Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf macht den erfreulichen Versuch, die Kriegslasten auf alle Schultern zu verteilen. Bei seiner Durchsicht fällt uns auf, daß unter den hier genannten Ländern, die in den Ausgleichsstock bezahlen, und solchen, die vom Ausgleichsstock etwas erhalten, die beiden süddeutschen Länder SüdwürttembergHohenzollern-Lindau und Baden nicht genannt sind. Der Herr Bundesfinanzminister hat es soeben als eine erfreuliche Tatsache bezeichnet, daß unter den Ländern Einigkeit erzielt wurde. Ich darf aber darauf hinweisen, daß gerade meine badische Heimat sich mit dieser Regelung nicht einverstanden erklärt, und ich weiß, daß auch Südwürttemberg-Hohenzollern-Lindau mit dieser Regelung nicht einverstanden ist.
Bei Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse dieser süddeutschen Länder müssen wir uns vor allen Dingen vergegenwärtigen, welche außergewöhnlichen Lasten diese beiden Länder zu tragen haben. Wenn ich mich jetzt im besonderen um die badischen Verhältnisse kümmere, so schließe ich doch gleichzeitig die Belange von Südwürttemberg-Hohenzollern und Lindau mit ein, weil dort die Verhältnisse ähnlich gelagert sind.
Es ist im Bundesrat anerkannt worden — und das ist eine erfreuliche Tatsache —, daß in Baden die Besatzungslast tatsächlich außerordentlich groß ist. Der Herr Berichterstatter hat auch im Bundesrat festgestellt, daß diese Regelung nicht die Zustimmung der beiden Länder, insbesondere nicht Badens, finden wird und daß in Baden das Gefühl einer ungerechten Behandlung entsteht. Ich muß Sie bitten, davon Kenntnis zu nehmen, daß die Besatzungslasten gerade Badens weit über dem Bundesdurchschnitt liegen. Wir zahlen in Baden an Besatzungslasten 49 Prozent unseres Steueraufkommens, während dieser Satz im Bundesdurchschnitt 32 Prozent beträgt oder, auf den Kopf der Bevölkerung umgerechnet, 148 Mark gegenüber 95 Mark im Bundesdurchschnitt. Wir
bezahlen also 17 Prozent Besatzungskosten mehr als die übrigen Bundesländer. Wenn wir die gesamten Kriegslasten betrachten, müssen wir feststellen, daß Südbaden allein zu 78 Prozent seines Steueraufkommens an diesen Kriegsfolgelasten zu tragen hat, während der entsprechende Satz im Bundesdurchschnitt 60 Prozent beträgt. Schon an diesen wenigen Zahlen sehen Sie, daß hier besonders schwierige Verhältnisse vorliegen. Wir dürfen daher erwarten, daß man diese beiden Länder bei der Regelung der Besatzungslasten entsprechend berücksichtigt.
Der Herr Berichterstatter hat im Bundesrat darauf hingewiesen, daß in diesen beiden Ländern die Fürsorgelasten für die Vertriebenen, für die vertriebenen Beamten „und derlei mehr", wie er sich ausgedrückt hat, weit geringer seien. Der badische Staatspräsident hat bei dieser Sitzung erklärt, das Land Baden wolle sich in gar keiner Weise seiner deutschen und seiner christlichen Verpflichtung entziehen, Anteil zu nehmen an der Verteilung der vom Krieg so schwer Betroffenen, und ich glaube, die Aufnahme, die die Flüchtlinge gerade in Baden gefunden haben, kann sich in bezug auf Behandlung und Entgegenkommen gegenüber den übrigen Bundesländern sehr wohl sehen lassen. Wir haben allein bis zum Zeitpunkt jener Bundesratssitzung vom 9. Dezember 149 000 Heimatvertriebene aufgenommen. Das ist freilich nicht soviel wie in Bayern oder gar Schleswig-Holstein oder Niedersachsen; aber diese Regelung kann ja auch nicht rein schematisch erfolgen, sondern hier müssen die besonderen Verhältnisse eines Landes Berücksichtigung finden. Der Herr Staatspräsident hat gerade auch auf die besonderen Belastungen des Landes Baden hingewiesen, und ich hoffe nicht, daß der Herr Berichterstatter im Bundesrat auch von jenen erhöhten Ausgaben des Landes hat sprechen wollen, die auf sozialem Gebiet liegen. Es ist Ihnen allen miteinander bekannt, und wir Badener freuen uns darüber, daß es dank der Zustimmung der Besatzungsmacht gelungen ist, die Sozialaufwendungen in einer Höhe zu halten, die der der früheren Reichsregelung entspricht. Wir sind weit davon entfernt zu glauben, daß wir damit restlos unsere Pflicht erfüllen oder daß wir gar die gewaltigen Opfer, die dieser Personenkreis gebracht hat, irgendwie ersetzen können. Ich bin der Auffassung, daß das niemand kann. Auch der reichste Staat wird gerade diesen Opfern des Krieges das nicht ersetzen können, was sie verloren haben. Aber wir freuen uns, daß wir hier mehr haben tun können, als es in den übrigen Bundesländern möglich gewesen ist.
Wenn man alle diese Lasten zusammenrechnet, ergibt sich für das Land Baden — und ich schließe hier Südwürttemberg mit ein - eine außerordentlich hohe Belastung. Es will uns daher unverständlich erscheinen, daß das Bundesfinanzministerium nicht eine Regelung getroffen hat, die auch die Besatzungslasten von Baden entsprechend berücksichtigt. Der badische Staatspräsident hat schon im November, als sich die Gefahr abzuzeichnen begann, daß Baden aus dem Finanzausgleich nichts bekommen würde, die französische Militärregierung darauf hingewiesen, daß er nicht in der Lage sei, die Rate der Besatzungskosten im November zu bezahlen. Hätten wir sie bezahlt, dann hätten wir für die gesamte Staatsverwaltung nur noch 36 Prozent der Einnahmen zur Verfügung gehabt. Es wäre also nicht möglich gewesen, das zu tun, was in einem geordneten Staatswesen notwendig ist. So bleiben wir nun mit unseren Besatzungslasten seit November wesentlich zurück. Am 27. Dezember hat dann die französische Militärregierung die badische Staatsregierung wissen lassen, sie stehe auf dem Standpunkt, daß, nachdem die Besatzungslasten jetzt endgültig verteilt seien, die badische Regierung nun die Aufgabe habe, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln hauszuhalten und daraus alle Ausgaben zu bestreiten, daraus also auch die Besatzungslasten zu bezahlen. Der badische Staatspräsident hat mit Recht darauf hingewiesen, daß die Regelung der Besatzungskosten Aufgabe des Bundes ist. Wir sollten aber die Rückstände, die wir seit November haben — zum Teil haben wir noch frühere Rückstände —, in wenigen Tagen zahlen können. Das ist nicht möglich. Daher möchte ich wirklich hoffen, daß im Laufe der Beratungen die berechtigten Wünsche von Baden und von Südwürttemberg in irgendeiner Form Berücksichtigung finden. Die beiden Länder haben früher zu Ländern gehört, die stabile Verhältnisse gehabt haben und geordnete Staatswesen darstellten, Staatswesen, die sich selber erhalten konnten und die durch ihre Leistungen gezeigt haben, daß sie lebensfähig sind. Deshalb möchte ich Sie bitten, daß Sie jetzt das notwendige Verständnis für unsere badischen, südwürttembergischen, hohenzollerischen und lindauischen Belange aufbringen. Ich gebe der Hoffnung Ausdruck, daß der Bundestag, nachdem er sich in so vorbildlicher Weise ganz besonders der sozial Schwachen angenommen hat, auch hier das Beispiel, das wir in den letzten Monaten mehrfach gesehen haben, nachahmt und den Verhältnissen von Baden und Südwürttemberg jene Berücksichtigung angedeihen läßt, die für diese beiden Länder notwendig ist. Ich hege die Hoffnung, daß Sie, meine Damen und Herren, nicht bloß große Sympathie für unser Schwarzwälder Kirschwasser und für unsere schöne, herrliche Landschaft haben, sondern daß Sie auch einen gesunden Sinn und eine offene Hand für unsere zur Zeit so schwerwiegenden Belange haben werden. Wir wollen hoffen und wünschen, daß es in der Zukunft gelingt, daß wir wieder in geordnete Verhältnisse zurückkommen.