Rede:
ID0102604400

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    Deutscher Bundestag — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Januar 1950 779 26. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. Januar 1950. Nachruf des Präsidenten auf die verstorbenen Abg. Klinge und Dr. Ziegler . . 780C Geschäftliche Mitteilungen . . . . 780D, 781C Eintritt des Abg. Dr. von Campe in den Bundestag 780D Wiedergenesung des Abg. Dr. Mücke . . 780D Zustimmung des Bundesrats zu den Gesetzentwürfen über Gewährung von Straffreiheit . . . . 781A Erstreckung und Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes, des Gesetzes zur Deckung der Kosten für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren und des Preisgesetzes . . . . . . . . 781A Erstreckung und Verlängerung der Geltungsdauer des Fachstellengesetzes und der Fachstellengebührenordnung 781A Wirkung der bei den Annahmestellen Darmstadt und Berlin eingereichten Patent-, Gebrauchsmuster- u. Warenzeichenanmeldungen in den Ländern Baden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern und in dem bayerischen Kreis Lindau . . . . . . 781A Verlängerung des Gesetzes über die Festsetzung und Verrechnung von Ausgleichs- und Unterschiedsbeträgen für Einfuhrgüter der Land- und Ernährungswirtschaft . . .. . 781A Änderung des Gesetzes zur Aufhebung des Lohnstops 781A Änderung des Zuckersteuergesetzes . 781A Anfrage Nr. 11 der Fraktion der FDP betr. Senkung der Tabaksteuer (Drucksache Nr. 243) 781A Anfrage Nr. 15 der Fraktion der SPD betr. Stromversorgung in Bayern (Drucksache Nr. 242) 781B Anfrage Nr. 20 der Abg. Niebergall, Renner und Genossen betr. Reblausbekämpfung (Drucksache Nr. 289) . . . . . . . . 781B Anfrage Nr. 22 der Abg. Leuchtgens und Genossen betr. Berechnung der Arbeitslosenunterstützung (Drucksache Nr. 309) 781B Anfrage Nr. 19 der Abg. Niebergall, Renner und Genossen betr. deutschen Weinhandel (Drucksache Nr. 288) . . . . . . . . 781B Anfrage Nr. 21. der Fraktion der SPD betr. Berlinhilfe (Drucksache Nr. 304) . . . . 781B Anfrage Nr. 7 der Abg. Dr. von Rechenberg und Fraktion betr. Umquartierung im Raume Köln (Drucksache Nr. 188) . . 781B Wahleinsprüche (Drucksache Nr. 319) . 781B Interpellation der Fraktion der SPD betr. Hilfe für in Frankreich verurteilte deutsche Kriegsgefangene (Drucksache Nr. 303) 781D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 781D Eichler (SPD) . . . . . . . . 783C Höfler (CDU) . . . . . . . . . 784A Vorlage des Entwurfs einer Verordnung des Bundesministers der Justiz betr. Errichtung einer Zweistelle des Deutschen Patentamtes in Groß-Berlin (Drucksache Nr. 368) 784D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 784D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erteilung einer Kreditermächtigung, Antrag der Abg. Bausch, Dr. Dr. Höpker-Aschoff, Dr. von Merkatz, Schuster und Genossen (Drucksache Nr. 366) . . . . . . . . 785A Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) 785A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP), Antragsteller 786C Mellies (SPD) . . . . . . . 787B Rische (KPD) . 787C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache Nr. 317) . . . 788D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 789A Neuburger (CDU) . . . . . . . 795C Seuffert (SPD) 797D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 799C Ewers (DP) 802B Dr. Besold (BP) . . . . . . . . 803A Loritz (WAV) 804B Dr. Bertram (Z) . . . . . . 805C Rische (KPD) . 807A 1 Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten im zweiten Rechnungshalbjahr 1949 (Drucksache Nr. 318) . . . . . . . 808C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 808C, 810D Dr. Wuermeling (CDU) 809D Morgenthaler (CDU) 808C Renner (KPD) 810A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung von Abschlagszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer 1950 (Drucksache Nr. 367) • 810D Schäffer,. Bundesminister der Finanzen 810D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerveranlagung für die Veranlagungszeiträume vom 21. Juni 1948 bis 31. Dezember 1948 (II. Halbjahr 1948) und das Kalenderjahr 1949 (Drucksachen Nr. 313 und 376) 811B Dr. Bertram (Z), Berichterstatter . . 811B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erteilung einer Kreditermächtigung (Drucksachen Nr. 366 und 377) . . . . . . . . . . . . 813B Dr. Ehlers (CDU), Berichterstatter . . 813B Antrag der Fraktion der WAV betr. Benzinpreiserhöhung (Drucksache Nr. 331) und Antrag der Fraktion der KPD betr. Mißbilligung der Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft auf Erhöhung der Mineralölpreise und Antrag auf Aufhebung derselben (Drucksache Nr. 363) 814A Loritz (WAV), Antragsteller 814A, 820B Vesper (KPD), Antragsteller . . . . 816B Wehner (SPD) . . . . . . . . 817A Rademacher (FDP) 818A Renner (KPD) . . . . . . . 819B Dr. Seelos (BP) . . . . . . . . 820B Ollenhauer (SPD) . . . . 821C Dr. Reismann (Z) 821D Nächste Sitzung . . . . . . . 822D Die Sitzung wird um 15 Uhr 12 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Hans Ewers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (DP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die den kleinen Fraktionen eingeräumte Redezeit von 10 Minuten reicht selbstverständlich nur dazu aus, einige wenige Gedanken aus Anlaß der Vorlage vorzutragen. Wir von der Deutschen Partei begrüßen die ausgezeichneten Ausführungen des Herrn Finanzministers. Wenn wir dazu etwas zu bedauern hätten, so wäre es nur der Umstand, daß er ' selbst als Mitglied einer Bundesregierung nicht schon vor anderthalb Jahren in den Stand gesetzt worden ist, diese Ausführungen im Rahmen -der deutschen Zuständigkeiten zu machen und damit eine Steuerreform in die Wege zu leiten, die mit der Reform unserer gesamten Währungs- und Wirtschaftslage zusammengefallen wäre. Auf diese Weise, indem die Besatzungsmächte es damals abgelehnt haben, eine entsprechende, im Wirtschaftsrat etwa in der gleichen Weise durch den damaligen Herrn Direktor der Finanzen eingebrachte und begründete Vorlage zu verabschieden, haben sich nunmehr die Steuergesetze nach dem Goethewort wie eine ewige Krankheit fortgeerbt und damit in unsere Zeit das Elend der mangelnden Kapitaldecke und — noch viel schlimmer die Ungesundheit unserer Steuermoral hereingetragen. Das ist bedauerlich, ist aber von der Bundesregierung bestimmt nicht verschuldet, und wenn man die Schwierigkeit der Materie bedenkt, vor der wir stehen, wird man zugeben, daß die Bundesregierung innerhalb der von vornherein durchaus zu erwartenden Zeitspanne ihre Zusage laut ihrer Erklärung vom 20. September im ersten Teil wahrgemacht hat.
    Auch wir haben nicht ohne gespitzte Ohren gehört, daß der Herr Finanzminister die Meinung angedeutet hat: die endgültige Reform sei zunächst einmal noch auf eine sehr lange Bank geschoben. Ich darf demgegenüber daran erinnern, daß es in der Regierungserklärung vont 20.. September hieß: diese Frage solle jedenfalls im Jahre 1950 „in Angriff genommen" werden. Wir möchten also darum bitten, daß diese Frage nicht allzusehr hinausgeschoben wird.
    Was nun die Vorlage selbst anlangt, so möchte ich zunächst sagen, daß der Herr Kollege Seuffert die Dinge von einem ganz falschen Gesichtspunkt aus betrachtet hat, indem er sich offenbar, um die entsprechenden Ausführungen des Herrn Ministers nicht zu verstehen, so lange Watte in die Ohren gesteckt hat. Es ist ja gerade die Absicht dieser Vorlage, der Sozialpolitik zu dienen. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß in der Tat überhaupt nur eine gesunde Wirtschaft eine erfolgreiche Sozialpolitik erlaubt, nicht aber eine Wirtschaft, bei der der Unternehmer, wenn er nicht ein Dummkopf ist, alles und jedes, was er an Betriebskosten verschwenden kann, auch verschwendet, um nur ja sich selbst irgendwie etwas zuzuführen, nicht eine Wirtschaft, bei der im Falle gewagter Unternehmungen, in denen ein Risiko zu laufen ist, den Unternehmer nur der Verlust trifft, er aber vom Gewinn nichts hat. Nach unserer Einsicht ist eine solche Wirtschaft nicht im entferntesten gesund, auch wenn sie noch so „sparsam" gesteuert und gelenkt wird. Die sozialistische Wirtschaft rechnet offenbar mit Idealgestalten des Paradieses und nicht mit der Gattung des homo sapiens, wie sie auf der Erde tatsächlich nun einmal herumläuft.
    Diese Steuervorlage ist dazu bestimmt, die Privatinitiative zu fördern und den privaten Unternehmer sozusagen wieder näher an seinen eigenen Betrieb heranzuführen. Was wir heute an Einkommensteuer haben, ist angesichts der Progression keine Steuer mehr, sondern einfach eine Konfiskation; darüber müssen sich alle im klaren sein. Eine Steuer von 95 Prozent, wie sie jetzt auch nach dem neuen Tarif bei den allerhöchsten Einkommen erreicht wird, ist eben keine Steuer, sondern bedeutet die Einziehung von Vermögensteilen. Eine solche wurde bisher bei uns auch schon bei mittleren Einkommen durchgeführt, zumal wenn man auch bei „mittleren" Einkommen die Kaufkraft des Geldes in Rechnung stellt.
    Eine solche Steuergesetzgebung schloß es nach unserer Einsicht einfach aus, daß eine Wirtschaft im Sinne einer gesunden, dem Staat und dem Volk dienenden Ertragsfähigkeit aufgezogen werden könnte. Gerade aus diesen Gründen begrüßen wir von unserem Standpunkt aus die Vorlage. Wir wollen aber der Hoffnung Ausdruck geben, daß alles, was wir darüber hinaus an sozialen Wünschen haben, in der endgültigen, großen Steuerreform, die eine Gleichheit aller vergleichbaren Steuerschuldner herbeiführen muß, berücksichtigt werden wird.
    Unsere Einzelwünsche kann ich hier nicht aussprechen. Das muß in der Kommissionsberatung geschehen. Unsere Zeit würde heute dazu nicht ausreichen. Wenn ich es tun wollte, brauchte ich die mir zur Verfügung stehenden zehn Minuten Redezeit fast ganz, um bloß meine Kritik an einer einzelnen Vorschrift zu begründen, deren Verlesung schon etliche Minuten dauern würde. Ich bitte, einmal Seite 6 der gedruckten Vorlage aufzuschlagen und Ziffer 4 des Absatzes 2 des § 32 a


    (Ewers)

    nachzulesen, worin die Umstände aufgeführt sind, unter denen eine Nachversteuerung eines steuerbegünstigten Gewinns stattzufinden hat. Ich habe diese Vorschrift als Jurist in ihrer Tragweite nicht verstanden. Bestimmungen, die dermaßen kompliziert sind, daß man sie auch bei wiederholtem Durchlesen nicht ohne weiteres auffassen kann, und deren Wortlaut sich immerhin über einen ganzen Block von Zeilen hinzieht, sollten, wenn damit eine „Vereinfachung" bezweckt wird, unter die Lupe genommen werden.
    Im übrigen darf ich für meine Fraktion den Anregungen, die Herr Dr. Höpker-Aschoff gegeben hat, im wesentlichen unsere Zustimmung geben.

    (Beifall bei der DP.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Besold.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Anton Besold


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Meine Damen und Herren! Seit der Währungsreform suchte die Wirtschaft und suchen die Unternehmungen, sich intensiver und normal zu entwickeln. Die große Masse der Arbeiter und Angestellten haben den ehrlichen Wunsch, ihre ganze Arbeitskraft dem Wiederaufbau zu geben.

    (Zuruf von der KPD.)

    Man weiß andererseits in allen beteiligten Kreisen, daß die Steuergesetzgebung dieser unbedingt notwendigen Entwicklung hemmend und störend entgegengestanden ist.
    Bei den bisherigen Versuchen zur Neuordnung des Steuerwesens waren sich die Verfasser der Gesetze bewußt, daß es sich doch nur um vorübergehende Regelungen handeln konnte und daß eine grundlegende Änderung der Steuergesetze kommen müsse. Aus dieser Erkenntnis heraus hatte schon die Verwaltung der Finanzen der Bizone Vorarbeiten für die angesagte große Steuerreform in Angriff genommen. Die Erwartungen dieser Steuerreform wurden durch die Regierungserklärung noch bedeutend erhöht. Jetzt soll aber auch der vorliegende Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes entgegen den erweckten Hoffnungen wieder nur ein Vorläufer zu einer großen Steuerreform sein. Diese ist nach den heutigen Erklärungen des Herrn Bundesfinanzministers auf eine sehr weite Sicht hinausgeschoben worden.
    Bei einer kritischen Stellungnahme zu diesem Entwurf muß aber doch im allgemeinen gesagt werden, daß auch dieser Vorläufer einer großen Steuerreform keinen zielbewußten und hoffnungerweckenden Angriff auf die längst erkannten Mängel zeigt. Die Kapitalbildung soll gefördert werden, doch wohl nicht nur für die großen wirtschaftlichen Unternehmungen, sondern auch für die mittelständischen Unternehmungen, für die kleineren und mittleren Industrieunternehmungen, für den Mittelstand, den Handwerker; und letzten Endes soll eine Steuerreform wohl auch eine Förderung der steuerlichen Interessen des Arbeitnehmers sein. Der konfiskatorische Charakter, den die Steuertarife bisher hatten, ist wohl noch nicht beseitigt; es muß weiter mit einer Lähmung der Fortentwicklung der Wirtschaft gerechnet werden. Der Entwurf wird nicht ausreichen, diesen Steuerpflichtigen einen Anreiz zu geben, intensiver und mehr zu arbeiten.
    Ich möchte ein kleines Beispiel, das ich aus eigener Kenntnis weiß, hier wiedergeben. In einer Maschinenfabrik, deren Produkte von der Landwirtschaft, von Gärtnern und von Weinbauern sehr begehrt sind, hat sich im vergangenen Jahr folgendes zugetragen. Die meisten dort engagierten Vertreter haben erklärt, sie hätten keinen Anlaß mehr, nach einer gewissen vollbrachten Tätigkeit mehr zu verkaufen, da sie dann ein Einkommen bekämen, welches nur weggesteuert würde. Die Folge davon ist, daß die Fabrik dort nunmehr Not leidet und mit der Entlassung von Arbeitskräften rechnen muß, da die so gedrosselten und geringeren Umsätze die Grenze unterschritten haben, bei welcher nur noch mit Verlust gearbeitet werden kann.

    (Abg. Renner: Die Vertreter rauszuschmeißen, wäre besser gewesen!)

    Das ist ein Beispiel aus vielen.
    Bei den Unternehmungen werden die durch die Steuergesetzgebung hervorgerufenen Mißstände mit diesem Entwurf wohl kaum beseitigt werden. Die Wirtschaft wird sich nach wie vor durch besondere Maßnahmen lebensfähig und konkurrenzfähig halten müssen. Derartige Maßnahmen sind aber fast durchweg mit einem erheblicheren Mehraufwand für die betreffenden Investierungen verbunden, als wenn diese auf normalem Wege erfolgen würden. Der Begriff „Produktion von Unkosten" wird weiterhin bestehen bleiben, und Gelder, die wirtschaftlicher verwendet werden können, werden auch weiterhin in übermäßigen und unwirtschaftlichen Aufwendungen verlorengehen, wenn sich die einzelnen Betriebe lebensfähig erhalten wollen.
    Die Abänderungsvorschläge zu den §§ 10 und 32 a machen immer wieder den Eindruck — ich kann wegen der Kürze der Zeit im einzelnen nicht darauf eingehen —, daß auf der einen Seite wohl Zugeständnisse gemacht werden, die normalerweise eine Kapitalbildung fördern müßten, daß aber gleichzeitig auf der anderen Seite Einschränkungen und Hemmungen mit diesen Zugeständnissen verbunden sind. die die Auswirkung der Zugeständnisse praktisch oft illusorisch machen.
    Vielleicht darf darauf hingewiesen werden, daß ungleich besser als in den §§ 10 und 32 a die Möglichkeit der Kapitalbildung im § 58 a der Erzbergerschen Steuerverordnung gelöst war.
    Zudem möchte ich darauf aufmerksam machen, daß auch in diesem Entwurf der Widersinn der Steuergesetzgebung bei den höheren Einkommen nicht beseitigt ist. Wenn zum Beispiel bei einem Einkommen über 250 000 DM 102 Prozent Einkommen- und Kirchensteuer bezahlt werden müssen, so ist das ein Widersinn, der doch beseitigt werden müßte.
    Man hat heute davon gesprochen, daß man an einen Wendepunkt zu einer neuen Finanzpolitik stehe. Man könnte vielleicht einen Glauben dazu haben, wenn man nicht auf der andern Seite die Kostspieligkeit eines aufgeblähten Bundesverwaltungsapparates sehen würde und wenn man sich dazu entschlossen hätte, die Empfehlungen der Konferenz der Ministerpräsidenten zu erfüllen, daß nämlich das Maximum der Ministerien 9 ist und nicht, wie wir es erleben, 14 Ministerien, rein aus parteipolitischen Rücksichtnahmen.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Man könnte vielleicht diesen Glauben haben, wenn sich der Bund einer größeren Zurückhaltung bei der Übernahme neuer Aufgaben befleißigen würde, die von den Ländern bewältigt werden könnten. Ich möchte an das Wort eines Herrn der Linken erinnern, das hier einmal gefallen ist: wenn


    (Dr. Besold)

    man schon von Sparsamkeit spricht: soviel Staat wie notwendig und sowenig Staat wie möglich.
    Ich möchte aber doch auf folgendes hinweisen. Wenn man heute darangeht, diese unmoralischen Steuergesetzgebungen etwas aufzulockern — ob das eine Auflockerung ist, wird die Zukunft zeigen —, so ist das doch nicht ein Geschenk der Bundesregierung und auch nicht eine auf Freiwilligkeit beruhende Senkung der Steuern; sondern was hier gemacht werden soll, geschieht nur unter dem Druck der ganz unmöglichen wirtschaftlichen Verhältnisse und unter dem Druck der öffentlichen Meinung.
    Bei einer Gesamtbetrachtung und -beurteilung des Entwurfs und seiner Auswirkungen wird es wohl zutreffen, daß die Möglichkeit der Kapitalbildung, die hier angestrebt wird, auf breiter Basis kaum erhöht wird und daß mit einer Besserung der Steuermoral nicht zu rechnen ist. Wenn der Steuerunmoral ein stärkerer Kampf angesagt worden ist, so müssen zunächst auch die Voraussetzungen für eine ehrliche Steuergebarung geschaffen werden. Fernerhin wird diese Steuerreform kaum einen Anreiz zu mehr und intensiverer Arbeit bieten. Der Widersinn der Steuergesetzgebung bei den höheren Einkommen ist nicht beseitigt. Schließlich ist festzustellen, daß die Kompliziertheit der Steuergesetzgebung nicht geringer geworden ist. Somit wird die Möglichkeit der langen Vorbereitung der längst angekündigten Steuerreform keine nennenswerten Früchte zeitigen, und wir werden es großenteils mit einem unvollkommenen Flickwerk zu tun haben. Auch werden die erhofften Auswirkungen auf die breite Masse der Steuerpflichtigen nicht eintreten. Wenn aber nicht unverzüglich eine durchgreifende, sinnvolle und spürbare Steuerreform kommt, wird F die deutsche Wirtschaft bis 1952 kaum konkurrenzfähig werden, und man wird damit rechnen müssen, daß Zustände eintreten, die vielleicht nicht einmal mit denen der Jahre 1945 und 1947 verglichen werden können.

    (Beifall bei der BP.)