Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Keine Angst! Aber auch keine Auseinandersetzung mit dem Herrn Bundestagspräsidenten über die Auslegung des Begriffs „Demagogie"! Das schenke ich mir; ich bin von seiner Auslegung nicht überzeugt.
Aber nun zur Sache selbst einige Bemerkungen, und zwar zur Abstimmung, auf die es ja jetzt langsam hinausläuft. Die FDP bringt hier vor, daß sie — wir haben den Antrag allerdings noch nicht gelesen und auch noch nicht gesehen —
— ach so, also zurufsmäßig ohne „Demagogie" — einen Gesetzentwurf einbringen will
— das ist doch ausdrücklich gesagt worden —, durch welchen die Preise auf 53 bzw. 35 Pfennig festgelegt werden sollen. Das haben Sie doch gesagt!
- Schön, das ist doch im Effekt dasselbe. Sie
haben sich hier vorgestellt als Nichtdemagoge, also nun treten Sie doch nicht selber den Gegenbeweis an! Ihr Antrag läuft jedenfalls darauf hinaus, ein Gesetz zu schaffen, durch das der Preis auf 53 bzw. 35 Pfennig fixiert werden soll.
— Schön! Aber so steht doch die Frage gar nicht! Hier steht doch zur Diskussion und zur Entscheidung, ob die Regierung berechtigt war, im Wege einer Rechtsverordnung den früheren Preis zu erhöhen und sich dabei auf die Zustimmung des Bundesrats zu stützen.
Da Sie auch vom Grundgesetz sprachen: der einschlägige Artikel, der vorklärt, bei welcher Situation die Bundesregierung ihre Rechtsverordnungen durch den Bundesrat billigen lassen muß, trifft auf dieses Thema, das heute hier zur Behandlung steht, ganz eindeutig nicht zu; ich bitte, den Artikel 80 nachzuschlagen.
Aber was ist hier geschehen? Hier hat man auf dem Wege einer Rechtsverordnung mit Billigung des Bundesrats ein Gesetz eingeführt, ohne es dem Bundestag vorzulegen. So liegen die Dinge. Das hätten Sie aussprechen sollen, wenn in Ihrer Erklärung eine fühlbare und praktikable Absicht vermutet werden sollte.
Und nun ein Wort zu dem Antrag der SPD auf Überweisung an den Ausschuß. Dazu vielleicht eine kleine Vorbemerkung. Daran ist nicht nur der Bundestag, dabei sind nicht nur die beiden Fraktionen, die den Antrag gestellt haben, dabei ist auch unter anderem die Gewerkschaft für öffentliche Dienste und Verkehr interessiert. Falls Sie das nicht wissen sollten, bitte ich Sie, etwas sorgfältiger die Korrespondenz der Gewerkschaft zu beachten, die ihre Meinung in einer langen, an alle Fraktionen gerichteten Darstellung expliziert. Daran sind auch die berechtigten und berufenen Organisationen der Arbeiter in den Betrieben interessiert, die von der Treibstoff-Preiserhöhung betroffen sind.
Nun soll der Antrag nach Auffassung der SPD gleich in zwei Ausschüsse gehen. Frage: Wann soll er aus diesen Ausschüssen wieder herauskommen?
Wenn er so behandelt wird wie das Gros der Anträge, die nachweislich seit Monaten in den Ausschüssen liegen, dann sage ich: Auf Wiedersehn im Januar 1959!
Man sollte das doch einmal bedenken und sollte
sich überlegen, ob man mit diesem Antrag auf
Überweisung an den Ausschuß den Tatbestand
statuieren soll, daß die Transportunternehmer bis zur Erledigung dieses Antrags durch den Ausschuß und anschließend durch das Plenum den derzeitigen Preis bezahlen müssen, daß sie ihn also ein halbes Jahr und länger bezahlen müssen, ehe eine Änderung durch das Plenum vorgenommen wird.
Nun zur Abstimmung. Ich bin der Auffassung, daß unser Antrag der weitestgehende ist. Wir sagen nämlich in unserem Antrag ganz eindeutig: Der Bundestag mißbilligt die durch Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft vom 21. Dezember 1949 ohne Befragung und Zustimmung des Bundestags erfolgte Erhöhung der Mineralölpreise. Nun, entgegenkommend wie ich bin, erlaube ich mir, an die Adresse der SPD folgenden Vorschlag zu machen. Ihre Kritik lief doch wohl eindeutig darauf hinaus, daß Sie diese Erhöhung mißbilligen wollen. Ich schlage deshalb vor, über unseren Antrag getrennt abzustimmen, und zwar je nach den Sätzen, Satz 1 und 2, damit mindestens hier die eine Willenserklärung zutage tritt, daß die Mehrheit des Bundestags die verfassungswidrig durchgeführte Erhöhung der Treibstoffpreise mißbilligt. Das müßte doch das mindeste sein, was aus dieser Diskussion herauskommen sollte. Ich bitte den Herrn Bundestagspräsidenten, so zu verfahren. Falls im übrigen der Antrag des Herrn Kollegen Loritz auf namentliche Abstimmung aufrechterhalten bleiben sollte, erkläre ich, daß wir für diese namentliche Abstimmung stimmen werden.