Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung legt .dem Hohen Hause mit Zustimmung des Bundesrats einen Gesetzentwurf zur Änderung der Einkommensteuer vor. Ich habe vor wenigen Tagen im Haushaltsausschuß aus einem besonderen Anlaß Gelegenheit nehmen müssen, Bemerkungen über die allgemeine finanzielle Lage des Bundes und der Länder zu machen, und bin dort gebeten worden, in der heutigen Aussprache gleichzeitig ein allgemeines Bild über die Finanz- und Wirtschaftslage des Bundes und der Länder zu geben. Dieser Gesetzentwurf gibt Anlaß zu einem solchen allgemeinen Bild.
Der Gesetzentwurf enthält eine starke Senkung der Einkommensteuertarife und eine starke Erweiterung all der Bestimmungen, die als Steuerbegünstigungen das Ziel haben, den Sparwillen und die Kapitalbildung der deutschen Volkswirtschaft zu stärken. Der Gesetzentwurf bezieht sich, was ich betonen möchte, auf eine Steuer, deren Erträgnis den Ländern zukommt. Es ist deshalb doppelt beachtenswert, daß der Bundesrat als Vertretung der Länder dem Gesetzentwurf einhellig zugestimmt hat. Die Abänderungsanträge, die im Bundesrat gestellt worden sind und denen die Bundesregierung grundsätzlich nicht widerspricht, unterstreichen nur noch die in dem Gesetzentwurf an sich schon gegebene Tendenz, das Verwaltungsverfahren der Steuergesetzgebung möglichst zu vereinfachen und die überlastete Verwaltung zu entlasten. Die deutschen Länder sind sich vollkommen bewußt, daß rein rechnerisch der Gesetzentwurf einen Steuerausfall zur Folge haben müßte, und zwar einen solchen von sehr beträchtlicher Höhe. Sie hoffen zusammen mit dem Bundesfinanzminister und der Bundesregierung, daß die endgültige Wirkung des Gesetzentwurfes sein wird, daß die gewährten Steuererleichterungen die Steuermoral und die Leistungsfähigkeit des deutschen Steuerzahlers heben, so daß nach einer Überangszeit mit dem alten und vielleicht sogar mit einem höheren Aufkommen gerechnet werden kann. Sie sind sich aber bewußt, daß dieser Erfolg nur dann erreicht werden kann, wenn der Gesetzentwurf in diesem Hohen Hause nicht eine Änderung in dem Sinne erfährt, daß die wirtschaftspolitische Absicht des Gesetzentwurfs nicht mehr erreicht werden könnte. Die deutschen Länder haben im Bundesrat zum Ausdruck gebracht, daß ihre Zustimmung zu dem Gesetzentwurf davon abhängig ist, daß diese wirtschaftspolitische Absicht des Gesetzentwurfs erhalten bleibt, und nur so lange und nur unter dieser Voraussetzung solle ihre Zustimmung als gegeben betrachtet werden.
Ich möchte ausdrücklich betonen, daß Bundesregierung und Länderregierungen, die Finanzminister der Länder und der Finanzminister des Bundes in der wirtschaftspolitischen Absicht des Gesetzentwurfes völlig einig sind, und ich möchte dazu noch vorausschicken: Der Gesetzentwurf wird nicht vorgelegt, weil die Finanzminister der Meinung seien, die Finanzverhältnisse seien so günstig, daß wir uns eine Steuersenkung erlauben könnten; im Gegenteil: der Gesetzentwurf wird vorgelegt, weil der Finanzminister des Bundes und die Finanzminister der Länder der Überzeugung sind: unsere Finanzlage ist so ernst, daß mit der bisherigen Finanzpolitik eine Wende gemacht werden muß und daß wir auch finanzpolitisch neue Wege gehen müssen. Der Gesetzentwurf ist geboren aus der schwersten Sorge über unsere Finanzlage; er ist aber auch geboren aus der Erkenntnis, daß die sozialpolitischen Aufgaben, vor denen wir stehen, nicht erfüllt werden können, wenn nicht die Grundlage der Sozialpolitik, eine gesunde Wirtschaft, gegeben ist. Er ist geboren aus der Überzeugung, daß diese gesunde Wirtschaft nicht vorhanden sein kann, wenn eine falsche, in veralteten Gleisen laufende Finanzpolitik der Wirtschaft die Kraft nimmt, um die Aufgaben, die ihr im deutschen Volk gestellt sind, zu erfüllen.
Dieser Gesetzentwurf ist aus der Erkenntnis geboren, daß die Grundlage aller Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik der einfache Mann im Volk ist — ich sage: der unbekannte Steuerzahler — und daß wir vor der Gefahr stehen, daß dieser unbekannte Steuerzahler als Grundlage unserer Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, moralisch und leistungsfähig betrachtet, im Zusammenbrechen begriffen ist.
Um das zu begründen, lassen Sie mich zunächst den vom Haushaltsausschuß gewünschten Überblick über die gesamte Finanz- und Wirtschaftslage des deutschen Volkes geben. Ich tue das zunächst an Hand eines Vergleichs zwischen den tatsächlichen Haushaltsausgaben und -einnahmen im Bund und in den Ländern aus dem Rechnungsjahr 1948 und für das Rechnungsjahr 1949/1950.
Ich darf vorausschicken: die Haushalte von Bund und Ländern sind nicht nur im Rechnungsjahr 1949/50 insofern eine innere Einheit, als ja die Bundessteuern in diesem Haushaltsjahr noch von den Ländern eingenommen werden und der Bund in derselben Zeit auch die Kriegsfolgelasten noch trägt, was zur Folge hat, daß der gesamte Überschuß der Ausgaben im Bund über die Einnahmen von den Haushalten der Länder getragen werden muß; diese innere Einheit gilt auch für die folgenden Jahre. Auch in den folgenden Jahren ist nach Artikel 106 des Grundgesetzes der Bund berechtigt und gezwungen, seine Fehlbeträge, seine Ausgabenüberschüsse aus den Länderhaushalten, also durch Eingriff in Ländersteuern zu decken, und infolgedessen bleibt die innere Einheit im Haushalt zwischen Bund und Ländern.
Das Rückgriffsrecht des Bundes ist rein theoretisch, wenn die Haushaltspläne der Länder nicht gesund sind, und die Länderhaushalte können nicht gesund sein, wenn der Bund nicht eine gesunde, starke Finanzpolitik treibt, um unnötige Belastungen der Haushaltspläne der Länder zu vermeiden. Also diese innere Einheit wird so lange gegeben sein, wie das Grundgesetz bei uns besteht.
Wenn ich nun von diesem Gesichtspunkt aus die tatsächlichen Haushaltseinnahmen und -ausgaben des gesamten Bundesgebiets im Jahre 1948/49 vergleiche und ihnen gegenüberstelle die zu erwartenden Ausgaben und die Steigerungen der Ausgaben, die in diesem Haushaltsjahr eingetreten sind, so ergibt sich folgendes Bild. Im Rechnungsjahre 1948 mußten im Bundesgebiet — ich rechne die neun Monate dieses Rechnungsjahres auf einen Zwölfmonatsabschluß um, um vergleichbare Zahlen zu erhalten — an Besatzungskosten ausgegeben werden 4683 Millionen.
Es wird gerechnet, daß der Anfall im laufenden
Jahre sich um 183 Millionen auf 4500 Millionen
senkt. An sonstigen Kriegslasten, insbesondere
Fürsorge für Kriegsbeschädigte und Kriegshinterbliebene, sind im Rechnungsjahr 1948 angefallen
2329 Millionen Mark. Im Rechunngsjahre 1949/50
wird gerechnet mit einem Anfall von 3060 Millionen Mark. Diese beiden Posten aus Kriegslasten, also Besatzungskosten und Ausgaben für Kriegsbeschädigte zusammen, bedeuten demnach im Rechnungsjahr 1948/49 eine Ausgabe von 7012 Millionen D-Mark und sind in einem Jahr um 548 Millionen auf 7560 Millionen gestiegen.
Die Zuschüsse zur Arbeitslosenversicherung sind im Rechnungsjahr 1948/49 eingesetzt mit 112 Millionen D-Mark; sie werden für das Rechnungsjahr 1949/50 geschätzt mit 625 Millionen D-Mark. Wir haben also bei diesem einen Posten eine Steigerung in einem Jahr von 513 Millionen D-Mark.
Die Zuschüsse zu den Sozialversicherungsanstalten sind im Rechnungsjahr 1948/49 angefallen mit 533 Millionen D-Mark, werden für das Jahr 1949/50 geschätzt mit 600 Millionen D-Mark, also auch hier eine Steigerung um rund 70 Millionen D-Mark.
Die gesamten Kriegsfolge- und Soziallasten sind also zusammen gestiegen von 7657 Millionen D-Mark im Kalenderjahr 1948/49 auf 8785 Millionen D-Mark, also um 1128 Millionen D-Mark.
Zu diesen Aufwendungen muß ich auch noch die Aufwendungen rechnen, die zur Verbilligung der Lebenshaltung, zur Verbilligung insbesondere der eingeführten Lebensmittel ausgegeben werden, die ich nur mit der Zahl des letzten Halbjahres 1949/50 einsetze, mit dem Betrag von 350 Millionen, so daß wir insgesamt auf dieser Seite des Haushaltes eine Ausgabe von 9135 Millionen D-Mark haben, mithin eine Steigerung in einem Jahr für diese konsumtiven Ausgaben um 1478 Millionen, also rund anderthalb Milliarden Mark!
Dieser einen Seite des Haushalts stelle ich die Ausgaben auf der anderen Seite des Haushalts gegenüber, also alle die Ausgaben, die die eigentlichen Staatsaufgaben betreffen, zum Beispiel innerhalb des Bereiches der Länder die Finanzausgleichszahlungen an die Gemeinden, damit diese ihre kulturellen und sonstigen Aufgaben erfüllen können, Ausgaben auch für Schuldendienst, für sogenannte Ausgleichsforderungen, persönliche Ausgaben für Beamte, Angestellte und Ruhegehaltsempfänger, die gesamten Verwaltungsausgaben, alle Ausgaben für Investierungen, sämtliche Wohnungsbauten, alle Ausgaben für Brükken, Straßen und so fort und die Aufwendungen für kulturelle Zwecke. Im Rechnungsjahr 1948/49 haben die Ausgaben für diese Zwecke im deutschen Bundesgebiet 8072 Millionen D-Mark betragen. Im Rechnungsjahr 1949/50 betragen sie 7777 Millionen D-Mark; hier also ergibt sich eine Minderum um 295, rund gerechnet also um 300 Millionen D-Mark.
Bei einer Gegenüberstellung der Gesamtzahlen ergibt sich: wir haben an Ausgaben für konsumtive Zwecke im letzten Haushaltsjahr 1949/50 9135 Millionen, für eigentliche Staatsaufgaben 7777 Millionen zu verzeichnen, der erste Posten 54 Prozent, der zweite Posten 46 Prozent; aber das besondere Kennzeichen, daß die konsumtiven Ausgaben seit Jahren eine ständig steigende Tendenz aufzuweisen haben, eine Steigerung, die sich in diesem Jahre mit eineinhalb Milliarden beziffern läßt, und bei den Ausgaben für den eigentlichen Staatsaufwand eine ständig sinkende Tendenz, ein Absinken in diesem Jahre um 300 Millionen.
Um Ihnen nun die Schwierigkeiten der Finanzminister zu zeigen, noch eine Ziffer. Diese Gesamtausgaben betragen 16 912 Millionen D-Mark, als 16,9 Milliarden. Diesen 16,9 Milliarden stehen gegenüber an Einnahmen im Rechnungsjahr 194849 16 Milliarden, im Rechnungsjahr 1949/50 16 916 Millionen D-Mark. Bei einer Etatsumme von fast 17 Milliarden D-Mark ergibt sich im Durchschnitt von Bund und Ländern ein Überschuß, in dem sich die Finanzminister bewegen können, von ganzen 4 Millionen D-Mark!
Damit ist eines gekennzeichnet: daß Bund und Länder heute an der Grenze ihrer Leistungsfähigkeit zur Erfüllung ihrer Aufgaben stehen. Sie sehen sich ständig wachsenden Sozialausgaben gegenüber, müssen Jahr für Jahr für die eigentlichen staatlichen Aufgaben, kulturelle Aufwendungen und Förderung des Wirtschaftslebens ihre Ausgaben einschränken und — und hier liegt die Entscheidung — müssen gleichzeitig erkennen, daß der Steuerzahler nicht mehr weiter belastet werden kann, daß dieser Steuerzahler bereits überbelastet ist. Denn in den Ziffern, die ich Ihnen genannt habe, ist die neue Soforthilfe-Abgabe, die auch Milliardenbeträge umfaßt, noch nicht enthalten.
Wenn ich die gesamten öffentlichen Lasten, die Berliner Nothilfe, die Soforthilfe-Abgabe und die Beiträge zur Sozialversicherung, also alles, was öffentliche Abgaben sind, zusammenrechne, ergibt sich die heutige Belastung des deutschen Steuerzahlers mit. jährich 25 Milliarden D-Mark.
Nun ein Wort über die Bedeutung dieser Ziffern. Die Steuer- und Sozialbelastung im Bundesgebiet hat sich gegenüber dem Jahre 1913/14, absolute Ziffern genommen, verneunfacht. Sie ist gegenüber dem Jahr 1936/37 um 115 Prozent gestiegen, obwohl das Jahr 1936/37 bereits das Jahr der Hitlerschen Wirtschaftspolitik, der Scheinblüte und Aufblähung des Wirtschaftslebens und der Aufrüstung gewesen ist. Entscheidend ist aber bei dieser Steigerung der Anteil dieser gesamten öffentlichen Abgaben am Volkseinkommen. Der Anteil der Steuern und Soziallasten am Volkseinkommen war 1913/14 11 Prozent, im Jahr 1936/37 32,5 Prozent. Heute beträgt der Anteil an Steuern und öffentlichen Abgaben, gerechnet zum Volkseinkommen, 43 Prozent!
Wir haben also eine ständige Steigerung dieses prozentualen Anteils, der sich gegenüber der Zeit vor dem ersten Weltkrieg fast vervierfacht und gegenüber der Zeit 1936/37 eine Steigerung erfahren hat, die so groß ist wie die Gesamtbelastung im Jahre 1913/14 überhaupt.
Das, meine Damen und Herren, ist der Zustand!
Und nun lassen Sie mich über das Ziel sprechen, das eine deutsche Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik heute verfolgen muß. Ich gehe dabei von der äußeren Zahlungsbilanz des Bundesgebietes im Jahre 1949/50 aus. Dieses Bild gibt einen Querschnitt dessen, was heute an Aufgaben vor der deutschen Wirtschaft steht. Im deutschen Bundesgebiet sind aufzuwenden gewesen zur Deckung der industriellen Einfuhr 1107,6 Millionen Dollar, für landwirtschaftliche Einfuhr 907,4 Millionen Dollar, für unsichtbare Einfuhr 258 Millionen Dollar, insgesamt belief sich der Einfuhrbedarf auf 2273 Millionen Dollar. Einnahmen an Ausfuhren in dieser Zahlungsbilanz wurden erzielt: für Warenausfuhr 1272 Millionen Dollar, für unsichtbare Ausfuhren. 141 Millionen Dollar, insgesamt 1413 Millionen Dollar; also eine Lücke zwischen Einnahmen an Ausfuhr und Ausgaben für Einfuhr
A) in Höhe von 859 Millionen Dollar oder, nun in D-Mark umgerechnet, von 3500 Millionen D-Mark. Diese Lücke ist bisher gedeckt durch die Hilfe, die das deutsche Volk, wie Gesamt-Westeuropa, aus dem Marshallplan und den ERP-Mitteln erhält. Die erste Phase des Marshallplans und des ERP-Plans ist gewesen, den wirtschaftlichen Zusammenbruch und die Verelendung der im zweiten Weltkrieg verarmten Länder zu verhindern. Die zweite Phase des Marshallplans und des ERP-Plans ist der Wille, den die Vereinigten Staaten immer aussprechen und den auch wir begrüßen müssen, die europäischen Völker so gesund zu machen, daß sie ihren Export steigern können, ihre Wirtschaft aufbauen können und so stark werden, daß sie in der Lage sind, ihr Brot mit eigner Arbeit zu verdienen.
Das heißt also, daß die zweite Phase das Ziel hat, die Produktivkraft der einzelnen Völker zu stärken. Wir wissen, daß Marshallplan und ERP-Plan überhaupt nur bis zum Jahre 1952 dauern und daß das Ziel im Jahre 1952 e r r eicht sein muß. Wir wissen, daß, um dieses Ziel zu erreichen, wohl die gesamte deutsche Kraft eingesetzt werden muß.
Die Betrachtung über den Haushaltsplan und die Ziffern, die ich Ihnen vorhin gegeben habe, gaben Ihnen den Zustand; die Betrachtung der äußeren Zahlungsbilanz gibt Ihnen das Ziel.
Nun ein. Überblick darüber, wie sich voraussichtlich der Bundeshaushaltsplan 1950/51 gestalten wird.
Nach Artikel 120 des Grundgesetzes müssen mit
Beginn des neuen Rechnungsjahres die Kriegsfolgelasten vom Bunde übernommen werden. Auf den Bund gehen die ihm nach dem Grundgesetz zustehenden Steuern über.
Die Einnahmen, die auf ihn übergehen, sind in folgendem ganz roh und unwirklich geschätzt. Sie sind nach dem wirklichen Aufkommen der letzten Monate und unter der Voraussetzung geschätzt, daß die an sich günstige Entwicklung der steuerlichen Einnahmen in den letzten Monaten fortdauert.
Es wären zu rechnen: für Umsatzsteuer mit einer Einnahme von 4250 Millionen, Beförderungssteuer 260 Millionen, Zölle einschließlich der in den letzten Tagen erhöhten Treibstoffzölle 600 Millionen, Tabaksteuer mit 2000 Millionen, Kaffeesteuer 280 Millionen, Zuckersteuer 360 Millionen, Spiritusmonopol 450 Millionen, sonstige Verbrauchsabgaben 200 Millionen, zusammen 8500 Millionen. Das Berlin-Notopfer mit 250 Millionen noch dazu gerechnet ergibt zu erwartende Einkünfte von 8750 Millionen D-Mark.
Dem stehen gegenüber allein an Forderungen, die als Kriegs- und Kriegsfolgelasten an den Bund voraussichtlich gestellt werden — die ebenfalls nach den Anfällen geschätzt sind, die sich in den letzten Monaten bei Bund und Ländern gezeigt haben, ohne Rücksicht auf die in diesen Ausgaben steckende innere Tendenz der weiteren Steigerung —: Besatzungskosten 4500 Millionen, Versorgung der Kriegsopfer 3178 Millionen, Zuschüsse zur Sozialversicherung 826 Millionen, Zuschüsse zur Arbeitslosenfürsorge 1009 Millionen, besondere Leistungen in der Fürsorge für Heimatvertriebene, für verdrängte Ruhegehaltsempfänger, für verdrängte Beamte, ehemalige Wehrmachtangehörige 805 Millionen, das sind zusammen 10 318 Millionen D-Mark. Darin ist kein Pfennig für die Berlin-Hilfe enthalten, wo wir doch auch mit einem Anfall von mehreren Hundert Millionen D-Mark zu rechnen haben. Es ist nichts darin für etwaige Leistungen für den Lastenausgleich enthalten, nichts für die reinen Verwaltungsausgaben im Bund, obwohl der Bund zum Beispiel die gesamte Zollverwaltung zum 1. April 1950 zu übernehmen hat.
Sie können sich also vorstellen und mir glauben, daß der Finanzminister des Bundes und die Bundesregierung dem neuen Haushaltsjahr mit ernster Sorge entgegensieht. Die Bundesregierung weiß, daß sie einen schweren Weg zu gehen hat. Sie weiß auch, daß sie diesen Weg gehen muß, ohne den Glauben an die Ehrlichkeit des deutschen Geldes zu gefährden. Die Bundesregierung wird diesen Weg gehen, ohne eine Maßnahme zu ergreifen, die das deutsche Volk, das bereits zweimal seine Spargroschen völlig verloren hat, in den Abgrund der Inflation stürzen könnte. Aber auch das Ausland muß nicht nur an die Ehrlichkeit des deutschen Kaufmanns, sondern auch an die Ehrlichkeit des deutschen Geldes glauben, wenn die Verbindung mit dem Ausland aufrechterhalten werden soll.
Die Bundesregierung weiß aber ebensogut, daß sie diesen Weg gehen muß, ohne in den Abgrund der Deflation zu stürzen. Vor uns steht die Erinnerung an. eine Zeit, aus der heraus Hitler und seine Bewegung geboren worden sind, die Zeit der Deflation oder — deutsch gesagt, das ist das gleiche — der Arbeitslosigkeit. Wir müssen alles tun, um das Wirtschaftsleben des deutschen Volkes gesund zu halten. Wir müssen dafür sorgen, daß die Fabriken laufen und daß der deutsche Arbeiter seinen Arbeitsplatz erhält und an diesem Arbeitsplatz den gerechten Lohn.
Das sind die Abgründe rechts und links! Der Felsgrat, der zwischen diesen beiden Abgründen geht, ist schmal, und es bedarf der Ruhe und der Sicherheit, diesen Felsgrat zu gehen. Ich glaube Ihnen aber aus ehrlicher Überzeugung sagen zu dürfen: Die Bundesregierung geht diesen schmalen Pfad mit voller Ruhe und Zuversicht. Ich habe in den Ziffern des Haushaltsplans nichts davon erwähnt, welche Beträge zum Beispiel für den Wohnungsbau oder für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit zur Verfügung stehen. Aber ich kann Ihnen heute sagen: die Mittel, die für diesen Zweck benötigt werden, die Mittel, die benötigt werden, um Hunderttausende von Arbeitern in Brot zu setzen und das ganze Wirtschaftsleben durch dieses Schlüsselgebiet laufen zu lassen, sind heute bereits gesichert.
In unserem Wirtschaftsleben greift Rad in Rad, und wenn auch alles vielleicht nach einem Gedanken geschieht: Rad für Rad muß bewegt werden. Die Bundesregierung hat das Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten getroffen. Der Bundesminister der Finanzen hat seine Sorgen überwunden und kann Ihnen heute mit ehrlichem Gewissen sagen: er konnte seine Zustimmung zur Übernahme der Verpflichtung aus diesem Vertrage mit freiem Gewissen geben.
Dieser Plan ist die eine Möglichkeit, die sich uns bietet. Die andere Möglichkeit werden Sie erfah-
ren; sie wird in kurzer Zeit in Form eines Gesetzentwurfs vor Ihnen liegen. Es gibt Wege, um Mittel zu gewinnen, weder zu Lasten des Steuerzahlers noch mit Gefährdung der Währung. Wenn Kolumbus das Ei gestellt hat, dann findet hernach jeder die Sache sehr einfach. Ich bin auch der Überzeugung, daß die Bundesregierung in der Lage sein wird — unterstützt mit den Mitteln, die das wirtschaftliche Abkommen mit den Vereinigten Staaten uns gibt —, alle die Investitionen zur Verfügung zu stellen und zu gewährleisten, die für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit notwendig sind. Ich bin überzeugt, daß die Bundesregierung in der Lage ist, den sozialen Aufgaben gerecht zu werden, die in diesem Jahre an sie herantreten.
Aber in diesem Zusammenhange ein ernstes Wort. Um große Mittel für große Aufgaben zur Verfügung zu haben, müssen wir im Kleinen getreu und sparsam sein.
Wir sind viel zu arm, als daß wir Interessentenkreisen politische Geschenke machen könnten. Wir sind reich genug und müssen uns reich genug fühlen, um alle die Mittel zu haben, die notwendig sind, um eine wirkliche Not im Volke zu bekämpfen.
Wenn wir aber diesen Weg gehen wollen, dann müssen Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat sich als eine Einheit fühlen. Daß bei diesem Gesetzentwurf, der ganz zu Kosten der Länder gegangen ist, die sämtlichen Länderfinanzminister, ungeachtet ihrer Partei, eine Einheit gebildet, eine einheitliche Überzeugung gezeigt und in dieser einheitlichen Überzeugung dem Gesetzentwurf zugestimmt haben und ihn tragen, ist der Beweis, daß ein solches Gemeinschaftsgefühl möglich ist.
Wenn ich so ernst zu Ihnen über die gesamte wirtschaftliche Situation gesprochen habe, dann tue ich das in dem Gefühl, daß wir alle hier in diesem Hohen Hause letzten Endes nicht Vertreter von Interessenten sind, sondern alle Söhne und Töchter des gemeinsamen deutschen Volkes, für das wir leben.
Die Finanzminister der Länder haben diese Einheit gebildet, weil sie wissen, daß der vorliegende Gesetzentwurf nur ein Stück aus einer gemeinsamen Überzeugung ist, und zwar ein untrennbares Stück. Wir können Finanzpolitik in einer neuen Zeit, die neue Aufgaben an uns stellt, nicht mit den alten Methoden und mit den alten Formeln einer alten Zeit führen. Was in der Zeit unserer Großväter richtig gewesen ist, braucht heute nicht mehr richtig zu sein. „Aus Vernunft wird Unsinn und aus Wohltat Plage!" Die Zeiten, in denen wirtschaftliche Schwierigkeiten dadurch überwunden werden konnten, daß man die Steuerschraube etwas anzog, sind endgültig vorbei; diese Zeiten sind deswegen vorbei, weil wir die Kuh so stark gemolken haben, daß schon Blut kommt, weil der Steuerzahler überlastet ist. Ich kann deswegen die Tatsache gar nicht genug unterstreichen, daß gerade die Länder, denen wir Einnahmen durch Bundesgesetz sozusagen wegnehmen, in ihrer Überzeugung vollkommen einig gewesen sind.
Das Wesentliche des Steuergesetzentwurfes, der Ihnen vorliegt, ist ja eine Senkung der Tarife, die beträchtlich ist, die bis zu 27 Prozent der alten Tarife geht, und sind Steuervergünstigungen, die, vermehrt um eine, die Ihnen im Laufe der Beratungen noch vorgeschlagen werden wird, noch ganz beträchtliche Steuerausfälle werden erwarten lassen. Der Steuerzahler ist sehr häufig der Unorganisierte und der Unbekannte; der Steuerzahler gerät bei uns vielleicht in Gefahr, etwas vergessen zu werden und nicht die Vertretung zu finden, die manche Interessentenverbände im deutschen Volk und in der deutschen Politik finden. So besteht vielleicht die Gefahr, daß manchmal unter dem Einfluß von Organisationen und Funktionären Ausgaben zu Lasten des unbekannten Steuerzahlers bewilligt werden, der nicht vertreten ist.
Deshalb bitte ein Wort über die Entwicklung unserer Steuerpolitik in den letzten Jahren und Jahrzehnten. Ich habe schon betont, daß der Anteil der öffentlichen Abgaben und Steuern am Volkseinkommen seit dem Jahre 1913/1914 von 11 auf 43 Prozent gestiegen ist. Aber das Wesentliche, was dazu kommt, und die Erkenntnis, aus der dieser Steuergesetzentwurf und sein Tarif geboren worden ist, beruht auf der inneren Verschiebung, die in der Steuerlast erfolgt ist.
Durch eine Politik, die vielleicht in der besten Absicht begonnen hat, aber dann allzu schematisch und allzulange fortgesetzt worden ist, durch die Politik, in den Steuern die schwachen Schultern, wie man sagte, zu entlasten und die starken Schultern zu belasten, hat sich folgendes ergeben. Der Anteil der Massenbesteuerung, also Zölle und Verbrauchssteuern, ist immer mehr zurückgegangen, selbst heute noch, obwohl wir 1945/46 durch Militärregierungsgesetze diese starken Verbrauchssteuersätze erhalten haben. Der Anteil der Zölle und Verbrauchssteuern an der Gesamtsteuerlast betrug im Jahre 1935/36 36 Prozent; heute ist er nurmehr 24 Prozent. Der Anteil der Lohnsteuer ist in diesem Zeitraum gleichgeblieben.
Er beträgt 14 Prozent hier und 14,6 Prozent dort. Der Anteil der veranlagten Einkommensteuer weist im Jahre 1935/36 einen Satz von 32 Prozent und heute einen solchen von 44 Prozent am Gesamtaufkommen auf.
Jetzt innerhalb der veranlagten Einkommensteuer einmal ein kleines Bild! Wenn ich die heutige Steuerlast mit der im Jahre 1926 vergleiche, ergibt sich folgendes. Die Einkommenstufen bis zu 3000 Mark haben im Jahre 1926 eine Belastung von 4,2 Prozent des Einkommens, im Jahre 1939 von 6,6 Prozent und am 21. Juni 1948 eine solche von 3,1 Prozent gehabt. Die Einkommenstufen unter 3000 Mark sind heute prozentual weniger belastet, als sie im Jahre 1926 gewesen sind.
Einkommenstufen bis zu 6000 Mark: im Jahre 1926 eine Belastung von 5,6 Prozent, heute eine Belastung von 12,1 Prozent, das Zweieinhalbfache. Einkommen bis zu 9000 Mark: im Jahre 1926 6,1 Prozent, heute 20,4 Prozent, also mehr als das Dreifache. Einkommen von 12 000 Mark: im Jahre 1926 7,1 Prozent, heute 27,8 Prozent, also ungefähr das Vierfache. Einkommen bis zu 24 000 Mark: im Jahre 1926 11,7 Prozent, heute
44,1 Prozent, das Vierfache. So steigt es dann jeweils an bis zu den Steuersätzen von 95 Prozent. Das Bild ist bei der veranlagten Einkommensteuer und bei der Lohnsteuer genau das gleiche. Dabei darf ich betonen, daß von der Zahl der Einkommensteuerzahler mehr als die Hälfte auf Einkommen unter 3000 Mark trifft. Wir haben also folgendes Bild. Die Steuerlast hat sich in diesen Jahren und Jahrzehnten immer mehr von der Massenbesteuerung auf die direkten Einkommensteuern und innerhalb der direkten Einkommensteuer immer von der größeren Zahl auf die kleine Zahl verschoben und hat auf diese kleine Zahl das Drei-, Vier- und Mehrfache der früheren Steuerlast gehäuft. Damit trifft man die Kreise, die für den Sparwillen und die Kapitalbildung in der deutschen Volkswirtschaft nun einmal unentbehrlich sind.
Wir haben das Ziel vor uns: das deutsche Volk wirtschaftlich frei zu machen und ihm. die Kraft zu geben, sein Brot mit eigener Arbeit zu verdienen, die Produktivkraft des deutschen Volkes zu steigern. Wir haben auf der andern Seite ein Steuersystem, das gerade so aufgebaut ist, daß es diese Steigerung der Produktivkraft, daß es das werbende Vermögen in seiner Initiative entweder lähmt oder dieses werbende Vermögen veranlaßt, daß es auf illegale Weise dem Steuerdruck ausweicht, um sich selbst, sagen wir einmal, in seiner wirtschaftlichen Aufgabe zu erhalten. Eines so schlimm wie das andere!
Die Kapitalertragsteuer, die früher einen beträchtlichen Anteil der Steuern ausmachte und 12,5 Prozent des Einkommens umfaßte — 12,5 Prozent des deutschen Einkommens waren also früher reines Kapitaleinkommen —, ist heute nur mehr ein Erinnerungsposten in der deutschen Steuer- und Finanzstatistik!
Wir haben in der letzten Zeit die Soforthilfe, und ich muß sagen: wenn die Soforthilfe aus Einkünften bezahlt würde — und man muß das eigentlich annehmen —, dann ist es rechnerisch ein Wunder; denn die Soforthilfe ist so groß, daß, wenn der einzelne Steuerzahler wirklich sein letztes Einkommen ehrlich fatiert und seine Steuersätze bis zu 95 Prozent bezahlt hat, ihm gar nicht soviel bleiben würde, wie die Soforthilfe bei ihm ausmacht.
Ich brauche Ihnen in diesem Zusammenhange gar nicht zu sagen, wie das Spesenunwesen in unserer Wirtschaft gewachsen ist.
Ich brauche Ihnen nicht zu sagen, daß die Zeit einer vernünftigen Wirtschaftsführung, wo jeder einzelne im Wirtschaftsleben danach trachtete, die Spesen und Unkosten seines Betriebes möglichst gering zu halten, um einen Gewinn zu behalten, heute vorbei ist und jeder sich bemüht, Spesen und Unkosten in möglichst großem Maße zu machen, mit der Begründung: 50, 60, 70 und mehr Prozent meiner Spesen zahlt ja das Finanzamt und zahle nicht ich.
Meine Damen und Herren, der Staat kann gegen ein Unwesen kämpfen, wenn es von einem, kleinen und nicht von einem großen Teil der Bevölkerung geübt wird. Wenn ein Unwesen allgemein um sich greift, dann muß der Staat danach suchen,
die, Grundlage, auf der dieses Unwesen gewachsen ist, zu ändern.
Es müssen dann neue Voraussetzungen geschaffen werden.
Aus dieser Erkenntnis ist bei den Finanzministern in den Ländern und beim .Bund die Überzeugung erwachsen, daß eine Änderung unserer Finanzpolitik notwendig ist. Ich betone dabei folgendes. Der Bund und die Länder haben die Gesetzesvorlage in einer bestimmten wirtschaftspolitischen Absicht eingebracht und müssen darum bitten, daß diese wirtschaftspolitische Absicht geachtet wird.
Ich habe zwei Grenzen zu ziehen. Die eine Grenze ist die Rücksicht auf das Ausland und die zweite die Rücksicht darauf, daß das deutsche Volk niemals in den Verdacht kommen darf, daß es steuerpolitische Experimente mache, um sich den Verpflichtungen zu entziehen, die nun einmal einem besiegten Volke auferlegt sind. Ich möchte dazu deswegen noch ein Wort sagen.
Ich habe vorhin von den Belastungen der unteren Einkommenstufen gesprochen und Vergleiche mit dem Jahre 1926 angestellt. Ich mache das Hohe Haus in allem Ernst darauf aufmerksam, daß — rein äußerlich betrachtet! — die Steuerbelastung der Einkommen unter 3000 Mark in Deutschland heute geringer ist als in England unter der Labour Party. Es ist für Deutschland schon wegen des äußeren Eindrucks ganz unmöglich, eine Schichtung der Einkommensteuer zu übernehmen, wonach wir unter den Ziffern eines Siegerlandes stehen. Ich weiß wohl, daß die Verhältnisse in England nicht schematisch mit den unsrigen verglichen werden können.
Man hat in England keine Gewerbe- und keine Vermögensteuer. Man hat in England eine besondere Bevorzugung des sogenannten earning income, das heißt allen Einkommens, das aus Arbeit geschaffen ist, und zwar einen 20prozentigen Abschlag bis zur Einkommenshöhe von 2000 Pfund Sterling pro Jahr. Man hat in England keine Soforthilfeabgabe, hat also alle diese Belastungen nicht mitzurechnen. Man hat in England die Vergünstigung, daß auf fünf Jahre zurück alle Verluste auf das jeweilige Jahreseinkommen angerechnet werden. Ich weiß, daß bei uns auch diese Schichten also sachlich noch stärker belastet sind. Es ist aber — rein äußerlich betrachtet — unmöglich, einen Tarif aufzustellen, der unter dem Tarif eines Siegerstaates liegt. Damit wäre die Gefahr der schematischen Vergleiche und der Angriffe gegenüber dem deutschen Steuersystem gegeben. Aus diesen Gründen muß ich darum bitten, an dem Tarif, der das Kernstück des Gesetzentwurfs ist, festzuhalten. Ich muß Sie dringend bitten, die Gedankengänge, die in dem Antrag des Zentrums enthalten sind, abzulehnen und sich ihnen zu verschließen; sonst würde die wirtschaftspolitische Absicht des Gesetzentwurfs völlig verändert, und es wäre auch außenpolitisch eine volle Unmöglichkeit, wie es das nach innen betrachtet wirtschaftspolitisch wäre.
Weiterhin darf ich folgendes sagen. Wenn das Ausland einwendet, wir würden eine Steuersenkung vornehmen, urn uns Verpflichtungen zu entziehen, so kann ich nur darauf verweisen, daß — von den unteren Einkommen abgesehen — alle
mittleren und höheren Einkommen — auch im Vergleich zu England — heute noch stark überlastet sind
und daß das selbstverständlich auch im Vergleich mit allen Siegerstaaten gilt, daß die Einkommensteuerbelastung des deutschen Volkes als solches nach wie vor die höchste und größte in der ganzen Welt bleibt.
Zur anderen Grenze möchte ich feststellen: Wenn etwa gesagt wurde, daß die Finanzminister die Steuersenkung vornehmen, um sich gewissen sozialen Verpflichtungen zu entziehen, so müßte ich erwidern, daß ein solcher Vorwurf äußerst töricht wäre; denn gesenkt wird eine Steuer, deren Erträgnisse den Ländern zufließen, aber die großen sozialen Aufgaben und Verpflichtungen gehen vom 1. April 1950 ab auf den Bund, auf einen völlig andern Steuerträger über. Die Einnahmekürzung bei den Ländern und die finanzielle Enge der Länder ist eine Gefährdung des kulturellen Lebens der Länder. Der Bund, der seine sozialen Aufgaben hat, wird aber durch eine Senkung der Einkommensteuer unmittelbar in Erfüllung seiner sozialen Aufgaben überhaupt nicht berührt.
Nachdem das Ziel des Gesetzentwurfs gleichzeitig darin liegt, daß wir wieder zur Steuerehrlichkeit und damit dazu kommen, daß wir das Aufkommen endgültig nicht schmälern, sondern uns erhalten und künftig vielleicht vermehren, möchte ich doch einen Appell an die deutsche Öffentlichkeit richten. Die deutsche Öffentlichkeit muß wissen: wenn die Finanzminister im Bund und in den Ländern sich gegen den Gedanken einer Steueramnestie gewandt haben, so wollten sie damit ausdrücklich bekunden, daß dann, wenn dieser Entwurf Gesetz geworden ist und damit gesagt werden kann, daß der Steuerzahler in der Lage ist, seine Pflichten gegenüber dem Staat zu erfüllen, auch von den Finanzministern im Kampf gegen die Steuerunehrlichkeit darauf gedrungen werden muß, daß die Überwachung der Steuerzahler mit der äußersten Energie und Strenge erfolgt, daß der Kampf gegen das Spesenunwesen und gegen künstliche Betriebsunkosten, also Unkosten, die in Wahrheit keine sind, mit aller Entschiedenheit aufgenommen wird. Wenn der Staat die Steuern senkt, so tut er es im Vertrauen darauf, daß der Großteil der Bevölkerung steuerehrlich sein will. Ich bitte alle Verbände in der Wirtschaft, diesen Gedanken zu bestärken, damit es dem Staat, wenn er gegen die Steuerunehrlichen kämpft, möglich ist zu sagen: er kämpft mit aller Energie, aber gegen einen kleinen Kreis der Bevölkerung.
Was nun die Einzelheiten des Gesetzentwurfs betrifft, so kann ich mich hier relativ kurz fassen. Die Neufassung des § 3 des Einkommensteuergesetzes enthält wenig sachliche Änderungen, sondern nur eine Anpassung an die bisher recht komplizierten und unklaren Bestimmungen über die Einkommensteuerfreiheit an die jetzige Rechtslage.
Die Bestimmungen des § 10 des Einkommensteuergesetzes waren bisher schon sehr kompliziert und haben sehr viel Verwaltungsarbeit verursacht. Sie werden in einem wesentlichen Punkt geändert. Die Bestimmung des § 10 Ziffer 2 f, wonach Heimatvertriebene, Kriegsgeschädigte und so fort Beschaffungen für Hausrat als Sonderausgaben melden kannten, hat zu sehr viel Verwaltungsarbeit und — ich muß es leider sagen —
auch zu sehr viel notwendigem Kampf gegen Mißbrauch dieser Bestimmung geführt,
ist auch nicht dem großen Teil zugute gekommen, sondern der besser bemittelten Schicht, die wirklich in der Lage war, größere Anschaffungen für Hausratshilfe zu machen, während die große Masse derer, deren Arbeitseinkommen kaum dazu ausgereicht hat, um das tägliche Leben zu bestreiten, von dieser Bestimmung keinen Gebrauch machen konnte. Deshalb wird vorgeschlagen, einen allgemeinen Freibetrag für alle Angehörigen dieser Bevölkerungskreise im Betrag von 480, 600 und 720 DM jährlich zu geben. Ich, möchte vor einem warnen: ich möchte davor warnen, daß man glaubt, beides nehmen zu können. Bei d es zu nehmen ist unmöglich. Der Ausfall an den Freibeträgen wird bedeutend größer sein als das, was die Bestimmung von § 10 Ziffer 2 f bisher gekostet hat, weil die Freibeträge ja einem zahlenmäßig viel größeren Kreis zukommen werden. Die Freibeträge neben der alten Belastung zu nehmen, also eine starke Vermehrung für konsumtive Zwecke zuzulassen, würde im Bundesrat und bei den Ländern berechtigten Widerspruch erregen und unter Umständen den Gesetzentwurf gefährden können.
Ich muß weiterhin sagen, daß die Bestimmung des § 10, die eine Begünstigung des nichtentnommenen Gewinns enthält und die mit § 32 a im Zusammenhang steht, das Bestreben hat, die Kapitalbildung in der deutschen Wirtschaft und auch die Selbstfinanzierung der Betriebe zu ermöglichen. Die letztere war in den bisherigen Bestimmungen, § 32 a, ausgeschlossen und hat vielleicht dazu geführt, daß von dieser Bestimmung bisher verhältnismäßig wenig Gebrauch gemacht worden ist. Ich hoffe, daß künftig von diesen Bestimmungen mehr Gebrauch gemacht wird, und sage: ich „hoffe", weil ich es als volkswirtschaftlich notwendiges Ziel betrachte, das Geld weniger in den Verbrauch — der Gewinn muß ja liegen bleiben — zu lenken als vielmehr in den Ausbau der Kraft des deutschen Wirtschaftslebens, in den. Ausbau der Betriebe, in die Schaffung von Arbeitsplätzen.
Ich möchte aber auf einen Gesichtspunkt hinweisen. Das Steuerrecht steht unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit und der Gleichmäßigkeit. Die Bestimmungen des § 10 und des § 32 a kommen nur einem Bevölkerungskreis zugute, der nicht nur voll im Wettbewerbsleben steht, sondern der auch für sich ungeachtet der Umstände, unter denen er entstanden ist, oder der Schuldenlast, die er hat, noch einen beträchtlichen Gewinn haben muß; sonst sind ja die Bestimmungen für ihn gegenstandslos. Für Betriebe, die im Wettbewerbsleben stehen und mit Gewinn arbeiten, kann eine ungleichmäßige steuerliche Behandlung nicht zugelassen werden. Sonst würde das Steuergesetz in die Gerechtigkeit des Wettbewerbs- und Wirtschaftslebens eingreifen,
und das Steuergesetz würde ein politisches Kampfmittel wirtschaftlicher Gruppen untereinander sein. Ich möchte deshalb bitten, von allen Gedankengängen, die etwa die Berücksichtigung des nichtentnommenen Gewinns für eine Bevölkerungsschicht anders berechnen wollen als für eine andere, abzusehen.
Zu den Steuerbegünstigungen, die bisher schon vorgesehen sind, wird im Laufe der Beratungen
noch eine wesentlich neue kommen, nämlich der Ausbau der Steuerbegünstigung des § 7 c des Einkommensteuergesetzes. Diese Bestimmung sieht vor, daß Sparkapital, das für Wohnungsbau verwendet wird, eine besondere Begünstigung erfährt. Diese Bestimmung wird mit Zustimmung der Länder, die in der Zwischenzeit eingeholt worden ist, von dem Kreis, den sie jetzt trifft, also von dem Kreis der buchführenden Gewerbetreibenden, auf die Allgemeinheit der Steuerzahler ausgedehnt werden.
Dieser Bestimmung wird deshalb ein viel weiterer Wirkungsraum als bisher gegeben werden können.
Die letzte Bestimmung, über die ich reden möchte, ist die Begünstigung für den beschränkt Steuerpflichtigen, also für die Ausländer, die in Deutschland Liegendes arbeitendes Vermögen haben. Sie werden da, wo es vertretbar ist, von den Beschränkungen, die bisher die Steuergesetzgebung gekannt hat, befreit, um dem Ausland zu beweisen, daß die deutsche Wirtschaft die Gesetzgebung nicht benützt, um etwa das Ausland im deutschen Wirtschaftsleben zu benachteiligen, sondern daß wir mit der Welt in einem offenen, freien Wettbewerb stehen und das in Deutschland liegende fremde Vermögen als Faktor unseres Wirtschaftslebens auf das wärmste begrüßen und behandeln wollen.
Manchmal wird noch die Frage nach der großen Steuerreform gestellt, wobei man wohl an Betriebssteuer und dergleichen denkt. Hierzu nur eine Bemerkung. Ich kann eine große Steuerreform, eine Reform, die von dem letzten Beamten der Finanzverwaltung ein völliges Umdenken in ein neues System bedeutet, in einer Zeit machen, in der das Wirtschafts- und Finanzleben ruhig ist und die Finanzverwaltungen nicht überlastet sind. In einer Zeit, in der ich leider Gottes gezwungen bin, Monat Monat mit Gesetzentwürfen finanzieller Art an dieses Hohe Haus heranzutreten, in der unsere ganze Organisation neu aufgebaut werden muß, in der die haushaltsrechtlichen Grundlagen in Bund und Ländern völlig neu geschaffen werden müssen, im ersten Jahr einer deutschen Bundesrepublik ist der Zeitpunkt für eine große Steuerreform nicht gegeben. Hier müssen wir uns darauf beschränken — und es ist nicht einmal eine Beschränkung; es bleibt eine unendlich große Aufgabe -, unsere finanz-, wirtschafts- und sozialpolitische Situation zu erkennen und daraus die Schlußfolgerungen für die Umstellung unserer Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik zu ziehen.
Auf dem Gebiet der Finanzpolitik ist dieser Gesetzentwurf der ganz bewußte Schritt, der neuen Zeit mit neuen Gedankengängen entgegenzutreten und den Notwendigkeiten des Tages zu begegnen. Bund und Länder zusammen kennen nur die Aufgabe, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. dazu Kapital zu bilden, den Sparwillen zu wecken und dem Steuerzahler die Möglichkeit zu geben, steuerehrlich zu sein, sowie dem Staat die Zwangsgewalt zu geben, gegen den Steuerunehrlichen vorgehen zu können. Das ist das Ziel, das uns gestellt ist.
Das Gesetz soll am 1. Januar 1950 in Kraft treten. Wir haben heute den 11. Januar. Ich muß deshalb das Hohe Haus dringend bitten, in die Beratungen über diesen Gesetzentwurf möglichst bald einzutreten und diese Beratungen sachlich und zweckentsprechend zu führen. Der
Gesetzentwurf ist nicht geboren aus dem Gedanken, irgendeiner politischen Richtung, irgendeiner Interessenschicht im deutschen Volk zu dienen. Der Gesetzentwurf ist geboren aus einem Gedanken, der, wie ich hoffe, uns allen gemeinsam ist, aus dem Gedanken, das deutsche Wirtschaftsleben gesunden zu lassen, um es sozial leistungsfähig zu machen und um damit dem deutschen Volk zu dienen, das wir alle in gleicher Weise lieben.