Rede von
Walter
Vesper
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! In allen Städten Westdeutschlands ist eine Protestbewegung des Transportgewerbes im Gange. Diese Bewegung beschränkt sich nicht nur auf das Gewerbe selbst, sondern mit ihm gemeinsam protestieren die Arbeiter und Angestellten dieses Gewerbes gegen die Benzinpreiserhöhung der Regierung. Der Verband des Verkehrsgewerbes und die Gewerkschaft Öffentliche Dienste und Verkehr haben den Kampf der Verkehrsträger Straße gegen die willkürliche Benzinpreiserhöhung der Bundesregierung und des Bundesrates zu ihrer eigenen Sache gemacht, die die volle Solidarität und Unterstützung breitester Volksschichten erfährt.
Das Transportgewerbe Straße setzt sich zu 95 Prozent aus kleineren und mittleren Unternehmern zusammen. Ebenso gibt es Zehntausende von Arbeitern und Angestellten, die nur durch Krafträder, motorisiert ihre Werkstätten und
Arbeitsplätze erreichen können. Die vorsorgliche Kündigung von Zehntausenden von im Transportgewerbe beschäftigten Arbeitern hat eine große Beunruhigung unter der Arbeiterschaft hervorgerufen. Meine Damen und Herren, will die Bundesregierung dieses Gewerbe und die in diesem Gewerbe beschäftigten 650 000 Menschen ruinieren? Wer gibt der Bundesregierung das Recht, auf dem Verordnungswege eine solche Preiserhöhung vorzunehmen, die zwangsläufig erhöhte Beförderungssätze mit sich bringen und Auswirkungen auf das gesamte Preisgefüge der Wirtschaft haben wird? Andererseits wird der gewerbliche Straßenverkehr durch die Gütertarifsenkung der Klassen A bis C, die am 1. Januar 1950 in Kraft trat, um durchschnittlich 18 Prozent durch weitere Unkosten belastet.
Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, daß ich Ihnen hierfür ein Beispiel bringe. Bei einer Fernfahrt eines Lastzuges mit 15 Tonnen Last am 31. Dezember 1949 von Düsseldorf nach München erhielt der Transportunternehmer 1033,30 Mark. Die Treibstoffauslagen betrugen 207,35 Mark. Es verbleiben demnach 825,95 Mark. Am 2. Januar 1950 erhielt der Unternehmer für dieselbe Last und für dieselbe Fahrt nur 833,90 Mark, nach der Tarifsenkung. Der Treibstoff aber kostete ihn diesmal keine 207,35 Mark, sonsondern 292,50 Mark. Es verblieben ihm also nur 541 Mark gegenüber 825 Mark vor dem 1. Januar 1950. Durch die Gütertarifsenkung der Klassen A bis C unter gleichzeitiger Erhöhung des Treibstoffpreises wurde sein Verdienst insgesamt um 34,5 Prozent geschmälert. Bisher waren es die Rentner, die Kriegsopfer, die Wohlfahrtsunterstützungsempfänger, deren spärliche Rentensätze von der Bedürftigkeit abhängig gemacht wurden. Gestern waren es die Lohn-. und Gehaltsempfänger, deren Weihnachtsgratifikation bis zu einer Höhe von 300 Mark durch den Beschluß des Bundesrats gegen den Willen des Bundestags steuerlich belastet wurden, und heute, meine Damen und Herren, sind es die Kraftfahrer, deren Existenz durch die Verfechter monopolistischer Interessen bedroht ist. Die Erhöhung der Kraftstoffpreise um 50 Prozent, die dem Haushalt einen Betrag von angeblich 200 Millionen als Einnahme verschafft, soll zur Aufbringung der Mittel für das Notopfer Berlin dienen, damit sich der bankrotte westdeutsche Staat in der Rolle des Wohltäters gefallen kann.
Stimmt es, Herr Bundeswirtschaftsminister und Herr Bundesverkehrsminister, daß bei dem ganzen Spiel der Preiserhöhung für Brennstoff auch private Interessen vorherrschen? Trifft es zu, daß mit diesen Einnahmen die Subventionierung der deutschen Ölindustrie, mit welcher der Herr Bundesverkehrsminister Seebohm verbunden sein soll, vorgenommen werden soll? Stimmt es, daß die Standard-Oil und der Shell-Konzern, jene großen ausländischen Monopolgesellschaften, auf die Erhöhung der deutschen Ölpreise ihren Einfluß geltend machen?
Sie werden mir diese Antwort schuldig bleiben, da Sie als Verfechter des Marshallplans, des Ruhrstatuts und des Besatzungsstatus diese Politik mit all ihren katastrophalen Folgen für das deutsche Volk gegen den Willen des deutschen Volkes konsequent durchführen.
Meine Fraktion ist der Auffassung, daß die Brennstoffpreiserhöhung eine weitere schwere Belastung für das deutsche Volk mit sich bringt. Die
Brennstoffpreiserhöhung, die auf dem Wege der Verordnung durch die Bundesregierung und den Bundesrat erlassen wurde, bedeutet eine Form neuer Steuern. Durch die Erhöhung des Benzinpreises um 50 Prozent wird die auf dem Benzin lastende Steuer praktisch verdreifacht. Denn der Benzinpreis frei Hamburg hat sich durch die Abwertung der D-Mark von 19 auf 23 Pfennig pro Kilo erhöht. Für Steuererhebungen ist aber einzig und allein der Bundestag zuständig. Auch in diesem Falle zeigt sich, daß Bundesregierung und Bundesrat, wie es wiederholt der Fall war, das Parlament ausgeschaltet und unter Verletzung des Grundgesetzes ihre Befugnisse überschritten haben.
Meine Damen und Herren! Den 650 000 im Straßenverkehr tätigen Menschen muß ihre Existenzgrundlage erhalten bleiben. Der Transport ist ein wesentlicher Faktor der deutschen Wirtschaft. Aus diesem Grunde und im Interesse der im Straßenverkehr Beschäftigten bitten wir, dem Antrag der kommunistischen Fraktion Drucksache Nr. 363 zuzustimmen.