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ID0102603800

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    Deutscher Bundestag — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Januar 1950 779 26. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. Januar 1950. Nachruf des Präsidenten auf die verstorbenen Abg. Klinge und Dr. Ziegler . . 780C Geschäftliche Mitteilungen . . . . 780D, 781C Eintritt des Abg. Dr. von Campe in den Bundestag 780D Wiedergenesung des Abg. Dr. Mücke . . 780D Zustimmung des Bundesrats zu den Gesetzentwürfen über Gewährung von Straffreiheit . . . . 781A Erstreckung und Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes, des Gesetzes zur Deckung der Kosten für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren und des Preisgesetzes . . . . . . . . 781A Erstreckung und Verlängerung der Geltungsdauer des Fachstellengesetzes und der Fachstellengebührenordnung 781A Wirkung der bei den Annahmestellen Darmstadt und Berlin eingereichten Patent-, Gebrauchsmuster- u. Warenzeichenanmeldungen in den Ländern Baden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern und in dem bayerischen Kreis Lindau . . . . . . 781A Verlängerung des Gesetzes über die Festsetzung und Verrechnung von Ausgleichs- und Unterschiedsbeträgen für Einfuhrgüter der Land- und Ernährungswirtschaft . . .. . 781A Änderung des Gesetzes zur Aufhebung des Lohnstops 781A Änderung des Zuckersteuergesetzes . 781A Anfrage Nr. 11 der Fraktion der FDP betr. Senkung der Tabaksteuer (Drucksache Nr. 243) 781A Anfrage Nr. 15 der Fraktion der SPD betr. Stromversorgung in Bayern (Drucksache Nr. 242) 781B Anfrage Nr. 20 der Abg. Niebergall, Renner und Genossen betr. Reblausbekämpfung (Drucksache Nr. 289) . . . . . . . . 781B Anfrage Nr. 22 der Abg. Leuchtgens und Genossen betr. Berechnung der Arbeitslosenunterstützung (Drucksache Nr. 309) 781B Anfrage Nr. 19 der Abg. Niebergall, Renner und Genossen betr. deutschen Weinhandel (Drucksache Nr. 288) . . . . . . . . 781B Anfrage Nr. 21. der Fraktion der SPD betr. Berlinhilfe (Drucksache Nr. 304) . . . . 781B Anfrage Nr. 7 der Abg. Dr. von Rechenberg und Fraktion betr. Umquartierung im Raume Köln (Drucksache Nr. 188) . . 781B Wahleinsprüche (Drucksache Nr. 319) . 781B Interpellation der Fraktion der SPD betr. Hilfe für in Frankreich verurteilte deutsche Kriegsgefangene (Drucksache Nr. 303) 781D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 781D Eichler (SPD) . . . . . . . . 783C Höfler (CDU) . . . . . . . . . 784A Vorlage des Entwurfs einer Verordnung des Bundesministers der Justiz betr. Errichtung einer Zweistelle des Deutschen Patentamtes in Groß-Berlin (Drucksache Nr. 368) 784D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 784D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erteilung einer Kreditermächtigung, Antrag der Abg. Bausch, Dr. Dr. Höpker-Aschoff, Dr. von Merkatz, Schuster und Genossen (Drucksache Nr. 366) . . . . . . . . 785A Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) 785A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP), Antragsteller 786C Mellies (SPD) . . . . . . . 787B Rische (KPD) . 787C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache Nr. 317) . . . 788D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 789A Neuburger (CDU) . . . . . . . 795C Seuffert (SPD) 797D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 799C Ewers (DP) 802B Dr. Besold (BP) . . . . . . . . 803A Loritz (WAV) 804B Dr. Bertram (Z) . . . . . . 805C Rische (KPD) . 807A 1 Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten im zweiten Rechnungshalbjahr 1949 (Drucksache Nr. 318) . . . . . . . 808C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 808C, 810D Dr. Wuermeling (CDU) 809D Morgenthaler (CDU) 808C Renner (KPD) 810A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung von Abschlagszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer 1950 (Drucksache Nr. 367) • 810D Schäffer,. Bundesminister der Finanzen 810D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerveranlagung für die Veranlagungszeiträume vom 21. Juni 1948 bis 31. Dezember 1948 (II. Halbjahr 1948) und das Kalenderjahr 1949 (Drucksachen Nr. 313 und 376) 811B Dr. Bertram (Z), Berichterstatter . . 811B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erteilung einer Kreditermächtigung (Drucksachen Nr. 366 und 377) . . . . . . . . . . . . 813B Dr. Ehlers (CDU), Berichterstatter . . 813B Antrag der Fraktion der WAV betr. Benzinpreiserhöhung (Drucksache Nr. 331) und Antrag der Fraktion der KPD betr. Mißbilligung der Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft auf Erhöhung der Mineralölpreise und Antrag auf Aufhebung derselben (Drucksache Nr. 363) 814A Loritz (WAV), Antragsteller 814A, 820B Vesper (KPD), Antragsteller . . . . 816B Wehner (SPD) . . . . . . . . 817A Rademacher (FDP) 818A Renner (KPD) . . . . . . . 819B Dr. Seelos (BP) . . . . . . . . 820B Ollenhauer (SPD) . . . . 821C Dr. Reismann (Z) 821D Nächste Sitzung . . . . . . . 822D Die Sitzung wird um 15 Uhr 12 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von August Neuburger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Noch unter dem Eindruck der verantwortungsvollen Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers drängt es mich zunächst, namens meiner Parteifreunde dem Herrn Bundesfinanzminister für seine klaren, ernsten und doch zuversichtlichen Worte zu danken. Gleichzeitig möchte ich dem Wunsch Ausdruck verleihen, daß diese Klarheit und sein Bekenntnis zur Sparsamkeit auch in Zukunft die Parole seines Handelns ist.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat erklärt, daß diese Gesetzesvorlage eine Wende darstelle, das heißt, daß die Bundesregierung damit den Weg einer neuen Finanzpolitik beschreite. Wir begrüßen diesen Schritt; denn er kommt insoweit zweifellos einer seit Jahr und Tag 'erhobenen Forderung aller Steuerpflichtigen entgegen.
    Leider hat die Zeit und hat die Fülle anderer Aufgaben es nur erlaubt, die bestehenden Steuerbestimmungen in gewissem Umfange zu ändern bzw. deren Änderung vorzuschlagen. Es ist also bedauerlicherweise noch das alte Instrument. Wer aber die Größe und den Umfang und die Schwierigkeiten kennt, die die sogenannte große oder organische Steuerreform mit sich bringt, der wird Verständnis Air den von der Regierung eingeschlagenen Notweg haben; denn es gilt jetzt, so schnell wie möglich die gröbsten Härten und die schlimmsten Schäden der bisherigen Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes zu beseitigen. Die Steuern müssen endlich ihres geradezu konfiskatorischen Charakters entkleidet werden. Die Steuertarife müssen auf ein solches Maß reduziert werden, daß sie sowohl für den einzelnen wie für die Wirtschaft tragbar und damit für alle Steuerpflichtigen wieder moralisch verpflichtend werden.
    Darüber hinaus muß die Bildung von Spar- und Betriebskapital möglich sein; denn ohne Sparund Betriebskapital kann der Wiederaufbau nicht durchgeführt werden. Es muß allgemeiner Grundsatz sein, daß unsere Volkswirtschaft, soll sie in der Lage sein, unser Volk zu ernähren und unser aller Lebensstandard zu bessern, Kapital, Kapital und nochmals Kapital braucht. Auf das Ausland wollen und können wir uns in dieser Beziehung nicht verlassen. Deshalb bleiben als Quellen nur unser eigener Sparwille und unsere


    (Neuburger)

    eigene Sparkraft. Damit aber diese Quellen fließen, muß der Staat aufhören, alles über die Steuer abzuschöpfen, so daß selbst beim besten Willen bisher ein Sparen nicht mehr möglich war. Wenn ich heute in der Zeitung das magere Ergebnis der steuerbegünstigten Wiederaufbauanleihe oder der steuerbefreiten Wohnungsbauanleihe lese, so sehe ich darin nicht ein Mißtrauen gegen die Anlage als solche, sondern einen klaren Beweis dafür, daß zum Sparen eben bisher nichts mehr übrigblieb.

    (Zustimmung bei der CDU.)

    Daher begrüßen wir die Gesetzesvorlage. Sie erfüllt wenigstens in etwa die beiden Forderungen, die wir zu stellen haben, einerseits die Forderung nach Steuersenkung und andererseits die Forderung nach Begünstigung der Kapitalbildung.
    Wenn ich nunmehr mit kurzen Worten auf das Gesetz selbst eingehe, so brauche ich mich über den § 3 der Vorlage nicht weiter zu verbreiten. Der § 3 bringt im wesentlichen nur eine bessere Fassung und die Zusammenfassung aller Steuerbefreiungen auf Grund unserer Sozial- und Rentenversicherungsgesetze. Zu begrüßen ist, daß die durch das Zweite Gesetz zur Neuordnung der Steuern eingeführten Erleichterungen im Interesse der Kapitalbildung in der neuen Vorlage voll aufrechterhalten werden.
    Zu § 7 a hat zwar der Bundesrat eine Einschränkung gemacht, ich hoffe aber, daß diese Einschränkung nicht Gesetz wird, sondern daß es bei der bisherigen Fassung verbleibt. Es handelt sich hierbei um die bevorzugte Abschreibung von Ersatzgütern für Wirtschaftsgüter, die seit Kriegsbeginn verlorengegangen sind.
    Besonders begrüße ich die Mitteilung des Herrn 1 Bundesfinanzministers, daß der § 7 c noch eine Erweiterung erfährt. Ich selbst wollte hierzu gewisse Vorschläge machen. Niemand kann bezweifeln, daß diese steuerliche Begünstigung auf dem Gebiete des Wohnungsbaus bereits große produktive Kraft ausgelöst hat. Es ist also durchaus zu billigen, daß der Personenkreis, dem diese Vergünstigungen zugute kommen, erweitert wird. Ich weiß nicht, wie die Bestimmung ausfällt; aber ich wollte vorschlagen, eine Lösung nach der Richtung zu finden, daß nicht nur der zweite bzw. dritte, sondern auch der Eigensparer in den Genuß dieser Bestimmung kommt. Darüber hinaus wollte ich anregen, unter Umständen auch die Beiträge an die Bausparkassen mit einzubeziehen. Bis jetzt hat dieser Paragraph den Grundsatz der Unmittelbarkeit zur Voraussetzung, während die Zahlungen an die Bausparkassen ja mittelbar erfolgen. Meines Erachtens aber müßte es möglich sein, einen Passus zu finden, nach dem die Zahlungen an die Bausparkassen auch ohne mißbräuchliche Ausnutzung einbezogen werden können. Ich würde mir davon eine rasche Belebung des Baumarktes versprechen, da ja den Bausparkassen schon gewisse Mittel zur Verfügung stehen und diese Mittel nur der entsprechenden Ergänzung bedürfen.
    Der § 10 bringt teils Erweiterungen, teils Einschränkungen. Eine Einschränkung sehe ich besonders — hier geht meine Auffassung nicht ohne weiteres mit der des Herrn Bundesfinanzministers konform — in der Abschaffung der steuerfreien Bestimmung über die Wiederbeschaffung von Hausrat und Kleidung. Der Herr Bundesfinanzminister hat selbst zum Ausdruck gebracht, daß von dieser Steuerbefreiung bis jetzt sozusagen nur die sozial Bessergestellten Gebrauch machen konnten. Daraus ergibt sich doch meines Erachtens die Folgerung, daß diese Steuerbefreiung erst recht aufrechterhalten werden muß, damit auch die sozial Schlechtergestellten in den Genuß dieser Steuerbefreiung kommen. Der Grund für die Abänderung soll angeblich die Verwaltungsvereinfachung sein. Wenn das der Fall wäre, dann müßten zum mindesten die Beträge, die in § 33 a ausgeworfen sind, eine entsprechende Erhöhung erfahren.

    (Widerspruch bei der WAV.)

    Etwas bestürzt war ich über die Einschränkung, die der Bundesrat dem Passus über die Steuerbegünstigung der Spenden für gemeinnützige, mildtätige Zwecke und insbesondere für wissenschaftliche Forschungszwecke gegeben hat. Meines Erachtens ist es dringend erforderlich, hier die bisherige Fassung aufrechtzuerhalten.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben vorhin gehört, welche große Aufgabe unsere Exportindustrie nach Aufhören des Marshallplans zu erfüllen hat. Die heutige Lücke in unserem Haushalt beträgt, wie wir vorhin hörten, 3,5 Milliarden. Der Export wird also zur ersten Forderung unserer Wirtschaft. Unser gesamtes geistiges Forschungsgut der letzten Jahre, man kann sagen: der letzten Jahrzehnte, mußte der ganzen Welt preisgegeben werden. Qualität allein kann aber dieses Problem nicht meistern, wenn die Qualität nicht Hand in Hand geht mit dem neusten Stand der wissenschaftlichen und technischen Forschungsergebnisse. Deshalb vertrete ich die Auffassung, daß es geradezu eine Forderung Nr. 1 ist, die wissenschaftliche Forschung in jeder Weise zu unterstützen. Daher habe ich für die Einschränkungen kein Verständnis. Ich wäre sogar dafür, daß dieser Betrag von 5 Prozent noch erhöht wird. Meines Erachtens würden wir dadurch die wirtschaftspolitische Absicht des Gesetzes, von der der Herr Bundesfinanzminister gesprochen hat, in keiner. Weise verletzen, sondern wir würden diese Absicht dadurch noch geradezu aktivieren.
    Zur Frage des nichtentnommenen Gewinns muß ich sagen, daß ich hier zwar begrüße, daß der nichtentnommene Gewinn im Rahmen der Sonderausgaben bzw. die Sonderausgaben selbst eine gewisse Erhöhung erfahren, soweit sie die Normalsätze überschreiten, nämlich auf 15 Prozent bzw. 15 000 Mark. Ich weiß aber nicht, ob die Einführung der absoluten Nachversteuerung sowohl im § 10 wie im § 32 a den Dingen wirklich gerecht wird.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es ist zweifellos richtig, daß bei allen steuerlichen Maßnahmen der Grundsatz der steuerlichen Gleichheit berücksichtigt werden muß, und es ist richtig, daß bei den Kapitalgesellschaften jede Entnahme einer doppelten Besteuerung unterliegt. Wie der Herr Minister auch erklärt hat, ist aber die Bestimmung hier eingeführt, um Kapital zu bilden und um die Selbstfinanzierung zu fördern. Wenn ich aber die Selbstfinanzierung fördere und weiß, daß ich diese Beträge eines Tages nachversteuern muß — nämlich dann, wenn ich mehr entnehme als meinen Gewinn —: ja, in welche Situation komme ich dann? Wann entnehme ich denn als vorsorgender Unternehmer mehr als meinen Gewinn? Dann, wenn mein Betrieb einen Gewinn nicht mehr abwirft, wenn irgendeine Konjunkturkrise kommt oder — es


    (Neuburger)

    handelt sich ja hier um Personalgesellschaften, und bei Personalgesellschaften bildet doch normalerweise der Inhaber den eigentlichen Motor des Geschäfts —, wenn die Arbeistkraft des Inhabers vielleicht infolge Krankheit oder Überalterung nachläßt, also dann, wenn der Inhaber unverschuldet in Not kommt. Dann muß er mehr entnehmen als seinen Gewinn. Also gerade da, wo er am wenigsten leisten kann, unterliegt er der Steuer. Über ihm hängt also sozusagen ein Damoklesschwert.
    Daher weiß ich nicht, ob diese Einführung der Nachversteuerung ad infinitum wirklich glücklich zu nennen ist. Die bisherige Bestimmung hat gelautet: fünf Jahre. Wir hoffen, daß wir innerhalb der nächsten fünf Jahre die große bzw. die sogenannte organische Steuerreform bekommen. Bei dieser organischen Steuerreform wird zweifellos der zur Zeit bestehende Unterschied zwischen Besteuerung von Personalgesellschaften einerseits und Kapitalgesellschaften andererseits nicht mehr die Bedeutung haben wie heute, so daß man heute ohne Verletzung des Grundsatzes der Gleichheit in der Besteuerung die bisherige Fassung meines Erachtens belassen könnte, daß also die Nachbesteuerung nur innerhalb der nächsten fünf Jahre vorzunehmen wäre.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Dann noch ein Wort zu dem Vorschlag des Bundesrats, den § 34 a über die Mehrarbeit zu streichen. Hier war bisher die Mehrarbeit steuerfrei, insbesondere waren die Zuschläge steuerfrei. Es ist zwar richtig, daß es in erster Linie das Bestreben sein muß, dafür zu sorgen, daß keine Mehrarbeit geleistet wird, sondern daß die Arbeitslosen in ein normales Arbeitsverhältnis gebracht werden. Daher soll natürlich steuerlich kein Anreiz geboten werden, hier Mehrarbeit zu leisten, die dazu führt, daß einem Arbeitslosen sozusagen sein berechtigter Arbeitsplatz vorenthalten wird. Aber es hat bisher geheißen, daß nur solche Zulagen für Mehrarbeit die Steuerbegünstigung genießen, die in Gesetzen oder in Tarifen festgelegt sind. Damit ist meines Erachtens Vorsorge genug getroffen, daß daraus kein Kapital zu Lasten der Arbeitslosen geschlagen werden kann. Denn die Verantwortlichen für die Tarifverträge haben es ja dann in der Hand, zu sagen, ob in dem betreffenden Betrieb für gewisse Mehrarbeiten auch ein Tarifzuschlag gewährt wird oder nicht. Ich teile also diese Bedenken nicht und wäre demgemäß dafür, den § 34 a in der bisherigen Form aufrechtzuerhalten.
    Zur Frage der begünstigten Besteuerung des nichtentnommenen Gewinns möchte ich auch noch die Anregung geben, ob es nicht möglich wäre, den Flüchtlingsbetrieben eine erweiterte Chance für die nächsten zwei oder drei Jahre zu geben, damit sie kapitalkräftig werden. Es hat sich ja in der Praxis gezeigt, daß diese Flüchtlingsbetriebe alle mit fremdem Kapital, größtenteils entweder mit unmittelbarem Staatskapital oder doch mit staatsverbürgten Krediten arbeiten mußten. Damit ergibt sich auch von seiten der Herren Finanzminister der dringende Wunsch, diese Betriebe möglichst bald auf eine eigene finanzielle Grundlage zu stellen. Daher glaube ich, daß man keine zu große Forderung erhebt, wenn man hier dafür spricht, diesen Flüchtlingsbetrieben auf diesem Gebiet noch eine besondere Vergünstigung einzuräumen.

    (Abg. Loritz: Das gehört in das Gesetz hinein!)

    — Sie sagen, Herr Loritz: „Das gehört ins Gesetz!" Wir stehen ja heute in der ersten Lesung, und das Gesetz wird dann dem Ausschuß überwiesen.

    (Abg. Loritz: Aber die CDU hat das Gesetz vorgelegt!)

    Im Ausschuß sind wir alle vertreten, und für mich ist eine absolute Selbstverständlichkeit, daß gerade dieses Gesetz, von dem der Minister sagt, es sei der Beginn eines neuen Weges für unsere Finanzpolitik, von allen Beteiligten mit größter Sachlichkeit und mit größtem Ernst behandelt wird.
    Zweifellos sind noch manche Wünsche offen. Aber auf der andern Seite dürfen wir doch nicht vergessen, daß wir besonders auf finanziellem Gebiete unter der furchtbaren Last des Erbes stehen, das wir antreten mußten. Wir dürfen nicht vergessen, daß der Staat sich in einer wirklichen finanziellen Notlage befindet und demgemäß auch die steuerliche Belastung entsprechend sein muß. Die finanzielle Notlage, in der sich der Staat befindet, kann nur durch die Opfer aller, natürlich unter Beachtung der Gleichmäßigkeit und der sozialen Gerechtigkeit, beseitigt werden.
    Gerade deswegen wünsche ich, daß dieser Gesetzentwurf weiter bearbeitet wird unter dem Gesichtspunkt und in der ,Erkenntnis, daß eine gesunde Finanz- und Steuerpolitik Voraussetzung ist für eine gesunde Wirtschaftspolitik und daß eine gesunde Wirtschaftspolitik Voraussetzung ist für die vornehmste und verantwortungsvollste Aufgabe, die wir uns gesetzt haben, nämlich eine wahrhaft echte und gesunde Sozialpolitik zu treiben.

    (Beifall bei CDU/CSU.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Walter Seuffert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist zweifellos ein Novum in der Finanzpolitik, ein einmaliges Erlebnis, daß ein Finanzminister eine Steuersenkungsvorlage, die in diesem Fall einen Steuerausfall bringt, der immerhin am ehesten in der Gegend von 900 Millionen D-Mark jährlich liegt, das heißt erheblich mehr als 5 Prozent der gesamten öffentlichen Einnahmen des Bundesgebiets bedeutet, mit dem Nachweis einbringt, daß der öffentliche Haushalt sich bei optimistischster Beurteilung in diesem Jahre allenfalls auf der 'Grenze des Gleichgewichts halten könnte und daß er im nächsten Jahr ein großes dunkles Loch von nun eher vielleicht 20 Prozent der gesamten öffentlichen Einnahmen aufweisen wird, ein großes dunkles Loch, über dessen Ausfüllung der Herr Bundesfinanzminister allenfalls die Zusicherung gegeben hat, es durch ein großes Kolumbusei auszufüllen.

    (Heiterkeit links.)

    Meine Damen und Herren! Derartiges kann man allerdings mit Fug und Recht als eine Wende der Finanzpolitik bezeichnen.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Zuruf rechts: Sehr dünn!)

    Diese Wende der Finanzpolitik schien mir nicht überzeugender dadurch gemacht zu werden, daß sie von Zahlen über die Prozentsätze der steuerlichen Belastung begleitet wurde, die meines bescheidenen Erachtens von allen verfügbaren Zahlen über das wirkliche Volkseinkommen nicht gestützt werden, die vollkommen die gleichlaufende und vergleichbare Entwicklung in anderen Län-


    (Seuffert)

    dern aus den Augen ließen, die weiterhin etwa über die steuerliche Belastung der unteren Einkommen schlankweg ohne Berücksichtigung der außerordentlich gestiegenen Lebenshaltungskosten Zahlen von vor Jahrzehnten mit den heutigen Zahlen vergleichen wollten und auf diese Art und Weise ein außerordentlich schiefes Bild geben.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Meine Damen und Herren, die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers zu diesem Teil enthielten meines Erachtens mehr Fehler, als daß die beschränkte Redezeit mir gestattet, auf sie alle einzugehen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Um nur folgendes anzuführen: Wenn von der Winzigkeit des Kapitaleinkommens gesprochen worden ist, so spricht die Entwicklung der Aktienkurse über die Meinung der Sachverständigen über dieses Einkommen denn doch eine andere Sprache.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Ich möchte zusammenfassend nur sagen: Wenn der Herr Bundesfinanzminister hier zum Ausdruck gebracht hat, daß er eine finanzpolitische Entwicklung, die auf eine steuerliche Entlastung der breiten Massen und auf eine Verlagerung der Steuerlast auf die wirklich starken Schultern, von denen sie getragen werden kann, hinzielt, für verderblich hält und ihr entgegentreten will, so konnte nicht klarer und deutlicher ausgesprochen werden, was in diesem Punkte unsere Vorstellungen von den Vorstellungen des Herrn Bundesfinanzministers, der Bundesregierung und der Mehrheit, die sie trägt, trennt.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Und dafür sagen wir unsererseits dem Herrn Bundesfinanzminister Dank.
    Mit mehr Grund, glaube ich, und mit mehr Logik hat die schriftliche Begründung der Regierungsvorlage an den Anfang ein ausführliches Zitat aus der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzler gestellt. In dieser Regierungserklärung war das Versprechen der Steuersenkung enthalten, und dieses Versprechen wird heute eingelöst. Wir wußten, daß im Lichte dieses Versprechens und mit der Maßgabe, daß dieses Versprechen den ersten Rang hat, jenes Wort des Herrn Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung zu verstehen, „so sozial wie möglich" zu sein. Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, daß die öffentlichen Einnahmen heute in einem sehr starren Verhältnis zu den Anforderungen an die Sozialleistungen der öffentlichen Hand stehen. Ich brauche diese Sozialleistungen nicht im einzelnen näher aufzuzählen. Wir kennen die erschreckende Lage auf dem Fürsorgegebiet, wir kennen die sehr unbefriedigende Lage auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung und kennen vor allen Dingen - auch dies gehört hierher — die große Frage, wo die für den sozialen Wohnungsbau nötigen öffentlichen Zuschüsse aufgebracht werden sollen.
    Immerhin darf ich, indem ich in diesem Zusammenhange das Wort „Berlin" ausspreche, daran erinnere, daß es neben diesen sozialen Leistungen auch nationale Aufgaben gibt, bei denen es sich nicht um Worte, nicht um Farben, sondern um Taten handelt. Ich glaube wirklich nicht, daß man all diese Dinge nur als Forderungen von Interessentenkreisen bezeichnen kann, obwohl ein böser Wille gewisse Ausführungen des Herrn
    Bundesfinanzministers vielleicht so hätte auffassen können,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    nämlich, daß solche Dinge als „Interessentenforderungen" bezeichnet werden, weil sie hier von großen Parteien vertreten werden.
    Der Herr Bundesfinanzminister hat uns in sehr dankenswerter Weise soeben vorgerechnet, wie die notwendigsten Anforderungen auf diesem Gebiet — infolge einer Politik, die wir stark bekämpft haben — seit der Währungsreform angestiegen sind. Es ist notwendig, die Konkurrenz zwischen diesen Forderungen und den zu ihrer Erfüllung notwendigen öffentlichen Einnahmen zu beachten, und hier gilt es in erster Linie zu prüfen, ob wir uns Steuersenkungen überhaupt leisten können. Man kann diesen Dingen vielleicht ausweichen, wenn man vor einer Defizitwirtschaft keine Angst hat: Trotz gewisser Zusicherungen, die der Herr Bundesfinanzminister auch heute gegeben hat, ist für den aufmerksamen Beobachter seit einiger Zeit die Besorgnis nicht abzuweisen, daß wir Gefahr laufen, auf dieses Gebiet geraten zu wollen, und ich fürchte sehr, daß aus diesem. Kolumbusei etwas Ähnliches herauskriechen könnte. Der Weg über eine solche Aushilfe wäre ein schlechter Ausweg. Ein beserer Ausweg wäre es, wenn man schon Steuerermäßigungen gewähren will, solche zu gewähren, die gleichzeitig als soziale Leistungen gelten können. Das aber ist gerade das, was die Regierungsvorlage sehr sorgfältig vermieden hat.
    Diese Regierungsvorlage, die sich lediglich auf eine Herabrechnung des Tarifs beschränkt, ist nicht nur technisch phantasielos, sondern in ihrer Tendenz geradezu erschreckend. Sie schlägt uns eine Steuersenkung um etwa ein Sechstel allgemein vor, aber bei den offenbar besonders notleidenden Schichten der Einkommensbezieher von 50- und 60 000 Mark um fast ein Drittel. Gleichzeitig beschneidet sie die Auswirkung der Familienermäßigungen bei den unteren Schichten in besonders fühlbarer Weise. Diese Steuervorlage hat sich überhaupt nicht mit dem Gedanken beschäftigt, ob eine Steuersenkung nicht auch von unten her, zum Beispiel durch Erhöhung der steuerfreien Einkommensbeträge, durchgeführt werden könnte. Offenbar hält man noch daran fest, daß es bei den heutigen Lebenshaltungskosten möglich ist, einen Betrag von nur 750 Mark jährlich für einen schaffenden Menschen, der seine Zukunft und sein Alter sichern soll, als das steuerfreie Existenzminimum zu bezeichnen. Man hat sich auch gar nicht mit der Frage beschäftigt, ob die Pauschsätze der Lohnempfänger für Werbungskosten, die bei den gestiegenen Beförderungskosten und anderen im Preis erhöhten Dingen schon längt nicht mehr ausreichen, nicht erhöht werden können.
    Über die Einzelheit der Steuerbegünstigung für Flüchtlinge und Bombengeschädigte ist bereits mehrfach gesprochen worden. Das geltende Gesetz sieht eine Steuerermäßigung um einen Grundbetrag von etwa 80 Mark monatlich gegen Nachweis der Anschaffungen vor, das vorgeschlagene Gesetz einen Grundbetrag von 40 Mark monatlich ohne Nachweis der Anschaffungen. Über 'die systematische Zweckmäßigkeit könnte man reden. Ob aber der vorgeschlagene Betrag ausreicht, wird sehr genau zu prüfen sein. Wir hören jedoch, daß man an verschiedenen Orten auf die Idee gekommen ist, diesen Leuten als Übergangsregelung nicht 80 und nicht 40, sondern 20 Mark monatlich zuzubilligen. Es wird


    (Seuffert)

    festzustellen sein, wer für derartige Anordnungen verantwortlich ist, und ich glaube, daß wir die Verantwortlichen auch von dieser Stelle aus zur Verantwortung zu ziehen haben werden.
    Die Vorlage hat sich überhaupt nicht damit beschäftigt, daß sich das Ermäßigungssystem, das allerdings bei der behelfsmäßigen Regelung vom vorigen Januar sehr kompliziert und ausgedehnt worden ist, sehr verschieden und außerdem ungerecht je nach der Einkommensstufe der Betroffenen auswirkt. Die Bundesregierung hat sich erst vom Bundesrat darauf aufmerksam machen lassen müssen, daß neben dem Juni-Tarif des Jahres 1948, unter den sie in den höheren Einkommensstufen ja heruntergehen will, auch die Steuerermäßigungen des Januar 1949 nicht mehr in vollem Umfang haltbar sind. Alle diese Fragen werden im Ausschuß sehr eingehend durchgesprochen werden müssen. Das Interesse daran ist wichtiger als eine eilfertige Verabschiedung dieses Gesetzes.
    An Stelle aller dieser Gesichtspunkte, die unbedingt hätten in Erwägung gezogen werden müssen, ist in der Begründung lediglich. das Wort „Kapitalbildung" gesetzt worden. Die Begründung sagt, die Erfahrung habe gezeigt, daß die derzeitigen Steuern die Kapitalbildung gefährdeten. Ich frage, welche Erfahrungen mit einer Steuer vorliegen können, die bisher überhaupt nicht gezahlt worden ist und bei der in keinem einzigen Fall nachgeprüft worden ist, auf Grund welcher Berechnungen die Vorauszahlungen auf diese Steuer geleistet worden sind. Die tatsächlichen Zahlen zeigen etwas anderes. Sie zeigen, daß die Kapitalbildung seit der Währungsreform, selbst wenn man von den niedrigsten Schätzungen von 8 und 10 Milliarden ausgeht, im ganzen jedenfalls das Ausmaß erreicht hat, das man vernünftigerweise erwarten konnte. Aber dieses Kapital ist gebildet worden, ohne daß die wirklich notwendigen Investitionen erfolgt sind; immer noch haben wir zum Beispiel den Wohnungsbau nicht entscheidend in Angriff genommen. Und dies alles ist vor sich gegangen, ohne daß die entgegen allen Saisoneinflüssen im letzten Jahr strukturell anhaltende Steigerung der Arbeitslosigkeit aufgehalten worden ist und ohne daß unsere Produktion, die trotz aller stolzen Ziffern hinter der Durchschnittsentwicklung in anderen Ländern und in ganz Europa wesentlich zurückbleibt, einigermaßen auf Touren gekommen ist. Tatsache ist, daß Investitionen, die im, ganzen das volkswirtschaftlich zu erwartende Maß erreicht haben, willkürlich geleistet worden sind aus Profiten, die auf einer mindestens nicht bekämpften, wenn nicht absichtlich herbeigeführten Hochhaltung der Lebenshaltungskosten basieren. Tatsache ist ferner, daß man auf diesem Wege zugunsten der Kapitalbildung bestimmter Schichten die Kaufkraft und infolgedessen die Sparkraft und die Kapitalbildungskraft anderer Schichten beschnitten hat. Es klang etwas merkwürdig, als der Herr Vorredner auf die Mißerfolge der Wohnungsbauanleihe und anderer Anleihen hinwies in dem gleichen Augenblick, in dem man die wenigen Reste von Stützen gegenüber der Selbstfinanzierung, die man in § 32 a derartigen Anleihen geben wollte, ganz beseitigen will.
    Meine Damen und Herren, es ist viel die Rede von der Initiative zur Kapitalbildung. Auch wir begrüßen die Initiative, und wir haben mehr als einmal deutlichzumachen versucht, was wir unter Planung verstehen. Wir verstehen darunter die
    Sicherung der grundlegenden Voraussetzungen und Gegebenheiten der Volkswirtschaft im gemeinen Interesse in der Weise, daß der einzelne ungefährdet und ohne Gefahr für andere die ihm zustehende Initiative entfalten kann. Aber, meine Damen und Herren, ist denn Initiative, ist denn die Fähigkeit zur Initiative, ist denn das Recht zur Initiative an ein Einkommen oder den Besitz eines Vermögens am 20. Juni 1948 gebunden?

    (Zuruf von der FDP: Vorläufig haben wir noch keine Dividende!)

    Ich fasse die Stellungnahme meiner Fraktion zusammen. Sie werden diese Steuervorlage, vor allen Dingen den Geist, der in ihr herrscht, Zentimeter für Zentimeter gegen uns verteidigen müssen. Wir werden auf das genaueste prüfen müssen, welche Steuersenkungen in den heutigen Notzeiten überhaupt erträglich sind, und wir werden, wenn etwas derartiges möglich wäre, die von mir soeben angedeuteten Gesichtspunkte und andere mehr zäh und nach jeder Möglichkeit in den Ausschußberatungen zur Geltung bringen. Es besteht keine Aussicht, daß diese Vorlage in ihrer jetzigen Form die Zustimmung meiner Fraktion findet.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)