Rede von
Willi
Eichler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei erklärt sich mit der Antwort des Herrn Bundesjustizministers auf ihre Interpellation für befriedigt. Wir möchten im Anschluß an diese Antwort noch eine Anregung geben, die vielleicht ohnehin befolgt worden wäre, die wir aber nicht für überflüssig halten.
Zunächst einmal möchte ich folgendes sagen. Daß wir hier eine Anfrage über den Rechtsschutz der von französischen Gerichten verurteilten deutschen Kriegsgefangenen gestellt haben, bedeutet nicht, daß wir nicht davon überzeugt sind, daß auch Kriegsgefangene in andern Ländern denselben Rechtsschutz nötig haben; unsere Interpellation bezog sich auf eine uns zuteil gewordene konkrete Information gerade über Frankreich.
Zweitens glauben wir, daß der Hinweis des Herrn Justizministers, die verständliche Empörung des französischen Volkes über eine Reihe von Taten der deutschen Armee in Frankreich und nicht nur der Untat von Oradour bei diesen Versuchen, in einer so schwierigen Frage Gerechtigkeit zu erhalten, in Rücksicht zu ziehen, sehr weise und verständlich ist. Am kränkendsten ist aber, daß wir gerade an der einzigen Stelle, an der Empörung nicht in die Entscheidung eingreifen sollte, nämlich in der Funktion ordentlicher Gerichte, merken, daß offenbar mehr die Empörung als der strenge Sinn für Gerechtigkeit die Feder und die Stimme des Herzens gelenkt hat.
Wir sind all den Institutionen, die geholfen haben, den Gefangenen Rechtsschutz zu geben, für ihre Unterstützung dankbar, und wir hoffen, daß alle, die sich weiter darum bemühen werden, in ihrer Arbeit von Erfolg gekrönt sein werden.
Es ist uns zum Beispiel ein Urteil bekannt geworden, durch das ein Soldat, der auf dem Rückzug auf Anordnung seiner Vorgesetzten irgendeine Maschine des technischen Nachrichtenapparats in die Luft gesprengt hat, wegen Brandstiftung zu zehn Jahren Zwangsarbeit verurteilt wurde.
Wir können nicht wissen, wieviel ähnliche Urteile es gibt. Wir haben weder die Möglichkeit gehabt, Untersuchungen darüber anzustellen, noch glauben wir, daß es unsere Funktion ist. Es scheint uns aber eine unerläßliche Notwendigkeit, solche Urteile schließlich zu korrigieren.
Wir sind erfreut zu hören, daß der Herr Bundesjustizminister den Bundeskanzler darauf aufmerksam machen wird, daß es vielleicht tunlich sei, beim Besuch des französischen Außenministers hierüber eine kurze Andeutung fallen zu lassen.
Wir glauben vor allem, daß sich der Rechtsschutz nicht nur darauf erstrecken sollte, den Strafvollzug zu kontrollieren. Das vornehmste Bestreben muß darauf gerichtet sein, hier Wiederaufnahmeverfahren in Gang zu bringen. Erst wenn wir alle diese Möglichkeiten erschöpft haben, muß man versuchen, den Opfern, soweit sie unschuldig verurteilt worden sind, auf dem Wege des Gnadenerlasses Gerechtigkeit widerfahren zu lassen.