ehrlichkeit des deutschen Geldes glauben, wenn die Verbindung mit dem Ausland aufrechterhalten werden soll.
Die Bundesregierung weiß aber ebensogut, daß sie diesen Weg gehen muß, ohne in den Abgrund der Deflation zu stürzen. Vor uns steht die Erinnerung an. eine Zeit, aus der heraus Hitler und seine Bewegung geboren worden sind, die Zeit der Deflation oder — deutsch gesagt, das ist das gleiche — der Arbeitslosigkeit. Wir müssen alles tun, um das Wirtschaftsleben des deutschen Volkes gesund zu halten. Wir müssen dafür sorgen, daß die Fabriken laufen und daß der deutsche Arbeiter seinen Arbeitsplatz erhält und an diesem Arbeitsplatz den gerechten Lohn.
Das sind die Abgründe rechts und links! Der Felsgrat, der zwischen diesen beiden Abgründen geht, ist schmal, und es bedarf der Ruhe und der Sicherheit, diesen Felsgrat zu gehen. Ich glaube Ihnen aber aus ehrlicher Überzeugung sagen zu dürfen: Die Bundesregierung geht diesen schmalen Pfad mit voller Ruhe und Zuversicht. Ich habe in den Ziffern des Haushaltsplans nichts davon erwähnt, welche Beträge zum Beispiel für den Wohnungsbau oder für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zur Verfügung stehen. Aber ich kann Ihnen heute sagen: die Mittel, die für diesen Zweck benötigt werden, die Mittel, die benötigt werden, um Hunderttausende von Arbeitern in Brot zu setzen und das ganze Wirtschaftsleben durch dieses Schlüsselgebiet laufen zu lassen, sind heute bereits gesichert.
In unserem Wirtschaftsleben greift Rad in Rad, und wenn auch alles vielleicht nach einem Gedanken geschieht: Rad für Rad muß bewegt werden. Die Bundesregierung hat das Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten getroffen. Der Bundesminister der Finanzen hat seine Sorgen überwunden und kann Ihnen heute mit ehrlichem Gewissen sagen: er konnte seine Zustimmung zur Übernahme der Verpflichtung aus diesem Vertrage mit freiem Gewissen geben.
Dieser Plan ist die eine Möglichkeit, die sich uns bietet. Die andere Möglichkeit werden Sie erfah-
ren; sie wird in kurzer Zeit in Form eines Gesetzentwurfs vor Ihnen liegen. Es gibt Wege, um Mittel zu gewinnen, weder zu Lasten des Steuerzahlers noch mit Gefährdung der Währung. Wenn Kolumbus das Ei gestellt hat, dann findet hernach jeder die Sache sehr einfach. Ich bin auch der Überzeugung, daß die Bundesregierung in der Lage sein wird — unterstützt mit den Mitteln, die das wirtschaftliche Abkommen mit den Vereinigten Staaten uns gibt —, alle die Investitionen zur Verfügung zu stellen und zu gewährleisten, die für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit notwendig sind. Ich bin überzeugt, daß die Bundesregierung in der Lage ist, den sozialen Aufgaben gerecht zu werden, die in diesem Jahre an sie herantreten.
Aber in diesem Zusammenhange ein ernstes Wort. Um große Mittel für große Aufgaben zur Verfügung zu haben, müssen wir im Kleinen getreu und sparsam sein.
Wir sind viel zu arm, als daß wir Interessentenkreisen politische Geschenke machen könnten. Wir sind reich genug und müssen uns reich genug fühlen, um alle die Mittel zu haben, die notwendig sind, um eine wirkliche Not im Volke zu bekämpfen.
Wenn wir aber diesen Weg gehen wollen, dann müssen Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat sich als eine Einheit fühlen. Daß bei diesem Gesetzentwurf, der ganz zu Kosten der Länder gegangen ist, die sämtlichen Länderfinanzminister, ungeachtet ihrer Partei, eine Einheit gebildet, eine einheitliche Überzeugung gezeigt und in dieser einheitlichen Überzeugung dem Gesetzentwurf zugestimmt haben und ihn tragen, ist der Beweis, daß ein solches Gemeinschaftsgefühl möglich ist.
Wenn ich so ernst zu Ihnen über die gesamte wirtschaftliche Situation gesprochen habe, dann tue ich das in dem Gefühl, daß wir alle hier in diesem Hohen Hause letzten Endes nicht Vertreter von Interessenten sind, sondern alle Söhne und Töchter des gemeinsamen deutschen Volkes, für das wir leben.
Die Finanzminister der Länder haben diese Einheit gebildet, weil sie wissen, daß der vorliegende Gesetzentwurf nur ein Stück aus einer gemeinsamen Überzeugung ist, und zwar ein untrennbares Stück. Wir können Finanzpolitik in einer neuen Zeit, die neue Aufgaben an uns stellt, nicht mit den alten Methoden und mit den alten Formeln einer alten Zeit führen. Was in der Zeit unserer Großväter richtig gewesen ist, braucht heute nicht mehr richtig zu sein. „Aus Vernunft wird Unsinn und aus Wohltat Plage!" Die Zeiten, in denen wirtschaftliche Schwierigkeiten dadurch überwunden werden konnten, daß man die Steuerschraube etwas anzog, sind endgültig vorbei; diese Zeiten sind deswegen vorbei, weil wir die Kuh so stark gemolken haben, daß schon Blut kommt, weil der Steuerzahler überlastet ist. Ich kann deswegen die Tatsache gar nicht genug unterstreichen, daß gerade die Länder, denen wir Einnahmen durch Bundesgesetz sozusagen wegnehmen, in ihrer Überzeugung vollkommen einig gewesen sind.
Das Wesentliche des Steuergesetzentwurfes, der Ihnen vorliegt, ist ja eine Senkung der Tarife, die beträchtlich ist, die bis zu 27 Prozent der alten Tarife geht, und sind Steuervergünstigungen, die, vermehrt um eine, die Ihnen im Laufe der Beratungen noch vorgeschlagen werden wird, noch ganz beträchtliche Steuerausfälle werden erwarten lassen. Der Steuerzahler ist sehr häufig der Unorganisierte und der Unbekannte; der Steuerzahler gerät bei uns vielleicht in Gefahr, etwas vergessen zu werden und nicht die Vertretung zu finden, die manche Interessentenverbände im deutschen Volk und in der deutschen Politik finden. So besteht vielleicht die Gefahr, daß manchmal unter dem Einfluß von Organisationen und Funktionären Ausgaben zu Lasten des unbekannten Steuerzahlers bewilligt werden, der nicht vertreten ist.
Deshalb bitte ein Wort über die Entwicklung unserer Steuerpolitik in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Ich habe schon betont, daß der Anteil der öffentlichen Abgaben und Steuern am Volkseinkommen seit dem Jahre 1913/1914 von 11 auf 43 Prozent gestiegen ist. Aber das Wesentliche, was dazu kommt, und die Erkenntnis, aus der dieser Steuergesetzentwurf und sein Tarif geboren worden ist, beruht auf der inneren Verschiebung, die in der Steuerlast erfolgt ist.
Durch eine Politik, die vielleicht in der besten Absicht begonnen hat, aber dann allzu schematisch und allzulange fortgesetzt worden ist, durch die Politik, in den Steuern die schwachen Schultern, wie man sagte, zu entlasten und die starken Schultern zu belasten, hat sich folgendes ergeben. Der Anteil der Massenbesteuerung, also Zölle und Verbrauchssteuern, ist immer mehr zurückgegangen, selbst heute noch, obwohl wir 1945/46 durch Militärregierungsgesetze diese starken Verbrauchssteuersätze erhalten haben. Der Anteil der Zölle und Verbrauchssteuern an der Gesamtsteuerlast betrug im Jahre 1935/36 36 Prozent; heute ist er nurmehr 24 Prozent. Der Anteil der Lohnsteuer ist in diesem Zeitraum gleichgeblieben.
Er beträgt 14 Prozent hier und 14,6 Prozent dort. Der Anteil der veranlagten Einkommensteuer weist im Jahre 1935/36 einen Satz von 32 Prozent und heute einen solchen von 44 Prozent am Gesamtaufkommen auf.
Jetzt innerhalb der veranlagten Einkommensteuer einmal ein kleines Bild! Wenn ich die heutige Steuerlast mit der im Jahre 1926 vergleiche, ergibt sich folgendes. Die Einkommenstufen bis zu 3000 Mark haben im Jahre 1926 eine Belastung von 4,2 Prozent des Einkommens, im Jahre 1939 von 6,6 Prozent und am 21. Juni 1948 eine solche von 3,1 Prozent gehabt. Die Einkommenstufen unter 3000 Mark sind heute prozentual weniger belastet, als sie im Jahre 1926 gewesen sind.
Einkommenstufen bis zu 6000 Mark: im Jahre 1926 eine Belastung von 5,6 Prozent, heute eine Belastung von 12,1 Prozent, das Zweieinhalbfache. Einkommen bis zu 9000 Mark: im Jahre 1926 6,1 Prozent, heute 20,4 Prozent, also mehr als das Dreifache. Einkommen von 12 000 Mark: im Jahre 1926 7,1 Prozent, heute 27,8 Prozent, also ungefähr das Vierfache. Einkommen bis zu 24 000 Mark: im Jahre 1926 11,7 Prozent, heute
44,1 Prozent, das Vierfache. So steigt es dann jeweils an bis zu den Steuersätzen von 95 Prozent. Das Bild ist bei der veranlagten Einkommensteuer und bei der Lohnsteuer genau das gleiche. Dabei darf ich betonen, daß von der Zahl der Einkommensteuerzahler mehr als die Hälfte auf Einkommen unter 3000 Mark trifft. Wir haben also folgendes Bild. Die Steuerlast hat sich in diesen Jahren und Jahrzehnten immer mehr von der Massenbesteuerung auf die direkten Einkommensteuern und innerhalb der direkten Einkommensteuer immer von der größeren Zahl auf die kleine Zahl verschoben und hat auf diese kleine Zahl das Drei-, Vier- und Mehrfache der früheren Steuerlast gehäuft. Damit trifft man die Kreise, die für den Sparwillen und die Kapitalbildung in der deutschen Volkswirtschaft nun einmal unentbehrlich sind.
Wir haben das Ziel vor uns: das deutsche Volk wirtschaftlich frei zu machen und ihm. die Kraft zu geben, sein Brot mit eigener Arbeit zu verdienen, die Produktivkraft des deutschen Volkes zu steigern. Wir haben auf der andern Seite ein Steuersystem, das gerade so aufgebaut ist, daß es diese Steigerung der Produktivkraft, daß es das werbende Vermögen in seiner Initiative entweder lähmt oder dieses werbende Vermögen veranlaßt, daß es auf illegale Weise dem Steuerdruck ausweicht, um sich selbst, sagen wir einmal, in seiner wirtschaftlichen Aufgabe zu erhalten. Eines so schlimm wie das andere!
Die Kapitalertragsteuer, die früher einen beträchtlichen Anteil der Steuern ausmachte und 12,5 Prozent des Einkommens umfaßte — 12,5 Prozent des deutschen Einkommens waren also früher reines Kapitaleinkommen —, ist heute nur mehr ein Erinnerungsposten in der deutschen Steuer- und Finanzstatistik!
Wir haben in der letzten Zeit die Soforthilfe, und ich muß sagen: wenn die Soforthilfe aus Einkünften bezahlt würde — und man muß das eigentlich annehmen —, dann ist es rechnerisch ein Wunder; denn die Soforthilfe ist so groß, daß, wenn der einzelne Steuerzahler wirklich sein letztes Einkommen ehrlich fatiert und seine Steuersätze bis zu 95 Prozent bezahlt hat, ihm gar nicht soviel bleiben würde, wie die Soforthilfe bei ihm ausmacht.
Ich brauche Ihnen in diesem Zusammenhange gar nicht zu sagen, wie das Spesenunwesen in unserer Wirtschaft gewachsen ist.
Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß die Zeit einer vernünftigen Wirtschaftsführung, wo jeder einzelne im Wirtschaftsleben danach trachtete, die Spesen und Unkosten seines Betriebes möglichst gering zu halten, um einen Gewinn zu behalten, heute vorbei ist und jeder sich bemüht, Spesen und Unkosten in möglichst großem Maße zu machen, mit der Begründung: 50, 60, 70 und mehr Prozent meiner Spesen zahlt ja das Finanzamt und zahle nicht ich.
Meine Damen und Herren, der Staat kann gegen ein Unwesen kämpfen, wenn es von einem, kleinen und nicht von einem großen Teil der Bevölkerung geübt wird. Wenn ein Unwesen allgemein um sich greift, dann muß der Staat danach suchen,
die, Grundlage, auf der dieses Unwesen gewachsen ist, zu ändern.
Es müssen dann neue Voraussetzungen geschaffen werden.
Aus dieser Erkenntnis ist bei den Finanzministern in den Ländern und beim .Bund die Überzeugung erwachsen, daß eine Änderung unserer Finanzpolitik notwendig ist. Ich betone dabei folgendes. Der Bund und die Länder haben die Gesetzesvorlage in einer bestimmten wirtschaftspolitischen Absicht eingebracht und müssen darum bitten, daß diese wirtschaftspolitische Absicht geachtet wird.
Ich habe zwei Grenzen zu ziehen. Die eine Grenze ist die Rücksicht auf das Ausland und die zweite die Rücksicht darauf, daß das deutsche Volk niemals in den Verdacht kommen darf, daß es steuerpolitische Experimente mache, um sich den Verpflichtungen zu entziehen, die nun einmal einem besiegten Volke auferlegt sind. Ich möchte dazu deswegen noch ein Wort sagen.
Ich habe vorhin von den Belastungen der unteren Einkommenstufen gesprochen und Vergleiche mit dem Jahre 1926 angestellt. Ich mache das Hohe Haus in allem Ernst darauf aufmerksam, daß — rein äußerlich betrachtet! — die Steuerbelastung der Einkommen unter 3000 Mark in Deutschland heute geringer ist als in England unter der Labour Party. Es ist für Deutschland schon wegen des äußeren Eindrucks ganz unmöglich, eine Schichtung der Einkommensteuer zu übernehmen, wonach wir unter den Ziffern eines Siegerlandes stehen. Ich weiß wohl, daß die Verhältnisse in England nicht schematisch mit den unsrigen verglichen werden können.
Man hat in England keine Gewerbe- und keine Vermögensteuer. Man hat in England eine besondere Bevorzugung des sogenannten earning income, das heißt allen Einkommens, das aus Arbeit geschaffen ist, und zwar einen 20prozentigen Abschlag bis zur Einkommenshöhe von 2000 Pfund Sterling pro Jahr. Man hat in England keine Soforthilfeabgabe, hat also alle diese Belastungen nicht mitzurechnen. Man hat in England die Vergünstigung, daß auf fünf Jahre zurück alle Verluste auf das jeweilige Jahreseinkommen angerechnet werden. Ich weiß, daß bei uns auch diese Schichten also sachlich noch stärker belastet sind. Es ist aber — rein äußerlich betrachtet — unmöglich, einen Tarif aufzustellen, der unter dem Tarif eines Siegerstaates liegt. Damit wäre die Gefahr der schematischen Vergleiche und der Angriffe gegenüber dem deutschen Steuersystem gegeben. Aus diesen Gründen muß ich darum bitten, an dem Tarif, der das Kernstück des Gesetzentwurfs ist, festzuhalten. Ich muß Sie dringend bitten, die Gedankengänge, die in dem Antrag des Zentrums enthalten sind, abzulehnen und sich ihnen zu verschließen; sonst würde die wirtschaftspolitische Absicht des Gesetzentwurfs völlig verändert, und es wäre auch außenpolitisch eine volle Unmöglichkeit, wie es das nach innen betrachtet wirtschaftspolitisch wäre.
Weiterhin darf ich folgendes sagen. Wenn das Ausland einwendet, wir würden eine Steuersenkung vornehmen, urn uns Verpflichtungen zu entziehen, so kann ich nur darauf verweisen, daß — von den unteren Einkommen abgesehen — alle
mittleren und höheren Einkommen — auch im Vergleich zu England — heute noch stark überlastet sind
und daß das selbstverständlich auch im Vergleich mit allen Siegerstaaten gilt, daß die Einkommensteuerbelastung des deutschen Volkes als solches nach wie vor die höchste und größte in der ganzen Welt bleibt.
Zur anderen Grenze möchte ich feststellen: Wenn etwa gesagt wurde, daß die Finanzminister die Steuersenkung vornehmen, um sich gewissen sozialen Verpflichtungen zu entziehen, so müßte ich erwidern, daß ein solcher Vorwurf äußerst töricht wäre; denn gesenkt wird eine Steuer, deren Erträgnisse den Ländern zufließen, aber die großen sozialen Aufgaben und Verpflichtungen gehen vom 1. April 1950 ab auf den Bund, auf einen völlig andern Steuerträger über. Die Einnahmekürzung bei den Ländern und die finanzielle Enge der Länder ist eine Gefährdung des kulturellen Lebens der Länder. Der Bund, der seine sozialen Aufgaben hat, wird aber durch eine Senkung der Einkommensteuer unmittelbar in Erfüllung seiner sozialen Aufgaben überhaupt nicht berührt.
Nachdem das Ziel des Gesetzentwurfs gleichzeitig darin liegt, daß wir wieder zur Steuerehrlichkeit und damit dazu kommen, daß wir das Aufkommen endgültig nicht schmälern, sondern uns erhalten und künftig vielleicht vermehren, möchte ich doch einen Appell an die deutsche Öffentlichkeit richten. Die deutsche Öffentlichkeit muß wissen: wenn die Finanzminister im Bund und in den Ländern sich gegen den Gedanken einer Steueramnestie gewandt haben, so wollten sie damit ausdrücklich bekunden, daß dann, wenn dieser Entwurf Gesetz geworden ist und damit gesagt werden kann, daß der Steuerzahler in der Lage ist, seine Pflichten gegenüber dem Staat zu erfüllen, auch von den Finanzministern im Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit darauf gedrungen werden muß, daß die Überwachung der Steuerzahler mit der äußersten Energie und Strenge erfolgt, daß der Kampf gegen das Spesenunwesen und gegen künstliche Betriebsunkosten, also Unkosten, die in Wahrheit keine sind, mit aller Entschiedenheit aufgenommen wird. Wenn der Staat die Steuern senkt, so tut er es im Vertrauen darauf, daß der Großteil der Bevölkerung steuerehrlich sein will. Ich bitte alle Verbände in der Wirtschaft, diesen Gedanken zu bestärken, damit es dem Staat, wenn er gegen die Steuerunehrlichen kämpft, möglich ist zu sagen: er kämpft mit aller Energie, aber gegen einen kleinen Kreis der Bevölkerung.
Was nun die Einzelheiten des Gesetzentwurfs betrifft, so kann ich mich hier relativ kurz fassen. Die Neufassung des § 3 des Einkommensteuergesetzes enthält wenig sachliche Änderungen, sondern nur eine Anpassung an die bisher recht komplizierten und unklaren Bestimmungen über die Einkommensteuerfreiheit an die jetzige Rechtslage.
Die Bestimmungen des § 10 des Einkommensteuergesetzes waren bisher schon sehr kompliziert und haben sehr viel Verwaltungsarbeit verursacht. Sie werden in einem wesentlichen Punkt geändert. Die Bestimmung des § 10 Ziffer 2 f, wonach Heimatvertriebene, Kriegsgeschädigte und so fort Beschaffungen für Hausrat als Sonderausgaben melden kannten, hat zu sehr viel Verwaltungsarbeit und — ich muß es leider sagen —
auch zu sehr viel notwendigem Kampf gegen Mißbrauch dieser Bestimmung geführt,
ist auch nicht dem großen Teil zugute gekommen, sondern der besser bemittelten Schicht, die wirklich in der Lage war, größere Anschaffungen für Hausratshilfe zu machen, während die große Masse derer, deren Arbeitseinkommen kaum dazu ausgereicht hat, um das tägliche Leben zu bestreiten, von dieser Bestimmung keinen Gebrauch machen konnte. Deshalb wird vorgeschlagen, einen allgemeinen Freibetrag für alle Angehörigen dieser Bevölkerungskreise im Betrag von 480, 600 und 720 DM jährlich zu geben. Ich, möchte vor einem warnen: ich möchte davor warnen, daß man glaubt, beides nehmen zu können. Bei d es zu nehmen ist unmöglich. Der Ausfall an den Freibeträgen wird bedeutend größer sein als das, was die Bestimmung von § 10 Ziffer 2 f bisher gekostet hat, weil die Freibeträge ja einem zahlenmäßig viel größeren Kreis zukommen werden. Die Freibeträge neben der alten Belastung zu nehmen, also eine starke Vermehrung für konsumtive Zwecke zuzulassen, würde im Bundesrat und bei den Ländern berechtigten Widerspruch erregen und unter Umständen den Gesetzentwurf gefährden können.
Ich muß weiterhin sagen, daß die Bestimmung des § 10, die eine Begünstigung des nichtentnommenen Gewinns enthält und die mit § 32 a im Zusammenhang steht, das Bestreben hat, die Kapitalbildung in der deutschen Wirtschaft und auch die Selbstfinanzierung der Betriebe zu ermöglichen. Die letztere war in den bisherigen Bestimmungen, § 32 a, ausgeschlossen und hat vielleicht dazu geführt, daß von dieser Bestimmung bisher verhältnismäßig wenig Gebrauch gemacht worden ist. Ich hoffe, daß künftig von diesen Bestimmungen mehr Gebrauch gemacht wird, und sage: ich „hoffe", weil ich es als volkswirtschaftlich notwendiges Ziel betrachte, das Geld weniger in den Verbrauch — der Gewinn muß ja liegen bleiben — zu lenken als vielmehr in den Ausbau der Kraft des deutschen Wirtschaftslebens, in den. Ausbau der Betriebe, in die Schaffung von Arbeitsplätzen.
Ich möchte aber auf einen Gesichtspunkt hinweisen. Das Steuerrecht steht unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit und der Gleichmäßigkeit. Die Bestimmungen des § 10 und des § 32 a kommen nur einem Bevölkerungskreis zugute, der nicht nur voll im Wettbewerbsleben steht, sondern der auch für sich ungeachtet der Umstände, unter denen er entstanden ist, oder der Schuldenlast, die er hat, noch einen beträchtlichen Gewinn haben muß; sonst sind ja die Bestimmungen für ihn gegenstandslos. Für Betriebe, die im Wettbewerbsleben stehen und mit Gewinn arbeiten, kann eine ungleichmäßige steuerliche Behandlung nicht zugelassen werden. Sonst würde das Steuergesetz in die Gerechtigkeit des Wettbewerbs- und Wirtschaftslebens eingreifen,
und das Steuergesetz würde ein politisches Kampfmittel wirtschaftlicher Gruppen untereinander sein. Ich möchte deshalb bitten, von allen Gedankengängen, die etwa die Berücksichtigung des nichtentnommenen Gewinns für eine Bevölkerungsschicht anders berechnen wollen als für eine andere, abzusehen.
Zu den Steuerbegünstigungen, die bisher schon vorgesehen sind, wird im Laufe der Beratungen
noch eine wesentlich neue kommen, nämlich der Ausbau der Steuerbegünstigung des § 7 c des Einkommensteuergesetzes. Diese Bestimmung sieht vor, daß Sparkapital, das für Wohnungsbau verwendet wird, eine besondere Begünstigung erfährt. Diese Bestimmung wird mit Zustimmung der Länder, die in der Zwischenzeit eingeholt worden ist, von dem Kreis, den sie jetzt trifft, also von dem Kreis der buchführenden Gewerbetreibenden, auf die Allgemeinheit der Steuerzahler ausgedehnt werden.
Dieser Bestimmung wird deshalb ein viel weiterer Wirkungsraum als bisher gegeben werden können.
Die letzte Bestimmung, über die ich reden möchte, ist die Begünstigung für den beschränkt Steuerpflichtigen, also für die Ausländer, die in Deutschland Liegendes arbeitendes Vermögen haben. Sie werden da, wo es vertretbar ist, von den Beschränkungen, die bisher die Steuergesetzgebung gekannt hat, befreit, um dem Ausland zu beweisen, daß die deutsche Wirtschaft die Gesetzgebung nicht benützt, um etwa das Ausland im deutschen Wirtschaftsleben zu benachteiligen, sondern daß wir mit der Welt in einem offenen, freien Wettbewerb stehen und das in Deutschland liegende fremde Vermögen als Faktor unseres Wirtschaftslebens auf das wärmste begrüßen und behandeln wollen.
Manchmal wird noch die Frage nach der großen Steuerreform gestellt, wobei man wohl an Betriebssteuer und dergleichen denkt. Hierzu nur eine Bemerkung. Ich kann eine große Steuerreform, eine Reform, die von dem letzten Beamten der Finanzverwaltung ein völliges Umdenken in ein neues System bedeutet, in einer Zeit machen, in der das Wirtschafts- und Finanzleben ruhig ist und die Finanzverwaltungen nicht überlastet sind. In einer Zeit, in der ich leider Gottes gezwungen bin, Monat Monat mit Gesetzentwürfen finanzieller Art an dieses Hohe Haus heranzutreten, in der unsere ganze Organisation neu aufgebaut werden muß, in der die haushaltsrechtlichen Grundlagen in Bund und Ländern völlig neu geschaffen werden müssen, im ersten Jahr einer deutschen Bundesrepublik ist der Zeitpunkt für eine große Steuerreform nicht gegeben. Hier müssen wir uns darauf beschränken — und es ist nicht einmal eine Beschränkung; es bleibt eine unendlich große Aufgabe -, unsere finanz-, wirtschafts- und sozialpolitische Situation zu erkennen und daraus die Schlußfolgerungen für die Umstellung unserer Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik zu ziehen.
Auf dem Gebiet der Finanzpolitik ist dieser Gesetzentwurf der ganz bewußte Schritt, der neuen Zeit mit neuen Gedankengängen entgegenzutreten und den Notwendigkeiten des Tages zu begegnen. Bund und Länder zusammen kennen nur die Aufgabe, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. dazu Kapital zu bilden, den Sparwillen zu wecken und dem Steuerzahler die Möglichkeit zu geben, steuerehrlich zu sein, sowie dem Staat die Zwangsgewalt zu geben, gegen den Steuerunehrlichen vorgehen zu können. Das ist das Ziel, das uns gestellt ist.
Das Gesetz soll am 1. Januar 1950 in Kraft treten. Wir haben heute den 11. Januar. Ich muß deshalb das Hohe Haus dringend bitten, in die Beratungen über diesen Gesetzentwurf möglichst bald einzutreten und diese Beratungen sachlich und zweckentsprechend zu führen. Der
Gesetzentwurf ist nicht geboren aus dem Gedanken, irgendeiner politischen Richtung, irgendeiner Interessenschicht im deutschen Volk zu dienen. Der Gesetzentwurf ist geboren aus einem Gedanken, der, wie ich hoffe, uns allen gemeinsam ist, aus dem Gedanken, das deutsche Wirtschaftsleben gesunden zu lassen, um es sozial leistungsfähig zu machen und um damit dem deutschen Volk zu dienen, das wir alle in gleicher Weise lieben.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers zur Einbringung der Vorlage gehört. Ich eröffne nunmehr die Aussprache der ersten Beratung. Gemäß den gestrigen Abmachungen über die Einteilung der Redezeit richtet sich die Reihenfolge der Debattenredner nach der Fraktionsstärke. Ich erteile zunächst dem Herrn Abgeordneten Neuburger das Wort und erinnere noch einmal an die Einteilung der Redezeit, die ich eingangs bekanntgegeben habe.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch unter dem Eindruck der verantwortungsvollen Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers drängt es mich zunächst, namens meiner Parteifreunde dem Herrn Bundesfinanzminister für seine klaren, ernsten und doch zuversichtlichen Worte zu danken. Gleichzeitig möchte ich dem Wunsch Ausdruck verleihen, daß diese Klarheit und sein Bekenntnis zur Sparsamkeit auch in Zukunft die Parole seines Handelns ist.
Der Herr Bundesfinanzminister hat erklärt, daß diese Gesetzesvorlage eine Wende darstelle, das heißt, daß die Bundesregierung damit den Weg einer neuen Finanzpolitik beschreite. Wir begrüßen diesen Schritt; denn er kommt insoweit zweifellos einer seit Jahr und Tag 'erhobenen Forderung aller Steuerpflichtigen entgegen.
Leider hat die Zeit und hat die Fülle anderer Aufgaben es nur erlaubt, die bestehenden Steuerbestimmungen in gewissem Umfange zu ändern bzw. deren Änderung vorzuschlagen. Es ist also bedauerlicherweise noch das alte Instrument. Wer aber die Größe und den Umfang und die Schwierigkeiten kennt, die die sogenannte große oder organische Steuerreform mit sich bringt, der wird Verständnis Air den von der Regierung eingeschlagenen Notweg haben; denn es gilt jetzt, so schnell wie möglich die gröbsten Härten und die schlimmsten Schäden der bisherigen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes zu beseitigen. Die Steuern müssen endlich ihres geradezu konfiskatorischen Charakters entkleidet werden. Die Steuertarife müssen auf ein solches Maß reduziert werden, daß sie sowohl für den einzelnen wie für die Wirtschaft tragbar und damit für alle Steuerpflichtigen wieder moralisch verpflichtend werden.
Darüber hinaus muß die Bildung von Spar- und Betriebskapital möglich sein; denn ohne Sparund Betriebskapital kann der Wiederaufbau nicht durchgeführt werden. Es muß allgemeiner Grundsatz sein, daß unsere Volkswirtschaft, soll sie in der Lage sein, unser Volk zu ernähren und unser aller Lebensstandard zu bessern, Kapital, Kapital und nochmals Kapital braucht. Auf das Ausland wollen und können wir uns in dieser Beziehung nicht verlassen. Deshalb bleiben als Quellen nur unser eigener Sparwille und unsere
eigene Sparkraft. Damit aber diese Quellen fließen, muß der Staat aufhören, alles über die Steuer abzuschöpfen, so daß selbst beim besten Willen bisher ein Sparen nicht mehr möglich war. Wenn ich heute in der Zeitung das magere Ergebnis der steuerbegünstigten Wiederaufbauanleihe oder der steuerbefreiten Wohnungsbauanleihe lese, so sehe ich darin nicht ein Mißtrauen gegen die Anlage als solche, sondern einen klaren Beweis dafür, daß zum Sparen eben bisher nichts mehr übrigblieb.
Daher begrüßen wir die Gesetzesvorlage. Sie erfüllt wenigstens in etwa die beiden Forderungen, die wir zu stellen haben, einerseits die Forderung nach Steuersenkung und andererseits die Forderung nach Begünstigung der Kapitalbildung.
Wenn ich nunmehr mit kurzen Worten auf das Gesetz selbst eingehe, so brauche ich mich über den § 3 der Vorlage nicht weiter zu verbreiten. Der § 3 bringt im wesentlichen nur eine bessere Fassung und die Zusammenfassung aller Steuerbefreiungen auf Grund unserer Sozial- und Rentenversicherungsgesetze. Zu begrüßen ist, daß die durch das Zweite Gesetz zur Neuordnung der Steuern eingeführten Erleichterungen im Interesse der Kapitalbildung in der neuen Vorlage voll aufrechterhalten werden.
Zu § 7 a hat zwar der Bundesrat eine Einschränkung gemacht, ich hoffe aber, daß diese Einschränkung nicht Gesetz wird, sondern daß es bei der bisherigen Fassung verbleibt. Es handelt sich hierbei um die bevorzugte Abschreibung von Ersatzgütern für Wirtschaftsgüter, die seit Kriegsbeginn verlorengegangen sind.
Besonders begrüße ich die Mitteilung des Herrn 1 Bundesfinanzministers, daß der § 7 c noch eine Erweiterung erfährt. Ich selbst wollte hierzu gewisse Vorschläge machen. Niemand kann bezweifeln, daß diese steuerliche Begünstigung auf dem Gebiete des Wohnungsbaus bereits große produktive Kraft ausgelöst hat. Es ist also durchaus zu billigen, daß der Personenkreis, dem diese Vergünstigungen zugute kommen, erweitert wird. Ich weiß nicht, wie die Bestimmung ausfällt; aber ich wollte vorschlagen, eine Lösung nach der Richtung zu finden, daß nicht nur der zweite bzw. dritte, sondern auch der Eigensparer in den Genuß dieser Bestimmung kommt. Darüber hinaus wollte ich anregen, unter Umständen auch die Beiträge an die Bausparkassen mit einzubeziehen. Bis jetzt hat dieser Paragraph den Grundsatz der Unmittelbarkeit zur Voraussetzung, während die Zahlungen an die Bausparkassen ja mittelbar erfolgen. Meines Erachtens aber müßte es möglich sein, einen Passus zu finden, nach dem die Zahlungen an die Bausparkassen auch ohne mißbräuchliche Ausnutzung einbezogen werden können. Ich würde mir davon eine rasche Belebung des Baumarktes versprechen, da ja den Bausparkassen schon gewisse Mittel zur Verfügung stehen und diese Mittel nur der entsprechenden Ergänzung bedürfen.
Der § 10 bringt teils Erweiterungen, teils Einschränkungen. Eine Einschränkung sehe ich besonders — hier geht meine Auffassung nicht ohne weiteres mit der des Herrn Bundesfinanzministers konform — in der Abschaffung der steuerfreien Bestimmung über die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung. Der Herr Bundesfinanzminister hat selbst zum Ausdruck gebracht, daß von dieser Steuerbefreiung bis jetzt sozusagen nur die sozial Bessergestellten Gebrauch machen konnten. Daraus ergibt sich doch meines Erachtens die Folgerung, daß diese Steuerbefreiung erst recht aufrechterhalten werden muß, damit auch die sozial Schlechtergestellten in den Genuß dieser Steuerbefreiung kommen. Der Grund für die Abänderung soll angeblich die Verwaltungsvereinfachung sein. Wenn das der Fall wäre, dann müßten zum mindesten die Beträge, die in § 33 a ausgeworfen sind, eine entsprechende Erhöhung erfahren.
Etwas bestürzt war ich über die Einschränkung, die der Bundesrat dem Passus über die Steuerbegünstigung der Spenden für gemeinnützige, mildtätige Zwecke und insbesondere für wissenschaftliche Forschungszwecke gegeben hat. Meines Erachtens ist es dringend erforderlich, hier die bisherige Fassung aufrechtzuerhalten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben vorhin gehört, welche große Aufgabe unsere Exportindustrie nach Aufhören des Marshallplans zu erfüllen hat. Die heutige Lücke in unserem Haushalt beträgt, wie wir vorhin hörten, 3,5 Milliarden. Der Export wird also zur ersten Forderung unserer Wirtschaft. Unser gesamtes geistiges Forschungsgut der letzten Jahre, man kann sagen: der letzten Jahrzehnte, mußte der ganzen Welt preisgegeben werden. Qualität allein kann aber dieses Problem nicht meistern, wenn die Qualität nicht Hand in Hand geht mit dem neusten Stand der wissenschaftlichen und technischen Forschungsergebnisse. Deshalb vertrete ich die Auffassung, daß es geradezu eine Forderung Nr. 1 ist, die wissenschaftliche Forschung in jeder Weise zu unterstützen. Daher habe ich für die Einschränkungen kein Verständnis. Ich wäre sogar dafür, daß dieser Betrag von 5 Prozent noch erhöht wird. Meines Erachtens würden wir dadurch die wirtschaftspolitische Absicht des Gesetzes, von der der Herr Bundesfinanzminister gesprochen hat, in keiner. Weise verletzen, sondern wir würden diese Absicht dadurch noch geradezu aktivieren.
Zur Frage des nichtentnommenen Gewinns muß ich sagen, daß ich hier zwar begrüße, daß der nichtentnommene Gewinn im Rahmen der Sonderausgaben bzw. die Sonderausgaben selbst eine gewisse Erhöhung erfahren, soweit sie die Normalsätze überschreiten, nämlich auf 15 Prozent bzw. 15 000 Mark. Ich weiß aber nicht, ob die Einführung der absoluten Nachversteuerung sowohl im § 10 wie im § 32 a den Dingen wirklich gerecht wird.
Es ist zweifellos richtig, daß bei allen steuerlichen Maßnahmen der Grundsatz der steuerlichen Gleichheit berücksichtigt werden muß, und es ist richtig, daß bei den Kapitalgesellschaften jede Entnahme einer doppelten Besteuerung unterliegt. Wie der Herr Minister auch erklärt hat, ist aber die Bestimmung hier eingeführt, um Kapital zu bilden und um die Selbstfinanzierung zu fördern. Wenn ich aber die Selbstfinanzierung fördere und weiß, daß ich diese Beträge eines Tages nachversteuern muß — nämlich dann, wenn ich mehr entnehme als meinen Gewinn —: ja, in welche Situation komme ich dann? Wann entnehme ich denn als vorsorgender Unternehmer mehr als meinen Gewinn? Dann, wenn mein Betrieb einen Gewinn nicht mehr abwirft, wenn irgendeine Konjunkturkrise kommt oder — es
handelt sich ja hier um Personalgesellschaften, und bei Personalgesellschaften bildet doch normalerweise der Inhaber den eigentlichen Motor des Geschäfts —, wenn die Arbeistkraft des Inhabers vielleicht infolge Krankheit oder Überalterung nachläßt, also dann, wenn der Inhaber unverschuldet in Not kommt. Dann muß er mehr entnehmen als seinen Gewinn. Also gerade da, wo er am wenigsten leisten kann, unterliegt er der Steuer. Über ihm hängt also sozusagen ein Damoklesschwert.
Daher weiß ich nicht, ob diese Einführung der Nachversteuerung ad infinitum wirklich glücklich zu nennen ist. Die bisherige Bestimmung hat gelautet: fünf Jahre. Wir hoffen, daß wir innerhalb der nächsten fünf Jahre die große bzw. die sogenannte organische Steuerreform bekommen. Bei dieser organischen Steuerreform wird zweifellos der zur Zeit bestehende Unterschied zwischen Besteuerung von Personalgesellschaften einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits nicht mehr die Bedeutung haben wie heute, so daß man heute ohne Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit in der Besteuerung die bisherige Fassung meines Erachtens belassen könnte, daß also die Nachbesteuerung nur innerhalb der nächsten fünf Jahre vorzunehmen wäre.
Dann noch ein Wort zu dem Vorschlag des Bundesrats, den § 34 a über die Mehrarbeit zu streichen. Hier war bisher die Mehrarbeit steuerfrei, insbesondere waren die Zuschläge steuerfrei. Es ist zwar richtig, daß es in erster Linie das Bestreben sein muß, dafür zu sorgen, daß keine Mehrarbeit geleistet wird, sondern daß die Arbeitslosen in ein normales Arbeitsverhältnis gebracht werden. Daher soll natürlich steuerlich kein Anreiz geboten werden, hier Mehrarbeit zu leisten, die dazu führt, daß einem Arbeitslosen sozusagen sein berechtigter Arbeitsplatz vorenthalten wird. Aber es hat bisher geheißen, daß nur solche Zulagen für Mehrarbeit die Steuerbegünstigung genießen, die in Gesetzen oder in Tarifen festgelegt sind. Damit ist meines Erachtens Vorsorge genug getroffen, daß daraus kein Kapital zu Lasten der Arbeitslosen geschlagen werden kann. Denn die Verantwortlichen für die Tarifverträge haben es ja dann in der Hand, zu sagen, ob in dem betreffenden Betrieb für gewisse Mehrarbeiten auch ein Tarifzuschlag gewährt wird oder nicht. Ich teile also diese Bedenken nicht und wäre demgemäß dafür, den § 34 a in der bisherigen Form aufrechtzuerhalten.
Zur Frage der begünstigten Besteuerung des nichtentnommenen Gewinns möchte ich auch noch die Anregung geben, ob es nicht möglich wäre, den Flüchtlingsbetrieben eine erweiterte Chance für die nächsten zwei oder drei Jahre zu geben, damit sie kapitalkräftig werden. Es hat sich ja in der Praxis gezeigt, daß diese Flüchtlingsbetriebe alle mit fremdem Kapital, größtenteils entweder mit unmittelbarem Staatskapital oder doch mit staatsverbürgten Krediten arbeiten mußten. Damit ergibt sich auch von seiten der Herren Finanzminister der dringende Wunsch, diese Betriebe möglichst bald auf eine eigene finanzielle Grundlage zu stellen. Daher glaube ich, daß man keine zu große Forderung erhebt, wenn man hier dafür spricht, diesen Flüchtlingsbetrieben auf diesem Gebiet noch eine besondere Vergünstigung einzuräumen.
— Sie sagen, Herr Loritz: „Das gehört ins Gesetz!" Wir stehen ja heute in der ersten Lesung, und das Gesetz wird dann dem Ausschuß überwiesen.
Im Ausschuß sind wir alle vertreten, und für mich ist eine absolute Selbstverständlichkeit, daß gerade dieses Gesetz, von dem der Minister sagt, es sei der Beginn eines neuen Weges für unsere Finanzpolitik, von allen Beteiligten mit größter Sachlichkeit und mit größtem Ernst behandelt wird.
Zweifellos sind noch manche Wünsche offen. Aber auf der andern Seite dürfen wir doch nicht vergessen, daß wir besonders auf finanziellem Gebiete unter der furchtbaren Last des Erbes stehen, das wir antreten mußten. Wir dürfen nicht vergessen, daß der Staat sich in einer wirklichen finanziellen Notlage befindet und demgemäß auch die steuerliche Belastung entsprechend sein muß. Die finanzielle Notlage, in der sich der Staat befindet, kann nur durch die Opfer aller, natürlich unter Beachtung der Gleichmäßigkeit und der sozialen Gerechtigkeit, beseitigt werden.
Gerade deswegen wünsche ich, daß dieser Gesetzentwurf weiter bearbeitet wird unter dem Gesichtspunkt und in der ,Erkenntnis, daß eine gesunde Finanz- und Steuerpolitik Voraussetzung ist für eine gesunde Wirtschaftspolitik und daß eine gesunde Wirtschaftspolitik Voraussetzung ist für die vornehmste und verantwortungsvollste Aufgabe, die wir uns gesetzt haben, nämlich eine wahrhaft echte und gesunde Sozialpolitik zu treiben.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist zweifellos ein Novum in der Finanzpolitik, ein einmaliges Erlebnis, daß ein Finanzminister eine Steuersenkungsvorlage, die in diesem Fall einen Steuerausfall bringt, der immerhin am ehesten in der Gegend von 900 Millionen D-Mark jährlich liegt, das heißt erheblich mehr als 5 Prozent der gesamten öffentlichen Einnahmen des Bundesgebiets bedeutet, mit dem Nachweis einbringt, daß der öffentliche Haushalt sich bei optimistischster Beurteilung in diesem Jahre allenfalls auf der 'Grenze des Gleichgewichts halten könnte und daß er im nächsten Jahr ein großes dunkles Loch von nun eher vielleicht 20 Prozent der gesamten öffentlichen Einnahmen aufweisen wird, ein großes dunkles Loch, über dessen Ausfüllung der Herr Bundesfinanzminister allenfalls die Zusicherung gegeben hat, es durch ein großes Kolumbusei auszufüllen.
Meine Damen und Herren! Derartiges kann man allerdings mit Fug und Recht als eine Wende der Finanzpolitik bezeichnen.
Diese Wende der Finanzpolitik schien mir nicht überzeugender dadurch gemacht zu werden, daß sie von Zahlen über die Prozentsätze der steuerlichen Belastung begleitet wurde, die meines bescheidenen Erachtens von allen verfügbaren Zahlen über das wirkliche Volkseinkommen nicht gestützt werden, die vollkommen die gleichlaufende und vergleichbare Entwicklung in anderen Län-
dern aus den Augen ließen, die weiterhin etwa über die steuerliche Belastung der unteren Einkommen schlankweg ohne Berücksichtigung der außerordentlich gestiegenen Lebenshaltungskosten Zahlen von vor Jahrzehnten mit den heutigen Zahlen vergleichen wollten und auf diese Art und Weise ein außerordentlich schiefes Bild geben.
Meine Damen und Herren, die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers zu diesem Teil enthielten meines Erachtens mehr Fehler, als daß die beschränkte Redezeit mir gestattet, auf sie alle einzugehen.
Um nur folgendes anzuführen: Wenn von der Winzigkeit des Kapitaleinkommens gesprochen worden ist, so spricht die Entwicklung der Aktienkurse über die Meinung der Sachverständigen über dieses Einkommen denn doch eine andere Sprache.
Ich möchte zusammenfassend nur sagen: Wenn der Herr Bundesfinanzminister hier zum Ausdruck gebracht hat, daß er eine finanzpolitische Entwicklung, die auf eine steuerliche Entlastung der breiten Massen und auf eine Verlagerung der Steuerlast auf die wirklich starken Schultern, von denen sie getragen werden kann, hinzielt, für verderblich hält und ihr entgegentreten will, so konnte nicht klarer und deutlicher ausgesprochen werden, was in diesem Punkte unsere Vorstellungen von den Vorstellungen des Herrn Bundesfinanzministers, der Bundesregierung und der Mehrheit, die sie trägt, trennt.
Und dafür sagen wir unsererseits dem Herrn Bundesfinanzminister Dank.
Mit mehr Grund, glaube ich, und mit mehr Logik hat die schriftliche Begründung der Regierungsvorlage an den Anfang ein ausführliches Zitat aus der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzler gestellt. In dieser Regierungserklärung war das Versprechen der Steuersenkung enthalten, und dieses Versprechen wird heute eingelöst. Wir wußten, daß im Lichte dieses Versprechens und mit der Maßgabe, daß dieses Versprechen den ersten Rang hat, jenes Wort des Herrn Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung zu verstehen, „so sozial wie möglich" zu sein. Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, daß die öffentlichen Einnahmen heute in einem sehr starren Verhältnis zu den Anforderungen an die Sozialleistungen der öffentlichen Hand stehen. Ich brauche diese Sozialleistungen nicht im einzelnen näher aufzuzählen. Wir kennen die erschreckende Lage auf dem Fürsorgegebiet, wir kennen die sehr unbefriedigende Lage auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung und kennen vor allen Dingen - auch dies gehört hierher — die große Frage, wo die für den sozialen Wohnungsbau nötigen öffentlichen Zuschüsse aufgebracht werden sollen.
Immerhin darf ich, indem ich in diesem Zusammenhange das Wort „Berlin" ausspreche, daran erinnere, daß es neben diesen sozialen Leistungen auch nationale Aufgaben gibt, bei denen es sich nicht um Worte, nicht um Farben, sondern um Taten handelt. Ich glaube wirklich nicht, daß man all diese Dinge nur als Forderungen von Interessentenkreisen bezeichnen kann, obwohl ein böser Wille gewisse Ausführungen des Herrn
Bundesfinanzministers vielleicht so hätte auffassen können,
nämlich, daß solche Dinge als „Interessentenforderungen" bezeichnet werden, weil sie hier von großen Parteien vertreten werden.
Der Herr Bundesfinanzminister hat uns in sehr dankenswerter Weise soeben vorgerechnet, wie die notwendigsten Anforderungen auf diesem Gebiet — infolge einer Politik, die wir stark bekämpft haben — seit der Währungsreform angestiegen sind. Es ist notwendig, die Konkurrenz zwischen diesen Forderungen und den zu ihrer Erfüllung notwendigen öffentlichen Einnahmen zu beachten, und hier gilt es in erster Linie zu prüfen, ob wir uns Steuersenkungen überhaupt leisten können. Man kann diesen Dingen vielleicht ausweichen, wenn man vor einer Defizitwirtschaft keine Angst hat: Trotz gewisser Zusicherungen, die der Herr Bundesfinanzminister auch heute gegeben hat, ist für den aufmerksamen Beobachter seit einiger Zeit die Besorgnis nicht abzuweisen, daß wir Gefahr laufen, auf dieses Gebiet geraten zu wollen, und ich fürchte sehr, daß aus diesem. Kolumbusei etwas Ähnliches herauskriechen könnte. Der Weg über eine solche Aushilfe wäre ein schlechter Ausweg. Ein beserer Ausweg wäre es, wenn man schon Steuerermäßigungen gewähren will, solche zu gewähren, die gleichzeitig als soziale Leistungen gelten können. Das aber ist gerade das, was die Regierungsvorlage sehr sorgfältig vermieden hat.
Diese Regierungsvorlage, die sich lediglich auf eine Herabrechnung des Tarifs beschränkt, ist nicht nur technisch phantasielos, sondern in ihrer Tendenz geradezu erschreckend. Sie schlägt uns eine Steuersenkung um etwa ein Sechstel allgemein vor, aber bei den offenbar besonders notleidenden Schichten der Einkommensbezieher von 50- und 60 000 Mark um fast ein Drittel. Gleichzeitig beschneidet sie die Auswirkung der Familienermäßigungen bei den unteren Schichten in besonders fühlbarer Weise. Diese Steuervorlage hat sich überhaupt nicht mit dem Gedanken beschäftigt, ob eine Steuersenkung nicht auch von unten her, zum Beispiel durch Erhöhung der steuerfreien Einkommensbeträge, durchgeführt werden könnte. Offenbar hält man noch daran fest, daß es bei den heutigen Lebenshaltungskosten möglich ist, einen Betrag von nur 750 Mark jährlich für einen schaffenden Menschen, der seine Zukunft und sein Alter sichern soll, als das steuerfreie Existenzminimum zu bezeichnen. Man hat sich auch gar nicht mit der Frage beschäftigt, ob die Pauschsätze der Lohnempfänger für Werbungskosten, die bei den gestiegenen Beförderungskosten und anderen im Preis erhöhten Dingen schon längt nicht mehr ausreichen, nicht erhöht werden können.
Über die Einzelheit der Steuerbegünstigung für Flüchtlinge und Bombengeschädigte ist bereits mehrfach gesprochen worden. Das geltende Gesetz sieht eine Steuerermäßigung um einen Grundbetrag von etwa 80 Mark monatlich gegen Nachweis der Anschaffungen vor, das vorgeschlagene Gesetz einen Grundbetrag von 40 Mark monatlich ohne Nachweis der Anschaffungen. Über 'die systematische Zweckmäßigkeit könnte man reden. Ob aber der vorgeschlagene Betrag ausreicht, wird sehr genau zu prüfen sein. Wir hören jedoch, daß man an verschiedenen Orten auf die Idee gekommen ist, diesen Leuten als Übergangsregelung nicht 80 und nicht 40, sondern 20 Mark monatlich zuzubilligen. Es wird
festzustellen sein, wer für derartige Anordnungen verantwortlich ist, und ich glaube, daß wir die Verantwortlichen auch von dieser Stelle aus zur Verantwortung zu ziehen haben werden.
Die Vorlage hat sich überhaupt nicht damit beschäftigt, daß sich das Ermäßigungssystem, das allerdings bei der behelfsmäßigen Regelung vom vorigen Januar sehr kompliziert und ausgedehnt worden ist, sehr verschieden und außerdem ungerecht je nach der Einkommensstufe der Betroffenen auswirkt. Die Bundesregierung hat sich erst vom Bundesrat darauf aufmerksam machen lassen müssen, daß neben dem Juni-Tarif des Jahres 1948, unter den sie in den höheren Einkommensstufen ja heruntergehen will, auch die Steuerermäßigungen des Januar 1949 nicht mehr in vollem Umfang haltbar sind. Alle diese Fragen werden im Ausschuß sehr eingehend durchgesprochen werden müssen. Das Interesse daran ist wichtiger als eine eilfertige Verabschiedung dieses Gesetzes.
An Stelle aller dieser Gesichtspunkte, die unbedingt hätten in Erwägung gezogen werden müssen, ist in der Begründung lediglich. das Wort „Kapitalbildung" gesetzt worden. Die Begründung sagt, die Erfahrung habe gezeigt, daß die derzeitigen Steuern die Kapitalbildung gefährdeten. Ich frage, welche Erfahrungen mit einer Steuer vorliegen können, die bisher überhaupt nicht gezahlt worden ist und bei der in keinem einzigen Fall nachgeprüft worden ist, auf Grund welcher Berechnungen die Vorauszahlungen auf diese Steuer geleistet worden sind. Die tatsächlichen Zahlen zeigen etwas anderes. Sie zeigen, daß die Kapitalbildung seit der Währungsreform, selbst wenn man von den niedrigsten Schätzungen von 8 und 10 Milliarden ausgeht, im ganzen jedenfalls das Ausmaß erreicht hat, das man vernünftigerweise erwarten konnte. Aber dieses Kapital ist gebildet worden, ohne daß die wirklich notwendigen Investitionen erfolgt sind; immer noch haben wir zum Beispiel den Wohnungsbau nicht entscheidend in Angriff genommen. Und dies alles ist vor sich gegangen, ohne daß die entgegen allen Saisoneinflüssen im letzten Jahr strukturell anhaltende Steigerung der Arbeitslosigkeit aufgehalten worden ist und ohne daß unsere Produktion, die trotz aller stolzen Ziffern hinter der Durchschnittsentwicklung in anderen Ländern und in ganz Europa wesentlich zurückbleibt, einigermaßen auf Touren gekommen ist. Tatsache ist, daß Investitionen, die im, ganzen das volkswirtschaftlich zu erwartende Maß erreicht haben, willkürlich geleistet worden sind aus Profiten, die auf einer mindestens nicht bekämpften, wenn nicht absichtlich herbeigeführten Hochhaltung der Lebenshaltungskosten basieren. Tatsache ist ferner, daß man auf diesem Wege zugunsten der Kapitalbildung bestimmter Schichten die Kaufkraft und infolgedessen die Sparkraft und die Kapitalbildungskraft anderer Schichten beschnitten hat. Es klang etwas merkwürdig, als der Herr Vorredner auf die Mißerfolge der Wohnungsbauanleihe und anderer Anleihen hinwies in dem gleichen Augenblick, in dem man die wenigen Reste von Stützen gegenüber der Selbstfinanzierung, die man in § 32 a derartigen Anleihen geben wollte, ganz beseitigen will.
Meine Damen und Herren, es ist viel die Rede von der Initiative zur Kapitalbildung. Auch wir begrüßen die Initiative, und wir haben mehr als einmal deutlichzumachen versucht, was wir unter Planung verstehen. Wir verstehen darunter die
Sicherung der grundlegenden Voraussetzungen und Gegebenheiten der Volkswirtschaft im gemeinen Interesse in der Weise, daß der einzelne ungefährdet und ohne Gefahr für andere die ihm zustehende Initiative entfalten kann. Aber, meine Damen und Herren, ist denn Initiative, ist denn die Fähigkeit zur Initiative, ist denn das Recht zur Initiative an ein Einkommen oder den Besitz eines Vermögens am 20. Juni 1948 gebunden?
Ich fasse die Stellungnahme meiner Fraktion zusammen. Sie werden diese Steuervorlage, vor allen Dingen den Geist, der in ihr herrscht, Zentimeter für Zentimeter gegen uns verteidigen müssen. Wir werden auf das genaueste prüfen müssen, welche Steuersenkungen in den heutigen Notzeiten überhaupt erträglich sind, und wir werden, wenn etwas derartiges möglich wäre, die von mir soeben angedeuteten Gesichtspunkte und andere mehr zäh und nach jeder Möglichkeit in den Ausschußberatungen zur Geltung bringen. Es besteht keine Aussicht, daß diese Vorlage in ihrer jetzigen Form die Zustimmung meiner Fraktion findet.
Das Wort hat Herr Dr. Höpker-Aschoff.
Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Seuffert hat im Hinblick auf die Rede des Herrn Bundesfinanzministers, die von meinen Parteifreunden mit großem Beifall aufgenommen worden ist, gemeint, diese Rede und die Begründung, die er seiner Vorlage gegeben habe, stellten ein Novum dar insofern, als ein Finanzminister, der nach seinen Berechnungen im kommenden Haushaltsjahr mit einem erheblichen Ausgabenüberschuß zu rechnen hat, doch den Mut habe, uns eine nicht unerhebliche Steuersenkung vorzuschlagen. Ja, meine Damen und Herren, das mag ein Novum sein und mag einen gewissen Mut verraten. Aber ich bin der Meinung, daß ein solcher Mut wohl gerechtfertigt ist, wenn man steuerpolitische Vorlagen nicht nur unter einem fiskalischen, sondern unter einem wirtschaftspolitischen Gesichtspunkt betrachtet.
Herr Kollege Seuffert, ich darf Ihnen einmal die Kehrseite der Medaille zeigen. Ich denke mit einer gewissen Befriedigung an die Jahre zurück, in denen ich das Preußische Finanzministerium zu verwalten hatte. Ich habe aber mit manchem Kummer an das Jahr 1931 zurückgedacht, in dem wir sowohl im Reich als auch in den Ländern, befangen in Vorstellungen, die uns von unseren Vätern und Großvätern überliefert waren, die Ausgaben zusammengestrichen und die Steuern erhöht hatten in der Meinung, daß wir auf solche Weise einer Krise Herr werden könnten. Ich habe mir in dieser Hinsicht später auch deshalb Vorwürfe gemacht, weil ich der Meinung bin, daß die Deflationspolitik, die wir damals betrieben haben — Kürzung der Ausgaben auf der einen Seite, Verschärfung der Steuern auf der andern Seite —, der Nährboden für eine zunehmende Arbeitslosigkeit und damit auch der Nährboden für die nationalsozialistische Bewegung gewesen ist.
Hätten wir damals ,den Mut gehabt, nicht fiskalisch, sondern gerade in Fragen der Steuergesetz-
gebung wirtschaftspolitisch zu denken, so wäre vielleicht die Entwicklung nach einer andern Richtung hin verlaufen. Ich habe jedenfalls in späteren Jahren die Überzeugung gewonnen, daß der Glaube an .die Richtigkeit der überlieferten Lehren — Sparsamkeit, Budgetgleichgewicht unter allen Umständen, keine Inanspruchnahme des Geld- und Kapitalmarktes — oft nicht gerechtfertigt war. Der Glaube, daß solche Maßnahmen das Heilmittel in einer Krise seien und daß, wenn der Staat nach solchen Grundsätzen verfahre, die Wirtschaft sich schon selber helfen würde, war eben nicht gerechtfertigt; man muß eben nicht so eng fiskalisch, sondern auch auf seiten der Finanzminister wirtschaftspolitisch denken.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat davon gesprochen, daß auch diese Steuerreform vielleicht noch nicht das Ende der Dinge sei. Aber er hat in den Wein derjenigen, die auf eine große organische Steuerreform im nächsten oder spätestens im übernächsten Jahre hoffen, einiges Wasser gegossen. Ja, Herr Finanzminister, Sie haben einen wissenschaftlichen Beirat, der in Frankfurt eingesetzt worden ist und bisher die Finanzverwaltung in Frankfurt beraten hat. Dieser wissenschaftliche Beirat hat sich eben mit dieser organischen Steuerreform, die einmal kommen soll, sehr eingehend beschäftigt. Besonders einer der Unterausschüsse dieses wissenschaftlichen Beirats hat mit dem größten Eifer gearbeitet, nämlich derjenige Unterausschuß, der sich mit den sogenannten Betriebssteuern befaßt, und in diesem Unterausschuß sind immerhin eine Reihe von Vorlagen geboren, die unsere Beachtung wohl verdienen. Jedenfalls ist all diesen Vorschlägen das eine Ziel gemeinsam, daß die Besteuerung innerhalb der Wirtschaft die gleiche sein muß, ohne Rücksicht darauf, in welcher Rechtsform ein Unternehmen geführt wird. Es ist systematisch falsch, die Unternehmen je nach der Rechtsform mit verschiedenen Steuersätzen — auf der einen Seite Einkommensteuer, auf der anderen Seite Körperschaftsteuer — zu belasten. Wir erleben es heute immer wieder, daß sich Einzelunternehmer und offene Handelsgesellschaften vor die Frage gestellt sehen, ob sie nicht ihre Unternehmungen in eine andere Rechtsform überführen sollen oder, was noch schlimmer ist, daß sie vor der Versuchung stehen, zwischen ihr Unternehmen und den Absatz noch ein neues Unternehmen in einer anderen Rechtsform — GmbH oder Aktiengesellschaft — einzuschalten und die Gewinne nach Möglichkeit in diese Gesellschaft abzuleiten, um auf diese Weise Steuern zu sparen. Also dieses Ziel der gleichmäßigen Besteuerung aller Unternehmer, die im Wettbewerb miteinander stehen, ohne Rücksicht auf die Rechtsform, in der das Unternehmen geführt wird, darf unter keinen Umständen aus dem Auge verloren werden. Wir betrachten in dieser Hinsicht das, was heute der § 32 a bringt, nur als eine Abschlagszahlung.
Meine Damen und Herren! Die Grundgedanken dieses ganzen Entwurfs, der, wie der Herr Minister mit Recht ausgeführt hat, eine wirtschaftspolitische Aufgabe erfüllen soll, sind doch im wesentlichen wohl folgende.
Erstens: die Initiative zu wecken. Herr Kollege Seuffert, Sie haben eben gemeint, die Initiative sei nicht an ein gewisses Vermögen gebunden. Darin mögen Sie recht haben. Aber Sie werden mir doch das eine zugeben, daß die Initiative aller derjenigen, die sich im Wirtschaftsleben rühren und etwas leisten wollen, totgeschlagen wird, wenn der Lohn ihrer Mitarbeit ihnen nahezu restlos weggenommen wird.
Wir haben heute einen Steuertarif, der schon bei einem Einkommen von 7 200 DM das Mehr zu 50 Prozent wegsteuert. Diese Wegsteuerung des Mehrbetrages über eine Stufe hinaus steigt dann sehr schnell von 50 auf 60, 70, 80 und 90 Prozent. Daß eine solche Wegsteuerung des Lohnes größerer Tüchtigkeit und größerer Arbeitsamkeit die Initiative hemmen muß, kann doch keinem Zweifel unterliegen.
Zweitens: Wir wissen, daß es heute mit der Steuermoral der Steuerschuldner nicht allzugut bestellt ist. Schopenhauer sagt in der Überschrift zu einer nicht preisgekrönten Denkschrift: „Moral predigen ist leicht, Moral üben ist schwer". Sie werden mit den Moralpredigten allein nicht weiterkommen.
Sie müssen die Grundlagen ändern. Sie müssen den Anreiz, den Staat zu betrügen, mindern. Es darf nicht so sein, daß viele Leute sich heute dem Glauben hingeben: wir sind heute in einem steuerrechtlichen Notstand, ich kann meinen Betrieb nur retten, wenn ich es mit der Einhaltung der Steuergesetze nicht so genau nehme. Die Steuerschraube ist überdreht. Soll wieder Moral in die Gesellschaft der Steuerzahler hineinkommen, so muß die Steuerschraube gelockert werden. Nur so werden wir die notwendige Steuermoral wieder schaffen.
Meine Damen und Herren, das deutsche Volk hat einmal nächst dem englischen Volk die ehrlichsten Steuerzahler gestellt. Bei den romanischen Völkern ist diese Tugend des Steuerzahlers auch in der Vergangenheit nie so groß wie beim englischen und deutschen Volk gewesen. Diese Moral ist leider stark erschüttert. Aber wir werden sie nicht bloß durch Predigten wieder heben, sondern wir werden sie nur dann wieder heben, wenn wir die Steuersätze so herabdrücken, daß für Mehrarbeit ein angemessener Lohn und ein Gewinn bleibt, und wenn außerdem dem einzelnen Steuerzahler die Möglichkeit gegeben wird, Ersparnisse zu bilden und dort, wo er die Ersparnisse in seinem eigenen Betrieb anlegt, auch diesen Betrieb zu erweitern und auszubauen.
Das Dritte, meine Damen und Herren, ist die Notwendigkeit der Kapitalbildung. Kapitalbildung ist ein oft mißverstandenes Wort. Der einfache Mann denkt dann so leicht an die Aufhäufung großer Geldvermögen. Aber das Entscheidende an der Kapitalbildung ist doch die güterwirtschaftliche Seite: daß Investitionen vorgenommen werden, daß in einer Wirtschaft wie der deutschen, in der unzählige Betriebe wieder aufgebaut, in der unzählige Betriebe modernisiert werden müssen — schon allein aus dem Grunde, weil wir sonst den Wettbewerb mit dem Ausland im Export nicht aushalten können —, daß in einer solchen Wirtschaft gar nicht genug investiert werden kann und daß solche Investitionen auch die Voraussetzung dafür sind, daß alle die Flüchtlinge aus dem Osten wieder ihren Arbeitsplatz finden. Kapitalbildung, Durchführung von Investierungen bedeutet aber von der finanziellen Seite her, daß die Mittel zur Finanzierung solcher Investitionen auch durch Ersparnisse bereitgestellt werden. Nun ist es immer so gewesen — auch in guten Zeiten der deutschen
Wirtschaft —, daß ein erheblicher Teil dieser Mittel auf dem Wege der Eigenfinanzierung gewonnen worden ist, aber ein sehr großer Teil ist auch auf dem Wege über den Kapitalmarkt gewonnen worden. Schauen Sie heute den Kapitalmarkt an! Gewiß, wir merken in der deutschen Wirtschaft einige Ansätze zu erhöhter Spartätigkeit: bei den Sparkassen, wo die Einzahlungen langsam zunehmen; auch das Geschäft der Lebensversicherungsgesellschaften ist in einer aufsteigenden Entwicklung; aber von einem Kapitalmarkt, auf dem man Industrieobligationen, Pfandbriefe in großem Umfange absetzen, auf dem man Aktien unterbringen könnte, ist doch in Deutschland nicht die Rede. Diese Möglichkeit der Finanzierung fehlt; sie wird vielleicht dadurch geschaffen werden, daß bei einer Ermäßigung des Tarifs auch die große Zahl der Verbraucher einen größeren Teil ihres Einkommens ersparen und dem Kapitalmarkt zuführen kann. Daneben muß aber, solange ein starker deutscher Kapitalmarkt der deutschen Wirtschaft nicht zur Verfügung steht, der Wirtschaft die Möglichkeit gegeben werden, im eigenen Betrieb die Mittel zu schaffen. Man muß ihr die Möglichkeit lassen, Gewinne im Betrieb zu lassen, und darf den Unternehmern diese Gewinne nicht mit übermäßigen Steuersätzen wegnehmen. Das ist ja der Sinn des § 10 Absatz 1 Ziffer 3 und des § 32 a.
Wir begrüßen es daher auch, daß hier gewisse Erleichterungen in dem vorliegenden Gesetzentwurf gegeben sind und daß insbesondere in dem § 32 a der bisher bestehende Anlagezwang beseitigt ist. Meine Damen und Herren, ein solcher Anlagezwang, wie er bisher vorgeschrieben war —, daß derjenige, der die Vergünstigungen des § 32 a in Anspruch nahm, verpflichtet ist, den nicht' entnommenen Gewinn zum Teil doch wenigstens an fremder Stelle anzulegen, also Anleihen, und zwar gebundene Anleihen. der Wirtschaftsverwaltung oder der Wiederaufbaubank zu kaufen —, paßt in das System einer freien Wirtschaft nicht hinein. Der einzelne selber hat in der freien Wirtschaft darüber zu entscheiden, wie er seine Ersparnisse und die Gewinne, die er erübrigt, verwenden will. Dieser Anlagezwang muß daher fallen, und es ist gut, daß er in dem Gesetzentwurf gefallen ist.
Meine Damen und Herren, nun hat der Herr Bundesfinanzminister uns hier zu einer gewissen Disziplin gemahnt. Ich verstehe das sehr wohl, und ich will auch nicht gering anschlagen, was er darüber gesagt hat, daß wir nämlich hier nicht allmächtig, sondern an die Zustimmung des Bundesrats gebunden sind. Ich stimme ihm auch darin zu: es ist gewiß ein Erfolg, daß hier eine Verständigung zwischen dem Bundesfinanzminister und den Ländern gefunden worden ist und daß die Länder, obwohl sie ja bei dieser Steuerreform zunächst einmal die Leidtragenden sind, dieser Steuerreform doch einmütig zugestimmt haben. Also wir werden das beherzigen und werden Disziplin üben.
Aber auf ein paar Punkte muß ich hier doch hinweisen. Die Steuerkurve sollte da, wo ein Tarif progressiv gestaltet ist, allmählich aufsteigen. Wenn man sich diese Steuerkurve einmal aufzeichnet, so macht sie bei den Einkommen zwischen 9 000 und 20 000 D-Mark eine seltsame Biegung: sie geht auf einmal wieder in die horizontale Linie hinein. Ich frage mich, ob man diesem Mangel nicht ohne allzu großen Ausfall an Steuern abhelfen könnte.
Ein Zweites: die Berücksichtigung der soviel angefochtenen Bestimmung — zu keinem Punkte habe ich als Vorsitzender des Finanz- und Steuerausschusses so viel Eingaben bekommen wie zu diesem —: die Streichung des Buchstaben f in § 10 Absatz 1 Ziffer 2. Ich glaube, Herr Finanzminister, Sie sind selber schon ein wenig weich geworden, denn Sie haben uns heute nur davor gewarnt, nicht beides zu machen: nicht die allgemeinen Freibeträge und daneben die individuelle Berücksichtigung der Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung. Meine Damen und Herren! Diese Freistellung der Aufwendungen für die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung ist für alle Flüchtlinge und für alle Bombengeschädigten von so eminenter Bedeutung, daß wir auf diesem Gebiete unter keinen Umständen -eine Verschlechterung haben möchten, wie sie die Streichung des Buchstaben f hier bringt.
Ich hoffe also doch, daß wir im Ausschuß zu einer Abänderung dieses Vorschlages kommen werden.
Drittens: Zu dem Thema Kapitalbildung gehört ja neben dem § 32a auch der § 10 Absatz 1 Ziffer 3: Steuerfreiheit der Hälfte des nichtentnommenen Gewinns bis zu 15. Prozent. Diese Vergünstigung kommt heute nur denjenigen zustatten, die ordnungsmäßige Bücher nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuches führen. Ich frage mich, Herr Finanzminister, ob man diese Bestimmung, die ja nun nicht nur für die größten und stärksten gilt, sondern auch für die mittleren Betriebe, nicht auch auf diejenigen ausdehnen sollte, die Bücher nach den Grundsätzen der vereinfachten Buchführung auf Grund der Verordnung vom Jahre 1949 führen. Ich glaube, das wäre gerecht und würde auch nicht allzugroße Ausfälle bedeuten.
Dann noch ein weiterer Punkt, auf den Sie selbst schon eingegangen sind: die Frage der Begünstigung der Aufwendungen für den Wohnungsbau. Der § 7 c bleibt unverändert; aber er sollte nach unserer Meinung nicht unverändert bleiben, sondern man sollte hier etwas mehr tun, um Aufwendungen für den Wohnungsbau schlechthin steuerlich zu begünstigen.
Ein altes Einkommensteuergesetz aus vergangenen Zeiten, aus dem Jahre 1923, enthielt die Bestimmung, daß Aufwendungen für .den Wohnungsbau zu 75 Prozent vom Einkommen abgezogen werden konnten und steuerfrei blieben. Nun, ich will nicht so weit gehen; aber ich halte den Grundgedanken für richtig, daß man nach Möglichkeit. alle Aufwendungen für den Wohnungsbau in bestimmter Höhe und meinetwegen mit Begrenzung auf einen bestimmten Bruchteil des Einkommens steuerfrei stellen sollte. Ich glaube, daß wir auch in dem Herrn Wiederaufbauminister einen Bundesgenossen haben würden, wenn wir versuchten, die Vorlage hier etwas anders zu gestalten; denn ihm muß ja die Aufbringung der Mittel für den Wohnungsbau besonders am Herzen liegen. Aber ich habe ja zu meiner Freude an Ihren Ausführungen, Herr Finanzminister, schon gemerkt, daß Sie bereit sind, uns auf diesem Gebiete noch mit einem Abänderungsvorschlag, der sogar bereits die Zustimmung der Länder gefunden hat, zu erfreuen.
Ein Punkt noch nur im Vorbeigehen. Er gehört eigentlich in den Gesetzentwurf, über den wir hernach noch sprechen sollen. Ich meine die Abschlagszahlungen. Wir möchten nach Möglichkeit
keine Abschlagszahlungen auf Vorauszahlungen mehr haben —.
Eine schreckliche Angelegenheit, uns damals durch das Gesetz Nr. 64 beschert, zunächst für die ersten zwei Quartale nach der Währungsreform und in der damaligen Zeit verständlich, dann durch Gesetz des Wirtschaftsrats auf das Jahr 1949 ausgedehnt. Nun hatten wir alle gehofft, diese Abschlagszahlungen würden endlich einmal ein Ende finden, und es würde bei den vierteljährlichen Vorauszahlungen sein Bewenden haben. Nun kommt wiederum ein Gesetzentwurf, der auch im Jahre 1950 noch Abschlagszahlungen auf Vorauszahlungen vorsieht. Ich hoffe sehr, daß wir hierauf verzichten können und daß die Kassenschwierigkeiten — denn nur darum kann es sich hier bei einigen schwachen Ländern handeln — doch vielleicht auf eine andere Weise überwunden werden können.
Doch damit genug. Meine Damen und Herren, ich habe mit Fleiß vermieden, auf Einzelheiten des Entwurfs einzugehen. Es wird unsere Aufgabe im Ausschuß sein, diese Einzelheiten dann durchzuberaten. Ich glaube aber, daß wir die Aufgabe haben, diesen Gesetzentwurf so schnell wie möglich zu erledigen — denn die Wirtschaft wartet auf ihn — und daß wir uns dabei auch von dem Gedanken leiten lassen müssen, den der Herr Minister selber ausgesprochen hat, daß wir nicht fiskalisch, sondern wirtschaftspolitisch zu denken haben und daß uns hier die große Aufgabe gestellt ist, für einen möglichst schnellen Wiederaufbau der deutschen Wirtschaft von der steuerrechtlichen Seite her auch die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die den kleinen Fraktionen eingeräumte Redezeit von 10 Minuten reicht selbstverständlich nur dazu aus, einige wenige Gedanken aus Anlaß der Vorlage vorzutragen. Wir von der Deutschen Partei begrüßen die ausgezeichneten Ausführungen des Herrn Finanzministers. Wenn wir dazu etwas zu bedauern hätten, so wäre es nur der Umstand, daß er ' selbst als Mitglied einer Bundesregierung nicht schon vor anderthalb Jahren in den Stand gesetzt worden ist, diese Ausführungen im Rahmen -der deutschen Zuständigkeiten zu machen und damit eine Steuerreform in die Wege zu leiten, die mit der Reform unserer gesamten Währungs- und Wirtschaftslage zusammengefallen wäre. Auf diese Weise, indem die Besatzungsmächte es damals abgelehnt haben, eine entsprechende, im Wirtschaftsrat etwa in der gleichen Weise durch den damaligen Herrn Direktor der Finanzen eingebrachte und begründete Vorlage zu verabschieden, haben sich nunmehr die Steuergesetze nach dem Goethewort wie eine ewige Krankheit fortgeerbt und damit in unsere Zeit das Elend der mangelnden Kapitaldecke und — noch viel schlimmer die Ungesundheit unserer Steuermoral hereingetragen. Das ist bedauerlich, ist aber von der Bundesregierung bestimmt nicht verschuldet, und wenn man die Schwierigkeit der Materie bedenkt, vor der wir stehen, wird man zugeben, daß die Bundesregierung innerhalb der von vornherein durchaus zu erwartenden Zeitspanne ihre Zusage laut ihrer Erklärung vom 20. September im ersten Teil wahrgemacht hat.
Auch wir haben nicht ohne gespitzte Ohren gehört, daß der Herr Finanzminister die Meinung angedeutet hat: die endgültige Reform sei zunächst einmal noch auf eine sehr lange Bank geschoben. Ich darf demgegenüber daran erinnern, daß es in der Regierungserklärung vont 20.. September hieß: diese Frage solle jedenfalls im Jahre 1950 „in Angriff genommen" werden. Wir möchten also darum bitten, daß diese Frage nicht allzusehr hinausgeschoben wird.
Was nun die Vorlage selbst anlangt, so möchte ich zunächst sagen, daß der Herr Kollege Seuffert die Dinge von einem ganz falschen Gesichtspunkt aus betrachtet hat, indem er sich offenbar, um die entsprechenden Ausführungen des Herrn Ministers nicht zu verstehen, so lange Watte in die Ohren gesteckt hat. Es ist ja gerade die Absicht dieser Vorlage, der Sozialpolitik zu dienen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß in der Tat überhaupt nur eine gesunde Wirtschaft eine erfolgreiche Sozialpolitik erlaubt, nicht aber eine Wirtschaft, bei der der Unternehmer, wenn er nicht ein Dummkopf ist, alles und jedes, was er an Betriebskosten verschwenden kann, auch verschwendet, um nur ja sich selbst irgendwie etwas zuzuführen, nicht eine Wirtschaft, bei der im Falle gewagter Unternehmungen, in denen ein Risiko zu laufen ist, den Unternehmer nur der Verlust trifft, er aber vom Gewinn nichts hat. Nach unserer Einsicht ist eine solche Wirtschaft nicht im entferntesten gesund, auch wenn sie noch so „sparsam" gesteuert und gelenkt wird. Die sozialistische Wirtschaft rechnet offenbar mit Idealgestalten des Paradieses und nicht mit der Gattung des homo sapiens, wie sie auf der Erde tatsächlich nun einmal herumläuft.
Diese Steuervorlage ist dazu bestimmt, die Privatinitiative zu fördern und den privaten Unternehmer sozusagen wieder näher an seinen eigenen Betrieb heranzuführen. Was wir heute an Einkommensteuer haben, ist angesichts der Progression keine Steuer mehr, sondern einfach eine Konfiskation; darüber müssen sich alle im klaren sein. Eine Steuer von 95 Prozent, wie sie jetzt auch nach dem neuen Tarif bei den allerhöchsten Einkommen erreicht wird, ist eben keine Steuer, sondern bedeutet die Einziehung von Vermögensteilen. Eine solche wurde bisher bei uns auch schon bei mittleren Einkommen durchgeführt, zumal wenn man auch bei „mittleren" Einkommen die Kaufkraft des Geldes in Rechnung stellt.
Eine solche Steuergesetzgebung schloß es nach unserer Einsicht einfach aus, daß eine Wirtschaft im Sinne einer gesunden, dem Staat und dem Volk dienenden Ertragsfähigkeit aufgezogen werden könnte. Gerade aus diesen Gründen begrüßen wir von unserem Standpunkt aus die Vorlage. Wir wollen aber der Hoffnung Ausdruck geben, daß alles, was wir darüber hinaus an sozialen Wünschen haben, in der endgültigen, großen Steuerreform, die eine Gleichheit aller vergleichbaren Steuerschuldner herbeiführen muß, berücksichtigt werden wird.
Unsere Einzelwünsche kann ich hier nicht aussprechen. Das muß in der Kommissionsberatung geschehen. Unsere Zeit würde heute dazu nicht ausreichen. Wenn ich es tun wollte, brauchte ich die mir zur Verfügung stehenden zehn Minuten Redezeit fast ganz, um bloß meine Kritik an einer einzelnen Vorschrift zu begründen, deren Verlesung schon etliche Minuten dauern würde. Ich bitte, einmal Seite 6 der gedruckten Vorlage aufzuschlagen und Ziffer 4 des Absatzes 2 des § 32 a
nachzulesen, worin die Umstände aufgeführt sind, unter denen eine Nachversteuerung eines steuerbegünstigten Gewinns stattzufinden hat. Ich habe diese Vorschrift als Jurist in ihrer Tragweite nicht verstanden. Bestimmungen, die dermaßen kompliziert sind, daß man sie auch bei wiederholtem Durchlesen nicht ohne weiteres auffassen kann, und deren Wortlaut sich immerhin über einen ganzen Block von Zeilen hinzieht, sollten, wenn damit eine „Vereinfachung" bezweckt wird, unter die Lupe genommen werden.
Im übrigen darf ich für meine Fraktion den Anregungen, die Herr Dr. Höpker-Aschoff gegeben hat, im wesentlichen unsere Zustimmung geben.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.
Meine Damen und Herren! Seit der Währungsreform suchte die Wirtschaft und suchen die Unternehmungen, sich intensiver und normal zu entwickeln. Die große Masse der Arbeiter und Angestellten haben den ehrlichen Wunsch, ihre ganze Arbeitskraft dem Wiederaufbau zu geben.
Man weiß andererseits in allen beteiligten Kreisen, daß die Steuergesetzgebung dieser unbedingt notwendigen Entwicklung hemmend und störend entgegengestanden ist.
Bei den bisherigen Versuchen zur Neuordnung des Steuerwesens waren sich die Verfasser der Gesetze bewußt, daß es sich doch nur um vorübergehende Regelungen handeln konnte und daß eine grundlegende Änderung der Steuergesetze kommen müsse. Aus dieser Erkenntnis heraus hatte schon die Verwaltung der Finanzen der Bizone Vorarbeiten für die angesagte große Steuerreform in Angriff genommen. Die Erwartungen dieser Steuerreform wurden durch die Regierungserklärung noch bedeutend erhöht. Jetzt soll aber auch der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes entgegen den erweckten Hoffnungen wieder nur ein Vorläufer zu einer großen Steuerreform sein. Diese ist nach den heutigen Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers auf eine sehr weite Sicht hinausgeschoben worden.
Bei einer kritischen Stellungnahme zu diesem Entwurf muß aber doch im allgemeinen gesagt werden, daß auch dieser Vorläufer einer großen Steuerreform keinen zielbewußten und hoffnungerweckenden Angriff auf die längst erkannten Mängel zeigt. Die Kapitalbildung soll gefördert werden, doch wohl nicht nur für die großen wirtschaftlichen Unternehmungen, sondern auch für die mittelständischen Unternehmungen, für die kleineren und mittleren Industrieunternehmungen, für den Mittelstand, den Handwerker; und letzten Endes soll eine Steuerreform wohl auch eine Förderung der steuerlichen Interessen des Arbeitnehmers sein. Der konfiskatorische Charakter, den die Steuertarife bisher hatten, ist wohl noch nicht beseitigt; es muß weiter mit einer Lähmung der Fortentwicklung der Wirtschaft gerechnet werden. Der Entwurf wird nicht ausreichen, diesen Steuerpflichtigen einen Anreiz zu geben, intensiver und mehr zu arbeiten.
Ich möchte ein kleines Beispiel, das ich aus eigener Kenntnis weiß, hier wiedergeben. In einer Maschinenfabrik, deren Produkte von der Landwirtschaft, von Gärtnern und von Weinbauern sehr begehrt sind, hat sich im vergangenen Jahr folgendes zugetragen. Die meisten dort engagierten Vertreter haben erklärt, sie hätten keinen Anlaß mehr, nach einer gewissen vollbrachten Tätigkeit mehr zu verkaufen, da sie dann ein Einkommen bekämen, welches nur weggesteuert würde. Die Folge davon ist, daß die Fabrik dort nunmehr Not leidet und mit der Entlassung von Arbeitskräften rechnen muß, da die so gedrosselten und geringeren Umsätze die Grenze unterschritten haben, bei welcher nur noch mit Verlust gearbeitet werden kann.
Das ist ein Beispiel aus vielen.
Bei den Unternehmungen werden die durch die Steuergesetzgebung hervorgerufenen Mißstände mit diesem Entwurf wohl kaum beseitigt werden. Die Wirtschaft wird sich nach wie vor durch besondere Maßnahmen lebensfähig und konkurrenzfähig halten müssen. Derartige Maßnahmen sind aber fast durchweg mit einem erheblicheren Mehraufwand für die betreffenden Investierungen verbunden, als wenn diese auf normalem Wege erfolgen würden. Der Begriff „Produktion von Unkosten" wird weiterhin bestehen bleiben, und Gelder, die wirtschaftlicher verwendet werden können, werden auch weiterhin in übermäßigen und unwirtschaftlichen Aufwendungen verlorengehen, wenn sich die einzelnen Betriebe lebensfähig erhalten wollen.
Die Abänderungsvorschläge zu den §§ 10 und 32 a machen immer wieder den Eindruck — ich kann wegen der Kürze der Zeit im einzelnen nicht darauf eingehen —, daß auf der einen Seite wohl Zugeständnisse gemacht werden, die normalerweise eine Kapitalbildung fördern müßten, daß aber gleichzeitig auf der anderen Seite Einschränkungen und Hemmungen mit diesen Zugeständnissen verbunden sind. die die Auswirkung der Zugeständnisse praktisch oft illusorisch machen.
Vielleicht darf darauf hingewiesen werden, daß ungleich besser als in den §§ 10 und 32 a die Möglichkeit der Kapitalbildung im § 58 a der Erzbergerschen Steuerverordnung gelöst war.
Zudem möchte ich darauf aufmerksam machen, daß auch in diesem Entwurf der Widersinn der Steuergesetzgebung bei den höheren Einkommen nicht beseitigt ist. Wenn zum Beispiel bei einem Einkommen über 250 000 DM 102 Prozent Einkommen- und Kirchensteuer bezahlt werden müssen, so ist das ein Widersinn, der doch beseitigt werden müßte.
Man hat heute davon gesprochen, daß man an einen Wendepunkt zu einer neuen Finanzpolitik stehe. Man könnte vielleicht einen Glauben dazu haben, wenn man nicht auf der andern Seite die Kostspieligkeit eines aufgeblähten Bundesverwaltungsapparates sehen würde und wenn man sich dazu entschlossen hätte, die Empfehlungen der Konferenz der Ministerpräsidenten zu erfüllen, daß nämlich das Maximum der Ministerien 9 ist und nicht, wie wir es erleben, 14 Ministerien, rein aus parteipolitischen Rücksichtnahmen.
Man könnte vielleicht diesen Glauben haben, wenn sich der Bund einer größeren Zurückhaltung bei der Übernahme neuer Aufgaben befleißigen würde, die von den Ländern bewältigt werden könnten. Ich möchte an das Wort eines Herrn der Linken erinnern, das hier einmal gefallen ist: wenn
man schon von Sparsamkeit spricht: soviel Staat wie notwendig und sowenig Staat wie möglich.
Ich möchte aber doch auf folgendes hinweisen. Wenn man heute darangeht, diese unmoralischen Steuergesetzgebungen etwas aufzulockern — ob das eine Auflockerung ist, wird die Zukunft zeigen —, so ist das doch nicht ein Geschenk der Bundesregierung und auch nicht eine auf Freiwilligkeit beruhende Senkung der Steuern; sondern was hier gemacht werden soll, geschieht nur unter dem Druck der ganz unmöglichen wirtschaftlichen Verhältnisse und unter dem Druck der öffentlichen Meinung.
Bei einer Gesamtbetrachtung und -beurteilung des Entwurfs und seiner Auswirkungen wird es wohl zutreffen, daß die Möglichkeit der Kapitalbildung, die hier angestrebt wird, auf breiter Basis kaum erhöht wird und daß mit einer Besserung der Steuermoral nicht zu rechnen ist. Wenn der Steuerunmoral ein stärkerer Kampf angesagt worden ist, so müssen zunächst auch die Voraussetzungen für eine ehrliche Steuergebarung geschaffen werden. Fernerhin wird diese Steuerreform kaum einen Anreiz zu mehr und intensiverer Arbeit bieten. Der Widersinn der Steuergesetzgebung bei den höheren Einkommen ist nicht beseitigt. Schließlich ist festzustellen, daß die Kompliziertheit der Steuergesetzgebung nicht geringer geworden ist. Somit wird die Möglichkeit der langen Vorbereitung der längst angekündigten Steuerreform keine nennenswerten Früchte zeitigen, und wir werden es großenteils mit einem unvollkommenen Flickwerk zu tun haben. Auch werden die erhofften Auswirkungen auf die breite Masse der Steuerpflichtigen nicht eintreten. Wenn aber nicht unverzüglich eine durchgreifende, sinnvolle und spürbare Steuerreform kommt, wird F die deutsche Wirtschaft bis 1952 kaum konkurrenzfähig werden, und man wird damit rechnen müssen, daß Zustände eintreten, die vielleicht nicht einmal mit denen der Jahre 1945 und 1947 verglichen werden können.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
— Sie kommen als übernächster dran.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegt der Entwurf zum neuen Einkommensteuergesetz vor. Wir haben gehört, was der Herr Finanzminister uns zu diesem Entwurf zu sagen hat. Der Herr Finanzminister, mit großen Fähigkeiten begabt als ehemaliger Einser-Jurist, hat es geradezu meisterhaft verstanden, hier über die eigentlichen schwachen Stellen dieses Gesetzes hinwegzuvoltigieren; und wenn man ihn gehört hat, dann möchte man glauben, dieses Gesetz bringe gegenüber dem bisherigen Zustand einen außerordentlichen Fortschritt, einen Fortschritt für die gesamte westdeutsche Wirtschaft und auch für die breiten Bevölkerungsschichten. In Wirklichkeit ist es leider ganz anders! Wer sich die Mühe genommen hat, diesen Gesetzentwurf wirklich im einzelnen, Paragraph für Paragraph, durchzustudieren, der muß leider feststellen, daß dieses Gesetz einen Rückschritt für unsere gesamte Wirtschaft bringen wird, die nur dann wieder gesunden kann, wenn die Regierung endlich einmal daran denkt, daß die Gesundung der Wirtschaft von der Heranziehung breitester
Konsumentenmassen und der Einschaltung dieser Konsumenten in die Wirtschaft abhängt. Ich bin keineswegs der Auffassung des Herrn Finanzministers, der gesagt hat, wir müßten von der Förderung des Konsums möglichst Abstand nehmen, von der Förderung des Konsums möglichst weg zur Förderung des Sparkapitals kommen. Solange die breitesten Bevölkerungsschichten bei uns noch nicht genügend zu essen haben — und sie haben noch nicht genügend zu essen —, ist es falsch, daß man versucht, uns gegenüber und vor allem dem Ausland gegenüber immer wieder den Eindruck zu erwecken, als würde allzuviel des deutschen Volksvermögens zur Zeit noch in den Verbrauch, zu den reinen Konsumtivindustrien abwandern. Aber das nur nebenbei.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf bringt allerdings Vorteile für eine ganz kleine Schicht der Bevölkerung, Vorteile für einige Hunderttausend von Großindustriellen und anderen Bevölkerungskreisen. Aber für die Masse unseres Volkes bringt dieses Gesetz einen Rückschlag. Darf ich Ihnen einzelne Beispiele nennen: Darf ich Ihnen sagen, daß dieses Gesetz für die Millionen der Heimatvertriebenen und der einheimischen Ausgebombten einen unerhörten Rückschritt bedeutet, daß hier die Abzüge, die Möglichkeiten für die Anrechnung von Sonderausgaben in einer Art und Weise beschnitten werden — teilweise bis auf ein Zehntel der jetzigen Möglichkeiten herunter —, die einfach nicht verantwortet werden kann. Ich finde es eigentümlich — um nicht ein schärferes Wort zu gebrauchen —, daß d r Sprecher der CDU, der Herr Abgeordnete Neuburger, heute zu diesem Gesetz ausgerechnet von hier aus Vorschläge gemacht hat, die sich durchaus mit dem decken, was auch wir von der WAV wollen, nämlich diese Benachteiligung der Heimatvertriebenen und der kleinen Leute unter allen Umständen aus dem Gesetz herauszubringen. Ich weiß nicht, warum der Sprecher der CDU diesen so komplizierten Weg, diesen falschen Weg gewählt hat. Warum hat die CDU nicht erreicht, daß uns ein Gesetzentwurf vorgelegt wurde, der alle die Dinge nicht enthält, die sich so sehr zum Nachteil der Heimatvertriebenen und der kleinen Leute auswirken? Dieser Weg wäre viel kürzer gewesen: Sie hätten zu ihrem Bundeskanzler Dr. Adenauer und zu ihrem Finanzminister gehen müssen, damit uns eine solche Vorlage nicht auf den Tisch des Hauses gelegt wurde. Statt dessen tut man hier so, als ob die CDU für die Interessen der kleinen Leute, der Arbeiter, der Heimatvertriebenen usw. einträte, damit das in den Zeitungen steht, damit man in der Öffentlichkeit sagen kann: wir wollen, daß für die Sonderausgaben ein vernünftiger Satz bestimmt wird usw.
Meine sehr verehrten Herren! Damit werden Sie das Vertrauen zur Demokratie in unserem Lande nicht steigern können, sondern der Mann auf der Straße hat Ihnen darauf zu antworten: warum sagt Ihr das nur im Bundestag? Ihr sitzt doch in der Regierung! Ihr habt doch die Möglichkeit, zu verhindern, daß ein solcher Finanzgesetzentwurf uns von der Regierung vorgelegt wird!
Die Anrechnungs- bzw. Nichtanrechnungsmöglichkeit der Sonderausgaben ist eine der allerübelsten Seiten dieses Gesetzes. Es gibt noch eine ganze Reihe anderer übelster Dinge, die es uns unmöglich machen, für dieses Gesetz zu stimmen.
Nun wird die Regierung und wird der Herr Finanzminister sagen: ja, wir brauchen Geld! Wir antworten Ihnen, Herr Finanzminister: Sie hätten genügend Geldquellen zur Verfügung! Gehen Sie an diese Geldquellen heran und schöpfen Sie sie endlich aus! Erfassen Sie endlich die unerhörten Milliardengewinne, die durch die Währungsreform von einigen zehntausend Großindustriellen gemacht worden sind! Erfassen Sie endlich die ebenso unerhörten Gewinne, die neuerdings anläßlich der Geldabwertung gemacht worden sind, die wir vor wenigen Wochen über uns haben ergehen lassen müssen! Erfassen Sie diese Gewinne, erfassen Sie die Vermögen der Großschieber dazu! Dann brauchen Sie nicht Steuern in diesem Umfange von den kleinen und mittleren Einkommen zu erheben, wie Sie es heute noch tun! Wir haben ganz andere Finanzquellen; diese werden aber nicht erfaßt. Es ist die Tatsache zu verzeichnen, daß eine ganze Reihe dieser großindustriellen Unternehmungen, die ich im Auge habe, Bilanzen aufmachen können, in denen sie die alten Reichsmark-Bilanzen ohne weiteres schon in D-Mark übernehmen. Wir haben die Tatsache, daß unerhörte Gewinne in den letzten Monaten auf den Aktienmärkten für verschiedene schwere Papiere der Großindustrie gemacht worden sind. Hier sollte man ganz anders als bisher vorgehen. Hier gibt es noch Quellen für den Herrn Finanzminister. Dann könnte er zu anderen Steuersenkungen kommen, als er sie bis jetzt im Auge hat.
Herr Finanzminister, es ist uns unmöglich, für diesen Gesetzentwurf zu stimmen. Der Gesetzentwurf wird jetzt an den Ausschuß gehen, und wir hoffen nur, daß sich im Ausschuß auch aus den Reihen der CDU einige finden werden, die mit uns zusammen, genau wie es der Herr Kollege Neuburger heute bereits getan hat, diesem Gesetzentwurf nicht bloß die Giftzähne ausziehen - das geht schon gar nicht mehr, dann hat das Gesetz keine Zähne mehr im Mund, bildlich gesprochen;
denn zuviele Giftzähne sind in diesem Gesetz enthalten —,
sondern die dafür sorgen werden, daß eine möglichst vollkommene Neugestaltung und Neufassung dieses Gesetzentwurfs zustande kommt.
Ich habe nicht die Redezeit dazu, um Paragraph für Paragraph durchzugehen. Sonst würde ich Ihnen nämlich beweisen können, welch unerhörte Bestimmungen in diesem Gesetz verankert sind. Sogar einige bekannte Wirtschaftszeitungen Westdeutschlands haben erklärt — ich kann dem Herrn Finanzminister diese Zeitungsartikel jederzeit zur Verfügung stellen; es sind keine sozialistischen Blätter, Herr Finanzminister! —, daß dieses Gesetz keinen Fortschritt für unsere Wirt- schaft bringt, sondern eher noch einen weiteren Rückschritt. Herr Finanzminister, helfen Sie uns bitte dabei, dieses Gesetz im Ausschuß ganz anders zu formulieren, als es uns heute vorliegt! Helfen Sie endlich einmal dabei, daß die Riesengewinne, die durch die Währungsreform gemacht worden sind, erfaßt werden! Dann erst wird es möglich sein, Ihnen die Zustimmung zu Ihren Finanzgesetzesvorlagen zu geben. D i es e Vorlage, Herr Finanzminister, ist für unsere gesamte deutsche Wirtschaft kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt, und wir werden den Gesetzentwurf in den kommenden Lesungen ablehnen müssen.
Wir hoffen nur, daß sich im Ausschuß manche finden werden, die sich den Standpunkt des Herrn Neuburger und unseren Standpunkt zu eigen machen, daß die Bestimmungen beseitigt werden müssen, die für die Heimatvertriebenen und für die Einheimischen in gleicher Weise einen Schlag ins Gesicht bedeuten.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Die Zentrumsfraktion hat vor einiger Zeit einen eigenen Entwurf in Unkenntnis des Regierungsentwurfs vorgelegt. Dieser eigene Entwurf der Zentrumspartei deckt sich, wie wir heute wissen, in weiten Teilen mit dem Regierungsentwurf. Auch wir wünschen, genau so wie es der Herr Finanzminister vorgeschlagen hat, gewisse steuerliche Senkungen in den mittleren Einkommensstufen. Aber — und das ist das Entscheidende — der Herr Finanzminister hat — meines Erachtens auf Anraten seiner Finanzverwaltung — vergessen, diejenigen Bevölkerungsschichten und diejenigen Teile der Bevölkerung in dem neuen Gesetzentwurf zu berücksichtigen, die eine Berücksichtigung besonders stark verdienen. Es ist heute hier sehr häufig von den Unternehmern und von der Kapitalbildung die Rede gewesen. Sie müssen sich aber einmal überlegen, daß es ja nicht nur um die Unternehmer und deren Kapitalbildung geht, sondern auch darum, die Lohnempfänger nicht durch die Steuer in ihrem Existenzminimum zu beschränken.
Es ist nicht wahr, was der Herr Finanzminister heute hier vorgetragen hat, daß die Belastung der niederen Einkommen in Deutschland die niedrigste in der Welt sei. Nach allen Statistiken, die bekannt gegeben worden sind, insbesondere auch nach dem Gutachten, das für die Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt angefertigt worden ist, sind die Belastungen gerade der unteren Einkommensteuerklassen in England und Amerika wesentlich niedriger als in Deutschland.
Eine Arbeiterfamilie mit einem Kind ist in England seit der Steuerreform von 1947 im allgemeinen steuerfrei.
Dasselbe gilt für Amerika, wo ein einzelner Arbeiter im allgemeinen keine Lohnsteuer zu zahlen hat. Ich habe nicht die Redezeit, um im einzelnen die Ziffern dieses Gutachtens, die aber, glaube ich, allgemein bekannt sind, vorzutragen. Ich nehme an, daß die Prozentzahlen, die uns seitens des Finanzministeriums vorgetragen worden sind, darauf zurückgeführt werden müssen, daß Sonderausgaben und Werbungskosten in den deutschen Ziffern mit eingerechnet sind, dagegen bei den vergleichbaren englischen und amerikanischen Ziffern nicht. In England sind beispielsweise für die Ehefrau 60 Pfund steuerfrei und für jedes Kind noch einmal 60 Pfund, für die Einzelperson 110 Pfund. Also die gesamten Voraussetzungen, von denen aus der Herr Finanzminister die Steuerbefreiung der Lohnempfänger ablehnt, sind meines Erachtens nicht richtig und werden im Ausschuß leicht zu widerlegen sein.
Wenn wir aber, meine Damen und Herren, davon ausgehen, dann ist es meiner Ansicht nach unsere allererste Pflicht, dafür zu sorgen, daß hier und dort, wo das Existenzminimum durch die Steuer gefährdet wird, diese Steuer tatsächlich aufgehoben wird. Das Existenzminimum steht für den Staat und als Einahmequelle für direkte Steuern nicht zur Verfügung. Die Lohnempfänger haben ja schon durch die Erhebung indirekter Steuern genügend zu zahlen.
Eine zweite breite Bevölkerungsschicht ist ebenfalls heute hier nicht erwähnt worden, und das ist der breite Kreis des Mittelstandes. Besteht denn das deutsche Leben nur aus der Industrie? Besteht das deutsche Leben nur aus den Unternehmern? Besteht denn das deutsche Leben nicht tatsächlich in ebenso breitem Maße aus den Handwerkern, den Kleingewerbetreibenden, den freien Berufen und der weiten, breiten Klasse des Mittelstandes, die ebensostarke Berücksichtung bei den Steuersenkungen verdienen wie die größeren Verdiener? Man muß doch einmal bedenken: das Einkommen des Mittelstandes dient zur unmittelbaren Befriedigung der dringendsten Lebensbedürfnisse. Und ist es nicht wichtiger, daß wir die Steuer dort senken, wo die dringendsten Lebensbedürfnisse in Frage stehen, als dort, wo es sich um Selbstfinanzierung und Kapitalbildung dreht? Ich glaube, wenn man diese Frage einmal nüchtern und objektiv betrachtet, dann wird man die Art der Steuersenkung durch das Finanzministerium nicht billigen können.
Meine Damen und Herren! Sie als Abgeordnete sind hier unmittelbares Staatsorgan. Es ist nicht etwa so, als wenn der Herr Finanzminister oder das Finanzministerium uns ein Geschenk machten, wenn sie eine gewisse Steuertabelle ausarbeiten. Sie alle haben nach den Erkenntnissen von den volkswirtschaftlichen Lind fiskalischen Notwendigkeiten selbst zu überlegen und zu überprüfen, ob der vorgeschlagene Tarif richtig ist. Wenn Sie zu dem Schluß kommen, daß der vorgeschlagene Tarif in seiner Stellung oder in seiner Stufung nicht den Bedürfnissen der breiten Bevölkerungsschichten entspricht. dann ist es Ihre Aufgabe und Ihre Pflicht, diesen Tarif entsprechend zu ändern.
Meine Damen und Herren, diese Pflicht können wir gar nicht ernst genug nehmen. Stellen Sie sich vor: Sie sind demnächst vor Ihren Wählern Rechenschaft schuldig. Ihre Wähler werden Sie fragen: Warum hast du nur an diesen relativ kleinen Kreis gedacht? Warum hast du nicht an die breiten Kreise gedacht, denen es doch tatsächlich durch die überhöhten Steuern nicht mehr möglich ist, ihre dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen? Ich glaube, wenn Sie sich diese Ihre Verantwortung richtig überlegen, dann werden Sie auch mit uns dazu kommen, den Tarif in den unteren Stufen entsprechend niedrig zu halten. Das gleiche gilt für die von uns gewünschte Erhöhung der Sonderausgaben für die Ehefrau, für die Erhöhung der Werbungskosten, die gar nicht mehr zeitgemäß sind.
Meine Damen und Herren! Die Regierungsvorlage bringt außer dem Tarif noch verschiedene andere Vorschläge, die von dem Herrn Vorredner bereits erheblich kritisiert worden sind und die, wenn ich die Debatte richtig verstanden habe, dazu geführt haben, daß sich die Regierung auch schon zu weitgehenden Konzessionen bereit gefunden hat. Einen Punkt allerdings vernachlässigt die Regierungsvorlage vollständig. Sie bringt nicht die Berücksichtigung der Möglichkeit einer
Erhöhung der Körperschaft- bzw. der Kapitalertragsteuer, die es der Regierung ermöglichen würde, ein etwaiges Loch aus den Steuersenkungen zu decken. Hier muß ich dem Finanzminister, insbesondere auch meinem Vorredner, Herrn Dr. Höpker-Aschoff rechtgeben: der Mut, der zu Steuersenkungen gehört, wird sich hundertfach bezahlt machen. Der Mut, Steuersenkungen durchzuführen, ist in verschiedener Hinsicht außerordentlich notwendig, aber auch vorteilhaft. Man bedenke, daß es sich ja hier nur um die Senkungen der direkten Steuern handelt. Die Senkung der direkten Steuern wird automatisch höhere Umsätze nach sich ziehen und damit ein höheres Umsatzsteueraufkommen erbringen. Sie wird ein höheres Aufkommen an indirekten Steuern erbringen und dadurch mit dazu beitragen, die Arbeitslosenzahl herabzusetzen.
Ein weiterer Punkt, der bei diesem Einkommensteuergesetz wohl überlegt sein will, ist vor allem auch die Frage der Staatsausgaben. Der Herr Finanzminister hat uns eben erzählt, die Ausgaben für die eigentlichen Staatsaufgaben wiesen sinkende Tendenz auf. Er hat das damit begründet, daß die Gesamtziffer von 8000 Milionen im vorigen Jahr auf 7777 Millionen in diesem Jahr herabgesunken sei. Das bedeutet keineswegs eine sinkende Tendenz; denn in den öffentlichen Ausgaben sind auch sächliche Ausgaben enthalten. Diese sächlichen Ausgaben sind infolge der im Jahre 1949 allgemein gesunkenen Preise im Vergleich zum Jahre 1948 automatisch geringer geworden. Diese Ersparnis aus den geringeren sächlichen Ausgaben dürfte meines Erachtens bei einem Gesamtobjekt von 8000 Millionen den Betrag von 250 Millionen erheblich überschreiten. Ich schätze, daß, wenn wir den durchschnittlichen Preisrückgang berücksichtigen, wir keine Ermäßigung der Staatsausgaben, sondern eine Erhöhung der tatsächlichen Staatsausgaben zu verzeichnen haben.
Hier wäre eine der Hauptaufgaben des Finanzministers, dieser verhängnisvollen Entwicklung der Erhöhung der Staatsausgaben entgegenzutreten und dafür zu sorgen, daß beispielsweise im Wirtschaftsministerium nicht 44 PKWs betrieben werden und daß der Verbindungsminister nicht 3 PKWs für die Verbindungsfahrt vom Bundestag zum Bundesrat benötigt. Diese aufzugreifen und hier einmal zur Sprache zu bringen, dürfte meiner Ansicht nach wesentlich nützlicher sein, als mit gewissen Zahlenspielereien einen Eindruck hier hervorzurufen, der einer genauen Nachprüfung einfach nicht standhält.
Meine Damen und Herren! Ich werde gerade darauf aufmerksam gemacht, daß meine Redezeit abgelaufen ist. Es tut mir leid, daß ich in dieser Öffentlichkeit das, was wirklich zur ersten Beratung über die verschiedenen Punkte noch zu sagen wäre, nicht weiter vortragen kann. Auf der andern Seite aber hoffe ich — und ich glaube, dazu begründeten Anlaß zu haben —, daß wir uns alle im Ausschuß zu einer Fassung des Gesetzes durchringen können, die uns in der zweiten Beratung von allen Seiten weniger Kritik und mehr Zustimmung zu geben gestattet. Ich hoffe deshalb, daß wir nach der zweiten Beratung zu einer gewissen Übereinstimmung kommen werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rische.
Meine Damen und Herren! Es ist eine alte Erkenntnis, daß bei einer Steuervorlage jede Regierung ihr wahres politisches und — mit allen Vorbehalten gegen ein gutes Wort — soziales Gesicht zeigt. So ist es auch bei der heutigen Regierungsvorlage zur Änderung der Einkommensteuer. Wir hörten vom Herrn Finanzminister eine wahre Kaskade von Zahlen über die schwierige finanzielle Lage des Bundes. Uns haben diese Zahlen in keiner Weise überrascht. Wir wußten, daß die Gründung des westdeutschen Staates mit unerhörten finanziellen Belastungen verbunden sein wird, und wir haben recht gehabt. Dieser Bundesstaat erweist sich heute als ein Staat, in dem in Zukunft keine Regierung eine gesunde Finanzwirtschaft aufweisen wird und, wie der Herr Finanzminister so treffend sagte, einen Felsenpfad beschreiten muß, während links und rechts ein Abgrund klafft.
Die vom Herrn Finanzminister begründete Neuregelung der Einkommensteuergesetzgebung wurde auch bereits seit Monaten von interessierten Kreisen mit allen Mitteln propagiert, und zwar sehr massiv propagiert. So hat beispielsweise das offizielle Organ des Bundeswirtschaftsministers „Der Volkswirt" schon am 4. November 1949 unter dem Titel „Umbau der Steuerlast" folgendes geschrieben:
Dieses Steuersystem
— der Regierung Adenauer —muß der Wirtschaftslage angepaßt sein. Es muß vor allem Schluß machen mit der grundsätzlich kapitalfeindlichen Einstellung des gegenwärtigen Steuersystems.
Dies stand im offiziellen Organ des Wirtschaftsministeriums.
- Sie haben vielleicht Pech gehabt und die betreffende Nummer nicht gelesen!
— Das müssen Sie besser wissen!
Der Herr Finanzminister hat in seiner politischen Begründung dieser Steuervorlage eine ganze Reihe sehr interessanter Thesen von sich gegeben, die ich sinngemäß einmal in Kürze zitieren will.
„Es gibt Wege, um neue Mittel zu gewinnen", und er dachte dabei wahrscheinlich an eine Kapitalspritze aus den USA. Er sagte auch: „Wir müssen im kleinen sparsam sein", und dabei dachte er wohl: die Kleinen müssen sparen! Er sagte auch: „Interessentenkreisen sollen keine Geschenke mehr gemacht werden"; und ich denke: diese ganze Steuervorlage ist ein Geschenk an die Schwerindustrie!
Diese Auffassung, meine Damen und Herren, wird auch in der Regierungserklärung vom 20. September 1949 vom Herrn Bundeskanzler in aller Ausführlichkeit erläutert. Nehmen Sie die, Begründung dieser Vorlage vor, in der Sie folgende Sätze lesen können:
Eine verstärkte Kapitalbildung hängt von der
Erfüllung zweier Voraussetzungen ab: von
einer Herabsetzung der Steuertarife und der Wiedergewinnung des Vertrauens der Sparer.
Die allgemein notwendige steuerliche Entlastung und damit die Möglichkeit einer größeren Kapitalbildung soll durch eine Auseinanderziehung des Einkommensteuertarifs geschaffen werden, —
und so weiter und so fort. Das ist der rote Faden, der sich durch dieses Gesetz zieht: Kapitalbildung zugunsten der Besitzenden!
— Nein, Sie irren sich! Sie setzen Wirtschaft mit Volkswirtschaft gleich und nicht Wirtschaft, wie Sie sie verstehen, mit Besitzergreifung und Profitmachen!
Man denkt also an Steuergeschenke, die der Industrie zugute kommen zur Verstärkung der Kapitaldecke. Das ist das Programm der Regierung, die im Volksmund heute schon als eine Regierung der Millionäre bezeichnet wird.
Die bisherigen Anreize reichen aber den westdeutschen Unternehmern noch nicht aus, um die Kapitalbildung in erheblichem Umfang vornehmen zu können, und sie verlangen vom Staat neue Steuerprivilegien. Deshalb mußte in diesem Gesetz die bis jetzt angewandte Progression zugunsten der höheren Einkommen verändert werden. In den höheren Lagen ist, wie der Herr Finanzminister selber bestätigte, mit einer Steuersenkung bis zu 20 und mehr Prozent zu rechnen. Ein Kollege hat hier eine runde Summe von etwa 7- bis 800 Millionen D-Mark genannt; ein nettes Geschenk an die Schwerindustrie!
Weitere wesentliche Begünstigungen werden den großen Monopolgesellschaften gewährt, soweit sie ihre Gewinne zur Akkumulation in den Betrieben belassen. Die herabgewirtschafteten und kapitalschwachen kleineren Betriebe können von dieser Begünstigung kaum Gebrauch machen, weil sie laufend teure Kredite aufnehmen mußten, um Ersatzbeschaffungen durchzuführen. Von nichtentnommenen Gewinnen und Rückstellungen kann in diesen Klein- und mittleren Betrieben in der Regel heute nicht die Rede sein. Diese Betriebe verfallen dann dem sogenannten Umstellungs- und Bereinigungsprozeß und werden ein Opfer der großen Betriebe, die den Monopolgesellschaften angeschlossen sind.
Ein ganz besonderes Kapitel in dieser Vorlage sind die Vergünstigungen, die den ausländischen Kapitalgebern, den ausländischen Kapitalaneignern in Deutschland gewährt werden sollen. Gerade diese Vergünstigungen für das ausländische Kapital sind wiederum bezeichnend für den Geist der Adenauer-Regierung. Die Regierung Adenauer will den ausländischen Geldgebern Aussichten auf Profit in Deutschland eröffnen, damit sie eher geneigt sind, ihre Millionen und Milliarden in Deutschland anzulegen und zu guter Letzt die ganze deutsche Wirtschaft damit auszukaufen.
Dem stehen wesentliche Steuerverschlechterungen beispielsweise bei den Sonderausgaben der Flüchtlinge und Bombengeschädigten gegenüber. Daß das tatsächlich so ist, können Sie der Be-
gründung entnehmen. Wie oft, meine Damen und Herren, hörten wir von dieser Stelle aus Reden der Regierungsvertreter, die sich mit sehr viel Pathos für die Flüchtlingshilfe, eine Hilfe für die Bombengeschädigten, also die Sozialgeschädigten unseres Vaterlandes aussprachen. Hier hätte man eine Gelegenheit gehabt, gerade diesen besonders geschädigten Kreisen des deutschen Volkes weitere steuerliche Vergünstigungen zu gewähren.
— Ich setze mich hier mit der Regierungsvorlage auseinander, und das ist auch Ihre Vorlage!
Alle Steuergesetze und Gesetzentwürfe seit 1945 begünstigten fast ausschließlich die großen Unternehmungen, während die Millionen Werktätiger in den meisten Fällen kaum einen Anspruch auf irgendeine Vergünstigung steuerlicher Art erhielten. Sie alle wissen ganz genau, daß demgegenüber die westdeutsche Industrie — wie das jetzt aus den Berichten über die D-Mark-Umstellung hervorgeht — kräftig Profite gemacht hat, daß die westdeutsche Industrie ihre Kapitalumstellung im Verhältnis 1 zu 1 vornimmt, während die Werktätigen in Westdeutschland alle Verluste bei der Restaurierung des Kapitals zu tragen haben.
Man könnte zu dem Problem der Steuern sehr viel sagen. Die Regierungsparteien und einige andere Parteien dieses Hauses waren jedoch klug genug, die Redezeit zu beschränken.
Diese Parteien wünschen nicht, daß die Forderungen des werktätigen Volkes und des Mittelstandes zu einer wirklichen Steuerreform hier vertreten werden können. Aber verlassen Sie sich darauf, meine Damen und Herren: das Volk hört zu und hört mit!
Das Volk wird eines Tages begreifen, daß die Gesetze, die hier beschlossen werden, nicht den Interessen der breiten Massen unseres Vaterlandes dienen, sondern nur einer hauchdünnen Schicht von Großverdienern, die dazu noch seit der Währungsreform riesige Profite einsteckten und nun wiederum durch ein neues Steuergeschenk der Regierung für, wie es heißt, „ihre Arbeit am Wohlstand des deutschen Volkes" belohnt werden sollen. Ich möchte statt dessen sagen: sie sollen belohnt werden für ihre Mitarbeit bei der Restauration reaktionärer kapitalistischer Verhältnisse.
Die kommunistische Fraktion wird bei den Beratungen der Vorlage eine Reihe von wesentlichen Vorschlägen zu dem Gesetz machen, um die Interessen des kleinen Mannes z u wahren, der die Steuerlast zu tragen hat, der auch die indirekten Steuern zu zahlen hat, die jetzt von der Regierung auferlegt werden, Treibstoffsteuern, Notopfer Berlin usw. Wir werden also einige Anträge einbringen, um die Steuerinteressen des kleinen Marines hier in diesem Parlament zu vertreten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Meine Damen und Herren, es ist Überweisung des vorliegenden Gesetzentwurfs an den Ausschuß für Finanzen vorgesehen. Ich bitte diejenigen, die für diese Überweisung sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Die
Überweisung an den Ausschuß für Finanzen ist mit überwiegender Mehrheit beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 5 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten im zweiten Rechnungshalbjahr 1949 .
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kann mich bei der Begründung dieser Vorlage sehr kurz fassen. Es handelt sich um die Regelung des sogenannten Finanzausgleichs unter den deutschen Ländern bis zum Abschluß dieses Rechnungsjahres. Ich stelle mit Befriedigung fest, daß es gelungen ist, unter den deutschen Ländern eine Einigkeit über diese Frage zu erzielen, über eine Frage, die wesentlich den Interessenkreis der Länder selbst und die Verhältnisse unter ihnen betrifft. Nachdem es erfreulicherweise gelungen ist, auf diesem schwierigen Gebiete eine Einigung zu erzielen, glaube ich, daß der Bundestag dieser Einigung der Länder beitreten wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Morgenthaler.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf macht den erfreulichen Versuch, die Kriegslasten auf alle Schultern zu verteilen. Bei seiner Durchsicht fällt uns auf, daß unter den hier genannten Ländern, die in den Ausgleichsstock bezahlen, und solchen, die vom Ausgleichsstock etwas erhalten, die beiden süddeutschen Länder SüdwürttembergHohenzollern-Lindau und Baden nicht genannt sind. Der Herr Bundesfinanzminister hat es soeben als eine erfreuliche Tatsache bezeichnet, daß unter den Ländern Einigkeit erzielt wurde. Ich darf aber darauf hinweisen, daß gerade meine badische Heimat sich mit dieser Regelung nicht einverstanden erklärt, und ich weiß, daß auch Südwürttemberg-Hohenzollern-Lindau mit dieser Regelung nicht einverstanden ist.
Bei Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse dieser süddeutschen Länder müssen wir uns vor allen Dingen vergegenwärtigen, welche außergewöhnlichen Lasten diese beiden Länder zu tragen haben. Wenn ich mich jetzt im besonderen um die badischen Verhältnisse kümmere, so schließe ich doch gleichzeitig die Belange von Südwürttemberg-Hohenzollern und Lindau mit ein, weil dort die Verhältnisse ähnlich gelagert sind.
Es ist im Bundesrat anerkannt worden — und das ist eine erfreuliche Tatsache —, daß in Baden die Besatzungslast tatsächlich außerordentlich groß ist. Der Herr Berichterstatter hat auch im Bundesrat festgestellt, daß diese Regelung nicht die Zustimmung der beiden Länder, insbesondere nicht Badens, finden wird und daß in Baden das Gefühl einer ungerechten Behandlung entsteht. Ich muß Sie bitten, davon Kenntnis zu nehmen, daß die Besatzungslasten gerade Badens weit über dem Bundesdurchschnitt liegen. Wir zahlen in Baden an Besatzungslasten 49 Prozent unseres Steueraufkommens, während dieser Satz im Bundesdurchschnitt 32 Prozent beträgt oder, auf den Kopf der Bevölkerung umgerechnet, 148 Mark gegenüber 95 Mark im Bundesdurchschnitt. Wir
bezahlen also 17 Prozent Besatzungskosten mehr als die übrigen Bundesländer. Wenn wir die gesamten Kriegslasten betrachten, müssen wir feststellen, daß Südbaden allein zu 78 Prozent seines Steueraufkommens an diesen Kriegsfolgelasten zu tragen hat, während der entsprechende Satz im Bundesdurchschnitt 60 Prozent beträgt. Schon an diesen wenigen Zahlen sehen Sie, daß hier besonders schwierige Verhältnisse vorliegen. Wir dürfen daher erwarten, daß man diese beiden Länder bei der Regelung der Besatzungslasten entsprechend berücksichtigt.
Der Herr Berichterstatter hat im Bundesrat darauf hingewiesen, daß in diesen beiden Ländern die Fürsorgelasten für die Vertriebenen, für die vertriebenen Beamten „und derlei mehr", wie er sich ausgedrückt hat, weit geringer seien. Der badische Staatspräsident hat bei dieser Sitzung erklärt, das Land Baden wolle sich in gar keiner Weise seiner deutschen und seiner christlichen Verpflichtung entziehen, Anteil zu nehmen an der Verteilung der vom Krieg so schwer Betroffenen, und ich glaube, die Aufnahme, die die Flüchtlinge gerade in Baden gefunden haben, kann sich in bezug auf Behandlung und Entgegenkommen gegenüber den übrigen Bundesländern sehr wohl sehen lassen. Wir haben allein bis zum Zeitpunkt jener Bundesratssitzung vom 9. Dezember 149 000 Heimatvertriebene aufgenommen. Das ist freilich nicht soviel wie in Bayern oder gar Schleswig-Holstein oder Niedersachsen; aber diese Regelung kann ja auch nicht rein schematisch erfolgen, sondern hier müssen die besonderen Verhältnisse eines Landes Berücksichtigung finden. Der Herr Staatspräsident hat gerade auch auf die besonderen Belastungen des Landes Baden hingewiesen, und ich hoffe nicht, daß der Herr Berichterstatter im Bundesrat auch von jenen erhöhten Ausgaben des Landes hat sprechen wollen, die auf sozialem Gebiet liegen. Es ist Ihnen allen miteinander bekannt, und wir Badener freuen uns darüber, daß es dank der Zustimmung der Besatzungsmacht gelungen ist, die Sozialaufwendungen in einer Höhe zu halten, die der der früheren Reichsregelung entspricht. Wir sind weit davon entfernt zu glauben, daß wir damit restlos unsere Pflicht erfüllen oder daß wir gar die gewaltigen Opfer, die dieser Personenkreis gebracht hat, irgendwie ersetzen können. Ich bin der Auffassung, daß das niemand kann. Auch der reichste Staat wird gerade diesen Opfern des Krieges das nicht ersetzen können, was sie verloren haben. Aber wir freuen uns, daß wir hier mehr haben tun können, als es in den übrigen Bundesländern möglich gewesen ist.
Wenn man alle diese Lasten zusammenrechnet, ergibt sich für das Land Baden — und ich schließe hier Südwürttemberg mit ein - eine außerordentlich hohe Belastung. Es will uns daher unverständlich erscheinen, daß das Bundesfinanzministerium nicht eine Regelung getroffen hat, die auch die Besatzungslasten von Baden entsprechend berücksichtigt. Der badische Staatspräsident hat schon im November, als sich die Gefahr abzuzeichnen begann, daß Baden aus dem Finanzausgleich nichts bekommen würde, die französische Militärregierung darauf hingewiesen, daß er nicht in der Lage sei, die Rate der Besatzungskosten im November zu bezahlen. Hätten wir sie bezahlt, dann hätten wir für die gesamte Staatsverwaltung nur noch 36 Prozent der Einnahmen zur Verfügung gehabt. Es wäre also nicht möglich gewesen, das zu tun, was in einem geordneten Staatswesen notwendig ist. So bleiben wir nun mit unseren Besatzungslasten seit November wesentlich zurück. Am 27. Dezember hat dann die französische Militärregierung die badische Staatsregierung wissen lassen, sie stehe auf dem Standpunkt, daß, nachdem die Besatzungslasten jetzt endgültig verteilt seien, die badische Regierung nun die Aufgabe habe, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln hauszuhalten und daraus alle Ausgaben zu bestreiten, daraus also auch die Besatzungslasten zu bezahlen. Der badische Staatspräsident hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Regelung der Besatzungskosten Aufgabe des Bundes ist. Wir sollten aber die Rückstände, die wir seit November haben — zum Teil haben wir noch frühere Rückstände —, in wenigen Tagen zahlen können. Das ist nicht möglich. Daher möchte ich wirklich hoffen, daß im Laufe der Beratungen die berechtigten Wünsche von Baden und von Südwürttemberg in irgendeiner Form Berücksichtigung finden. Die beiden Länder haben früher zu Ländern gehört, die stabile Verhältnisse gehabt haben und geordnete Staatswesen darstellten, Staatswesen, die sich selber erhalten konnten und die durch ihre Leistungen gezeigt haben, daß sie lebensfähig sind. Deshalb möchte ich Sie bitten, daß Sie jetzt das notwendige Verständnis für unsere badischen, südwürttembergischen, hohenzollerischen und lindauischen Belange aufbringen. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß der Bundestag, nachdem er sich in so vorbildlicher Weise ganz besonders der sozial Schwachen angenommen hat, auch hier das Beispiel, das wir in den letzten Monaten mehrfach gesehen haben, nachahmt und den Verhältnissen von Baden und Südwürttemberg jene Berücksichtigung angedeihen läßt, die für diese beiden Länder notwendig ist. Ich hege die Hoffnung, daß Sie, meine Damen und Herren, nicht bloß große Sympathie für unser Schwarzwälder Kirschwasser und für unsere schöne, herrliche Landschaft haben, sondern daß Sie auch einen gesunden Sinn und eine offene Hand für unsere zur Zeit so schwerwiegenden Belange haben werden. Wir wollen hoffen und wünschen, daß es in der Zukunft gelingt, daß wir wieder in geordnete Verhältnisse zurückkommen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Interesse der Sauberhaltung des politischen Kampfes habe ich als CDU-Abgeordneter von Rheinland-Pfalz zu dem vorliegenden Gesetz über den Kriegsfolgelastenausgleich folgende kurze Erklärung abzugeben.
In der „Rheinischen Landeszeitung" vom gestrigen Tage sind unter dem Titel „Ein Staatstrinkgeld" im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetzentwurf schwere politische Beschuldigungen gegen die Herren Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz verbreitet worden. Insbesondere wurde unterstellt, die in dem vorliegenden Gesetz vorgesehene Finanzausgleichszahlung des Landes NordrheinWestfalen für das Land Rheinland-Pfalz in Höhe von 43 Millionen stehe im Zusammenhang mit der kürzlich erfolgten, bekanntlich sehr umstrittenen Erneuerung der Koalition der CDU mit der SPD in Koblenz, ja diese Zahlung sei ein „Staatstrinkgeld" des Herrn Ministerpräsidenten Arnold an Herrn Ministerpräsidenten Altmeier anläßlich der
Erneuerung der Koalition zwischen CDU und SPD in Koblenz.
Meine Damen und Herren! Unbeschadet meiner persönlich nach wie vor ablehnenden Haltung zur Koblenzer Koalition sehe ich mich aus eigenem Antrieb veranlaßt, zugleich namens meiner politischen Freunde diese Beschuldigung gegen die beiden Herren Ministerpräsidenten vor aller Öffentlichkeit als unmögliche politische Kampfmethode zu kennzeichnen.
Jedermann kann sich davon überzeugen, daß der Ausgleich der Kriegsfolgelasten, der zwischen den Ländern der Bizone schon längere Zeit durchgeführt ist, über Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag auf ordnungsmäßigem gesetzlichen Wege auf die französische Zone ausgedehnt wird. Die Unterstellung, es handle sich um eine Zahlung zu politischen Zwecken, ist eine bedauerliche Entgleisung.
Sie kann auch mit der Stärke der sachlichen Gegensätze nicht entschuldigt werden. Solche Methoden können der Sache, der sie dienen sollen, nur alles andere als nützlich sein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat als wesentlichsten Vorteil dieser Vorlage herausgestellt, daß es endlich gelungen sei, eine Einigung über den Finanzausgleich zwischen den steuerstärkeren und -schwächeren Ländern herbeizuführen. Er hat es aber peinlich vermieden, auch nur anzudeuten, auf welche Ursachen diese Unterschiedlichkeit der Leistungsfähigkeit der verschiedenen Ländchen dieser Republik zurückgeht, — man darf diese Republik ja nicht mehr charakterisieren, ohne Gefahr zu laufen, sich einen Ordnungsruf zuzuziehen!
Hätte er diese Ursachen genannt, dann hätte er zum Beispiel vom überspitzten Föderalismus als Ursache reden müssen — oder zumindest als Teilursache! Er hätte von der bewiesenen Tatsache reden müssen, daß auf Grund der unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Struktur der Ländchen dieser Bundesrepublik einige Länder überhaupt nicht lebensfähig sind. Er hätte aber auch davon reden müssen, welchen Anteil an den allgemeinen Kriegsfolgelasten die Besatzungskosten ausmachen.
Der Vertreter von Südwürttemberg und Baden hat die hier getroffene Lösung begrüßt. Aber ich darf daran erinnern, daß am 8. September vorigen Jahres dem Hohen Hause von unserer Fraktion ein Antrag vorgelegt worden ist, in dem wir forderten, daß der Herr Bundeskanzler den Herren Hohen Kommissaren klarmachen soll, daß wir nur noch in der Lage und gewillt sind, die Hälfte der bisherigen Besatzungskosten zu bezahlen. Dieser Antrag liegt — das sage ich an die Adresse des Bundestags — mit Willen der Mehrheit dieses Bundestags seit September unerledigt in der Schublade des betreffenden Fachausschusses. Der Herr Bundeskanzler Dr. Adenauer hat bei den verschiedenen Besuchen, die er auf dem Petersberg gemacht hat oder machen mußte — manche hatten ja höchst unliebsame Ergebnisse für uns! —, auch noch keine Gelegenheit genommen, die Frage der Besatzungskosten zu stellen. Hier steht aber die eine Tatsache fest, daß wir 4,7 Milliarden Besatzungskosten zu tragen haben. Die Tatsache steht eindeutig da, daß wir eine wesentlich günstigere finanzielle Situation im Bundesgebiet hätten, wenn es uns gelungen wäre, die Besatzungskosten auch nur um die Hälfte zu senken. Ich frage: warum hat man sich nicht bemüht, dieses Urübel zu lindern oder gar zu beseitigen? Ich gebe die Antwort: weil Sie die Besatzung wollen und weil Sie deshalb gar nicht bemüht und bestrebt sein können, die Besatzungskosten zu senken. Es schien mir notwendig, einmal das Unechte in dem Lied, das hier gegen die Besatzungskosten gesungen wird, klar herauszustellen.
Im übrigen bin ich durchaus der Meinung, daß man unter normalen wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen auch einen Finanzausgleich braucht; aber mehr als fraglich ist es, ob dieser Finanzausgleich die hier in diesem Gesetzentwurf vorgesehenen Formen, diesen Umfang annehmen muß. Für diesen Umfang, das heißt für die ungeheuerliche Belastung gewisser Länder, ist in allererster Linie das Kapitel Besatzungskosten verantwortlich zu machen.
Das hier im Namen meiner Fraktion auszusprechen, war mir nicht nur Bedürfnis, sondern schien mir eine Pflicht zu sein.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Ich habe Sie nur zu bitten, von einem Druckfehler Kenntnis zu nehmen, der in der Drucksache Nr. 318 enthalten ist. Im § 2 des Gesetzentwurfs letzte Zeile muß die Ziffer nicht lauten 30 Millionen, sondern 308 Millionen. Ich bitte, davon Kenntnis zu nehmen und die Ziffer entsprechend richtigzustellen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Es ist vorgeschlagen, den Antrag dem Ausschuß für Finanzen zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die für die Überweisung sind, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Minderheit. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen nun zu Punkt 6 der Tagesordnung: Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung von Abschlagszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer 1950 .
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Hier handelt es sich um einen Gesetzentwurf, der lediglich den Übergang zu finden sucht, da der Gesetzentwurf zur Änderung der Einkommensteuer, der am 1. Januar 1950 in Kraft treten sollte, bis dahin nicht Gesetz geworden ist. In dem Gesetzentwurf zur Änderung der Einkommensteuer war vorgesehen, daß künftig die alten Termine für die Vorauszahlungen der Einkommensteuer wieder eingeführt werden sollten, also 10. März und vierteljährlich ab-
laufend das Jahr hindurch. Der 10. März war absichtlich gewählt, um dadurch den Ländern die Möglichkeit zu geben, über gewisse Übergangsschwierigkeiten hinwegzukommen. Es ist nunmehr fraglich, ob das Gesetz zur Änderung der Einkommensteuer bis zum 10. März in Kraft treten kann. Darum wurde dieses Gesetz vorgelegt, das den einzelnen Ländern je nach ihren Verhältnissen die Möglichkeit bietet, über ihre kassentechnischen Schwierigkeiten hinwegzukommen. Ich bemerke ausdrücklich, daß von diesem Gesetz, wenn es in Kraft tritt, nach meiner Kenntnis nur einzelne Länder Gebrauch machen werden. Ich weiß von großen Ländern schon, daß sie es vorziehen werden, bei den Vierteljahrszahlungen zu bleiben. In einzelnen Ländern kann aber eine Schwierigkeit entstehen, und um den Ländern die Möglichkeit zu bieten, über diese Schwierigkeiten hinwegzukommen, ist Ihnen der Entwurf vorgelegt worden. Die Bestimmung in § 1 Absatz 3 des Gesetzes legt es ja ausdrücklich in das Ermessen des einzelnen Landes, ob es Gebrauch machen will. Es ist ein Notgesetz, das einen Übergang in der Gesetzgebung für etwaige kassentechnische Schwierigkeiten eines oder des anderen Landes zu finden sucht.
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht vor. Überweisung an den Ausschuß für Finanzen ist vorgeschlagen. Ich bitte diejenigen, die einverstanden sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Damit ist die Überweisung an den Ausschuß für Finanzen beschlossen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerveranlagung für die Veranlagungszeiträume vom 21. Juni 1948 bis 31. Dezember 1948 und das Kalenderjahr 1949 (Drucksachen Nr. 313 und 376).
Das Wort hat zur Berichterstattung der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Es handelt sich um ein mehr technisches Gesetz, das nur in wenigen Bestimmungen erhebliche materiell-rechtliche Bedeutung hat. Ich bitte Sie, den Umdruck, der sich im Anschluß an die Nr. 313 der Drucksachen befindet, einmal anzusehen, in dem auf der linken Seite die Fassung. des Regierungsentwurfs und auf der rechten Seite die Fassung, wie sie der Gesetzentwurf nach den Ausschußberatungen erhalten hat, schon wiedergegeben ist.
Zu den Bestimmungen des § 1 sind Änderungsvorschläge im Ausschuß nicht gemacht worden.
Zu den Bestimmungen des § 2 des Gesetzes sind Abänderungsvorschläge gemacht worden, und zwar handelt es sich darum, daß zur Anpassung der Sonderausgaben an den halbjährlichen Veranlagungszeitraum des zweiten Halbjahres 1948 zuzüglich der neun Tage vom 21. Juni bis 30. Juni 1948. die Sonderausgaben entsprechend herabgesetzt werden mußten. Das ist richtig für alle diejenigen Sonderausgaben, die in regelmäßiger monatlicher Folge geleistet werden. Für diejenigen aber, die einmalig geleistet werden, würde eine solche schematische Herabsetzung des zulässigen Höchstbetrages eine Benachteiligung der Steuerpflichtigen mit sich bringen. Es ist deshalb im
Ausschuß beschlossen worden, daß für Versicherungsaufwendungen der gekürzte Betrag von 300 Mark wieder auf den vollen Jahresbetrag von 600 Mark erhöht wird und daß die gleiche Regelung für Aufwendungen gelten soll, die zur Wiedererhöhung einer Lebens- oder Rentenversicherung auf Grund des § 6 Ziffer 8 der 3. Durchführungsverordnung zum Dritten Gesetz zur Neuordnung des Geldwesens gemacht werden. Diese einmaligen Aufwendungen sollen dann eben mit dem vollen Jahresbetrag der Sonderausgaben gedeckt werden können.
Eine weitere Abänderung wurde zu § 2 Absatz 2 vorgenommen. In der zweiten Zeile muß es hinter dem Wort „Feststellungszeitpunkt" heißen „".
Hinter § 4 soll ein neuer § 4 a eingefügt werden. Bei Inanspruchnahme der Steuervergünstigung für den nichtentnommenen Gewinn nach § 10 Absatz i Ziffer 3 des Einkommensteuergesetzes, das heute ja wiederholt zitiert worden ist, bleibt die Frage offen, wie der nichtentnommene Gewinn ermittelt werden soll. An der grundsätzlichen Regelung, daß bei einer Aufteilung des Gewinns in den Fällen des § 3 des Zweiten Gesetzes zur vorläufigen Neuordnung von Steuern und den entsprechenden Vorschriften die tatsächlichen buchmäßigen Entnahmen im jeweiligen Veranlagungszeitraum maßgebend sein sollen, wird nichts geändert. In diesen Fällen liegt ein Abschluß zum 31. 12. 1948 nicht vor. Die auf das zweite Halbjahr 1948 entfallenden Entnahmen sind also in diesem Fall nicht abgegrenzt worden. Andererseits haben insbesondere Personengesellschaften, offene Handelsgesellschaften usw. bei einer Verbindung der Geschäftsjahre vom 21. 6. 1948 bis zum 31. 12. 1949 die nach dem Gesellschaftsvertrag zulässigen Gewinnentnahmen erst bei Vorliegen der endgültigen Bilanz machen können. Es sind also Entnahmen nur am Ende des gesamten Veranlagungszeitraumes, der sich dann über etwas mehr als 18 Monate erstreckt, gemacht worden. Aus diesen Gründen dürfen bei derartigen Steuerpflichtigen auf Antrag die Entnahmen im gleichen Verhältnis wie der Gesamtgewinn verteilt werden, also nach dem zeitlichen Verhältnis. Diese Vorschrift ist aber nur auf Antrag anwendbar, um eine nachteilige Behandlung der Steuerpflichtigen für diese Fälle zu vermeiden. Die Fassung des neuen § 4 a brauche ich wohl nicht vorzulesen. Sie finden sie in dem Umdruck vor sich liegen.
Zu § 7 bestanden erhebliche Abänderungswünsche. Die Formulierung des Bundesfinanzministers wurde von mehreren Seiten einer Kritik unterzogen, weil sie zu eng war. Die alte Formulierung hätte es ' möglich gemacht, daß ein Heimkehrer, der beispielsweise 1939 schon ein Einkommen gehabt hätte, die Vergünstigung des § 7 nicht hätte in Anspruch nehmen können. Das heißt also, er hätte die Jahrestabelle für einen Halbjahresabschluß auf sein Einkommen nicht zur Anwendung bringen können. Um diese möglicherweise ungerechte Auswirkung zu beseitigen, ist dann nach langer und eingehender Beratung gerade dieses Punktes eine Fassung gefunden worden, die es erlaubt, daß Heimkehrer, Flüchtlinge oder ihnen gleichzustellende Personen, die im Kalenderjahr 1948 vor dem 21. Juni nicht mehr als 1 200 Reichsmark steuerpflichtiges Einkommen bezogen haben, von der Vergünstigungsvorschrift noch Gebrauch machen können. Wenn also ein
Heimkehrer kurz vor dem 20. Juni aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt ist und nur ein geringes Einkommen gehabt hat, so kann er doch noch von der Vergünstigungsvorschrift Gebrauch machen. Es wurde im Ausschuß ferner klargestellt, daß diese Bestimmung auch für Zwangsevakuierte aus dem Westkriegsgebiet ebenso gelten soll wie für diejenigen Personen, die beispielsweise aus politischen Gründen aus der Ostzone fliehen müssen und hier ein Asylrecht in Anspruch nehmen. Das ist mit dem Ausdruck „gleichzustellende Personen" gemeint.
In § 7 Absatz 2 bezweckt die vorgeschlagene Änderung, zu der sich der Ausschuß entschlossen hat, den Härteausgleich ohne Rücksicht auf die Einkünfte, die sich auf das ganze Kalenderjahr beziehen, zu gewähren. Das heißt also, daß, wenn ein Pachtzinseinkommen im zweiten Halbjahr 1948 erzielt wird und die Gegenleistung des Verpächters das ganze Jahr 1948 betrifft, diese Einnahme nicht zum vollen Tarif, sondern nach dem Ganzjahrestarif herangezogen werden soll. Eine entsprechende Bestimmung wurde nach der Beratung im Ausschuß für typische Saisonbetriebe vorgesehen, also beispielsweise für Betriebe, die Selterwasser oder ähnliche Dinge verkaufen und ihre Haupteinnahmen in der zweiten Jahreshälfte 1948 erzielen. Diese Abänderung auf typische Saisonbetriebe bringt vielleicht sprachlich einige Unschönheiten mit sich. Es ist aber ein terminus technicus, und wir haben deshalb diesen Ausdruck hier so übernommen.
In § 11 ist ein rein technischer Zusatz beschlossen worden. Dieser bedeutet, daß die Ausgaben bei der Veranlagung zu berücksichtigen sind. Diese Vorschrift an die Finanzbehörden fehlt in der ursprünglichen Fassung. Es handelt sich also nur um eine Klarstellung. Der bisherige § 11 wird gestrichen; an seine Stelle tritt eine andere Regelung, auf die ich gleich zu sprechen kommen werde.
Der neu vorgeschlagene § 11 a entspricht der Regelung, die eben für § 10 vorgeschlagen worden ist hinsichtlich des § 32 a.
§ 14 hat einige Schwierigkeiten mit sich gebracht. § 14 gestattete die Zusammenveranlagung des zweiten Halbjahres 1948 und des ganzen Jahres 1949 ursprünglich nur für diejenigen Gewerbetreibenden, die eine ordnungsmäßige Buchführung haben, wenn sie auch nicht im Handelsregister eingetragen sind. Auf Grund der Ausschußberatung ist man dann zu der Überzeugung gekommen, daß diese Beschränkung des Personenkreises ungerecht sei. Man hat sich deshalb dazu entschlossen, diese Vergünstigung — Zusammenrechnung von 1948 und 1949 — auch für sämtliche freien Berufe und solche Gewerbetreibenden vorzusehen, die nicht die volle Buchführung, sondern die vereinfachte Buchführung haben nach der Buchführungsverordnung für Handwerker, Kleingewerbetreibende und freie Berufe vom 5. September 1949. In dieser Hinsicht waren zahlreiche Wünsche an uns herangetragen worden. Wir glaubten, uns diesen Wünschen im Interesse der steuerlichen Gerechtigkeit nicht versagen zu können.
Sodann haben wir beschlossen, an Stelle des früheren § 11 einen neuen § 14 a einzufügen, der folgenden Wortlaut haben soll:
In den Fällen des § 2 Absatz 5 des Einkommensteuergesetzes und des § 5 Absatz 2 des
Körperschaftsteuergesetzes ist der Gewinn
aus Wirtschaftsjahren, die vom Kalenderjahr abweichen, nach dem zeitlichen Anteil auf das Kalenderjahr 1949 und auf das Kalenderjahr 1950 aufzuteilen, wenn das vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr vor dem 31. Dezember 1949 begonnen hat und im Jahr 1950 endet.
Diese Vorschrift entspricht dem § 3 des Zweiten Gesetzes zur vorläufigen Neuordnung von Steuern. Sie ist erforderlich, einmal um eine Anrechnung der für das zweite Halbjahr 1948 geleisteten Vorauszahlungen zu ermöglichen, zum andern um zu verhindern, daß Steuerpflichtige mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahr den in diesem Wirtschaftsjahr erzielten Gewinn mit den bei einer kommenden Steuersenkung der Einkommensteuer sich ergebenden niedrigeren Steuersätzen versteuern, obgleich ein Teil dieses Gewinns im Jahre 1949 mit den höheren in Betracht kommenden Steuersätzen zu versteuern gewesen wäre. Es handelt sich also um eine Anpassung, die gleichfalls einstimmig beschlossen worden ist.
Ich muß noch auf einen Punkt aufmerksam machen. Diese Abänderungen, die der Ausschuß beschlossen hat, dienen alle der Berücksichtigung von Sonderfällen und der besseren Steuergerechtigkeit. Es ist deshalb durchaus möglich, daß sich auch der Bundesrat diesen Vorschlägen anschließen wird. Sicher ist dies jedoch keineswegs. Wir glaubten trotzdem, diese Beschlüsse fassen zu sollen, um hier die steuerliche Gerechtigkeit durchzusetzen. Wenn es darüber zu einer Auseinandersetzung mit dem Bundesrat in dem einen oder anderen Punkt kommen sollte, so wollten wir — das war die einheitliche Meinung im Ausschuß — dieser Auseinandersetzung nicht aus dem Wege gehen.
Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Die Beratung ist damit geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung über die Drucksachen Nr. 376 und 313. Maßgebend ist der Text in der Fassung der Beschlüsse des Ausschusses.
Wir kommen zunächst zu Überschrift und Einleitung des Gesetzentwurfes. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe auf: § 1. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
§ 2. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Angenommen.
§ 3. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Angenommen.
§ 4. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Angenommen.
§ 4 a. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
§ 5. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Angenommen.
§ 6. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Angenommen.
§ 7. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Es ist so beschlossen.
§ 8. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Angenommen.
§ 9. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
§ 10. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
§ 11 entfällt.
§ 11 a. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Angenommen.
§ 12. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
§ 13. Wer für die Annahme ist, den bitte ich die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Angenommen.
§ 14. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
§ 14 a. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
§ 15. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
§ 16. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, es ist zu bemerken, daß für die endgültige Fassung, das heißt für die Veröffentlichung des Gesetzes, eine Änderung der Reihenfolge der Paragraphen vorbehalten ist.
Wir treten in die
dritte Beratung
ein. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir stimmen über das Gesetz im ganzen in der Fassung ab, die vom Hohen Hause in der zweiten Beratung beschlossen worden ist. Wer für die Annahme des Gesetzes in der beschlossenen Fassung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit.
— Ich bitte um die Gegenprobe — Es ist von der Mehrheit beschlossen.
Damit ist das Gesetz in dritter Beratung angenommen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erteilung einer Kreditermächtigung .
Das Wort hat als Berichterstatter der Herr Abgeordnete Dr. Ehlers.
Meine Damen und Herren! Ich habe über die Beschlußfassung des Haushaltsausschusses zu berichten, der während dieser Sitzung des Plenums getagt hat. Die Vorlage macht deutlich, daß es sich bei dem Gesetz nicht um einen neuen Gesamtkredit von 800
Millionen DM handelt, wie das in der Aussprache gelegentlich zum Ausdruck gebracht wurde, sondern daß es sich lediglich um die Erhöhung eines Kredits handelt, der durch das Haushaltsgesetz des Vereinigten Wirtschaftsgebiets bereits in Höhe von 500 Millionen DM im Jahre 1949 beschlossen worden ist. Der Haushaltsausschuß hat die ihm überwiesene Vorlage beraten. Es ist bereits in der Aussprache vorhin das deutlich geworden, was auch im Ausschuß vorgetragen wurde, nämlich daß Bedenken von einem Teil der Mitglieder des Ausschusses dagegen erhoben wurden, daß diese Kreditermächtigung durch besonderes Gesetz gewünscht und nicht erst zusammen mit dem Haushalt beschlossen wird und daß diese Kreditermächtigung bereits jetzt beschlossen wird, obwohl der Vertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik vom 15. Dezember 1949 durch das Hohe Haus noch nicht ratifiziert worden ist.
Dennoch hat der Haushaltsausschuß sich mit einem Stimmenverhältnis — ich sage das, weil die Beratung während dieser Sitzung stattgefunden hat — von 15 zu 9 Stimmen bei einer Enthaltung dahin entschlossen, Ihnen vorzuschlagen, den oben bezeichneten Gesetzentwurf, Drucksache Nr. 366, unverändert anzunehmen. Ich weise ausdrücklich darauf hin, daß im Haushaltsausschuß Einmütigkeit darüber bestand, daß durch die Hineinnahme des Betrages von 47 Millionen DM zur Abdeckung des schwebenden Kontos in der französischen Besatzungszone die Art der endgültigen Erledigung dieses Kontos nicht präjudiziert werden sollte, sondern daß es sich nur darum handelt, durch die Kreditermächtigung diese Dinge, an deren möglichst baldiger Erledigung aus gesamtdeutschem Interesse ein großes Interesse besteht, vorweg bereinigen zu können, ohne einer endgültigen Beschlußfassung darüber vorzugreifen. Ich empfehle Ihnen namens des Ausschusses, den Gesetzentwurf unverändert anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen.
Ich eröffne die Aussprache der zweiten Lesung. Wird das Wort gewünscht? Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Dann erkläre ich die Beratung für beendet.
Wir kommen zur Abstimmung in der zweiten Lesung. Wer im Sinne der Drucksache Nr. 377 — Antrag des Haushaltsausschusses — die Drucksache Nr. 366 unverändert annehmen will, den bitte ich, die Hand zu erheben für die Bezeichnung des Gesetzes, für § 1, für § 2. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit Mehrheit beschlossen.
Ich eröffne die Beratung der
dritten Lesung.
Wird das Wort gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich erkläre die Aussprache der dritten Lesung für beendet.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für das soeben in der zweiten Beratung angenommene Gesetz gemäß Drucksache Nr. 366 im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Demnach ist Drucksache Nr. 366 verabschiedet.
Meine Damen und Herren! Der Punkt 9 der Tagesordnung fällt, wie vorhin festgestellt worden ist, fort, weil unter Punkt 2 der entspre-
Ichende Verordnungsentwurf zunächst zurückgestellt worden ist.
Wir kommen damit zu Punkt 10 der Tagesordnung:
a) Antrag der Fraktion der WAV betreffend Benzinpreiserhöhung ;
b) Antrag der Fraktion der KPD, betreffend Mißbilligung der Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft auf Erhöhung der Mineralölpreise und Antrag auf Aufhebung derselben .
Wir waren uns gestern im Ältestenrat darüber klar, daß nur eine kurze Begründung der Antragsteller und höchstens eine ganz kurze Aussprache erfolgt. Wer von den Antragstellern der Drucksache Nr. 331 wünscht das Wort? — Herr Abgeordneter Loritz, bitte!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erst vor wenigen Monaten sagte uns der Herr Bundeskanzler Adenauer in einer feierlichen Erklärung: Die Bundesregierung wird unter allen Umständen dafür sorgen, daß die Preise wenigstens der wichtigsten Verbrauchsgüter auf dem bisherigen Stand gehalten werden und daß keine Preiserhöhung für solche wichtigsten Güter eintreten darf. Wie sieht es heute, kurze Zeit darauf aus? Heute hat man den Preis eines der wichtigsten Verbrauchsgüter, die es überhaupt gibt, von dem der Transport der Lebensmittel zum großen Teil abhängt, von dem der Transport von Millionen von Arbeitern und Angestellten von und zu ihren Arbeitsplätzen, von dem der Transport von Kranken abhängt, von dem die Produktion weitgehend bedingt ist, heute hat man den Preis für die Treibstoffe in einer geradezu unerhörten Art und Weise heraufgesetzt, unerhört sowohl dem Umfang dieser Erhöhung wie auch der Art und Weise nach, wie man das gemacht hat.
Lassen Sie mich bitte rekapitulieren, wie es
war: Am 14. Dezember bereits hat unsere Fraktion, und zwar als erste in diesem Hause, den
Antrag eingereicht, daß die Benzin- und Dieseltreibstoffpreise unter gar keinen Umständen erhöht werden dürfen. Am 21. Dezember aber hat
die Bundesregierung einfach von sich aus diese
Preise hinaufgesetzt, für Benzin von 40 auf 60
Pfennig, obwohl bereits ein Antrag vorlag; es
ist ganz egal, von welcher Fraktion er kommt.
Wir stehen auf dem Standpunkt, daß, wenn wir
Demokratie haben wollen, in solchen Fällen, in
denen dem Hohen Hause bereits ein Antrag vorliegt, die Bundesregierung wenigstens so lange
warten muß, bis sie sehen kann, welches die Meinung des Hohen Hauses zu diesen Problemen ist!
Das hat man nicht getan. Man hat vielmehr den Preis für einen der wichtigsten Verbrauchsartikel, die es gibt, einfach rücksichtlos in die Höhe gesetzt. Dagegen wenden wir uns mit aller Schärfe. Das ist kein demokratisches Vorgehen mehr! Hier mußte die Bundesregierung dem Bundestag Gelegenheit zu einer, wenn auch noch so kurzen Aussprache geben.
Wie liegen die Dinge heute? Benzin, das wir frei deutsche Seehafenstadt für rund 15 Pfennig geliefert bekommen, kostet sowieso schon 40 Pfennig je Liter. Ich will es Ihnen jetzt nicht vorrechnen, welche riesigen Abgaben sowieso schon auf dem Benzin liegen. Daß man aber jetzt ausgerechnet den Benzinpreis noch erhöht, und zwar gleich von 40 auf 60 Pfennig, das ist volkswirtschaftlich ein Nonsens erster Güte. Und die Folgen davon? Allein im Gebiet Nordrhein — ich spreche nicht vom ganzen Land Nordrhein-Westfalen, sondern ich spreche vom Gebiet Nordrhein — sind von über 11 000 Unternehmern, kleinen und mittleren Kraftfahrbetrieben, weit über 1 400 jetzt bereits am Ende und mußten ihr Gewerbe aufgeben.
— Jawohl, das sind die amtlichen Zahlen, Herr Zwischenrufer von der CDU.
— Herr Graf von Spreti von Augsburg, es wundert mich, daß Sie über diese Verhältnisse so gut informiert sind.
Aber wenn Sie die Zahlen bezweifeln, empfehle ich Ihnen, sich doch an die Fachvertreter zu wenden und nicht über Zahlen zu lachen, die mir von den Fachvertretern zur Verfügung gestellt worden sind, weil Sie von der- CDU leider bis heute diese Fachverbände überhaupt noch nicht zu Rate gezogen haben, Sie Demokraten!
Darf ich mir eine Zwischenbemerkung erlauben, Herr Abgeordneter Loritz. Wir leben hier in einem demokratischen Parlament und sind alle Demokraten. Das wollte ich nur der Ordnung halber bemerken.
Ich glaube, Herr Präsident, Sie werden keine Gelegenheit finden, an meinen Worten in formeller Hinsicht etwas auszusetzen. Ich glaube, daß ich weiß, was ich sage, sehr im Gegensatz zu manchem andern Mitglied dieses Hauses von dieser Seite.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Allein im Bezirk des Arbeitsamts Düsseldorf sind über 2300 Arbeitnehmer, Angestellte des Kraftfahrzeuggewerbes, bei den Arbeitsämtern zur Kündigung angemeldet und ist für dieses Personal die Zustimmung des Arbeitsamts Düsseldorf zur Kündigung beantragt worden, weil die Unternehmer, wenn eine Benzinpreiserhöhung und eine Erhöhung des Dieselölpreises in diesem unerhörten Umfang eintritt, nicht mehr in der Lage sind, dieses Personal durchzuhalten.
— Wissen Sie, meine sehr verehrten Herren Zwischenrufer, daß fast sämtliche Lebensmittel, heißen sie, wie sie wollen, bis sie vom Erzeuger zum Verbraucher gelangen, zwei-, drei- und viermal per Auto transportiert werden müssen? Wissen Sie, daß eine ganze Reihe industrieller Artikel, von denen das Wohl unserer Wirtschaft abhängt, bis zu 15- und 20mal und noch öfter im Laufe des ganzen Arbeitsvorganges per Achse transportiert werden müssen? Und wissen Sie, wie sich angesichts dieser Tatsachen eine Erhöhung des Benzin- und Dieselpreises heute auf unsere Wirtschaft auswirkt? Wenn Sie das wissen, meine sehr verehrten Damen und Herren, dann dürfen Sie zu diesem Antrag und zu der Begründung nicht lachen, sondern dann müßten Sie angesichts der Wichtigkeit dieser Dinge alles tum, um die Regierung davon abzubringen, einen so unüberlegten Schritt zu tun! Wir haben die Zusicherung der Regierung gehört — und wir haben ihr damals geglaubt bzw. haben keinen Anlaß gehabt, von vornherein Mißtrauen dagegen zu äußern -, sie
werde. die Preise für die wichtigsten Verbrauchsgüter stabil halten. Und was ist gekommen?
Meine Damen und Herren! Wir sind gegen i e d e Erhöhung der Treibstoffpreise, sei es von 40 Pfennig auf 60 Pfennig, sei es von 40 Pfennig auf 53 Pfennig. Die 7 Pfennig machen das Kraut nimmer fett! Ein Preis von 53 Pfennig ist für uns ebenfalls inakzeptabel, weil durch eine Erhöhung der Treibstoffpreise mit Sicherheit die Preise für andere wichtigste Güter ebenfalls ins Rutschen kommen. Das wird dann ein weiteres Glied in der Kette sein, vor der ich schon vor einigen Monaten — leider vergeblich — in diesem Haus gewarnt habe, indem ich gesagt habe, daß es dann Preissteigerungen am laufenden Bande gibt und dadurch die Geldabwertung für uns illusorisch wird.
— Wollen Sie doch bitte nicht immer versuchen, mich mit so lächerlichen Zwischenrufen zu stören.
Ich werde das Mikrophon nicht abbrechen. Machen Sie lieber sachliche Einwendungen zu diesen Dingen, für die Sie verantwortlich sind, weil Sie hinter dieser Regierung stehen! Kümmern Sie sich lieber darum, daß nicht etwa die Steuerleistungen bei den Fuhrunternehmern abbrechen, und kümmern Sie sich darum, daß nicht einer unserer wichtigsten Gewerbebetriebe zerbrochen wird! Das Mikrophon wird nicht abbrechen, höchstens wird durch Ihre Unfähigkeit unsere Wirtschaft abbrechen!
— Meine Damen und Herren, es ist tief bedauerlich, daß eine Seite dieses Hauses oder wenigstens ein großer Teil dieser Seite angesichts dieser so wichtigen Dinge nichts anderes zu tun weiß, als den Versuch zu machen, mit Gelächter und sehr billigen Zwischenrufen zu stören!
— Warten Sie ab! Ich hoffe, Herr Kollege von der FDP, daß auch Sie sich für die alten Treibstoffpreise einsetzen werden. Ich muß Ihnen aber doch schon sagen: sehr spät kommen Sie, meine sehr verehrten Herren, fast zu spät; denn die Preise sind schon erhöht worden, und Ihre Vertreter sitzen doch in der Regierung! Sie, meine Herren von der FDP, hätten dafür sorgen müssen, daß die Regierung diese Erhöhung der Preise nicht vornimmt. Sie hätten als gute Demokraten schon dafür sorgen müssen, daß das Parlament wenigstens vorher Gelegenheit zu einer Aussprache über diese so wichtigen Dinge bekommen hätte. Man komme uns nicht mit dem Einwand, es drehe sich doch hier nicht um eine Steuererhöhung. — Es dreht sich klipp und klar um eine Steuererhöhung, um weiter gar nichts anderes. Es ist ganz gleich, ob Sie diese Steuererhöhung eine Abgabe nennen oder Heraufsetzung des Preises eines zwangsbewirtschafteten Artikels. Es ist nichts anderes als eine Steuererhöhung zugunsten der Bundeskasse, die ein Loch so groß hat, daß auch die Mehreinnahmen aus dieser Benzinpreiserhöhung noch lange nicht ausreichen werden! Sie werden nicht einmal ausreichen, um die ganzen Neubauten zu finanzieren, die Sie hier machen müssen!
Wir haben andere Wege, um zu Steuereinnahmen zu kommen. Ich habe heute schon darüber gesprochen. Besteuern Sie endlich einmal stärkstens die Milliardengewinne, die durch die zwei Währungsreformen gemacht worden sind! Lassen Sie endlich die Finger weg von einem der allerwichtigsten Verbrauchsgüter, wie sie Benzin und Dieseltreibstoff darstellen!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir werden uns heute nicht mit einer Begrabung dieses Antrages in irgendeinem Ausschuß zufriedengeben. Es besteht auch, wenn ich die Geschäftsordnung recht kenne, gar keine Notwendigkeit, diesen unseren Antrag jetzt in einen Ausschuß zu. überweisen. Ich glaube, Herr Präsident, Sie werden mir auf Grund der Geschäftsordnung nicht nachweisen können, daß dieser Antrag zuerst in einen Ausschuß muß. Wir werden hoffentlich die Unterstützung von anderen Gruppen in diesem Hohen Hause finden, daß wir bereits heute eine Abstimmung über diesen Antrag hier vornehmen lassen können. Da bitte ich alle diejenigen, die es mit unserer Wirtschaft gut meinen, alle diejenigen, die ein Interesse daran haben, daß die Millionenziffer von Arbeitslosen in unserem Lande nicht demnächst noch durch weitere Zehntausende und Hunderttausende von Arbeitslosen aus dem Transportgewerbe erhöht wird, unseren Antrag zu unterstützen. Wir werden namentliche Abstimmung beantragen.
Ich fürchte nämlich die Begrabung in Ausschüssen. Die Sache eilt! Die Stimmung ist mit Recht erregt, nicht bloß bei den kleinen Unternehmern, sondern genau so bei den Arbeitern und bei all denen, die Vom Kraftfahrzeuggewerbe leben, bei dem Personal in den Reparaturwerkstätten usw. Das ist kein Weg, meine sehr verehrten Herren Minister! — Es ist ja nur noch einer auf der Ministerbank; der Wirtschaftsminister fehlt, obgleich er der eigentlich zuständige Mann wäre. —
Also das ist nicht der richtige Weg, um die sehr prekären Zustände bei der Bundesbahn zu sanieren. Das ist der falsche Weg. Sie sanieren die Bundesbahn nicht dadurch, daß Sie einseitig die Bundesbahn begünstigen und das Transportgewerbe, das die Waren per Achse transportiert, unerhört belasten. Sie können die Bundesbahn nur auf ganz andere Art und Weise sanieren, nämlich dadurch, daß Sie einige hundert ganz unfähige Abteilungschefs, Ministerialräte usw. endlich einmal pensionieren oder sonstwie an die Luft setzen, die heute noch das große Wort bei der Bundesbahn führen,
die alles andere tun, als diese Bundesbahn nach kaufmännischen Grundsätzen zu leiten. Sie müssen diese Verhältnisse ganz anders sanieren. Sie dürfen nicht einen der wichtigsten Gewerbezweige kaputtmachen und dadurch noch weiter die Preise für lebenswichtige Waren aller Art, die per Achse transportiert werden, steigern helfen.
Sehr bedauerlich ist es, daß uns für diese so enorm wichtige Materie nur eine Redezeit von wenigen Minuten zugebilligt wird. Ich hoffe aber immerhin, daß sich auch auf Ihrer Seite einige finden werden, die unseren Standpunkt unterstützen, wenn ich an Sie namens der WAV und namens aller Betroffenen den Appell richte
— ja, namens all der dadurch Betroffenen, Herr von Brentano, den Appell richte: sorgen Sie dafür daß diese Benzinpreiserhöhung sofort rückgängig gemacht wird, sorgen Sie dafür, daß einer der wichtigsten Gewerbezweige nicht kaputtgemacht wird!
Wir von der WAV stellen den Antrag, der Ihnen als Drucksache vorliegt. Wir bitten darüber hinaus — und ich hoffe, wir finden dabei eine Unterstützung bei Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren —, daß über diesen Antrag bereits heute abgestimmt wird, und zwar auch seinem materiell-rechtlichen Inhalt nach, daß weiter diese Abstimmung namentlich erfolgt, damit jeder der Volksvertreter zeigen kann, wie er zu diesem für unsere ganze Wirtschaft so unendlich wichtigen Problem steht. Herr Bundeskanzler und sehr geehrte Bundesregierung, lösen Sie bitte Ihr Wort ein, das Sie dem Volke gegeben haben, das feierliche Versprechen, die wichtigsten Verbrauchsartikel im Preise nicht zu erhöhen! Sonst werden Sie eine Stimmung gegen sich schaffen, daß die Regierung Adenauer nicht von langer Dauer sein wird!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Zu der letzten Bemerkung des Herrn Abgeordneten Loritz bezüglich der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung der Drucksache Nr. 331 auch in Verbindung mit Nr. 363 gleichen Inhalts möchte ich mitteilen, daß wir uns gestern früh im Ältestenrat darüber einig gewesen sind, daß die Herren Antragsteller zunächst die Anträge begründen und daß dann, gegebenenfalls nach einer Aussprache, diese beiden Anträge an die zuständigen Ausschüsse verwiesen werden. Insoweit ist bereits seitens des Ältestenrats eine einmütige Feststellung erfolgt, worauf ich aufmerksam mache.
— Jawohl, ich sage einmütig; auch mit Zustimmung des anwesenden Herrn Vertreters der WAV.
Meine Damen und Herren, ich erteile nunmehr zu Punkt 10 b der Tagesordnung, Antrag der Fraktion der KPD betreffend Mißbilligung der Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft auf Erhöhung der Mineralölpreise und Antrag auf Aufhebung derselben — Drucksache Nr. 363
das Wort dem Herrn Abgeordneten Vesper.
Meine Damen und Herren! In allen Städten Westdeutschlands ist eine Protestbewegung des Transportgewerbes im Gange. Diese Bewegung beschränkt sich nicht nur auf das Gewerbe selbst, sondern mit ihm gemeinsam protestieren die Arbeiter und Angestellten dieses Gewerbes gegen die Benzinpreiserhöhung der Regierung. Der Verband des Verkehrsgewerbes und die Gewerkschaft Öffentliche Dienste und Verkehr haben den Kampf der Verkehrsträger Straße gegen die willkürliche Benzinpreiserhöhung der Bundesregierung und des Bundesrates zu ihrer eigenen Sache gemacht, die die volle Solidarität und Unterstützung breitester Volksschichten erfährt.
Das Transportgewerbe Straße setzt sich zu 95 Prozent aus kleineren und mittleren Unternehmern zusammen. Ebenso gibt es Zehntausende von Arbeitern und Angestellten, die nur durch Krafträder, motorisiert ihre Werkstätten und
Arbeitsplätze erreichen können. Die vorsorgliche Kündigung von Zehntausenden von im Transportgewerbe beschäftigten Arbeitern hat eine große Beunruhigung unter der Arbeiterschaft hervorgerufen. Meine Damen und Herren, will die Bundesregierung dieses Gewerbe und die in diesem Gewerbe beschäftigten 650 000 Menschen ruinieren? Wer gibt der Bundesregierung das Recht, auf dem Verordnungswege eine solche Preiserhöhung vorzunehmen, die zwangsläufig erhöhte Beförderungssätze mit sich bringen und Auswirkungen auf das gesamte Preisgefüge der Wirtschaft haben wird? Andererseits wird der gewerbliche Straßenverkehr durch die Gütertarifsenkung der Klassen A bis C, die am 1. Januar 1950 in Kraft trat, um durchschnittlich 18 Prozent durch weitere Unkosten belastet.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich Ihnen hierfür ein Beispiel bringe. Bei einer Fernfahrt eines Lastzuges mit 15 Tonnen Last am 31. Dezember 1949 von Düsseldorf nach München erhielt der Transportunternehmer 1033,30 Mark. Die Treibstoffauslagen betrugen 207,35 Mark. Es verbleiben demnach 825,95 Mark. Am 2. Januar 1950 erhielt der Unternehmer für dieselbe Last und für dieselbe Fahrt nur 833,90 Mark, nach der Tarifsenkung. Der Treibstoff aber kostete ihn diesmal keine 207,35 Mark, sonsondern 292,50 Mark. Es verblieben ihm also nur 541 Mark gegenüber 825 Mark vor dem 1. Januar 1950. Durch die Gütertarifsenkung der Klassen A bis C unter gleichzeitiger Erhöhung des Treibstoffpreises wurde sein Verdienst insgesamt um 34,5 Prozent geschmälert. Bisher waren es die Rentner, die Kriegsopfer, die Wohlfahrtsunterstützungsempfänger, deren spärliche Rentensätze von der Bedürftigkeit abhängig gemacht wurden. Gestern waren es die Lohn-. und Gehaltsempfänger, deren Weihnachtsgratifikation bis zu einer Höhe von 300 Mark durch den Beschluß des Bundesrats gegen den Willen des Bundestags steuerlich belastet wurden, und heute, meine Damen und Herren, sind es die Kraftfahrer, deren Existenz durch die Verfechter monopolistischer Interessen bedroht ist. Die Erhöhung der Kraftstoffpreise um 50 Prozent, die dem Haushalt einen Betrag von angeblich 200 Millionen als Einnahme verschafft, soll zur Aufbringung der Mittel für das Notopfer Berlin dienen, damit sich der bankrotte westdeutsche Staat in der Rolle des Wohltäters gefallen kann.
Stimmt es, Herr Bundeswirtschaftsminister und Herr Bundesverkehrsminister, daß bei dem ganzen Spiel der Preiserhöhung für Brennstoff auch private Interessen vorherrschen? Trifft es zu, daß mit diesen Einnahmen die Subventionierung der deutschen Ölindustrie, mit welcher der Herr Bundesverkehrsminister Seebohm verbunden sein soll, vorgenommen werden soll? Stimmt es, daß die Standard-Oil und der Shell-Konzern, jene großen ausländischen Monopolgesellschaften, auf die Erhöhung der deutschen Ölpreise ihren Einfluß geltend machen?
Sie werden mir diese Antwort schuldig bleiben, da Sie als Verfechter des Marshallplans, des Ruhrstatuts und des Besatzungsstatus diese Politik mit all ihren katastrophalen Folgen für das deutsche Volk gegen den Willen des deutschen Volkes konsequent durchführen.
Meine Fraktion ist der Auffassung, daß die Brennstoffpreiserhöhung eine weitere schwere Belastung für das deutsche Volk mit sich bringt. Die
Brennstoffpreiserhöhung, die auf dem Wege der Verordnung durch die Bundesregierung und den Bundesrat erlassen wurde, bedeutet eine Form neuer Steuern. Durch die Erhöhung des Benzinpreises um 50 Prozent wird die auf dem Benzin lastende Steuer praktisch verdreifacht. Denn der Benzinpreis frei Hamburg hat sich durch die Abwertung der D-Mark von 19 auf 23 Pfennig pro Kilo erhöht. Für Steuererhebungen ist aber einzig und allein der Bundestag zuständig. Auch in diesem Falle zeigt sich, daß Bundesregierung und Bundesrat, wie es wiederholt der Fall war, das Parlament ausgeschaltet und unter Verletzung des Grundgesetzes ihre Befugnisse überschritten haben.
Meine Damen und Herren! Den 650 000 im Straßenverkehr tätigen Menschen muß ihre Existenzgrundlage erhalten bleiben. Der Transport ist ein wesentlicher Faktor der deutschen Wirtschaft. Aus diesem Grunde und im Interesse der im Straßenverkehr Beschäftigten bitten wir, dem Antrag der kommunistischen Fraktion Drucksache Nr. 363 zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Ausführungen und die Begründung der Herren Antragsteller gehört. Es liegt bereits eine Wortmeldung vor. Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat Herr Abgeordneter Wehner.
Meine Damen und Herren! Namens meiner Fraktion möchte ich erklären, daß wir schärfstens gegen die von der Regierung verfügte Treibstoffpreiserhöhung protestieren. Die Frage ist, wie das Bundesparlament seinem Protest sowohl gegen die Treibstoffpreiserhöhung als auch gegen die Art und Weise, wie sie zustande gekommen ist, am wirkungsvollsten Ausdruck verleiht. Kollege Loritz meint, dem Bundestag hätte zumindest Gelegenheit zu einer kurzen Aussprache gegeben werden müssen. Wir sind der Meinung, daß es nach Lage der Dinge bei einer kurzen Aussprache nicht sein Bewenden haben kann.
Wir sind der Meinung, daß sowohl das Vorgehen der Regierung als auch die Tragweite der Maßnahme in wirtschaftlicher Beziehung eine gründliche Prüfung aller Umstände, die zu diesem folgenschweren Schritt geführt haben, erfordert; um so mehr, als hier wieder einmal der Versuch gemacht worden ist, das Parlament vor vollendete Tatsachen zu stellen und sich über es hinwegzusetzen.
Ich meine, der Sache wäre ein schlechter Dienst erwiesen - und ich sage das ganz eindringlich auch zum Kollegen Loritz —, wenn wir heute abend ganz einfach eine Abstimmung durchdrücken wollten, statt uns der Materie zuzuwenden und sie von allen Seiten zu durchleuchten; denn das ist sie wert, und danach schreit sie förmlich.
Meine Damen und Herren! Über die Höhe der Treibstoffpreise, darüber, was tragbar oder nicht tragbar ist, mag es und wird es in diesem Haus verschiedene Auffassungen geben. Aber über ein es dürfte es eigentlich nicht verschiedene Auffassungen geben, nämlich darüber, daß das
Parlament sich einmütig gegen die Art und Weise seiner eigenen Außerkraftsetzung zur Wehr setzen sollte
und daß die autoritäre Art, mit der ein solch weitgehender Schritt getan worden ist, ungeachtet sonstiger Gesichtspunkte, die ja in einer sachlichen Debatte ausgekämpft werden können, abgelehnt werden muß, weil das Parlament sich selbst achtet. Auch in diesem Zusammenhang muß man es wieder einmal sagen.
Es geht um ein großes Objekt. Im Bundesrat ist darauf hingewiesen worden, daß es sich um etwa 350 Millionen handelt. Auch im Bundesrat hat man gesagt, daß der Bundestag mit dieser Beschlußfassung befaßt werden müsse. Aber die Regierung hat in dieser Beziehung von keiner Seite eine Lehre angenommen.
Nun haben wir die Protestbewegung. Die Funktion dieses Hauses kann es nicht sein, einfach nur etwas zu tun, um auch dabei zu sein oder um in irgendeiner Weise auf eine Protestbewegung zu reagieren; sondern die Funktion dieses Hauses muß es sein, zunächst einmal mit dazu beizutragen, daß Ordnung in dieses Durcheinander von Regierungsverordnungen, in dieses Hin- und Herhüpfen von einer ad-hoc-Maßnahme zur anderen gebracht wird. Es kann nicht länger angehen, daß man auf tariflichem oder auf preislichem Gebiet ein Loch zustopft, indem man ein anderes aufreißt, und es muß endlich einmal begonnen werden, die Dinge von Grund auf zu ordnen.
Das erscheint uns um so notwendiger, als die Begründungen so eigentümlich durcheinandergehen, die verschiedene Mitglieder des Kabinetts an verschiedener Stelle und bei verschiedener Gelegenheit gegeben haben. Hier nützen die Kommunisten die Tatsache aus, daß irgendein Minister gesagt hat, diese Treibstoffpreiserhöhung sei notwendig, weil die Berlin-Hilfe finanziert werden müsse. Die Berlin-Hilfe wird bei jeder Gelegenheit und von allen möglichen Seiten herangezogen, wenn man etwas ablehnen will. Gegenüber einer sozialen Forderung wird gesagt, man könne sie nicht erfüllen, weil die Berlin-Hilfe soundsoviel Mittel erfordere. Wenn man, wie jetzt, eine solche Preiserhöhung durchdrückt, wird gesagt, man müsse es tun, weil Mittel für die Berlin-Hilfe notwendig seien. Wem wollen Sie, die Sie sich einer solchen Argumentation bedienen, denn eigentlich mit dieser Argumentation helfen oder dienen? Wenn es sich um nationalpolitische Aufgaben handelt, wie es die Unterstützung Berlins ist, dann sollte man nicht mit solchen Dingen spielen.
Ein anderer Grund, den man anführt, ist der, man müsse der Bundesbahn auf diese Weise helfen. Hinzu kommt noch die ganze Litanei über die Notwendigkeit, den Straßenbau auf diese Weise zu finanzieren. Schließlich hat man gehört, daß sogar der Finanzausgleich zur „Begründung" herangezogen worden ist. Es ist doch wohl bekannt, daß man Länderregierungen gesagt hat: wenn sie in der Frage der Treibstoffpreise obstinat blieben, dann wäre eben — und das gelte gerade für solche Regierungen, die am Finanzausgleich interessiert sind — dieser Finanzausgleich gefährdet.
Ich führe das nur an, um darauf hinzuweisen: es ist untragbar, mit einem solchen Bukett von Begründungen und einer solchen Art des Durchtrumpfen solcher Methoden aufzutreten!
Deshalb beantragt meine Fraktion die Überweisung dieser beiden Anträge an den Wirtschaftsausschuß und an den Verkehrsausschuß, damit das Haus Gelegenheit zu einer gründlichen Prüfung der Zusammenhänge hat; denn uns scheint, daß hier vor allem einmal hineingeleuchtet werden muß in eine eigentümliche Subventionspolitik. Wir haben die Auffassung, daß bei dem Zustandekommen dieser Maßnahme im Schoße des Kabinetts bestimmte Interessengesichtspunkte eine sehr starke, um nicht zu sagen: eine übergeordnete Rolle gespielt haben. Aus diesem Grunde und um diese verhängnisvolle Maßnahme der Treibstoffpreiserhöhung wirklich zu ändern, stelle ich namens meiner Fraktion diesen Antrag.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rademacher.
Meine Damen und Herren! Ich will versuchen, ohne jegliche Demagogie zu einem ernsten Problem zu sprechen.
Ich will das tun, weil Ausführungen in einer Reihe von Protestkundgebungen in Deutschland, die ich in meiner Eigenschaft als Vorsitzender der deutschen Spediteure geleitet habe, tatsächlich ausgenutzt worden sind, um ein parteipolitisches Geschäft damit zu machen.
— Ich habe nichts zu Äußerungen in diesem Hause gesagt, meine Damen und Herren, sondern lediglich zu dem, was ich bei diesen Protestkundgebungen draußen in Schleswig-Holstein, in Hamburg usw. erlebt habe!
Es geht hier ganz einfach um die Frage: Soll einer der Hauptverkehrsträger in der Bundesrepublik schlechter behandelt werden als der andere, soll der Straßenverkehr mit Lasten belegt werden, die ihn in eine vollkommen schlechte Konkurrenzlage gegenüber der Deutschen Bundesbahn bringen? Es handelt sich ja nicht nur um die jetzt eingetretene Erhöhung der Treibstoffpreise. Am 1. Januar sind bekanntlich durch die Tarifreform die Klassen A bis C abgewertet worden, so daß sich aus dieser Treibstoffpreiserhöhung und den herabgesetzten Tarifen ein wesentlich geringeres Frachtaufkommen und eine erheblich schlechtere Rentabilität im Straßenverkehr ergibt, die sich wechselweise selbstverständlich auch wieder auf die Zubringerindustrien und letzten Endes auch auf die Automobilindustrie auswirken muß.
Es ist nicht so, meine Damen und Herren und Herr Abgeordneter Loritz, daß die Fraktion der Freien Demokratischen Partei sich nicht schon von Anfang an sehr ernste Gedanken über diese Treibstoffpreiserhöhung gemacht habe.
— Verzeihen Sie, Sie sollten mich erst aussprechen lassen! Unter dem 10. Dezember haben wir an den Herrn Bundeskanzler Dr. Adenauer ein sehr ausführlich begründetes Schreiben gerichtet, in dem wir sowohl Bedenken über die praktischen Auswirkungen als auch verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet haben.
Als die Dinge dann im Bundesrat und vorher in den drei Ausschüssen des Bundesrats behandelt worden sind, bestand durchaus die Hoffnung, daß die in den Ausschüssen erfolgte Einigung auf 35 beziehungsweise 53 Pfennig vom Bundesrat auch akzeptiert werden würde.
Leider ist die Abstimmung mit der knappen Mehrheit von 23 zu 20, wie Sie sich erinnern, so ausgelaufen, daß die Beschlüsse der Ausschüsse nicht zum Zuge gekommen sind.
Dabei hat wahrscheinlich das Land Niedersachsen eine entscheidende Rolle gespielt, weil es begreiflicherweise an den deutschen Erdölgebieten interessiert, und zwar im guten Sinne interessiert war. Das kann man wohl verstehen, und das bringt uns auf die berechtigte Frage: Kann man bei einer Wirtschaftspolitik, die den Wettbewerb im Innern und die Liberalisierung im Außenhandel grundsätzlich festgelegt hat, Preise festsetzen, die notgedrungen der deutschen Erdölindustrie einen Ausgleich schaffen müssen, weil ja die ärmeren Vorkommen in unserem Lande selbstverständlich wesentlich höhere Preise bedingen? Weiter erhebt sich die Frage: Kann man der Auffassung sein, wie es offenbar die Regierung gewesen ist, daß nun die Kosten für alle Bohrungen, alle Untersuchungen und vielleicht auch noch für die Anlage von pipelines, die im Emsland geplant sind, unter allen Umständen von den Straßenverkehrsbenutzern getragen werden müssen?
Ich möchte diese Frage im Namen meiner Fraktion verneinen. Ich glaube, bei einer Beachtung des Grundsatzes der sozialen Wettbewerbswirtschaft auf der einen Seite und der Liberalisierung des Außenhandels auf der anderen Seite dürfen sich die Anstrengungen auf Verwendung des deutschen Erdöls immer nur im Rahmen des Vernünftigen halten. Ich glaube auch nicht, daß es, zusammengenommen, gut wäre, das Endziel zu erstreben, einmal völlig unabhängig vom ausländischen Treibstoffmarkt zu werden. Ich glaube nicht, daß das eine richtige Einstellung ist, denn wir wissen ja, meine Damen und Herren, wohin Autarkiebestrebungen in ihrer Totalität schon einmal geführt haben.
Darum, in dieser Erkenntnis und unter Zugrundelegung der Begründung, die ich Ihnen eben gegeben habe, hat sich die Fraktion der Freien Demokratischen Partei entschlossen, einen Antrag einzubringen, der zunächst noch einmal klar untersuchen und feststellen will, ob in diesem Gestrüpp der Verfassung, des Grundgesetzes — ich glaube, auch in diesem Hause wird es noch manchen Abgeordneten geben, denn es außerordentlich schwer fällt, die Dinge so auszulegen, wie der Gesetzgeber sie auslegen wollte — die Regierung sich von Anfang an darüber klar gewesen ist, daß es nach der Preisordnung des § 1 zum Beispiel, aber vielleicht auch nach Artikel 105 des Grundgesetzes nicht möglich ist, eine solche Erhöhung vorzunehmen, ohne den Bundestag in diese Angelegenheit einzuschalten. Zweitens werden wir aus den wirtschaftlichen Gründen, die ich hier aufgeführt habe, den Antrag dahingehend erweitern, daß wir die Regierung bitten, ein Gesetz vorzulegen, Herr Loritz - denn anders geht es nicht, nur mit einem Gesetz -, welches den Preis für Vergaserkraftstoff so, wie es die drei Ausschüsse beschlossen hatten, auf 53 Pfennig per Liter festlegt
und für Dieselkraftstoff auf 35 Pfennig. — Ja, Herr Loritz, den Selbstkostenpreis der Importware müssen Sie schon bezahlen und ebenso den Preis der Abwertung.
Aber nun noch ein kleiner Hinweis auf Ihre Ausführungen. Sie wären fast, Herr Loritz, in eine scheußliche Panne hineingeraten, wenn nämlich über Ihren Antrag abgestimmt worden wäre. Sie beantragen, den „derzeitigen" Benzinpreis nicht zu erhöhen.
Herr Loritz, der „derzeitige" Benzinpreis ist 60 Pfennig und der Preis für Dieselkraftstoff 45 Pfennig.
— Ja, es ist so!
Also, meine Damen und Herren, Sie haben die Stellungnahme der Freien Demokratischen Partei gehört,
und, Herr Loritz und meine Damen und Herren, ich glaube, wir sind vielleicht — die Beurteilung überlassen wir der Öffentlichkeit — doch die besseren Demokraten!
Meine Damen und Herren! Darf ich einmal etwas Prinzipielles zu dem Ausdruck „Demagogie" sagen, der schon verschiedentlich, nicht nur heute, sondern schon öfter gebraucht worden ist.
— Nein, da ist es nur einmal vorgekommen und dann nicht wieder, nachdem wir uns darüber ausgesprochen haben. Deshalb lassen Sie mich heute folgendes sagen. Es ist das Recht eines jeden Mitgliedes eines Parlaments, aus Leidenschaft zur Sache und aus seinem Wollen für eine politische. Sache auch leidenschaftlich zu sprechen. Man soll aber nun nicht, wenn jemand einmal seine Leidenschaft vielleicht zu stark betont — das heißt in der Klangstärke, nicht in der Ausdrucksweise, das ist eine Frage der Geschäftsordnung —, sofort das Wort „Demagogie" anwenden. Ich habe im Wirtschaftsrat schon einmal gesagt — damals haben mir alle zugestimmt, und deshalb lassen Sie es mich wiederholen —: Man kann mit dem Holzhammer arbeiten oder in einer schweren Säbelpartie sich auseinandersetzen. Ich glaube, es ist besser, wenn man mit dem Florett ficht und sich dabei die Form dieses Florettfechtens dahin auslegt, ein elegantes aperçu, eine Ironie oder eine Satire zum Ausdruck zu bringen. Darf ich diesem Sinne an die Gesamtheit des Hauses appellieren!
Nach dieser Zwischenbemerkung erteile ich nunmehr das Wort Herrn Abgeordneten Renner.
Keine Angst! Aber auch keine Auseinandersetzung mit dem Herrn Bundestagspräsidenten über die Auslegung des Begriffs „Demagogie"! Das schenke ich mir; ich bin von seiner Auslegung nicht überzeugt.
Aber nun zur Sache selbst einige Bemerkungen, und zwar zur Abstimmung, auf die es ja jetzt langsam hinausläuft. Die FDP bringt hier vor, daß sie — wir haben den Antrag allerdings noch nicht gelesen und auch noch nicht gesehen —
— ach so, also zurufsmäßig ohne „Demagogie" — einen Gesetzentwurf einbringen will
— das ist doch ausdrücklich gesagt worden —, durch welchen die Preise auf 53 bzw. 35 Pfennig festgelegt werden sollen. Das haben Sie doch gesagt!
- Schön, das ist doch im Effekt dasselbe. Sie
haben sich hier vorgestellt als Nichtdemagoge, also nun treten Sie doch nicht selber den Gegenbeweis an! Ihr Antrag läuft jedenfalls darauf hinaus, ein Gesetz zu schaffen, durch das der Preis auf 53 bzw. 35 Pfennig fixiert werden soll.
— Schön! Aber so steht doch die Frage gar nicht! Hier steht doch zur Diskussion und zur Entscheidung, ob die Regierung berechtigt war, im Wege einer Rechtsverordnung den früheren Preis zu erhöhen und sich dabei auf die Zustimmung des Bundesrats zu stützen.
Da Sie auch vom Grundgesetz sprachen: der einschlägige Artikel, der vorklärt, bei welcher Situation die Bundesregierung ihre Rechtsverordnungen durch den Bundesrat billigen lassen muß, trifft auf dieses Thema, das heute hier zur Behandlung steht, ganz eindeutig nicht zu; ich bitte, den Artikel 80 nachzuschlagen.
Aber was ist hier geschehen? Hier hat man auf dem Wege einer Rechtsverordnung mit Billigung des Bundesrats ein Gesetz eingeführt, ohne es dem Bundestag vorzulegen. So liegen die Dinge. Das hätten Sie aussprechen sollen, wenn in Ihrer Erklärung eine fühlbare und praktikable Absicht vermutet werden sollte.
Und nun ein Wort zu dem Antrag der SPD auf Überweisung an den Ausschuß. Dazu vielleicht eine kleine Vorbemerkung. Daran ist nicht nur der Bundestag, dabei sind nicht nur die beiden Fraktionen, die den Antrag gestellt haben, dabei ist auch unter anderem die Gewerkschaft für öffentliche Dienste und Verkehr interessiert. Falls Sie das nicht wissen sollten, bitte ich Sie, etwas sorgfältiger die Korrespondenz der Gewerkschaft zu beachten, die ihre Meinung in einer langen, an alle Fraktionen gerichteten Darstellung expliziert. Daran sind auch die berechtigten und berufenen Organisationen der Arbeiter in den Betrieben interessiert, die von der Treibstoff-Preiserhöhung betroffen sind.
Nun soll der Antrag nach Auffassung der SPD gleich in zwei Ausschüsse gehen. Frage: Wann soll er aus diesen Ausschüssen wieder herauskommen?
Wenn er so behandelt wird wie das Gros der Anträge, die nachweislich seit Monaten in den Ausschüssen liegen, dann sage ich: Auf Wiedersehn im Januar 1959!
Man sollte das doch einmal bedenken und sollte
sich überlegen, ob man mit diesem Antrag auf
Überweisung an den Ausschuß den Tatbestand
statuieren soll, daß die Transportunternehmer bis zur Erledigung dieses Antrags durch den Ausschuß und anschließend durch das Plenum den derzeitigen Preis bezahlen müssen, daß sie ihn also ein halbes Jahr und länger bezahlen müssen, ehe eine Änderung durch das Plenum vorgenommen wird.
Nun zur Abstimmung. Ich bin der Auffassung, daß unser Antrag der weitestgehende ist. Wir sagen nämlich in unserem Antrag ganz eindeutig: Der Bundestag mißbilligt die durch Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft vom 21. Dezember 1949 ohne Befragung und Zustimmung des Bundestags erfolgte Erhöhung der Mineralölpreise. Nun, entgegenkommend wie ich bin, erlaube ich mir, an die Adresse der SPD folgenden Vorschlag zu machen. Ihre Kritik lief doch wohl eindeutig darauf hinaus, daß Sie diese Erhöhung mißbilligen wollen. Ich schlage deshalb vor, über unseren Antrag getrennt abzustimmen, und zwar je nach den Sätzen, Satz 1 und 2, damit mindestens hier die eine Willenserklärung zutage tritt, daß die Mehrheit des Bundestags die verfassungswidrig durchgeführte Erhöhung der Treibstoffpreise mißbilligt. Das müßte doch das mindeste sein, was aus dieser Diskussion herauskommen sollte. Ich bitte den Herrn Bundestagspräsidenten, so zu verfahren. Falls im übrigen der Antrag des Herrn Kollegen Loritz auf namentliche Abstimmung aufrechterhalten bleiben sollte, erkläre ich, daß wir für diese namentliche Abstimmung stimmen werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Seelos.
Meine Damen und Herren! Der bisherige Verlauf der Diskussion hat jedenfalls gezeigt, daß es sich um eine übereilte Maßnahme der Bundesregierung gehandelt hat, die weder nach der verfassungsrechtlichen Seite noch nach der wirtschaftlichen Auswirkung entsprechend durchdacht war. Der Bundestag hatte sich mit der Angelegenheit bereits befaßt. Es lag ein Antrag vor, der sich gegen eine Erhöhung der Benzinpreise aussprach. Es handelt sich hier wiederum um eine Ausschaltung des Parlaments, die nicht zum ersten Male erfolgt ist.
ich bitte Sie, eines bei dieser schwerwiegenden Maßnahme der Bundesregierung zu bedenken: Es handelt sich hier nicht bloß um eine kleine Interessentengruppe, sondern es sind schließlich über 150 000 Unternehmungen, die sich mit dem Fuhrgeschäft beschäftigen. Bei den wirtschaftlichen Auswirkungen handelt es sich um schwerwiegende Dinge, die einer sorgfältigen Überprüfung bedürfen. Wir werden deshalb im Ausschuß dafür plädieren, daß entweder der alte Benzinpreis wieder hergestellt oder jedenfalls nur um die wenigen Pfennige erhöht wird, die durch die Abwertung der Mark an Selbstkostenpreiserhöhung entstanden sind. Diesen Standpunkt wird die Bayernpartei im Ausschuß vertreten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte nur deswegen das Wort kurz ergreifen, weil der Herr vorvorige Redner, der Sprecher der Freien Demokraten, glaubte, den Antrag der WAV dadurch herunterreißen zu können, daß er dem Parlament sagte, es würde ja
jetzt, wenn dieser Antrag der WAV angenommen würde, genau zum Gegenteil dessen kommen, was wir wollen.
Ich muß Ihnen eines sagen, Herr Vorredner: Sie haben anscheinend übersehen, daß unter unserm Antrag ganz deutlich steht: „Bonn, den 14. Dezember 1949". Es ist für jeden Menschen ganz klar: wenn es heißt: der „derzeitige" Benzinpreis, daß damit der Preis, wie er am 14. Dezember 1949 bestand, gemeint ist. So ist es schon bei Hunderten von Anträgen im Parlament und in allen Parlamenten der Welt gewesen. Wenn es heißt, der „derzeitige" Preis oder die „derzeitige" gesetzliche Regelung, meint man jeweils die Regelung im Moment der Stellung des Antrags. Wir haben ja nicht die Möglichkeit gehabt, im voraus zu wissen, was die Bundesregierung eine Woche darauf oder noch später machen würde; nicht wahr? Sie waren ja wohl besser informiert, denn Ihre Leute sitzen in der Regierung drin. Wir jedenfalls haben am 14. Dezember den Antrag gestellt, und es dreht sich selbstverständlich um die damaligen Preise. Aber ich möchte Ihnen nicht die Möglichkeit schaffen, die Formelkrämerei auf die Spitze zu treiben. Deswegen möchte ich hier den Antrag ergänzen. Es soll heißen: „der derzeitige Benzinpreis, wie er am 14. Dezember 1949 bestand."
Wenn Sie wollen, dann schreiben Sie noch: der „Mineralölpreis" — obgleich man auch hier ganz genau weiß, um was es sich dreht —, sonst werden Sie etwa noch versuchen, so manches dazu zu konstruieren, was kein Mensch, der den Antrag mit gesunden Sinnen liest, eigentlich daraus herauslesen könnte; es müßte denn sein, daß er der WAV etwas auswischen möchte. C
Nun noch ein Wort zu dem, was ein Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion sagte. Die Überweisung des Antrags an einen Ausschuß wird von uns deswegen nicht akzeptiert, weil, selbst wenn der Ausschuß noch so rasch arbeiten wird, doch Wochen vergehen, bis die Sache vom Ausschuß wieder hier an das Plenum zurückkommt. In dieser Zeit zahlen Millionen von Verbrauchern die erhöhten Preise, und das können wir nicht verantworten. Das wird unser Volk draußen auch nicht verstehen. Ich habe vor wenigen Minuten mit einem prominenten Vertreter der SPD-Fraktion gesprochen. Ich kann Ihren Standpunkt, meine Herren von der Linken, durchaus verstehen, daß Sie nämlich in diesem Ausschuß Licht hinter die sehr merkwürdigen Umstände bringen wollen, wie hier gewisse Kreise - ich will nicht noch deutlicher reden — anscheinend ein besonders betontes Interesse daran haben, daß diese Benzinpreise erhöht worden sind. Aber, meine sehr verehrten Herren von der SPD-Fraktion, das können Sie auch, ohne daß Sie jetzt unserem Volk zumuten, weiterhin Wochen und Wochen die unerhört erhöhten Benzinpreise zu zahlen. Wenn Sie da irgendwelche Vermutungen haben, dann können Sie sogar den Antrag auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen stellen, und wir werden Ihnen mit Begeisterung dabei zustimmen. Es gibt noch eine ganze Reihe von anderen Möglichkeiten, wie Sie hier Licht in ein, wie ich Ihnen zugebe, sehr merkwürdiges Dunkel bringen können.
Aber ich möchte Ihnen nochmals eines nahelegen, meine sehr verehrten Herrn von der SPD: Lassen Sie unterdessen doch nicht unser Volk wei-
terhin diese unerhört erhöhten Treibstoffpreise bezahlen. Deswegen appelliere ich nochmals an Sie, Sie möchten unserem Antrag auf Abstimmung heute in der Sitzung zustimmen, und auch auf namentliche Abstimmung. Ich erkläre hier namens meiner Fraktion ausdrücklich: wir werden auf diesem Antrag, den ich bereits gestellt habe, beharren, ganz gleich, welche Unterstützung wir von anderen Seiten des Hauses dabei noch finden werden. Es würde uns tief betrüben, wenn wir mit unserem Antrag allein bleiben oder zu wenig Stimmen bekommen würden, so daß wir die namentliche Abstimmung nicht erzwingen könnten. Wir können dann leider nichts mehr machen. Aber unser Volk wird daraus gewisse Schlüsse ziehen. Unser Volk beobachtet sehr, sehr genau das, was heute abend hier im Bundestag zu diesem wichtigsten Problem gesprochen wird. Ich habe soeben mit einem prominenten Vertreter des Transportgewerbes für das Ruhrgebiet gesprochen. Der sagte mir, die Arbeiterwochenkarten für die Bergarbeiter, die von und zur Fabrikstätte und von und zur Zeche alle Tage mit Lastautos und Omnibussen gefahren werden, können nicht mehr zum alten Preis aufrechterhalten werden, sondern müssen sofort erhöht werden. Sie werden sehen, was die Arbeiter dann dazu sagen! Und wie ist es mit dem Transportgewerbe? Dort, wo das Transportgewerbe unter besonders ungünstigen Bedingungen arbeitet, in Bayern zum Beispiel, wo wir besonders schlechte Straßen haben, wo infolge der bergigen Beschaffenheit unseres Landes noch mehr Benzin pro 100 Kilometer verfahren wird als zum Beispiel im Lande Nordrhein-Westfalen oder im flachen Hannover, auch dort wird das Verkehrsgewerbe nicht verstehen, wenn hier in Bonn die Volksvertreter es nicht schon heute abend zu einer Abstimmung über diese wichtige Materie kommen lassen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie nochmals dringendst, unseren Antrag so anzunehmen, wie ich ihn jetzt hier formuliert habe: „der derzeitige Benzinpreis" oder besser: „der derzeitige Benzin- und Treibstoffpreis, wie er am 14. Dezember 1949 bestand, wird nicht erhöht." Sind Sie jetzt zufrieden bezüglich der Formulierung, Herr Kollege? Ich glaube, ich bin Ihnen hier entgegengekommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bitte Sie fernerhin, unter allen Umständen heute eine namentliche Abstimmung über dieses Problem herbeizuführen. Es würde uns tief leid tun, wenn wir nicht die nötige Unterstützung von anderen Parteien bekommen würden, so daß wir über die 50 Stimmen, die nötig sind, eine namentliche Abstimmung zu erzwingen, etwa nicht verfügten. Es geht hier nicht bloß um die Interessen eines einzelnen Gewerbes, es geht um die Interessen der ganzen Volkswirtschaft, es geht um die Interessen von Millionen Arbeitern und Angestellten, die täglich auf die Benutzung der Omnibusse und Autobusse angewiesen sind; es geht um die Interessen der Landwirtschaft, die größtes Interesse daran hat, daß die Lebensmitteltransporte nicht verteuert werden
— damit man nachher nicht sagt, die Landwirtschaft ist schuld an den höheren Lebensmittelpreisen —, und es geht um die Interessen unseres ganzen Volkes!
Meine Damen und Herren! Noch eine Wortmeldung? - Herr Abgeordneter Ollenhauer, bitte!
Meine Damen und Herren! Die letzten Bemerkungen des Herrn Kollegen Loritz haben den Eindruck erweckt, als wenn die sozialdemokratische Fraktion für die Benzinpreiserhöhung verantwortlich ist.
Die wirkliche Situation hat mein Kollege Wehner völlig klargestellt. Die sozialdemokratische Fraktion mißbilligt die Entscheidung der Regierung sowohl unter dem Gesichtspunkt der verfassungsrechtlichen Erledigung dieser Angelegenheit als auch hinsichtlich der materiellen Seite, nämlich der Erhöhung des Benzinpreises. Unser Standpunkt in dieser Sache ist völlig klar, und wir werden ihn in der Ausschußberatung mit allem Nachdruck vertreten. Wir sind nicht damit einverstanden, daß wir der Mehrheit dieses Hauses jetzt die Gelegenheit geben, durch eine einfache Abstimmung einer sachlichen Diskussion über die Hintergründe dieser Preiserhöhung aus dem Wege zu gehen.
Wir wollen, daß im Ausschuß völlig klargestellt wird, welche Motive auf seiten der Regierung und auf seiten der Interessengruppen bei der eigenmächtigen Erhöhung dieses Preises eine entscheidende Rolle gespielt haben. Wir wollen aus diesem Grunde auch die gegenwärtige taktische Situation bei der Diskussion hier im Bundestag durch niemand verwischen lassen. Wir halten daran fest, daß wir die Überweisung der beiden Anträge an den Ausschuß unterstützen, damit wir im Ausschuß die Möglichkeit bekommen, sowohl das verfassungsrechtliche Verhalten der Regierung wie den Inhalt ihrer sachlichen Maßnahmen zu untersuchen. Wir werden darauf bestehen — und wir bitten, das als einen formellen Antrag zu betrachten —, daß beide Ausschüsse dem Hohen Hause spätestens bis zum 25. Januar Bericht über ihre Arbeiten und Beschlüsse erstatten.
Das Wört hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine Damen und Herren! Ich weiß nicht, weswegen es Ihnen unangenehm ist, wenn alle Fraktionen sprechen wollen. Ich könnte mir denken, daß die Regierungsparteien es lieber sehen, wenn sie allein reden; aber so ist es im Parlament nun einmal nicht.
— Sie wissen ja selbst am besten, worauf Sie sich beziehen, wenn Sie mir ins Wort fallen. — Ich wollte nur daran erinnern, daß die Verweisung in den Ausschuß eine Möglichkeit ist, eine Sache uninteressant zu machen. Da liegt zum Beispiel in einem Ausschuß noch ein Antrag über die Weihnachtsbeihilfe für Arbeitslose.
Sie kommt vielleicht für das Jahr 1951 zum Zuge, und so ähnlich könnte das ja nun gehen, meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir den Antrag, um den es sich hier handelt, auch in den Ausschuß verweisen.
Wir sind der Ansicht, daß man diese Angelegenheit jetzt sofort erledigen sollte und daß man nicht jeder Schwierigkeit durch eine Steuererhöhung ausweichen darf. Gerade eine Erhöhung der Lebenshaltungskosten, die durch eine solche Steuererhöhung bedingt wird, muß eingehend beraten werden, und zwar unter Hinzuziehung des Parlaments. Es ist mir bekannt, daß sich die Regierung formal auf die Preisgesetze des Zweizonenwirtschaftsrats berufen kann. Es wird zu prüfen sein, ob sie mit dieser Ansicht recht hat oder nicht. Aber darauf kommt es im Augenblick nicht an. Man kann nur feststellen, daß sie im Augenblick versucht, einer Schwierigkeit auf dem bequemsten Wege, nämlich dem Wege über eine Steuererhöhung, worum es sich in Wirklichkeit handelt, auszuweichen. Und das soll geschehen, ohne daß das Parlament auch nur in Kenntnis gesetzt ist, und dann sollen wir uns damit abfinden. Diese Methode lieben wir nicht, und wir sollten ihr deswegen Paroli bieten. Es ist zweckmäßig und notwendig, daß wir schon deswegen der Regierung zeigen, daß wir scharf und prompt reagieren, wenn so vorgegangen wird.
Im übrigen scheint es auch der Wunsch zu sein, der nicht mehr konkurrenzfähigen Bundesbahn wieder auf die Beine zu helfen. Wenn man das will, muß man es anders machen und nicht dadurch, daß man der Konkurrenz, nämlich den Privatunternehmungen, Schwierigkeiten bereitet.
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich erkläre daher die Aussprache über die Drucksachen Nr. 331 und 363 für geschlossen.
Was die Form der Behandlung der Anträge anlangt, so ist dazu folgendes zu sagen. Es liegen drei Anträge vor. Der erste Antrag wurde von dem Herrn Abgeordneten Loritz dahingehend gestellt, eine namentliche Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 331 herbeizuführen. Der zweite Antrag wurde von dem Herrn Abgeordneten Wehner im Auftrag und im Namen der SPD-Fraktion in voller Übereinstimmung mit dem gestern im Ältestenrat gefaßten Beschluß gestellt, die beiden Anträge Drucksachen Nr. 331 und 363 an die Ausschüsse für Wirtschaft und Verkehr zu überweisen, und zwar, wie ich gleich einflechten möchte, wahrscheinlich mit der Maßgabe, daß die Federführung beim Ausschuß für Wirtschaft liegt. Oder soll sie beim Ausschuß für Verkehr liegen?
— Federführend ist also der Ausschuß für Wirtschaft.
Der dritte Antrag wurde von dem Herrn Abgeordneten Renner gestellt, über den Antrag Drucksache Nr. 363 satzweise abzustimmen.
Zum Schluß wurde noch von dem Herrn Abgeordneten Ollenhauer beantragt, die Ausschußüberweisung mit der Maßgabe zu beschließen, daß die Beratungen bis zum 25. Januar beendet sind und die Beratungsergebnisse bis dahin vorliegen.
Ich erkläre den Antrag auf Überweisung beider Drucksachen Nr. 331 und 363 an die Ausschüsse für Wirtschaft und für Verkehr
— und an den Rechtsausschuß
mit der Maßgabe, daß die Federführung beim Ausschuß für Wirtschaft liegt, und mit der weiteren Maßgabe, daß die Ergebnisse der Beratungen der Ausschüsse bis zum 25. Januar vorliegen müssen, für den weitestgehenden Antrag.
— Ich bin in der Abstimmung. Wer für diesen Antrag ist, — —
— Ich habe den letzteren Antrag für den weitestgehenden erklärt. Das liegt in meiner Befugnis.
Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Meine Damen und Herren, die beantragte Überweisung an die drei Ausschüsse ist mit eindeutiger und überwältigender Mehrheit beschlossen worden.
Meine Damen und Herren, damit sind die anderen Anträge erledigt, und wir stehen am Schluß der 26. Sitzung des Deutschen Bundestags.
— Darf ich noch einen Augenblick um Ruhe bitten, meine Damen und Herren!
Ich berufe die nächsten Plenarsitzungen gemäß den gefaßten Beschlüssen ein auf Mittwoch, den 18., Donnerstag, den 19., und Freitag, den 20., Januar.
Damit ist die 26. Sitzung des Deutschen Bundestags geschlossen.