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ID0102604800

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 26. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 11. Januar 1950 779 26. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 11. Januar 1950. Nachruf des Präsidenten auf die verstorbenen Abg. Klinge und Dr. Ziegler . . 780C Geschäftliche Mitteilungen . . . . 780D, 781C Eintritt des Abg. Dr. von Campe in den Bundestag 780D Wiedergenesung des Abg. Dr. Mücke . . 780D Zustimmung des Bundesrats zu den Gesetzentwürfen über Gewährung von Straffreiheit . . . . 781A Erstreckung und Verlängerung der Geltungsdauer des Bewirtschaftungsnotgesetzes, des Gesetzes zur Deckung der Kosten für den Umsatz ernährungswirtschaftlicher Waren und des Preisgesetzes . . . . . . . . 781A Erstreckung und Verlängerung der Geltungsdauer des Fachstellengesetzes und der Fachstellengebührenordnung 781A Wirkung der bei den Annahmestellen Darmstadt und Berlin eingereichten Patent-, Gebrauchsmuster- u. Warenzeichenanmeldungen in den Ländern Baden, Rheinland-Pfalz, Württemberg-Hohenzollern und in dem bayerischen Kreis Lindau . . . . . . 781A Verlängerung des Gesetzes über die Festsetzung und Verrechnung von Ausgleichs- und Unterschiedsbeträgen für Einfuhrgüter der Land- und Ernährungswirtschaft . . .. . 781A Änderung des Gesetzes zur Aufhebung des Lohnstops 781A Änderung des Zuckersteuergesetzes . 781A Anfrage Nr. 11 der Fraktion der FDP betr. Senkung der Tabaksteuer (Drucksache Nr. 243) 781A Anfrage Nr. 15 der Fraktion der SPD betr. Stromversorgung in Bayern (Drucksache Nr. 242) 781B Anfrage Nr. 20 der Abg. Niebergall, Renner und Genossen betr. Reblausbekämpfung (Drucksache Nr. 289) . . . . . . . . 781B Anfrage Nr. 22 der Abg. Leuchtgens und Genossen betr. Berechnung der Arbeitslosenunterstützung (Drucksache Nr. 309) 781B Anfrage Nr. 19 der Abg. Niebergall, Renner und Genossen betr. deutschen Weinhandel (Drucksache Nr. 288) . . . . . . . . 781B Anfrage Nr. 21. der Fraktion der SPD betr. Berlinhilfe (Drucksache Nr. 304) . . . . 781B Anfrage Nr. 7 der Abg. Dr. von Rechenberg und Fraktion betr. Umquartierung im Raume Köln (Drucksache Nr. 188) . . 781B Wahleinsprüche (Drucksache Nr. 319) . 781B Interpellation der Fraktion der SPD betr. Hilfe für in Frankreich verurteilte deutsche Kriegsgefangene (Drucksache Nr. 303) 781D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 781D Eichler (SPD) . . . . . . . . 783C Höfler (CDU) . . . . . . . . . 784A Vorlage des Entwurfs einer Verordnung des Bundesministers der Justiz betr. Errichtung einer Zweistelle des Deutschen Patentamtes in Groß-Berlin (Drucksache Nr. 368) 784D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 784D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erteilung einer Kreditermächtigung, Antrag der Abg. Bausch, Dr. Dr. Höpker-Aschoff, Dr. von Merkatz, Schuster und Genossen (Drucksache Nr. 366) . . . . . . . . 785A Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) 785A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP), Antragsteller 786C Mellies (SPD) . . . . . . . 787B Rische (KPD) . 787C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksache Nr. 317) . . . 788D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 789A Neuburger (CDU) . . . . . . . 795C Seuffert (SPD) 797D Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . 799C Ewers (DP) 802B Dr. Besold (BP) . . . . . . . . 803A Loritz (WAV) 804B Dr. Bertram (Z) . . . . . . 805C Rische (KPD) . 807A 1 Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Kriegsfolgelasten im zweiten Rechnungshalbjahr 1949 (Drucksache Nr. 318) . . . . . . . 808C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 808C, 810D Dr. Wuermeling (CDU) 809D Morgenthaler (CDU) 808C Renner (KPD) 810A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erhebung von Abschlagszahlungen auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer 1950 (Drucksache Nr. 367) • 810D Schäffer,. Bundesminister der Finanzen 810D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerveranlagung für die Veranlagungszeiträume vom 21. Juni 1948 bis 31. Dezember 1948 (II. Halbjahr 1948) und das Kalenderjahr 1949 (Drucksachen Nr. 313 und 376) 811B Dr. Bertram (Z), Berichterstatter . . 811B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Erteilung einer Kreditermächtigung (Drucksachen Nr. 366 und 377) . . . . . . . . . . . . 813B Dr. Ehlers (CDU), Berichterstatter . . 813B Antrag der Fraktion der WAV betr. Benzinpreiserhöhung (Drucksache Nr. 331) und Antrag der Fraktion der KPD betr. Mißbilligung der Anordnung des Bundesministers für Wirtschaft auf Erhöhung der Mineralölpreise und Antrag auf Aufhebung derselben (Drucksache Nr. 363) 814A Loritz (WAV), Antragsteller 814A, 820B Vesper (KPD), Antragsteller . . . . 816B Wehner (SPD) . . . . . . . . 817A Rademacher (FDP) 818A Renner (KPD) . . . . . . . 819B Dr. Seelos (BP) . . . . . . . . 820B Ollenhauer (SPD) . . . . 821C Dr. Reismann (Z) 821D Nächste Sitzung . . . . . . . 822D Die Sitzung wird um 15 Uhr 12 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Uns liegt der Entwurf zum neuen Einkommensteuergesetz vor. Wir haben gehört, was der Herr Finanzminister uns zu diesem Entwurf zu sagen hat. Der Herr Finanzminister, mit großen Fähigkeiten begabt als ehemaliger Einser-Jurist, hat es geradezu meisterhaft verstanden, hier über die eigentlichen schwachen Stellen dieses Gesetzes hinwegzuvoltigieren; und wenn man ihn gehört hat, dann möchte man glauben, dieses Gesetz bringe gegenüber dem bisherigen Zustand einen außerordentlichen Fortschritt, einen Fortschritt für die gesamte westdeutsche Wirtschaft und auch für die breiten Bevölkerungsschichten. In Wirklichkeit ist es leider ganz anders! Wer sich die Mühe genommen hat, diesen Gesetzentwurf wirklich im einzelnen, Paragraph für Paragraph, durchzustudieren, der muß leider feststellen, daß dieses Gesetz einen Rückschritt für unsere gesamte Wirtschaft bringen wird, die nur dann wieder gesunden kann, wenn die Regierung endlich einmal daran denkt, daß die Gesundung der Wirtschaft von der Heranziehung breitester
    Konsumentenmassen und der Einschaltung dieser Konsumenten in die Wirtschaft abhängt. Ich bin keineswegs der Auffassung des Herrn Finanzministers, der gesagt hat, wir müßten von der Förderung des Konsums möglichst Abstand nehmen, von der Förderung des Konsums möglichst weg zur Förderung des Sparkapitals kommen. Solange die breitesten Bevölkerungsschichten bei uns noch nicht genügend zu essen haben — und sie haben noch nicht genügend zu essen —, ist es falsch, daß man versucht, uns gegenüber und vor allem dem Ausland gegenüber immer wieder den Eindruck zu erwecken, als würde allzuviel des deutschen Volksvermögens zur Zeit noch in den Verbrauch, zu den reinen Konsumtivindustrien abwandern. Aber das nur nebenbei.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieser Gesetzentwurf bringt allerdings Vorteile für eine ganz kleine Schicht der Bevölkerung, Vorteile für einige Hunderttausend von Großindustriellen und anderen Bevölkerungskreisen. Aber für die Masse unseres Volkes bringt dieses Gesetz einen Rückschlag. Darf ich Ihnen einzelne Beispiele nennen: Darf ich Ihnen sagen, daß dieses Gesetz für die Millionen der Heimatvertriebenen und der einheimischen Ausgebombten einen unerhörten Rückschritt bedeutet, daß hier die Abzüge, die Möglichkeiten für die Anrechnung von Sonderausgaben in einer Art und Weise beschnitten werden — teilweise bis auf ein Zehntel der jetzigen Möglichkeiten herunter —, die einfach nicht verantwortet werden kann. Ich finde es eigentümlich — um nicht ein schärferes Wort zu gebrauchen —, daß d r Sprecher der CDU, der Herr Abgeordnete Neuburger, heute zu diesem Gesetz ausgerechnet von hier aus Vorschläge gemacht hat, die sich durchaus mit dem decken, was auch wir von der WAV wollen, nämlich diese Benachteiligung der Heimatvertriebenen und der kleinen Leute unter allen Umständen aus dem Gesetz herauszubringen. Ich weiß nicht, warum der Sprecher der CDU diesen so komplizierten Weg, diesen falschen Weg gewählt hat. Warum hat die CDU nicht erreicht, daß uns ein Gesetzentwurf vorgelegt wurde, der alle die Dinge nicht enthält, die sich so sehr zum Nachteil der Heimatvertriebenen und der kleinen Leute auswirken? Dieser Weg wäre viel kürzer gewesen: Sie hätten zu ihrem Bundeskanzler Dr. Adenauer und zu ihrem Finanzminister gehen müssen, damit uns eine solche Vorlage nicht auf den Tisch des Hauses gelegt wurde. Statt dessen tut man hier so, als ob die CDU für die Interessen der kleinen Leute, der Arbeiter, der Heimatvertriebenen usw. einträte, damit das in den Zeitungen steht, damit man in der Öffentlichkeit sagen kann: wir wollen, daß für die Sonderausgaben ein vernünftiger Satz bestimmt wird usw.

    (Zustimmung bei der WAV. — Unruhe bei der CDU.)

    Meine sehr verehrten Herren! Damit werden Sie das Vertrauen zur Demokratie in unserem Lande nicht steigern können, sondern der Mann auf der Straße hat Ihnen darauf zu antworten: warum sagt Ihr das nur im Bundestag? Ihr sitzt doch in der Regierung! Ihr habt doch die Möglichkeit, zu verhindern, daß ein solcher Finanzgesetzentwurf uns von der Regierung vorgelegt wird!
    Die Anrechnungs- bzw. Nichtanrechnungsmöglichkeit der Sonderausgaben ist eine der allerübelsten Seiten dieses Gesetzes. Es gibt noch eine ganze Reihe anderer übelster Dinge, die es uns unmöglich machen, für dieses Gesetz zu stimmen.


    (Loritz)

    Nun wird die Regierung und wird der Herr Finanzminister sagen: ja, wir brauchen Geld! Wir antworten Ihnen, Herr Finanzminister: Sie hätten genügend Geldquellen zur Verfügung! Gehen Sie an diese Geldquellen heran und schöpfen Sie sie endlich aus! Erfassen Sie endlich die unerhörten Milliardengewinne, die durch die Währungsreform von einigen zehntausend Großindustriellen gemacht worden sind! Erfassen Sie endlich die ebenso unerhörten Gewinne, die neuerdings anläßlich der Geldabwertung gemacht worden sind, die wir vor wenigen Wochen über uns haben ergehen lassen müssen! Erfassen Sie diese Gewinne, erfassen Sie die Vermögen der Großschieber dazu! Dann brauchen Sie nicht Steuern in diesem Umfange von den kleinen und mittleren Einkommen zu erheben, wie Sie es heute noch tun! Wir haben ganz andere Finanzquellen; diese werden aber nicht erfaßt. Es ist die Tatsache zu verzeichnen, daß eine ganze Reihe dieser großindustriellen Unternehmungen, die ich im Auge habe, Bilanzen aufmachen können, in denen sie die alten Reichsmark-Bilanzen ohne weiteres schon in D-Mark übernehmen. Wir haben die Tatsache, daß unerhörte Gewinne in den letzten Monaten auf den Aktienmärkten für verschiedene schwere Papiere der Großindustrie gemacht worden sind. Hier sollte man ganz anders als bisher vorgehen. Hier gibt es noch Quellen für den Herrn Finanzminister. Dann könnte er zu anderen Steuersenkungen kommen, als er sie bis jetzt im Auge hat.
    Herr Finanzminister, es ist uns unmöglich, für diesen Gesetzentwurf zu stimmen. Der Gesetzentwurf wird jetzt an den Ausschuß gehen, und wir hoffen nur, daß sich im Ausschuß auch aus den Reihen der CDU einige finden werden, die mit uns zusammen, genau wie es der Herr Kollege Neuburger heute bereits getan hat, diesem Gesetzentwurf nicht bloß die Giftzähne ausziehen - das geht schon gar nicht mehr, dann hat das Gesetz keine Zähne mehr im Mund, bildlich gesprochen;

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der WAV)

    denn zuviele Giftzähne sind in diesem Gesetz enthalten —,

    (Zustimmung bei der WAV)

    sondern die dafür sorgen werden, daß eine möglichst vollkommene Neugestaltung und Neufassung dieses Gesetzentwurfs zustande kommt.
    Ich habe nicht die Redezeit dazu, um Paragraph für Paragraph durchzugehen. Sonst würde ich Ihnen nämlich beweisen können, welch unerhörte Bestimmungen in diesem Gesetz verankert sind. Sogar einige bekannte Wirtschaftszeitungen Westdeutschlands haben erklärt — ich kann dem Herrn Finanzminister diese Zeitungsartikel jederzeit zur Verfügung stellen; es sind keine sozialistischen Blätter, Herr Finanzminister! —, daß dieses Gesetz keinen Fortschritt für unsere Wirt- schaft bringt, sondern eher noch einen weiteren Rückschritt. Herr Finanzminister, helfen Sie uns bitte dabei, dieses Gesetz im Ausschuß ganz anders zu formulieren, als es uns heute vorliegt! Helfen Sie endlich einmal dabei, daß die Riesengewinne, die durch die Währungsreform gemacht worden sind, erfaßt werden! Dann erst wird es möglich sein, Ihnen die Zustimmung zu Ihren Finanzgesetzesvorlagen zu geben. D i es e Vorlage, Herr Finanzminister, ist für unsere gesamte deutsche Wirtschaft kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt, und wir werden den Gesetzentwurf in den kommenden Lesungen ablehnen müssen.
    Wir hoffen nur, daß sich im Ausschuß manche finden werden, die sich den Standpunkt des Herrn Neuburger und unseren Standpunkt zu eigen machen, daß die Bestimmungen beseitigt werden müssen, die für die Heimatvertriebenen und für die Einheimischen in gleicher Weise einen Schlag ins Gesicht bedeuten.

    (Beifall bei der WAV.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Bertram


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Meine Damen und Herren! Die Zentrumsfraktion hat vor einiger Zeit einen eigenen Entwurf in Unkenntnis des Regierungsentwurfs vorgelegt. Dieser eigene Entwurf der Zentrumspartei deckt sich, wie wir heute wissen, in weiten Teilen mit dem Regierungsentwurf. Auch wir wünschen, genau so wie es der Herr Finanzminister vorgeschlagen hat, gewisse steuerliche Senkungen in den mittleren Einkommensstufen. Aber — und das ist das Entscheidende — der Herr Finanzminister hat — meines Erachtens auf Anraten seiner Finanzverwaltung — vergessen, diejenigen Bevölkerungsschichten und diejenigen Teile der Bevölkerung in dem neuen Gesetzentwurf zu berücksichtigen, die eine Berücksichtigung besonders stark verdienen. Es ist heute hier sehr häufig von den Unternehmern und von der Kapitalbildung die Rede gewesen. Sie müssen sich aber einmal überlegen, daß es ja nicht nur um die Unternehmer und deren Kapitalbildung geht, sondern auch darum, die Lohnempfänger nicht durch die Steuer in ihrem Existenzminimum zu beschränken.

    (Sehr richtig! beim Zentrum.)

    Es ist nicht wahr, was der Herr Finanzminister heute hier vorgetragen hat, daß die Belastung der niederen Einkommen in Deutschland die niedrigste in der Welt sei. Nach allen Statistiken, die bekannt gegeben worden sind, insbesondere auch nach dem Gutachten, das für die Verwaltung für Wirtschaft in Frankfurt angefertigt worden ist, sind die Belastungen gerade der unteren Einkommensteuerklassen in England und Amerika wesentlich niedriger als in Deutschland.

    (Hört! Hört! beim Zentrum.)

    Eine Arbeiterfamilie mit einem Kind ist in England seit der Steuerreform von 1947 im allgemeinen steuerfrei.

    (Zurufe.)

    Dasselbe gilt für Amerika, wo ein einzelner Arbeiter im allgemeinen keine Lohnsteuer zu zahlen hat. Ich habe nicht die Redezeit, um im einzelnen die Ziffern dieses Gutachtens, die aber, glaube ich, allgemein bekannt sind, vorzutragen. Ich nehme an, daß die Prozentzahlen, die uns seitens des Finanzministeriums vorgetragen worden sind, darauf zurückgeführt werden müssen, daß Sonderausgaben und Werbungskosten in den deutschen Ziffern mit eingerechnet sind, dagegen bei den vergleichbaren englischen und amerikanischen Ziffern nicht. In England sind beispielsweise für die Ehefrau 60 Pfund steuerfrei und für jedes Kind noch einmal 60 Pfund, für die Einzelperson 110 Pfund. Also die gesamten Voraussetzungen, von denen aus der Herr Finanzminister die Steuerbefreiung der Lohnempfänger ablehnt, sind meines Erachtens nicht richtig und werden im Ausschuß leicht zu widerlegen sein.


    (Dr. Bertram)

    Wenn wir aber, meine Damen und Herren, davon ausgehen, dann ist es meiner Ansicht nach unsere allererste Pflicht, dafür zu sorgen, daß hier und dort, wo das Existenzminimum durch die Steuer gefährdet wird, diese Steuer tatsächlich aufgehoben wird. Das Existenzminimum steht für den Staat und als Einahmequelle für direkte Steuern nicht zur Verfügung. Die Lohnempfänger haben ja schon durch die Erhebung indirekter Steuern genügend zu zahlen.
    Eine zweite breite Bevölkerungsschicht ist ebenfalls heute hier nicht erwähnt worden, und das ist der breite Kreis des Mittelstandes. Besteht denn das deutsche Leben nur aus der Industrie? Besteht das deutsche Leben nur aus den Unternehmern? Besteht denn das deutsche Leben nicht tatsächlich in ebenso breitem Maße aus den Handwerkern, den Kleingewerbetreibenden, den freien Berufen und der weiten, breiten Klasse des Mittelstandes, die ebensostarke Berücksichtung bei den Steuersenkungen verdienen wie die größeren Verdiener? Man muß doch einmal bedenken: das Einkommen des Mittelstandes dient zur unmittelbaren Befriedigung der dringendsten Lebensbedürfnisse. Und ist es nicht wichtiger, daß wir die Steuer dort senken, wo die dringendsten Lebensbedürfnisse in Frage stehen, als dort, wo es sich um Selbstfinanzierung und Kapitalbildung dreht? Ich glaube, wenn man diese Frage einmal nüchtern und objektiv betrachtet, dann wird man die Art der Steuersenkung durch das Finanzministerium nicht billigen können.
    Meine Damen und Herren! Sie als Abgeordnete sind hier unmittelbares Staatsorgan. Es ist nicht etwa so, als wenn der Herr Finanzminister oder das Finanzministerium uns ein Geschenk machten, wenn sie eine gewisse Steuertabelle ausarbeiten. Sie alle haben nach den Erkenntnissen von den volkswirtschaftlichen Lind fiskalischen Notwendigkeiten selbst zu überlegen und zu überprüfen, ob der vorgeschlagene Tarif richtig ist. Wenn Sie zu dem Schluß kommen, daß der vorgeschlagene Tarif in seiner Stellung oder in seiner Stufung nicht den Bedürfnissen der breiten Bevölkerungsschichten entspricht. dann ist es Ihre Aufgabe und Ihre Pflicht, diesen Tarif entsprechend zu ändern.
    Meine Damen und Herren, diese Pflicht können wir gar nicht ernst genug nehmen. Stellen Sie sich vor: Sie sind demnächst vor Ihren Wählern Rechenschaft schuldig. Ihre Wähler werden Sie fragen: Warum hast du nur an diesen relativ kleinen Kreis gedacht? Warum hast du nicht an die breiten Kreise gedacht, denen es doch tatsächlich durch die überhöhten Steuern nicht mehr möglich ist, ihre dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen? Ich glaube, wenn Sie sich diese Ihre Verantwortung richtig überlegen, dann werden Sie auch mit uns dazu kommen, den Tarif in den unteren Stufen entsprechend niedrig zu halten. Das gleiche gilt für die von uns gewünschte Erhöhung der Sonderausgaben für die Ehefrau, für die Erhöhung der Werbungskosten, die gar nicht mehr zeitgemäß sind.
    Meine Damen und Herren! Die Regierungsvorlage bringt außer dem Tarif noch verschiedene andere Vorschläge, die von dem Herrn Vorredner bereits erheblich kritisiert worden sind und die, wenn ich die Debatte richtig verstanden habe, dazu geführt haben, daß sich die Regierung auch schon zu weitgehenden Konzessionen bereit gefunden hat. Einen Punkt allerdings vernachlässigt die Regierungsvorlage vollständig. Sie bringt nicht die Berücksichtigung der Möglichkeit einer
    Erhöhung der Körperschaft- bzw. der Kapitalertragsteuer, die es der Regierung ermöglichen würde, ein etwaiges Loch aus den Steuersenkungen zu decken. Hier muß ich dem Finanzminister, insbesondere auch meinem Vorredner, Herrn Dr. Höpker-Aschoff rechtgeben: der Mut, der zu Steuersenkungen gehört, wird sich hundertfach bezahlt machen. Der Mut, Steuersenkungen durchzuführen, ist in verschiedener Hinsicht außerordentlich notwendig, aber auch vorteilhaft. Man bedenke, daß es sich ja hier nur um die Senkungen der direkten Steuern handelt. Die Senkung der direkten Steuern wird automatisch höhere Umsätze nach sich ziehen und damit ein höheres Umsatzsteueraufkommen erbringen. Sie wird ein höheres Aufkommen an indirekten Steuern erbringen und dadurch mit dazu beitragen, die Arbeitslosenzahl herabzusetzen.
    Ein weiterer Punkt, der bei diesem Einkommensteuergesetz wohl überlegt sein will, ist vor allem auch die Frage der Staatsausgaben. Der Herr Finanzminister hat uns eben erzählt, die Ausgaben für die eigentlichen Staatsaufgaben wiesen sinkende Tendenz auf. Er hat das damit begründet, daß die Gesamtziffer von 8000 Milionen im vorigen Jahr auf 7777 Millionen in diesem Jahr herabgesunken sei. Das bedeutet keineswegs eine sinkende Tendenz; denn in den öffentlichen Ausgaben sind auch sächliche Ausgaben enthalten. Diese sächlichen Ausgaben sind infolge der im Jahre 1949 allgemein gesunkenen Preise im Vergleich zum Jahre 1948 automatisch geringer geworden. Diese Ersparnis aus den geringeren sächlichen Ausgaben dürfte meines Erachtens bei einem Gesamtobjekt von 8000 Millionen den Betrag von 250 Millionen erheblich überschreiten. Ich schätze, daß, wenn wir den durchschnittlichen Preisrückgang berücksichtigen, wir keine Ermäßigung der Staatsausgaben, sondern eine Erhöhung der tatsächlichen Staatsausgaben zu verzeichnen haben.
    Hier wäre eine der Hauptaufgaben des Finanzministers, dieser verhängnisvollen Entwicklung der Erhöhung der Staatsausgaben entgegenzutreten und dafür zu sorgen, daß beispielsweise im Wirtschaftsministerium nicht 44 PKWs betrieben werden und daß der Verbindungsminister nicht 3 PKWs für die Verbindungsfahrt vom Bundestag zum Bundesrat benötigt. Diese aufzugreifen und hier einmal zur Sprache zu bringen, dürfte meiner Ansicht nach wesentlich nützlicher sein, als mit gewissen Zahlenspielereien einen Eindruck hier hervorzurufen, der einer genauen Nachprüfung einfach nicht standhält.

    (Zustimmung in der Mitte.)

    Meine Damen und Herren! Ich werde gerade darauf aufmerksam gemacht, daß meine Redezeit abgelaufen ist. Es tut mir leid, daß ich in dieser Öffentlichkeit das, was wirklich zur ersten Beratung über die verschiedenen Punkte noch zu sagen wäre, nicht weiter vortragen kann. Auf der andern Seite aber hoffe ich — und ich glaube, dazu begründeten Anlaß zu haben —, daß wir uns alle im Ausschuß zu einer Fassung des Gesetzes durchringen können, die uns in der zweiten Beratung von allen Seiten weniger Kritik und mehr Zustimmung zu geben gestattet. Ich hoffe deshalb, daß wir nach der zweiten Beratung zu einer gewissen Übereinstimmung kommen werden.

    (Beifall beim Zentrum.)