Meine Damen und Herren! Es ist eine alte Erkenntnis, daß bei einer Steuervorlage jede Regierung ihr wahres politisches und — mit allen Vorbehalten gegen ein gutes Wort — soziales Gesicht zeigt. So ist es auch bei der heutigen Regierungsvorlage zur Änderung der Einkommensteuer. Wir hörten vom Herrn Finanzminister eine wahre Kaskade von Zahlen über die schwierige finanzielle Lage des Bundes. Uns haben diese Zahlen in keiner Weise überrascht. Wir wußten, daß die Gründung des westdeutschen Staates mit unerhörten finanziellen Belastungen verbunden sein wird, und wir haben recht gehabt. Dieser Bundesstaat erweist sich heute als ein Staat, in dem in Zukunft keine Regierung eine gesunde Finanzwirtschaft aufweisen wird und, wie der Herr Finanzminister so treffend sagte, einen Felsenpfad beschreiten muß, während links und rechts ein Abgrund klafft.
Die vom Herrn Finanzminister begründete Neuregelung der Einkommensteuergesetzgebung wurde auch bereits seit Monaten von interessierten Kreisen mit allen Mitteln propagiert, und zwar sehr massiv propagiert. So hat beispielsweise das offizielle Organ des Bundeswirtschaftsministers „Der Volkswirt" schon am 4. November 1949 unter dem Titel „Umbau der Steuerlast" folgendes geschrieben:
Dieses Steuersystem
— der Regierung Adenauer —muß der Wirtschaftslage angepaßt sein. Es muß vor allem Schluß machen mit der grundsätzlich kapitalfeindlichen Einstellung des gegenwärtigen Steuersystems.
Dies stand im offiziellen Organ des Wirtschaftsministeriums.
- Sie haben vielleicht Pech gehabt und die betreffende Nummer nicht gelesen!
— Das müssen Sie besser wissen!
Der Herr Finanzminister hat in seiner politischen Begründung dieser Steuervorlage eine ganze Reihe sehr interessanter Thesen von sich gegeben, die ich sinngemäß einmal in Kürze zitieren will.
„Es gibt Wege, um neue Mittel zu gewinnen", und er dachte dabei wahrscheinlich an eine Kapitalspritze aus den USA. Er sagte auch: „Wir müssen im kleinen sparsam sein", und dabei dachte er wohl: die Kleinen müssen sparen! Er sagte auch: „Interessentenkreisen sollen keine Geschenke mehr gemacht werden"; und ich denke: diese ganze Steuervorlage ist ein Geschenk an die Schwerindustrie!
Diese Auffassung, meine Damen und Herren, wird auch in der Regierungserklärung vom 20. September 1949 vom Herrn Bundeskanzler in aller Ausführlichkeit erläutert. Nehmen Sie die, Begründung dieser Vorlage vor, in der Sie folgende Sätze lesen können:
Eine verstärkte Kapitalbildung hängt von der
Erfüllung zweier Voraussetzungen ab: von
einer Herabsetzung der Steuertarife und der Wiedergewinnung des Vertrauens der Sparer.
Die allgemein notwendige steuerliche Entlastung und damit die Möglichkeit einer größeren Kapitalbildung soll durch eine Auseinanderziehung des Einkommensteuertarifs geschaffen werden, —
und so weiter und so fort. Das ist der rote Faden, der sich durch dieses Gesetz zieht: Kapitalbildung zugunsten der Besitzenden!
— Nein, Sie irren sich! Sie setzen Wirtschaft mit Volkswirtschaft gleich und nicht Wirtschaft, wie Sie sie verstehen, mit Besitzergreifung und Profitmachen!
Man denkt also an Steuergeschenke, die der Industrie zugute kommen zur Verstärkung der Kapitaldecke. Das ist das Programm der Regierung, die im Volksmund heute schon als eine Regierung der Millionäre bezeichnet wird.
Die bisherigen Anreize reichen aber den westdeutschen Unternehmern noch nicht aus, um die Kapitalbildung in erheblichem Umfang vornehmen zu können, und sie verlangen vom Staat neue Steuerprivilegien. Deshalb mußte in diesem Gesetz die bis jetzt angewandte Progression zugunsten der höheren Einkommen verändert werden. In den höheren Lagen ist, wie der Herr Finanzminister selber bestätigte, mit einer Steuersenkung bis zu 20 und mehr Prozent zu rechnen. Ein Kollege hat hier eine runde Summe von etwa 7- bis 800 Millionen D-Mark genannt; ein nettes Geschenk an die Schwerindustrie!
Weitere wesentliche Begünstigungen werden den großen Monopolgesellschaften gewährt, soweit sie ihre Gewinne zur Akkumulation in den Betrieben belassen. Die herabgewirtschafteten und kapitalschwachen kleineren Betriebe können von dieser Begünstigung kaum Gebrauch machen, weil sie laufend teure Kredite aufnehmen mußten, um Ersatzbeschaffungen durchzuführen. Von nichtentnommenen Gewinnen und Rückstellungen kann in diesen Klein- und mittleren Betrieben in der Regel heute nicht die Rede sein. Diese Betriebe verfallen dann dem sogenannten Umstellungs- und Bereinigungsprozeß und werden ein Opfer der großen Betriebe, die den Monopolgesellschaften angeschlossen sind.
Ein ganz besonderes Kapitel in dieser Vorlage sind die Vergünstigungen, die den ausländischen Kapitalgebern, den ausländischen Kapitalaneignern in Deutschland gewährt werden sollen. Gerade diese Vergünstigungen für das ausländische Kapital sind wiederum bezeichnend für den Geist der Adenauer-Regierung. Die Regierung Adenauer will den ausländischen Geldgebern Aussichten auf Profit in Deutschland eröffnen, damit sie eher geneigt sind, ihre Millionen und Milliarden in Deutschland anzulegen und zu guter Letzt die ganze deutsche Wirtschaft damit auszukaufen.
Dem stehen wesentliche Steuerverschlechterungen beispielsweise bei den Sonderausgaben der Flüchtlinge und Bombengeschädigten gegenüber. Daß das tatsächlich so ist, können Sie der Be-
gründung entnehmen. Wie oft, meine Damen und Herren, hörten wir von dieser Stelle aus Reden der Regierungsvertreter, die sich mit sehr viel Pathos für die Flüchtlingshilfe, eine Hilfe für die Bombengeschädigten, also die Sozialgeschädigten unseres Vaterlandes aussprachen. Hier hätte man eine Gelegenheit gehabt, gerade diesen besonders geschädigten Kreisen des deutschen Volkes weitere steuerliche Vergünstigungen zu gewähren.
— Ich setze mich hier mit der Regierungsvorlage auseinander, und das ist auch Ihre Vorlage!
Alle Steuergesetze und Gesetzentwürfe seit 1945 begünstigten fast ausschließlich die großen Unternehmungen, während die Millionen Werktätiger in den meisten Fällen kaum einen Anspruch auf irgendeine Vergünstigung steuerlicher Art erhielten. Sie alle wissen ganz genau, daß demgegenüber die westdeutsche Industrie — wie das jetzt aus den Berichten über die D-Mark-Umstellung hervorgeht — kräftig Profite gemacht hat, daß die westdeutsche Industrie ihre Kapitalumstellung im Verhältnis 1 zu 1 vornimmt, während die Werktätigen in Westdeutschland alle Verluste bei der Restaurierung des Kapitals zu tragen haben.
Man könnte zu dem Problem der Steuern sehr viel sagen. Die Regierungsparteien und einige andere Parteien dieses Hauses waren jedoch klug genug, die Redezeit zu beschränken.
Diese Parteien wünschen nicht, daß die Forderungen des werktätigen Volkes und des Mittelstandes zu einer wirklichen Steuerreform hier vertreten werden können. Aber verlassen Sie sich darauf, meine Damen und Herren: das Volk hört zu und hört mit!
Das Volk wird eines Tages begreifen, daß die Gesetze, die hier beschlossen werden, nicht den Interessen der breiten Massen unseres Vaterlandes dienen, sondern nur einer hauchdünnen Schicht von Großverdienern, die dazu noch seit der Währungsreform riesige Profite einsteckten und nun wiederum durch ein neues Steuergeschenk der Regierung für, wie es heißt, „ihre Arbeit am Wohlstand des deutschen Volkes" belohnt werden sollen. Ich möchte statt dessen sagen: sie sollen belohnt werden für ihre Mitarbeit bei der Restauration reaktionärer kapitalistischer Verhältnisse.
Die kommunistische Fraktion wird bei den Beratungen der Vorlage eine Reihe von wesentlichen Vorschlägen zu dem Gesetz machen, um die Interessen des kleinen Mannes z u wahren, der die Steuerlast zu tragen hat, der auch die indirekten Steuern zu zahlen hat, die jetzt von der Regierung auferlegt werden, Treibstoffsteuern, Notopfer Berlin usw. Wir werden also einige Anträge einbringen, um die Steuerinteressen des kleinen Marines hier in diesem Parlament zu vertreten.