Rede von
Dr.
Anton
Besold
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Meine Damen und Herren! Seit der Währungsreform suchte die Wirtschaft und suchen die Unternehmungen, sich intensiver und normal zu entwickeln. Die große Masse der Arbeiter und Angestellten haben den ehrlichen Wunsch, ihre ganze Arbeitskraft dem Wiederaufbau zu geben.
Man weiß andererseits in allen beteiligten Kreisen, daß die Steuergesetzgebung dieser unbedingt notwendigen Entwicklung hemmend und störend entgegengestanden ist.
Bei den bisherigen Versuchen zur Neuordnung des Steuerwesens waren sich die Verfasser der Gesetze bewußt, daß es sich doch nur um vorübergehende Regelungen handeln konnte und daß eine grundlegende Änderung der Steuergesetze kommen müsse. Aus dieser Erkenntnis heraus hatte schon die Verwaltung der Finanzen der Bizone Vorarbeiten für die angesagte große Steuerreform in Angriff genommen. Die Erwartungen dieser Steuerreform wurden durch die Regierungserklärung noch bedeutend erhöht. Jetzt soll aber auch der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes entgegen den erweckten Hoffnungen wieder nur ein Vorläufer zu einer großen Steuerreform sein. Diese ist nach den heutigen Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers auf eine sehr weite Sicht hinausgeschoben worden.
Bei einer kritischen Stellungnahme zu diesem Entwurf muß aber doch im allgemeinen gesagt werden, daß auch dieser Vorläufer einer großen Steuerreform keinen zielbewußten und hoffnungerweckenden Angriff auf die längst erkannten Mängel zeigt. Die Kapitalbildung soll gefördert werden, doch wohl nicht nur für die großen wirtschaftlichen Unternehmungen, sondern auch für die mittelständischen Unternehmungen, für die kleineren und mittleren Industrieunternehmungen, für den Mittelstand, den Handwerker; und letzten Endes soll eine Steuerreform wohl auch eine Förderung der steuerlichen Interessen des Arbeitnehmers sein. Der konfiskatorische Charakter, den die Steuertarife bisher hatten, ist wohl noch nicht beseitigt; es muß weiter mit einer Lähmung der Fortentwicklung der Wirtschaft gerechnet werden. Der Entwurf wird nicht ausreichen, diesen Steuerpflichtigen einen Anreiz zu geben, intensiver und mehr zu arbeiten.
Ich möchte ein kleines Beispiel, das ich aus eigener Kenntnis weiß, hier wiedergeben. In einer Maschinenfabrik, deren Produkte von der Landwirtschaft, von Gärtnern und von Weinbauern sehr begehrt sind, hat sich im vergangenen Jahr folgendes zugetragen. Die meisten dort engagierten Vertreter haben erklärt, sie hätten keinen Anlaß mehr, nach einer gewissen vollbrachten Tätigkeit mehr zu verkaufen, da sie dann ein Einkommen bekämen, welches nur weggesteuert würde. Die Folge davon ist, daß die Fabrik dort nunmehr Not leidet und mit der Entlassung von Arbeitskräften rechnen muß, da die so gedrosselten und geringeren Umsätze die Grenze unterschritten haben, bei welcher nur noch mit Verlust gearbeitet werden kann.
Das ist ein Beispiel aus vielen.
Bei den Unternehmungen werden die durch die Steuergesetzgebung hervorgerufenen Mißstände mit diesem Entwurf wohl kaum beseitigt werden. Die Wirtschaft wird sich nach wie vor durch besondere Maßnahmen lebensfähig und konkurrenzfähig halten müssen. Derartige Maßnahmen sind aber fast durchweg mit einem erheblicheren Mehraufwand für die betreffenden Investierungen verbunden, als wenn diese auf normalem Wege erfolgen würden. Der Begriff „Produktion von Unkosten" wird weiterhin bestehen bleiben, und Gelder, die wirtschaftlicher verwendet werden können, werden auch weiterhin in übermäßigen und unwirtschaftlichen Aufwendungen verlorengehen, wenn sich die einzelnen Betriebe lebensfähig erhalten wollen.
Die Abänderungsvorschläge zu den §§ 10 und 32 a machen immer wieder den Eindruck — ich kann wegen der Kürze der Zeit im einzelnen nicht darauf eingehen —, daß auf der einen Seite wohl Zugeständnisse gemacht werden, die normalerweise eine Kapitalbildung fördern müßten, daß aber gleichzeitig auf der anderen Seite Einschränkungen und Hemmungen mit diesen Zugeständnissen verbunden sind. die die Auswirkung der Zugeständnisse praktisch oft illusorisch machen.
Vielleicht darf darauf hingewiesen werden, daß ungleich besser als in den §§ 10 und 32 a die Möglichkeit der Kapitalbildung im § 58 a der Erzbergerschen Steuerverordnung gelöst war.
Zudem möchte ich darauf aufmerksam machen, daß auch in diesem Entwurf der Widersinn der Steuergesetzgebung bei den höheren Einkommen nicht beseitigt ist. Wenn zum Beispiel bei einem Einkommen über 250 000 DM 102 Prozent Einkommen- und Kirchensteuer bezahlt werden müssen, so ist das ein Widersinn, der doch beseitigt werden müßte.
Man hat heute davon gesprochen, daß man an einen Wendepunkt zu einer neuen Finanzpolitik stehe. Man könnte vielleicht einen Glauben dazu haben, wenn man nicht auf der andern Seite die Kostspieligkeit eines aufgeblähten Bundesverwaltungsapparates sehen würde und wenn man sich dazu entschlossen hätte, die Empfehlungen der Konferenz der Ministerpräsidenten zu erfüllen, daß nämlich das Maximum der Ministerien 9 ist und nicht, wie wir es erleben, 14 Ministerien, rein aus parteipolitischen Rücksichtnahmen.
Man könnte vielleicht diesen Glauben haben, wenn sich der Bund einer größeren Zurückhaltung bei der Übernahme neuer Aufgaben befleißigen würde, die von den Ländern bewältigt werden könnten. Ich möchte an das Wort eines Herrn der Linken erinnern, das hier einmal gefallen ist: wenn
man schon von Sparsamkeit spricht: soviel Staat wie notwendig und sowenig Staat wie möglich.
Ich möchte aber doch auf folgendes hinweisen. Wenn man heute darangeht, diese unmoralischen Steuergesetzgebungen etwas aufzulockern — ob das eine Auflockerung ist, wird die Zukunft zeigen —, so ist das doch nicht ein Geschenk der Bundesregierung und auch nicht eine auf Freiwilligkeit beruhende Senkung der Steuern; sondern was hier gemacht werden soll, geschieht nur unter dem Druck der ganz unmöglichen wirtschaftlichen Verhältnisse und unter dem Druck der öffentlichen Meinung.
Bei einer Gesamtbetrachtung und -beurteilung des Entwurfs und seiner Auswirkungen wird es wohl zutreffen, daß die Möglichkeit der Kapitalbildung, die hier angestrebt wird, auf breiter Basis kaum erhöht wird und daß mit einer Besserung der Steuermoral nicht zu rechnen ist. Wenn der Steuerunmoral ein stärkerer Kampf angesagt worden ist, so müssen zunächst auch die Voraussetzungen für eine ehrliche Steuergebarung geschaffen werden. Fernerhin wird diese Steuerreform kaum einen Anreiz zu mehr und intensiverer Arbeit bieten. Der Widersinn der Steuergesetzgebung bei den höheren Einkommen ist nicht beseitigt. Schließlich ist festzustellen, daß die Kompliziertheit der Steuergesetzgebung nicht geringer geworden ist. Somit wird die Möglichkeit der langen Vorbereitung der längst angekündigten Steuerreform keine nennenswerten Früchte zeitigen, und wir werden es großenteils mit einem unvollkommenen Flickwerk zu tun haben. Auch werden die erhofften Auswirkungen auf die breite Masse der Steuerpflichtigen nicht eintreten. Wenn aber nicht unverzüglich eine durchgreifende, sinnvolle und spürbare Steuerreform kommt, wird F die deutsche Wirtschaft bis 1952 kaum konkurrenzfähig werden, und man wird damit rechnen müssen, daß Zustände eintreten, die vielleicht nicht einmal mit denen der Jahre 1945 und 1947 verglichen werden können.