Meine Damen und Herren! Auch meine Freunde begrüßen die Erklärung des Herrn Justizministers. Es ist überaus dankenswert, daß man jetzt nach einer Zeit, in der man nicht recht wußte, wohin man mit diesen schweren Anliegen für die besonders drüben in Frankreich Gefangenen gehen sollte, endlich weiß, daß die oberste Stelle, die für die Pflege der Justiz in Deutschland verantwortlich ist, auch den Rechtsschutz für diejenigen gewährleistet, die in Frankreich unter harter Anklage oder in Verbüßung ihrer Strafe stehen.
Was hier zwischen dem deutschen und französischen Volk aufsteht, ist ein altes Leid. Es ist notwendig, daß war darüber hinwegkommen. Es hieße der deutsch-französischen Verständigung, die ja in diesen Tagen wiederum angebahnt und vertieft werden soll, einen bösen Dienst tun, wenn man weiter in dem Geist verharrte, der mindestens einen Teil der französischen Justiz in dieser Hinsicht kennzeichnete. Es tut uns leid, daß wir das von der Bühne dieses Hauses andeutend und auch manchesmal anprangernd sagen müssen — denn wir möchten damit nicht irgendeinen Nationalismus nähren —, daß nämlich die französische Justiz in dieser Sache weithin in einer Weise versagt hat, daß es dem Freund ernster Verständigung zwischen den beiden Völkern wirklich leid tun kann.
Aus persönlicher Arbeit in dieser Angelegenheit weiß ich, wieviele Bemühungen innerhalb der beiden Völker -- und ich möchte sagen: von seiten der Besten der beiden Völker — dem Ziel der Befreiung von diesem Unfug gegolten haben. Die Rechtsschutzstellen insbesondere des Roten Kreuzes, des Evangelischen Hilfswerks und der Caritas waren schon seit drei Jahren intensiv bemüht, den Dingen die Härte zu nehmen, die sie nun einmal durch das Existieren unguter Verordnungen justiziärer Art hatten. Wir haben alles getan, was möglich ist, und haben die französische Öffentlichkeit in ihren besten Teilen organisiert und mobolisiert, damit eine Änderung eintritt. Ich möchte mich hier nicht über die Hintergründe verbreiten, die zu gewissen nationalistischen Ausartungen auf der französischen Seite geführt haben; ich möchte nur sagen, wir müssen dankbar sein, daß viele aus besten Kreisen des französischen Volkes unseren Freunden drüben auch in der Gefängniszeit geholfen haben.
Damit wird nicht zugedeckt, was nicht richtig war. Es war zum Beispiel nicht richtig, daß man ein volles Drittel dieser Menschen nicht als Angeklagte, sondern als Zeugen bis zur Stunde drüben festhielt. Es war nicht richtig, daß man die justiziären Grundlagen dieser Dinge auf Verordnungen basieren ließ, die noch aus einer, ich möchte sagen, bösen Zeit stammen. Und es war erst recht nicht richtig, daß man eine Verordnung aus dem Jahre 1944 durch eine neue Anordnung im Jahre 1948 sich verhärten ließ. In der Zwischenzeit ist das geschehen, was der Herr Justizminister ausgeführt hat — es ist dankenswert, daß das geschah -: daß sich französische Rechtslehrer und französische Rechtsanwälte in großer Zahl auch unter ganz schlechten materiellen Bedingungen zur Verfügung stellten, um unsere Landsleute drüben aus dem Gefängnis zu bringen oder ihnen vor Gericht zu ihrem Recht zu verhelfen. Aber einige Dinge können nicht geschenkt werden.
Es ging nicht an — ich habe den betreffenden Akt dem französischen Außenminister Herrn Schumann persönlich in die Hand gegeben —, daß einer der Gefangenen mir schreiben mußte: „Ich warte nun seit zwei Jahren jeden morgen um fünf Uhr mit Ausnahme der Sonntage auf meine Hinrichtung."
Es geht auch nicht an, daß einer mir schreiben mußte: „Am soundsovielten August 1948 geht für mich das sechste Jahr der Untersuchungshaft an, ohne daß die Affäre weitergeht." Ich will mich darüber nicht weiter verbreiten, sondern ich möchte nur die Bundesregierung bitten, daß die Anwesenheit französischer Behördenvertreter in den nächsten Tagen dazu benutzt wird, daß die Dinge zwischen unseren beiden Völkern nicht mehr aufstehen. Denn aus dieser Gesinnung, die sich manchmal da ausdrückt, kann nur der Haß geboren werden. Wir aber brauchen nicht den Haß, sondern wir brauchen die Verständigung.
Von einer anderen Stelle der Welt ist in diesen Tagen das große und schöne Wort erklungen, daß die Völker daran denken sollten, nun endlich einmal das große Verzeihen und das große Vergessen zum Gegenstand und zum Ausgangspunkt ihrer gegenseitigen Beziehungen zu machen. Ich möchte wünschen, daß dieser Stern auch über den kommenden Verhandlungen zwischen Herrn Schumann und der Bundesregierung steht.