Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich begrüße Sie alle
herzlich.
Wir setzen die Haushaltsdebatte – Tagesordnungs-
punkt I – fort:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2007
– Drucksachen 16/2300, 16/2302 –
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses zu der Unterrich-
tung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2006 bis 2010
– Drucksachen 16/2301, 16/2302, 16/3126 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Carsten Schneider
Dr. Gesine Lötzsch
ü
d
d
i
d
d
–
F
Redet
Anja Hajduk
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.8 auf:
Einzelplan 04
Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
– Drucksachen 16/3104, 16/3123 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Petra Merkel
Jürgen Koppelin
Roland Claus
Alexander Bonde
Anna Lührmann
Zu diesem Einzelplan liegen zwei Änderu
der Fraktion Die Linke vor.
Die CDU war selten so anspruchslos wie heute.
rau Merkel, die FDP hat Ihnen damals zu Ihrer Wahlextgratuliert und viel Erfolg gewünscht.
Die Gratulation zum Ende des ersten Regierungsjah-res fällt leider zurückhaltender aus. Wenn ich Ihrer Re-gierung heute noch einmal viel Erfolg wünsche, danndeshalb, weil die Bürger in Deutschland eine gute Politikverdient haben, von guter Politik bisher aber kaum etwaserkennbar ist.
Nach den Aussagen Ihres Regierungssprechers plantdie Koalition keine Feierlichkeiten zum Ende des ersten-Rot. Dafür gibt es auch keinen Grund.auder [CDU/CSU]: Das sehen wiranders!)ngsanträgeJahres Schwarz
Metadaten/Kopzeile:
6510 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
– Sie, meine Damen und Herren von der Union, sindnicht in der Kulturszene.
Als Erfolg verkauft die Regierung an erster Stelle denwirtschaftlichen Aufschwung. Wir haben tatsächlicheine positive wirtschaftliche Entwicklung. Über denAufschwung und die besseren Konjunkturzahlen freuenwir uns. Der Boom der Weltwirtschaft ist jetzt auf diedeutsche Wirtschaft übergesprungen. Der Aufschwunggehört zum Konjunkturzyklus, dem regelmäßigen Aufund Ab des Wirtschaftsgeschehens. Aber der Auf-schwung ist weitgehend kein Erfolg dieser Regierung.Frau Merkel, ich sage gleich zu Beginn meiner Rede,weil ich davon ausgehe, dass Sie unmittelbar auf meineAusführungen antworten werden:
Diesen Erfolg dürfen sich die Unternehmen in Deutsch-land, der Mittelstand, die Arbeitnehmer auf die Fahnenschreiben. Sie haben unser Land wieder wettbewerbsfä-hig und fit für die Weltmärkte gemacht.
Auch moderate Lohnabschlüsse haben dazu beigetragen.Hier gilt es, den Tarifvertragsparteien Dank zu sagen,auch den Gewerkschaften.Hinzu kommen der Einmaleffekt der Weltmeister-schaft und die vorgezogenen Käufe aufgrund der Mehr-wertsteuererhöhung. Die Weltmeisterschaft hat einenViertelprozentpunkt Wachstum bewirkt.
Der Wachstumsbeitrag durch die Vorzieheffekte ist nurgeliehen. Durch die vorgezogenen Käufe haben Sie indiesem Jahr tatsächlich einen Beitrag zum Wachstum ge-leistet. Die Menschen wissen, dass im nächsten Jahr dieSteuern kräftig erhöht werden, und kaufen deshalb vielesschon in diesem Jahr. Das bewirkt für dieses Jahr eineneinmaligen Wachstumseffekt, einen der wenigen, dievon dieser Regierung geleistet wurden.
Die Bundesregierung ist weder Vater noch Mutter desWirtschaftsaufschwungs. Er kommt vom Exportboom,Klinsmann-Effekt und Jahrhundertsommer.
SvlzgAvrpZ„kisniR–taKdwgfslNddriszWhnwSmzwg
lles andere als gerührt sind die Bürger zum Beispielon Ihrer Neuauflage des rot-grünen Antidiskriminie-ungsgesetzes. Damit haben Sie ein Bürokratieaufbau-rogramm auf den Weg gebracht.
um Gesetz haben Sie, Frau Merkel, im Mai gesagt:Ich vertrete das aus vollem Herzen.“ Das ist bemer-enswert. Menschen zu schützen, die es schwerer haben,st ehrenwert. Das wollen auch wir. Aber dieses Gesetzchadet denen, die es schwerer haben, weil sie erst garicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen werden. Dasst die Folge Ihres Vorgehens.
Vor der Wahl hat die Union gesagt, man solle die EU-ichtlinie maximal eins zu eins umsetzen. Das haben Sie wie so vieles – nach der Wahl vergessen. Ein bürokra-isches Monstrum schützt niemanden. Es schreckt vieleb. Das Gesetz ist gerade einmal seit drei Monaten inraft und schon Arbeitsbeschaffungsprogramm für Fin-ige und Anwälte. Auf die Gerichte rollt eine Klage-elle zu.Beim Bürokratieabbau haben Sie die kleinste Lösungefunden. Sie haben den Normenkontrollrat geschaf-en, aber das Ganze so geregelt, dass er nicht für alle Ge-etze zuständig ist. Das, was Schwarz-Rot über das Par-ament auf den Weg bringt, muss gar nicht durch denormenkontrollrat.Zu Ihrem Konzept „Mehr Freiheit wagen“: Sie wollenen Haushalt nachhaltig sanieren,
as Steuersystem vereinfachen und die sozialen Siche-ungssysteme zukunftsfähig machen. Auf diesem Gebietst bisher so gut wie nichts geschehen. Herr Kampeter,chämen Sie sich! Sie sind viel zu schlau, um das nichtu wissen.
as haben Sie gemacht? Sie haben die größte Steuerer-öhung aller Zeiten auf den Weg gebracht. Die Unter-ehmensteuerreform ist nicht der große Wurf. Dabeiird nichts vereinfacht. Wir befinden uns in einer tollenituation: Sie machen die Gesetze so kompliziert, dassan jetzt sogar für eine Auskunft vom Finanzamt Geldahlen muss. Das ist schon eine bemerkenswerte Ent-icklung.Gestern hat der Finanzminister an seine SPD-Fraktioneradezu appelliert, die Unternehmensteuerreform über
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6511
)
)
Rainer Brüderledie Rampe bringen zu helfen. Die SPD hat ja beschlos-sen, dass es nicht zu nachhaltigen steuerlichen Entlas-tungen kommen soll. Aber was soll eine Steuerreformbringen, wenn sie die Unternehmen und die Bürgerinnenund Bürger nicht entlastet?Wir nehmen den Menschen zu viel weg. Das musssich ändern. Bei diesem Freiheitsthema geht es im Kernum folgende Frage: In welchem Umfang können wirselbst über die Verwendung des Geldes entscheiden, daswir uns hart erarbeitet haben, und in welchem Umfangentscheiden andere an unserer Stelle, weil sie uns für zudoof halten, eigenverantwortlich mit unserem Geld um-zugehen?
Zu den Themen Föderalismusreform und Reformder Finanzverfassung kann man nur sagen: Das Kernpro-blem wurde nicht gelöst.Allerdings freue ich mich über die Liberalisierung desLadenschlusses. Dafür haben wir lange kämpfen müs-sen. Nur in Bayern klappt es nicht. Herr Stoiber, derSchutzpatron aller Leichtmatrosen, hat die Zeit verschla-fen. Als im Bayerischen Landtag über dieses Thema ab-gestimmt wurde, hat „Wackel-Ede“ die Flucht angetre-ten, sodass es bei der Abstimmung zu einem Patt kam.Daher findet in Bayern keine Liberalisierung des Laden-schlusses statt. Dort dauert ja alles ein bisschen länger.
Das Wort hat nun die Bundeskanzlerin Frau
Dr. Angela Merkel.
z
D
I
g
v
b
u
W
d
d
F
d
l
t
d
s
e
n
B
Z
w
m
s
w
g
n
a
n
v
D
i
l
t
m
n
s
w
h
s
h
b
n
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor genauwölf Monaten hat die Bundesregierung ihre Arbeit füreutschland aufgenommen.
n diesen zwölf Monaten sind wichtige Weichenstellun-en erfolgt: von der Rente mit 67 bis zum Elterngeld,on der Erarbeitung der Eckpunkte der Unternehmens-esteuerung bis zur Einsetzung des Normenkontrollratsnd von der Föderalismusreform bis zum Islamgipfel.ir haben eine historische Entscheidung zum Einsatzer Bundeswehr im Nahen Osten getroffen. Im Sommerieses Jahres haben wir in Deutschland eine wunderbareußballweltmeisterschaft erlebt, durch die sich das Bild,as die Menschen außerhalb Deutschlands von Deutsch-and haben, zum Positiven gewandelt hat.
Zwölf Monate sind für die Politik, den Regierungsbe-rieb und die Medien eine lange Zeit. Um ein Land aufie Zukunft vorzubereiten, sind zwölf Monate aber eineehr kurze Zeit. Deshalb gilt der Wählerauftrag von vorinem Jahr unverändert: Es geht für unser Land darum,eue Arbeitsplätze zu schaffen. Es geht darum, bessereildung zu ermöglichen. Es geht darum, dass wir unsereukunftschancen nicht verbrauchen; wir müssen lernen,eniger Schulden und bald gar keine Schulden mehr zuachen. Es geht darum, das Fundament unseres Wohl-tands, die soziale Marktwirtschaft, so zu erneuern, dassir unseren Wohlstand angesichts der Herausforderun-en der Globalisierung halten und weiterentwickeln kön-en.An diesem Wählerauftrag haben wir uns von Anfangn orientiert. Wir haben eine nüchterne Analyse vorge-ommen und uns entschieden, entlang des Dreiklangson Sanieren, Reformieren und Investieren zu arbeiten.ieser Dreiklang hat sich als richtig erwiesen.
Wir wussten, dass wir den Bürgerinnen und Bürgernn diesem Land etwas zumuten müssen. Es ist verständ-ich, dass manche unserer Maßnahmen nicht auf sofor-ige Zustimmung stoßen. Aber wir sind uns einig, dassan, wenn man verantwortungsvolle Politik macht, ei-en Weg gehen muss, der Schwierigkeiten überwindet,tatt einen, der ihnen ausweicht. Entscheidend ist, wieir die Frage beantworten können: Steht Deutschlandeute besser da als vor einem Jahr – Ja oder Nein?Die Fakten besagen Folgendes: Die Wirtschaft wächsto stark wie seit dem Jahr 2000 nicht mehr. Nach einemalben Jahrzehnt ständig steigender Arbeitslosigkeit ha-en wir in diesem Jahr eine halbe Million Menschen we-iger, die auf die Suche nach einem Arbeitsplatz gehen
Metadaten/Kopzeile:
6512 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkelmuss. Seit sechs Jahren werden erstmals wieder sozial-versicherungspflichtige Arbeitsplätze geschaffen, mehrals 250 000. Weil Wirtschaft und Arbeitsmarkt sich erho-len, steigen die Steuereinnahmen. Wir haben deshalb be-schlossen und beschließen können, die Neuverschuldungweiter zu senken, auf den niedrigsten Stand seit der Wie-dervereinigung. Ich finde, das sind gute Daten und da-rüber können wir uns freuen.
Dies alles zeigt: Richtige Politik wirkt. Das gilt imÜbrigen nicht nur für das letzte Jahr, sondern das gilt im-mer dann, wenn Schwierigkeiten überwunden und Re-formen angepackt werden.Die Erfolge zeigen ein Zweites: Wenn man überzeugtist, dass ein Weg unter den gegebenen Umständen derbestmögliche ist, muss man ihn auch durchhalten. Ich er-innere mich an manche Kassandrarufe von vor einemJahr, was die politischen Maßnahmen, die wir in derKoalitionsvereinbarung formuliert haben, alles bewir-ken werden. Jetzt gerät mancher Rufer ins Stottern. DerSachverständigenrat schreibt in seinem Herbstgutachten,insgesamt starte die deutsche Volkswirtschaft mit einerguten Ausgangslage sowie bemerkenswertem Schwungin das neue Jahr. Er schätzt das Wachstum für 2007 aufknapp unter 2 Prozent. Auch aus den Wirtschaftsverbän-den heißt es, es seien keinerlei Anzeichen erkennbar, dieeine fühlbare Abschwächung des Wachstums erwartenließen, auch nicht durch die Mehrwertsteuererhöhung;so der Präsident des Deutschen Industrie- und Handels-kammertages Braun am 17. November. Ähnlich sieht esder Zentralverband des Deutschen Handwerks.Die Bundesregierung ist bei ihrer Prognose bewusstvorsichtiger als zum Beispiel der Sachverständigenrat.Aber es kann nun wirklich nicht bestritten werden, dasssich unser Land nach Jahren der Stagnation endlich wie-der im Aufschwung befindet. Das ist eine gute Nachrichtfür die Bürgerinnen und Bürger.
Doch die Jahresbilanz weist auch darauf hin, dass esnoch sehr viel zu tun gibt. Deshalb werden wir dieHände nicht in den Schoß legen. Der Sanierungskurshat erst dann sein Ziel erreicht, wenn wir es schaffen,den Haushalt eines Tages wieder ausgeglichen zu gestal-ten. Viele Arbeitsplätze in Deutschland sind weiterhinvon Verlagerung bedroht. BenQ ist leider nur ein Bei-spiel; für andere gilt Ähnliches. Die Arbeitsplätze inDeutschland müssen langfristig wieder sicherer werden.Und mit 4 Millionen Arbeitslosen können wir uns natür-lich nicht zufrieden geben. Die Unternehmen müssenspüren, dass sich Neueinstellungen lohnen; sie müssennoch mehr Mut fassen. Ich möchte an dieser Stelle einherzliches Dankeschön an den Mittelstand in Deutsch-land richten. Er ist der Jobmotor in diesem Jahr gewesen.Deshalb ist es wichtig, dass wir gerade den Mittelstandstärken.
Der Aufschwung darf nicht bloß eine kurze Erho-lungsphase werden, sondern er muss nachhaltig gemachtwldbLndvPdhbfwlnmdLsnkIMaurSegssdedButedDesJdzzbmZdd
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6513
)
)
– Wir werden die Lohnzusatzkosten senken. Selbst dann,wenn Sie die 0,9 Prozent, die der Arbeitnehmer beimKrankenkassenbeitrag bezahlt, mitrechnen, bedeutet dasimmer noch eine Reduzierung von 42 Prozent auf unge-fähr 40,6 Prozent. Wer das nicht als Senkung erfassenkann, der ist in diesem Hause vielleicht falsch. Es gehtrunter.
Mit dem Arbeitslosenversicherungsbeitrag von 4,2 Pro-zent haben wir den niedrigsten Stand seit 20 Jahren er-reicht. Das ist auch ein Erfolg der Bundesagentur für Ar-beit. Dass dieser Erfolg eingetreten ist, liegt aber wie-derum auch an einer politischen Maßnahme, die von dervergangenen Regierung durchgesetzt und von der CDU/CSU-Opposition unterstützt wurde. Nun können wir unsdoch freuen, dass das besser läuft und dass die Men-schen durch die Bundesagentur gleichzeitig auch nochbessere Ansprechpartner haben.
Wir haben gesagt, wir wollen zukunftsfähige Arbeits-plätze schaffen. Das kann die Politik nicht alleine. Mitunserem Investitionsprogramm im Umfang von 25 Mil-liarden Euro haben wir aber die Weichen in die richtigeRichtung gestellt. Dass wir als Bund unseren Beitragdazu leisten, dass in Zukunft 3 Prozent des Bruttoin-landsprodukts für Forschung und Entwicklung ausgege-ben werden können, und dass wir die Gründerfonds ge-schaffen und die Exzellenzinitiative durchgesetzt haben,sind ganz wesentliche Beiträge. All dies deutet daraufhin, dass wir nicht wollen, dass die besten Köpfe ausdiesem Lande abwandern, sondern dass sie hier eineChance haben, weil wir hochwertige Arbeit in diesemLande wollen und brauchen.
Mehr Freiheit heißt für mich auch, dass die Unterneh-men Zukunft haben. Wir haben im Kabinett die Eck-punkte für eine Unternehmensteuerreform und dieErbschaftsteuerreform verabschiedet. Für den Mittel-stand haben wir ein ganzes Bündel von Maßnahmen ge-schnürt: Die Eigenkapitalbildung wird begünstigt und erwird durch weniger Bürokratie dauerhaft entlastet.
– Wir sorgen für weniger Bürokratie: Wir haben ein Mit-telstandsentlastungsgesetz und das Infrastrukturbe-schleunigungsgesetz beschlossen. Damit haben wir demMittelstand Anreize geliefert. Wir haben gleichzeitig diedetdefdslgDDSnfmwiurEsurWsffFdnPddhLwhJw
Dies ist ein Beitrag dazu, dass wir uns zum Subsidia-itätsprinzip bekennen, dass wir sagen: Die kleineninheiten sind wichtig da, wo nahe am Menschen ent-chieden wird. Das ist unser Bild von dieser Gesellschaftnd deshalb geht es den Kommunen mit dieser Bundes-egierung gut.
Sie müssen nur mal die Oberbürgermeister fragen.
enn sie zusammen sind, dann loben sie nie. Wenn Sieie aber alleine treffen, dann machen sie einen sehr zu-riedenen Eindruck. Das alles ist die Wahrheit.Wir haben auch etwas für diejenigen gemacht, die diereiheitliche Lebensentfaltung brauchen, nämlich für dieamilien, in denen Werte vermittelt werden. Ich glaube,ass wir die Tatsache des Elterngeldes gar nicht hoch ge-ug einschätzen können. Das ist ein Wechsel. Ob es einaradigmenwechsel oder ein qualitativer Wechsel ist, seiahingestellt. Es ist ein Wechsel, weil wir die Entschei-ung für Kinder in unserer Gesellschaft anerkennen. Ichalte dieses Elterngeld für einen wichtigen Schritt.
Ich habe im vergangenen Jahr gesagt: Wir müsseneistung anerkennen und mehr Freiheit wagen, damitir auch den Schwachen in unserer Gesellschaft besserelfen können. Deshalb haben wir natürlich in diesemahr eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen, mit denenir gerade denjenigen zu helfen versuchen, die in unse-
Metadaten/Kopzeile:
6514 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkelrer Gesellschaft Schwierigkeiten haben. Das hat dazugeführt, dass wir Arbeitsmarktinstrumente überprüft ha-ben – ganz im Sinne von Fordern und Fördern – undauch weiter über Anreize nachdenken, wieder in den ers-ten Arbeitsmarkt zu kommen; das ist unser Hauptziel.Deshalb reden wir auch über Kombilöhne und Hinzuver-dienstmöglichkeiten und werden die notwendigen Ent-scheidungen am Beginn des nächsten Jahres fällen.Wir haben die Regelsätze zwischen Ost und West an-geglichen – ein Beitrag, der für die neuen Bundesländersehr wichtig war – und wir haben im Sinne von Fordernund Fördern gesagt: Derjenige, der dreimal ein Ar-beitsangebot ablehnt, der hat auch das Anrecht verspielt,von anderen, die für ihre Löhne hart arbeiten, unterhal-ten zu werden und Transferzahlungen zu bekommen.Aber diejenigen – das ist mir wichtig –, die keineMöglichkeit haben, Arbeit aufzunehmen, haben es ver-dient, dass sie weiter entsprechende Fördermaßnahmenbekommen. Wir müssen zwischen denen unterscheiden,die Dinge zu Unrecht in Anspruch nehmen, und denen,die keine Chance haben. Diejenigen, die keine Chancehaben, müssen weniger werden in unserer Gesellschaft.Das ist wichtig.
Wir haben in der Bildungsfrage – weil der Bund hierKompetenzen hat – –
– Frau Künast, ich erinnere an die Diskussion überArt. 91 b. Wir diskutieren gerade über den Hochschul-pakt, falls Ihnen das entgangen sein sollte. Das ist einBeitrag des Bundes zu Bildungsfragen.
Wir haben einen Pakt für Ausbildung mit der Wirt-schaft geschlossen, damit wir uns um Berufsausbildungkümmern können.
Wir haben die Kinderbetreuungsfragen bei den Kostender Unterkunft mit behandelt. Wir kümmern uns im Rah-men dessen, was in der Kompetenz des Bundes liegt,ganz bewusst um diejenigen, die mehr Bildung brau-chen.
Auch die Berufsausbildung ist Bildung. An dieser Stelletun wir eine ganze Menge.
Ich sage aber auch in allem Ernst: Wir stehen immerwieder vor extrem schwierigen Situationen. Der Amok-lauf in Emsdetten, der „Fall Kevin“ und der „Fall Ste-phanie“ haben uns alle zutiefst bekümmert. Wir alle hieriAdFprkkehzslgHirsKfLhsbuwStPeTeejgjhnmknwMesbdaDGbb
Wir müssen durch unsere Politik deutlich machen: Esibt null Toleranz gegenüber Intoleranz. Ich sage das iminblick auf den Linksextremismus und insbesonderem Hinblick auf die gravierend angestiegene Zahlechtsextremistischer Straftaten. An dieser Stelle müs-en wir sehr deutlich machen, dass die demokratischenräfte in diesem Lande vereint dagegen stehen. Wir dür-en nicht zulassen, dass Extremisten das Bild unseresandes bestimmen. Hier gehen wir entschieden vor. Dasaben wir deutlich gemacht, indem wir Mittel für ent-prechende Maßnahmen in den Haushalt eingestellt ha-en.
Natürlich müssen wir die Kriminalitätsbekämpfungnd insbesondere die Terrorismusbekämpfung ständigeiterentwickeln. In diesem Jahr sind dazu wichtigechritte ermöglicht worden. Ich erinnere nur an die Anti-errordatei, die aus meiner Sicht ein ganz wesentlicherunkt ist.Wir haben uns außerdem – das ist aus meiner Sichtin Meilenstein in der Arbeit der Regierung – demhema Integration zugewandt. Wir sind ein Land mitiner scharfen demografischen Veränderung. Wir sindin Land, in dem wir seit Jahrzehnten zulassen, dass die-enigen, die seit Generationen bei uns leben, nicht dieleichen Chancen haben. Es ist an der Zeit, dass wir denungen Menschen, die aus Elternhäusern mit Migrations-intergrund kommen, die gleichen Möglichkeiten eröff-en. Das beginnt damit, dass man der deutschen Spracheächtig ist. Ansonsten haben Kinder in diesem Landeeine Chance. Ich bin froh, dass die Diskussion darübericht mehr auf parteipolitischer Ebene geführt wird. Wirollen miteinander erreichen, dass auch die jungenenschen mit Migrationshintergrund in diesem Landeine Chance haben und sich gut entwickeln. Wenn wirehen, wie viele keinen Schul- oder Berufsabschluss ha-en, dann darf uns das nicht ruhen lassen. Deshalb ister Integrationsgipfel eine solch wichtige Maßnahme.
Jeder kann einmal in eine Situation kommen, in der eruf unsere sozialen Sicherungssysteme angewiesen ist.eshalb haben wir die Rente auf eine zukunftsfähigerundlage gestellt und das Programm „50 plus“ zur Ver-esserung der Chancen älterer Menschen auf dem Ar-eitsmarkt aufgelegt. Der Bundesarbeitsminister hat dies
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6515
)
)
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkelsehr bewusst getan; denn wir wissen, dass wir das Ren-teneintrittsalter erhöhen müssen, um jungen Menscheneine Chance zu geben, und gleichzeitig die über 50-Jäh-rigen außerordentlich schlechte Chancen auf dem Ar-beitsmarkt haben. Aber das darf so nicht bleiben. Damitdarf sich die Politik nicht abfinden. Deshalb ist die Maß-nahme „50 plus“ genau richtig, um älteren Menschenwieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt zu geben.
Wir haben eine Gesundheitsreform auf den Weg ge-bracht.
– Das habe ich mir schon gedacht. Wissen Sie, Gesund-heitsreformen waren in der Geschichte der Bundesrepu-blik Deutschland selten von einem großen Lobgesang be-gleitet. Im Übrigen werden Gesundheitsreformen – dasgilt für diese ganz besonders – meist von denen kommen-tiert, die Leistungen erbringen, und nur selten von denVersicherten selbst. Ich sage Ihnen ganz ausdrücklich:Diese Gesundheitsreform ist eine Reform für die Versi-cherten und nicht für diejenigen, die die Leistungen er-bringen. Deshalb setzen wir uns auch in erster Linie mitden Versicherten auseinander.
Wenn man einen Einblick bekommen will, an wel-chen Stellen in dieser Republik eine Veränderungsunwil-ligkeit besteht und an welchen Stellen man an Besitz-ständen hängt – auch wenn ich nicht alle über einenKamm scheren will –, muss man Gespräche mit denFachleuten aus dem Gesundheitsbereich führen. Wirwollen, dass es in Deutschland nicht eine Zweiklassen-medizin gibt, sondern ein Gesundheitssystem für alleMenschen.
Es geht um die Versicherten bei dieser Reform. Deshalbmusste die Gesundheitsreform verwirklicht werden.
Wir werden im nächsten Jahr die Reform der Pflege-versicherung in Angriff nehmen; denn wir wissen, dassdie Pflegeversicherung genauso reformbedürftig ist wiedas Gesundheitswesen. Wir haben aber immer gesagt:Eines folgt auf das andere.Wir haben in diesem Jahr eine Vielzahl von nationa-len Projekten in Angriff genommen. Jeder, der sich an-schaut, was auf den Weg gebracht wurde, wird sehen,dass wir dieses Land entschlossen verändern und refor-mieren und die Bedingungen für die Zukunft nachhaltigverbessern. Allerdings erleben wir täglich, dass es anvielen Stellen nicht mehr ausreicht, im nationalen Rah-men Entscheidungen zum Wohl unseres Landes zu tref-fen, sondern dass wir dafür Partner brauchen. Deshalbhabe ich schon im vorigen Jahr in meiner Regierungser-klärung gesagt, dass wir wieder ein starker Partner inEuropa und in der Welt werden wollen und können.Deutsche Außen- und Europapolitik gründet sich aufWsmbgpdmawuntdDsghusbmuMwnzdSLlgdWHTdnnsrEgWuLmaaAEüd
Metadaten/Kopzeile:
6516 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Immerhin leben in diesem Gebiet circa 40 Prozent derafghanischen Bevölkerung. Die Bundeswehr wird dortatniDesWwAfgscuBhvshEhzgnWd–aeusknEäDU0hddOnsWs
Deshalb gilt für mich für den NATO-Gipfel in Riga:as Thema Afghanistan ist zu wichtig, als dass wir es zuiner militärischen Nord-Süd-Debatte verkümmern las-en dürfen. In Afghanistan wollen wir als NATO und alseltgemeinschaft erfolgreich sein. Wir in Deutschlandissen, dass man dafür kämpfen muss, auch militärisch.ber, meine Damen und Herren, man muss auch kämp-en um die Herzen der Menschen in Afghanistan. Beidesehört für mich zusammen und so werden wir diese Mis-ion verstehen.
Lassen Sie mich an dieser Stelle auch ein ganz herzli-hes Dankeschön an unsere Soldatinnen und Soldatennd an ihre Familien sagen. Sie tun unter schwierigstenedingungen ihren Dienst, nicht nur in Afghanistan. Sieaben unsere Unterstützung verdient!
Wir haben beim Thema Sicherheit in diesem Jahr sehriel über die militärische Sicherung ziviler Prozesse ge-prochen. Sicherheit wird in der Zukunft aber auch – dasat dieses Jahr genauso gezeigt – mit Energiepolitik undnergiesicherheit zu tun haben. Die Europäische Unionat darüber eingehend diskutiert. Energiepolitik ist in-wischen zum Teil Energieaußenpolitik: Die Partner fra-en, ob man sich aufeinander verlassen kann.Zwei große Herausforderungen werden uns in denächsten Jahren intensiv beschäftigen:Das eine ist die Frage, wie nicht nur wir, sondern dieelt mit bezahlbarer Energie ausreichend versorgt wer-en können. Angesichts des Bevölkerungswachstumsdie Weltbevölkerung wird in den nächsten Jahrzehntenuf 9 Milliarden Menschen anwachsen –, angesichts derxtrem hohen Wachstumsraten vieler Länder, wie Chinand Indien, angesichts der Tatsache, dass wir den Men-chen auf anderen Kontinenten nicht ernsthaft sagenönnen, dass wir ihre Entwicklung hin zum Wohlstandicht wollen, wird uns dieses Thema beschäftigen.Die zweite große Herausforderung – sie hängt mit dernergieversorgung unmittelbar zusammen – ist die Ver-nderung unseres Klimas. Ich glaube, viele haben dieimension dieser Herausforderung noch nicht in vollemmfang verstanden. Die Erwärmung heute liegt bei etwa,6 Grad. Wir wissen, dass eine Erwärmung über 2 Gradinaus nicht stattfinden darf. Viele Prozesse sind aller-ings schon unumkehrbar und auch in Deutschland istie Klimaveränderung spürbar. Nun können Sie sagen:b die Eiche in der Uckermark eine Zukunft hat, isticht so wichtig. – In Portugal und Spanien aber stelltich das Ganze schon anders dar, man schaue sich dieüstenbildung an, und in Afrika wird eine weitere Ver-teppung Grund für Bürgerkriege und Migration sein.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6517
)
)
Bundeskanzlerin Dr. Angela MerkelEuropa und auch Deutschland werden hier eine ganzbesondere Verantwortung haben. Wir sind uns in derBundesregierung einig, dass wir Deutschlands langfris-tige Energieversorgung unter die Lupe nehmen müssen:Wir müssen hier planen und Szenarien erstellen. Wirmüssen vor allen Dingen zeigen – ansonsten werden wirauf der Welt keine Chance haben –, dass es uns gelingt,wirtschaftliches Wachstum von den Emissionen vonTreibhausgasen zu entkoppeln.Ein Stück weit haben wir das schon geschafft; aberwir müssen noch mehr tun. Unser Programm zur energe-tischen Gebäudesanierung ist nicht nur ein Programmzur Belebung der Bauwirtschaft, sondern auch ein Pro-gramm zur Sicherung der Zukunft. Ein Hochtechnolo-giestandort wie Deutschland sollte sich mit dem ThemaEnergieeffizienz ganz stark identifizieren, um eines Ta-ges sagen zu können: Hier haben wir einen Beitrag fürandere geleistet und gleichzeitig einen Exportschlagergeschaffen.
Wir haben in der Europäischen Kommission dafür ge-sorgt – dafür bin ich dem Bundesumweltminister dank-bar –, dass es Fonds zur Investitionsförderung für effi-ziente und erneuerbare Energietechnologien gibt. Durchdiesen Fonds können auch in Entwicklungsländern Bei-träge geleistet werden. Ich glaube, dass uns die Entwick-lung von CO2-freien, erneuerbaren, aber auch anderenEnergien in den nächsten Jahren sehr beschäftigen sollte.Heute kommen 19 Prozent aller Umwelttechnologienaus Deutschland. Es können ruhig noch mehr werden.An dieser Stelle können wir zulegen. Ich halte dies füreinen wichtigen Punkt.Meine Damen und Herren, in meiner Regierungser-klärung vor einem Jahr habe ich gesagt: „Verlässlichkeitsoll das Markenzeichen dieser Regierung sein.“ Verläss-liche Politik ist sicherlich sehr schwierig, weil wir vieleEntwicklungen nicht voraussehen können; aber wir müs-sen uns schon an dem messen lassen, was wir uns vorge-nommen haben. Verlässlichkeit bedeutet für mich, dassman nicht alles einfach auf eigene Faust macht, sonderndass man die Menschen für diese Politik gewinnt. Da ha-ben wir noch ein Stück Arbeit vor uns; das will ich ganzklar sagen.Aber ich möchte auch denen danken, die in diesemJahr unsere Verbündeten waren. Wir haben einen Ener-giedialog begonnen, in den sich viele Teilnehmer enga-giert einbringen. Wir haben eine Allianz für Familien ge-gründet, bei der die gesellschaftlichen Verbände intensivmitmachen. Wir haben eine Initiative „Erfahrung ist Zu-kunft“ zur Behandlung von Fragen des demografischenWandels auf den Weg gebracht. Daran beteiligen sich dieWirtschaft und die Wohlfahrtsverbände intensiv. Ichhabe dafür Dank zu sagen, dass die Arbeit dieser Bun-desregierung aus den gesellschaftlichen Bereichen unter-stützt wird; denn wir können das, was zu tun ist, alleinnicht schaffen.Ich weiß, dass manche immer noch nach dem einengroßen, befreienden Sprung suchen, obwohl sie wissen,dass Deutschlands Kraft erst noch wachsen muss. IchgwmIiuFdacRuAd–BnMASsg
in dieser Frage nicht … Notwendig sind
Nächster Redner ist der Kollege Dr. Gregor Gysi,
raktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Bun-eskanzlerin, ich bringe Sie nicht in Verlegenheit, indemuch ich Ihnen jetzt Blumen schenke. Es würde Ihnen si-herlich schwer fallen, sich dazu zu verhalten.Ich finde es ungerecht, dass Sie am Anfang Ihrerede nur erwähnt haben, dass Sie ein Jahr im Amt sind;nser Herr Bundestagspräsident ist ja auch ein Jahr immt. Wenn schon, dann muss auch ihm gratuliert wer-en.
Ich habe das eigentlich in der Hoffnung gesagt, einmaleifall von der Union zu bekommen; aber das ist miricht vergönnt.
Zum einjährigen Jubiläum Ihrer Kanzlerschaft, Frauerkel, möchte ich zwei würdigende Bemerkungen amnfang machen:Erstens. Da Sie sich nicht jeden Tag erklären, müssenie sich im Unterschied zu Ihren Vorgängern auch nichto oft korrigieren. Das finde ich ganz geschickt.Zweitens. Es gibt eine kleine Gruppe von leicht arro-anten CDU-Ministerpräsidenten, die Ihnen das Amt
Metadaten/Kopzeile:
6518 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Dr. Gregor Gysinicht gönnen. Ich finde, diese haben Sie ganz gut imGriff. Das muss man auch einmal sagen.
Frau Bundeskanzlerin, Sie sind aber auch eine Frauund stammen aus Ostdeutschland. Sie haben das bisherwenig gezeigt und diesbezüglich wenig getan. Es istganz typisch, dass in Ihrer Rede nicht ein Wort zurGleichstellung der Geschlechter gefallen ist und Sieauch gar nichts zur Situation in Ostdeutschland gesagthaben.
– Ja, da haben Sie völlig Recht. Wenn irgendjemand et-was für Gleichstellung in der Gesellschaft getan hat,dann waren es vielleicht die Grünen, die SPD und dieLinken, aber ganz bestimmt nicht die Union. Da brau-chen wir bloß einen Blick in die Geschichte zu werfen.
Fangen wir mit der Außenpolitik an: Sie, Frau Bun-deskanzlerin, sind aus mir unerklärlichen Gründen ir-gendwie mit Präsident Bush befreundet. Wir könnenaber feststellen, dass dieser gerade eine Quittung fürseine Kriegspolitik bekommen hat. Zwar etwas spät,aber bei den Wahlen zum Senat und zum Repräsentan-tenhaus hat die Mehrheit der amerikanischen Bevölke-rung nun Nein zu seiner Kriegspolitik gesagt.
Sie haben ja am Schluss Ihrer Rede zu Recht auch überUmweltfragen gesprochen. Die USA stürzen uns in eineKlimakatastrophe. Ich möchte gerne wissen, ob Sie ihmdas auch so offen sagen bzw. ob die Europäische Unionihm gegenübertritt und sagt, dass es so einfach nichtweitergeht. Die größte Industrienation kann diesbezüg-lich nicht machen, was sie will, weil sie auf diese Weisedie ganze Menschheit in eine Katastrophe stürzt.
Zurück zur Kriegspolitik: Der Irakkrieg ist doch injeder Hinsicht gescheitert. Es ging um die Sicherung vonErdölvorkommen und um die Bekämpfung des Terroris-mus. Wie kann man denn mit der Höchstform des Terro-rismus, nämlich mittels Krieg, Terrorismus bekämpfen?Man erreicht so doch nur neue Bereitschaft zu Terroris-mus. Das beweist der Irak täglich.
Selbst der Premierminister Großbritanniens, Tony Blair,fängt ja jetzt an, selbstkritische Töne von sich zu geben –leider viel zu spät. Es gab aber auch kluge Politiker aufdmPsddhgddFd2e–siKzuhcvüEdmcldwFIsaNnmldtrsW
Wie Sie das nennen, Herr Struck, ist mir egal; aber esind Kriegseinsätze. Wenn Sie einmal nach Afghanistan,n den Irak usw. schauen, sehen Sie, wo auf dieser Weltriege stattfinden.
Die Soldaten kommen mit Erlebnissen zurück, undwar mit Erlebnissen, die sie in Deutschland nicht hättennd nicht haben. Welch eine Verrohung dort stattfindet,aben Sie an den Bildern gesehen, die Soldaten mit Lei-henköpfen zeigen. Darauf, dass die Soldaten psychischerändert nach Deutschland zurückkommen, sind wirberhaupt nicht vorbereitet. Wir haben noch nicht dierfahrung wie die Sowjetunion mit den Afghanistansol-aten oder die USA mit den Vietnamsoldaten. Aber wirüssen uns darauf vorbereiten. 200 000 Soldaten in sol-hen Einsätzen verändern eine Gesellschaft und Sie wol-en das nicht einmal zur Kenntnis nehmen, geschweigeenn Mittel dafür zur Verfügung stellen, um dagegen et-as zu tun.
Sie haben über die Europäische Union gesprochen,rau Bundeskanzlerin, und auch die Verfassung erwähnt.ch hätte gerne einmal eine Auskunft von Ihnen: Wastreben Sie in Bezug auf die europäische Verfassungn? Sie müssen doch das Nein aus Frankreich und deniederlanden ernst nehmen. Wenn man das Votum ernstimmt, kann man doch nicht nur darüber nachdenken, oban das Ding anders nennt oder ob man einen Satz weg-ässt, sondern muss eine Verfassung für Europa schaffen,ie die Mehrheit der Bevölkerung in den Ländern akzep-iert. Das wäre ein Gewinn. Nicht gegen die Bevölke-ung, sondern mit der Bevölkerung muss eine Verfas-ung gestaltet werden.
ir werden dafür konkrete Vorschläge unterbreiten.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6519
)
)
Dr. Gregor GysiDabei geht es um Freiheitsrechte, aber auch um So-zialrechte; denn die Menschen in Europa sind heute ingroßem Maße sozial verunsichert. Sie wollen kein Eu-ropa, das so organisiert ist, dass sich mit jedem Beitrittdie soziale Frage neu stellt, und zwar in dem Sinne, dassalles nach unten geht. So erreicht man keine Begeiste-rung für Europa; wohl aber erreichen die Rechtsextre-men eine Begeisterung für den früheren Nationalstaat.Das erleben wir doch auch in Deutschland. Wenn wirhier alle die europäische Integration wollen – das ist jaein Vorteil dieses Parlaments, dass wir sie alle wollen –,dann müssen wir auch etwas dafür tun, dass die europäi-sche Integration wesentlich mehr Akzeptanz in den Be-völkerungen findet. Dann können wir nicht über dieBevölkerungen hinweggehen, sondern müssen die Ver-fassung mit ihnen zusammen gestalten.
Bund, Länder und Kommunen haben Aufgaben, auchin Deutschland, und die Kassen sind ziemlich leer. Dashat Folgen. Wenn wir nicht nur das letzte Jahr, sondernmehrere zurückliegende Jahre betrachten, können wirfeststellen, dass die Ausgaben für Bildung und Kultur,für Wissenschaft und Forschung sowie für Investitionenin Infrastruktur gesunken sind.
Das gilt auch für die Justiz. Das, was wir jetzt in Sieg-burg erlebt haben, ist natürlich ein Ausdruck dessen,dass es zu wenig qualifiziertes Personal gibt. Anders istes doch nicht denkbar, dass dort jemand 20 Stunden ge-foltert wird und niemand das merkt! Das sind Struktur-schwächen, die wir uns nicht leisten können.Hinzu kommt, dass wir die Justiz jetzt den Ländernübergeben. Das heißt, die Länder entscheiden je nachKassenlage, wie viel Geld sie für eine Justizvollzugsan-stalt zur Verfügung stellen.
Mir wird schon jetzt ganz schlecht, wenn ich darübernachdenke, wie das dann in den ärmeren Bundesländernaussehen wird.
Also brauchen wir hier eine andere Herangehensweise.Sie haben festgestellt, Frau Bundeskanzlerin, Deutsch-land stehe besser da. Dann müssen wir einmal definieren:Wer ist Deutschland? Fragen Sie doch einmal einenLangzeitarbeitslosen, ob er empfindet, dass er besser da-steht. Fragen Sie einmal einen Jugendlichen, der keinenAusbildungsplatz bekommt, ob er findet, dass er besserdasteht. Verstehen Sie: Man muss das immer konkret un-tersuchen. Ich weiß, es geht Leuten besser: den Reichenund den Besserverdienenden; das ist wahr.
Ab–ddkhEgwubtwdszssmDDDabS1Dr2f2duacmsTsms
Die durchschnittliche Quote der Steuern und Abga-en, also der berühmten so genannten Lohnnebenkos-en, der Sozialabgaben der Unternehmen, beträgt EU-eit 40 Prozent und in Deutschland 35 Prozent. Selbstort sind wir unterdurchschnittlich. Auch das muss managen.
Nun können Steuern sehr verschieden sein. Wir redenwar immer allgemein über Steuern. Aber es gibt bei-pielsweise einen Unterschied zwischen Unternehmen-teuern und Mehrwertsteuer. Es ist spannend, sich ein-al die Anteile der einzelnen Steuerarten anzuschauen.ie Einkommen- und Unternehmensteuern machen ineutschland einen Anteil von 9,5 Prozent aus.
as müssen die Bürgerinnen und Bürger wissen; allesndere bezahlen sie. Im EU-Durchschnitt liegt der Anteilei 13,4 Prozent und in Dänemark bei 29,5 Prozent. Vorchröder lag der Anteil in Deutschland übrigens bei1,2 Prozent. Jetzt liegt er, wie gesagt, bei 9,5 Prozent.as ist die Wahrheit.Professor Jarass hat errechnet, dass durch die Steuer-eform von SPD und Grünen seit 2001 jährlich1 Milliarden Euro weniger eingenommen werden.
Jetzt setzt die neue Regierung das Ganze verschärftort. Ich sage deshalb „verschärft“, weil Sie ab dem Jahr007 durch die zusätzlichen Belastungen wie Erhöhunger Mehrwertsteuer, Reduzierung der Pendlerpauschalend Halbierung des Sparerfreibetrags sowie durch dienstehenden Erhöhungen der Renten- und Krankenversi-herungsbeiträge die Arbeitnehmerinnen und Arbeitneh-er, die Rentnerinnen und Rentner sowie die Arbeitslo-en mit 30 Milliarden Euro jährlich belasten werden.rotz steigender Steuereinnahmen und eines Überschus-es der Bundesagentur für Arbeit bitten Sie Arbeitneh-erinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentnerowie Arbeitslose weiter zur Kasse und belasten sie im
Metadaten/Kopzeile:
6520 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Dr. Gregor Gysinächsten Jahr mit 30 Milliarden Euro. Das ist nicht hin-nehmbar. Trotzdem machen Sie es.
Ich spreche also deswegen davon, dass Sie die Politikder vorherigen Regierung verschärft fortsetzen, weil esnoch unsozialer wird, indem Sie Konzernen und denReichen in unserer Gesellschaft noch mehr Geschenkemachen.
Gleichzeitig planen Sie eine Unternehmensteuerre-form – dass so etwas immer gleichzeitig geschieht, istauffällig –, wonach Sie ab dem Jahr 2008 jährlich30 Milliarden Euro brutto weniger einnehmen. Nettomacht dies 10 Milliarden Euro aus.
Das haben Gewerkschaften und viele andere errechnet.Der Bundesfinanzminister spricht von 5 Milliarden Euround andere, die es genauer gerechnet haben, sprechen,wie gesagt, von 10 Milliarden Euro.
Wir sollten jetzt keinen Streit um die genaue Zahl füh-ren.21 Milliarden Euro Steuererleichterungen gab esdurch die Reformen von SPD und Grünen und jetzt kom-men noch einmal 10 Milliarden Euro durch die Refor-men der großen Koalition hinzu. Das macht zusammenetwas über 30 Milliarden Euro. Das heißt, die Konzerne– die Unternehmensteuerreform wird sich überwiegendzugunsten der Konzerne und viel weniger zugunsten derkleinen und mittleren Unternehmen auswirken – bekom-men, wenn man die Effekte der Steuerreformen der Re-gierung Schröder und Ihrer Regierung, Frau Merkel, zu-sammen nimmt, zusätzlich 30 Milliarden Euro. Aber dieArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Rentnerinnenund Rentner sowie die Arbeitslosen müssen letztlich aufdiese 30 Milliarden Euro verzichten. Das ist eine direkteUmverteilung von unten nach oben, wie es sie so in derGeschichte kaum gegeben hat.
Die Mehreinnahmen werden viel zu wenig für Wis-senschaft, Forschung, Bildung und Kultur genutzt. Ichmuss es immer wieder sagen: Deutschland hat bekannt-lich kaum Erdöl- und Goldvorkommen. Wir können hierkeine Wirtschaftspolitik wie Bahrain machen. Wir müs-sen auf andere Dinge setzen. Die Stärke Deutschlandsbestand immer darin, eine sehr gut ausgebildete Bevöl-kerung zu haben. Auch wenn Sie es nicht gerne hörenwollen, sage ich Ihnen: Die DDR hat ihre Jugendlichengut ausgebildet und die Bundesrepublik hat ihre Jugend-lichen gut ausgebildet. Jetzt sind wir vereint und packenes nicht mehr. Wir sind unterdurchschnittlich gewordenin Europa. Das ist einfach nicht hinnehmbar.
Die Bildung ist doch unserer eigentliche Stärke.1BmnEaPlDUmdNsaTRgstiIPdwsz–hdddFAKDsghr
as ist einfach grob ungerecht. Gerade Sie von dernion plädieren jeden Tag für einen flexiblen Arbeits-arkt, indem Sie sagen: Man muss sich damit abfinden,ass man beispielsweise in Hessen ausgebildet wird, inordrhein-Westfalen einen Job bekommt und fünf Jahrepäter nach Thüringen wechselt. Die Menschen müssenlso immer größere Entfernungen in Kauf nehmen.rotzdem kürzen Sie die Pendlerpauschale. Das ist dieealität.Sie sagen dann, die Leute sollten mehr Kinder krie-en. Aber gleichzeitig gibt es 16 verschiedene Bildungs-ysteme. Die Menschen wären also total verantwor-ungslos, wenn sie mit schulpflichtigen Kindern zweimaln ein anderes Bundesland ziehen würden.
hre Politik hat eben keine Logik. Auch konservativeolitik muss doch zumindest eine Logik haben; aberiese ist nicht zu erkennen.Die Körperschaftsteuer möchte ich gesondert er-ähnen. Sie ist eine typische Steuer für Kapitalgesell-chaften und hat mit den Inhaberunternehmen gar nichtsu tun. Sie betrug in Deutschland unter Helmut Kohldaran darf ich die Union erinnern – 45 Prozent. Dannat Herr Schröder sie auf 25 Prozent gesenkt. Nun willie große Koalition sie auf 15 Prozent senken. Ich sageazu nur eines – damit wir uns das hübsch merken –: Inen USA beträgt die Körperschaftsteuer 35 Prozent, inrankreich 33 Prozent und in Großbritannien 30 Prozent.
lso steht eines fest: Wir machen den anderen Ländernonkurrenz und nicht die anderen Länder uns. Wir übenruck aus, sodass die anderen Länder ihre Körperschaft-teuer senken müssen, damit es auch dort noch sozial un-erechter zugeht. Was Sie hier leisten, ist einfach nichtinnehmbar.
Was machen die Konzerne? Sie halten Pressekonfe-enzen ab und verhöhnen die Politik. Vertreter der Deut-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6521
)
)
Dr. Gregor Gysischen Bank, der Allianz usw. sagen: Wunderbar, wir be-danken uns. Wir haben im letzten Jahr den größtenGewinn in unserer Geschichte gemacht. Dafür entlassenwir 8 000 oder 10 000 Leute. Jetzt können wir es uns jaleisten, Abfindungen zu zahlen. Dann sind wir sie los. –Das ist das Ergebnis Ihrer Politik. Es gibt, wie wir in denvergangenen Jahren erlebt haben, nicht mehr Arbeits-plätze, sondern weniger.
Jetzt komme ich auf die Zahl der Arbeitslosen zusprechen. Sie ist zurückgegangen. Das haben Sie er-wähnt; das hätte ich an Ihrer Stelle auch getan; das istnormal. Aber ich weise auf zwei Dinge hin: Auf der ei-nen Seite hat sich die Zahl der Langzeitarbeitslosen– das haben Sie nicht erwähnt – in derselben Zeit um55 000 erhöht. Sie haben auch nicht erwähnt, dass dieZahl der 1-Euro-Jobber zugenommen hat. Diese zählenja nicht als Arbeitslose in der Statistik; das muss manhinzufügen. Sie haben auch nicht erwähnt, dass es nochmehr geringfügig Beschäftigte gibt. Es sind inzwischenfast 5 Millionen. Das sind doch fast Arbeitslose. Wennman das alles mitberücksichtigt, dann sieht man, dass dieArbeitslosenzahl ganz anders ausschaut.
Sie haben auch nicht erwähnt, wie hoch die Arbeitslo-sigkeit im Osten ist und welche Probleme wir hier ha-ben. Auf der anderen Seite gibt es eine Zahl, die unwi-derlegbar ist. Im Vergleich zu 2002 gibt es 1 MillionMenschen weniger in sozialversicherungspflichtiger Be-schäftigung. Das ist ein Abbau, an dem noch nichts kor-rigiert worden ist, weil es dafür keine Politik gibt.Noch eine Bemerkung zu den Arbeitslosen. Jetzt gibtes ja einen Vorschlag von Herrn Rüttgers. Es ist wirklichspannend, dass ein CDU-Ministerpräsident vorschlägt,dass ältere Arbeitslose länger Arbeitslosengeld I be-kommen sollen. Spannend ist erst einmal der Vorschlagan sich. Dann schreit aber der SPD-Vorsitzende gleich:Kommt gar nicht infrage! Jetzt rufen auch die CDU undviele Ministerpräsidenten: Kommt gar nicht infrage! Dasalles ist absurd. Ich hätte mir vorgestellt, dass alle sagen:Das ist eine völlig vernünftige Idee. Jetzt müssen wir unsnur über das Wie unterhalten.Was Herr Rüttgers vorschlägt, ist allerdings abenteu-erlich. Zum einen sagt er, ein längeres Arbeitslosengeldsolle man erst nach 40 Versicherungsjahren bekommen.Ich bitte Sie: 40 ununterbrochene Versicherungsjahre!Diese Hand voll Leute, auf die das zutreffen würde, kanner alleine bezahlen; das ist nicht das Problem. Ein Pro-blem besteht bei denjenigen, die nach 30 oder 35 Jahrenarbeitslos werden. – Aber das ist nur ein Problem.Zum anderen sagt er nämlich, den längeren Bezugsollten andere Arbeitslose bezahlen. Ich muss Ihnen sa-gen: Das ist völlig indiskutabel.
Bei dem derzeitigen Überschuss bei der Bundesagen-tur für Arbeit – zudem gibt es höhere Steuereinnah-mzliIGdADdDeSggdkWWdsedoddiAzhdesgsppdks–SmkDnb1Gs
Frau Bundeskanzlerin, wenn wir Arbeitslosigkeit be-ämpfen wollen, dann müssen wir neue Debatten führen.ir brauchen eine gerechtere Verteilung der Arbeit.ir müssen wieder über Arbeitszeitverkürzung nach-enken. Wir brauchen einen öffentlich geförderten Be-chäftigungssektor. Es gibt doch nicht zu wenig Arbeit;s gibt nur zu wenig bezahlte Arbeit. Wir sollten einmalarüber nachdenken, ob wir vielleicht die Hausfrauen-der Hausmännertätigkeit und die Betreuung von Kin-ern nicht anders in unser Bewusstsein aufnehmen, iner Form, dass das eine wirklich notwendige Tätigkeitst. Wir müssen über vieles nachdenken, wenn wir dierbeitslosigkeit überwinden wollen.In den Bereichen, in denen es keinen privaten Gewinnu erwirtschaften gibt, müssen wir Arbeit schaffen. Dasabe ich schon einmal gesagt. Wir dürfen dabei nichten öffentlichen Dienst ausweiten, sondern wir müssenine öffentlich geförderte Wirtschaft aufbauen. Als Bei-piel nenne ich den Förderunterricht für besonders be-abte Kinder oder für Kinder, denen es in der Schule be-onders schwer fällt. Das sind Bereiche, die sich fürrivate Anbieter nicht lohnen, hier entstehen Arbeits-lätze nicht von selbst. Hier muss die Politik aktiv wer-en und Arbeitsplätze schaffen.Ich möchte eine weitere Bemerkung zur Gerechtig-eit in unserer Gesellschaft machen. Seit 2001 speistich die Steigerung des Volkseinkommens zu 85 Prozent Herr Westerwelle, merken Sie sich das bitte – aus derteigerung der Unternehmens- und Vermögenseinkom-en und nur zu 15 Prozent aus der Steigerung des Ein-ommens der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.as ist eine Riesenungerechtigkeit; denn die Zahl der ei-en ist viel geringer als die Zahl der anderen. Die einenekommen jedoch 85 Prozent, die anderen nur5 Prozent. Zwischen 2004 und 2005 sind die Löhne undehälter erstmals um 6 Milliarden Euro gesunken. Einenolchen Rückgang hat es bis dahin noch nie gegeben.
Metadaten/Kopzeile:
6522 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Dr. Gregor GysiDie Unternehmens- und Vermögenseinkommen sind imgleichen Zeitraum um 22 Milliarden Euro gestiegen. Un-gerechter kann es überhaupt nicht zugehen!
Wenn Sie gegen diese Ungerechtigkeit nichts unterneh-men, dann werden Sie niemals als sozial gelten, undzwar zu Recht.Nun haben Sie, Frau Bundeskanzlerin, den Ansatz Ih-rer Gesundheitsreform beschrieben.
– Auch die Gewerkschaften haben ein paar Fehler ge-macht, aber die offizielle Politik Ihrer Regierung hießimmer: Lohnsenkung, Lohnsenkung, Lohnsenkung. Dassei die einzige Chance, um wirtschaftlich stärker zu wer-den. Sie sind für den jetzigen Zeitgeist verantwortlich.
Meine Redezeit ist begrenzt, deshalb kann ich nichtviel zu Ihrer Gesundheitsreform sagen.
– Ich wusste, dass ich es schaffen würde, einmal Beifallvon der CDU/CSU zu erhalten, und bin dankbar. Ichhabe das gern.Zur Gesundheitsreform sage ich Ihnen: Das ist einGemurkse, daraus wird nichts mehr. Es ist doch klar: Siewollten die Kopfpauschale, die anderen eine Bürgerin-nen- und Bürgerversicherung. Dazwischen ist kein Kom-promiss möglich. Es wäre besser gewesen, Sie hätten esbleiben lassen, weil es gemeinsam nicht zu packen ist.
Sie sagen, Sie machen eine Reform für die Versicherten.Darüber kann man nur lachen, Frau Bundeskanzlerin.
Die Versicherten werden schon im nächsten Jahr höhereBeiträge bezahlen. Wenn erst einmal der komischeFonds gebildet ist, gibt es nur noch eine Richtung: DerBeitragsanteil der Unternehmen darf nicht erhöht wer-den, aber die Versicherungen dürfen sich weiterhin andie Versicherten halten und deren Beiträge erhöhen. Wassoll denn dabei für die Versicherten herausspringen?Entweder müssen sie mehr bezahlen oder sie erhaltenweniger Leistungen oder beides.
Außer der Pharmaindustrie gibt es niemanden, der Ih-rer Gesundheitsreform zustimmt. Doch auch die Phar-mnnwddkDzgSlzwVdfgsSAIswgwlwSls–KDmkassm
Ich sage Ihnen voraus, was passieren wird: Der Unter-chicht können Sie eines Tages nichts mehr nehmen,eil sie nichts mehr hat. An die Reichen und die Vermö-enden trauen Sie sich nicht heran. Die Steuerreformird wieder nur die Großaktionäre reicher machen.
Das ist alles, was dabei herauskommen wird. Viel-eicht wollen Sie an die Reichen auch nicht heran. Sieerden sich also an die Mittelschicht halten,
ie werden die Normalverdiener immer schlechter stel-en. Wenn Sie aber die Mittelschicht einer Gesellschaftchrittweise zerstören
das passiert –, gibt es zwischen oben und unten keineommunikation mehr.
ie Mittelschicht kann nach unten und nach oben kom-unizieren. Sie hat Illusionen, wie sie selber nach obenommt, und Angst davor, nach unten zu kommen. Daslles macht sie für bestimmte Fragen sehr sensibel. Ichage Ihnen als Linker, dass es falsch ist, die Mittel-chicht der Gesellschaft zu zerstören, weil das die Kom-unikation innerhalb der Gesellschaft zerstört.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6523
)
)
Dr. Gregor Gysi
Lassen Sie mich noch etwas zum Osten sagen.
Wir haben keine Vereinigungspolitik. Wir hatten nureine Einheitspolitik. Niemand hat etwas dafür getan,dass sich Strukturen im Westen etwa durch die Über-nahme von 5 Prozent der Oststrukturen verändern. Daswurde immer arrogant abgetan. Es hätte jedoch etwa beiKindertagesstätteneinrichtungen Sinn gemacht. Es hätteSinn gemacht, an Schulen eine stellvertretende Direkto-rin oder einen stellvertretenden Direktor für außerunter-richtliche Tätigkeiten zu haben. Es hätte Sinn gehabt,sich vielleicht die Strukturen der Polikliniken anzusehenund darüber nachzudenken, ob man sie im Westen ein-führt. Ich sage Ihnen auch, warum: Damit die Frau undder Mann in Passau, die Frau und der Mann in Kiel mitder Einheit das Erlebnis verbunden hätten, dass sich ihreLebensqualität durch die Übernahme von drei, vier oderfünf Strukturen aus dem Osten erhöht hat. Ein solchesErlebnis ist niemandem im Westen gegönnt worden.
Das macht deren Einstellung aus, was ich auch verstehenkann.Deshalb sage ich: Wir hatten eine Einheit, aber keineVereinigung. Gerade von Ihnen, Frau Bundeskanzlerin,hätte ich erwartet, dass Sie diesbezüglich Zeichen set-zen.
Herr Kollege, Sie denken an die verbleibende Rede-
zeit in der eigenen Fraktion?
Ich denke nur an meine Fraktion, Herr Präsident, ge-
legentlich auch an etwas anderes. Lassen Sie mich noch
den einen Satz sagen.
Sie müssen einen Fahrplan aufstellen, Frau Bundes-
kanzlerin, und sagen: Ich will die Angleichung der
Löhne. Ich will, dass man für die gleiche Arbeit den
gleichen Lohn erhält und nicht länger arbeitet für weni-
ger Geld, dass man die gleiche Rente für die gleiche Le-
bensleistung erhält.
Sie müssen Ihre Politik umdrehen. Sie müssen für
Frieden kämpfen, für Steuergerechtigkeit, das heißt,
auch bei den Konzernen und Reichen abkassieren, und
für deutlich mehr soziale Gerechtigkeit. Das hilft dann
auch den kleinen und mittleren Unternehmen, weil Sie
damit die Kaufkraft stärken.
Danke schön.
t
H
g
K
D
b
u
h
t
K
I
d
n
U
u
e
h
k
l
A
f
s
s
ü
J
r
E
t
D
d
g
d
ie Blumen bezahlen wir gemeinsam. Sie werden aberestätigen, dass ich Ihnen schon einen ausgegeben habe,nd ich werde das gerne wiederholen. Auch von mirerzlichen Glückwunsch zu Ihrer einjährigen Amtszeit!Es ist das zweite Mal, dass ein Redner der PDS Solda-en, die im Auslandseinsatz sind, als Soldaten imriegseinsatz bezeichnet.
ch weise diese unverschämte Behauptung mit Nach-ruck zurück, Herr Gysi. Unsere Soldaten befinden sichicht im Kriegseinsatz.
nsere Soldaten befinden sich in einer friedenstiftendennd friedenserhaltenden Mission. Sie müssen endlichinmal dorthin fahren und sich das ansehen und nicht nurier im Deutschen Bundestag solche dummen Sprüchelopfen, die die Soldaten beleidigen.
Ich will an dieser Stelle genauso wie die Bundeskanz-erin und der Verteidigungsminister Dank sagen für dierbeit, die die Soldatinnen und Soldaten unter Gefahrenür ihr Leben für unser Land und die Staatengemein-chaft tun. Meine Damen und Herren, Sie haben eineolche Bewertung wie die, die von der Linken kommt,berhaupt nicht verdient. Wir stehen an Ihrer Seite.
Da ich gerade bei der Außenpolitik bin: Das letzteahr war wirklich ein schwieriges Jahr für diese Bundes-egierung und die sie tragenden Fraktionen.
s hätte sich niemand vorstellen können, dass wir Solda-en in die Gegend von Israel und Palästina schicken.ass es diese Mission sozusagen im Einvernehmen mitem Staate Libanon und dem Staate Israel gibt, ist einroßer Erfolg. Das zeigt die Einsicht der Beteiligten,ass man etwas machen muss. Auch in Bezug auf die
Metadaten/Kopzeile:
6524 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Dr. Peter StruckKritik, die manche Kollegen der FDP im Vorfeld undNachlauf an Herrn Jung geübt haben, möchte ich deut-lich sagen: Dieses Mandat ist gut und der Verteidigungs-minister hat sich gut und richtig verhalten.
– Ich spreche für die SPD-Fraktion, Herr Koppelin.Wir haben im Deutschen Bundestag ein Mandat fürden Einsatz im Kongo beschlossen. Wir hoffen – ichgehe davon aus –, dass die Soldaten bald zurückkommenwerden. Wir verlassen uns auf Solana, der eine Erklä-rung dazu abgegeben hat. Die Beschlüsse, die die Bun-desregierung gefasst hat, sind eindeutig. Wir wollen hof-fen, dass alle gesund und munter aus dem Kongowiederkommen. Ihren Auftrag haben sie nach dem, wasich gesehen habe, gut erfüllt.
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat dieOperation Althea in Bosnien-Herzegowina verlängert.Dazu muss ich – die Verteidigungspolitiker wissen das –einige Anmerkungen machen. Die Althea-Mission inBosnien-Herzegowina – Herr Außenminister, wenn ichum Ihre Aufmerksamkeit bitten dürfte – ist im Grundekeine militärische Mission mehr. Der Krieg ist seit elfJahren vorbei. Es haben Wahlen stattgefunden. Nach denKommunalwahlen gibt es mittlerweile funktionierendekommunale Gremien. Unsere Soldaten fahren Patrouille,zum Beispiel um Kinder zu beschützen, die von ihremWohnort, wo sie einer Minderheit angehören, in eineSchule fahren müssen, die in einem Gebiet liegt, wo ihreethnische Gruppe die Mehrheit stellt.Deshalb bin ich sehr dafür, dass die Anregung vonVerteidigungsminister Jung aufgegriffen wird, die Zahlder Soldaten langsam zurückzuführen. Die Anzahl vonjetzt 850 Soldaten kann im Zusammenwirken mit denanderen europäischen Nationen zurückgeführt werden.Wir sind auf dem richtigen Weg. Ein Mandat muss aucheinmal beendet werden können, wenn klar ist, dass dieVoraussetzungen, unter denen das Mandat erteilt wurde,nicht mehr gegeben sind.
Zu Afghanistan. Die Kanzlerin hat dazu klare Wortegesprochen. Ich kann die Vorwürfe – von wem auch im-mer die Debatte begonnen worden ist –, wir würden imNorden eine ruhige Kugel schieben, während es im Sü-den gefährlich sei, überhaupt nicht nachvollziehen.
Wir haben – ich selbst war daran beteiligt – eine klareAufgabenverteilung beschlossen, nach der Deutschlanddie Verantwortung für den Norden übernimmt. Wir ha-ben auch ein klares Konzept für die Wahrnehmung die-ser Verantwortung erstellt. Unser Wiederaufbauteam-konzept ist anders als das Konzept der Amerikaner, derBUtufzaaKgDndSNwwigddnlfJthLwCdmWahJFsBiFf
amit kann man das Vertrauen der Menschen in Afgha-istan nicht gewinnen. Dann darf man sich nicht wun-ern, wenn solche Situationen eintreten, wie wir sie imüden zu beklagen haben.
Für mich ist klar, dass wir eine Verantwortung imorden haben, die wir auch wahrnehmen werden. Wirollen den Norden den Taliban und der al-Qaida nichtieder preisgeben. Deshalb bleiben wir dort. Wir helfenm Süden, wenn wir darum gebeten werden; unsere Auf-abe ist aber der Norden und dabei bleibt es. Ich denke,as wird in Riga bestätigt werden. Dabei unterstütze ichie Bundesregierung voll.
Ich will mich der Innenpolitik zuwenden und zu-ächst einige grundsätzliche Bemerkungen zur Innenpo-itik machen. Ich glaube, das war auch deshalb ein er-olgreiches Jahr für unser Land, weil die sich seitahrzehnten politisch bekämpfenden großen Volkspar-eien miteinander geredet, verhandelt und sich geeinigtaben. Sie haben gemeinsam wichtige Projekte für dasand beschlossen. Große Koalition heißt große Verant-ortung. Große Verantwortung bedeutet eine großehance für unser Land. Große Koalition heißt aber auch,ass man manchmal große Kompromisse schließenuss.
ir sind von sehr weit voneinander entfernten Punktenufeinander zugegangen.Die Debatte über den Weg, den wir miteinander ge-en wollen, kann man nicht als Streit bezeichnen. Denournalisten, die auf der Tribüne sitzen bzw. die vor demernseher sitzen und gar nicht zur Arbeit im Plenum er-cheinen – man muss ehrlich sagen: sie arbeiten vomüro aus –,
st Streit am liebsten. Ich nehme eine relativ einfacherage als Beispiel. Wie macht man eine Gesundheitsre-orm? Jede Partei – wir reden von einer Dreiparteien-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6525
)
)
Dr. Peter Struckkoalition – hat ihre eigenen Vorstellungen gehabt. Dielagen ziemlich weit auseinander: Bürgerversicherunghier, Kopfpauschale dort. Wir haben versucht, die Re-form hinzubekommen. Dass das nicht ohne Debattengeht, ist nachvollziehbar. Dass alle über den richtigenWeg streiten, ist auch nachvollziehbar. Aber die Kritikan dem Ergebnis der Gesundheitsreform kann ich über-haupt nicht nachvollziehen.Ich war bei einer Veranstaltung des Gesamtverbandesder Deutschen Versicherungswirtschaft. Dort hat mir je-mand, nachdem ich die Gesundheitsreform – zu Recht –ordentlich gelobt habe, gesagt, das sei Sozialismus pur.Darauf habe ich geantwortet: Ich kann mir nicht vorstel-len, dass Angela Merkel und Edmund Stoiber Sozialis-mus pur mitmachen würden.
– Nein. – Auch die Union ist nicht für Sozialismus pur.Das ist absurd. Sie glauben doch nicht ernsthaft, die Ge-sundheitsreform sei Sozialismus pur. Das glaubt dochkein Mensch. Ich nehme Ihnen nicht ab, dass Sie dasglauben.
Wenn man sich ansieht, wie die Kampagne gegen dieGesundheitsreform läuft, dann muss man sagen, dassdiese Kampagne weit über das Normale hinausgeht.Wenn Musterschreiben ins Internet gestellt werden – je-weils für Beamte, für Angestellte und für Arbeiter – undwenn sich herausstellt, dass die Namen von Versicher-ten, die gar nicht wissen, dass solche Briefe an uns ge-richtet werden, missbraucht werden, dann geht das zuweit. Das kann man nicht akzeptieren.
Natürlich bestehen in verschiedenen Fragen Unter-schiede zwischen den Koalitionsfraktionen. Aber siesind alle überwindbar, wenn das Vertrauensverhältnisder handelnden Personen untereinander stimmt. DieKoalitionsfraktionen können sicher sein: Volker Kauderund ich – auch wenn wir uns nicht immer der gleichenMeinung verpflichtet fühlen – arbeiten in einem absolu-ten Vertrauensverhältnis zusammen.
Ich danke Volker Kauder dafür, weil dieses schnell ge-fundene beiderseitige Vertrauen entscheidend und sub-stanziell für viele schwierige Entscheidungen war, diewir in diesem Jahr treffen mussten.
– Wir trinken öfter einen zusammen, als Sie denken.
– Mit Ihnen trinke ich vielleicht auch noch einmal einenzusammen. – Er weiß, Herr Koppelin, was dann passiert.
KBMtzRekEEMKgBnzntggdsLcgAg„bAgfigdFeamtuGdt
Wenn man die Frage stellt, was die Menschen vonieser großen Koalition erwarten, dann denke ich an ver-chiedene Dinge. Erstens erwarten sie, dass wir dieebensrisiken, soweit wir das können, politisch absi-hern. Ein Lebensrisiko ist, arbeitslos zu werden. Ichlaube, dass uns das, was in diesem Bereich durch denrbeitsminister bereits unternommen wurde, auf einenuten Weg gebracht hat. Ich nenne die Initiative50 plus“ und die Sonderprogramme für jugendliche Ar-eitslose. Dass wir mit der Zahl von knapp 4 Millionenrbeitslosen nicht zufrieden sind, davon können Sie aus-ehen. Aber ich lasse mir nicht ausreden, dass es ein Er-olg ist, dass wir 450 000 Arbeitslose weniger haben alsm letzten Jahr. Warum sollte ich das verschweigen? Esibt keinen Grund, nicht darüber zu reden.
Die Maßnahmen zur Unternehmensteuerreform wer-en nach meiner Einschätzung mit dazu beitragen – derinanzminister hat hier völlig Recht –, dass wir dadurchinen weiteren Impuls für Wachstum mit Auswirkungenuf den Arbeitsmarkt bekommen. Für mich als Sozialde-okrat ist wichtig, dass im Zusammenhang mit der Un-ernehmensteuerreform die Gewerbesteuer garantiert istnd sich die Gemeinden darauf verlassen können. Dieewerbesteuer wird so bleiben wie bisher. Die Gemein-en sind uns dankbar dafür. Das muss man zu Recht un-erstreichen.
Metadaten/Kopzeile:
6526 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Dr. Peter StruckDas zweite Lebensrisiko, das viele Menschen be-schäftigt, ist das Thema Krankheit. Dabei geht es um un-ser Gesundheitssystem; dazu habe ich mich schon ge-äußert. Aber ich frage mich: Warum sagen wir eigentlichnicht, dass wir das beste Gesundheitssystem der Welt ha-ben – dass das der Fall ist, kann man feststellen, wennman es mit den Gesundheitssystemen anderer Ländervergleicht – und dass wir es zu erträglichen Bedingun-gen erhalten wollen? Diese erträglichen Bedingungenhaben wir im Gesundheitskompromiss, auf den wir unsverständigt haben, festgelegt. Das war eine große Leis-tung.
Die Menschen können sich darauf verlassen, dass sie– egal wie arm oder reich und wie alt oder jung sie sind –die gesundheitliche Versorgung bekommen, die sie brau-chen. Diese Garantie können wir den vielen Menschen,die sich vor diesem Lebensrisiko fürchten, geben. Wirkönnen mit dem, was wir erreicht haben, wirklich zufrie-den sein.
Das dritte Thema, das viele Menschen beschäftig, istdie Frage: Was geschieht im Alter, wenn man das Ar-beitsleben beendet hat? Das Stichwort lautet: Rente.Dass die Koalition im Zusammenhang mit der Verlänge-rung der Lebensarbeitszeit einen schwierigen Weg gehenmusste, war ersichtlich; denn niemand arbeitet gern län-ger. Dass dieser Weg unumgänglich war, ist aber auchersichtlich. Durch diese Maßnahme, die der Arbeitsmi-nister vorgeschlagen hat, haben wir unser Rentensystemstabilisiert. Es wird auch in Zukunft, in den nächstenzehn, 20 und 30 Jahren, stabil bleiben.
Die Maßnahmen, die wir zur sozialen Abfederung derRente mit 67 vereinbart und im Deutschen Bundestagverabschiedet haben, tragen zur Stabilisierung unserersozialen Sicherungssysteme bei. Darum ging es uns.Nun möchte ich etwas zur Föderalismusreform sa-gen. Ich erinnere mich noch gut an die Debatten, die wirim Deutschen Bundestag über das so genannte Koopera-tionsverbot im Bildungsbereich geführt haben. DieseDiskussionen waren schwierig. Jeder weiß, dass ich zumLeidwesen mancher versucht habe, etwas anderes zu er-reichen als das, was vereinbart wurde. Nachdem inzwi-schen ein Hochschulpakt ins Leben gerufen worden ist,für den 1 Milliarde Euro zur Verfügung gestellt wird undder immerhin 90 000 zusätzliche Studienplätze garantie-ren soll,
sage ich nun: Es war richtig, das Kooperationsverbot imBildungsbereich wegzufegen. Denn das war die Voraus-setzung dafür, dass der Hochschulpakt überhaupt erstms–keIib–mrHvaanVmvgdzDbsäiFsmsdbWAsdcAzl
Herr Kollege Kauder, der Beifall der Unionsfraktionönnte, da es gerade um das Thema Bildung geht, ruhigtwas stärker ausfallen.
ch nehme an, Frau Schavan ist uns für unser Vorgehenm Hinblick auf Art. 91 b des Grundgesetzes sehr dank-ar.
Dann sagen doch Sie gleich etwas zu diesem Thema.Jetzt komme ich auf den zweiten Teil der Föderalis-usreform zu sprechen. Da Teil eins der Föderalismus-eform sozusagen abgehakt ist, folgt bald Teil zwei.eute Nachmittag werden wir im Kreis der Fraktions-orsitzenden darüber reden, wie wir unser Vorgehenufseiten des Bundestages organisieren. Der Kanzler-mtschef und der Finanzminister haben die Aufgabe, dieotwendige Arbeitsbeschreibung im Hinblick auf dieorbereitung der Föderalismusreform II festzulegen undit uns darüber zu diskutieren. Ich denke, wir sollten soorgehen, dass diese Aufgabe noch im Laufe dieser Le-islaturperiode erledigt werden kann.Darüber hinaus müssen wir über die Neuverteilunger Finanzen zwischen Bund und Ländern einerseits undwischen den verschiedenen Ländern andererseits reden.abei müssen wir berücksichtigen, dass der Solidarpaktis zum Jahre 2019 gilt. Die ostdeutschen Länder müs-en sich darauf verlassen können, dass sich daran nichtsndert und keine Kürzungen vorgenommen werden. Dasst meine Position.Ich denke, der Föderalismusreform II wird auch eineöderalismusreform III folgen müssen. Wenn wir es ge-chafft haben, die Finanzkraft der Bundesländer in ange-essener Weise auszugleichen, dann können und müs-en wir auch über die Neugliederung der Bundesländeriskutieren.
Nun möchte ich mich noch einigen anderen Themen-ereichen zuwenden. Zunächst zur Familienpolitik.ie Sie wissen, hat die SPD-Bundestagfraktion großennteil an der Einführung des Elterngeldes. Das war ur-prünglich eine Forderung der SPD, Frau von der Leyen,ie in den Koalitionsvertrag aufgenommen wurde. Glei-hes gilt in Bezug auf die Neuregelung zur steuerlichenbsetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten. Für uns So-ialdemokraten bleibt es das erklärte Ziel unserer Fami-ienpolitik, dass in Deutschland für jedes Kind ein
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6527
)
)
Dr. Peter Struckkostenfreier Kindergartenplatz zur Verfügung steht. Dasbleibt unser klares Ziel.
In Deutschland werden jedes Jahr – Steuern, Kinder-geld, Freibeträge und dergleichen zusammengerechnet –160 Milliarden Euro für Familienförderung und Kinder-förderung ausgegeben. Ich kann nicht einsehen, dass esnicht möglich sein soll, die 8 Milliarden Euro, die wirbrauchen, um den Kindergartenbesuch gebührenfrei zumachen, aus diesen 160 Milliarden Euro herauszu-schneiden. Ich hoffe, dass dafür Vorschläge kommen.
Wir in der SPD diskutieren das. Ich weiß, auch dieUnion denkt über diese Frage nach. Ich halte es fürfalsch, zu überlegen, dafür das Kindergeld zu kürzen.Aber darum geht es überhaupt nicht; es geht darum, wiewir die vorhandenen Finanzmittel, ohne zusätzlicheschöpfen zu wollen, anders einsetzen, um Kindergarten-plätze gebührenfrei anbieten zu können. Ich hoffe, dasswir eine gemeinsame Lösung dafür finden werden. Un-ser Ziel bleibt es auf jeden Fall, zu machen, was KurtBeck in Rheinland-Pfalz begonnen hat. Das soll auch inanderen Bundesländern Standard werden.
Ein weiteres Thema ist die Frage des Rechtextremis-mus. Ich finde es eigenartig, dass wir jedes Mal, wenngerade Wahlen stattgefunden haben und Rechtsextremein Landtage eingezogen sind, darüber diskutieren, wiewir mit ihnen politisch umgehen, ob wir sie politisch be-kämpfen müssen. Natürlich müssen wir sie politisch be-kämpfen. Doch glauben Sie etwa, dass die Union, dieSPD und die FDP in Mecklenburg-Vorpommern sienicht politisch bekämpft haben? Das haben wir gemacht,bei jeder Veranstaltung. Trotzdem sind sie in den Land-tag eingezogen. Also müssen wir uns durchaus überle-gen, wie wir mit ihnen umgehen und wie wir die Ursa-chen bekämpfen. Das sehe ich alles ein. Aber ich willnoch einmal klipp und klar sagen: Nach meiner Auffas-sung sind die Wahlergebnisse dieser Partei nur so zu er-klären, dass das Nazis sind. Das sind keine Neonazis,das sind Nazis, und wir müssen gegen sie vorgehen.
Ich lasse mir die Frage der Prüfung eines NPD-Verbotsnicht ausreden.
Ich weiß, welche rechtlichen Bedingungen es gibt: Ichhabe mir die Entscheidung aus Karlsruhe durchgelesen.Ich bin selbst Jurist von Beruf und weiß, was man ausdiesem Urteil alles interpretieren kann. Aber die Rechts-auffassung von Karlsruhe – dass wir keine V-Leute indiesen Organisationen haben dürfen, wenn das Verfahrenweitergehen soll – ist absurd. Wie sollen wir Erkennt-nisse über die Verfassungsfeindlichkeit gewinnen, wennwseNKfkmvFIddggfwzuBMfslrmBznfn–blgmnfi
ach meiner Einschätzung führt dieser Beschluss ausarlsruhe letztlich dazu, dass man überhaupt kein Ver-ahren zum Verbot rechtsextremer Parteien betreibenann. Dieses Ergebnis kann ich nicht akzeptieren. Wirüssen an dieser Stelle weiterarbeiten.
Ich finde es gut, dass die Innenministerkonferenz amergangenen Freitag in Nürnberg beschlossen hat, dasinanzgebaren der NPD überprüfen zu lassen.
ch kann mir nicht vorstellen, dass die Schlägerbanden,ie die NPD durch Deutschland geschickt hat, die Ban-en, die beim Aufhängen ihrer Plakate unsere herunter-erissen haben, das alles umsonst gemacht haben. Daslaube ich nicht. Mich interessiert, wer diese Naziparteiinanziert. Es muss einmal öffentlich diskutiert werden,es Geistes Kind diejenigen sind, die so etwas unterstüt-en.
Nach einem Jahr großer Koalition ziehe ich für michnd für meine Fraktion das persönliche Fazit: Diesesündnis ist weitaus besser, als es von der öffentlicheneinung dargestellt wird. Wenn Zeitungen jetzt Notenür Kabinettsmitglieder abgeben, ist das lächerlich. Die-es Bündnis ist besser als sein Ruf. Ich mache mir natür-ich Sorgen, genau wie alle, die dieser Koalition angehö-en, wie die Meinungsumfragen aussehen. Allerdingsuss man auch sagen: Noch eine Woche vor der letztenundestagswahl war die SPD den Meinungsumfragenufolge so im Keller und die CDU so weit oben, dassiemand von uns auch nur mit einem Stück Brot hätteeiern wollen. Herr Westerwelle saß schon auf dem Stuhleben Frau Merkel.
Innerlich, doch, doch. Sie haben sich schon darauf vor-ereitet, Herr Westerwelle, geben Sie es zu!
Erstens sage ich Ihnen: Es wird nicht jetzt in Deutsch-and gewählt. Also muss niemand vor lauter Angst zö-ern, auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen, diean treffen muss, wenn man regiert.Zweitens bin ich fest davon überzeugt, dass die Maß-ahmen, die wir beschlossen haben – Gesundheitsre-orm, Arbeitsmarktreform, Steuerreform –, rechtzeitigm Jahre 2009 wirken werden, wenn die nächsten
Metadaten/Kopzeile:
6528 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Dr. Peter StruckWahlen anstehen, sodass die Leute sagen werden, dassdiese große Koalition eine gute Arbeit geleistet hat.Ich gehöre nicht zu denjenigen, die sagen, dass ihrePartei bei der nächsten Bundestagswahl nur dann starkwerden kann, wenn sie sich gegen die andere Koalitions-fraktion, die CDU/CSU, profiliert. Ich bin der festenÜberzeugung, dass meine Partei Erfolg hat, wenn dieKoalition und die Regierung Erfolg haben. Dafürkämpfe ich.
Man wird mir verzeihen, dass ich zum Abschlusssage: Ich hoffe bei der nächsten Wahl auf das Ergebnis,das es auch 1969 nach der großen Koalition gegeben hat.
Wir haben gut zusammengearbeitet und ein Sozialdemo-krat wurde Kanzler. Frau Bundeskanzlerin, Sie werdenes mir verzeihen, aber das konnte ich mir nun doch nichtverkneifen.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen hat
nun die Kollegin Renate Künast das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn esSie glücklich machen würde, dann könnte ich für dieVertreterinnen und Vertreter der Koalitionsfraktionen,für die Bundesregierung und für die Bundeskanzlerineinfach dreimal rufen: Ja, ja, ja – ja, die Zahlen sindglänzend, ja, die Nettokreditaufnahme ist niedriger, ja,die Arbeitslosenzahlen sind gesunken. Wenn es dennhelfen würde.An dieser Stelle muss ich aber auch Wasser in denWein gießen; denn eines ist doch klar: Sie versuchenhier, auf einer Welle guter Zahlen zu schwimmen, inWahrheit streicht diese Koalition aber nur die Reform-dividende von Rot-Grün ein.
– So ist es. – Frau Merkel, wenn Ihr Vorgänger nicht sonervenschwach gewesen wäre, dann würde er heute hierstehen und diese Dividende einstreichen.
Herr Steinbrück hatte gestern Recht, als er in seinerRede angedeutet hat, dass der Grundstein für diese Re-formen – zum Beispiel die Arbeitsmarktreformen – unterder Vorgängerregierung gelegt wurde.
Sie müssen jetzt erst einmal damit anfangen, anzu-packen. Unser Kritikpunkt an der jetzigen Situation ist,dass Sie sie für Deutschland nicht wirklich nutzen.SwsrDss–s–dddzPnzEbZvD–mgWDbgdeidSibkKsss
Sie ruhen sich aus. Herr Raumsauer, wir wären in denieben Jahren noch weiter gewesen, wenn Sie nichtBayern vorneweg – zu den Blockierern gehört hätten.
Sie geben an, dieses Land sei weiter. Sie rühmen sichamit, den Haushalt saniert zu haben. Ich schaue miras einmal an und rechne nach Adam Riese: Sie habenie Nettokreditaufnahme auf 19,6 Milliarden Euro redu-iert. Bei Steuermehreinnahmen von 17,9 Milliarden Euro,rivatisierungserlösen von 9,2 Milliarden Euro und Ein-ahmen aus der Mehrwertsteuererhöhung ist eine Redu-ierung der Nettokreditaufnahme um circa 11 Milliardenuro ein Armutszeugnis.
Ich sage Ihnen: Wenn wir Ihre Strategie weiter betrei-en würden, dann wären wir relativ sicher erst 2051 amiel. Das halte ich für ein bisschen wenig. Man könnteiel früher einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.azu müssten Sie allerdings die Einsparpotenzialeauch bei der Verwaltung – konsequent nutzen. Dannüssten die Subventionen und die Ausgaben konsequentesenkt werden. All das packen Sie aber nicht an.Man kann als Fazit feststellen: Sie nutzen zwar dieindfall Profits, leisten aber wenige Anstrengungen.ie einzige Anstrengung, die Sie unternommen haben,esteht darin, eine Unternehmensteuerreform vorzule-en, die nicht einmal gegenfinanziert ist. Sie entlastenie Unternehmen, greifen aber mit der Mehrwertsteuer-rhöhung wieder dem kleinen Mann in die Tasche.
Frau Merkel, Sie haben versucht, uns eine Lehrstunden Sachen Rechnen zu geben, um uns allen zu erklären,ass bei den Lohnnebenkosten von 40,6 Prozent eineenkung erfolgt sei; wer das nicht errechnen könne, sein diesem Hause fehl am Platz.Ich rechne mit dem, was Sie damals angekündigt ha-en. Sie haben eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ange-ündigt und legitimiert, indem Sie gesagt haben, dieseoalition werde die Lohnnebenkosten unter 40 Prozentenken. Sie haben zwar die Mehrwertsteuererhöhung be-chlossen, aber die Lohnnebenkosten nicht gesenkt. Ver-prochen – gebrochen: Das ist das richtige Fazit.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6529
)
)
Renate KünastSie haben das Meisterstück der Koalition – eineGesundheitsreform – angekündigt. Sie haben geradeselbst festgestellt, dass es sich dabei nicht um eine Ge-sundheitsreform zugunsten der Strukturen und Anbieter,sondern für die Versicherten handelt. Ich halte Ihnen ent-gegen: Diese Gesundheitsreform war auch für die priva-ten Krankenkassen gedacht, die Sie von Anfang an sa-krosankt gestellt haben. Das ist falsch. Sozial gehtanders, Frau Merkel.
Sie haben uns mit der Gesundheitsreform eine Vor-stellung Ihres monatelangen Herumdokterns und ständi-gen Aufschiebens gegeben. Erst haben Sie angekündigt,dass mehr Steuern in das System fließen würden. Dannwurde das wieder zurückgenommen. Als die Einnahmenetwas stiegen, wollten Sie das System doch wieder zumTeil aus Steuermitteln finanzieren. Diese Gesundheitsre-form und das Herumdoktern in diesem Punkt hat in Sa-chen Gesundheit in Deutschland nichts Positives be-wegt; die Menschen, die Ihre Arbeit verfolgt haben, sindeher krank geworden.
Was haben Sie in der Arbeitsmarktpolitik bewirkt?Sie haben Unruhe gestiftet. Lassen Sie mich nur auf dieVorschläge von Herr Rüttgers zum ALG I eingehen.Frau Merkel, Sie haben gesagt, Sie wollten Deutschlanddienen. An dieser Stelle könnten Sie Deutschland einenDienst erweisen, indem Sie nicht darauf verweisen, dassSie den Punkt nicht angehen könnten, weil die SPD dasnicht will, sondern ganz klar feststellen: Wir wollen dieVorschläge von Rüttgers nicht umsetzen, weil sie asozialsind.
Sie sind asozial, weil es in Zukunft wenige Menschengeben wird, die 45 Jahre durchgehend erwerbstätig sind,weil Rüttgers’ Vorschlag ihnen Sand in die Augen streutund weil dieser Vorschlag die Situation vieler Menschennoch verschlechtern würde. Heute reicht es, zwei Jahreversicherungspflichtig tätig zu sein, um ein Jahr langALG I beziehen zu können. Nach Rüttgers’ Vorschlagmuss jemand zehn Jahre versicherungspflichtig tätigsein, um ein Jahr ALG zu erhalten.
Wer von den heute 25- bis 30-Jährigen schafft das denn?Rüttgers’ Vorschlag richtet sich, glaube ich, gegenmehrere Seiten: zum einen gegen die Kanzlerin, die ernicht akzeptieren kann, zum anderen gegen die jungenMenschen, die erst einmal in den Arbeitsmarkt hinein-kommen müssen, und auch gegen die Frauen, die alleinaufgrund von Erziehungszeiten nicht so leicht auf zehnJahre versicherungspflichtiger Tätigkeit kommen.
Auch dazu kann man nur feststellen: Sozial geht anders.FrsLbddalzKjaSmSNdCSvkdth–bhzbrnkrRwmbKwKgt
Was Ihre Leipziger Rede angeht, schaffen Sie zwaretzt ein bisschen Distanz dazu, aber das, was Sie hiernbieten, ist immer noch Leipziger Allerlei.
Nach einem Jahr großer Koalition ist festzustellen:ie machen eine Politik der kleinen Schritte, von deran heute kaum weiß, wohin sie geht oder gehen soll.ie verständigen sich auf den kleinsten gemeinsamenenner. Wenn man genau hinschaut, dann erkennt man,ass es immer der kleinste gemeinsame Nenner vonDU/CSU, SPD und den Unionsministerpräsidenten ist.ie haben noch Anfang dieses Jahres den guten Geiston Genshagen, dem Ort, an dem Sie eine Kabinetts-lausur abgehalten haben, beschworen. Ich glaube aber,ass der gute Geist von Genshagen gar nicht mehr exis-iert, sondern dass er eher zum Monster von Wolfrats-ausen mutiert ist.
Die Versicherungswirtschaft will Sie nicht wieder ha-en, Herr Niebel.Jetzt müsste es eigentlich losgehen. Frau Merkel, Sieaben sowohl in Ihrer heutigen als auch in Ihrer Redeuvor klar gesagt: Wir dürfen unsere Zukunft nicht ver-rauchen. Ich muss Ihnen ehrlich sagen: Mich stört dieseeaktive Grundhaltung. „Wir dürfen unsere Zukunfticht verbrauchen“ offenbart eine falsche Begrifflich-eit; denn wir sind mittlerweile in vielen politischen Be-eichen so weit entwickelt, dass es nicht mehr nur umeaktion und Nichtverbrauchen geht. Vielmehr müssenir an dieser Stelle eine aktive Haltung einnehmen. Wirüssen uns eine gute Zukunft erst aufbauen. Wir dürfenei den zentralen Themen Klima, Gerechtigkeit undinderförderung nicht nur darauf verweisen, dass wir et-as nicht verbauen dürfen. Vielmehr müssen wir Mut,reativität und Kraft haben und uns von alten Lobby-ruppen lösen, um wirklich etwas aufzubauen. Aber dasun Sie bislang nicht.
Metadaten/Kopzeile:
6530 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Renate KünastMeine ehrliche Sorge ist, dass Sie Vorbereitungentreffen, um 2007 zu einem Jahr der roten Teppiche undder abgeschrittenen Ehrenformationen zu machen undim nächsten Jahr lauter 50-Jahr-Feiern zu veranstalten.Wir brauchen aber für die Europäische Union und insbe-sondere für Deutschland eine neue Zündungsstufe in derEntwicklung.Ich nenne das Thema Klima als Beispiel. Eines ver-wundert sehr: Herr Gabriel ist herumgereist und hat na-tional und international verkündet, Deutschland wolleeine Vorreiterrolle in Klimafragen einnehmen. Unter die-sem Gesichtspunkt war Ihre heutige Rede mehr als ent-täuschend, Frau Bundeskanzlerin.
Der Klimawandel findet längst statt. Er ist von einerökologischen zu einer ökonomischen Katastrophe ge-worden. Nicholas Stern, ehemaliger Chefökonom derWeltbank, sagt, dass in wenigen Jahren bis zu 20 Prozentder globalen Wirtschaftsleistung durch den Klimawan-del aufgefressen werden. Dabei hat er noch nicht einmalüber Hunger, Migrationsströme und Wetterextreme gere-det, die unsere Wirtschaft schon heute betreffen. Profes-sor Schellnhuber, der auch Sie berät, Frau Merkel, hatgesagt: Wenn wir eine Wende beim Klima noch schaffenwollen, dann ist heute ein kraftvolles politisches Han-deln notwendig, weil wir noch circa zehn Jahre Zeit ha-ben. – Unter diesem Aspekt haben Sie heute nichts ange-boten.
– Das ist nicht falsch, auch wenn Sie etwas anderes be-haupten. Frau Merkel hat in ihrer Rede zwar das Pro-blem benannt, hat aber keine einzige Maßnahme be-schrieben, die sie ergreifen will.
Das Jahr 2007 muss ein Jahr des Handelns werden.Wir brauchen gerade nach Nairobi ein zweigleisigesVorgehen für einen erfolgreichen Klimaschutz. Wir kön-nen nicht immer auf das langsame Völkerrecht warten.Nairobi hat gezeigt, dass die Welt sozusagen auf Leader-ship wartet. Die Menschen in Afrika zum Beispiel war-ten darauf, dass jemand Vorreiter für einen wirtschaftli-chen Wettbewerb ist, der dazu führt, dass andersproduziert wird und Rücksicht genommen wird. Wirmüssen unsere CO2-Emissionen senken und lernen, wirt-schaftliche Entwicklung und Mobilität ohne CO2-Emis-sionen zu denken. Aber dazu haben Sie keinen Vor-schlag gemacht.
Wer die Wirtschaft in Deutschland und in Europaweiterentwickeln will, muss beim Klimaschutz techno-logisch vorangehen und schneller sein. Wer beim Klima-schutz anführen will, der muss auch bereit sein, voranzu-gehen. Das gehört logisch zusammen. Sie müssenendlich beschließen, dass Deutschland 40 Prozent seinerCO2-Emissionen bis 2020 senken wird – komme, waswolle.WU3wset4uIhRfgssnDsRgkwhKdsntmstgMasdbsfss
Es reicht nicht aus, dass Herr Gabriel hin und wiederenn-dann-Sätze spricht. Also: Wenn die Europäischenion entscheidet, dass die CO2-Emissionen um0 Prozent gesenkt werden sollen, dann werden auchir … –Nein, wir brauchen von der zukünftigen Präsident-chaft der EU und der zukünftigen G-8-Präsidentschaftine klare Aussage – quasi eine Morgengabe –, die lau-et: Deutschland wird die CO2-Emissionen um0 Prozent reduzieren. Dann lösen Sie Wettbewerb ausnd dann geben Sie der Wirtschaft einen Schub.
Wir brauchen mehr als nur rhetorische Verrenkungen.ch höre Ihre Worte, Herr Gabriel, immer gern; denn sieaben etwas Dynamisches. Sie weisen in die richtigeichtung. Uns Grünen aber fehlt, dass den Worten etwasolgt. Ihre rhetorischen Verrenkungen in den letzten Ta-en über Ihren NAP II, also die Senkung der CO2-Emis-ionen, die Sie in Brüssel eingereicht haben, warenchon beachtlich. Die EU-Umweltagentur hat keineeuen Zahlen gebraucht, um sagen zu können, dasseutschland beim Klimaschutz kein Vorreiter ist undeine CO2-Emissionen weiter reduzieren muss. Dieseegierung – an vorderster Stelle die Kanzlerin – ist auf-efordert, nicht vor der Drohung eines Investitionsboy-otts durch die Stromindustrie in die Knie zu gehen. Sieollten Deutschland dienen. Hier ist der Ort, zu dienen.
Sie müssen viel ehrgeizigere Ziele beim Emissions-andel festlegen und Sie müssen die Privilegien fürohlekraftwerke endlich abschaffen, weil Sie ansonstenas Gegenteil dessen tun, was Ihr Berater, Herr Profes-or Schellnhuber, rät, der gesagt hat, man müsse in denächsten zehn Jahren aktiv sein, weil sonst die Zeit ver-an sei. Wir brauchen ehrgeizige europäische Maßnah-en, einen europäischen Pakt für Klimaschutz und Ver-orgungssicherheit. Wir brauchen verbindliche Ziele.Wir Grüne sagen: Wir müssen neue Felder beschrei-en. Da lassen wir uns auch nicht durch Marktanreizpro-ramme, die Sie auflegen, in die Irre führen. Die größtenillionenzahlungen für Anreizprogramme reichen nichtus, wenn Sie nicht endlich ein Wärmeeinspeisungsge-etz auflegen; denn das ändert die Strukturen und kurbeltie Wirtschaft an.
Gerade der Mittelstand, der die Arbeitsplätze schafft,raucht jetzt eine Effizienzstrategie. Wir haben in die-em Haushalt vorgeschlagen, einen Klimaschutzfondsür das Jahr 2007 einzurichten, den wir später zum Bei-piel durch die Versteigerung der Emissionszertifikatepeisen wollen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6531
)
)
Renate KünastWer dieses Land zum Vorreiter machen will, muss dieMöglichkeit nutzen, 10 Prozent der Emissionszertifikatezu versteigern und die Einnahmen für eine Effizienzstra-tegie zu verwenden. Daran wird der Mittelstand verdie-nen und dadurch werden neue Arbeitsplätze entstehen.Das ist sinnvoller, als über die Abschaffung von Kündi-gungsschutzregeln zu sprechen.
Mir hat in diesem ganzen Bereich gefehlt, dass SieVorschläge machen, wie wir wieder zu den alten Stärkender deutschen Wirtschaft zurückfinden können. Wennman sich überlegt, wo die Stärken der deutschen Wirt-schaft waren, kommt man sofort auf den Automobilbau.Wir stellen aber fest, dass im Augenblick die modernstenFahrzeuge nicht in Deutschland hergestellt werden. Weraber wieder dahin will, dass moderne und hoch angese-hene Fahrzeuge in Deutschland hergestellt werden, dermuss dem Markt Ziele setzen, die er erreichen soll, undRegeln geben. Das bedeutet für die Automobilindustrieeine zeitliche Vorgabe, bis wann der Durchschnittsver-brauch eines in Deutschland oder in Europa hergestelltenAutos bei 5 Litern oder wann er bei 3 Litern sein muss.Wer da Bewegung schaffen will, muss dafür Sorge tra-gen, dass die Kfz-Steuer nach dem CO2-Ausstoß berech-net wird. So macht man eine gute soziale und ökologi-sche Marktwirtschaft und nicht, indem man nur Zahlenbenennt.
Frau Merkel, Sie haben an dieser Stelle über sozialeGerechtigkeit geredet. Sie haben Recht: Eine der zentra-len Gerechtigkeitsfragen betrifft das Thema Bildung.Aber für die Bildung brauchen wir Durchlässigkeit inden Strukturen, weil es in Deutschland immer noch soist, dass der soziale Aufstieg, der Aufstieg in Führungs-funktionen, quasi vererbt wird wie im 19. Jahrhundert.
Ehrlich gesagt, stört uns die Art und Weise IhresSchönheitswettbewerbs um kostenfreie Kitaplätze,meine Damen und Herren. Von diesen kostenfreien Kita-plätzen werden die Besserverdienenden profitieren, abernicht die Kinder dieser Republik. Sie sind an dieserStelle auf dem Irrweg.
Ich hoffe, dass Sie sich da gegenseitig wieder zurückho-len werden.Die Republik braucht auch keine flächendeckendePflasterung mit Modellprojekten, Frau von der Leyen,sondern diese Republik und die Kinder brauchen nachIhrem Elterngeld einen durchsetzbaren Rechtsanspruchauf Kinderbetreuung mit einem guten Bildungsangebot.Dafür brauchen wir Geld.
Wir brauchen nicht als Erstes Gebührenfreiheit, sondernwir müssen die sprachliche Entwicklung der Kinder för-dern. Es nützt doch keinem Kind, wenn es aus einemkGtmABkbknrmkükcsKUmdDghgtfdlsTHcBBddSlnbsDEdpRaSk
Metadaten/Kopzeile:
6532 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Das Wort hat jetzt der Vorsitzende der CDU/CSU-
Fraktion, Volker Kauder.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit einemJahr regiert die große Koalition in Deutschland und wirkönnen feststellen: Wir bringen unser Land voran.
Dies hat natürlich etwas mit der Arbeit dieser Bundesre-gierung und dieser Koalition zu tun. Vier Punkte sindentscheidend dafür, dass in unserem Land ein neuer Op-timismus entstanden ist.Erstens. Wir machen den Staat effizienter. Wir habendie Föderalismusreform durchgebracht und dafür ge-sorgt, dass in unserem Land wieder klare Aufgabentei-lhdmddIWggdbrssnggdkgDazbsfd–wsvebn2truwAkneHj
Wir haben etwas gemacht, was viele von uns schonar nicht mehr für möglich gehalten haben. In vielen Re-en haben wir davon gesprochen, dass Bürokratieab-au sein muss. Jetzt haben wir ein Instrument zum Bü-okratieabbau gefunden. Ich bitte die Bundesregierung,ehr darauf zu achten, dass der Normenkontrollrat miteiner Arbeit vorankommt. Wir erwarten erste Ergeb-isse im nächsten Jahr. Was die Umsetzung dessen an-eht, was wir miteinander vereinbart haben, liegen wirenau im Zeitplan.
Zweitens. Wir stärken den Standort Deutschlandurch eine ganze Reihe von Maßnahmen. Vor allem stär-en wir den Mittelstand. Die Bundeskanzlerin hat esesagt: Der Blick in unserem Land fällt immer auf dieAX-Unternehmen und auf die Entwicklung ihrer Mit-rbeiterzahlen. Aber die große Leistung, Arbeitsplätzeu schaffen, wird nicht von den großen Unternehmen er-racht, sondern von den vielen kleinen und mittelständi-chen Betrieben. Ihnen sind wir dafür dankbar. Wir hel-en ihnen auch durch konkrete gesetzliche Maßnahmenabei, dass sie ihre Arbeit für unser Land leisten können.
Dazu brauchen wir auch die FDP. Ich weiß gar nicht,arum Sie uns an diesem Punkt so kritisch gegenüber-tehen. Wir machen genau das, was wir im letzten Jahrereinbart haben: eine Unternehmensteuerreform undine Erbschaftsteuerreform. Ich lade Sie ein, bei Vorha-en mitzumachen, die auch Sie, meine lieben Kollegin-en und Kollegen von der FDP, in Ihrem Wahlprogramm005 postuliert haben.
Wir haben eine Mittelstandsinitiative und ein Investi-ionsprogramm auf den Weg gebracht. Das sind allesichtige Dinge, mit denen wir den Standort Deutschlandnd insbesondere den Mittelstand stärken. Damit leistenir einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung derrbeitslosigkeit. Die Zahlen sind genannt worden. Manann sie gar nicht oft genug nennen; denn nach fast ei-em Jahrzehnt ist in diesem Bereich eine Trendwenderkennbar. Das ist auch für die Menschen ein wirklichesoffnungszeichen. So habe ich in den letzten Tagen eineunge Frau getroffen,
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6533
)
)
Volker Kauderdie seit vielen Jahren in meine Bürgersprechstundekommt. In der ganzen Zeit hat sie einen Jobverlust nachdem anderen erlebt. Sie hat mir nun gesagt: Herr Kauder,es bewegt sich etwas; zum ersten Mal seit Jahren be-komme ich wieder Einladungen zu Vorstellungsgesprä-chen. Das sind Hoffnungszeichen in unserem Land, dieauf unsere Politik zurückgehen.
Drittens. Wir fördern den Zusammenhalt in unsererGesellschaft. Dafür tun wir zunächst einmal etwas fürunsere Familien. Diese sind die entscheidenden Einrich-tungen, wo Zusammenhalt in unserer Gesellschaft erleb-bar wird. Hier gibt es Hilfe und Unterstützung auch inden Wechselfällen des Lebens. Deswegen bin ich außer-ordentlich dankbar, dass die Bundesregierung ein Bün-del von Maßnahmen zugunsten der Familien initiiert hat.Ganz entscheidend in diesem Zusammenhang ist auch– Peter Struck hat es angesprochen –, dass Frau von derLeyen für die Bundesregierung eine Aufstellung darübervorlegen wird, was wir insgesamt für die Familien aus-geben. So wird klar, wie viel wir für Familien tun. Es istnämlich nicht so – wie manchmal der Eindruck erwecktwird –, dass wir kaum etwas für Familien in unseremLand täten. 150 Milliarden Euro geben wir für familien-politische Leistungen aus. Das ist eine stolze Förder-summe. Wir wollen prüfen, wie wir das Geld noch bes-ser als in der Vergangenheit einsetzen können.
Die Förderung des Zusammenhaltes unserer Gesell-schaft geschieht auch, indem wir uns mit einem ganzwichtigen Thema befassen, das, wie ich glaube, in derVergangenheit nicht mit dem notwendigen Nachdruckbearbeitet worden ist. Wir fördern nämlich den Zusam-menhalt, indem wir uns massiv um Integration in unse-rem Land bemühen. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktionhat von Anfang an darauf verwiesen, dass sich unsere In-tegrationsbemühungen an all diejenigen wenden, dienicht in die Gesellschaft unseres Landes integriert sind.Dabei handelt es sich beispielsweise um Kinder aus Mi-grantenfamilien, aber auch um Kinder aus deutschen Fa-milien, die aus ihrem familiären Umfeld keine oder nurwenig entsprechende Erziehung und Hilfe bekommen.Der kürzlich stattgefundene Integrationsgipfel, der inverschiedener Weise seine Fortsetzung findet und imnächsten Jahr konkrete Ergebnisse bringen wird, zeigt,wie ernst wir diese Sache nehmen. Wir nehmen die Sa-che auch deshalb ernst, weil wir von Anfang an gewussthaben – das haben wir auch immer gesagt –, dass dasGesäusel von der multikulturellen Gesellschaft Men-schen nicht in die Gesellschaft integriert, sondern Men-schen aus der Gesellschaft ausschließt. Deshalb machenwir nun etwas ganz anderes mit dem von uns eingeschla-genen Integrationskurs.
Viertens. Wir nehmen innere Sicherheit ernst. Mit-tels eines ganzen Pakets an gesetzlichen Maßnahmen ha-ben wir die Terrorismusbekämpfung vorangetrieben.WüssccsSNdmdeScswdScBßrlddhfgHghrJssfbngatga
Wir werden diesen Erfolgskurs fortsetzen. Wir wer-en dafür sorgen, dass wir die Ziele, die wir uns gesetztaben, auch erreichen; wir werden sie konsequent ver-olgen.Das ist zum einen die Haushaltskonsolidierung. Esibt kein besseres Beispiel dafür, dass wir es mit deraushaltskonsolidierung wirklich ernst meinen, als dieeringste Nettokreditaufnahme seit der deutschen Ein-eit in diesem Haushalt 2007. Das ist fast eine Halbie-ung der Nettoneuverschuldungen der vergangenenahre. Das ist eine großartige gemeinsame Leistung die-er die Koalition tragenden großen Volksparteien. Ichage den Haushältern und natürlich auch dem Bundes-inanzminister herzlichen Dank für diese Arbeit.
Wir werden die Föderalismusreform weiter voran-ringen. In der Föderalismusreform II müssen die Fi-anzbeziehungen zwischen Bund und Ländern neu gere-elt werden. Auch in diesem noch schwierigeren Gebietls bei der Föderalismusreform I muss die große Koali-ion zeigen, dass sie Kraft hat; denn wenn es ums Geldeht, hört die Freundschaft ja bekanntlich grundsätzlichuf.
Metadaten/Kopzeile:
6534 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Volker Kauder
– Frau Künast, Sie können sich daran beteiligen, indemSie an der Kommission teilnehmen, die wir einrichten.Auf Länderebene sind Sie ja überall verschwunden; des-wegen müssen Sie sich auf Bundesebene an diesemThema beteiligen.Wir verfolgen weiter unsere Ziele. Wir haben gesagt,wir konsolidieren nicht nur den Haushalt, sondern auchdie sozialen Sicherungssysteme. Da steht vor uns eineAufgabe: die Pflegeversicherung. Wir haben miteinan-der vereinbart, bei der Pflegeversicherung ein deutlichesZeichen im Sinne der Nachhaltigkeit auch an die jungeGeneration zu geben. Es gibt gerade eine Diskussion inder Fraktion der SPD und auch bei uns, ob das ThemaNachhaltigkeit stärker verankert werden müsste. Dakann ich nur sagen: Wenn wir diese Diskussion führen,dann sollten wir bei der Pflegeversicherung, deren Re-form wir jetzt miteinander vorantreiben, ein Zeichen da-für setzen, dass es uns wirklich ernst ist. Das kann nurheißen: kapitalgedeckte Elemente in der Pflegeversiche-rung.
Wer Nachhaltigkeit will, muss dieses Thema ernst neh-men. So steht es auch in der Koalitionsvereinbarung.Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir habengesagt, dass wir das Thema Sicherheit ernst nehmen.Weil das so ist, wissen wir auch – Peter Struck und dieBundeskanzlerin haben bereits darauf hingewiesen –,dass wir Sicherheit nicht allein und ausschließlich mitmilitärischen Einsätzen schaffen können. Wir brauchenein politisches Konzept. Ich weiß aus meiner Fraktion,dass es uns leichter fällt, die notwendigen Einsätze derBundeswehr und deren Verlängerungen zu beschließen,wenn wir sehen, dass es über den Einsatz hinaus zu poli-tischen Aktivitäten mit Perspektiven für das Landkommt.Deswegen bin ich Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, au-ßerordentlich dankbar, dass Sie auch beim NATO-Gipfelin Riga jetzt so vehement auf dieses Thema eingehen.Ich weiß sehr wohl, dass es eine Diskussion – sie hatnicht ausschließlich etwas mit den Amerikanern zu tun –darüber gibt, inwieweit die NATO ein Militärbündnis istund inwieweit sie auch politische Aufgaben zu überneh-men hat. Aber wenn ich sehe, was gerade die Bundes-wehr – dafür, Franz Josef Jung, herzlichen Dank – nebenden eigentlichen militärischen Aufgaben tut, um dasLand voranzubringen, dann muss ich sagen: Wenn esstimmt, dass nach einem militärischen Einsatz auch poli-tische Konsequenzen folgen müssen, dann muss sich dieNATO fragen, ob sie nicht auch dazu einen Beitrag leis-ten muss. Auf diesem Weg, Frau Bundeskanzlerin, un-terstützen wir Sie nachhaltig.
All diese Fragen, die wir in der Innenpolitik sowie inder Außen- und Sicherheitspolitik miteinander bespre-cdwBBdTodNvwgmaEfWWkwdsugMUrdtS3DDamewdPrSs5ADJddr
Den Wettbewerb im Rahmen der Globalisierung wer-en wir natürlich nur dann gewinnen, wenn wir die Men-chen mitnehmen. Es ist richtig, dass sich Menschen innserem Land Sorgen machen, wie es mit ihnen weiter-eht. Bis weit hinein in den Mittelstand machen sichenschen Sorgen, ob sie ihren Arbeitsplatz behalten.nsere Antwort darauf lautet: Wir haben in der Bundes-epublik Deutschland ein System sozialer Absicherung,as seinesgleichen in der ganzen Welt sucht. Wir wollenrotzdem immer wieder neu überlegen, wie wir diesesystem noch besser machen können.An dieser Stelle muss man auch einmal sagen: Fast0 Milliarden Euro für Hartz IV sind kein Pappenstiel.a kann niemand sagen, diese Republik sei nicht sozial.iese Republik tut wirklich vieles, um denjenigen, dieus der Bahn geraten sind, zu helfen. Natürlich kannan immer mehr machen. Aber mehr machen kann manrst dann, wenn wieder mehr Geld in der Kasse ist. Des-egen ist der entscheidende Punkt: Wirklich sozial istas, was Arbeit schafft. Denn Arbeit gibt den Menschenerspektiven.
Herr Vizekanzler, es ist richtig, wie Sie auf diese He-ausforderungen reagieren. Mit uns zusammen wollenie sich die Gruppen von besonders betroffenen Men-chen anschauen. Beispielsweise haben es die über0-Jährigen und die unter 25-Jährigen besonders schwer,rbeit zu bekommen. Ich weiß, dass Sie sich in eineriskussion über den Kombilohn befinden. Im nächstenahr wird es entsprechende Vorschläge geben. Das zeigt,ie große Koalition lässt die Menschen in unserem Land,ie Sorgen und Probleme haben, eben nicht allein undeagiert nicht mit alten Hüten, sondern sie reagiert mit
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6535
)
)
Volker Kauderneuen Instrumenten auf die Herausforderungen, um denMenschen in unserem Land zu helfen.
Die Globalisierung hat, wie gesagt, kein Mitleid. Des-wegen müssen wir sie annehmen und den Menschenauch Mut machen. Denn nur derjenige, der den Men-schen Mut macht, wird diesen Wettbewerb gewinnen.Ich will in diesem Zusammenhang auf ein zweites be-merkenswertes Buch hinweisen. Es handelt sich um einBuch von Gabor Steingart, in dem diese Thesen eben-falls enthalten sind. Es lohnt sich also bei Stürmer undSteingart einmal nachzulesen.Wie können wir die Globalisierung gewinnen? Wirbrauchen eine dynamische Gesellschaft. Ob uns diesangesichts der Demografie in unserem Land gelingenwird, hängt davon ab, ob wir eine dynamische Jugendhaben. Deswegen ist das, was die Regierungskoalitionmacht, völlig richtig. Sie setzt Zeichen, indem sie Aus-bildungsmöglichkeiten für die junge Generation schafft.All das, was dank Annette Schavan in der Forschungs-und Hochschulpolitik passiert, ist das richtige Signal imWettbewerb im Rahmen der Globalisierung.
Eines der ganz ernsten Themen im Rahmen des Wett-bewerbs innerhalb der Globalisierung betrifft – daraufhat die Bundeskanzlerin hingewiesen – die Frage derEnergie. Wir müssen alles daransetzen, hier stärker vo-ranzukommen. Wir müssen für mehr Unabhängigkeitvon Energie sorgen.
Deshalb ist es richtig, dass wir Energie sparen unduns für eine bessere Energieeffizienz einsetzen. Es istauch richtig, dass die Wirtschaft darüber nachdenkt, wieProduktionsverfahren energieeffizienter gestaltet werdenkönnen. Wir sind dafür, dass man die regenerativenEnergien weiter fördert. Gerade vor dem Hintergrunddes Klimagipfels und der klimatischen Probleme müssenwir im Rahmen der Energieversorgung einen Beitragdazu leisten, dass wir weniger CO2 ausstoßen.Bei allem Sparen, bei allen regenerativen Energienvom Windrad bis zur Wasserkraft – das alles ist in Ord-nung und sollte vor allem in der Region eingesetzt wer-den, wo dies möglich ist – dürfen wir uns selber undauch den Menschen keinen Sand in die Augen streuen.Das alles wird nicht ausreichen, um einer großen Indus-trienation im globalen Wettbewerb eine ausreichendeEnergieversorgung sicherzustellen. Ich kann nur sagen:Wenn wir das Problem des CO2-Ausstoßes ernst neh-men, dann dürfen wir nicht zulassen, dass bei der Ener-gieerzeugung immer mehr CO2 ausgestoßen wird.
Dann müssen wir uns überlegen: Was können wir nebendem Einsatz von regenerativen Energien tun, um bei ei-nwwseVusknbdGrWbpgnSnpmkafbJSskkmnddrRDVogGmP
Lassen Sie mich im Zusammenhang mit der Globali-ierung einen letzten Punkt ansprechen. Natürlichommt es ganz entscheidend darauf an, dass wir zum ei-en denjenigen in unserem Land helfen, die von der Glo-alisierung betroffen sind, und zum anderen die vorhan-enen Mittel einsetzen, um neue Chancen zu schaffen.lobalisierung heißt, die einen mitzunehmen, den ande-en aber die Möglichkeit zu geben, etwas zu tun, sich imettbewerb zu bewähren. Erst wenn wir das richtig hin-ekommen und geschafft haben und dann neue Arbeits-lätze geschaffen werden, werden wir den Wettbewerbewinnen. Es wird nicht ausreichen – das können wir garicht schaffen –, mit immer mehr Geld nur den sozialentatus absichern zu wollen, ohne gleichzeitig darüberachzudenken, wie wir im Wettbewerb für neue Arbeits-lätze sorgen. Da brauchen wir mehr Selbstständigkeit,ehr Freiheit, mehr Kreativität, all das, was die Bundes-anzlerin in ihrer Regierungserklärung heute Morgenngesprochen hat.Es ist völlig klar, dass man angesichts dieser Heraus-orderungen eine starke und große Regierungskoalitionraucht. Diese große Koalition kann nach dem erstenahr sagen: Wir haben etwas miteinander erreicht. Petertruck hat es angesprochen: Fast 40 Jahre lang habenich die beiden großen Volksparteien in vielen Wahl-ämpfen politisch bekämpft. Gerade im letzten Wahl-ampf haben wir uns nichts geschenkt; auch das solltean einmal klar sagen. Dann haben wir das Wahlergeb-is gesehen und uns war völlig klar, dass wir miteinan-er eine große Verantwortung tragen, dass es nicht mehrarum geht, ob nun CDU, CSU oder SPD in eine Regie-ung kommen, sondern darum, diesem Land eine guteegierung zu stellen.
a war die Zusammenarbeit zwischen den drei großenolksparteien CDU, CSU und SPD
hne Alternative.Jetzt muss ich sagen: Koalitionen brechen in aller Re-el immer dann – dies ist auch vor dem Hintergrund dereschichte klar –, wenn die handelnden Personen nichtehr miteinander können.Über Sachfragen kann man reden. Da gibt es auchunkte, bei denen man sich eingestehen muss, dass man
Metadaten/Kopzeile:
6536 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Volker Kaudernicht zusammenfindet. Wir haben jeder für sich in dergroßen Koalition unsere persönlichen und politischenÜberzeugungen nicht aufgegeben, aber ich bin im Inter-esse unseres Landes dankbar, dass es gelungen ist, dassPeter Ramsauer und ich ein so gutes und vertrauensvol-les Verhältnis zu Peter Struck haben.
Manche fragen: Wie ist denn das gelungen, ihr habteuch doch so bekämpft? Dazu kann ich nur sagen: Das,was wir vorleben, ist ein Beispiel dafür, wie wir auch inZukunft Politik in der großen Koalition gestalten wer-den: Zuerst kommen die Menschen, dann kommt dasLand, dann kommen die Parteien und ganz zum Schlusskomme ich. Weil wir wissen, dass das so ist, überwindenwir manches, was uns über 40 Jahre hinweg getrennt hat.Wir geben unsere Grundüberzeugungen nicht auf, aberwir haben im Interesse unseres Landes in der Regierungund in der großen Koalition zusammengefunden. Dafür,Peter Struck, ein herzliches Dankeschön.
Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der FDP,
Guido Westerwelle.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-ren! Nach der Anzeigenserie, die Sie als Bundesregie-rung am Montag auf Kosten der Steuerzahler in allengroßen Blättern gestartet haben, war es zu erwarten, dassSie den Versuch wagen würden, aus der Haushaltswocheeine Art Festspielwoche der Koalition zu machen.
Besonders bemerkenswert hat das der Kollege Kaudervorgemacht. Ihre Rede, Herr Kollege Kauder, kann maneigentlich wie folgt zusammenfassen: Erste Abteilung:Merkel ist die Größte. Zweite Abteilung: Ich mag PeterStruck.
Deswegen verstehe ich auch die Anmerkung vonHerrn Struck in Ihre Richtung. Dass Sie der Bundes-kanzlerin Blumen überreicht haben, war heute wichtigund unverzichtbar. Warum Sie ihm oder er Ihnen keineBlumen gebracht hat, hat der Kollege Struck folgender-maßen begründet: Sie schenken sich keine Blumen, son-dern gehen lieber gemeinsam einen trinken. Das kannich verstehen; denn nüchtern ist diese Lobhudelei nichtzu ertragen.BEwzJbmdsgrshsde2igAgArhIDgDesmdd
Diejenigen, die schon etwas länger im Deutschenundestag dabei sind, haben schon so manches Déjà-vu-rlebnis gehabt. Die Bundeskanzlerin hat hier genausoie in den Zeitungsanzeigen auf Kosten der Steuer-ahler all das, was es an positiven Ereignissen in diesemahr in der Tat gegeben hat – vom Wirtschaftswachstumis hin zur Fußballweltmeisterschaft –, für sich rekla-iert. Ich glaube, Frau Bundeskanzlerin, dass der Erfolger Fußballweltmeisterschaft völlig ohne Ihr Zutun zu-tande gekommen ist. Das ist allerdings in den Tagen derroßen Koalition eine gewagte Behauptung.
Ich möchte Sie, meine sehr geehrten Damen und Her-en, daran erinnern, dass wir das alles schon einmal vorechs Jahren erlebt haben. Sie haben zu Recht daraufingewiesen, die jetzigen Daten seien die besten Wirt-chaftswachstumsdaten seit 2000. In großer Beschei-enheit haben Sie darauf aufmerksam gemacht, dass dasigentlich Ihr Verdienst sei.Der Altbundeskanzler, Gerhard Schröder, hat im Mai000, als er noch regierte und nicht Memoiren schrieb,n diesem Hohen Haus fast wortgleich dasselbe vorgetra-en:Die Arbeitslosenzahlen sind im April dieses Jahres… um exakt 156 000 zurückgegangen. Wir sind un-ter der 4-Millionen-Grenze. Wir haben alle Chan-cen …, am Ende dieser Legislaturperiode wenigerals 3,5 Millionen Arbeitslose zu haben.nschließend hat er das als zentralen Erfolg seiner Re-ierung ausgegeben.Genau das ist die Gefahr, die mit der konjunkturellenufhellung verbunden ist. Ich fürchte, Sie glauben da-an, dass Sie etwas mit dem Wirtschaftswachstum zu tunaben.
ch fürchte, Sie glauben wirklich daran.
as ist das Tragische in diesem Land; denn Politik be-innt mit der Wahrnehmung von Wirklichkeit.
as Wirtschaftswachstum in Deutschland hat mit vielemtwas zu tun: in der Tat auch mit der Fußballweltmeister-chaft, vor allem aber mit der Weltwirtschaft und sogarit dem milden Herbst. Ich sage Ihnen eines: Mit Ihnen,er Koalition, hat das zuallerletzt etwas zu tun.
Deswegen ist das Phänomen, dass man sich mit frem-en Federn schmückt, zu Recht ein außerordentlich
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6537
)
)
Dr. Guido Westerwellegefährliches. Wir wissen ja, wie das mit Schröder wei-tergegangen ist. Danach waren wir bei mehr als 5 Mil-lionen Arbeitslosen,
weil Sie damals Ihre Hausaufgaben nicht gemacht ha-ben. Auch jetzt wiegen Sie sich in der Sicherheit einertrügerischen Ruhe und schmücken sich mit fremden Fe-dern.Dazu hat der griechische Philosoph Äsop einmal einwunderschönes Gleichnis aufgeschrieben:Eine eitle Krähe wollte schöner sein, als sie wirk-lich war, und zierte sich mit allerlei bunten Federnvon anderen Vögeln … Allein um die Eitelkeit zubestrafen …,
fielen diese über sie her und entrissen ihr nicht nurdie geraubten Federn, sondern auch einen Teil ihrereigenen. Armseliger wie vorher, stand sie nun wie-der da …
Die Lehre ist:Prahle nie mit erborgtem Schimmer, Spott ist sonstdein Lohn.Was Schröder passiert ist, wird auch Ihnen passieren,wenn Sie so weitermachen, Frau Bundeskanzlerin.
Deswegen wollen wir in der Haushaltswoche einmalden Blick auf die Fakten lenken. Die Haushaltszahlensind in dieser Woche der entscheidende Punkt. Manmuss unserer Bevölkerung, unserem Volk eines nocheinmal sehr deutlich machen: Wenn Sie in den Zeitungenlesen, verehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger, die Re-gierung würde sparen, meint die Regierung Folgendes:Sie gibt in diesem Jahr 9 Milliarden Euro mehr Geld aus.So viel Geld wie im nächsten Jahr hat der Bund nochniemals in der Geschichte der Republik ausgegeben. VonJahr zu Jahr mehr Geld auszugeben, ist jedoch das Ge-genteil von Sparen!
Sie erläutern: Ja, aber es seien viele Investitionen ge-tätigt worden. Von diesen 270 Milliarden Euro – dasHaushaltsbuch ist ja bekanntermaßen das Schicksals-buch unserer Nation – fließen nach Ihren eigenen Anga-ben gerade einmal – auch das muss man unserer Bevöl-kerung, den Mitbürgerinnen und Mitbürgern, sagen –24 Milliarden Euro, wohlgemerkt: von 270 Milliarden EuroGvßsdcBbHnsknfbddgpwMWddhDngPwthddpwwswbüDnzm
Neben dem niedrigen Investitionsanteil des Haushaltseläuft sich die Neuverschuldung auf fast 20 Milliar-en Euro. Dafür wollen Sie dann auch noch gelobt wer-en. Das ist das Nächste. Sie wollen allen Ernstes dafürelobt werden, dass Sie das Grundgesetz der Bundesre-ublik Deutschland in Art. 115 einhalten möchten. Sieollen allen Ernstes dafür gelobt werden, dass Sie denaastrichter Vertrag einhalten.
enn die Regierung Recht und Gesetz einhält, will sieafür gelobt werden! Wenn das so weitergeht, werdenie Bürger demnächst nur, weil sie sich rechtstreu ver-alten, mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
as ist doch eine völlige Realitätsverdrängung.Dann muss die Bundeskanzlerin allen Ernstes auchoch ihr gestriges Geburtstagserlebnis anführen, das wiremeinsam gehabt haben. Es war auch sehr schön beimräsidenten des Zentralverbands des Deutschen Hand-erks. Sie haben gesagt, man habe den Reden, die ges-ern Abend auf dem Geburtstagsempfang des ZDH ge-alten wurden, entnehmen können – im Unterschied zuen Berichten der Damen und Herren Journalisten –, wieie Menschen in diesem Land die Realität sehen. Ichersönlich finde diese Realitätsverdrängung bemerkens-ert; ich fürchte nur, dass das immer so weitergehenird. Welche Reaktion erwarten Sie eigentlich vom Prä-identen des Zentralverbandes des Deutschen Hand-erks, wenn Sie als Bundeskanzlerin ihm zum 65. Ge-urtstag gratulieren? Dass er in seinen Dankeswortenber Sie herzieht?
as können Sie doch nicht ernsthaft als Realität wahr-ehmen. Geburtstagsreden werden jetzt schon zu Kron-eugen Ihrer Politik! Meine Güte, wo seid ihr angekom-en?
Metadaten/Kopzeile:
6538 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
Dr. Guido WesterwelleIch habe das mitbekommen. Ich war dabei und habe dasselbst gehört.
– Herr Kollege, Sie haben völlig Recht, das ist mein Pro-blem. Es ist gut, dass Sie mir das noch einmal gesagt ha-ben. Vielen Dank dafür.
Kommen wir von der Schönfärberei zur Realität zu-rück. Gesamtstaatlich kommen über 20 Milliarden Euromehr in die Kassen. Auf den Bund entfallen 9 Milliar-den Euro. Statt dass Sie dieses Geld, wie übrigens ange-kündigt, in den Schuldenabbau stecken,
verteilen Sie es auf die verschiedensten Bereiche. Nurmit einem kleinen Teil, nämlich mit 2,4 Milliarden Euro,gehen Sie an den Abbau der Neuverschuldung heran.Mit anderen Worten: Obwohl Sie eine Mehrwertsteuer-erhöhung um 3 Prozentpunkte beschließen – übrigensweil die SPD gegenüber ihren Wählern einen Wortbruchbegeht –, obwohl Sie die Bürgerinnen und Bürger an al-len möglichen Stellen stärker belasten, obwohl sie denBürgern immer tiefer in die Tasche greifen und obwohldie Konjunktur endlich etwas anspringt, tilgen Sie dieSchulden immer noch nicht in ausreichendem Maße, ge-hen Sie immer noch nicht an das heran, was man dasEingemachte der Politik nennt. Und warum? Weil diePolitik einer großen Koalition in Wahrheit nur die Politikdes kleinsten gemeinsamen Nenners ist. Weil sie von wi-derstreitenden Interessen geprägt ist, kann daraus nichtsGroßes werden.
„Mehr Freiheit wagen!“ ist ein fabelhaftes Motto.Ich freue mich darüber, dass Sie nach den verschiedenenMottiwechseln im Laufe des Jahres auf das zurückgrei-fen – back to the roots –, was Sie in der ersten Regie-rungserklärung gesagt haben. „Mehr Freiheit wagen!“ istein gutes Motto. Schauen wir aber einmal dahinter. DieFakten sehen so aus: Die Subventionen des Bundes lie-gen auf einem ähnlich hohen Niveau wie im Jahr 2000.Die Steinkohlesubventionen werden nicht etwa gesenkt,sondern steigen im Haushalt, und zwar um 260 Millio-nen Euro. Auch Ihre Werbekampagne kostet Millionen.In diesem Haushalt sind übrigens auch Sachen zu fin-den, die man in der Öffentlichkeit gar nicht kennt.Wenn wir unsere 500 Streichungsvorschläge und Än-derungsanträge im Bundestag präsentieren – gesterndurften wir sie dankenswerterweise dem Herrn Finanz-minister übergeben –,
dann heißt es jedes Mal – das ist der typische Regie-rungsreflex –, das sei unseriös. Wenn die Opposition et-was anderes will, ist das immer unseriös. Das geht näm-lich gar nicht anders, als die Regierenden es denMenschen einreden wollen.zJCwWSniKRrWlwGgmLSzrdwlTwtvfndBdrgfSGdIhzsIdes
„Mehr Freiheit wagen“, sagen Sie und beschließenicht nur die größte Steuererhöhung in der Geschichteer Republik, sondern – das ist übrigens Unfreiheit fürürger – erhöhen auch die Beiträge für die Renten- undie Krankenversicherung. Das wird bei der Gesundheits-eform noch so weitergehen.Ich darf, an die Damen und Herren von der Koalitionerichtet, kurz zwei Bemerkungen zur Gesundheitsre-orm machen. Die erste richte ich an die Adresse derPD, weil Sie immer meinen, dass es sich, wenn wir dieesundheitsreform kritisieren, quasi nur um den Reflexer Opposition handelt.
hr ausgeschiedener Bundeskanzler hat den Gesund-eitsfonds soeben als „bürokratisches Monstrum“ be-eichnet. Muss ausgerechnet ich in diesem Raum jetztchon Schröder zitieren?
ch muss wirklich sagen: Das sind doch Kronzeugen, anenen Sie nicht vorbeikommen. Herr Struck, das warinmal Ihr Bundeskanzler. Das letzte Jahr ist aber wohlchon lange her.)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6539
)
)
Dr. Guido Westerwelle
Meine Damen und Herren von der Unionsfraktion,Sie tun immer so, als müssten Sie das jetzt tun, als seidas zwangsläufig. Entschuldigen Sie einmal, ich fürchte,dass viele von Ihnen gar nicht wissen, worüber sie ab-stimmen werden. Lesen Sie einmal nach, was die Bun-desgesundheitsministerin dazu sagt. Das ist wirklich au-ßerordentlich spannend. Die Gesundheitsministerin sagtjetzt – nicht vor Monaten, sondern in dieser Woche –über das, was Sie als Regierungskompromiss in der Ge-sundheitspolitik vereinbart haben, dass es nur der „Zwi-schenschritt“ zur Bürgerversicherung sei. Sagen wir esdoch gleich: Das ist der Weg in die Zwangskasse. Das istdas Gegenteil von Wettbewerb und von Freiheit. HöhereAbgaben und schlechtere Leistungen – das ist Ihre Ge-sundheitsreform.
Der Gesundheitsfonds ist doch eine absurde Erfin-dung. Jetzt sollen zwei Bürokratien Beiträge einziehenund verwalten. Der Gesundheitsfonds soll Einheitsbei-träge einziehen und verwalten und auch die Krankenkas-sen müssen Beiträge einziehen und verwalten. Es wäredas erste Mal in der Geschichte der Menschheit, dasszwei Bürokratien preiswerter sind als eine.
Sie rühmen sich mit dem, was Sie für den Mittel-stand getan haben. Von den großen Überschüssen beider Bundesagentur ist die Rede. Dabei verschweigen Sieetwas, was in meinen Augen unbedingt erwähnt werdenmuss. Sie loben den Mittelstand und verschweigen da-bei, dass Sie, die Regierungsparteien, in diesem Jahr denMittelstand nicht zwölf Mal – so wäre es anständig –,sondern 13 Mal mit den Sozialversicherungsbeiträgenbelastet haben. Das war ein unverschämtes Abkassierendes Staates. In Wahrheit fördern Sie nicht den Mittel-stand, sondern nehmen den Mittelstand als Kreditgeberfür Ihre verfehlte Politik. Das ist nicht anständig.
Kommen wir zu dem, wie Sie dem Mittelstand wirk-lich geholfen haben. Ich lasse einmal weg, was bishernur Ankündigungen sind. Wenn die Unternehmensteu-erreform kommt und gut wird, werden wir da mitma-chen, das ist gar keine Frage.
Aber wir werden das Kleingedruckte, insbesondere zurGegenfinanzierung, abwarten.Wenn Sie die Erbschaftsteuer reformieren, werdenwir mitmachen. Aber wir werden erst das Kleinge-druckte lesen. Denn bisher sagt Ihr Regierungssprecher:Jedes Jahr muss man etwas weniger an Erbschaftsteuerzahlen und nach zehn Jahren ist man erbschaftsteuerfrei,allerdings unter der Voraussetzung, dass die Arbeits-plätze fortbestehen. Ich kenne keinen Mittelständler, derin der Lage ist, eine Arbeitsplatzgarantie für seine Be-lgslssZzbsukwn–idFsdssDngs–knFRj
Jetzt kommen wir einmal zu dem, was Sie bereits be-chlossen haben. Das andere sind ja Eckpunkte. Sie wol-en für Eckpunkte gelobt werden. Bei der Unternehmen-teuerreform rudert die SPD interessanterweise übrigenschon wieder zurück.
u dem, was schon in Kraft gesetzt wurde, ist in den An-eigen nichts zu finden. Dabei ist das doch Ihre Erfolgs-ilanz. Zum Beispiel auf das Antidiskriminierungsge-etz sind Sie doch stolz oder etwa nicht, meine Damennd Herren von der Unionsfraktion? Daran habe ich gareinen Zweifel. Nur: Die, die geschützt werden sollen,erden in Wahrheit benachteiligt. Denn lassen Sie unsun jenseits von Geburtstagen über die Realität reden.
Ach, Herr Kauder, hören Sie doch auf. – Jetzt kommech auf das zu sprechen, was von Ihnen beschlossen wor-en ist; denn das ist die Realität.
rau Zypries kann stolz auf sich sein; denn sie hat Ge-chichte geschrieben. An deutschen Universitäten wer-en mittlerweile Seminararbeiten zum Thema „Kannich ein Student einen Seniorenteller einklagen?“ ge-chrieben.
as ist wirklich spannend. Der Vorstandsvorsitzende ei-es großen deutschen Luftfahrtunternehmens hat neulichesagt: Da möchte ich eine schöne Flugbegleitung ein-tellen und lande letztlich bei Herrn Glos.
Dass Sie von den Grünen sich darüber freuen, ist mirlar. Dass das mit gesundem Menschenverstand aberichts mehr zu tun hat, ist Ihnen leider nicht klar.
alls Sie meinen, all das, was ich gerade gesagt habe, seiealsatire, sage ich Ihnen: Das stimmt.Da Herr Kauder vorhin von seinen Begegnungen mitungen Frauen berichtet hat,
Metadaten/Kopzeile:
6540 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Dr. Guido Westerwelle
komme ich jetzt auf einen Brief zu sprechen, der mir voneinem jungen Mann geschrieben worden ist.
– Auch das macht Freude. – In einer Anzeige, die in die-ser Woche von zwei Anwälten für Arbeitsrecht im„Harzkurier“ inseriert wurde,
heißt es: Seit dem 18. August 2006 ist das AllgemeineGleichbehandlungsgesetz in Kraft. Damit ergeben sichvöllig neue Grundlagen im Hinblick auf Schadensersatzoder Schmerzensgeld aufgrund von Diskriminierung.Denn egal, ob erfolglose Bewerbungen, abgelehnte Ge-haltserhöhungen oder Beförderungen: Die Liste der Kla-gemöglichkeiten ist schier grenzenlos. – Die Folgen Ih-rer Politik für den Mittelstand sind mehr Bürokratieund mehr Unfreiheit. Mit Ihrem Motto „Mehr Freiheitwagen“ hat das aber nichts zu tun.
Um die Öffentlichkeit über den weiteren Ablauf zuinformieren, weise ich darauf hin, dass wir heute Mittageine ausführliche Debatte zur Außenpolitik führen wer-den. Herr Kollege Steinmeier ist im Augenblick nochnicht anwesend. Aber damit das klar ist, sage ich: Selbst-verständlich werden wir in der Bilanz Ihrer Regierungs-zeit anerkennen, was Sie in Ihrer Außenpolitik Gutes ge-tan haben. Das werden der Kollege Hoyer und andere,wenn wir diese Diskussion heute Mittag führen, tun. Da-her kann ich mich nun auf die Innen- und Wirtschaftspo-litik konzentrieren. Es wird also noch eine außenpoliti-sche Debatte folgen, und zwar direkt im Anschluss andie Diskussion über diesen Einzelplan.Zur Realität in Deutschland gehört, dass eine Diskus-sion über angeblich gefährliche Heuschrecken geführtwird, und dass Kollege Beck eine, wie ich finde, außer-ordentlich ernst zu nehmende und wichtige Debatte überdie so genannte Unterschicht angestoßen hat. Das Er-gebnis dieser Debatte ist erschreckend: Wir stecken im-mer mehr Geld in unseren Sozialstaat und in die Umver-teilung, aber es kommt immer weniger bei denBedürftigen an.
Die mangelnde Treffsicherheit unseres Sozialstaatesmuss unser Thema sein.Allerdings sollten wir uns auch einem anderen Themaverstärkt zuwenden. Über Heuschrecken und die so ge-nannte Unterschicht zu reden, ist das eine. Dabei verges-sen Sie aber eines: die Mittelschicht. Gerade dazumüssten Sie sich in diesem Hohen Hause äußern. DieRegierung kümmert sich um alles Mögliche, aber umdiejenigen, die morgens aufstehen, statt liegen zu blei-ben, die hart arbeiten und all die Steuermittel erwirt-sdIemtFrBKsSAldKInnSevbbKhStbrEnrdg
rau Bundeskanzlerin – ich habe gar keinen Zweifel da-an, dass Sie Ihren Geburtstag feierlich begehen werden;lumen haben Sie ja schon bekommen und auch Herrauder und Herr Struck werden noch ein Getränk zuich nehmen –,
ie mögen das erste Jahr Ihrer Koalition feiern.
ber den Bürgern ist in Anbetracht von lauter Mehrbe-astungen nicht zum Feiern zumute.
Das Wort hat jetzt der Kollege Carsten Schneider von
er SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebeolleginnen und Kollegen! Herr Westerwelle, wenn manhre Rede verfolgt hat, musste man den Eindruck gewin-en, wir befänden uns schon in der Hoch-Zeit des Kar-evals – dabei stehen wir erst am Beginn.
ie haben den Mut gehabt, auch auf ein paar Sachpunkteinzugehen. Dass allerdings wir als große Koalition Lobon Ihrer Seite bekommen, in dieser Erwartungshaltungin ich heute Morgen nicht hierher gekommen und ichin darin auch nicht enttäuscht worden.
Wir diskutieren hier nicht nur über ein Jahr großeoalition, sondern auch über ihre Grundlagen. Vorhinat ein Redner gesagt, dass der Haushalt dafür daschicksalsbuch ist. Ich glaube, dass diese große Koali-ion sich sehr viel vorgenommen hat. Gerade im Finanz-ereich war es am schwersten, waren die Herausforde-ungen am größten. Allerdings haben sich dort auch dierfolge am schnellsten eingestellt. Sehen Sie es mirach, dass ich das auch in der Kontinuität der Zugehö-igkeit der SPD zur Regierung begründet sehe und darin,ass der Bundesfinanzminister immer noch von der SPDestellt wird und Peer Steinbrück heißt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6541
)
)
Carsten Schneider
Es ist uns gelungen, das Ziel, das wir für 2009 hatten– das strukturelle Defizit zu halbieren –, bereits in die-sem Jahr zu erreichen.
Das strukturelle Defizit des Bundes lag bei 60 Milliar-den Euro. Wir haben nun eine Nettokreditaufnahme, diebei 19,5 Milliarden Euro liegt. Wenn man die Privatisie-rungserlöse hinzurechnet, liegen wir etwa bei 30 Milliar-den Euro. Dies ist ein Erfolg, der so schnell nicht zu er-warten war und über den ich sehr froh bin. Ich bin derMeinung, dass wir insbesondere deswegen nicht in Sackund Asche gehen müssen, sondern stolz darauf sein kön-nen. Denn eine solide Finanzpolitik ist die Grundlageallen Handelns: für Vertrauen der Bevölkerung und derWirtschaft und dafür, dass wir uns – was mir als Sozial-demokrat besonders wichtig ist – Chancengerechtigkeitund sozialen Ausgleich leisten können. Dies wird nurgehen, wenn wir die enormen Zinszahlungen – in die-sem Jahr gut 38 Milliarden Euro – senken. Das wird nurgelingen, wenn wir tatsächlich einmal in eine Phase derTilgung einsteigen.Die Vorschläge, die von der Opposition gekommensind, sind dafür nicht geeignet. Mir ist bis heute nichtklar, Herr Westerwelle: Sind Sie eigentlich gegen dieMehrwertsteuererhöhung als Ganzes – gegen alle dreiProzentpunkte – oder nur gegen einen? Gestimmt habenSie gegen alle drei Prozentpunkte. Wofür sind Sie nun?Ein Prozent?
– Gut, null. Aber dann wäre der durchlaufende Posten,der 2007 zu einer Ausweitung der Ausgaben des Bundesführt, nämlich die 7 Milliarden Euro zur Senkung desBeitrags zur Arbeitslosenversicherung, nicht möglich,wie Sie wissen.
Die vorgesehene Senkung des Beitrags zur Arbeitslosen-versicherung auf 4,2 Prozent wäre dann nicht möglich.Sie ist nur möglich – die Bundeskanzlerin hat das vorhinvorgetragen – durch die Reformen der Agenda 2010,durch die bessere konjunkturelle Entwicklung und da-durch, dass wir die Arbeitslosenversicherung mit einemZuschuss von 7 Milliarden Euro aus Steuermitteln unter-stützen. Dies führt dazu, dass wir ein Ausgabenwachs-tum haben. Real, bereinigt um diesen Posten, beträgt dasAusgabenwachstum des Bundeshaushaltes 0,9 Prozent.
Die Inflationsrate liegt höher. Das heißt, HerrWesterwelle, real geben wir sogar weniger aus, trotz derRisiken, die wir zusätzlich abzusichern hatten und zu de-nen ich noch kommen werde.
Ich kann bei Ihnen keine Linie erkennen. Sie habenim Haushaltsausschuss Anträge gestellt mit einem Kür-zmdzdddwrngslrztidd2dbSmHIghsid2rwEwsdUhhnEGsbgkIsW
ch kann für die Koalition und vor allem für die SPD sa-en, dass wir eine solche Politik nicht mitmachen. Des-alb trägt dieser Haushalt auch nicht Ihre, sondern un-ere Handschrift. Und das ist auch gut so.Sie haben die Steuermehreinnahmen für den Bundn Höhe von 8 Milliarden Euro angesprochen. Man mussas aufklären und kann das nicht so stehen lassen:Milliarden Euro davon waren im Bundeshaushalt be-eits eingeplant, also vorweg etatisiert, weil absehbarar, dass die Steuerschätzung im November ein besseresrgebnis als die Steuerschätzung im Mai – der Haushalturde erst im Juni beschlossen – bringen würde. Wirind darin bestätigt worden. Von diesen 8 Milliar-en Euro müssen Sie Aufwendungen für die Kosten dernterkunft und die Mittel des Eingliederungstitels abzie-en. Somit bleiben genau 2,4 Milliarden Euro übrig. Sieaben wir genutzt, um die Nettokreditaufnahme auf deniedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung zu senken.Ich glaube, das ist ein sehr großer und sehr schönerrfolg, auf den wir stolz sein können. Nachdem einroßteil der Verschuldung in Ihrer Regierungszeit ent-tanden ist – wir alle sind nicht frei davon, aber Sie ha-en den größten Teil zu verantworten –, hätte es Ihnenut angestanden, wenn Sie von der FDP das einmal aner-annt hätten. Aber gut, das war nicht zu erwarten.
ch glaube, die große Koalition ist sowohl in der Wirt-chafts- als auch in der Finanzpolitik auf dem richtigeneg.
Metadaten/Kopzeile:
6542 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Carsten Schneider
Angesichts der guten konjunkturellen Situation seheich die Herausforderung, dass wir im Jahre 2008 nichtbei einer Neuverschuldung von 19,5 Milliarden Euroverbleiben können.
Die mittelfristige Finanzplanung, die diesem Haushaltzugrunde liegt, muss deutlich nach unten korrigiert wer-den. Das heißt, dass wir gerade die Zeiten eines gutenwirtschaftlichen Wachstums, in denen wir uns gerade be-finden – die Zahl der Arbeitslosen ist um 500 000 zu-rückgegangen, eine viertel Million Menschen mehr sindin sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsver-hältnissen –, nutzen müssen, um stärker zu konsolidie-ren. Das ist nicht nur eine Aufgabe für 2007, sondern dasist eine Aufgabe für die gesamte Regierungsperiode bis2009. Das ist auch nicht nur eine Aufgabe des Bundesfi-nanzministers, sondern das ist eine Aufgabe des gesam-ten Kabinetts.
Die Koalition muss sich im Frühjahr damit noch ein-mal befassen; denn mit dem, was der Planung bisher zu-grunde liegt, werden wir dem nicht gerecht. Bei denKosten der Unterkunft gibt es Mehrausgaben. Das setztsich bis 2010 fort.
Daneben gibt es unbeantwortete Fragen in der Gesund-heitspolitik. Frau Bundeskanzlerin, ich erwarte natür-lich, dass es eine saubere Gegenfinanzierung für dieMehrausgaben im Gesundheitsbereich geben wird. DasGeld darf nicht einfach nur verteilt werden, sodass derBundesfinanzminister am Ende schauen muss, wo esherkommt. Ich glaube, dieses Spiel kann man sich in derKoalition nicht leisten.
Ich bin mir sicher, dass uns dies gemeinsam gelingenwird.Das alles findet natürlich nicht im luftleeren Raumstatt. Man muss sich auch einmal genau anschauen, wodie durch die Konjunktur bedingten Steuermehreinnah-men, die wir in diesem Jahr haben, herkommen. Es gehtvor allem um die Körperschaftsteuer, über die HerrGysi vorhin hergezogen ist, indem er gesagt hat, sie seija so niedrig. Er ist jetzt nicht mehr da, vielleicht könnenSie ihm das mitteilen: Im Jahre 2005 war der Ertrag hö-her als im Jahre 2000, also in der Boomphase, obwohlwir die Nominalsätze in vielen Bereichen gesenkt haben.Von daher bin ich sehr zuversichtlich, dass uns bei derUnternehmensteuerreform das Gleiche gelingen wird,nämlich ein wettbewerbsfähiges Steuersystem zu schaf-fen, das dazu führt, dass gerechterweise alle Unterneh-men Steuern zahlen.Neben der Entlastung für die Bezieher unterer undmittlerer Einkommen, die von der Senkung des Ein-gid–E2EiAhgugzidsIDdgWlTED1s1sRndtPsiKdgdUbnbetk
ch hoffe, dass die konjunkturbedingten Einnahmen vonauer sind. Ich bin mir da nicht so sicher, aber ich hoffe,ass es in diesem Land wirtschaftlich weiter bergaufeht.Sie haben in einem Punkt Recht, Herr Westerwelle:ir sind nicht allein für diesen Aufschwung verantwort-ich. Wir sind aber auch nicht ganz schuldlos daran.rotzdem sind wir auch von der weltwirtschaftlichenntwicklung abhängig.Wir bewegen uns derzeit in einem sehr guten Umfeld:er Haushalt 2007 geht von einem Wachstum von,4 Prozent aus. Die Auguren meinen, dass es wahr-cheinlich noch höher ausfallen wird; sie gehen von,8 Prozent oder sogar etwas mehr aus. Ich hoffe, dassich das bewahrheitet und dass die Entwicklung derohölpreise dem nicht entgegensteht, dass die amerika-ische Wirtschaft eine sanfte Landung schafft und dassie Europäische Zentralbank und die amerikanische No-enbank neben der Geldwertstabilität noch andereunkte im Blick behalten und somit diesen Kurs unter-tützen.Wenn ich das alles Revue passieren lasse, dann meinech, dass wir sehr gut mit dem leben können, was dieoalition im ersten Jahr erreicht hat. In dem Etat sindas Elterngeld und die Ost-West-Angleichung der Re-elsätze beim ALG II abgebildet. Beides hat die SPDurchgesetzt. Daneben gibt es auch viele Punkte, die dienion durchgesetzt hat. Alles in allem ergibt das einenunten Strauß, der Klarheit und Farbe aufweist und ei-en Blick auf die Zukunft dieses Landes gestattet. Ichin zuversichtlich, dass uns auch im nächsten Jahr einrfolgreicher Haushalt gelingen wird und wir Ihnen wei-er zu Ihrer Amtszeit gratulieren können, Frau Bundes-anzlerin.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6543
)
)
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Lukrezia
Jochimsen von der Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Da ich
nur drei Minuten Redezeit habe,
spare ich mir das Lob für den Kulturstaatsminister zur
Aufstockung seines Etats und auch die Details unserer
Forderungen. Wir wollen nämlich 10 Millionen Euro
mehr für die Produktionsförderung des nationalen Films
und 480 000 Euro mehr für die Stiftung für das sorbische
Volk.
Ich gehe stattdessen gleich grundsätzlich auf den Stel-
lenwert der Kultur nach einem Jahr der neuen Regie-
rung ein. Dabei fällt nämlich ein Widerspruch auf. Wir
hören immer wieder, dass die Kultur ein wichtiges An-
liegen darstellt. Aber wie kommt es dann, dass Kinder
und Jugendliche immer weniger Zugang zu Sprache,
Musik, Malerei, kurz: den Gestaltungsmöglichkeiten in
allen musischen Feldern und vorhandenen Medien ha-
ben, unabhängig vom Geldbeutel ihrer Eltern? Sehen Sie
denn nicht die zunehmende kulturelle Verarmung und
Verrohung unserer Kinder und Jugendlichen? Bedenken
Sie nicht den schrecklich hohen Preis, den wir alle dafür
zahlen?
Um dem Anliegen Kultur gerecht zu werden, müsste
es Kinderkulturhäuser als Anlaufstätten gerade für die
vernachlässigten Heranwachsenden geben. Wir fordern
deshalb 1 Milliarde Euro für ein Programm „Kultur für
Kinder“. Ein solches Programm ist dringend notwendig.
Nach der Föderalismusreform muss neu überlegt wer-
den, wie das Anliegen kultureller Bildung im Zusam-
menwirken von Bund, Ländern und Kommunen geför-
dert werden kann. Das kann nicht unmöglich sein.
Wenn Kultur wirklich ein Anliegen der Regierung ist,
dann muss sie unseren Kindern endlich wieder vermittelt
werden, zum Beispiel wie in den armen Zeiten nach
Kriegsende, als es um den Aufbau unserer Demokratie
ging. Heute geht es um den Erhalt unserer Demokratie.
Bitte denken Sie in diesem Zusammenhang daran.
Nun weg vom Geld. Das Anliegen Kultur wirft auch
die Frage nach dem Staatsziel Kultur als Signal, Ver-
pflichtung und Appell an unser kulturelles Bewusstsein
in dem Sinne auf, in dem die Bundeskanzlerin davon
sprach, dass wir eine Kulturnation seien.
2005 hat die Enquete-Kommission „Kultur in Deutsch-
land“ die Aufnahme der Kultur als Staatsziel in das
Grundgesetz empfohlen. Seit Anfang 2006 hängt ein
entsprechender Antrag im parlamentarischen Räderwerk
dieses Hauses fest. Nun sollen auf einmal Kultur und
Sport als Staatsziele in der Verfassung verankert werden.
D
z
l
D
l
w
m
d
b
K
t
E
N
W
e
S
K
t
s
A
–
S
g
h
l
d
b
d
s
m
m
b
S
d
s
w
s
g
w
m
w
u
d
m
s
i
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!enn ich mir die heutige Debatte anschaue, dann drängts mich, etwas zu einem Punkt zu sagen, der im weitereninne mit Kultur zu tun hat, nämlich zur demokratischenultur. Liebe Kolleginnen und Kollegen von den Koali-ionsfraktionen, Sie haben gesagt, wir seien gar nicht sochlecht, wie immer behauptet werde. Das sehen Sie so.ber wir sehen es anders. Das eigentliche Problem istdas muss man Ihnen am allermeisten vorwerfen –, dassie keine Ideen und Visionen haben, aus denen hervor-eht, wie dieses Land in zehn, 15 oder 20 Jahren ausse-en soll, und für die Sie die Menschen begeistern wol-en. Ich glaube, das ist das eigentliche Versäumnis, überas geredet werden muss. Es zeigt sich in den Umfragenetreffend die Zustimmung zur Demokratie. Nicht nurie Umfragewerte für die beiden großen Volksparteienind gesunken, sondern auch die Zustimmung zur De-okratie an sich hat drastisch abgenommen. Das machtich mindestens genauso unsicher und besorgt im Hin-lick auf die Zukunft wie die hohen Arbeitslosenzahlen.ie müssen das ernster nehmen. Gerade wenn wir überen Rechtsradikalismus reden, dürfen wir nicht verges-en, dass Programme wie CIVITAS und ENTIMONichtig sind. Aber ob wir in der Lage sind, die Men-chen für die Demokratie zu begeistern, ist mindestensenauso entscheidend.
Sie müssen an einer Stelle besonders darauf achten,orum es geht. Es ist sicherlich richtig, eine Politik zuachen, bei der man alles im Blick hat und beispiels-eise solche Gruppen wie die über 50-Jährigen und dienter 25-Jährigen besonders herausstellt. Die entschei-ende Frage ist aber, ob man sich um diejenigen ameisten kümmert, denen es in unserer Gesellschaft amchlechtesten geht und die es am schwersten haben. Dasst ein Maßstab für eine gute Politik in unserem Land.
Metadaten/Kopzeile:
6544 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Katrin Göring-EckardtWenn Sie das wollen, dann müssen Sie sich mehr um dieLangzeitarbeitslosen und die Kinder kümmern, die inDeutschland dauerhaft in Armut leben, und zwar nichterst seit gestern. Hier geht es um den Zugang zu Bil-dung. Damit bin ich wieder bei der Kultur; denn es gehtum die Möglichkeit, die eigenen Talente zu entdecken,und zwar unabhängig vom Geldbeutel der Eltern undvon ihren Fähigkeiten, die eigenen Kinder zu fördern.Dem steht ein massiver Kulturabbau an ganz vielenStellen entgegen – Thüringen ist hierfür ein Beispiel –,genauso wie ein Laisser-faire-Umgang mit Kultur, wiewir ihn gerade in unserer Bundeshauptstadt erleben.Denken Sie nur daran, wie in Berlin mit den Opernhäu-sern umgegangen wurde! Ich bin überzeugt, dass derRücktritt von Herrn Schindhelm ein Alarmsignal ist.Aber darum geht es nicht allein. Das ist nur das, was wirin den bundesweiten Medien sehen. Wenn wir uns imLand umschauen, sehen wir, dass sehr viele Kulturinsti-tutionen nur noch deswegen überleben, weil sie mindes-tens die Hälfte der regulären Jobs, die sie zu vergebenhaben, beispielsweise durch 1-Euro-Jobs ersetzen. Da-durch verbauen wir unseren Kindern und JugendlichenZugänge und dadurch geraten wir in eine ganz schwie-rige gesellschaftliche Situation, was auch mit der Kulturder Demokratie zu tun hat. Es geht nicht allein um daskulturelle Erbe, sondern es geht um die Zukunft unsererKinder.
Wenn wir darüber sprechen, müssen wir die sozialeLage der Künstlerinnen und Künstler in unserem Landim Blick haben. Das will ich heute nur als Stichwort sa-gen. Ich hoffe sehr, dass wir in dieser Hinsicht mit denKoalitionsfraktionen gemeinsam vorankommen; dennich habe den Eindruck, dass sich im letzten halben Jahrbzw. dreiviertel Jahr etwas getan hat, was das Wahrneh-men der sozialen Situation von Künstlerinnen undKünstlern angeht. Es dürfen aber nicht immer nur dieGroßen sein, sondern es muss um die Kleinen gehen, umdiejenigen, die in den Regionen unseres Landes ganz be-sonders kreativ sind.
Ein Punkt, der mich verunsichert, auch wenn es umdemokratische Kultur geht, muss heute angesprochenwerden. Sie haben ganz am Ende der Haushaltsberatun-gen 750 000 Euro für das „sichtbare Zeichen“ einge-stellt, das Sie auch im Koalitionsvertrag verankert ha-ben. Ich habe das Gefühl, dass das nicht ein sichtbaresZeichen ist, sondern eher ein seltsames Ding mit sehrverschwommenen Konturen.
Wir wüssten schon sehr gerne, was Sie eigentlich vorha-ben und was Sie damit meinen. Ist das jetzt das sichtbareZeichen, das sich Frau Steinbach wünscht? Ist esirgendeine Ausstellung? Ist es etwas ganz anderes?Wenn Sie, Herr Kulturstaatsminister, die Summe tat-sächlich in diesem Haushalt einstellen, dann verlangenweIlsTeHlswlCidBfgAguKwwgztAcdfSdsdWKwWmm
ngela Merkel hat heute eine überzeugende Bilanz mituten Daten für Deutschland vorgelegt. Volker Kaudernd Peter Struck haben in ihren Reden unterstrichen: Dieoalition wird diesen Weg weitergehen und das Not-endige und Richtige für unser Land tun. Die Arbeitar erfolgreich. Die Arbeitslosenzahl hat sich im Ver-leich zum Vorjahr um nahezu eine halbe Million redu-iert. Wenn der Einzelne beobachtet, dass sich die Situa-ion in seinem Umfeld verändert, dass sein Nachbar einerbeitsstelle findet oder sein Sohn bei der Lehrstellensu-he erfolgreich war, dann wird die Stimmung schon baldie viel bessere Lage widerspiegeln.
Die Koalition ist angetreten, um die großen Heraus-orderungen unserer Zeit anzunehmen: Arbeitslosigkeit,taatsverschuldung, demografischer Wandel und Verän-erungsdruck der Globalisierung. Es ist die Chance die-er Koalition, dies auch zu tun. Wir wissen, dass man aufem Weg durch das politische Leben nicht immer denind im Rücken haben kann. Trotzdem müssen wirurs halten und im Interesse unseres Landes das Not-endige tun.
ir haben die richtigen Weichenstellungen vorgenom-en: Wir stärken Familien durch das Elterngeld. Wirachen die sozialen Systeme stabil. Wir haben die Be-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6545
)
)
Eduard Oswalddingungen verbessert, um in Sicherheit zu leben. Wirbauen die Infrastruktur in Deutschland aus. Wir sorgenfür neuen Schwung bei Forschung und Technologie.Horst Seehofer ordnet die Agrarpolitik neu und gibt denländlichen Räumen Perspektive.
Sie werden doch verstehen, dass ich als CSU-Politikerdie CSU-Minister in besonderer Weise lobe und wür-dige.Sanieren, investieren und reformieren – die Kanzlerinhat es angesprochen –: Mit diesem mutigen Dreischrittwurden gesetzgeberische Maßnahmen verabschiedet.Mit der Föderalismusreform, der Haushaltssanierungund der Gesundheitsreform hat diese Koalition schwer-gewichtige Themen angepackt und zu Lösungen geführt.Die ersten Erfolge sind für jedermann sichtbar und wei-tere werden folgen.Wenn ich als ersten Erfolg das Wirtschaftswachs-tum nenne, dann gilt natürlich das, was Ludwig Erhardgesagt hat: Wirtschaft ist nicht alles, aber ohne Wirt-schaft ist alles nichts.
Die Konjunkturprognosen sind für das laufende undauch für das kommende Jahr sehr erfreulich. Auch imnächsten Jahr bleiben die Wachstumskräfte trotz der not-wendigen Mehrwertsteuererhöhung intakt. Investorenund Verbraucher blicken wieder optimistisch in die Zu-kunft. Die kräftige Zunahme der Investitionen ist dochAusdruck des Vertrauens in den Kurs der Koalition, auchwenn die Opposition das bestreitet.
Der zweite Erfolg zeigt sich auf dem Arbeitsmarkt.Der konjunkturelle Aufschwung hat auch die Binnen-wirtschaft, also die privaten Investitionen und den Ar-beitsmarkt, erfasst. Die Arbeitslosenquote sinkt auf dentiefsten Stand seit vier Jahren und wir liegen endlichwieder unter 10 Prozent. Natürlich wissen wir: Jeder Ar-beitslose ist einer zu viel. Wir wollen jedem dabei hel-fen, dass er wieder Arbeit findet.Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Be-schäftigungen nimmt werktäglich um über 1 000 zu. Da-rum geht es doch. Das ist eine echte Wende und wir wer-den auch im kommenden Jahr einen weiterenAufwärtstrend haben. Der Aufschwung besitzt mittler-weile – das ist für uns das Wichtige – ein breites Funda-ment.
Wir werden den Beitrag für die Arbeitslosenversiche-rung noch stärker senken, als wir geplant hatten. Damitsinkt die Abgabenbelastung. Den Arbeitnehmern undArbeitgebern stehen im kommenden Jahr 17 MilliardenEuro mehr zur Verfügung. Die Chancen der Menschenauf Arbeit werden erhöht. An dieser Stelle danke ichaHngdDvdSdwSlBStsowEEueszsGfsgsksflBDbpgvfhbnn
Der dritte Erfolg ist der Bundeshaushalt. Ich sageoch einmal – was gut ist, muss man immer wieder sa-en –: Mit einer Nettokreditaufnahme von 19,5 Milliar-en Euro werden wir den Haushalt 2007 beschließen.ies ist die niedrigste Neuverschuldung seit der Wieder-ereinigung. Dennoch muss uns allen bewusst sein, dassies erst der Einstieg in die Sanierung ist. Weiterechritte müssen folgen;
enn ein konsolidierter Haushalt ist und bleibt eineichtige Voraussetzung für einen handlungsfähigentaat und ist eine moralische Verpflichtung für die Hand-ungsfreiheit kommender Generationen.
Also soll niemand glauben, wir seien bereits über denerg. Deutschland hat noch 1 500 Milliarden Eurochulden und wir haben noch nicht einmal mit dem Ab-ragen dieses Berges begonnen. Er wird jetzt aber lang-amer höher als bisher. Es muss klar sein: Nur wohlge-rdnete öffentliche Finanzen ermöglichen eine guteirtschaftliche Entwicklung.Wir wissen – ich sage das nachdenklich –, dass dierwartungen an den Staat in unserem Land enorm sind.r soll auf der einen Seite nicht nur Garant für Sicherheitnd Freiheit sein, sondern auch materiellen Wohlstandrmöglichen, für Nachhaltigkeit und sozialen Ausgleichorgen und insgesamt Gerechtigkeit schaffen. In dieserunehmend globalisierten Welt – Volker Kauder hat ineiner Rede sehr intensiv darauf hingewiesen –, in derrenzen unschärfer werden und internationale Heraus-orderungen zunehmen, wird es aber für den Staat immerchwieriger, einem umfassenden Steuerungsansprucherecht zu werden. Voraussetzung dafür sind also wirk-ame Ordnungsstrukturen und ein kluger Einsatz dernappen finanziellen Mittel. Das ist unser Auftrag.Deswegen haben wir vier wichtige Richtungsent-cheidungen für einen handlungsfähigen Staat getrof-en: Das ist erstens die Modernisierung der bundesstaat-ichen Ordnung, zweitens die Konsolidierung desundeshaushalts, drittens der Abbau von Bürokratie alsaueraufgabe und viertens eine bessere Zusammenar-eit von Regierung und Parlament im Bereich der euro-äischen Integration.So wie wir die Föderalismusreform erfolgreich durch-eführt haben, so müssen wir die Finanzbeziehungenon Bund und Ländern neu ordnen. Das wird nicht ein-ach werden. Aber wir müssen dies entschlossen ange-en. Es wäre gut, wenn sich alle Fraktionen auch hieraneteiligten.Noch machen manche internationale Unternehmen ei-en Bogen um Deutschland, wenn es um Neuinvestitio-en geht. Vor allem die hohen Steuersätze schrecken ab.
Metadaten/Kopzeile:
6546 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Eduard OswaldDer Abstand zu Ländern mit niedrigen Steuersätzen istnoch zu groß, als dass unser Land mit seiner hervorra-genden Infrastruktur manchen Steuernachteil ausglei-chen könnte. Deswegen ist die Unternehmensteuerre-form so wichtig. Es handelt sich – darum geht es – umeinen wichtigen Baustein für mehr Arbeitsplätze und In-vestitionen in unserem Land. Durch die Unternehmen-steuerreform wird die Steuerbelastung auf ein internatio-nal wettbewerbsfähiges Niveau gesenkt. Gleichzeitigwerden Maßnahmen getroffen, durch die die Besteue-rung in Deutschland erwirtschafteter Gewinne in unse-rem Land sichergestellt wird.Wir brauchen auch eine Abgeltungssteuer. Kontroll-verfahren könnten somit entfallen. Die Ämter würdenentlastet. Bürokratieabbau fände statt und damit würdenden Anlegern attraktive ertragsteuerliche Rahmenbedin-gungen geboten.
Unternehmensteuer und Abgeltungssteuer sind geeig-net, das vorhandene Potenzial des FinanzplatzesDeutschland auszubauen und seine Wettbewerbsfähig-keit zu steigern. Wir müssen mehr über den FinanzplatzDeutschland reden. Die Gestaltungskraft dieser Koali-tion ist auch beim Ausbau privater Beteiligungs- und Ri-sikokapitalfinanzierung gefragt. Wir müssen mit einemPrivate-Equity-Gesetz die Voraussetzungen in den deut-schen Unternehmen verbessern, innovative Produkteund Dienstleistungen schneller zur Marktreife zu brin-gen. Ziel muss es sein, Deutschland in einer globalisier-ten Welt besser zu positionieren und Arbeitsplätze zuschaffen. Das steht über allem, was wir wollen.Abgerundet werden die Eckpunkte zur Unternehmen-steuerreform durch die erbschaftsteuerliche Begünsti-gung der Unternehmensnachfolge. Die Zahlen spre-chen für sich: In Deutschland werden Jahr für Jahr mehrals 46 000 Unternehmen mit rund 444 000 Beschäftigtenaus Altersgründen vererbt, Tendenz steigend. Die dabeiderzeit fällige Erbschaftsteuer kann häufig nicht aus denvorhandenen liquiden Mitteln gezahlt werden. DieFolge: Die Erbschaftsteuer ist aus der Substanz zu ent-richten, sie kann so große Teile des Vermögens vernich-ten und das Unternehmen samt seinen Arbeitsplätzen inseiner Existenz bedrohen. Das kann doch nicht in unse-rem Interesse sein.
Der Mittelstand – wir haben das heute schon gehört –ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Die rund3,5 Millionen kleineren und mittleren Unternehmen sindeine treibende Kraft für Wachstum und Beschäftigung.Wir müssen alles tun, um dabei zu helfen. Die von unsbeschlossene Mittelstandsinitiative verbessert daher dieRahmenbedingungen für diese Unternehmen. Dank anBundeswirtschaftsminister Michael Glos für seinen Ein-satz und seine Arbeit für die Wirtschaft in unseremLande!
ldnDAcsltLseWPhDsvdmDaSsfdG
ie kommunale Finanzkraft ist auch deswegen für denufschwung so wichtig, weil 60 Prozent aller öffentli-hen Investitionen von Kommunen erbracht werden.
Wir werden den Weg für strukturelle Reformen in un-erem Land konsequent weitergehen. Gleichzeitig wol-en wir Mut zu Anstrengungen machen und das Ver-rauen der Menschen in die Zukunftsfähigkeit unseresandes stärken. Wir preisen nicht Wundermittel undchüren keine Illusionen, sondern beraten gründlich undntscheiden vernünftig. Was ist daran schädlich, dass dieillensbildung in einer großen Koalition mit so großenartnern etwas zäh verläuft?Nach mittlerweile einem Jahr der Zusammenarbeitaben wir uns auch eingespielt.
ie freundschaftlichen Bekundungen der Fraktionsvor-itzenden sind das eine. Jetzt müssen wir auch auf denerschiedenen Arbeitsebenen noch mehr dafür sorgen,ass manches stärker verzahnt wird und dass dieenschlichen Kontakte intensiver werden.
ann soll es an Ergebnissen natürlich nicht mangeln.
Nicht wer zwischendurch bei Meinungsumfragen gutbschneidet, lieber Herr Westerwelle, sondern wer amchluss das Vertrauen der Menschen als Ergebnis eineroliden, zukunftsorientierten Politik erhält, hat den Er-olg.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich komme zum Schluss und zitiere Saint-Exupéry,er so wunderschön gesagt hat:Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber mankann den Grund für etwas Zukünftiges legen – dennZukunft kann man bauen.enau das wollen wir weiter tun.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6547
)
)
Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Joachim Otto
von der FDP-Fraktion.
In großer Finsternis freut man sich bereits über eine
kleine Kerze. In der Finsternis dieser Bundesregierung
ist das Wirken des Kulturstaatsministers immerhin ein
Lichtblick. Was Herr Neumann bei den Haushaltsbera-
tungen erreicht hat, insbesondere bei der Filmförderung,
nötigt uns Respekt ab.
3,5 Prozent Steigerung ist mehr, als seine drei Vorgänger
erreicht haben. Das sollte man auch als Angehöriger ei-
ner Oppositionspartei hier betonen.
Gerade weil die Haushaltsberatungen für die Kultur
durchaus ein Erfolg waren, verstehe ich nicht, Herr Kol-
lege Kampeter, dass man sich mit kleinen Mätzchen an
vermeintlichen Kritikern schadlos hält. Das Faxverbot
für den Deutschen Kulturrat ist ein Späßchen gewe-
sen. Mit Späßchen sollte man aber in einem sensiblen
Bereich wie diesem, bei dem es um die Autonomie von
Institutionen geht, vorsichtig sein. Deswegen bitte ich
ausdrücklich darum, das Faxverbot, über das sich hier
schon manche Männerwitze ranken, zurückzunehmen
und die erfolgreiche Arbeit des Deutschen Kulturrats
nicht mit solchen Maßnahmen zu schwächen.
Die geringe Redezeit, die mir zur Verfügung steht, er-
laubt es mir nicht, hier längere Ausführungen zur Ver-
gangenheit und Gegenwart zu machen; vielmehr möchte
ich mich einer Zukunftsaufgabe zuwenden. Der Regie-
rende Bürgermeister und künftige Kultursenator von
Berlin, Klaus Wowereit, hat uns in seiner grenzenlosen
Güte eine der drei Berliner Opern, und zwar die Staats-
oper Unter den Linden, sozusagen als Weihnachtspräsent
mit der Begründung vor die Füße gelegt, Berlin habe nur
noch das Geld, zwei Opern zu finanzieren. Man muss
Klaus Wowereit daran erinnern, dass es glasklare Zusa-
gen von ihm selbst und von dem von ihm geführten
Senat aus der Zeit, als der Hauptstadtkulturvertrag ab-
geschlossen wurde, gibt. Klaus Wowereit wird wortbrü-
chig, wenn er sich jetzt nicht an diese Zusagen hält.
Es ist aber wohl auch so, dass wir alle hier gesündigt
haben, indem wir dem Hauptstadtkulturvertrag damals
nicht lebhaft widersprochen haben. Es war nämlich ab-
sehbar, dass Berlin mit den vorhandenen Mitteln die
Staatsoper Unter den Linden nicht sanieren kann. Es war
auch absehbar, dass das Konzept nicht tragfähig ist. Des-
wegen möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen:
Auch wenn sich Berlin seiner Verantwortung zu entzie-
hen droht, können wir uns hier nicht einfach zurückleh-
nen und sagen, das sei das Problem Berlins. Die Kultur
i
d
R
–
m
T
s
g
K
m
p
A
v
w
w
w
r
s
w
n
B
g
g
S
w
S
d
S
b
O
B
R
m
p
d
b
r
O
A
m
Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen
teffen Kampeter das Wort.
Herr Kollege Otto, ich möchte ausdrücklich hervorhe-en, dass ich es für eine noble Geste halte, dass Sie alsppositionsvertreter die hervorragende Arbeit vonernd Neumann als Kulturstaatsminister zu Beginn Ihrerede erwähnt und insbesondere sein Wirken im Zusam-enhang mit der materiellen Ausstattung der Kulturositiv bewertet haben. Dies ist angesichts anderer Re-ebeiträge vonseiten der FDP-Fraktion bezüglich No-lesse, Großzügigkeit und Geste eine positive Verände-ung der Debattenbeiträge.
Sie haben in einem Punkt Kritik geübt, Herr Kollegetto. Ich möchte der guten Ordnung halber feststellen:lle von Ihnen kritisierten Beschlüsse sind mit Zustim-ung der FDP im Haushaltsausschuss erfolgt.
Metadaten/Kopzeile:
6548 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Steffen KampeterEs ist schon einigermaßen verwunderlich, dass Sie – beiallen noblen Gesten – jetzt hier als Sprecher Ihrer Frak-tion bestimmte Beschlüsse, die Sie im Übrigen auchfalsch interpretieren, in dieser Art und Weise kritisieren.Es sollte kein falscher Eindruck bestehen bleiben: AlleBeschlüsse, auch die von Ihnen kritisierten, sind mit Zu-stimmung der FDP-Bundestagsfraktion im Haushalts-ausschuss erfolgt.
Zur Erwiderung Kollege Otto.
Herr Kollege Kampeter, für die Blumen zum Eingang
Ihrer Kurzintervention bedanke ich mich. Ich sehe mich
aber trotzdem veranlasst, die Dinge hier richtig zu stel-
len.
Sie haben gesagt, ich hätte Beschlüsse falsch interpre-
tiert. Natürlich bin ich darauf vorbereitet. Ich lese einmal
vor, was auf Ihre persönliche Initiative hin als Haushalts-
vermerk aufgenommen worden ist:
Aus dem Ansatz zu …
– gemeint ist der Deutsche Kulturrat –
dürfen vom Zuwendungsempfänger keine Ausga-
ben für den Versand von Faxen geleistet werden.
Das ist Pillepalle, kleinliches Gezänk. Weil Ihnen
Herr Zimmermann und der Deutsche Kulturrat nicht
gefallen, wollen Sie dort das Versenden von Faxen ver-
bieten.
Für den Deutschen Kulturrat ist das ein Problem, weil er
keine freien Mittel hat, mit denen er das finanzieren
könnte. Ich sage Ihnen: Wenn wir so anfangen – wenn
Herr Staeck von der Akademie der Künste uns nicht ge-
fällt, dann verbieten wir ihm zu telefonieren, und wenn
uns der Herr Knabe in Hohenschönhausen nicht gefällt,
dann verbieten wir ihm den Kauf von Briefmarken –,
dann ist das kein guter Umgang. Nach meiner Kenntnis
hat es einen solchen Vorgang in der Geschichte des deut-
schen Haushaltes noch nicht gegeben. Das ist ein kleinli-
ches Gezänk. Ich fordere Sie auf, das zu unterlassen.
Sie haben eben von Noblesse gesprochen. Lieber Herr
Kampeter, haben Sie die Noblesse und nehmen Sie die-
sen Scherz, der im Grunde auf eine Zäsur hinausläuft,
zurück! Dann sind wir beide in dieser Sache quitt.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Angelica Schwall-
Düren von der SPD-Fraktion.
m
w
l
d
B
i
A
r
l
k
M
A
w
m
M
n
w
k
w
A
c
u
w
Z
p
n
s
f
5
n
v
s
t
k
G
B
m
D
i
c
r
m
a
r
h
E
U
ber auch Europa hat über Jahrzehnte unser Land rei-her gemacht. Wir verdanken unseren Wohlstand undnsere Arbeitsplätze ganz wesentlich der Tatsache, dassir unsere Waren in 25 – bald 27 – Mitgliedstaaten ohneölle und Grenzbarrieren ausführen können. Der Ex-ortweltmeister Deutschland liefert fast zwei Drittel sei-er Exporte in Länder der EU. Nach Angaben des Deut-chen Industrie- und Handelskammertages sichern diereien Grenzen für Waren und Produkte in der EU circa,5 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland.Deutschland und die EU stehen aber im harten inter-ationalen Wettbewerb globalisierter Ökonomie. Dieielen Herausforderungen, mit denen wir konfrontiertind, machen den Menschen auch Angst. Junge wie Äl-ere machen sich zu Recht Sorgen über die Auswirkungenomplexer Fragestellungen auf ihr persönliches Leben:lobalisierung, Klimawandel, Altern der Gesellschaften,edrohung der Sicherheit durch Terrorismus, nicht im-er gelungene Integration von Migranten sowie sozialerruck durch erbarmungslosen Wettbewerb. Dies trifftnsbesondere einfache Arbeitnehmer in Fertigungsbran-hen und Menschen mit geringer Qualifizierung.Wir können und wollen aber nicht auf Basis von nied-igen Kosten konkurrieren. Wollten wir dies versuchen,üssten wir die Strukturen der sozialen Sicherheit,uf denen Europas Gesellschaften aufbauen, dramatischeduzieren oder abschaffen. Das kommt für uns über-aupt nicht infrage.
s wäre ein Weg in den politischen und ökonomischenntergang der EU.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6549
)
)
Dr. Angelica Schwall-DürenIch darf an dieser Stelle aus einem Interview mitJean-Claude Juncker Anfang dieser Woche in der„Frankfurter Rundschau“ zitieren:Es wird der Zeitpunkt kommen, dass sich großeTeile der Arbeitnehmer gegen die systematischeVerunsicherung wehren werden, weil sie sich indiesem Europa und in ihren nationalen Staatennicht mehr aufgehoben fühlen.Deshalb schlussfolgert Juncker:Die Europäische Union muss auch eine Sozialunionwerden.Recht hat er.
Dabei haben viele Menschen längst akzeptiert, dassgegen Mikrochips und Internet keine künstlichenSchutzzäune helfen. Egal ob diese von links oder garvon rechts gezogen werden: Beides endet im Kreis. EinePolitik der Insel der Glückseligen entbehrt jeder rationa-len Analyse. Sie muss scheitern; denn letztlich verzichtetsie auf aktive und nachhaltige politische Gestaltung. Sienimmt die Menschen mit ihren Sorgen nicht wirklichernst und verstärkt populistische Grundströmungen.
Es ist klar, dass die Globalisierung den weltweitenWohlstand vergrößert hat. Um an dieser Entwicklungaber auf Dauer teilhaben zu können, müssen die richti-gen Weichen gestellt werden. Die Menschen wissen: Esbraucht Mut zur Veränderung und Mut, die Chancen die-ser neuen Entwicklung gezielt zu ergreifen. Aufgabe derPolitik ist es, mit diesem Mut und mit voller Schaffens-kraft voranzugehen, dabei die Menschen zu überzeugenund mitzunehmen.Deutschland übernimmt mit der EU-Ratspräsident-schaft und der Präsidentschaft in der G 8 im kommendenJahr besondere Verantwortung für die EU und für die po-litische Gestaltung der Globalisierung. Unsere gemein-same Politik ist von dem Willen geprägt, die Vertiefungund Erweiterung des europäischen Einigungsprozessesmit Entschlossenheit und Augenmaß voranzutreiben.Wir sind bereit, uns für eine gerechtere Welt einzusetzen.Ich nenne hier zwei Stichworte: WTO und Afrika-Strate-gie.Spürbar sind die großen Erwartungen, die unserePartner mit der deutschen Präsidentschaft verbinden.Dabei beziehe ich mich nicht ausschließlich auf die Er-wartungen hinsichtlich des Verfassungsvertrages, aufden wir in der Europäischen Union so dringend angewie-sen sind. Ich will hier auch einen Aspekt ansprechen, dermit Innovation zu tun hat, nämlich die europäischeEnergiestrategie. Es kommt hier nicht darauf an – darinunterscheide ich mich sicher von Herrn Kauder –,
dass es in der Europäischen Union eine Festlegung derNationalstaaten auf einen Energiemix gibt; denn die inDkeahdstDwfwgümmHGzeSLtgDlsvbWBBnikcdgsstwMsTvavsBSd
Metadaten/Kopzeile:
6550 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Die Tatsache, dass sich die Europäische Union miten Sozial- und Gesundheitsdienstleistungen beschäfti-en wird, deutet darauf hin, dass durch die wirtschaftli-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6551
)
)
Dr. Angelica Schwall-Dürenche Integration in der Europäischen Union der Bereichder Daseinsvorsorge immer stärker europäischen Ein-flüssen unterliegt. Wir müssen diesen Prozess in Europapolitisch gestalten. Nur so können zum einen die Wachs-tumspotenziale des Binnenmarktes bei den Dienstleis-tungen erschlossen werden, nur so kann zum anderen derZugang aller Bürger und Unternehmen zu hochwertigenDienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge inhoher Qualität und zu angemessenen Preisen auch künf-tig gewährleistet werden. Der Diskussionsprozess inEuropa hierzu muss fortgesetzt werden. Wir müssen ihnpolitisch gestalten und dürfen uns nicht auf reine Ab-wehrschlachten unter dem lauten Ruf nach Subsidiaritätzurückziehen.
Sonst besteht die Gefahr einer schleichenden Deregulie-rung.Vor diesem Hintergrund begrüße ich die Arbeiten imEuropäischen Parlament zur künftigen Gestaltung derDienstleistungen von allgemeinem Interesse ausdrück-lich.
Diese Debatte müssen wir auch auf der nationalen Ebeneführen.Liebe Kolleginnen und Kollegen, wodurch sind wirmotiviert? Menschen brauchen Arbeit – in Deutschland,Europa und anderswo. Nur sie sichert langfristig den Le-bensunterhalt. Wir brauchen mehr Arbeit und qualifi-zierte Arbeit zu fairen Bedingungen und zu fairen Löh-nen.
Jeder funktionierende Markt braucht freie und verant-wortliche Akteure. Das sichert Effizienz und Dynamik.
Mitbestimmung und Rechte für Arbeitnehmer sind Teilhoch moderner Politik.
Es ist gelungen, den Mitbestimmungsgedanken inEuropa zu festigen. Die Regelung zur Europäischen Ge-sellschaft zeigt das. Der dort gefundene Kompromisssollte bei weiteren Gesetzesvorhaben wie der anstehen-den Revision der Richtlinie über Europäische Betriebs-räte und der Regelung über die grenzüberschreitende Fu-sion von Unternehmen berücksichtigt werden.Unsere gemeinsame Politik hält fest am Ziel desWohlstandes für alle. Wir wollen, dass Menschen sicherund gut leben können. Deshalb organisieren wir Solida-rität und Sozialstaat.Wir Sozialdemokraten arbeiten in der großen Koali-tion mit Energie und Leidenschaft an den nötigen Vo-raussetzungen in Deutschland und in der EuropäischenUnion.Vielen Dank.dNWfvDlJuzÜhdWBEvRdklIwB7Stdd
Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Börnsen von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!ach Europa noch ein kurzer Blick auf die Kultur.
er fair und unvoreingenommen urteilt, der stellt auchür die Kulturpolitik der Bundesrepublik fest: Es gehtoran in unserem Land.
ie großen Kulturverbände und Kulturinstitutionen zol-en dem Wirken des Staatsministers bereits nach einemahr nicht nur Wohlwollen, sondern auch Anerkennungnd Respekt. Und diese Honorigkeit gilt einem Schwar-en, einem Profi der Politik, einem Parlamentarier ausberzeugung: Bernd Neumann, unserem Kollegen.
Viele der Kulturschaffenden, die heute applaudieren,aben noch vor einem Jahr vor Entsetzen die Hände überem Kopf zusammengeschlagen:
ie kann ein ausgewiesener Parteipolitiker die blauelume Kultur überhaupt schützen, stärken und in ihrerinmaligkeit sichern? Er kann es!
Erfolgreiche Kulturpolitik setzt einen Koordinatororaus, der in einem Klima der Freiheit für belastbareahmenbedingungen sorgt und der die Kulturschaffen-en wie die Kulturerlebenden begeistern kann. Auch dasann er!
Bereits zum zweiten Mal ist es dem Staatsminister ge-ungen, die Haushaltsmittel für die Kultur aufzustocken.n Zeiten verantwortungsbewusster Sparpolitik ist dasahrlich ein besonderer Erfolg. Das gilt auch für dieeibehaltung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes vonProzent in 2007.
In diesem und in anderen Kulturfeldern erfährt dertaatsminister der Union die Zustimmung der Opposi-ion. Das ist nicht selbstverständlich. Herr Kollege Otto,afür möchte ich Ihnen und den anderen ausdrücklichanken.
Metadaten/Kopzeile:
6552 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Wolfgang Börnsen
Der von Bernd Neumann praktizierte kollegiale Poli-tikstil schafft einen breiten Konsens, der der Kultur ins-gesamt gut tut. Kultur ist das Fundament unserer Gesell-schaft. Kultur ist das Kapital unseres Landes. Kultur istein exzellenter Standortfaktor. Kultur schließlich gibtden Menschen in unserem Land Orientierung, Lebensin-halt und Sinnerfüllung. Kultur ist der Bodensatz derIdentitätsbildung, ist Voraussetzung, um sich als selbst-bewusste Nation begreifen zu können.
Der Schlüsselsatz für die Kulturpolitik der Bundesre-gierung ist in der ersten Regierungserklärung von Bun-deskanzlerin Angela Merkel enthalten: Kulturförderungist keine Subvention, sondern eine Investition in die Zu-kunft. Daran orientiert, wurde konsequent und konkretgehandelt.Erstens. Der Kunststandort Deutschland wurde ge-stärkt.
Durch das Folgerecht im Kunsthandel wurden für Künst-ler in der Bundesrepublik endlich EU-weit vergleichbareBedingungen geschaffen.
Mit der Umsetzung des UNESCO-Übereinkommenszum Kulturgüterschutz wurde für den Kunsthandel beiuns und international eine verlässliche Grundlage ge-schaffen. 36 Jahre lang hatte man sich dieser Regelungverweigert. Die große Koalition brauchte vier Monate,um den Schutz von Kulturgütern zu sichern. Das nenneich eine Politik der Entschlossenheit.
Zweitens. Der Filmstandort Deutschland wurde ge-stärkt. Ab 2007 stehen den Filmschaffenden neben denFFA- und Ländermitteln jährlich weitere 60 Millio-nen Euro zur Verfügung. Das stärkt den Aufwärtstrenddes deutschen Films nachhaltig, das stabilisiert ihn, dasmacht ihn in einem Jahr großer Rekorde noch stärker.Fast 30 Prozent aller Kinoproduktionen kommen ausdem eigenen Land. Das ist ein Rekord. In diesem Jahrgibt es fast 150 Premieren von Filmen aus Deutschland.Das ist eine noch nie da gewesene Leistung der Film-schaffenden in unserem Land. Herzlichen Dank dafür!
Drittens. Der Musikstandort Deutschland wurdedurch zusätzliche Mittel für „Initiative Musik“ gestärkt.Unser Land kennzeichnet eine in der Vielzahl einmaligeund in der Qualität erstklassige lebendige Musikkulturmit fast 50 000 Chören, 1,3 Millionen Sängerinnen undSängern, 30 000 Orchestern und über 700 000 Instru-mentalisten. An dieser Stelle möchte ich stellvertretendfür alle Aktiven in der Breitenkultur den ehren- undhauptamtlichen Chorleitern, den Vorständen, Musiker-zEeDmdlw–mBsnleBdssktgbmEmn
ass auch der renommierte Bach-Chor in meiner Hei-atstadt Flensburg dazugehört,
em ich an dieser Stelle zu seinem 100-jährigen Jubi-äum gratulieren möchte, darf ich am Rande bemerken.
Kollege Börnsen, das musste unbedingt noch gesagt
erden. Ich bitte Sie aber, jetzt zum Schluss zu kommen.
Gut. – Ich möchte noch darauf aufmerksam machen
auch das gehört zum breiten Erfolg des Kulturstaats-
inisters dieser Bundesregierung –, dass wir mit dem
ode-Museum, mit dem Deutschen Historischen Mu-
eum und vielen weiteren Einrichtungen eine exzellente
eue und ausgebaute Museumslandschaft in Deutsch-
and bekommen haben. Insgesamt haben wir nicht nur
ine vitale, engagierte, aktive und kreative Hauptstadt
erlin mit viel Kultur, sondern wir haben auch viele an-
ere blühende Kulturstandorte in Deutschland, in un-
erem föderalen System. Ich glaube, darauf sollten wir
tolz sein und das sollte uns mutig machen für die Zu-
unft. Die Kulturpolitik ist auf einem Erfolgskurs.
Das war ein wunderbarer Schlusssatz.
Sie braucht Verbündete, nämlich Sie, die Abgeordne-
en.
Herzlichen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor ich der Kolle-in Petra Merkel für die SPD-Fraktion das Wort gebe,itte ich Sie darum, auch ihr noch die angemessene Auf-erksamkeit zukommen zu lassen.
s ist schön, dass Sie schon so zahlreich zur Abstim-ung erschienen sind. Ich denke, Ihre Gespräche kön-en bis zur Abstimmung aufgeschoben werden.Das Wort hat die Kollegin Merkel.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6553
)
)
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Sehr geehrte Damen und Herren! Mir wurde empfohlen,
meine Rede vorzusingen.
Das will ich Ihnen lieber ersparen. Herr Otto, ich glaube,
das wäre nicht gut.
Ich habe den Eindruck, dass unser Kulturstaatsminis-
ter Neumann in einer guten Kontinuität steht. Vieles,
was Herr Börnsen gerade gesagt hat, war sorgfältig vor-
bereitet. Ich will die Verdienste von Herrn Neumann
überhaupt nicht schmälern. Ich glaube, Sie haben sich
wirklich wacker geschlagen und viel für den Kulturbe-
reich herausgeholt. Schon im Regierungsentwurf war
eine erhebliche Steigerung der Mittel zu verzeichnen.
Ich will auch darauf hinweisen, dass Herr Kampeter und
ich als Vertreter der großen Koalition für diesen Bereich
noch einiges dazugelegt haben. Insofern sind wir im Be-
reich Kultur alle sehr erfolgreich.
Herr Gysi, zu Ihnen: Es ist das zweite Mal gelungen,
den Kulturetat zu steigern. Sowohl im Jahr 2006 als auch
für das Haushaltsjahr 2007 gibt es Steigerungen, die Sie
nicht wahrgenommen haben.
as nützt dem Bild unseres Landes und der Vermittlung
nserer Kultur.
Kollegin Merkel, ich habe Ihre Redezeit angehalten.
ch hatte die Kolleginnen und Kollegen schon vor Be-
inn Ihrer Rede darum gebeten, ihre Gespräche entwe-
er draußen zu führen oder sie einzustellen. Ich finde,
ir sollten uns, bevor wir zu dieser wichtigen Abstim-
ung kommen, auch noch die Argumente der letzten
ednerin in dieser Debatte anhören.
Da ich weiß, wie schwer das ist, wenn man zur Ab-timmung in den Plenarsaal kommt, versuche ich, gegenie Unruhe anzureden.Im Haushalt 2007 konnten wir die Mittel für dieeutsche Welle nicht aufstocken. Aber immerhin sindeine Kürzungen erfolgt. Die Kooperation zwischenRD, ZDF und Deutscher Welle kann schrittweise auf-ebaut und in verschiedenen Sendegebieten aufgenom-en werden.Die Deutsche Welle ist ein wichtiger Bestandteil desesamten deutschen Engagements in der auswärtigenultur- und Bildungspolitik. Ebenso wichtig sind aberuch die Mittlerorganisationen wie das Goethe-Institut.uch wenn diese im Haushalt des Auswärtigen Amtesngesiedelt sind, möchte ich die große kulturelle Bedeu-ung ihrer Arbeit deutlich machen.
ür ihre Arbeit stellen wir im Jahr 2007 13,5 Millio-en Euro mehr zur Verfügung.
Die Bereiche Film und Musik, die Deutsche Wellend das Goethe-Institut sind nur wenige Beispiele, die
Metadaten/Kopzeile:
6554 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Petra Merkel
verdeutlichen, welche Schwerpunkte wir im Rahmen derBeratungen des Haushalts für das Jahr 2007 gesetzt ha-ben. Diese Schwerpunkte werden ausstrahlen. Auch auf-grund der deutschen EU-Ratspräsidentschaft wird unserLand im Jahre 2007 ganz besonders im Mittelpunkt ste-hen.Die vom Bundesbeauftragten für Kultur und Mediengeförderten Institutionen und Projekte geben einenÜberblick über die deutsche Geschichte. Denkmäler undsymbolträchtige Orte ermöglichen Erinnerung, indemsie Geschichte erlebbar und spürbar machen. Viele sol-cher Orte sind in Deutschland zu finden. Eine besondershohe Dichte gibt es in Berlin, der Hauptstadt der Bun-desrepublik.Die Mauer war ein Symbol dieser Stadt. Sie war dasSymbol für die Teilung Deutschlands. Ich freue michüber das Ergebnis der Haushaltsberatungen, dass für dieGedenkstätte an der Bernauer Straße im Jahre 20083 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt werden.
Auch dies ist ein Zeichen dafür, dass die Konzeption desMauergedenkens, die vom Berliner Senat in Abstim-mung mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Kul-turausschuss des Bundestages und dem BKM erarbeitetworden ist, nun auch auf der Bundesebene in Angriff ge-nommen werden kann.Das Denkmal für die ermordeten Juden Europas stehtfür die schlimmste deutsche Vergangenheit. Damit dieStiftung ihre gute Arbeit fortführen kann, haben wir dieMittel, die wir für die Stiftung zur Verfügung stellen, um355 000 Euro erhöht. So können wir sicherstellen, dassdie auch aufgrund der hohen Besucherzahlen wachsen-den Anforderungen an die Stiftung bewerkstelligt wer-den können.
Daran, dass viele Menschen dieses Denkmal besuchen,wird deutlich, dass die Entscheidung für ein solchesDenkmal richtig war. In Anbetracht der vielen interna-tionalen Besucher zeigt dieses Denkmal die europäischeAufgabe, aus der Vergangenheit für eine gemeinsameZukunft zu lernen.Nun komme ich auf das sichtbare Zeichen gegenFlucht und Vertreibung zu sprechen. Flucht und Ver-treibung sind Teil der deutschen Geschichte. Auch dieserTeil unserer Vergangenheit ist im europäischen Zusam-menhang zu sehen. Für dieses Zeichen haben wir imRahmen des parlamentarischen Verfahrens für dasJahr 2007 750 000 Euro zusätzlich in den Haushalt ein-gestellt, Frau Göring-Eckardt.
Im Koalitionsvertrag heißt es:Wir wollen im Geiste der Versöhnung auch in Ber-lin ein sichtbares Zeichen setzen, um – in Verbin-dung mit dem Europäischen Netzwerk ErinnerungDKc„sNsisddvBVtDKindtadtndZMEcMBdwsbf
Im Haushaltsausschuss haben wir beschlossen, dassich der Bund an der Sanierung der Staatsoper Unteren Linden beteiligen wird;
as ist richtig. Die Sanierung der Staatsoper Berlin wirdom Bund mit 50 Millionen Euro unterstützt. Durch deneschluss des Haushaltsausschusses tritt der Bund inorleistung. Damit zeigt er seine Bereitschaft – ich zi-iere –,für die Erhaltung eines national bedeutenden, ein-zigartigen Kulturdenkmals Verantwortung zu über-nehmen.
ieses Zitat stammt aus der Presseerklärung von Steffenampeter, der an dieser Stelle ins Schwärmen geratenst.Die Finanzierung soll aufgeteilt werden: 50 Millio-en Euro soll der Bund übernehmen, 50 Millionen Euroas Land Berlin und 30 Millionen Euro sollen von priva-en Sponsoren aufgebracht werden. Wie es im Momentussieht, wird darüber mit dem Berliner Senat verhan-elt werden müssen. Herr Otto, im Hauptstadtkulturver-rag ist allerdings keine Festlegung in Bezug auf die Sa-ierung des Gebäudes erfolgt. So viel steht fest.Ich komme zur Museumsinsel. Ich freue mich beson-ers, dass es gelungen ist, den Beginn der Arbeiten imuge der Errichtung des Eingangsgebäudes für dieuseumsinsel auf 2009 vorzuziehen.
s soll dazu dienen, die schon jetzt anwachsenden Besu-herströme ab 2015 auf der Insel zu verteilen. Dieuseumsinsel entwickelt sich zu einem Magneten füresucherinnen und Besucher aus allen deutschen Bun-esländern und aus dem Ausland; Sie haben miterlebt,as sich seit der Eröffnung des Bode-Museums dort ab-pielt. Der Bund unterstützt den Bau des Eingangsge-äudes mit insgesamt 73 Millionen Euro, die ab 2009ließen. Bis 2015 soll die Umsetzung erfolgen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6555
(C)
)
Petra Merkel
Mir sei noch eine Bemerkung gestattet: Ich hoffe sehr,dass über die Form des Eingangsgebäudes noch disku-tiert wird. Ich bin sicher, dass durch die Einstellung derentsprechenden Mittel ab 2009 jetzt die Auseinanderset-zung darüber im Kulturausschuss beginnen kann. ÜberGeschmack lässt sich streiten. Liebe Kolleginnen und
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
Kollegen im Kulturausschuss, bitte tun Sie es!
Der Bund investiert viel in Berlin, wenn auch nicht
über die Haushaltskasse des Landes. Ich nenne die Sa-
nierungsmaßnahmen auf der Museumsinsel, das Ein-
gangsgebäude, das sind Bundesmittel für die Stiftung
„Preußischer Kulturbesitz“, an der Bundesländer und der
Bund beteiligt sind. Vieles, was in Berlin zu sehen ist, ist
eben von nationaler Bedeutung. Ich möchte darauf hin-
weisen, dass wir im Rahmen der Föderalismusreform im
Sommer dieses Jahres neben anderen, umfangreichen
Grundgesetzänderungen einen Art. 22 aufgenommen ha-
ben:
Die Repräsentation des Gesamtstaates in der Haupt-
stadt ist Aufgabe des Bundes. Das Nähere wird
durch Bundesgesetz geregelt.
Ich plädiere dafür, dass ein solches Berlin-Gesetz unter
anderem den Hauptstadtkulturvertrag und den Haupt-
stadtkulturfonds ablösen sollte. Als Auftraggeber, als
diejenigen, die das Grundgesetz geändert haben, müssen
wir die Diskussion darüber führen, was der Bund für die
Hauptstadt tun muss. Als Berlinerinnen und Berliner
müssen wir die Diskussion führen, was die Hauptstadt
den Bundesländern bietet. Als Bürger der Bundesrepu-
blik müssen wir schließlich darüber diskutieren, welche
Erwartungen an die Hauptstadt es gibt.
Während der Fußballweltmeisterschaft in diesem
Sommer haben viele Menschen erlebt, was diese welt-
offene Hauptstadt Berlin unbezahlbar, selbstverständlich
leisten kann – und das mit Freude tut.
Zum Schluss möchte ich darauf verweisen, dass das
Bundespresseamt, dessen Etat zum Einzelplan des
Bundeskanzleramts gehört, eine hervorragende Bro-
schüre herausgegeben hat, die den Besucherinnen und
Besuchern, die wir aus den Wahlkreisen nach Berlin ein-
laden, überreicht wird: „Das politische Berlin – ein
Stadtrundgang“. Das ist die gelungene Umsetzung einer
Idee, die ich an das Bundespresseamt herangetragen
habe. Ich glaube, dies dient genau dazu zu diskutieren,
was die Hauptstadt ermöglicht und was wir erwarten.
Diesen Diskussionsprozess brauchen wir.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und be-
danke mich bei allen Kolleginnen und Kollegen, bei dem
Herrn Staatsminister und den Vertretern der Ministerien.
p
A
a
a
s
h
r
ü
s
h
S
F
P
K
m
A
S
S
P
S
F
f
b
A
P
S
n
p
A
1
J
N
g
n
1)
entlichen Abstimmung über den Einzelplan 04 in der
usschussfassung. Ich bitte die Schriftführerinnen und
chriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen.
ind alle Schriftführerinnen und Schriftführer an ihrem
latz? – Ich eröffne die Abstimmung.
Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine
timme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der
all. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift-
ührerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu
eginnen.
Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen
bstimmung unterbreche ich die Sitzung.
Die unterbrochene Sitzung ist wiedereröffnet.Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Ihrelätze wieder einzunehmen. – Ich gebe das von denchriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergeb-is der namentlichen Abstimmung über den Einzel-lan 04, Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt, in derusschussfassung bekannt – das betraf die Drucksachen6/3104 und 16/3123 –: Abgegebene Stimmen 569. Mita haben 419 Kolleginnen und Kollegen gestimmt, mitein haben 150 Kolleginnen und Kollegen gestimmt. Esab keine Enthaltung. Damit ist der Einzelplan 04 ange-ommen.Anlagen 2 und 3
Metadaten/Kopzeile:
6556 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Vizepräsidentin Petra PauEndgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 569;davonja: 419nein: 150JaCDU/CSUUlrich AdamIlse AignerPeter AlbachPeter AltmaierDorothee BärThomas BareißNorbert BarthleDr. Wolf BauerGünter BaumannErnst-Reinhard Beck
Veronika BellmannDr. Christoph BergnerOtto BernhardtClemens BinningerCarl-Eduard von BismarckRenate BlankPeter BleserAntje BlumenthalDr. Maria BöhmerJochen BorchertWolfgang Börnsen
Klaus BrähmigMichael BrandHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeMonika BrüningGeorg BrunnhuberGitta ConnemannLeo DautzenbergHubert DeittertAlexander DobrindtThomas DörflingerMarie-Luise DöttMaria EichhornGeorg FahrenschonIlse FalkDr. Hans Georg FaustEnak FerlemannIngrid FischbachHartwig Fischer
Dirk Fischer
Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachHerbert FrankenhauserDr. Hans-Peter Friedrich
Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeDr. Michael FuchsHans-Joachim FuchtelDr. Peter GauweilerDr. Jürgen GehbNorbert GeisEberhard GiengerMichael GlosRalf GöbelDJPDURHMMMMKOHGUUMJBERKFJAHSDDADBHSABSVEJJJKMNDHTGDDJDDADKDPInEDPDr. Reinhard Göhnerosef Göppeleter Götzr. Wolfgang Götzerte Granoldeinhard Grindelermann Gröheichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundonika Grüttersarl-Theodor Freiherr zuGuttenberglav Guttingolger Haibacherda Hasselfeldtrsula Heinenda Carmen Freia Hellerichael Hennrichürgen Herrmannernd Heynemannrnst Hinskenobert Hochbaumlaus Hofbauerranz-Josef Holzenkampoachim Hörsternette Hübingerubert Hüppeusanne Jaffker. Peter Jahrr. Hans-Heinrich Jordanndreas Jung
r. Franz Josef Jungartholomäus Kalbans-Werner Kammerteffen Kampeterlois Karlernhard Kaster
olker Kauderckart von Klaedenürgen Klimkeulia Klöcknerens Koeppenristina Köhler
anfred Kolbeorbert Königshofenr. Rolf Koschorrekartmut Koschykhomas Kossendeyunther Krichbaumr. Günter Kringsr. Martina Krogmannohann-HenrichKrummacherr. Hermann Kuesr. Karl Lamers
ndreas G. Lämmelr. Norbert Lammertatharina Landgrafr. Max Lehmeraul Lehriedergbert Liebingduard Lintnerr. Klaus W. Lippoldatricia Lipsr. Michael LutherSWDDFLMHPDCSBDHBMDFEHRDUDSDBRRDTHDPEKKFJKDDAPAHHDKNGBCAIDDBWHKBTJJEtephan Mayer
olfgang Meckelburgr. Michael Meisterr. Angela Merkelriedrich Merzaurenz Meyer
aria Michalkans Michelbachhilipp Mißfelderr. Eva Möllringarsten Müller
tefan Müller
ernward Müller
r. Gerd Müllerildegard Müllerernd Neumann
ichaela Nollr. Georg Nüßleinranz Obermeierduard Oswaldenning Otteita Pawelskir. Peter Pazioreklrich Petzoldr. Joachim Pfeifferibylle Pfeifferr. Friedbert Pflügereatrix Philipponald Pofallauprecht Polenzaniela Raabhomas Rachelans Raidelr. Peter Ramsauereter Rauenckhardt Rehbergatherina Reiche
laus Riegertranz Romerohannes Röringurt J. Rossmanithr. Norbert Röttgenr. Christian Rucklbert Rupprecht
eter Rzepkanita Schäfer
ermann-Josef Scharfartmut Schauerter. Annette Schavanarl Schiewerlingorbert Schindlereorg Schirmbeckernd Schmidbauerhristian Schmidt
ndreas Schmidt
ngo Schmitt
r. Andreas Schockenhoffr. Ole Schröderernhard Schulte-Drüggelteilhelm Josef Sebastianorst Seehoferurt Segnerernd Sieberthomas Silberhornohannes Singhammerens Spahnrika SteinbachCGAMTLMADAVAGMKMPGKAKWEMDWWSDGGNInREDDKSSDUKDUPLVKCGDKWBEMUMDCMDDK
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6557
)
)
Metadaten/Kopzeile:
6558 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
TO zu reden sein wird:altigen historischen Fort-etzten Jahrhunderts nichter klaren Absage an jedeeits- und Verteidigungs-ngsorganisation und dier sehr viel zu verdankenständig Bekenntnisse ab- Situation. Wir bekennenPetra PauBodo RamelowElke ReinkePaul Schäfer
Volker Schneider
Dr. Herbert SchuiDr. Ilja SeifertDr. Petra SitteFrank SpiethDr. Kirsten TackmannAlexander UlrichJörn WunderlichSabine ZimmermannBÜNDNIS 90/DIEGRÜNENKerstin AndreaeMarieluise Beck
Volker Beck
Cornelia BehmBirgitt BenderMatthias BerningerGrietje BettinAlexander BondeEkin DeligözDr. Thea DückertHans Josef FellKai GehringKatrin Göring-EckardtABWPUDUSFRUMMDAJIch rufe den Tagesordnungspunkt I.9 auf:Einzelplan 05Auswärtiges Amt– Drucksachen 16/3105, 16/3123 –Berichterstattung:Abgeordnete Jürgen KoppelinHerbert FrankenhauserLothar MarkMichael LeutertAlexander BondeNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Ich höredazu keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.Als erster Redner in dieser Debatte hat der KollegeDr. Werner Hoyer für die FDP-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die Außenpolitik, insbesondere die internationale Poli-tik, hat Hochkonjunktur. Scherbenhaufen allerorten: Af-ghanistan droht der internationalen Gemeinschaft verlo-EWiHestbEdOuuBKzgWndbm
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6559
)
)
Wir haben im Übrigen auch in Afghanistan unsereVerpflichtungen punkt- und kommagenau erfüllt. Indes-sen stellen wir fest, dass im Süden zwei angeküdigtePRTs fehlen. Eines fehlt im Osten und die Quick Reac-tmeaDtblmsBfrzVüsswadANidAggnwnGufßbrtlüwuAWn
Wir müssen auch die Frage stellen, ob alles richtig ge-acht worden ist. Diejenigen, die mehr von militäri-chen Operationen verstehen als wir hier im Deutschenundestag, pfeifen es doch von den Dächern, wenn sieragen, ob es verantwortungsbewusst ist, so große Ope-ationen wie „Medusa“ ohne hinreichende Reserven an-ugehen. Und: Ist es denn gerechtfertigt, eine so großeerantwortung wie die ISAF-Führungsrolle im Süden zubernehmen, wenn dafür nicht die notwendigen militäri-chen Kräfte zur Verfügung stehen? Das mag jetzt allesehr technisch klingen. Aber die Politik, die die Verant-ortung für diese Einsätze trägt, muss diese Fragen be-ntworten können.Es kann doch nicht sein, dass wir sagen: Nicht nur istie NATO wichtig für Afghanistan, sondern umgekehrt:fghanistan ist heutzutage ungeheuer wichtig für dieATO. Ich sehe die Gefahren für das Bündnis, wenn wirn Afghanistan scheitern. Aber es kann nicht sein, dassie Raison d’Être der NATO nur noch in dem Einsatz infghanistan gesehen wird. Ich halte das für einen ganzefährlichen Ansatz.
Meine Damen und Herren, wir sind in einer schwieri-en Situation, weil wir selber im Norden natürlich auchicht nur Erfolgsstorys verbreiten können. Das habenir in der ISAF-Debatte hier auch besprochen. Die Ver-etzung der Entwicklungspolitik, der Politik auf demebiet der inneren Sicherheit, der Verteidigungspolitiknd der Außenpolitik ist bei weitem noch nicht so er-olgreich, wie wir uns das wünschen. Da nickt der Au-enminister und lächelt wissend. Also können wir selberei diesem Thema, das im Weißbuch der Bundesregie-ung eine wichtige Rolle spielt, noch einiges nachlegen.Wir müssen das Primat des Politischen vor dem Mili-ärischen einfordern. Wir müssen das militärisch und po-itisch Wünschbare mit dem militärisch Machbarenbereinbringen und wir müssen vorher immer wissen,ie man wieder herauskommt. Das ist Clausewitz purnd gilt heute wie früher.
Meine Damen und Herren, die FDP hat den meistenuslandseinsätzen zugestimmt, dem im Libanon nicht.ir sind leider kurz nach dem Beschluss in unserer Mei-ung bestätigt worden, nicht zugestimmt zu haben.
Metadaten/Kopzeile:
6560 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Dr. Werner HoyerAber das ist jetzt nicht das Thema. Entscheidend istdoch, dass möglicherweise – das war das Ziel – derUNIFIL-Einsatz Zeit kauft für den Ansatz für eine politi-sche Lösung. Da frage ich mich natürlich: Wo ist dennetwas zu erkennen, was die politische Lösung zumindestam Horizont erscheinen lässt?
Wo sind die entsprechenden Aktivitäten? Hier ist auchdie Bundesregierung gefordert. Ich denke, es wird Zeit– möglicherweise nach den amerikanischen Wahlen jetztauch mit mehr Aussicht auf Erfolg –, diesen Prozesswieder anzugehen. Seit dem Abgang von Bill Clinton istviel zu viel Zeit verloren gegangen.Schließlich komme ich zum Thema Abrüstungspoli-tik. Hier erwarten wir, Herr Minister – wir haben es hiermehrfach angemahnt –, eine Initiative Deutschlands;denn das Abrüstungsregime scheint am Ende, die Abrüs-tungspolitik scheint einzuschlafen, mit unabsehbarenKonsequenzen für die Machtverhältnisse und die Gefah-ren in dieser Welt.Frau Bundeskanzlerin, Sie gehen in eine G-8- und ineine EU-Präsidentschaft. Herr Kollege Link wird zumThema Europapolitik nachher noch einiges sagen. Wirwünschen Ihnen aus vollem Herzen und aus voller Über-zeugung viel Erfolg bei dieser schwierigen Aufgabe.Diese EU-Präsidentschaft muss ein Erfolg werden. Set-zen Sie Ihre Ziele nicht zu unambitioniert. Sie habeneine große Herausforderung zu bestehen. Die Erwartun-gen der europäischen Freunde sind enorm groß. Wir, dieLiberalen, wünschen Ihnen auf diesem Weg großen Er-folg.
Das Wort hat der Kollege Lothar Mark für die SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-gen! Die aufgeworfenen und aktuellen Fragen werden si-cherlich vom Außenminister und von Professor GertWeisskirchen auf unserer Seite mit in die Überlegungeneinbezogen werden. Ich werde als Haushälter für denBereich des Auswärtigen Amtes versuchen, einiges überdas Zahlenwerk des Auswärtigen Amtes zu sagen.Der Haushalt des Auswärtigen Amtes umfasst nachden Veränderungen, die wir im parlamentarischen Ver-fahren erreicht haben, 2,51 Milliarden Euro. Das ist eineSteigerung von insgesamt 120 Millionen Euro gegen-über dem letzten Jahr. Andererseits muss man allerdingsfeststellen, dass der Haushalt nur 0,93 Prozent des Ge-samthaushaltes ausmacht. Meines Erachtens ist dieseZahl etwas zu niedrig. Wir müssten anstreben, in abseh-barer Zeit auf mindestens 1 Prozent zu kommen.
NdtnlVdMdkbkpsssiodmVvltGmHFktauabtdkn1sDfJsosd
amit reagieren wir auf die Tatsache, dass trotz der Er-olge beim humanitären Minenräumen in den letztenahren jährlich immer noch 15 000 bis 20 000 Erwach-ene und Kinder von Minen und Blindgängern getötetder verstümmelt werden. Menschen in über 80 Ländernind durch Minen akut bedroht. Die Befreiung der Bö-en von Minen und Blindgängern ist Bedingung für
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6561
)
)
Lothar Markeinen Wiederaufbau in Kriegsgebieten und für ein Lebenohne Angst.
Der Titel „Unterstützung von internationalen Maß-nahmen auf den Gebieten der Krisenpräventionen, Frie-denserhaltung und Konfliktbewältigung“ wurde schonim Regierungsentwurf angehoben. Der Ansatz von12,6 Millionen Euro dient unter anderem dazu, den imKoalitionsvertrag aufgegriffenen Aktionsplan „ZivileKrisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsoli-dierung“ zu konkretisieren. Die erwähnten Mittel sindbeim Auswärtigen Amt ebenso ODA-fähig wie humani-täre Hilfe, die mit 50 Millionen Euro jährlich verstetigtwurde, einige Projekte und Einrichtungen der auswärti-gen Kultur- und Bildungspolitik und schließlich einigeAnteile von Beiträgen für internationale Organisationen.Die ODA-Quote ist von 1982 bis 1998 von0,42 Prozent auf 0,26 Prozent gesunken. Seit 1999wächst sie wieder. Im Jahr 2006 liegt sie bei rund0,36 Prozent. Im Haushalt 2007 wird der Anteil aller Vo-raussicht nach bei 0,37 Prozent liegen.Das hört sich sehr einfach an, ist aber äußerst schwie-rig zu erfüllen. Pro 0,01 Prozent Erhöhung benötigen wirnach aktueller Haushaltsbasis 225 Millionen Euro ODA-anerkannter Projekte. Ein Anteil von 0,7 Prozent, wieangestrebt, würde derzeit ein Mehr von 7,65 MilliardenEuro im Bundeshaushalt bedeuten.Zu den 0,37 Prozent ODA-Quote trägt das Bundesmi-nisterium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-wicklung circa 63 Prozent bei. 15 Prozent werden ausunseren Mitteln an die EU anerkannt, circa 10 Prozentsteuern die Bundesländer bei. Das Auswärtige Amt istmit circa 5 Prozent beteiligt. Dieser Anteil muss künftigerhöht werden.Wenn Deutschland im ersten Halbjahr 2007 die EU-Ratspräsidentschaft und den G-8-Vorsitz übernimmt,werden die außenpolitischen Erwartungen an uns weitersteigen.Schon jetzt gilt Deutschland weltweit als Friedens-macht und verlässlicher Partner. Der Haushalt 2007 desAuswärtigen Amtes steht deshalb auch im Zeichen die-ser neuen Herausforderungen. Im Auswärtigen Amtwurden dafür 15 neue Stellen sowie eine auf zwei Jahrebefristete Anhebung des Aushilfskräftetitels vorgesehen.Insgesamt stehen für den gesamten AufgabenkomplexEU- und G-8-Vorsitz 58,8 Millionen Euro zur Verfü-gung.Ein weiterer Schwerpunkt des auswärtigen Haushaltsliegt 2007 auf den Bemühungen, die personelle und ma-terielle Ausstattung der Visastellen an den Auslands-vertretungen zu verbessern
und diese auf die Einführung der Erfassung biometri-scher Daten vorzubereiten. Damit einher geht dann aucheine Verbesserung der inneren Sicherheit. So konnten er-flmdsdkdwzgmJddadnweGdsVawuDZsadFdABNcclalKEm
Die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik alsritte Säule der Außenpolitik wird in der Tat immerichtiger. Im parlamentarischen Verfahren konnten wir,um Teil einstimmig, Erhöhungen der Mittelzuweisun-en um insgesamt mehr als 20 Millionen Euro vorneh-en. Damit konnten die Kürzungen der vergangenenahre kompensiert werden. Trotzdem muss man sagen,ass wir insgesamt für die auswärtige Kultur- und Bil-ungspolitik pro Kopf und pro Jahr weniger als 7 Eurousgeben. Ich bringe in diesem Zusammenhang immeras Beispiel, dass man dafür noch nicht einmal eine Ki-okarte kaufen kann. Wir müssen also stärker in den aus-ärtigen Kultur- und Bildungsbereich investieren, umine nachhaltige und rentierliche Politik zu erreichen.
Ein besonderes Augenmerk hatten wir auf dasoethe-Institut gerichtet. Es ist bereits erwähnt wor-en: Wir haben 13,5 Millionen Euro zusätzlich bewilligt,odass dem Goethe-Institut circa 120 Millionen Euro zurerfügung stehen. Nun muss aber das Goethe-Institutuch die Reformkonzepte, die gemeinsam mit dem Aus-ärtigen Amt und dem Parlament ausgearbeitet wurden,msetzen.
azu gehört, dass die neuen Steuerungselemente undielvereinbarungen strikt eingehalten werden. Zudemollte meines Erachtens mit dem Finanzministeriumuch ein modernes Liegenschaftsmanagement ausgehan-elt werden, damit den Goethe-Instituten vor Ort mehrlexibilität ermöglicht wird.Meines Erachtens sollten alle anderen Kulturmittler,ie Zuwendungen aus dem Haushalt des Auswärtigenmtes erhalten, ab 2007 darauf vorbereitet werden, dassudgetierung und Controlling ab 2008 einzuführen sind.ur so kann deren Arbeit auf Dauer finanziell abgesi-hert werden.Im Sinne von Haushaltswahrheit und -klarheit spre-he ich mich zusammen mit meinem Berichterstatterkol-egen Frankenhauser und den anderen Kollegen dafürus, dass wir wie zum Beispiel beim Deutschen Archäo-ogischen Institut Titelzusammenfassungen in einemapitel herbeiführen und die Streulage der jeweiligeninrichtungen innerhalb des Einzelplans beenden, um soehr Transparenz herzustellen.
Metadaten/Kopzeile:
6562 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Lothar MarkDas Goethe-Institut muss allein schon von seinerAufgabenstellung her in der Zuständigkeit des Auswärti-gen Amtes bleiben. Andere Überlegungen, die Zustän-digkeit in Richtung Bundeskanzleramt zu verlagern, wiejüngst gefordert, sollten nicht weiter verfolgt werden.
Es handelt sich für mich dabei um eine Gummibärchen-diskussion, die letztendlich nur hinderlich ist.
Die deutschen Botschaften vor Ort sind aufgefordert,dafür zu sorgen, dass die deutschen Mittlerorganisatio-nen und sonstigen Institutionen und Organisationen – ichnenne hier die deutschen Auslandsschulen, den Deut-schen Akademischen Austauschdienst, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, das Deutsche ArchäologischeInstitut; man könnte auch die politischen Stiftungen, dieDeutsche Welle usw. einbeziehen – nicht nur bei Raum-fragen, sondern auch programmatisch verstärkt zusam-menarbeiten, weil so wesentliche Synergieeffekte erzieltwerden können. In diesem Bereich sollte aber auch dieZusammenarbeit mit Mittlerorganisationen anderer eu-ropäischer Staaten voranschreiten.Die Ansätze für die deutschen Auslandsschulen, zurFörderung der deutschen Sprache im Ausland, für Aus-tauschmaßnahmen und Beihilfen für Nachwuchswissen-schaftler, Studierende und Hochschulpraktikanten ausdem Ausland sind jeweils um 1 Million Euro erhöhtworden,
was meines Erachtens sehr wichtige Maßnahmen sind.Außerdem wurde der Ansatz für gesellschaftspolitischeMaßnahmen der politischen Stiftungen um 1,7 Millio-nen Euro und der Ansatz für die Öffentlichkeitsarbeitzur Auslandsberichterstattung über Deutschland um750 000 Euro erhöht. Das Deutsche Archäologische Ins-titut erhielt im parlamentarischen Verfahren zusätzliche500 000 Euro.
Kollege Mark, Sie müssen bitte zum Schluss kom-
men. Ich fürchte, Sie bekommen sonst Ärger mit den
Kollegen Weisskirchen und Griefahn.
Ja, ich komme zum Schluss. – Ich danke allen Be-
richterstattern, die mit mir in diesem Rahmen zusam-
mengearbeitet haben. Es war immer eine sehr verständ-
nisvolle Arbeit. Ich danke auch dem Außenminister ganz
herzlich für die offenen und fairen Gespräche und die
vertrauensvolle Arbeit. Ebenso danke ich den Mitarbei-
terinnen und Mitarbeitern im Auswärtigen Amt für ihre
aufopferungsvolle Arbeit in oft äußerst schwieriger Mis-
sion.
Vielen Dank.
F
W
i
V
t
e
D
n
g
d
r
n
d
w
n
D
g
E
h
e
p
d
u
s
M
s
z
V
ü
n
d
f
7
T
d
a
1
t
d
s
r
Das Wort hat der Kollege Michael Leutert für die
raktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!enn im Bundestag über Außenpolitik gesprochen wird,st sehr oft von Frieden und gestiegener internationalererantwortung Deutschlands die Rede. Auch im Koali-ionsvertrag steht in dem Kapitel zur Außenpolitik alsrster Satz:Deutsche Außen-, Europa- und Entwicklungspolitikdient dem Frieden in der Welt.ies ist ein Kernsatz, den wir natürlich unterstützen kön-en. Aber ich denke, wir als Opposition werden die Re-ierung nicht bloß an solchen Lippenbekenntnissen, son-ern auch an den Realitäten messen müssen und messen.Der Haushalt ist sozusagen die materielle Unterfütte-ung dieser Ziele. Ansonsten sind die Ziele das Papiericht wert, auf dem sie stehen. Wir sprechen heute überen Etat des Auswärtigen Amtes. Er umfasst – dasurde schon erwähnt – 2,5 Milliarden Euro. Das isticht einmal 1 Prozent des Gesamtetats.
ies ist die zivile Komponente der Außenpolitik. Dage-en steht ein Verteidigungsetat von über 28 Milliardenuro, der damit der zweitgrößte Einzeletat im Bundes-aushalt ist. Er umfasst weit über 10 Prozent des Gesamt-tats. Das ist die militärische Komponente der Außen-olitik.Der Wahrheit halber muss man dazusagen, dass voniesen 2,5 Milliarden Euro beim Auswärtigen Amt nochngefähr 600 Millionen Euro abgezogen werden müs-en, nämlich Beiträge an die UN für friedenserhaltendeaßnahmen, also Militäreinsätze, die unter UN-Mandattattfinden, für die Deutschland als Mitglied der UNahlt.Zu guter Letzt gibt es vom Auswärtigen Amt zumerteidigungsministerium eine Quersubventionierung,ber die hier eigentlich nie gesprochen wird. Nimmtämlich Deutschland an UN-Missionen teil, bekommt esafür von der UN Aufwandsentschädigungen. Diese um-assten in den Jahren 2003 bis 2005 immerhin4 Millionen Euro. Sie fließen allerdings nicht in denopf, aus dem sie finanziert wurden, sondern natürlich inen Topf des Verteidigungsministeriums. Wenn man sichllerdings die Größenverhältnisse anschaut – weniger alsProzent zivile Außenpolitik, mehr als 10 Prozent mili-ärische Außenpolitik –, dann müsste man eigentlich zuem Schluss kommen, dass diese 74 Millionen Euro we-entlich besser beim Auswärtigen Amt aufgehoben wä-en.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6563
)
)
Michael LeutertWir debattieren jedes Jahr im Haushaltsausschuss bei-spielsweise darüber, ob wir 11 Millionen oder 12 Milli-onen Euro für zivile Aufgaben wie das Minenräumenbereitstellen können und ob wir den Mehrbedarf derGoethe-Institute in Höhe von 16 Millionen Euro mit13 Millionen oder 14 Millionen Euro decken können.Man kann also sagen: Diese 74 Millionen Euro könntenuns bei der Finanzierung der zivilen Komponenten derAußenpolitik weiterhelfen.
Schon aus diesem Grunde kann meine Fraktion die-sem Haushalt nicht zustimmen. Ich möchte ein Beispielnennen, wie „ernsthaft“ es derzeit die Regierung mit derzivilen Komponente der Außenpolitik meint. Es gibt einso genanntes Aktionsprogramm „Zivile Krisenpräven-tion“. Es wurde von der Vorgängerregierung beschlossenund soll nun gemäß der jetzigen Koalitionsvereinbarungdurchgeführt werden. In diesem Aktionsplan „ZivileKrisenprävention“ ist ein Beauftragter im Range einesBotschafters beim Auswärtigen Amt vorgesehen.Ich war in der letzten Legislaturperiode noch nichtMitglied dieses Parlaments. Daher habe ich heute Mor-gen im Auswärtigen Amt angerufen, um einmal mit die-sem Beauftragten zu sprechen oder zumindest zu erfah-ren, wer dies eigentlich ist. Ich habe bis jetzt noch keineAuskunft über diesen Mitarbeiter im Range eines Bot-schafters bekommen. So ernst nimmt die Bundesregie-rung die zivile Komponente der Außenpolitik.
Meine Fraktion hat schon immer gefordert, dass derzivilen Komponente unbedingt Vorrang einzuräumen ist.Allerdings sieht das die Mehrheit des Parlamentes nichtso. Wir haben allein im September innerhalb von einerWoche drei Militäreinsätze im Sudan, in Afghanistanund im Libanon mit einem Umfang von über650 Millionen Euro beschlossen. Das ist ein Viertel desEtats des Auswärtigen Amtes. Wir haben Gegenstrate-gien aufgezeigt. Unser Vorschlag ist, dass die Bundes-regierung im Libanon nach dem Vorbild KSZE aktivwerden sollte und daran mitwirken sollte, eine Nahost-konferenz einzuberufen. Zumindest sollte ein entspre-chender Vorschlag unterbreitet werden. Die Bundesre-gierung ist aber auf diesem Gebiet bisher untätiggeblieben.
Kollege Leutert, gestatten Sie eine Zwischenfrage?
Ja, natürlich.
Sehr geehrter Herr Kollege Leutert, ich wollte Sie fra-
gen, ob Sie bereit sind, dazuzulernen, was die Frage
nach dem Beauftragten für Zivile Krisenprävention an-
geht. Wären Sie also bereit, zur Kenntnis zu nehmen,
dass dieser Beauftragte der Botschafter Dr. Däuble ist?
d
n
a
e
e
F
s
D
d
d
S
d
V
r
d
B
e
s
s
d
„
f
i
w
–
k
w
c
d
n
b
r
a
Herr Haibach, Sie wissen doch aus dem Ausschuss,ass ich sehr wohl bereit bin, dazuzulernen. Wir könnenächste Woche also gerne ein Gespräch mit diesem Be-uftragten führen.Wir hatten, wie schon gesagt, den Vorschlag gemacht,ine Nahostkonferenz abzuhalten, anstatt diesen Militär-insatz durchzuführen. Jetzt haben Italien, Spanien undrankreich die Initiative ergriffen und haben diesen Vor-chlag, eine Nahostkonferenz zu installieren, vorgelegt.ie Bundesregierung hat jetzt noch die Möglichkeit, aufer nächsten Konferenz der Staats- und Regierungschefser EU diesen Vorschlägen zuzustimmen. Ich fordereie auf, dies zu tun.Ich möchte Ihnen noch ein Argument nennen, warumer zivilen Komponente der Außenpolitik eindeutig derorrang gegenüber der militärischen Komponente einge-äumt werden sollte. Es liegt in der Natur der Sache,ass sich Militär, insbesondere Militär im Einsatz – dieundeswehr wird im Übrigen im Koalitionsvertrag alsine Armee im Einsatz beschrieben –, der demokrati-chen Kontrolle entzieht. Das wird durch folgendes Bei-piel deutlich. Ich habe eine einfache Frage an die Bun-esregierung gestellt:Wie viele „Body bags“ werden die deutschen Streit-kräfte bei der VN-Mission UNIFIL vor der libane-sischen Küste mitführen?Body bags“ sind Leichensäcke. Die Antwort lautete:Die im Rahmen der UN-Mission UNIFIL einge-setzten deutschen Kräfte führen die gemäß allge-meinem Ausstattungssoll vorgesehene Ausrüstungmit. „Body bags“ sind Bestandteil dieses Ausstat-tungssolls.Große Klasse! Das habe ich gewusst. Um das zu er-ahren, hätte ich die Frage nicht stellen müssen. Wennch frage, wie viel, dann möchte ich natürlich als Ant-ort eine Zahl bekommen.
Es besteht natürlich die Angst, dass in der Öffentlich-eit bekannt wird, mit wie vielen Opfern gerechnet wird.
Wenn wir Parlamentarier nicht einmal wissen dürfen,ie hoch die Risiken sind, wie sollen wir dann über sol-he Einsätze beschließen? Diese Dinge entziehen sicher demokratischen Kontrolle. Wenn die Regierungicht einmal in der Lage ist, solche einfachen Fragen zueantworten, dann frage ich mich natürlich, was das Ge-ede der Bundeskanzlerin im September sollte, als sienkündigte – dies war in verschiedenen Zeitungen nach-
Metadaten/Kopzeile:
6564 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Michael Leutertzulesen –, dass der Militäretat aufgrund der gestiegeneninternationalen Verantwortung in den nächsten Jahrennatürlich weiter erhöht wird.
Kollege Leutert, gestatten Sie eine weitere Zwischen-
frage?
Nein, jetzt nicht.
Herr Außenminister, ich habe den Eindruck, dass das
Auswärtige Amt, wenn diese Entwicklung so weitergeht,
ein nachgeordnetes Amt des Bundesverteidigungsminis-
teriums wird.
Wenn Sie allerdings dagegen ankämpfen möchten, dann
haben Sie uns auf Ihrer Seite. Wir wollen einen starken
Außenminister für eine friedliche und zivile Außenpoli-
tik und keinen starken Kriegsminister.
Ich danke.
Das Wort hat der Kollege Herbert Frankenhauser für
die Unionsfraktion.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! In derDemokratie wird man leidensfähig,
wie man wieder deutlich an dem vorangegangenen Bei-spiel gesehen hat. Aber es gibt auch Erfreuliches, so zumBeispiel die glückliche Fügung, dass mein hoch ge-schätzter Kollege Lothar Mark in Haushaltsdebatten im-mer vor mir spricht; denn nicht einmal ich selbst hätteden Einzelplan 05 so gut erläutern können, wie er dasgemacht hat. Dies gibt mir einen gewissen Freiraum, zuein paar grundsätzlichen und besonderen Dingen Stel-lung zu nehmen. Dies zeugt auch von der Harmonie, dienicht nur zwischen uns beiden, sondern auch in der gro-ßen Koalition besteht und die sich darin ausdrückt, dasszwischen uns praktisch kein Buchstabe passt.
– Es ist so.Ich darf mit Nachdruck seine Forderung unterstützen,dass Regierung und Parlament ständig überprüfen soll-ten, ob der Anteil des Einzelplans 05 am Gesamtbudgetda–AdtwvriwnisaZHsKgspsMfdrwfnnEgtpDmBDrdatn
Lieber Kollege, du weißt doch, wie schwierig das ist.ber wir bemühen uns. – Im nächsten Haushalt ist wie-er ein anteilsmäßiger Aufwuchs zur Erhöhung der Mit-el für die Umsetzung der ODA-Quote vorgesehen. Wirollen auch sonst versuchen, bereits im Aufstellungs-erfahren eine bessere Dotierung des Einzelplanes zu er-eichen,
n dem sich unter anderem ein Juwel der deutschen aus-ärtigen Kulturpolitik verbirgt, das ich hier einmal be-ennen muss: das Deutsche Archäologische Institut, dasm Ausland exzellente Arbeit für Deutschland leistet,
o zum Beispiel in Ländern wie dem Iran, zu denen wirus verständlichen Gründen einen etwas schwierigenugang haben.Gestern Abend sind die Verhandlungen zum EU-aushalt verschoben worden, weil man sich nicht ver-tändigen konnte. Da will das Parlament mehr als dieommission. Bei uns ist es zumindest jetzt umgekehrtewesen. Das gibt mir Anlass, auf Folgendes hinzuwei-en, sehr geehrter Herr Außenminister: Die EU-Rats-räsidentschaft steht bevor. Man will auch unter deut-cher Ratspräsidentschaft für mehr Vertrauen werben.an will sogar einen erneuten Anlauf für eine EU-Ver-assung starten. Ich denke, das kann nur gelingen, wennas Vertrauen der Bürger in die doch etwas weit ent-ückte Institution „Europäische Union“ wieder verfestigtird.Das hängt stark damit zusammen, dass die Bürger dieeste Überzeugung haben müssen, dass ihr Geld ord-ungsgemäß und sinnvoll verwandt wird und man sichicht, wie dies ein sozialdemokratischer Haushälter imuropäischen Parlament getan hat – der Vorteil einerroßen Koalition ist, dass ein CSUler auch einen Sozi zi-ieren kann –, fragen muss: Sind unsere Regeln zu kom-liziert oder finanzieren wir lauter Betrüger?
as will ich doch nicht hoffen.Aber was ist in jüngster Zeit wieder passiert? Dazuöchte ich drei Beispiele nennen.Es gibt große Probleme bei der Ernährungslage derevölkerung im Senegal, insbesondere an der Küste.as liegt daran, dass die dortigen Fischer ihre Hauptnah-ung kaum mehr fangen können. Ursache dafür ist, dassie Europäische Union die Fischereirechte an der Küsteufgekauft hat. Ebenfalls werden der Bau, die Ausrüs-ung und der Treibstoff der Riesenschiffe, die das Haupt-ahrungsmittel der Küstenbewohner des Senegals abfi-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6565
)
)
Herbert Frankenhauserschen, von der EU subventioniert. Ich kann mir nichtvorstellen, dass so eine vernünftige europäische Politikaussehen kann.In Burkina Faso, einem der ärmsten Länder dieserErde, ist Milchpulver aus der Bundesrepublik Deutsch-land um mehr als die Hälfte billiger als die Milch, dievon den dortigen Milchbauern angeboten wird. Das liegtdaran, dass die Milch in Europa so stark subventioniertwird. Sie kann daher preiswerter verkauft werden, wasdazu führt, dass den Milchbauern in Burkina Faso dieExistenzgrundlage entzogen wird. So sollten unsereSteuergelder auf EU-Ebene nicht verwendet werden.
Es ist kaum zu glauben: Der Europäische Rechnungs-hof hat beispielsweise festgestellt, dass bei der For-schungsförderung der Europäischen Union die Kostenund Aufwendungen bei drei Viertel aller geprüften Vor-gänge schlichtweg doppelt abgerechnet wurden.
Hier muss es sich offensichtlich um eine konzertierteBetrugsaktion handeln. Wir sollten mit einem besserenBeispiel vorangehen. Ich denke dabei an die Fremdver-wendung der Mittel aus dem Stabilitätspakt durch Berlinund andere Bundesländer. Ich möchte herzlich darumbitten, Herr Bundesaußenminister, die Gelegenheit derEU-Ratspräsidentschaft zu nutzen, um den Bemühun-gen, die aus dem Europäischen Parlament kommen, einesorgfältigere Prüfung der Mittelverwendung durchzu-setzen, durch geeignete Mittel zu unterstützen. MeinesErachtens sollte es unter allen Umständen durchgesetztwerden, dass fehlgeleitete Mittel oder überwiegenddurch Betrug erschlichene Fördermittel der EU von denjeweiligen EU-Mitgliedsländern wieder zurückgeführtwerden. Wenn das nicht geschehen sollte, muss ein sol-ches Vorgehen mit entsprechenden Sanktionen belegtwerden. Ich will ein Beispiel nennen: In Spanien wurdenlediglich 4,9 Prozent der offenkundig fehlgeleiteten eu-ropäischen Mittel zurückgezahlt. Das kann nicht mit ei-ner ordnungsgemäßen Haushaltsführung in Einklang ge-bracht werden. Ich bitte Sie, soweit als möglich auch aufdie sinnvolle Mittelverwendung durch die EU-Kommis-sion selbst, nicht nur durch die Empfängerländer oderdie Empfänger in den Ländern zu sorgen. Hier hat derEuropäische Rechnungshof eindeutige Verstöße inner-halb der Europäischen Kommission festgestellt.Zumindest sind wir der europäischen Biersteuer ent-kommen. Bei der Kennzeichnungspflicht – nun schließtsich der Kreis zur von mir in anderem Zusammenhangzitierten Schwarzwälder Kirschtorte – sind wir nochnicht so weit, aber es könnte durchaus sein, dass wir,wenn die EU-Kommission so weiter macht, für dieKommissare demnächst eine Kennzeichnungspflichteinführen müssen: Achtung! Kommissare!Vielen Dank.
dNhtliRdgmtrnhwsmgbBwuAruzSgMwtzGdkgbztisDTshmn
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir alleier in diesem Hause unterstützen einen starken Multila-eralismus. Wer aber einen starken und effektiven Multi-ateralismus will, der muss auch selber bereit sein, mehrnternationale Verantwortung zu tragen, gerade auch imahmen der anstehenden deutschen EU- und G-8-Präsi-entschaften. Das tun wir bereits auf dem Balkan, in Af-hanistan, im Nahen Osten und im Kongo. Allerdingsüssen wir die deutsche Öffentlichkeit darauf vorberei-en, dass es dabei angesichts der gestiegenen Anforde-ungen und neuen Herausforderungen in der Zukunfticht bleiben wird. Ein Beispiel ist Darfur. Ich meine,ier muss die Bundesregierung endlich deutlich initiativerden, um eine internationale Schutztruppe durchzu-etzen.
Auch die Debatte um ein stärkeres deutsches Engage-ent im Süden Afghanistans kommt genau von diesenestiegenen Erwartungen. Für uns sind der Wiederauf-au und die Stabilisierung dieses Landes von zentraleredeutung. Es liegt auch in unserem Interesse, auchenn wir überwiegend im Norden sind, dass die Talibannd die anderen islamistisch-militanten Kräfte im Südenfghanistans mit allen Mitteln, das heißt auch militä-isch, bekämpft werden.Dennoch geht meines Erachtens die Kritik der USAnd Großbritanniens in Bezug auf mangelnde Unterstüt-ung durch Deutschland fehl. Die Art und Weise, wie imüdosten der Kampf gegen die Taliban und andereeführt wird, und zwar ohne dass diese militärischenaßnahmen von sichtbaren Aufbauprojekten begleiteterden, bringt die Bevölkerung eher gegen die interna-ionale Gemeinschaft auf, statt sie für diesen Aufbaupro-ess zu gewinnen.
enau das muss endlich beim NATO-Gipfel in Riga aufen Tisch. Ich habe heute Morgen die entsprechende An-ündigung, von Ihnen, Frau Merkel, gehört. Man darfespannt sein auf die Debatte und darauf, was Sie dortei den Partnern erreichen können.Es geht auch um unterschiedliche Befriedungskon-epte. Die müssen wir mit den Partnern offensiv disku-eren. Im Norden ist das – ich nenne das jetzt einfach so –ensible zivilmilitärische Konzept, an dem nicht nur dieeutschen, sondern auch Norweger, Schweden, Dänen,schechen und viele andere beteiligt sind, in einerchwierigen Region – was wir damals auch festgestelltaben –, immerhin Drogenanbaugebiet, mit verhältnis-äßig wenig Soldaten recht erfolgreich.Wenn wir den Kampf gewinnen wollen, geht es ebenicht nur um mehr Soldaten, sondern darum – ich
Metadaten/Kopzeile:
6566 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Kerstin Müller
möchte dazu die „Süddeutsche Zeitung“ von gestern zi-tieren –, für ganz Afghanistandas Zivile und das Militärische so zusammenzubin-den, dass die Afghanen wirkliche Hoffnung schöp-fen können.
Wenn das nicht gelingt, könnte Afghanistan zum Irak derNATO werden. Das müssen wir alle gemeinsam verhin-dern!
Wichtig ist – vielleicht können Sie etwas dazu sagen,Herr Außenminister –, dass sich die Bundesregierungdafür auch im Süden entwicklungspolitisch und mit zivi-len Projekten engagiert. Auch beim Polizeiaufbau müs-sen die Anstrengungen in ganz Afghanistan verstärktwerden. 40 Ausbilder und 12 Millionen Euro waren einguter Anfang, sind aber offensichtlich zu wenig. Geldund Personal müssen verdoppelt, wenn nicht verdrei-facht werden.
– Und nachhaltig eingesetzt werden.Fest steht: Afghanistan muss auch politisch stabili-siert werden. Allein militärisch ist diese Auseinanderset-zung nicht zu gewinnen. Genau das müssen wir in Rigamit den Partnern diskutieren.Meine Damen und Herren, die gestrige Ermordungdes libanesischen Industrieministers Pierre Gemayel istein großer Schock für uns alle. Eine erneute Destabilisie-rung des Libanon ist zu befürchten. Damit sind auch derErfolg der UNIFIL-Mission und der regionale Friedengefährdet. Deswegen brauchen wir jetzt und unter deut-scher EU-Ratspräsidentschaft neue politische Initiativenfür einen umfassenden Fahrplan für Nahost. Dazu gehö-ren Initiativen zur Stabilisierung des Libanons und Ge-spräche mit Syrien. Ich sage das trotz der Vorfälle: Sy-rien muss endlich die libanesische Souveränität achten,seine Unterstützung für die Hisbollah einstellen. Wirmüssen versuchen, Syrien aus der Achse mit Iran he-rauszubrechen. Das ist sicher nicht einfach. Das wäreaber ein echter strategischer Erfolg, der das Fenster zuFortschritten im Nahen Osten öffnen könnte.Die politische und humanitäre Lage in den palästinen-sischen Gebieten ist mehr als kritisch: Eine handlungsfä-hige Regierung der nationalen Einheit ist immer nochnicht gebildet. Die Hamas schießt weiterhin Raketen aufIsrael und Israel reagiert mit fatalen Militärschlägen.Auch hierzu erwarten wir unter deutscher Ratspräsident-schaft neue Initiativen. Das Nahost-Quartett muss end-lich wieder belebt werden.
Im Irak erleben wir erneut eine Spirale der Gewalt.Bei den Midterm-Elections hat US-Präsident Bush dieQuittung für eine verfehlte unilaterale Irakpolitik erhal-tnpwdOmUgAeKewFWVlrmbrvdSdsoßwKsfdfSezDdAraddesz
Ich finde es fahrlässig, dass die Bundesregierung sichchon jetzt darauf festgelegt hat, dass der endgültige Ab-ug Ende November erfolgen soll. Die Situation könnte
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6567
)
)
Kerstin Müller
noch eskalieren. Wir hoffen zwar, dass das nicht passiert,meines Erachtens muss der Abzug aber von der Lage vorOrt abhängig gemacht werden. Am 10. Dezember wirddie Regierung eingesetzt. In der Zwischenzeit darf aufkeinen Fall ein Sicherheitsvakuum entstehen. Andern-falls waren die hehren Worte über unsere Verantwortunggegenüber Afrika nichts wert. Wir wollen, dass dieserEinsatz erfolgreich bleibt.Vielen Dank.
Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen,Dr. Frank-Walter Steinmeier.
Dr. Frank-Walter Steinmeier, Bundesminister desAuswärtigen:Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren Abgeordneten! Wir haben jetzt nochgut einen Monat Zeit, um letzte Vorbereitungen für einunter außen- und europapolitischen Gesichtspunkten inder Tat außergewöhnliches Jahr zu treffen. Vor uns liegtein Jahr – einige, zum Beispiel Herr Hoyer, haben es an-gedeutet –, in dem uns sowohl innerhalb der Europäi-schen Union wie auch innerhalb des G-8-Rahmens großeinternationale Verantwortung auferlegt wird und in demuns große Erwartungen entgegengetragen werden. Sieerwarten sowohl von der Kanzlerin als auch von mir zuRecht, dass uns das Datum 1. Januar 2007 und die nach-folgenden sechs Monate bzw. für die G 8-Präsident-schaft das ganze Jahr besonders umtreiben. Sie werdenvielleicht durch diese Einleitungssätze verstehen, warumdie diesjährigen Haushaltsverhandlungen für mich ganzbesonders wichtig waren; denn wir stehen in diesemPunkt unter internationaler Beobachtung.Nachdem wir miteinander gestritten und verhandelthaben und zu Ergebnissen gekommen sind, ist dies derOrt und Zeitpunkt des Dankes. Ich möchte all denjeni-gen danken, die uns bei unseren Bemühungen unterstützthaben, eine immerhin leicht bessere Ressourcenausstat-tung der auswärtigen Politik sicherzustellen. Ich habemich über die Unterstützung gefreut, die uns hier imPlenum und auch in den Ausschüssen, dem AuswärtigenAusschuss und dem Haushaltsausschuss, widerfahrenist. Mein besonderer Dank gilt den Berichterstattern:dem Hauptberichterstatter Herrn Koppelin, der die Ver-handlungen wie immer souverän und pragmatisch ge-führt hat, Herbert Frankenhauser und Lothar Mark, die– das sei hervorgehoben – uns gerade bei der Mittelaus-stattung für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitiksehr unterstützt haben, auch Michael Leutert, selbstwenn wir gleich in einigen Punkten aneinander geratenwerden. Alexander Bonde darf ich sagen: Sie haben dieVerhandlungen kritisch begleitet, aber an den entschei-denden Punkten in der inhaltlichen Debatte unterstützt.
Deshalb vorab dieser Dank.iSBdvdhkbdDbuhiFsKLmhaJauenlbF2nhgImbvh1rsuzAi
Mit selbstbewusster Präsenz hat das jedenfalls auseiner Sicht nichts zu tun. Wir müssen uns immer einisschen mit denen vergleichen, mit denen wir uns auchergleichen können. Ich weise deshalb auf Folgendesin: Der diplomatische Dienst der Franzosen hat0 000 Personen mehr, der der Briten 6 000 mehr. Ichede dabei gar nicht von der massiven kulturellen Prä-enz dieser beiden Nachbarstaaten, denen wir auf Schrittnd Tritt immer wieder in den Regionen begegnen.
Deshalb bitte ich Sie, diesen Haushalt zu unterstüt-en, einen Haushalt, der aus meiner Sicht durchaus erstensätze für eine Verbesserung der Situation enthält undnsbesondere bei der auswärtigen Kultur- und Bildungs-
Metadaten/Kopzeile:
6568 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Bundesminister Dr. Frank-Walter Steinmeierpolitik Zeichen setzt. Für diesen Politikbereich habe ichmich auch hier im Parlament im letzten Jahr mehrereMale eingesetzt, um auf diesem Gebiet so etwas wie einekleine Trendwende einzuleiten.Vielleicht mussten wir erst alle miteinander lernen,wie wichtig die auswärtige Kultur- und Bildungspolitikist. Vielleicht haben wir das auch zu spät gelernt. Ich je-denfalls bin der Meinung, dass wir diese dritte Säule derdeutschen Außenpolitik in der Vergangenheit nicht ge-nug geschätzt haben. Entweder haben wir ihren Wertnicht erkannt oder wir sind davon ausgegangen, dass essich dabei um eine Art Luxusannex der deutschen Au-ßenpolitik handelt.Gerade in diesem Jahr, einem Jahr, in dem es zu gro-ßen Irritationen, vielen Missverständnissen und sogar zuhandfesten Konflikten zwischen Europa bzw. der westli-chen Welt und Teilen der arabisch-islamischen Welt ge-kommen ist, ist eines klar geworden – lassen Sie michdas als Antwort auf viele Redebeiträge, die ich hier ge-hört habe, sagen –: Wenn wir in Zukunft nicht noch häu-figer über das Verhältnis von zivilen und militärischenEngagements im Rahmen der Missionen, an denen wiruns beteiligen, reden wollen, und wenn wir nicht nochhäufiger über die Höhe des Haushaltsansatzes für zivileWiederaufbauleistungen, die bekanntlich immer zu ge-ring ist, streiten wollen, dann müssen wir die Elementeziviler und präventiver Sicherheit ausbauen.
Das bedeutet aber: Wir müssen uns auch in den Re-gionen, in denen es uns schwer fällt, verständlich ma-chen; wir müssen erklären, worauf es uns ankommt, undwir müssen alle Beteiligten davon überzeugen, dass esam besten ist, Lösungen möglichst gemeinsam anzuge-hen. Das verlangt mehr als nur eine Botschaft und einenBotschafter. Das bedarf der Ebene menschlicher Begeg-nungen und der Schaffung eines dichten Netzwerkeskultureller Beziehungen. Darüber hinaus sollten wir, wasunsere Auslandsschulen und den wissenschaftlichenAustausch betrifft, ehrgeiziger sein.Das sollten wir uns für die nächsten Jahre vornehmenund es auch in unseren Haushaltsberatungen berücksich-tigen. Diese Auffassung vertrete ich, obwohl ich michoffen gesagt sehr darüber freue, dass im Hinblick auf dasFlaggschiff unserer auswärtigen Kultur- und Bildungs-politik, das Goethe-Institut, eine Trendwende eingelei-tet werden konnte und wir nun auf dem Wege der Stabi-lisierung und der Verbesserung unserer Präsenz nachaußen sind.Um das, was ich zur auswärtigen Kulturpolitik gesagthabe, müssen wir uns kümmern. Seien Sie sich aber si-cher: Mir ist natürlich klar, dass der Schwerpunkt meinerund Ihrer Arbeit im nächsten Jahr woanders liegen wird.Die Agenda wird von Stichworten beherrscht sein, diewir alle kennen: von der Situation im Nahen Osten, inAfghanistan, im Kongo und im Iran und von der Status-lösung im Kosovo, die heute noch gar keine Rolle ge-spielt hat.AnkBifnwbdnvnlNssaAAwdlWüAkAmgdAbddswAdeshww
ll das wird uns in enormem Maße beschäftigen.Zwei dieser Stichworte möchte ich herausgreifen. Zu-ächst zur Situation in Afghanistan. Die Frau Bundes-anzlerin hat heute Morgen die gemeinsame Haltung derundesregierung dargelegt. Ihre Ausführungen möchtech nicht wiederholen. Ich finde, dass es gute Gründe da-ür gibt, unser Engagement im Norden Afghanistansicht aufzugeben und es auch nicht einzuschränken. Ichünschte mir aber, Herr Hoyer – hier bin ich viel näherei Ihnen, als Sie möglicherweise vermuten –, dass wiras, was wir tun, in der deutschen und in der internatio-alen Öffentlichkeit mit etwas mehr Selbstbewusstseinertreten würden.
Nachdem ich dies vorausgeschickt habe, sage ich Ih-en nun: Natürlich weiß ich, dass sich die Sicherheits-age in Afghanistan ausgesprochen schwierig entwickelt.atürlich weiß ich auch, dass wir dort, wo wir zuständigind, noch lange nicht am Ziel sind. Aber wir sollten die-es Thema auch einmal in entgegengesetzter Richtungngehen: Wenn die Stabilisierung überhaupt irgendwo infghanistan gelungen ist, wenn überhaupt irgendwo infghanistan in ganz bescheidenem Maße und viel zuenig sichtbar etwas für den Wiederaufbau getan wor-en ist – viele von Ihnen waren ja vor Ort, haben Schu-en und Krankenstationen besucht und sich über dieasserversorgung informiert –, wenn also irgendwoberhaupt etwas gelungen ist, dann ist das im Nordenfghanistans der Fall. Somit sollten wir auch die umge-ehrte Frage stellen: Ob es für eine andere Regionfghanistans von Vorteil wäre, wenn wir in unserem Be-ühen, im Norden des Landes für Stabilisierung zu sor-en und Wiederaufbauhilfe zu leisten, nachlassen wür-en.
Im Gegenteil: Vieles spricht dafür, dass wir unserenstrengungen dort sogar verstärken müssen, sowohlei der Schaffung von Einkommensmöglichkeiten fürie afghanische Bevölkerung als auch bei der Ausbil-ung der Polizei. Ich bemühe mich, auch im europäi-chen Rahmen mehr Sensibilität und Ehrgeiz dafür zuecken; solche Maßnahmen müssen nicht auf bilateralenstrengungen Deutschlands beschränkt bleiben.
Selbstbewusst dürfen wir in dieser Diskussion aucheshalb sein, weil sich unsere Philosophie, unser Ansatzines zivil-militärischen Zusammenwirkens, langsamichtbar durchsetzt, nicht nur bei den PRTs, auch inner-alb der NATO. Herr Hoyer, Sie dürfen gewiss sein, dortird nicht kleinmütig geredet von deutscher Seite. Wennir es der internationalen Staatengemeinschaft und den
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6569
)
)
Bundesminister Dr. Frank-Walter SteinmeierNATO-Partnern so leicht machten, stände es um die in-ternationale Diskussion schon länger anders. Wir tretendort sehr selbstbewusst auf mit dem, was wir tun. Wirhaben erst jüngst gemeinsam mit unseren norwegischenFreunden dafür gesorgt, dass mit Blick auf den NATO-Gipfel in Riga überlegt wird, diese zivile Komponentezu einem unauflöslichen Bestandteil des Engagementsaller NATO-Partner in Afghanistan zu machen. Ichglaube, das ist der richtige Weg.
Nach den Agenturmeldungen von heute Morgen wirdjetzt überlegt, im Süden Afghanistans, einer Region miteiner schwierigen Sicherheitslage – ganz ohne Zweifel –,so genannte Sicherheitsinseln zu schaffen. Das ist letzt-lich nichts anderes als ein etwas anders gearteter– notwendigerweise anders gearteter – Versuch, dort zi-vil-militärische Zusammenarbeit zu präsentieren, umauch der Bevölkerung im Süden, indem man ihr sicht-bare Wiederaufbauerfolge vor Augen führt, deutlich zumachen, dass es sich lohnt, nicht mit den Taliban zusam-menzuarbeiten.Ich habe schon vor einigen Wochen an dieser Stellegesagt – mit Blick auf Katastrophenberichte, die esschon damals gab und die aktuell verstärkt kommen –:Afghanistan ist aus meiner Sicht nur verloren, wenn wires aufgeben. Es gibt viele Gründe, es nicht aufzugeben:Die Lage der afghanischen Bevölkerung ist der eineGrund, die anderen Gründe sind heute Morgen genanntworden. Die internationale Staatengemeinschaft, von derwir ein Teil sind, darf dort nicht scheitern.
Noch größere Anstrengungen werden uns im NahenOsten abverlangt. Der Mord an dem libyschen MinisterGemayel, den ich noch im Sommer bei zwei Begegnun-gen kennen gelernt habe, zeugt davon, dass der Kreislaufvon Gewalt, der Sabotage wirklich jedes Ansatzes vonStabilität, durchbrochen werden muss. Deshalb kommtes für unsere Politik mit Blick auf das kommende Jahrdarauf an, die Zahl der Vetospieler entscheidend zu ver-ringern. Daran arbeiten wir mit Ehrgeiz, Herr Leutert,auch wenn das nicht jeden Tag in der Zeitung steht. Ichkann Ihnen versichern, Frau Müller, dass wir währendunserer europäischen Ratspräsidentschaft mit diesemEhrgeiz auch an Initiativen arbeiten werden, die von Eu-ropa ausgehen. Nur, Herr Leutert, von einem werden Siemich am Ende nie überzeugen: Ihnen hier im Parlamentoder der deutschen Öffentlichkeit Vorschläge und Initia-tiven zu unterbreiten, die gerade einmal die Titelzeile derZeitungen vom nächsten Tag erreichen. So etwas ist un-seriös und daran werde ich mich nicht beteiligen.
– Das war nicht gemeint; das wissen Sie auch.fsgstnnwbgnwsERPrrwzNtggRsIwzmSkLHtwbIdpedd
Für die FDP-Fraktion hat nun der Kollege Harald
eibrecht das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Außenminister, ich danke Ihnen, dass Sie einen be-rächtlichen Teil Ihrer Rede hier im Plenum für die aus-ärtige Kultur- und Bildungspolitik aufgewendet ha-en.
n der Tat können gerade durch diesen Teil der Politikort Türen geöffnet werden, wo die konventionelle Di-lomatie oftmals nicht richtig weiterkommt. Ich glaube,s ist wichtig, dass dort die auswärtige Kultur- und Bil-ungspolitik zum Tragen kommt.Um die wichtige Aufgabe der Konfliktpräventionurch die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik
Metadaten/Kopzeile:
6570 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Harald Leibrechtgewährleisten zu können, bedarf es aber auch eines an-gemessenen Budgets. Ich bin natürlich sehr froh darüber,dass für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik inden einzelnen Posten des Haushalts etwas mehr Geld zurVerfügung gestellt werden soll.Natürlich kann mit diesen Geldern aber erst dann er-folgreich gearbeitet werden, wenn sie richtig eingesetztwerden. Sie haben die Goethe-Institute erwähnt. Auchwir sind der Meinung, dass das wichtige Einrichtungensind. In der Tat sind hier aber große Sparmaßnahmenmöglich. Es geht nicht, ihnen einfach nur mehr Gelderzu geben, sondern sie müssen in ihren eigenen Struktu-ren sparen. Ich denke hier vor allem an Sparmaßnahmenin der Verwaltung.
Das Auswärtige Amt, der Hauptgeldgeber der Goe-the-Institute, muss für eine zügige Umstellung der Bud-getierung hinsichtlich der Goethe-Institute sorgen. Nurso können die Gelder flexibel eingesetzt und eventuelleEinsparmaßnahmen durchgeführt werden, um Geld fürandere wichtige Projekte der Goethe-Institute zur Verfü-gung zu haben.Weitere wichtige Schwerpunkte der deutschen Kul-turpolitik sind natürlich die deutschen Auslandsschu-len. Diese Schulen fördern in den entsprechenden Län-dern die kulturelle Vielfalt und vermitteln sowohl einpositives Bild von Deutschland als auch ein Verständnisfür die Meinungsfreiheit, die Rechtsstaatlichkeit und dieDemokratie. Über 90 Prozent der Schüler an diesenSchulen, die sich in freier Trägerschaft befinden, kom-men übrigens aus den Gastgeberländern. Sie sind alsokeine Deutschen, aber sie haben einen direkten Kontaktzu Deutschen und zur deutschen Kultur. Viele der Absol-venten dieser Schulen haben später wichtige – auch poli-tische – Ämter inne. Deshalb glaube ich, dass sich dieseInvestition im Ausland durchaus lohnt.
Ein weiterer wichtiger Bereich ist natürlich auch dieHumboldt-Stiftung. 40 ehemalige Humboldt-Stipendia-ten sind inzwischen Nobelpreisträger. Auch daran erken-nen wir, dass sich die auswärtige Kulturarbeit für unslohnt.Wir müssen, was die auswärtige Politik betrifft, überden Tellerrand hinausschauen. Ich bin deshalb froh, dasswir in Zentralasien waren. Denn dort ist deutlich ge-worden, dass es wichtig wäre, bei der internationalenKulturpolitik anzusetzen. Das wäre ein wichtiger Beitragzur politischen Entwicklung in diesen Staaten. Wir müs-sen ein Verständnis von Rechtsstaatlichkeit und Mei-nungsfreiheit vermitteln. Dafür können wir gerade un-sere Kultureinrichtungen nutzen.Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Ich binfroh, dass es mehr Geld für diese Einrichtungen gibt.Wir, die FDP, möchten die Bemühungen dieser Einrich-tungen auch weiterhin unterstützen. Wir werden sie aberauch sehr kritisch begleiten.Danke schön.UguDudwgpbDlsuAKwdwtSgllVembphtdAwbrüEsrPd
Das Wort hat der Kollege Eckart von Klaeden für die
nionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-en! Ein intensives und aufregendes Jahr in der Außen-nd Sicherheitspolitik liegt hinter der großen Koalition.iese Außen- und Sicherheitspolitik ist von Kontinuitätnd Wandel geprägt. Kontinuität gibt es zum Beispiel iner Balkanpolitik. Der Kosovoeinsatz der Bundeswehrurde unter Rot-Grün begonnen und wird von uns fort-esetzt.Die Kontinuität zeigt sich auch in der Afghanistan-olitik. Der Einsatz in Afghanistan wurde von Rot-Grünegonnen und wird von der großen Koalition fortgesetzt.as nicht nur national, sondern auch international ge-obte PRT-Konzept ist von Rot-Grün mit unserer Unter-tützung entwickelt worden. Es wird von uns fortgesetztnd von anderen übernommen.Es gibt aber auch Beispiele für einen Wandel in derußen- und Sicherheitspolitik von Rot-Grün zur großenoalition. Das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten istieder auf eine vertrauensvolle Grundlage gestellt wor-en. Das hat die Möglichkeit eröffnet, kritische Fragenie den Fall Kurnaz oder Guantanamo in den Vereinig-en Staaten anzusprechen, was Ihr Vorgänger, Herrteinmeier, sorgfältig vermieden hat.
Das Verhältnis zu Russland ist wieder vernünftig ein-eordnet worden. Es geht nicht allein um die wirtschaft-ichen Beziehungen, sondern bei der Betrachtung Russ-ands werden die innenpolitische Entwicklung und daserhältnis zu den Nachbarstaaten stärker als bisher mitinbezogen. Es wird Russland gegenüber deutlich ge-acht, dass die Frage, wie sich Russland seinen Nach-arn gegenüber verhält und ob bzw. wie es die Prinzi-ien, zu denen es sich im Europarat selber verpflichtetat, innenpolitisch umsetzt, ein Gradmesser für das Ver-rauen ist, das wir zu Russland haben können.Das verbesserte, auf Vertrauen fußende Verhältnis zuen Vereinigten Staaten hat es der Kanzlerin bei ihrenmerikabesuchen ermöglicht, deutlich zu machen, dassir Europäer kein Interesse an einer Russlandpolitik ha-en, die auf Abschottung und Isolierung Russlands ge-ichtet ist, sondern daran, dass Russland Europa gegen-ber offen bleibt und sich in unsere Richtung entwickelt.Das Verhältnis zu unseren Nachbarstaaten in deruropäischen Union ist auf eine neue Grundlage ge-tellt worden. Die Kanzlerin hat sich vor ihrer Regie-ungsübernahme zu einer Stop-over-Politik zum Beispielolen gegenüber verpflichtet. Vieles, was wir heute imeutsch-polnischen Verhältnis als Ressentiments erle-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6571
)
)
Eckart von Klaedenben, sind Überbleibsel falscher Ansätze unter Rot-Grün.Man muss den Polen allerdings auch sagen, dass, wennsie von uns die Stop-over-Politik einfordern, der Flugha-fen in Warschau nicht wegen Magenverstimmung ge-schlossen sein darf.Schließlich hält die große Koalition auch denMaastrichtvertrag ein. Gerade wenn wir darauf Wert le-gen, dass internationales Recht beachtet wird, dann müs-sen wir selber mit gutem Beispiel vorangehen.
Vor uns liegen die Präsidentschaften in der Euro-päischen Union und der G 8. Bei der G 8 geht es vorallem darum, den bestehenden und weiter wachsendenweltwirtschaftlichen Ungleichgewichten entgegenzuwir-ken und die Schattenseiten der Globalisierung, wie siesich vor allem in Afrika zeigen, zu bekämpfen. InEuropa müssen wir uns darum kümmern, dass die Le-thargie, die insbesondere durch das vorläufige Scheiterndes Verfassungsvertrags in Frankreich und den Nieder-landen begründet ist, zu überwinden und dafür zu sor-gen, dass Europa wieder eine Perspektive gewinnt.Dabei spielen auch die Fragen im Zusammenhang mitder Erweiterung, insbesondere die Frage nach dem Bei-tritt der Türkei, eine wichtige Rolle. Wir haben unsdazu verpflichtet, die Verhandlungen mit der Türkei er-gebnisoffen und mit dem Ziel des Beitritts zu führen.Die Türkei muss aber einsehen, dass sie ihre enormegeostrategische Bedeutung für Europa nicht missbrau-chen kann, um Bedingungen, denen sie selber in denVerhandlungen zugestimmt hat, nicht zu erfüllen. Wirbrauchen von der Türkei einen konstruktiveren Ansatz,damit die Verhandlungen weitergehen und dann zu demvon der Türkei gewünschten Ergebnis führen können.
Vor uns liegt der NATO-Gipfel. Die NATO wird sichstärker als bisher mit den internationalen Herausforde-rungen des transnationalen Terrorismus und des islami-schen Fundamentalismus, der Verbreitung von Massen-vernichtungswaffen, zerfallenden Staaten sowie demEinsatz von Energie und Rohstoffen als strategischeWaffen auseinander setzen müssen. Aber wir müssenauch darauf achten, dass dieser Gipfel nicht zu einem sogenannten Caveats-Gipfel wird, also zu einem Gipfel,bei dem in erster Linie über die Vorbehalte bezüglich desAfghanistaneinsatzes gesprochen wird. Wir alle habenein Interesse daran, dass die Mission in Afghanistan ge-lingt. Mit einem Schwarzen-Peter-Spiel ist niemandemgedient, weder den Mitgliedstaaten noch der NATO underst recht nicht Afghanistan.
Ich möchte dazu drei Bemerkungen machen. ErsteBemerkung. Es ist richtig, dass nationale Vorbehalte,so genannte Caveats, die ausschließen, dass bestimmteTruppen zur Unterstützung der Verbündeten eingesetztwerden, nicht akzeptabel sind, insbesondere dann nicht,wenn sie geheim sind. Wir müssen aber deutlich ma-cesulzCwSmSKgwsdsgktdzgk–t–zGsddmtbrNsddgd
Dritte Bemerkung. Wir alle, auch wir Deutsche, be-lagen Opfer, beklagen gefallene Soldaten in Afghanis-an. Ich finde, es ist der richtige Zeitpunkt, an diese Sol-aten und ihre Familien zu erinnern. Es ist aber zynisch,u glauben, dass man die Gefallenen des einen Landesegen die Gefallenen des anderen Landes aufrechnenann. Das hat mit Bündnissolidarität nichts zu tun.
Wenn Sie Zeitung lesen würden, Frau Kollegin, wüss-en Sie, wovon ich spreche.
Das ist nicht frech. Ich kann Ihnen gerne die Artikelukommen lassen, in denen das der Fall ist.Wenn solche Debatten geführt werden, besteht dieefahr, dass die Solidarität in den jeweiligen Bündnis-taaten abnimmt; denn in der Öffentlichkeit entstehtann der Eindruck, dass es darum geht, Verluste für an-ere zu übernehmen. Tatsächlich geht es aber darum, ge-einsam dafür zu sorgen, dass die Mission in Afghanis-an Erfolg hat.
Nationale Vorbehalte dürfen nicht – darauf habe ichereits hingewiesen – mit nationalen Verantwortungsbe-eichen verwechselt werden. Es ist richtig, dass sich dieationen sowohl geografisch als auch sachlich be-timmte Aufgaben vorgenommen haben; denn wenn je-er für alles zuständig ist, ist leider damit zu rechnen,ass sich niemand verantwortlich fühlt.Ich finde, wir können auf das, was wir bisher in Af-hanistan geleistet haben, wirklich stolz sein. Wir sindie Ersten gewesen, die im Rahmen von ISAF Kabul
Metadaten/Kopzeile:
6572 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Eckart von Klaedenverlassen und in einer Region die Verantwortung für Sta-bilisierung und Wiederaufbau übernommen haben. Aufden Erfolg des PRT-Konzepts habe ich schon hingewie-sen. Wir haben im Rahmen des Aufbaus und der Ausbil-dung der Polizei mittlerweile über 17 000 Polizisten aus-gebildet. Das reicht nicht und es muss weitergehen. Aberwichtig ist auch, dass wir uns den anderen Elementen,die zum Aufbau der Administration in Afghanistan er-forderlich sind, zum Beispiel die Bekämpfung des Dro-genanbaus, die Bekämpfung der Korruption und derAufbau der afghanischen Armee, mit ähnlicher Intensitätwie dem Aufbau der Polizei widmen.
Dabei kommt der Bekämpfung des Drogenanbauseine besondere Bedeutung zu. Ich will aber den Schwer-punkt auf den Aufbau der afghanischen Armee legen;denn ISAF bedeutet Internationale Sicherheitsunterstüt-zungstruppe in Afghanistan. Je mehr afghanische Solda-ten Schulter an Schulter mit ihren Kameraden in derNATO für die Stabilisierung des eigenen Landes kämp-fen, umso weniger kann bei der Bevölkerung der Ein-druck entstehen, dass die NATO dort eine Okkupations-aufgabe innehat.
Deswegen sind gerade der Aufbau und die Integrationder afghanischen Armee in das gemeinsame Projektauch unter dem Stichwort „Afghan Ownership“ von be-sonderer Bedeutung.Mir fehlt jetzt leider die Zeit, um auf weitere Punkteeinzugehen, zum Beispiel auf die Entwicklung im Sudanund auf die Entwicklung im Kongo. Ich glaube, dassbeide Stichworte deutlich machen, dass wir im Rahmender internationalen Gemeinschaft unsere diplomatischenBeziehungen auch zu aufstrebenden Mächten wie Chinaund Indien intensivieren müssen; denn China kommteine besondere Bedeutung gerade auf dem afrikanischenKontinent zu. Unser Interesse ist es, China mehr als bis-her in die Verantwortung für die Entwicklungen dort ein-zubeziehen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Alexander Ulrich für die
Fraktion Die Linke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! In die deutsche Ratspräsidentschaft und in denVorsitz Deutschlands beim G-8-Gipfel werden große Er-wartungen gesetzt. Das wird vonseiten der EuropäischenKommission immer wieder betont, wie letzte Woche imAuswärtigen Amt geschehen. Aber viele Regierungender EU-Länder glauben an eine nicht vorhandene Pro-blemlösungskompetenz dieser Regierung. Auch dieLinke im Bundestag bittet die europäischen Bürgerinnenund Bürger, ihre Erwartungen zurückzuschrauben. WeriBhswHMhwrVgKmgdagwDtdesWtdVkzufitKDdsdbgDbsKf
er Krieg gegen den Terror hat nicht zu mehr Demokra-ie, sondern auch in demokratischen Staaten zum Abbauemokratischer Rechte geführt. Es geht bei den Militär-insätzen ohnehin um andere Gründe, nämlich um Roh-toffe, Handelswege und geostrategische Vorherrschaft.ir brauchen eine andere Ausrichtung der Nahostpoli-ik. Sowohl die deutsche Ratspräsidentschaft als aucher G-8-Vorsitz bieten eine gute Gelegenheit, dieoraussetzung für eine ständige internationale Nahost-onferenz zu schaffen. Ebenso muss der Barcelonapro-ess so umgestaltet werden, dass er zur wirtschaftlichennd sozialen Stabilisierung der Region beiträgt. Deshalbordern wir die Bundesregierung auf, sich insbesonderem ersten Halbjahr 2007 intensiver mit eigenen Initia-iven in die Lösung des israelisch-palästinensischenonfliktes einzubringen.
azu gehört auch, Syrien ohne Bedingungen aktiv inen Friedensprozess einzubeziehen.Den Menschen in Palästina, insbesondere im Gaza-treifen, muss rasch geholfen werden. Materielle Hilfenurch die EU für die palästinensischen Autonomiege-iete müssen ohne Einschränkungen sofort wieder auf-enommen werden.
ie EU muss den in der demokratischen Wahl vom Fe-ruar dieses Jahres erklärten Willen des palästinensi-chen Volkes anerkennen.Europa muss einen zivilen Ansatz in der Krisen- undonfliktbewältigung verfolgen. Unser Ausgangspunktür eine Neubestimmung der deutschen und der europäi-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6573
)
)
Alexander Ulrichschen Außen- und Sicherheitspolitik ist daher: keine Be-teiligung an völkerrechtswidrigen Angriffskriegen, we-der unmittelbar noch mittelbar.
Dass wir auch am Irakkrieg beteiligt sind, kann ich Ih-nen versichern, Herr Außenminister. Ich wohne fünf Ki-lometer von der US-Airbase Ramstein entfernt. „Vondeutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen“, sagteeinmal Willy Brandt. Ich versichere Ihnen: Ramsteinliegt in Rheinland-Pfalz, also in Deutschland, und vondort geht völkerrechtswidriger Krieg aus.
Daher unterstützen wir, Die Linke, den Ramsteiner Ap-pell, der von vielen Bürgerinitiativen und der Friedens-bewegung getragen wird und der lautet: Angriffskriegesind verfassungswidrig. Von deutschem Boden darf keinKrieg ausgehen.Im Irankonflikt muss weiter verhandelt werden. Da-bei müssen auch die Sicherheitsinteressen des Iran be-achtet werden. Ganz nebenbei: Eine glaubwürdige Iran-politik kann nur der vertreten, der auch selber bereit ist,für nukleare Abrüstung zu sorgen. Kein Land der Welthat das Recht, über Massenvernichtungswaffen zu verfü-gen – nicht der Iran, aber auch kein anderes Land derWelt, Herr Außenminister.
Ich komme zur EU-Erweiterungspolitik. In der Frageder Beitrittsverhandlungen mit der Türkei werdenklare Aussagen vermieden. Die Gleichbehandlung derTürkei mit anderen EU-Beitrittsländern als Bestandteilder EU-Verhandlungen muss Gegenstand der deutschenBemühungen sein. Deutschland muss sich aktiv um einedie Interessen aller Verhandlungspartner berücksichti-gende Lösung der Türkei-Zypern-Frage bemühen. Klarist: Die Türkei muss Zypern als EU-Land voll akzeptie-ren. Ultimaten, wie sie von der finnischen Ratspräsident-schaft gestellt werden, bergen aber die Gefahr einesScheiterns der bisherigen EU-Perspektive der Türkei.Oder – das ist die Frage – kommt der Bundesregie-rung, insbesondere der Kanzlerin, die Zypernproblema-tik gerade recht, um einen Grund zu haben, für ihr Mo-dell einer privilegierten Partnerschaft zu werben? Wirwerden wahrscheinlich demnächst die doppelte Bundes-kanzlerin erleben, die morgens auf dem roten Teppichfür die EU-Beitrittsverhandlungen und abends bei CDU-Veranstaltungen für die privilegierte Partnerschaft wer-ben wird. Dieses Verhalten kann sich Deutschland wäh-rend der Ratspräsidentschaft nicht leisten. Die Kanzlerinmuss sich entscheiden; sonst ist die Glaubwürdigkeitdieses Landes in dieser Frage mehr als in Gefahr.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine Politik derBundesregierung für ein soziales und Frieden stiftendesEuropa ist nicht zu erkennen, weder für das erste Halb-jahr 2007 noch für die Zeit danach. Ökonomisch wirdEuropa als Ort der Deregulierung, Privatisierung undneoliberalen Entstaatlichung begriffen. Die MenschenvGtwhbbgbuLtuDdLEmwwdmsmmDsrnwkrzBGKe
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Sehr geehrter Herr Außenminister, Sie habenben angemerkt, dass noch nicht über den Kosovo
Metadaten/Kopzeile:
6574 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Marieluise Beck
gesprochen worden sei. Ihnen kann geholfen werden. Ichwerde dem sofort nachkommen.Neben den vielen Projekten, die der deutschen Rats-präsidentschaft und der Bundesregierung jetzt auf denTisch gelegt werden – mir würde, wenn ich in IhrerRolle wäre, etwas bange, weil diese Projekte eher einenFünfjahreszeitraum zu beanspruchen scheinen –, wirdeines unabdingbar sein: die Entscheidung über die Sta-tusfrage des Kosovo. Jeder, der sich mit dem Kosovolänger befasst hat, weiß, dass die Kosovo-Albaner nie-mals wieder unter das Dach des serbischen Staates zu-rückzukehren bereit sind. Die Herauslösung eines Lan-desteils aus einem Staat ist heikel und das sollte niemandschönreden.Natürlich wird auch versucht werden, das Kosovozum Präzedenzfall zu machen. Das Kosovo ist aber eineinzigartiger Fall. Das gilt vor allen Dingen, nachdemdie UNO das Kosovo zum Protektorat erklärt hat und mitder Resolution 1244 den Auftrag erteilt hat, in Verhand-lungen eine substanzielle Autonomie herzustellen. DerUNO-Sicherheitsrat wird also für die Letztentscheidungzuständig sein. Die Europäische Union – das wird dasEntscheidende sein – wird vor allen Dingen die Verant-wortung für die Entwicklung dieses Gebietes in ökono-mischer, ziviler und staatlicher Hinsicht übernehmenmüssen.Die Zeit ist reif, Entscheidungen zu fällen und denSchwebezustand zu beenden, damit die Menschen imKosovo endlich Perspektiven haben. Übrigens brauchenauch die Menschen in Serbien Klarheit. Diese Klarheitmuss mit einer Perspektive verbunden sein: Das ist dieEuropäische Union.
Es ist klar: Die Perspektive für die Länder des westli-chen Balkans nach diesem schmerzhaften Zerfall desgroßen Staates Jugoslawien muss letztlich ein Wiederzu-sammentreffen unter dem Dach der Europäischen Unionsein.Wir müssen bei den schwierigen Verhandlungen überden Status des Kosovo auch darauf bedacht sein, dass esgelingt, Serbien so weit wie möglich mitzunehmen undzu stabilisieren. Serbien sollte nicht gedemütigt werden.Das ist wichtig; denn Demütigungen sind gefährlich. Esist erschreckend, wie wenig weite Teile Serbiens nachwie vor bereit sind, sich mit der historischen Last desMilošević-Erbes auseinander zu setzen. Das gilt auch fürdie Nichtzusammenarbeit mit dem Haager Tribunal.
Ein weiteres Projekt ist die Neuformulierung der Poli-tik nach Osten. Es ist kein Geheimnis, dass wir Grüne dieEinschätzung, Putin sei ein lupenreiner Demokrat, nichtgeteilt haben und weiterhin nicht teilen. Natürlich istklar, dass wir gute Beziehungen zu Russland brauchen.Russland und die Europäische Union sind aufeinanderangewiesen, und zwar nicht nur wegen Rohstoffen undRessourcen, sondern auch aus politischen Gründen. Wirhaben schwerwiegende Krisen zu meistern – ich erinnereaszszsMsdgaspsRduFSgdAdTdsDgldmeswAshuHzsBEadD
Noch etwas Weiteres möchte ich im Hinblick auf dieuropäische Union sagen: Öffnen Sie Deutschland fürll die jungen Menschen aus den Transformationslän-ern im Osten, damit sie reisen und sehen können, wasemokratie ist.
Frau Kollegin!
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6575
)
)Marieluise Beck (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN):Das ist eine unverzichtbare und notwendige Investi-tion in unsere Zukunft.
Das Wort hat der Kollege Gert Weisskirchen, SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!In einem haben Sie, Frau Kollegin Beck, völlig Recht:Stabilität der Gesellschaften definiert sich nicht über diemilitärische Stärke eines Staates nach außen, sondernStabilität, besonders von sich modernisierenden Gesell-schaften, erkennt man an der Stärke ihrer Demokratien.Das ist genau der entscheidende Punkt, warum die Au-ßenpolitik der Bundesrepublik Deutschland darauf ge-richtet ist, dazu beizutragen, dass es überall auf der Erdestarke Demokratien und Zivilgesellschaften gibt, dieüber ihre Freiheit selbst bestimmen. Nur so können näm-lich von innen starke Staaten aufgebaut werden, die we-der von Problemen wie sozialen Konflikten noch vonFeinden der Demokratie umgeworfen werden. Das istder Auftrag der Außenpolitik, der insbesondere von derauswärtigen Kulturpolitik wahrgenommen wird.Vielen Dank, Herr Außenminister, dass Sie dazu bei-getragen haben, dass die auswärtige Kulturpolitik end-lich eine Trendwende vollzogen hat.
Gestern wurde Pierre Gemayel erschossen. Aber wo-rauf zielten diese Schüsse? Sie zielten – das ist ganzdeutlich – darauf, eine stabile innere Entwicklung desLibanon unmöglich zu machen. Pierre Gemayel war einengagierter Parlamentarier. Er steht für den Mut der Ze-dernrevolution.Einer der Gründe für die klare und deutliche Mehrheitfür das UNIFIL-Mandat im Deutschen Bundestag ist,dass dieses Mandat auf das politische Ziel gerichtet ist,die Souveränität des Libanon zu festigen und zu stärken.Denn nur wenn es ein souveränes Libanon gibt, bestehtauch eine Chance, dass der Nahostfriedensprozess neu inGang kommt. Die Schüsse, die Pierre Gemayel getötethaben, zielten darauf, diese Möglichkeit zu zerstören.Al-Hariri hat gestern sehr deutlich gesagt, er befürchte,dass dabei diejenigen als Drahtzieher ihre Hände mit imSpiel hätten, die schon seinen Vater erschossen hätten.Er hat gesagt: Die Freiheit der Politiker in diesem Landsoll erschossen werden.Ein Zeichen für die mutige Veränderung in diesemLand war die Zedernrevolution. Unser UNIFIL-Mandatist ein Zeichen dafür, dass wir mithelfen wollen, die De-mokratie im Libanon zu stärken, liebe Kolleginnen undKollegen.AbwdtnsmdzdtsRiQdFzdswsnrmndibUwveikkRsdeGdmVHCsa
Auch hier zeigen sich deutlich die Ziele der deutschenußenpolitik. Gemeinsam mit anderen wollen wir dazueitragen, Explosionen von Gewalt zu verhindern, Ge-altbereitschaft einzudämmen und die zivile Arbeit beier Bewältigung von Konflikten zu fördern. Deshalb be-eiligen wir uns so intensiv und engagiert an den Missio-en und Mandaten der Vereinten Nationen; denn siechaffen die Möglichkeit, die Konflikte dieser Erde inultilateralem Handeln so weit es geht zu bändigen.Das ist das Ziel unserer Außenpolitik. Es geht nichtarum – wie Sie ständig unterstellen –, die Außenpolitiku militarisieren, sondern darum, dafür zu sorgen, dassas Militär mit eingesetzt wird, um zivile und demokra-ische Prozesse zu unterstützen. Das können Sie überallehen, wo wir, die Bundesrepublik Deutschland, uns imahmen multilateraler Entscheidungen beteiligen, sei esn Afghanistan, sei es im Nahen Osten. Das bestimmt dieualität der deutschen Außenpolitik. Für diese Qualitäter deutschen Außenpolitik steht der Außenministerrank-Walter Steinmeier. Sie haben unsere Unterstüt-ung, die Unterstützung der SPD-Bundestagsfraktion.
Ich will auf etwas aufmerksam machen, was uns inen nächsten Jahren vermutlich noch sehr viel mehr be-chäftigen und sehr viel dramatischere Züge annehmenird – das betrifft übrigens alle demokratischen Gesell-chaften und alle Nationalstaaten –: Wir stehen vor ei-em Wandel, vor einem Prozess der inneren Verände-ung. Überall befinden sich Gesellschaften, die sichodernisieren, in einem ungeheuren inneren Beschleu-igungsprozess, ob in Frankreich – wenn Sie an dasenken, was vor einem Jahr in den Banlieues geschehenst – oder auch in manchen Städten Großbritanniens. Sierauchen auch nur nach Kreuzberg zu schauen. In denSA ist das ebenso ein Thema. Robert Putnam, einer derichtigsten Soziologen der USA, hat gerade eine Studieeröffentlicht – ich empfehle ihre Lektüre sehr –, in derr klar beschreibt, wie in Kalifornien – also einem Landn den USA, von dem man erwartet, dass es Integrations-räfte mobilisiert, damit es nicht zu inneren Brüchenommt – das Vertrauen in den Kommunen in solchenegionen, die sehr stark von Einwanderung geprägtind, dramatisch zusammenbricht. Das ist ein Zeichenafür, dass wir das, worum es zukünftig gehen wird, sehrrnst nehmen müssen.Ein anderer kluger – diesmal deutscher – Soziologe,eorg Simmel, hat schon zu Beginn des letzten Jahrhun-erts gesagt: „Der Fremde ist der, der heute kommt undorgen bleibt.“ Wir müssen also von einem homogenenerständnis des Nationalstaats Abschied nehmen und dieeterogenität nicht nur annehmen, sondern sie als einehance der inneren Bereicherung und – wenn es dennein muss – als Ausgangspunkt eines inneren Konflikteskzeptieren.
Metadaten/Kopzeile:
6576 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Gert Weisskirchen
Heute wird in den Niederlanden gewählt. Was michwundert, ist, dass im niederländischen Wahlkampf derMord an Theo van Gogh keine Rolle mehr gespielt hat.Selbst in diesem Land, das von sich selber sagt, es sei of-fen und in ihm werde hart über die inneren Konfliktediskutiert, zeigen sich Verdrängungsprozesse.Wir dürfen die Verdrängungsprozesse bei uns nichtakzeptieren, sondern wir müssen ganz bewusst auf dieIntegrationsdefizite aufmerksam machen. Das ist einProzess, der alle – ich wiederhole es: alle – sich moder-nisierenden Nationalstaaten überall in der Welt vordring-lich mit Integrationsaufgaben konfrontieren wird. Ichglaube, dass das, was augenblicklich in der auswärtigenKulturpolitik geschieht, sozusagen das Modell dafür ist,wie wir mit diesem Problem umgehen müssen.Ich erinnere daran: Das Goethe-Institut – das Ihnen,Herr Außenminister, anlässlich der Konferenz Ende Ok-tober in einigen Papieren dargestellt hat, wie wir mit sol-chen Themen umgehen sollten – hat sehr plastischherausgearbeitet, dass der kulturelle Dialog keine Veran-staltung ist, in dem es nur um fruchtbare Begegnungengeht. Vielmehr sind mit diesem Dialog Konflikte ver-bunden. Konflikte sind aber das Markenzeichen von sichmodernisierenden demokratischen Gesellschaften. Kon-flikte darf man nicht aus Angst sozusagen wegdrücken.Man muss sie vielmehr annehmen und unter dem Aspektunterschiedlicher Lebensentwürfe – dazu gehört der Is-lam – so verarbeiten, dass es zu einem Integrationspro-zess kommt.Wir müssen deutlich machen, dass Demokratie undFreiheit die Moderne repräsentieren. Alle, die sich die-sen Wert der Freiheit zu Eigen machen, haben bei uns ih-ren Platz. Das deutlich zu machen, ist eine Aufgabe, diesich bei der auswärtigen Kulturpolitik sehr plastischzeigt.Ich danke den Haushältern, dass sie mitgeholfen ha-ben, dass sich das Goethe-Institut modernisiert, Budge-tierungen einführt und mit seiner Arbeit dafür sorgt, dassdieses Modell der auswärtigen Kulturpolitik auch beiuns im Land seinen Platz finden kann.Vielen Dank.
Nächster Redner ist der Kollege Michael Link, FDP-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Es isteine gute Tradition, dass wir im Rahmen desEinzelplans 05 auch auf den EU-Haushalt eingehen.Herr Frankenhauser hat es bereits getan. Leider war erbisher der Einzige. Ich will daher für die FDP-Fraktioneinige Worte hinzufügen.
PcwmmhsHwdaWgRpsppgmtdmBsDDkfsdBVnWkt2rarpeViaE
Juristisch sind die beiden Themen nicht verbunden,olitisch sehr wohl. Die Gefahr, dass hier Gegenge-chäfte stattfinden, die am Schluss nicht zu einem euro-äischen Mehrwert, sondern wieder zu falschen Kom-romissen führen, ist groß. Deshalb: Passen wiremeinsam auf! Das ist eine Aufgabe des ganzen Parla-ents.Eigentlich bräuchten wir mehr parlamentarische Kon-rolle dessen, was wir an die EU zahlen. Gemessen anem, was wir heute an die EU zahlen – das sind deutlichehr als 20 Milliarden Euro pro Jahr –, gehen wir imundestag mit diesem ganzen Bereich äußerst nachläs-ig um.
ie parlamentarische Beratung des EU-Haushalts imeutschen Bundestag könnte völlig zu einer Farce ver-ommen, würden wir nicht endlich einmal zu einer Ver-ahrensweise kommen, bei der die Zahlungen an die EUo wichtig, so ernst und so konsequent behandelt wür-en, wie dies bei den Einzelplänen der Fall ist, die wir inerichterstattergesprächen usw. sehr genau behandeln.Beim Bereich der EU läuft das oft außen vor. Daserhandlungsergebnis des Rates wird oft mehr oder we-iger nur durchgewinkt. Wieso wird es durchgewinkt?eil wir es zur endgültigen Ratifizierung erst dann be-ommen, wenn es, zeitlich gesehen, bereits in Kraft ge-reten ist. Die jetzige Finanzielle Vorausschau 2007 bis013 werden wir irgendwann im Laufe des nächsten Jah-es zur Entscheidung bekommen. Dann ist der Zug aberbgefahren.Deshalb fordern wir von der FDP – das ist eine Forde-ung an das ganze Parlament; es ist eine Frage unsererarlamentarischen Selbstachtung –: Lassen Sie uns zuiner Behandlung dieses Bereiches kommen, die denerfahren bei den anderen Einzelplänen entspricht! Dasst außerordentlich wichtig. Dies wäre vor allem deshalbngeraten, weil wir hier über mehr als 20 Milliardenuro sprechen.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6577
)
)
Michael Link
Dieser Bereich entspricht, vergleicht man ihn mit denEinzelplänen, dem fünfgrößten Einzelplan. 14 Einzel-pläne sind kleiner und vier größer; das sollte man sicheinmal deutlich machen.Trotz allem wird dieses Thema nur im Einzelplan 60unter „Allgemeine Finanzverwaltung“ unter „ferner lie-fen“ abgehakt, und zwar, technisch gesprochen, als ne-gative Einnahmen. Technisch ist das zwar richtig. Aberwollen wir Europa nur technisch behandeln? Ich möchtesagen: Es ist politisch falsch, die Zahlungen an die EUnur dort zu behandeln. Wir müssen sie quasi wie eineneigenen Einzelplan behandeln. Es entspricht auch nichtder Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit, wenn wirdiesen Posten mehr oder weniger nur grosso mododurchwinken. Das Königsrecht des Parlaments, die Kon-trolle des Haushalts, wird auf diese Art und Weise wederauf der Einnahmeseite noch auf der Ausgabenseite nach-drücklich ausgeübt.
Wie wichtig mehr Kontrolle wäre, machen die Wortedes Präsidenten des Europäischen Rechnungshofes deut-lich. Er hat letzte Woche vor dem Europäischen Parla-ment Folgendes gesagt:Der Hof kann – insbesondere für die Ausgabenbe-reiche Landwirtschaft …; Strukturmaßnahmen; in-terne … und externe Politikbereiche – … keinen …Bestätigungsvermerk erteilen.Er stellt in weiten Bereichen „überhöhte Ausgabenerklä-rungen“ – das ist ein freundliches Wort für Trickserei;selbst dieses Wort ist noch freundlich – und „doppelteAbrechnung von Kosten“ fest.Ich frage mich also: Ist das, wofür wir unser Geld inder EU ausgeben – über 80 Prozent fließen ja in denAgrarfonds und in die Strukturpolitik –, vielleicht nichtzu betrugsanfällig? Abgesehen davon, dass es politischüberhaupt nicht sinnvoll ist, fast die gesamten Mittel nurin jene Bereiche zu stecken, die keinen europäischenMehrwert bringen.Es gibt also genügend Stoff für die Revisionsklausel2008/2009. Die deutsche Bundesregierung hat vor demHintergrund ihrer Ratspräsidentschaft jetzt die Chance,erste Weichen zu stellen. Denn selbstverständlich begin-nen die Verhandlungen und die Vorgespräche zu diesemThema bereits jetzt.Wir würden uns wünschen, dass die deutsche Bundes-re
Rede von: Unbekanntinfo_outline
„Giving national
parliaments scrutiny over EU funds“.
Herr Kollege, würden Sie bitte einmal auf die Uhr vor
sich schauen?
Jawohl.
–
r
s
e
F
l
W
s
w
P
n
l
u
n
s
z
e
F
g
w
s
g
s
s
e
e
b
l
t
d
s
e
U
s
F
g
p
Genau.
Den nationalen Parlamenten soll also ein Mitsprache-
echt gegeben werden. Das sollte auch bei uns im Hause
o sein. Dies sollte mit Respekt vor dem Geld der Steu-
rzahler dringend eingeführt werden.
Danke schön.
Das Wort hat die Kollegin Ursula Heinen, CDU/CSU-
raktion.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-egen! Kollege Link, gestatten Sie mir eingangs nur einort zu Ihrer Forderung, auch unser Parlament müsseich stärker mit dem EU-Haushalt befassen. Ich denke,ir als Deutscher Bundestag müssen dem Europäischenarlament Vertrauen entgegenbringen; denn das origi-äre Recht, den europäischen Haushalt zu kontrollieren,iegt natürlich beim Europäischen Parlament. Nicht vonngefähr haben wir viele deutsche Europaabgeordneteach Brüssel geschickt – Ihre Fraktion ist dort relativtark vertreten –, um dort Kontrollfunktionen wahr-unehmen. Ich glaube daher, dass wir uns mit unserenuropäischen Kollegen intensiver austauschen müssen.
Ich möchte eine zweite Anmerkung machen. In denachausschüssen wird sehr wohl über den EU-Haushaltesprochen. Ich kann das auf jeden Fall für den Land-irtschaftsausschuss bestätigen, für den es geradezu es-enziell ist, wie mit den europäischen Geldern umgegan-en wird. Ich glaube, dass wir da auf dem richtigen Wegind.Mit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschafttehen uns in der Tat sehr wichtige Monate bevor. Es istin besonderes Ereignis, weil es uns die Möglichkeitröffnet, in Europa Themen anzusprechen und voranzu-ringen, die uns ganz besonders wichtig sind. Der Kol-ege Hoyer hatte Recht, als er in seinem ersten Redebei-rag sagte, dass die Regierung durchaus ambitioniert anie nächsten Monate herangehen und sich hohe Zieletecken soll.Für uns steht dabei der Verfassungsprozess an aller-rster Stelle. Das besondere Merkmal der Europäischennion ist, dass sie eine politische Union ist. Im Gegen-atz zu anderen Formen von Zusammenschlüssen inreihandelszonen oder sonstigen Wirtschaftsvereinigun-en soll die Europäische Union mehr sein, sie soll ihrenolitischen Charakter wahren. Wenn sich die EU weiter
Metadaten/Kopzeile:
6578 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Ursula Heinenvergrößert, weil sie neue Mitglieder aufnimmt, darf ihrCharakter als politische Union nicht verloren gehen.Dazu brauchen wir den europäischen Verfassungsver-trag.Frau Bundeskanzlerin und Herr Außenminister, dieBundesregierung muss wirklich den Verfassungsprozesswieder in Gang bringen. Der Europäische Rat hat imvergangenen Juni einen Zeitplan vorgeschlagen, der imersten Halbjahr des nächsten Jahres präzisiert und kon-kretisiert werden soll. Am 25. März 2007, dem 50. Jah-restag der Römischen Verträge, soll es eine Berliner Er-klärung der Staats- und Regierungschefs der EU geben,die vor allen Dingen die Werte, die Aufgaben undGrundlagen der Europäischen Union darstellen soll. Je-der ist aufgefordert und aufgerufen, sich tatsächlich andieser Diskussion zu beteiligen.Es werden immer wieder Rufe laut, insbesondere ausden ganz linken Reihen, dass der Verfassungsvertrag sonicht umgesetzt werden muss. Ich möchte daher daranerinnern, dass in 15 Ländern die Parlamente den Verfas-sungsvertrag bislang ratifiziert haben.
– In Irland gab es beispielsweise eine Volksabstimmung. –Viele Menschen haben dem Verfassungsvertrag zuge-stimmt. Diese Tatsache müssen wir in den nächsten Mo-naten berücksichtigen.
Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Ulrich?
Nein.
Lassen Sie mich zu einem weiteren zentralen Themakommen, zur Erweiterung der Europäischen Union.Der Bundestag hat mit großer Mehrheit dem BeitrittRumäniens und Bulgariens in die EU zugestimmt,auch wenn es noch Defizite im Transformationsprozessgibt, etwa in den Bereichen Lebensmittelsicherheit undHygienestandards, ordnungsgemäße Kontrolle der EU-Fördermittel, Herr Link, sowie Innen- und Justizpolitik.Diese Defizite müssen selbstverständlich weiter über-prüft und behoben werden.Die Europäische Union wird ab dem kommendenJahr 27 Mitglieder zählen. Es sind beinahe – wir habenuns die Zahl gerade noch einmal zugerufen – eine halbeMilliarde Menschen in der Europäischen Union. Ab ei-nem gewissen Punkt müssen wir in der Tat verantwort-lich darüber nachdenken, wie groß die EuropäischeUnion eigentlich werden kann, ohne ihren Charakter alspolitische Union zu verlieren und – das hatte ich ein-gde–scu„TErWlgdttMnudplidsmfmdUenldcssEbsdsrndbßeTsZD
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6579
)
)
Ich freue mich, dass die Europapolitik der Bundesre-gierung auf einem wirklich guten Weg ist, und hoffe,dass die Beitrittsverhandlungen und die Gespräche mitunseren europäischen Nachbarn weiter zu guten Ergeb-nissen führen.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat die Kollegin Monika Griefahn, SPD-
Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Ich möchte an dieser Stelle als erstes unserem Au-
ßenminister danken. Seit er im Amt ist, hat er klar ge-
macht, dass Kulturpolitik innerhalb der auswärtigen
Politik nicht nur irgendein Aspekt ist, sondern ein zen-
trales Standbein. Ich finde, er hat das hier heute aus-
drücklich demonstriert. Herzlichen Dank dafür!
Seine Initiative ist besonders für die zahlreichen Mitt-
lerorganisationen ein wichtiges Zeichen; denn wir haben
in Deutschland immer noch das Problem, dass unser kul-
turelles Engagement im Ausland und seine Bedeutung
für Deutschland hier im Land zu wenig wahrgenommen
wird. Es wird zu wenig gesehen als etwas, das uns direkt
nützt, nämlich in der Anbindung der Länder und der
Menschen untereinander, derjenigen, die unsere Institu-
tionen besuchen – seien es die Schulen, sei es über den
Wissenschaftsaustausch, sei es das Goethe-Institut. Un-
ser kulturelles Engagement hat etwas damit zu tun, was
für eine Beziehung diese Menschen später zu Deutsch-
land haben; sie können selber Botschafter für Deutsch-
land werden, können mit uns Geschäfte machen und
können, wenn sie in politische Verantwortung kommen,
einen regen Kontakt mit uns haben und unsere demokra-
tischen Ideen mit vertreten. Ich glaube, das müssen wir
deutlich machen. Sie, Herr Minister, haben das sehr
deutlich gemacht, und auch dafür danke ich Ihnen.
Was mit dem zusätzlichen Geld für die Goethe-Insti-
tute geschieht, war in der heutigen Debatte ein Thema.
Herr Leibrecht, ich möchte darauf aufmerksam machen,
dass in einem sehr mühevollen Prozess ein neues Kon-
zept erarbeitet worden ist. Auch vom Goethe-Institut sel-
ber werden große Umstrukturierungen vorgesehen. Das
möchte ich hier ausdrücklich anerkennen. Ich finde es
gut, dass man in der Zentrale sparen will, dass man dort
Personal freisetzen will – das ist Teil des Konzeptes –,
u
a
p
d
S
r
w
d
e
d
e
e
E
I
g
c
ü
a
C
H
h
s
p
d
n
w
z
g
i
D
l
B
A
d
b
s
r
V
B
n
s
G
ü
Wir haben heute einen Antrag, der dieses Konzept be-
leitet, eingebracht, über den wir in den nächsten Wo-
hen diskutieren werden. Ich hoffe auf eine rege Debatte
ber diesen Antrag. Ich hoffe, dass wir ihn anschließend
uch hier im Plenum diskutieren können.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Thomas Silberhorn, CDU/
SU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Wie die außenpolitische Debatte heute gezeigtat, wird das Jahr 2007 ein spannendes Jahr für die deut-che Außenpolitik. Die Ratspräsidentschaft in der Euro-äischen Union und die G-8-Präsidentschaft werden unsie Chance geben, in der internationalen Gemeinschaftach unseren Maßstäben einer interessenorientierten undertegebundenen Außenpolitik eigene Akzente zu set-en. Lassen Sie mich einige Aspekte dazu ausführen.Die Risiken für unsere Sicherheit sind nicht gerin-er geworden. Die Situation im Nahen Osten, die Lagen Afghanistan oder geplante Terroranschläge ineutschland zeigen das. Für mich ist wichtig, festzustel-en, dass die NATO als unser wichtigstes militärischesündnis der Anker für unsere Sicherheit ist und bleibt.llerdings sehen wir auch, dass wir unsere Sicherheit iner Europäischen Union immer weniger von der NATOorgen können, sondern immer mehr gehalten sind,elbst Aufgaben der Friedenssicherung wahrzunehmen.Die Europäische Union hat in den vergangenen Jah-en gelernt, in der Außen- und Sicherheitspolitik neueerantwortung zu tragen. Wir sichern den Frieden inosnien und Herzegowina, im Kosovo und in Mazedo-ien. Dabei setzen wir auf eine enge Kooperation zwi-chen NATO und Europäischer Union. Beim NATO-ipfel Ende November werden wir mit unseren Partnernber die Rollenverteilung zwischen NATO und EU
Metadaten/Kopzeile:
6580 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Thomas Silberhornsowie über die Ausrichtung und Ausdehnung der NATOdiskutieren können.Wir müssen uns aber auch innerhalb der Europäi-schen Union noch enger abstimmen. Dazu gibt es nachmeiner Auffassung keine Alternative. Wir müssen unsdarauf verlassen können, dass Europa mit einer Stimmespricht und gemeinsam handelt, wenn es ernst wird. Des-wegen braucht die Europäische Union eine starkeGemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik.In Afghanistan leisten unsere Soldaten und Diploma-ten eine herausragende Arbeit. Ich glaube, wir müssenimmer wieder deutlich machen, weshalb wir diesen Ein-satz in Afghanistan erbringen: Wir sind nicht aus purerNächstenliebe dort. Wir engagieren uns in Afghanistan,weil dort Terroristen ausgebildet worden sind, die unsnoch heute bedrohen. Deswegen haben wir ein eigenesInteresse daran, dass dieses Land nicht erneut zum Aus-bildungscamp für Terroristen wird. Deswegen engagie-ren wir uns in Kabul und in den Provinzen beim Wieder-aufbau und bei der Stabilisierung dieses Landes. Wirbemühen uns um Sicherheit für uns und für das afghani-sche Volk.Wenn nun gefordert wird, dass die militärischenKräfte in Afghanistan insbesondere im Süden verstärktwerden sollen, scheint mir der Akzent der öffentlichenDebatte nicht ganz exakt gesetzt zu sein. Ich habe denEindruck, dass wir die Probleme im Süden Afghanistansnicht mit zusätzlichen Soldaten lösen können. Soldatenkönnen nur ein Zeitfenster öffnen, das wir für eine politi-sche Lösung nutzen müssen. Wir sollten deshalb allesdaran setzen, eine solche politische Lösung zu finden.Wir müssen, um Afghanistan zu stabilisieren, dafürsorgen, dass die Menschen wieder Hoffnung schöpfenkönnen. Das wird nur der Fall sein, wenn sie die interna-tionale Präsenz als Unterstützung für sich selbst verste-hen und erfahren können, und wenn beispielsweise beider Errichtung von Schulen und Krankenhäusern sicht-bar wird, dass es Fortschritte gibt und dass es Alternati-ven zum Drogenanbau gibt. Die Wiederaufbauhilfe, diewir leisten, wird nur dann bei den Menschen ankommenund nur dann eine gute Investition in die Zukunft desLandes darstellen, wenn wir für Sicherheit in diesemLand sorgen können. Ich denke, dass unser deutscherBeitrag gerade im Hinblick auf die afghanische Polizeiund Armee deshalb von ganz besonderer Bedeutung ist.
Die Kongomission steht vor der Beendigung. Wirkönnen von hier aus den PräsidentschaftskandidatenBemba nur aufrufen, die Ergebnisse der Wahl, die voneiner unabhängigen Kommission festgestellt wordensind, zu akzeptieren. Es ist nicht überzeugend, eineÜberprüfung dieses Ergebnisses bei Gericht zu beantra-gen und dann zuzusehen, wie eigene Leute exakt diesesGericht angreifen und damit die selbst beantragte Über-prüfung unmöglich machen. Wir müssen darauf drän-gen, dass dieses Wahlergebnis akzeptiert wird. AllesWeitere wird die Mission der Vereinten Nationen imKongo übernehmen können.ddbFwzsBttesnpgnwfpstgPwdtrZfbthdwGfwBpdTfddtnfihVV
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6581
)
)
Thomas SilberhornIch will allerdings auch darauf hinweisen, dass dieTürkei für uns ein wichtiger Nachbar und ein strategi-scher Partner bleibt und dass wir der Bedeutung dieserNachbarschaft durch die Entwicklung eines maßge-schneiderten Konzepts der Zusammenarbeit zwischender Türkei und der Europäischen Union Rechnung tra-gen müssen.Ich bin dafür, einen praktischen und realistischen An-satz zu wählen, um aus der Sackgasse eines alles odernichts herauszukommen. Stattdessen sollten wir auchFormen der Kooperation unterhalb der Vollmitglied-schaft in der Europäischen Union entwickeln.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen nun zur Abstimmung über den
Einzelplan 05 – Auswärtiges Amt – in der Ausschussfas-
sung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Ent-
haltungen? – Der Einzelplan 05 ist mit den Stimmen der
Koalition bei Gegenstimmen der Opposition angenom-
men.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt I.10 auf:
Einzelplan 14
Bundesministerium der Verteidigung
– Drucksachen 16/3113, 16/3123 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Johannes Kahrs
Susanne Jaffke
Bartholomäus Kalb
Jürgen Koppelin
Dr. Gesine Lötzsch
Alexander Bonde
Zum Einzelplan 14 liegt je ein Änderungsantrag der
Fraktion der FDP sowie der Fraktion Die Linke vor. Au-
ßerdem liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der
FDP vor, über den wir am Freitag nach der Schlussab-
stimmung abstimmen werden.
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Ich höre
keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Kolle-
gin Elke Hoff, FDP-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen!Verehrte Kollegen! Ich kann mich nicht daran erinnern,dass die Bundeswehr in ihrer 50-jährigen Geschichteschon einmal derart in der Öffentlichkeit gestanden hat,wie es in den letzten Monaten der Fall war. Ob dadurchjedoch in unserer Gesellschaft oder aufseiten der Bun-desregierung das „freundliche Desinteresse“ gegenüberdlisnstWgmetLSwHggshndBtgfSdhlwh„Igvw
Metadaten/Kopzeile:
6582 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Leider ist es bis heute noch nicht klar, welche Krite-rien in den nächsten Jahren für bestehende und zukünf-tige Auslandseinsätze der Bundeswehr gelten sollen.Das eine Mal mahnen Sie zur Zurückhaltung – die Gren-zen seien erreicht – und bringen in diesem Zusammen-hang unabgestimmt eine Rückführung der Soldaten ausBosnien ins Gespräch. Dann wieder bringen Sie dieBundeswehr ins Spiel, ohne dass deutsche Interessen er-kennbar betroffen wären. Mit in der Ressortabstimmungweichgespülten Formulierungen bleibt das Weißbuchhinter den vorsichtigen Definitionen Ihres Vorgängerszurück.
Ihr abwehrender Hinweis, es könne keine Checkliste fürAuslandseinsätze geben, zeugt nach meiner Auffassungvon einer erheblichen politischen Oberflächlichkeit ineinem der wichtigsten Bereiche, die staatliches Handelnzu erfüllen hat.cMJddmEAfnbmKlapfdpadIthsadmbcognCBhsnnsAwlIt
hnen gebührt parteiübergreifend Respekt und Hochach-ung für die Erfüllung ihres Auftrages.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6583
)
)
Susanne JaffkeIn diesem Zusammenhang möchte ich eine Anmer-kung zur Diskussion der vergangenen Tage über eineneventuellen Einsatz der Bundeswehr im Süden vonAfghanistan machen. Obwohl durch das Mandat, wel-ches wir hier mehrheitlich beschlossen haben, die Mög-lichkeit eines zeitlich begrenzten Antiterroreinsatzesauch deutscher Spezialkräfte außerhalb unseres zuge-wiesenen Gebietes zugelassen wird, hat es bisher ein of-fizielles Ersuchen der NATO dafür nicht gegeben. Ichdanke an dieser Stelle ganz besonders der Bundeskanzle-rin dafür, dass sie heute Morgen klar und eindeutig Stel-lung dafür bezogen hat, auch auf dem bevorstehendenNATO-Gipfel in Riga die restriktiven Einsatzregeln– die Rules of Engagement – für die deutschen Truppenweiterhin zu begründen und ganz besonders für das er-folgreiche Einsatzkonzept der zivil-militärischen Zu-sammenarbeit Deutschlands im Norden Afghanistans zuwerben. Wir sollten es also vermeiden, unsere Bundes-wehrsoldaten zu verunsichern.
Es zeigt sich, dass der Einsatz der Bundeswehr bei derZivilbevölkerung auf Anerkennung stößt. Die Wieder-aufbau- und Stabilisierungsarbeit der Bundeswehr wirdnicht nur vor Ort, sondern auch von den anderen Trup-penstellern hoch anerkannt. Dieser Aspekt kommt mir inder veröffentlichten Wahrnehmung wesentlich zu kurz.
Nun einige Anmerkungen zum Etat. Nachdem imEinzelplan 14 des Haushaltes über Jahre hinweg Kür-zungen hingenommen wurden, hatten wir bereits mitdem Haushalt 2006 eine Verstetigung des Ansatzes er-reicht und damit eine Wende eingeleitet. Nach Jahren er-fährt der Etat des BMVg jetzt einen Aufwuchs. Inklusiveder Versorgungsausgaben in Höhe von 4,037 MilliardenEuro weist der Gesamtetat des Bundesministeriums derVerteidigung 28,389 Milliarden Euro aus, was einemGesamtplus von circa 517 Millionen Euro entspricht.Ohne die Versorgungsausgaben steigt der Ansatz um472 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Wennman die erhöhte Mehrwertsteuer abzieht, die sich imJahr mit ungefähr 100 Millionen Euro pro Prozentpunktzusätzlich niederschlagen wird, dann bleibt unter demStrich ein zwar bescheidener, aber immerhin ein Auf-wuchs in Höhe von 172 Millionen Euro stehen.
Das entspricht der mittelfristigen Finanzplanung.Dieses Plus wird im Wesentlichen für die Verstärkungder verteidigungsinvestiven Ausgaben, für die Mate-rialerhaltung sowie für die Deckung der gestiegenenKosten der Betriebsstoffe verwendet. Die große Koali-tion wird damit den geänderten Rahmenbedingungendurch die Transformation der Bundeswehr zu einer Ar-mee im Einsatz und der Zunahme der Einsatzanforde-rungen im Rahmen internationaler Einsätze gerecht. Zielder Regierung ist es, Auftrag, Ausrüstung und hierfürzur Verfügung stehende Mittel in Einklang zu bringen.DnWwnBnndwsAhadwKndzdEksnNAeksmTwvsDWhzdtWAbdVBcTdngnSdBs
Metadaten/Kopzeile:
6584 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
An dieser Stelle will ich mich mit einer Behauptunguseinander setzen, die von mehreren Kollegen im Laufeer Debatte aufgestellt wurde. Uns, die wir vorschlagen,ie Mittel für die Bundeswehr zu kürzen, wird vorge-orfen, wir gefährdeten die Sicherheit deutscher Solda-en im Ausland. Diese Denunziation – als Argumentann man das nicht bezeichnen – will ich mit allerchärfe zurückweisen. Der entscheidende Punkt ist – dasst bekannt –: Wir sind dagegen, dass deutsche Soldatenn Kriegseinsätze ins Ausland gehen.
enn aber eine Mehrheit dieses Hauses deutsche Solda-en ins Ausland schickt, dann sind wir der Auffassung,ass alles für ihre Sicherheit getan werden muss. Wir un-erstützen jeden, der der Meinung ist, dass bei den Haus-altspositionen, die dazu dienen, die persönliche Sicher-eit der Soldatinnen und Soldaten zu stärken, nichtekürzt werden darf. Gerade wir haben immer wiederritisch angemerkt, dass Soldatinnen und Soldaten keinengemessene Ausrüstung und Kleidung haben. Ich erin-ere nur daran, dass sie sich Ferngläser bei Tchibo kau-en mussten. So viel zur Wahrheitsfindung und zur Rea-ität.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6585
)
)
Dr. Gesine Lötzsch
– Lieber Kollege Rossmanith, bitte regen Sie sich nichtauf! Das schadet Ihrer Gesundheit.
Ich will Ihnen darlegen, wo wir Einsparmöglichkeitenim Verteidigungshaushalt, Einzelplan 14, sehen. DieKollegin Hoff von der FDP ist darauf dankenswerter-weise schon eingegangen. Es gibt eine Reihe großerBeschaffungsprojekte der Bundeswehr, die gar nichtsmit der von der Regierung beschriebenen Bedrohungssi-tuation zu tun haben. Die Mittel für diese Projekte kannman guten Gewissens einsparen. Ich möchte Ihnen einBeispiel nennen. Die Geschichte des LenkflugkörpersPARS 3 begann im Jahre 1982, also vor einem Viertel-jahrhundert. Um es einmal zu illustrieren: Das jüngsteMitglied des Bundestages, die Kollegin Lührmann vonden Grünen, war zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht ge-boren.Damals gab es noch die Sowjetunion und den War-schauer Pakt, die über reichlich Panzer verfügten. DieseRakete war nur auf die Bekämpfung von Panzern spezia-lisiert. Die Entwicklungspartner – hören Sie gut zu,meine Damen und Herren! – Großbritannien und Frank-reich sind in den Jahren 1998 und 1999 aus diesem ver-alteten Projekt ausgestiegen. Richtig so. Sie hatten näm-lich zehn Jahre nach dem Mauerfall erkannt, dass es fürsolche Raketen keinen Bedarf mehr gibt. Übrigens istsehr bemerkenswert, dass die Engländer und die Franzo-sen aussteigen konnten. Immer wenn wir als Linke denAusstieg aus Beschaffungsprojekten wie zum Beispielbeim Eurofighter fordern, dann werden internationaleVerträge angeführt, die den Ausstieg für uns angeblichunmöglich machen. Ich frage Sie, Herr Minister: Warumkönnen die anderen aussteigen und wir nicht?
Hängt das vielleicht damit zusammen, dass die Bundes-regierung in den Verträgen Austrittsklauseln ausschließtoder so teuer macht, damit der Bundestag in seiner Sou-veränität eingeschränkt wird? Ich finde, meine Damenund Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeord-nete, dieser Frage sollten wir gemeinsam genauer nach-gehen.Zurück zu PARS 3. Ich will auch für die Zuschauer il-lustrieren, welche enormen Summen ausgegeben wer-den. Die Gesamtkosten für die Entwicklung und den Baudieser Rakete betragen rund 490 Millionen Euro. Nachbisherigen Plänen soll die Auslieferung der Rakete imJahr 2010 beginnen und 2014 abgeschlossen sein. Eineinziger Schuss einer derartigen Rakete würde den Steu-erzahler 1,3 Millionen Euro kosten. Stellen Sie sich ein-mal vor, wie viele Kindergärten oder Schulen Sie inIhrer Kommune sanieren könnten, wenn Sie den Gegen-wert von zwei oder drei Schüssen zur Verfügung hätten!Übrigens – darum verstehe ich auch die Erregung desKollegen Rossmanith von vorhin sehr gut; die war näm-lich schon proaktiv – ist der Hauptauftragnehmer einsüddeutsches Unternehmen, das den Firmen EADS undDedhkHSdaoddzdNnlgA1IrtlHwfgEbtuaraO
ie weder die Sicherheit unseres Landes noch die Sicher-eit unserer Museen erhöhen. Das kann man wirklicheinem Steuerzahler erklären.
ier werden die Rüstungslobbyisten auf Kosten derteuerzahler reichlich bedient. Ich schlage vor, dassiese Art der Subventionierung der süddeutschen Länderbgeschafft wird
der, wenn wir dafür keine Mehrheit bekommen sollten,ass wenigstens diese üppige Quersubventionierung füriese Bundesländer in den Länderfinanzausgleich einbe-ogen wird. Dann würde sich so manches im Verhältniser Länder etwas anders darstellen.
och eine kleine pikante Ergänzung: Der Hauptauftrag-ehmer der PARS-3-Raketen wurde für einen Preisnach-ass von 1,25 Prozent von allen Mängelansprüchen frei-estellt. Herr Jung, würden Sie zu Hause auf ein solchesngebot Ihres Klempners eingehen, Preisnachlass von,25 Prozent und dafür keine Garantieansprüche?
ch glaube, da bekämen Sie sicher heftigen Ärger mit Ih-er häuslichen Generalität.Wir als Linke fordern in unserem Entschließungsan-rag Einsparungen im Verteidigungshaushalt von 2 Mil-iarden Euro. Das sind nicht einmal 10 Prozent diesesaushaltes. Das können wir gerade so und die Bundes-ehr sehr gut verkraften. Wir sind für friedliche Kon-liktlösungen und wir denken, die Mittel des Verteidi-ungshaushaltes sollten im Laufe der Jahre alle inntwicklungshilfe und Maßnahmen zur zivilen Konflikt-ereinigung umgelenkt werden.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Johannes Kahrs, SPD-Frak-
ion.
Sehr geschätzte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnennd Kollegen! Da es hier gute Sitte ist, möchte ich michm Anfang bei den Kolleginnen und Kollegen Mitbe-ichterstattern ganz herzlich für die gute Zusammen-rbeit bedanken. Wir haben heute schon einige gehört.b es die Kollegin Jaffke, die Kollegen Kalb, Koppelin,
Metadaten/Kopzeile:
6586 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Johannes KahrsBonde oder auch die Kollegin Lötzsch sind, wir alle ar-beiten im Kern in der Sache dafür, dass wir die deut-schen Soldaten vernünftig ausstatten, damit sie, wenn sieim Ausland sind, eine Ausrüstung haben, die es ihnen er-möglicht, dort klarzukommen. Wir als Parlament, wir alsBerichterstatter und wir als Ausschuss kennen unsereVerantwortung und nehmen sie auch wahr.Zum Verteidigungshaushalt 2007 wurde in den Bera-tungen im Haushaltsausschuss entsprechend dem Ansatzdes Regierungsentwurfs mit einem Ausgabevolumen inHöhe von insgesamt 28,4 Milliarden Euro ein nach mei-ner Meinung vernünftiger Beschluss gefasst. Der Ansatzbedeutet im Vergleich zum Haushalt 2006 eine Verbesse-rung um rund eine halbe Milliarde Euro. In diesemHaushalt von 28,4 Milliarden Euro sind jetzt auch dieVersorgungsausgaben für ehemalige Beamtinnen undBeamte sowie Berufssoldatinnen und Berufssoldaten inHöhe von knapp 4 Milliarden Euro enthalten. DieseAusgaben waren bis zum letzten Jahr zentral imEinzelplan 33 veranschlagt. Sie sind für den Verteidi-gungsetat auf Dauer gesehen ein ziemliches Risiko. DieSteigerung in diesem Bereich wird, weil der Verteidi-gungshaushalt anders strukturiert ist als viele andereHaushalte, weil wir viele Zeitsoldaten haben, die auchwieder ausscheiden, zu anderen Belastungen führen. Ichbitte den Herrn Minister ganz herzlich, auf diese Beson-derheit zu achten, weil das in den nächsten Jahren imHaushalt zu überdurchschnittlichen Steigerungen vonjährlich einigen hundert Millionen führen kann. Ichglaube, man muss vernünftige Regelungen finden, damitder Verteidigungshaushalt nicht schlechter behandeltwird als andere Haushalte. Gleichzeitig muss man sagen,dass diese Steigerung – das ist das Gute am Verteidi-gungsetat – ungefähr dem entspricht, was in den letztenJahren festgelegt und unter Peter Struck beschlossenwurde.Die Betriebsausgaben in Höhe von 17,4 MilliardenEuro bleiben nahezu konstant. Die Personalausgabensind rückläufig und liegen deutlich unter 11,7 MilliardenEuro. Das bedeutet, dass wir für Personal weniger ausge-ben. Bei einem Personalkostenanteil von knapp 50 Pro-zent müssen wir auf diese Ausgaben ganz genauschauen.Wir haben einen deutlichen Mehrbedarf bei der Mate-rialerhaltung in Höhe von rund 1,9 Milliarden Euro undbeim sonstigen Betrieb in Höhe von 3,7 Milliarden Euro.Hier belasten insbesondere die erhöhten Treibstoffkostendiesen Haushalt.Die Ausgaben im Bereich der Betreiberlösungen sin-ken geringfügig und betragen in 2007 635 MillionenEuro. Die verteidigungsinvestiven Ausgaben steigen imVergleich zu 2006 um 350 Millionen Euro. Für militäri-sche Beschaffung sind 140 Millionen Euro mehr vorge-sehen.Deutliche Anstrengungen sind auch bei den militäri-schen Anlagen, also bei Kasernenanlagen und Unter-bringung, zu erkennen. Das war uns allen ein ganz be-sonderes Anliegen. Hier wollen wir 130 Millionen Euromehr ausgeben als im letzten Jahr. An dieser Stelle seimir eine persönliche Bemerkung gestattet zu einigen Ka-snwsssAmddKDhsSrobhtekBzzhIghznuzhsgk–SgRmdrIci–Gsd
Das hat ein anderer gesagt, der Bürgermeister einertadt, Frau Kollegin.Ebenso begrüße ich die Initiative unseres Verteidi-ungsministers in Sachen Bosnien-Herzegowina. Dieeduzierung der Bundeswehrtruppen in Bosnien kanneiner Meinung nach mittlerweile ins Auge gefasst wer-en. Gerhard Schröder hat einmal gesagt: Wer irgendwoeingeht, muss auch wissen, wie er wieder rauskommt. –ch glaube, das ist richtig. Wenn man sich die dortige Si-herheitslage anschaut, dann erkennt man, dass es dortnsgesamt ruhig und stabil ist.
Ich begrüße die Zustimmung zu dieser Aussage vonerhard Schröder durch Abgeordnete der Koalition.Ich wiederhole: Eine Reduzierung der Truppencheint mir sinnvoll zu sein. Wir müssen darauf achten,ass das dort Erreichte bei einem stufenweisen Truppen-
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6587
)
)
Johannes Kahrsabzug nicht gefährdet wird, dass er der Lage angepasstwird und dass es für die Bundeswehr eine Planungssi-cherheit gibt.Was den Auslandseinsatz in Afghanistan angeht,möchte ich, genau wie meine Kollegin Jaffke und an-dere, unterstreichen, dass der Auftrag, den die Bundes-wehr im Norden Afghanistans ausführt, wichtig ist. Sietut dies gut, verlässlich und vernünftig.
Ich habe bei der Truppe gelernt, dass es nicht sinnvollist, eingesetzte Soldaten mit einem festen Auftrag jenach aktueller Lage aus einem Auftrag herauszunehmenund zu verlegen. Wenn man sich das genau anschaut,dann erkennt man, dass eigentlich der alte militärischeGrundsatz gilt: Jeder Führer hat jederzeit und in jederLage Reserven zu bilden, die er einsetzen muss, wenn erProbleme hat. Es bringt überhaupt nichts, Soldaten, da-mit sie woanders eine andere Aufgabe erfüllen, heraus-zunehmen aus Aufträgen, die schwieriger sind, in dieman sich langfristig einarbeiten muss, in denen man dieLage vor Ort kennen muss und in denen man Kontaktezur Bevölkerung knüpft.Ich halte es für richtig und wichtig, dass wir Deut-schen darauf dringen, dass man sich über das Gesamt-konzept unterhält. Es kann natürlich nicht sein, dass die-jenigen, die im Süden Afghanistans eingesetzt sind,gänzlich allein dastehen. Auch da muss es eine vernünf-tige Lösung geben. Das kann aber nicht bedeuten, dassman Soldaten einfach quer durch das Land schickt, weilSoldaten aus militärischen Gründen woanders gebrauchtwerden. Unser Einsatz dort ist mehr als rein militärischerArt.
– Jawohl, Herr stellvertretender Fraktionsvorsitzender!Das deutsche Engagement ist insbesondere im Hin-blick auf die deutschen Provincial ReconstructionTeams, die PRTs, in Kunduz und Faizabad in Afghanis-tan zu begrüßen. Ich glaube, dass sich die Grundphiloso-phie des deutschen Konzeptes dort ganz besonders klarwiderspiegelt. Eine zivile und eine militärische Kom-ponente arbeiten dort integriert und gleichrangig zu-sammen. Das Personal kommt dabei aus dem Verteidi-gungsministerium, aus dem Auswärtigen Amt, aus demInnenministerium und aus dem BMZ. Dieses Personalsoll ressortübergreifend zusammenarbeiten. Ich glaube,dass dies für die Stabilisierung der Sicherheitslage undfür den Wiederaufbau Afghanistans wichtig ist.Es könnte auch die zukünftige Arbeit in Postkonflikt-situationen und die Beziehungen von Militär und zivilenKräften fundamental ändern. Das Afghanistankonzeptder Bundesregierung vom September dieses Jahreswurde von allen genannten Ministerien erarbeitet. Imvorgesehenen PRT-Konzept manifestiert sich die Er-kenntnis, dass militärische Lösungen allein in komple-xen Situationen nicht zielführend sind. Das haben dieAmerikaner im Irak übrigens ganz deutlich gemerkt:Man kann zwar militärisch gewinnen, hat aber den Frie-den noch lange nicht gewonnen. Ich glaube, das sollteuhanvrPtnmrdhgIe–wmmHntdwfaddltBmsKdaGeewlmwszddntdd
Natürlich gibt es neben diesen positiven Erfahrungenuch Probleme. So üben zum Beispiel Hilfsorganisatio-en heftige Kritik am PRT-Konzept, weil es auf eineermeintliche Vermischung von humanitären und militä-ischen Aktivitäten ausgerichtet ist. Darin sehen sie einroblem, insbesondere weil sie glauben, dass ihre Neu-ralität berührt wird.Schaut man sich das Ergebnis an, wird meiner Mei-ung nach anders herum ein Schuh daraus: Die Zusam-enarbeit zwischen diesen Kräften führt zu einer besse-en Akzeptanz von beiden Gruppen, insbesondere beier afghanischen Bevölkerung. Man muss die Vorbe-alte gegen das zivil-militärische Zusammengehen auf-eben. Ich würde es begrüßen, wenn das BMZ die vollentegration in die PRTs mit umsetzt. Nur so werden wirs gemeinsam zustande bringen können. Wir müssen die wie auch immer bestehende – Distanz zwischen Ent-icklungspolitik und Sicherheitspolitik überwinden. Wirüssen hier – anders als in der Vergangenheit – zusam-enarbeiten.Angesichts des Gesamtengagements dieses Hohenauses greift man, wie ich glaube, zu kurz, wenn manur über den Einsatz der Bundeswehr im Ausland disku-iert. Wir beschließen hier ja immer darüber, ob die Bun-eswehr in einem bestimmten Einsatzgebiet eingesetzterden darf. Ich glaube aber, dass es nicht reicht, ein-ach nur den Einsatz der Bundeswehr zu beschließen,ber nicht auch über die Arbeit der anderen Ressorts aufiesen Gebieten zu beraten. Wir sollten vielmehr überas Gesamtengagement der Bundesrepublik Deutsch-and in einem bestimmten Einsatzland beschließen. Na-ürlich möchte ich nicht die Position aufgeben, dass dieundeswehr eine Parlamentsarmee ist; wesentliche Ele-ente sind hierbei das Amt des Wehrbeauftragten, dereine Arbeit sehr gut macht, und das Engagement derolleginnen und Kollegen, die der Bundeswehr verbun-en sind. Aber es wäre besser, ein Gesamtkonzept zu er-rbeiten, bevor die Bundeswehr eingesetzt wird. Diesesesamtkonzept des Einsatzes sollte im Kanzleramt innger Abstimmung mit den betroffenen vier Ministerienrstellt werden. Dabei müssten die Ministerien sagen,elche Schwerpunkte sie setzen und wie sie das bezah-en wollen. Dann sollten wir im Parlament darüber infor-iert werden, wie man sich den Einsatz vorstellt.Die Bundeswehr alleine kann die Erwartungen, dieir mit diesen Einsätzen verbinden – ich würde es etwasalopp als das Heilsversprechen von Nation-Building be-eichnen –, gar nicht erfüllen. Wenn wir sowieso wollen,ass dieses Ziel in enger Kooperation verfolgt wird,ann wäre es doch viel besser, vorher entsprechende Pla-ungen im Kanzleramt unter Beteiligung der vier Minis-erien zu erarbeiten, diese als Vorlage einzubringen undann hier über die Gesamtsituation, und nicht nur überen Bundeswehreinsatz, zu diskutieren.
Metadaten/Kopzeile:
6588 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Johannes KahrsSo könnte sich auch der Haushaltsausschuss intensi-ver damit beschäftigen. Vom Verteidigungsministeriumgibt es derzeit allwöchentlich eine Unterrichtung desParlaments über die Auslandseinsätze der Bundeswehr– ein jeder kennt diese wöchentlichen Berichte –,
in der die Lage der Bundeswehr und die Situation imEinsatzland dargestellt werden. Wenn man sich das ein-mal genau überlegt, wäre es doch viel besser, wir bekä-men einen Bericht,
der zusammengefasst die koordinierten Anstrengungenaller Ministerien in den jeweiligen Einsatzländern dar-legt.
Das wäre ein Konzept für die Zukunft, das uns alle vielweiter bringen würde.Lassen Sie mich einmal darstellen, welche Umstruk-turierungen bei der Bundeswehr seit 1998 vorgenom-men wurden, inwieweit sie sich – das nennt man Trans-formation – für die Auslandseinsätze neu aufgestellt hat:Die Anzahl der Schützenpanzer „Marder“ ist von2 097 auf 536 heruntergefahren worden. Sie dürfen mirglauben, dass einem alten Panzergrenadier wie mir esnicht ganz leicht fällt, das zu akzeptieren, aber von derSache her ist es vernünftig. Die Anzahl der Kampfpan-zer „Leopard“ haben wir im selben Zeitraum von2 123 auf 410 heruntergefahren. Man muss sich einfacheinmal klar machen, welche Umstrukturierungen hin-sichtlich finanzieller Ausstattung, Ressourcen, Ausbil-dungsformen und Personalplanung innerhalb der Bun-deswehr stattgefunden haben. Ich glaube, dass das eineder großen Errungenschaften der letzten Jahre ist.
Wenn es sich aber nun so verhält, dass das Verteidi-gungsressort nicht das einzige Ressort ist, das mit derBundeswehr für das Gelingen eines solchen Auslands-einsatzes einen wesentlichen Beitrag leistet, dann mussman hier auch legitimerweise darüber diskutieren, wa-rum in anderen Ressorts keine entsprechenden Umstruk-turierungen in diesem Ausmaß stattfinden. Damit willich keineswegs geschätzte Parteifreunde oder Koali-tionspartner kritisieren; Sie alle kennen mich und wis-sen, dass mir das nicht zusteht.
Ich halte es aber für wichtig, dass wir uns im Parlamentund in den Arbeitsgruppen der Fraktionen darüber unter-halten, ob es ausreicht, wenn etwa das Bundesinnenmi-nisterium für den Aufbau der Polizei im Einsatzgebiet– das soll ja ein Schwerpunkt deutscher Politik sein –nur einen zweistelligen Millionenbetrag zur Verfügungstellt, von dem 41 Polizisten bezahlt werden können,w6zifhwddzaBaatifdhmdm–rdZIdwKrnnzWddfehR
ur Verfügung stellen, um uns zu unterstützen, weil wirn diesem Bereich keine ernsthaft überzeugenden Er-olge vorweisen können. Um in Afghanistan Erfolg zuaben, reicht es eben nicht aus, dass allein die Bundes-ehr dort gute Arbeit macht. Es ist genauso wichtig,ass der Aufbau der Polizei dort vorankommt. Wir wer-en nämlich die Bundeswehr dort erst dann wieder ab-iehen können, wenn dort eine starke Zentralregierunguf eine funktionierende Polizei zurückgreifen kann.Werfen wir einmal einen Blick auf den Bereich desundesministeriums für wirtschaftliche Zusammen-rbeit und Entwicklung. Auch hier finden wir Etat-nsätze für die eine oder andere Maßnahme in Afghanis-an. Das finde ich auch richtig und gut. Aber die Fragest, ob die Anstrengungen der Verteidiger bei der Trans-ormation, der Umstellung der Schwerpunktsetzung aufie Einsätze, im gleichen Ausmaß in der Entwicklungs-ilfe wiederzufinden sind, ob die Mittel schwerpunkt-äßig genau da eingesetzt werden, wo wir uns als Bun-esrepublik Deutschland engagieren. Denn wenn wirilitärisch für Ruhe sorgen – –
Herr Kollege Stinner, ich würde das jetzt gerne ausfüh-en. Sie sind ja noch dran.
Herr Kollege Kahrs, ob Zwischenfragen gestellt wer-
en dürfen, fragt die Präsidentin. – Lassen Sie diese
wischenfrage zu?
Selbstverständlich, da das meine Redezeit verlängert.
Kollege Kahrs, da Sie heute die längste Redezeit in
hrer Fraktion haben, gehe ich davon aus, dass Sie
urchaus die Position Ihrer Fraktion darstellen. Deshalb
undere ich mich, dass Sie alles in Frageform kleiden.
ann ich davon ausgehen, dass sich das, was Sie hier
ichtigerweise bemerken – ich bin erstaunt, wie ich Ih-
en zustimmen kann –, auch im Haushalt wiederfindet,
ämlich in Form einer Erhöhung der Mittel für den Poli-
eieinsatz und für die wirtschaftliche Zusammenarbeit?
ir haben ja eine Haushaltsdebatte. Ich gehe davon aus,
ass Sie hier eine abgestimmte Rede halten und dass sich
as, was Sie zu Recht fordern, auch im Haushalt wieder-
indet.
Herr Kollege, Sie wissen, dass wir im Parlament zuminen das darstellen, was wir im Haushalt niedergelegtaben. Das habe ich am Anfang meiner beachtenswertenede getan;
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6589
)
)
Johannes Kahrsich habe Ausführungen zu Umschichtungen insbeson-dere im Bereich der militärischen Unterkünfte, Treib-stoffen und anderen Dingen gemacht. Sie wissen aberauch, dass zum anderen Politik von Zielen lebt, die mananstrebt. Wir diskutieren zum Beispiel zurzeit unter denHaushaltspolitikern der Koalition, insbesondere unterdenen der vier Ressorts, ob man verstärkt die Haushalteentsprechend ausrichtet.Die Kollegin Jaffke hat dankenswerterweise Ausfüh-rungen zu einem Bereich, in dem wir selber tätig seinkönnen, gemacht: Wir haben die Mittel, die in der Ver-gangenheit für das Einsammeln von Waffen und Muni-tion weltweit bereitgestellt wurden, nun anders einge-stellt, nämlich für das Einsammeln von Waffen undMunition in den Einsatzgebieten deutscher Soldaten.Das heißt, wir haben Umschichtungen in diesem kleinenBereich vorgenommen.Ansonsten kleiden wir unsere Anliegen als Abgeord-nete natürlich in eine Forderung, die wir an unsere Exe-kutive richten. Ich finde, dass wir, die wir die Kamera-den gewählt haben, von diesen verlangen können, dasssie dann, wenn wir zu anderen Erkenntnissen kommen,diese umsetzen. Dafür bezahlen wir sie ja.Wir stellen hier also zum einen dar, was wir getan ha-ben, und zum anderen das, was wir erreichen wollen.Politik ist nicht immer nur die Darstellung des Erreich-ten, auch nicht in einer Haushaltsdebatte, sondern sollauch aufzeigen, wo man hinwill. Das muss ja nichtgleich eine Vision sein, aber zumindest eine grobe Idee,was die Politik in dieser Legislaturperiode erreichenwill.Es freut mich aber uneingeschränkt, dass die FDPdem schon jetzt zustimmen kann. Deswegen danke ichIhnen ganz herzlich für Ihre Zwischenfrage.
Ich komme dann wieder zum Thema. Wir werden na-türlich die noch zu behandelnden Punkte, zum Beispielim Bereich Entwicklungshilfe, im Haushaltsausschussdiskutieren. Ich glaube, dass das wichtig ist. Das sollkeinen Gegensatz dokumentieren, sondern deutlich ma-chen, dass wir hier ein Miteinander erreichen müssen.Die Haushälter für Verteidigung müssen mit den Haus-hältern für Entwicklungshilfe von innen, aber auch vonaußen enger zusammenarbeiten, als wir das in der Ver-gangenheit getan haben. Das Gleiche tun die Ministerieninzwischen auf Staatssekretärsebene. Die PRTs stehen jaerst am Ende einer Veranstaltung. Der Anfang muss inDeutschland stattfinden, dann, wenn man ein Konzepthat. Das würde ich für wichtig und zielführend halten.Ich glaube, dass wir alle gut daran täten, das in dennächsten Wochen und Monaten gemeinsam anzugehen;denn der Einsatz der Bundeswehr ist letztendlich nurzielführend, wenn er von allen betroffenen Ministerienunterstützt wird. Dann ist es kein Einsatz allein der Bun-deswehr. Dann ist es nicht nur das Ministerium für zivileZusammenarbeit oder für Entwicklungshilfe, das vor Orttätig ist.aankmsgwnKrrIunDKllPddndspvWmJdwBsstvisseaGb
Metadaten/Kopzeile:
6590 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6591
)
)
Lassen Sie mich einen weiteren Aspekt ansprechen.Ich denke, die Struktur und die Tendenz des Verteidi-gungshaushalts stimmen. Im Gegensatz zu dem, was hiergerade vom Kollegen Bonde vorgetragen wurde, redu-zieren wir die Betriebskosten in erheblichem Umfang,während wir gleichzeitig die Ausgaben für Investitionensteigern. Die entsprechenden Zahlen haben wir mit demHaushalt vorgelegt. Ich sage hier in aller Ruhe und Ge-lassenheit: Die Anstrengungen, die jetzt unternommenwerden, um die Zahl der zivilen Bediensteten von rund110 000 auf 75 000 im Jahr 2010 zu reduzieren, sindenorm. Diesen großen Beitrag, den die Bundeswehr leis-tet, sollte man entsprechend würdigen. Aufgrund derTatsache, dass die Betriebskosten gesenkt werden, wer-den Steigerungen im Bereich der Investitionen möglich.
rsgendswHKtHgwEdmwdsWsArgdudtuhlKdtiKLrnDwUsgWDMM
Die finanziellen Rahmenbedingungen für die Bundes-ehr werden in Zukunft eng bleiben. Ich glaube aber,ass wir mit diesem Haushalt den richtigen Weg be-chritten haben. Ich will es noch einmal unterstreichen:ir passen die Ausrüstung und Ausstattung den Ein-atzerfordernissen an. Die Zuspitzung der Situation infghanistan war natürlich eine besondere Herausforde-ung. Wir können jetzt nur noch in geschützten Fahrzeu-en fahren. Inzwischen gibt es Fahrzeuge in ausreichen-er Zahl vor Ort, sodass die Sicherheit der Soldatinnennd Soldaten gewährleistet ist. Es ist wichtig, dass wirie Voraussetzungen dafür schaffen, dass unsere Solda-innen und Soldaten eine optimale Ausrüstung besitzen,m ihren Auftrag in gefährlichen Situationen zu erfüllen.Wenn man Bilanz zieht, kann man in aller Gelassen-eit feststellen: Der Einsatz im Kongo ist mit einer zeit-ich klaren Perspektive – dankenswerterweise hat derollege Kahrs das unterstrichen; auch ich weiß, was voriesem Einsatz alles gesagt worden ist – verantwor-ungsvoll und optimal durchgeführt worden. Wir habenn der Zeit vom 20. bis 22. August einen Bürgerkrieg imongo verhindert und ich hoffe und wünsche, dass dieage so stabil bleibt, dass wir am 30. November fristge-echt unseren Auftrag als abgeschlossen ansehen kön-en.
er Einsatz im Kongo war für uns nicht ganz einfach,eil es die erste Operation war, die die Europäischenion in dieser Art und Weise in Afrika umgesetzt hat.Es gab auch bezüglich des Libanonmandats Diskus-ionen mit den Vereinten Nationen, bis die Rules of En-agement so klar waren, wie wir sie gebraucht haben.ir haben jetzt ein klares, effektives Mandat, dem dereutsche Bundestag zugestimmt hat. Dieses effektiveandat wird in guter Kooperation mit der libanesischenarine umgesetzt: Es wird Seesicherheit hergestellt,
Metadaten/Kopzeile:
6592 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Bundesminister Dr. Franz Josef JungWaffenschmuggel unterbunden und es werden somit dieVoraussetzungen für die Umsetzung der UN-Resolutiongeschaffen. Ich finde, auch diese Mission, die die Bun-deswehr dort leistet, ist eine erfolgreiche Mission.
Natürlich kann man, wenn wir über Bosnien-Herze-gowina diskutieren, nicht von Überforderung sprechen;das hat auch niemand getan. Die Wahrheit ist, dass wirgesagt hatten, dass wir vor den Wahlen keine falschenAkzente setzen wollen. Die Wahlen sind am 1. Oktoberdurchgeführt worden. Wir haben dort eine stabile, einefriedliche Entwicklung, die uns jetzt – zu Recht, wie ichfinde – in die Lage versetzt, einen Stufenplan im Hin-blick auf eine Exit-Strategie zu diskutieren und mög-lichst noch im Dezember zu verabschieden. Wenn wir ei-nen Auftrag wahrnehmen, dann müssen wir ihn auchentsprechend erfüllen und eine Planung für den Über-gang in zivile Sicherheitsstrukturen entwickeln, den wirstufenweise vollziehen. Nur so können wir einen Auf-trag erfolgreich beenden. Deshalb ist es richtig, wennwir diese erste Stufe jetzt im Hinblick auf Bosnien-Her-zegowina in Angriff nehmen.
Dasselbe gilt für den Kosovo. Ich hoffe und wünsche,dass sich die Lage dort so stabilisiert – auch nach denStatusverhandlungen –, dass der Prozess mit einer euro-päischen Perspektive friedlich und stabil fortgesetzt wer-den kann.Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zumThema Afghanistan machen. Heute ist von der Bundes-kanzlerin bereits zu Recht auf die Gesamtsituation in Af-ghanistan hingewiesen worden. Ich will es noch einmalunterstreichen: Ich bin der felsenfesten Überzeugung,dass wir die NATO-geführte Operation in Afghanistannur erfolgreich fortführen und zu Ende führen können,wenn wir eine Strategie der zivil-militärischen Zusam-menarbeit für Gesamtafghanistan umsetzen, womit wirim Norden begonnen haben und damit auch erfolgreichsind. Wir haben dort bereits mehr als 520 Projekte inAngriff genommen: von der Wasserversorgung überSchulen und Krankenhäuser bis hin zur Infrastruktur. Ichglaube, wir werden die Probleme in Afghanistan nichtlösen, indem wir immer nur nach mehr Militär rufen.Wir werden die Operation in Afghanistan nur dann zu ei-nem Erfolg führen, wenn wir die Herzen der Menschengewinnen und den Wiederaufbau in einem sicheren Um-feld vorantreiben. Das muss aus meiner Sicht das Kon-zept für den NATO-Gipfel in Riga sein; darüber müssenwir diskutieren.
Ich will in diesem Zusammenhang auch darauf hin-weisen, dass wir der zweitstärkste Truppensteller inNATO-geführten Operationen sind. Deutschland leistetseinen Beitrag im Hinblick auf internationale Friedens-missionen. Ich war schon etwas betroffen, als ich dieeine oder andere Behauptung gehört und gelesen habe,dass sich unsere Soldatinnen und Soldaten mehr mit an-deren Dingen beschäftigen würden als damit, Sicherheitherzustellen; ich will das vor diesem Hohen Haus nichtwRuanhdDlgwddddhkvicsfikdddlAsgBuewtDDdszaDvweur
Zu dieser Erfolgsbilanz gehört natürlich auch, dass esieser großen Koalition nach zwölf Jahren gelungen ist,ass ein Weißbuch zur Standortbestimmung, zur Sicher-eitspolitik der Bundesrepublik Deutschland und zur Zu-unftsperspektive der Bundeswehr im Bundeskabinetterabschiedet wurde. Überall, wo ich hinkomme, werdeh – auch und gerade von unseren europäischen und un-eren NATO-Partnern – für dieses Weißbuch gelobt. Ichinde, wir haben ein Konzept auf den Tisch gelegt undm Bundeskabinett verabschiedet, das sich sehen lassenann. Das lasse ich mir von dem einen oder anderen auser Opposition nicht zerreden. Das ist ein gutes Werk,as zur Erfolgsbilanz dieser Bundesregierung gehört.
Ich will darauf hinweisen, dass wir mit dem Einsatzer Bundeswehr natürlich auch den Schutz Deutsch-ands gewährleisten. Das geht in den Debatten überuslandseinsätze oft unter. Die Bundeswehr hat in die-em Jahr zahlreiche Beiträge zum Schutz Deutschlandseleistet: Vom Einsatz bei der Schneekatastrophe inayern über den Einsatz bei der Vogelgrippe auf Rügennd den Hochwasserschutz an der Elbe bis hin zu deninzelnen Maßnahmen zur Sicherstellung der Fußball-eltmeisterschaft; bei jedem Spiel waren 2 000 Solda-innen und Soldaten im Einsatz und 5 000 in Reserve.
as ist ein wichtiger Punkt, den man in einer solchenebatte nicht vergessen darf.
Ich denke, dass wir den Prozess der Transformationer Bundeswehr auf Grundlage dieses Haushaltes fort-etzen können. Wir richten alles darauf aus, diesen Pro-ess zu einem positiven Ergebnis zu führen.Wir verlangen von unseren Soldaten und zivilen Mit-rbeitern viel. Sie leisten, wie ich finde, Hervorragendes.eshalb haben sie unseren Dank und unseren Rückhalterdient. Der Einsatz lohnt sich; denn es geht um nichteniger als um die Sicherheit Deutschlands. Es geht uminen friedensstiftenden Auftrag, den unsere Soldatinnennd Soldaten im Interesse der Sicherheit unserer Bürge-innen und Bürger, im Interesse von Frieden und Freiheit
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6593
)
)
Bundesminister Dr. Franz Josef Jungerfüllen. Deshalb bin ich für die Unterstützung dieserPolitik dankbar. Wir werden sie konsequent fortsetzen.Besten Dank.
Das Wort für die FDP-Fraktion hat Birgit Homburger.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Herr Minister, ich möchte zunächst einmal einige Be-merkungen zu dem machen, was Sie zur Ausstattungder Bundeswehr gesagt haben. Sie haben großen Wertdarauf gelegt zu betonen, dass Sie alles tun, um die Bun-deswehr, um die Soldatinnen und Soldaten im Einsatz,gut und richtig auszustatten. Sie haben meine KolleginHoff angesprochen, die zuvor ein Zitat gebracht hat, indem das Wort „unmoralisch“ vorkam. Ich kann Ihnennur dringend empfehlen, in Ihrer eigenen Fraktion überdieses Zitat zu sprechen. Dieses Wort wurde nicht vonder Kollegin Hoff in den Raum gestellt. Sie hat vielmehreinen Abgeordneten aus Ihrer Fraktion zitiert, Herr Mi-nister.
Wir sprechen hier über ein Jahr Koalition aus CDU/CSU und SPD. Die Verteidigungspolitik war in diesemJahr von zusätzlichen Auslandseinsätzen geprägt. Dasist natürlich haushaltsrelevant, und zwar vor allem des-halb, weil Sie in diesem Jahr keine zusätzlichen Mittelerhalten haben, sondern vieles aus dem bestehendenEinzelplan 14 heraus erwirtschaftet werden musste. Soviel zum Thema Haushaltsklarheit und Haushaltswahr-heit. Das ist – der Kollege Bonde hat das schon ange-sprochen – eine Art und Weise, die nicht länger akzep-tiert werden darf. Deswegen hat die FDP entsprechendeAnträge gestellt.
Bei den Auslandseinsätzen mussten wir feststellen,dass die lange gültige „Kultur der Zurückhaltung“ fürdie Bundesregierung keine große Bedeutung mehr hat.Vielfach handelte es sich eher um eine Militärangebots-politik.
Ich denke zum Beispiel an den Einsatz im Kongo oderan die frühe Festlegung auf den Einsatz im Nahen Osten.Dazu kann ich nur sagen: Das kann kein Ersatz für poli-tische Initiativen sein. Ich sage sehr deutlich: Wer Solda-tinnen und Soldaten in einen Einsatz schickt, der hatauch und vor allen Dingen die Verantwortung, politischeInitiativen zur Stabilisierung der Region zu ergreifen.Das habe ich bei der Bundesregierung ziemlich durch-gängig vermisst.
clmedksftKnSewdhaIdapbwGmWSmPgVBusiDrßestVBHuank
Ich möchte als Letztes das Thema aufgreifen, dasuch Sie erwähnt haben und das sich seit heute Morgeneun Uhr durch alle Debatten zieht. Die Bundes-anzlerin, Ihr Kollege Außenminister und auch die
Metadaten/Kopzeile:
6594 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Birgit HomburgerFraktionsvorsitzenden haben sich zum Thema Afghanis-tan und die immer wieder an Deutschland herangetrage-nen Forderungen geäußert, dass wir stärker in den SüdenAfghanistans gehen müssten. Ich bin Ihnen dankbar,dass Sie hier sehr deutlich gemacht haben, dass das nichtinfrage kommt. Ich bin Ihnen auch dankbar, dass Sie hiersehr deutlich dargestellt haben, welche LeistungenDeutschland bringt.Die ganze Debatte des heutigen Tages ist Ausdruckeiner weiteren verpassten Chance, in die Offensive zugehen. Ich erwarte, dass unseren Partnern in der NATOvor dem NATO-Gipfel deutlich gesagt wird, dass auchandere Fehler gemacht haben und dass wir über dieseFehler sprechen müssen. Wenn wir nicht zu einem ge-meinsamen Konzept kommen, dann droht der ganze Ein-satz zu scheitern. Deshalb sage ich sehr deutlich, dass esnotwendig ist, offen hierüber zu sprechen. Der DeutscheBundestag hat sowohl das Mandat der ISAF als auch dasder Operation „Enduring Freedom“ um ein Jahr verlän-gert.
Frau Homburger, Sie müssen bitte zum Ende Ihrer
Rede kommen.
Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin.
Herr Minister, in diesem Jahr müssen Fortschritte er-
reicht werden, sonst wird es schwer, Argumente zu fin-
den, warum man dort weiter bleiben soll. Wir erwarten
Initiativen und klare Worte. Unser Angebot lautet, dass
wir Sie gerne dabei unterstützen. Wir wünschen Ihnen
für den NATO-Gipfel viel Erfolg, damit den verpassten
Chancen, die es in diesem Jahr gab, nicht noch eine wei-
tere verpasste Chance mit Blick auf Afghanistan hinzu-
gefügt wird.
Ursula Mogg spricht für die SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undKollegen! Die Redner haben allseits darauf hingewiesen,dass die Mitglieder des Verteidigungsausschusses, dieVerteidigungspolitiker ein sehr arbeitsreiches Jahr hintersich haben. Es sieht auch nicht so aus, als würden wir imnächsten Jahr weniger Arbeit bekommen, sondern ehermehr. An dieser Stelle möchte ich Ihren Vorwurf, FrauHomburger, wir würden vonseiten der Bundesregierungeine Angebotspolitik hinsichtlich des Einsatzes der Bun-deswehr machen, ausdrücklich zurückweisen. Sie wissengenau, dass es Ende des letzten Jahres eine Anfrage ausNew York in Richtung Brüssel gegeben hat, und Sie ken-nen die Situation, in der wir waren, als wir über denLibanoneinsatz diskutiert und entschieden haben. VonAngebotspolitik kann in diesem Zusammenhang mit Si-cherheit keine Rede sein.TaadswembucsAznSmksmSfsuhDswnnwVnltsAakfdrzSlIG
Im Mittelpunkt meiner Ausführungen steht dashema Afghanistan. Die Situation in Afghanistan ist inller Munde. Wir alle – viele Kolleginnen und Kollegen,ber auch ich selbst – stehen noch unter dem Eindrucker Debatten, die wir auf der NATO-Parlamentarierver-ammlung in Québec erlebt haben. Die Diskussionenurden vonseiten der Bündnispartner zum Teil sehrmotional geführt. Das ist auch nachvollziehbar; dasöchte ich an dieser Stelle ausdrücklich betonen. Aberei diesen Diskussionen darf es nicht um Stimmungennd Emotionen gehen. Im Vordergrund muss eine ehrli-he und klare Analyse stehen. Wir dürfen in unseren An-trengungen nicht nachlassen.
Es gilt der Satz von Tom Koenigs, dass die NATO infghanistan nicht verlieren darf. Gegenseitige Schuld-uweisungen innerhalb des Bündnisses helfen überhaupticht weiter. Frau Homburger, ich würde mich an diesertelle sehr zurückhalten und gegenseitige Vorwürfe ver-eiden. Denn das freut nur den Gegner, den wir be-ämpfen wollen, es gefährdet den Einsatz und es verun-ichert die demokratischen Kräfte in Afghanistan.
Herr Minister, in diesem Zusammenhang fühle ichich sehr stark an unseren Besuch in Afghanistan vomommer dieses Jahres und an unsere dortige Pressekon-erenz erinnert. Die meistgestellte Frage der afghani-chen Journalisten war die nach unserer Beständigkeitnd Zuverlässigkeit im Hinblick auf diesen Einsatz. Dasat natürlich etwas mit der Situation im Land zu tun.eshalb würde ich dringend davon abraten, eine Diskus-ion über Schuldzuweisungen zu führen. Schließlichollen wir den gemeinsamen Erfolg.Mein nächster Punkt. Die Diskussion über die natio-alen Vorbehalte, die so genannten Caviats, ist aus mei-er Sicht absolut nicht zielführend. Alle Staaten haben,enn es um die Beteiligung an Einsätzen geht, nationaleorbehalte. Das war immer so und daran wird sich auchichts ändern. Zudem hat die Bundesrepublik Deutsch-and ihre Vorbehalte im Laufe der diversen Einsätze wei-erentwickelt und ihre Anzahl reduziert. Es ist also all-eits bekannt, dass deutsche Kräfte auch im Südenfghanistans zum Einsatz kommen können und dortuch schon zum Einsatz gekommen sind.Viel wichtiger ist es unserer Meinung nach, eine Dis-ussion über das Gesamtbild der Lage in Afghanistan zuühren. Alles andere hätte nämlich eine Militarisierungieser Debatte, des Konflikts und vor allen Dingen unse-es Denkens und damit zwangsläufig Legendenbildungur Folge. Das wird im Übrigen auch von militärischereite so beurteilt. So traf Walter Laqueur die Feststel-ung, dass Afghanistan militärisch nicht zu gewinnen ist.ch frage mich: Wie ist Afghanistan dann zu gewinnen?ewinnen kann man dort ganz sicher nur, wenn man die
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6595
)
)
Ursula MoggAnsätze verfolgt, die auch in dieser Debatte schon dar-gestellt wurden.Aufgrund der Aufarbeitung der Märzunruhen imKosovo wissen wir, dass die Diskussion über nationaleVorbehalte nicht weiterführt. Im Mittelpunkt muss dieDiskussion über das Gesamtbild der Situation stehen. ImRahmen der Debatte, die in Québec über den spannen-den Ausdruck „to remove“ geführt wurde, ist vernach-lässigt worden, dass der dort vorgelegte Antrag zu Af-ghanistan viele wichtige Punkte enthielt, in denen dieVersammlung absolut einer Meinung war.In diesem Antrag heißt es: Es geht darum, eine Politikzu entwickeln, die den Reformprozess in Afghanistanbeschleunigt und die Probleme der Unterentwicklungund der Korruption angeht. – Diese Aussage kann mannur nachdrücklich unterstreichen. Es geht darum – auchdas wissen wir alle –, die Herzen und den Verstand derBevölkerung in Afghanistan zu gewinnen. Deutsche Sol-datinnen und Soldaten leisten dazu in ihrem Einsatz ei-nen wichtigen Beitrag. Sie pflegen unter schwierigstenBedingungen eine Kultur des Friedens und grenzen sichdadurch von einer Kultur des Krieges ab.Auf dem NATO-Gipfel in Riga, der in der kommen-den Woche stattfindet, erwarten wir eine lebhafte De-batte zum Thema Afghanistan. Wir dürfen sehr zuver-sichtlich sein, dass am Ende und als Ergebnis dieserDiskussion ein fortentwickeltes Afghanistankonzept desBündnisses vorliegen wird. Sein Schwerpunkt – das istklar – muss die Verbesserung der Gewährleistung der Si-cherheit in Afghanistan sein. Darüber hinaus muss eineAntwort auf die Kritik der Afghanen selbst gegeben wer-den, nach der die Allianz dem militärischen Bereich zugroßes Gewicht beimesse. Es geht nicht nur um Militär-präsenz, zitiert die „Frankfurter Rundschau“ heute dieneue afghanische Botschafterin. Sie lobt – das sollte er-wähnt werden – den deutschen Beitrag sehr.Im Afghanistankonzept 2003 der Bundesregierungwurde festgestellt,dass der Petersberger Prozess die Gefahr zahlrei-cher Rückschläge in sich birgt und der Überprüfungund Anpassung bedarf.Genau darüber unterhalten wir uns im Moment, genaudas werden wir tun. Das Ziel bleibt klar: Es geht um einesich selbst tragende demokratische Entwicklung in Af-ghanistan. Um diese zu erreichen, braucht die Staatenge-meinschaft einen langen Atem – auch das sollte nicht un-erwähnt bleiben – und die Unterstützung unserer bzw.der jeweiligen Bevölkerung. Das ist im Übrigen unsereAufgabe als Abgeordnete: immer wieder neu dafür zuwerben, worüber wir da zu entscheiden haben und waswir da tun wollen.Ich habe dem Kollegen Kahrs bei seinen Ausführun-gen zu seinem Herzensanliegen – der Vernetzung derverschiedenen Aufgabenbereiche – genau zugehört. Erhat auf den Afghanistanbericht hingewiesen und sehrviel Gutes und Kluges dazu gesagt. Ich will hier einenGedanken hinzufügen: Wir haben eine Taskforce„Afghanistan“ auf den Weg gebracht. Das ist ein ersterSchritt hin zu einem ganzheitlichen Ansatz, der viel-ltfNuduQmstßiWSnzBbndgWgPdlfsbuhswWspßüzMDhsDm
as ist eine positive Erfahrung.Im Rahmen der Debatten über den Einsatz im Kongoaben wir zum ersten Mal auch intensiv über die deut-chen Interessen diskutiert.
er Minister hat auf das Weißbuch hingewiesen. Auseiner Sicht war die dann folgende Debatte über die
Metadaten/Kopzeile:
6596 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Ursula MoggInteressen im Libanon ein Rückschritt in diesen Diskus-sionen. Darin können wir also noch besser werden.
Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.
Ja, ich weiß, ich bin auch so gut wie fertig. – Bezüg-
lich des Kongo wollen wir noch einmal genauer auf das
Battlegroup-Concept schauen. Das gehört sicher auch
zur Evaluierung eines solchen Einsatzes.
Last, not least, will ich natürlich nicht versäumen,
mich bei allen zu bedanken, die in diesem Jahr gemein-
sam dafür gestanden haben, dass die deutsche Außen-
und Sicherheitspolitik erfolgreich sein konnte, nämlich
bei den Soldatinnen und Soldaten im Einsatz, bei den
Kolleginnen und Kollegen im Verteidigungsausschuss – –
Frau Kollegin, Sie müssen zum Schluss kommen.
Vielleicht bedanken Sie sich einfach kollektiv bei allen.
Einen Satz erlauben Sie mir bitte noch.
Nein.
Weihnachten 2005 haben wir nicht gewusst, dass wir
in den Kongo gehen. Vor den Sommerferien haben wir
nicht gewusst, dass wir in den Libanon gehen. Deshalb
freuen wir uns, dass die Bundeskanzlerin uns Verteidi-
gungspolitikerinnen und Verteidigungspolitikern in Aus-
sicht gestellt hat, dass wir mittelfristig mit mehr Geld
rechnen dürfen.
Herzlichen Dank.
Das Wort für die Linke hat die Kollegin Inge Höger-
Neuling.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Längstist die Bundeswehr vorne mit dabei, wenn es um Militär-einsätze und Kriege überall auf der Welt geht. Circa10 000 deutsche Soldatinnen und Soldaten sind zurzeitim Ausland im Einsatz. Auch wenn es manchen von Ih-nen mit der Enttabuisierung des Militärischen offenbarnicht schnell genug geht, ist sie bereits weit vorange-schritten. Eben war ja schon von einem Exportschlagerdie Rede.Die Vielzahl von Rüstungsprojekten, die durch diesenHaushalt finanziert werden, ist allein deswegen nötig,weil sich die Ausrichtung der deutschen Verteidigungs-politik grundsätzlich verändert hat. Von einer Armee, dieawuDWSwHgDpeTEssvsndbKtltgÜsSsssiSaBsDtEt
elbst das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundes-ehr kam zu dem Ergebnis:Immer mehr Bundesbürger sind der Ansicht,Deutschland sollte sich aus den Krisen und Kon-flikten anderer Länder möglichst heraushalten undsich stärker auf die Bewältigung der Probleme imeigenen Land konzentrieren.
ier zeigt sich wieder einmal: Die große Koalition re-iert gegen die Mehrheit der Bevölkerung.Es ist ein Hohn, die Auslandseinsätze als Export vonemokratie und Menschenrechten zu verkaufen. Die ge-lanten Ausgaben für Entwicklungshilfe betragen geradeinmal 17 Prozent des Wehretats, wobei nur ein kleinereil davon tatsächlich für die Armutsbekämpfung da ist.ine deutliche Mehrheit der Bevölkerung lehnt die Aus-age ab, dass unter bestimmten Bedingungen Krieg nötigei, um Gerechtigkeit durchzusetzen. Die Herstellungon Gerechtigkeit und die Förderung von Demokratieind politische Aufgaben. Verantwortung kann manicht mit Waffen übernehmen.
Mit einer anderen Wirtschaftspolitik und mit einer an-eren Umwelt- und Klimapolitik kann Deutschland dazueitragen, dass es nicht zu immer noch mehr Armut undatastrophen auf dieser Welt kommt. Bundeswehrsolda-en können die Probleme in den Einsatzregionen nichtösen. Früher oder später werden sie Teil des Problems.
In einer Woche treffen sich in Riga die Repräsentan-en der NATO-Mitgliedstaaten. Sie werden dort die soenannte NATO-Transformation fortsetzen. Unter derberschrift „Ausbau militärischer Fähigkeiten“ werdenie weitere kostspielige Rüstungsprojekte beschließen.ie werden die Vereinbarungen für das milliarden-chwere Raketenabwehrprogramm der NATO konkreti-ieren und sich darüber freuen, dass der Aufbau derchnellen Eingreiftruppe der NATO nun abgeschlossenst. Diese neue NATO-Truppe ist keine Friedenstruppe.ie wird zum Kämpfen und zum Töten ausgebildet undusgerüstet. Die NATO-Kampftruppen und die EU-attlegroups sind Ausdruck einer aggressiven und rück-ichtslosen Außenpolitik.
eutschland stellt mit 6 700 Soldaten mehr als ein Vier-el der Soldaten in der NATO-Elitetruppe. Auch an denU-Schlachttruppen ist die Bundeswehr maßgeblich be-eiligt.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6597
)
)
Inge Höger-NeulingUm es klar zu sagen: Es geht hier nicht mehr um ter-ritoriale Verteidigung im Sinne von Art. 115 a desGrundgesetzes. Weder die NATO- noch die EU-Spezial-einheiten üben für den Verteidigungsfall. Geübt werdenoffensive Szenarien, also Angriffe. Solche globalenMachtprojektionen verstoßen gegen das Grundgesetz.Deshalb fordern wir den Ausstieg der Bundeswehr ausdiesen Kampftruppen und beantragen die Streichung derMittel für entsprechende Übungen.
Viele NATO-Partner – allen voran die USA – fordernzurzeit ein größeres Engagement Deutschlands in denKampfeinsätzen im Süden Afghanistans. Sie rennen da-bei eine Tür ein, die die Autoren des Weißbuches weitaufgerissen haben. Das Weißbuch wünscht sich eine„strikt einsatzorientierte Ausrichtung der Bundeswehr“.So genannte Stabilisierungseinsätze wie in Afghanistansollen laut Weißbuch künftig häufiger durchgeführt wer-den. Es muss sich also niemand wundern, wenn nun einestärkere Beteiligung eingefordert wird. Wer Soldaten inKrisenregionen schickt, in der Hoffnung, sich dort dieHände nicht schmutzig zu machen, ist ohnehin naiv. Zu-dem zeigt sich auch, wie ernst Sie es mit der Parlaments-armee meinen: Von geheimen KSK-Missionen erfahrenwir nur per Zufall.Die Linke fordert deswegen den Ausstieg aus denAuslandseinsätzen der Bundeswehr.
Wir lehnen auch die generelle Ausrichtung des Weißbu-ches ab. Es geht dabei in den meisten Fällen knallhartum strategische Interessen. Der Zugang zu Rohstoffen,der Schutz von Handelswegen und die Energiesicherheitsind für uns keine Interessen, für die wir Soldaten in denKrieg schicken.Die NATO trägt durch ihre Militärpolitik mit dazubei, dass Völkerrecht durch Faustrecht ersetzt wird. Dieoffensive deutsche Militärpolitik stützt sich allerdingsnicht allein auf die NATO; auch die Sicherheitspolitikder Europäischen Union wird maßgeblich von Deutsch-land aus mitgeprägt und mitfinanziert.Ein erweiterter Sicherheitsbegriff bedeutet für unsnicht, das Deutschland am Hindukusch verteidigt wer-den soll und kann. Sicherheit ist für uns zuerst und vorallem soziale Sicherheit. Wer deutsche Soldaten in im-mer neue Kriege schickt, der muss sich auch überlegen,wen er dorthin schickt. Immer mehr junge Menschen ge-hen zur Bundeswehr, weil sie sonst kaum eine Möglich-keit sehen, Ausbildung und Arbeit zu finden.
Wer vor der Bundeswehr arbeitslos war, entscheidet sichauffallend häufig für eine längere Verpflichtungszeit. Essind deswegen besonders häufig Jugendliche aus Ost-deutschland – aus Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit –,die sich länger verpflichten. Besonders bitter ist dabei,dass diejenigen, die aufgrund fehlender Alternativen zurBundeswehr kamen, dort nochmals benachteiligt wer-den. Die Anpassung des Ostsoldes auf das Westniveauwurde auf 2009 verschoben. Die Linke beantragt deswe-gwflnsKbBItugdEEaWrrsdGhdhldnHmsugdbbvrtn
Auf der NATO-Parlamentarierversammlung vor eineroche – das haben die Kollegin Mogg und andere be-eits angesprochen – haben wir als deutsche Parlamenta-ier zu spüren bekommen, welche Stimmung sich inzwi-chen in dieser Frage aufgebaut hat. Ich glaube, iniesem Zusammenhang muss etwas klargestellt werden:erade diejenigen, die am lautesten waren und geäußertaben, die einen seien Tee- und Biertrinker und die an-eren riskierten ihr Leben, haben zu denen gehört – ichabe das im Internet überprüft –, die den Irakkrieg deut-ich mit unterstützt haben und damit Mitverantwortungafür tragen, dass der Stabilisierungsprozess in Afgha-istan erheblich zurückgeworfen worden ist. Das ist derintergrund.
Allerdings ist der ISAF-Einsatz – das wurde schonehrfach richtigerweise festgestellt – unter „anderschwierigen“ Bedingungen ein ausgesprochen klugernd relativ wirksamer Einsatz einschließlich des Um-angs mit den auch dort vorhandenen Risiken und Be-rohungen. Die Obleute, die vor kurzem dort waren, ha-en selber erlebt, dass es immer wieder zu Überfälleneispielsweise mit Panzerfäusten kommt. Man kann nuron Glück sagen, dass die dort nicht so gut zielen; aberiskant ist es trotzdem.Falsch ist auf jeden Fall die Fixierung auf die Erwar-ung, dass die Probleme in Afghanistan vor allem mit zu-ehmend mehr Soldaten zu lösen seien. Es sei daran
Metadaten/Kopzeile:
6598 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Winfried Nachtweierinnert, dass die Sowjets am Ende 120 000 Soldaten inAfghanistan stehen hatten und trotzdem verloren haben.Es kommt also vor allem auf andere, politische Haupt-aufgaben an. Ich nenne einige.Erstens. Die akute Hungerkrise vor allem im SüdenAfghanistans muss schnell überwunden werden.
Zweitens. Es muss eine Wende bei der Drogenbekämp-fung geben. Sie muss einheitlich erfolgen und langfristigangelegt sein. Hier herrscht zurzeit ein ziemlichesDurcheinander in der Realität. Drittens. Beim Aufbauvon Polizei und Justiz muss es einen Push geben. BeimJustizausbau sieht es bislang ziemlich mager aus.Schließlich muss es – darüber haben wir bereits vor14 Tagen gesprochen; allerdings sind wir zu unter-schiedlichen Ergebnissen gekommen – eine Kurskorrek-tur bei der Antiterroroperation „Enduring Freedom“ und– nicht unwichtig im Hinblick auf den NATO-Gipfel –eine Zusammenarbeit zwischen NATO und EuropäischerUnion geben. Außenstehende können gar nicht glauben,dass solche wichtigen, sicherheitspolitisch relevanten In-stitutionen in der Realität eher aneinander vorbei arbei-ten.
Hier muss angepackt werden und – das muss man deut-lich sagen – muss die Bundesregierung einiges nachle-gen. Selbstbewusstsein ist zwar richtig, aber zur Selbst-beweihräucherung – diese Tendenz habe ich in derheutigen Diskussion deutlich gespürt – haben wir keineVeranlassung. Auch mit der richtigen Position – diesehat die Bundeskanzlerin heute Morgen formuliert – wer-den wir dem wachsenden Druck nur standhalten können,wenn wir unsere Hausaufgaben nachholen und beim Po-lizeiaufbau quantitativ enorm nachlegen. Gute Qualitätallein reicht auf keinen Fall.
Afghanistan, der Balkan und Nahost sind schlagendeBeweise für die Notwendigkeit umfassender und vor-beugender Sicherheit. Herr Minister, Sie betonen seitMonaten in diesem Zusammenhang den Begriff der ver-netzten Sicherheit. Das Gebot des Zusammenwirkensbei Krisenbewältigung und Friedenskonsolidierung liegtauf der Hand. Aber wie sieht es damit in der Wirklich-keit aus? Die Wirklichkeit steht in sehr großem Gegen-satz zu dem, was alle für selbstverständlich halten. Wasist hier zu tun, damit man weiterkommt?Erstens. Es muss Klarheit darüber geschaffen werden,was Militär, Polizei, Diplomaten und zivile Experten je-weils am besten leisten können, wenn es um bestimmteBedrohungen, Risiken und Chancen geht. Mit demWeißbuch ist die Chance vertan worden, hier Klarheit zuschaffen.Zweitens. Insgesamt ist – entschuldigen Sie den um-ständlichen Begriff; aber mir ist noch kein besserer ein-gefallen – ein fähigkeiten- und ressortübergreifenderAnsatz notwendig. Wir sollten als Erstes mit der Ausbil-dung der entsprechenden Kräfte beginnen. Wir habenbdwDKtemOsdBzSstwwwgdugihKfsgnkuwvSdfsEzge
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6599
)
)
Ich denke, es ist nicht nur eine Pflicht, sondern muss eininneres Bedürfnis sein, diesen Dank zu formulieren. Wirdürfen dabei nicht vergessen, dass dieser Dank auch denSoldatinnen und Soldaten gebührt, die in der Heimat ih-ren Kameraden den Rücken frei halten und durch die Er-füllung ihrer Aufgaben zum Schutz der Heimat beitra-gen.Gerade weil die Entwicklung im Einzelplan 14 unmit-telbare Auswirkungen auf die Sicherheit unserer Solda-tinnen und Soldaten im Einsatz hat, müssen wir den Ver-teidigungshaushalt mit besonderer Sorgfalt prüfen undgestalten. Die Soldatinnen und Soldaten und ihre Fami-lien haben ein Anrecht darauf, dass sie die Politik mitdem bestmöglichen Material zu ihrem Schutz ausstattet.Diese Verpflichtung und besondere Verantwortung hatjeder Einzelne von uns übernommen, zumindest aberdie, die den Einsätzen der Bundeswehr zugestimmt ha-ben.Mit dem Entwurf des Verteidigungshaushaltes 2007stehen der Bundeswehr insgesamt 28,4 Milliarden Eurozur Verfügung. Wenn man von der Erhöhung die zukünf-tigen Leistungen für Pensionen abzieht, bleiben demVerteidigungsminister leider nur zusätzliche 500 Millio-nen Euro für das Jahr 2007 übrig. Das ist in Anbetrachtunserer Aufgaben sicherlich nicht zu viel und nicht zugroßzügig. Diese Entwicklung im Einzelplan 14 liegtzwar auf der Finanzlinie des 40. Finanzplanes. Wennman aber die Herausforderungen betrachtet, denen sichdie Bundeswehr gegenübersieht, kann die finanzielleAusstattung nur als knapp ausreichend bezeichnet wer-den. Ein „Weiter so!“ wird der Auftragslage der Bundes-wehr zukünftig nicht mehr gerecht werden.bdteivwdbsbtnkrdprjiwmasdRnbkudsbBwkwEfEpVsunskSepbd
Metadaten/Kopzeile:
6600 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Unsere gemeinsame gute Arbeit des letzten Jahres war
die Basis dafür, dass wir eine erfolgreiche Sicherheits-
und Verteidigungspolitik organisieren konnten. Mein
ganz persönlicher Dank gilt meinem Kollegen Arnold
als Vorsitzenden der Arbeitsgruppe Sicherheitsfragen
der SPD-Fraktion.
F
l
R
i
c
b
I
k
d
s
m
t
d
l
e
D
N
t
e
w
i
w
z
d
b
d
d
s
D
u
l
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6601
)
)
Lieber Kollege Arnold, ich bedanke mich für diese
Zwischenfrage sehr herzlich. Glücklicherweise sind die
Verhandlungen in Québec aufgezeichnet worden. Ich
werde Ihnen in wenigen Minuten, lieber Herr Kollege
Arnold, das Videoband dieser langen Sitzung überspie-
len lassen. Ich empfehle allen Kollegen, sich die Sitzung
von vorne bis hinten anzuschauen. Das ist sehr auf-
schlussreich. Damit Sie, Herr Kollege Arnold, schneller
zu Potte kommen und sich schneller bei mir entschuldi-
gen können, empfehle ich Ihnen, das Band auf Minute
48 vorlaufen zu lassen: Dort wird die Wortmeldung des
ersten englischen Kollegen gezeigt. Außerdem empfehle
ich Ihnen, das Band auf eine Stunde und zehn Minuten
vorlaufen zu lassen: Dort wird die Wortmeldung eines
weiteren englischen Kollegen gezeigt. Dazwischen ha-
ben einige andere englische Kollegen gesprochen, die et-
was Interessantes gesagt haben, zum Beispiel über nicht
genannte deutsche Minister, die irgendwo mit Freundin-
nen badeten.
Spulen Sie also auf Minute 48 und auf eine Stunde
zehn Minuten vor. Anschließend bitte ich Sie, Herr Kol-
lege Arnold, sich bei mir zu entschuldigen. Falls Sie
dazu dann nicht bereit sein sollten, schlage ich vor, dass
wir uns gemeinsam im Fernsehen vor der deutschen Öf-
fentlichkeit anschauen, was dort gesagt worden ist. Ich
bedanke mich ganz herzlich für Ihre Mithilfe.
– Ja, das werden wir sehen. Ich verweise auf Minute 48
des Bandes. Das können Sie sich alle besorgen und dann
genau anschauen.
Ich empfehle Ihnen, Herr Kollege Arnold, und auch
der Bundesregierung, sich außerdem die Stelle bei einer
Stunde 16 Minuten auf dem Band anzuschauen, wo der
Kollege Koenders uns sehr intelligent begründet hat,
weshalb die üblichen Bedingungen, die die Holländer
für einen NATO-Einsatz stellen, uns als Caveats ausge-
legt werden. Insofern befinden wir uns in der Defensive;
daran muss die Bundesregierung arbeiten. Ich bin Ihnen,
Herr Arnold, sehr dankbar, dass Sie diese Frage gestellt
haben. Wir werden darauf noch zurückkommen.
Möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen
Kolbow zulassen?
Ja, ich würde sie sehr gerne zulassen.
Bitte schön, Herr Kollege Kolbow.
d
S
s
d
R
w
B
K
l
A
I
b
D
d
u
n
m
n
b
K
–
d
D
v
b
b
u
d
e
ü
s
r
p
t
d
D
u
h
I
w
Z
e
v
g
n
e
B
C
d
G
d
Metadaten/Kopzeile:
6602 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
der sich ja beispielsweise weigert, in diesem Rahmenüber Energiepolitik zu sprechen. Diese Meinungsunter-schiede müssen innerhalb der NATO ausgetragen wer-den. Da müssen wir entsprechend unseren Beitrag leis-ten.Es gibt einen letzten Punkt, den ich hier ansprechenmöchte. Wir müssen uns angesichts der Diskussion, diewir jetzt haben, Konzepte für unsere internationale Be-teiligung, und zwar sowohl an der NATO ResponseForce als auch an den EU-Battlegroups, überlegen. Jetztstellen Sie sich angesichts der momentanen Diskussionüber Aufgabenverteilung im Bündnis einmal vor, dassein neuer Auftrag kommt und nur holländische, engli-sche oder norwegische Soldaten angefordert werden.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin; aber Sie haben doch
sicher die Zeit für die Beantwortung der Zwischenfragen
berücksichtigt.
Die habe ich definitiv mehr als berücksichtigt. Sie
sind dennoch jetzt über die Zeit.
Das ist aber erstaunlich – ich meine, interessant. Vie-
len Dank.
Sie müssen da vielleicht mit Ihrer Fraktion verhan-
deln.
d
d
k
r
w
o
H
S
a
g
B
i
a
d
h
w
t
h
w
U
e
B
c
i
t
m
n
n
d
k
N
s
B
d
g
r
z
Ä
g
s
a
d
l
W
b
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6603
)
)
ie Anschuldigungen, die Herr Kurnaz gegen deutscheoldaten wegen Vorkommnissen während seiner Haft inandahar vorbringt, sind richtigerweise Gegenstand derntersuchungen des Verteidigungsausschusses. Nachbschluss der Untersuchung sind die entsprechendenchlussfolgerungen zu ziehen. Aber eines kann jetztchon gesagt werden: Die Information über den Einsatzer KSK muss in Zukunft wesentlich transparenter wer-en.
Das verständliche Schutzbedürfnis für die Soldatennd das selbstverständliche Informationsrecht des Parla-ents müssen und können in besserer Weise als bisher ininklang gebracht werden. Auch die in den vergangenenochen bekannt gewordenen Fotos von deutschen Sol-aten mit Gebeinen von Verstorbenen in Afghanistanind kein Ruhmesblatt für Deutschland – schon gar nichtür die Bundeswehr. Damit wird der gute Ruf der fast00 000 Soldatinnen und Soldaten, die bisher im Aus-andseinsatz waren, durch das Verhalten einiger wenigerädiert. Aber auch hier gilt der Grundsatz, dass alles bisns Detail aufgeklärt werden muss. Die Bundeswehr hatin geeignetes Instrumentarium, um Aufklärung zu leis-en. Die Wehrdienstordnung ist hier anzuwenden. Nachllem, was uns im Verteidigungsausschuss bekannt ge-orden ist, hat die Bundeswehr ihre Sache bisher sehrut gemacht.
Ich will ganz deutlich sagen, dass die Vorgesetztenerade auch während der Einsätze gefordert sind und fürin korrektes Verhalten Sorge tragen müssen.Erlauben Sie mir zum Abschluss noch einige Anmer-ungen zu dem in der letzten Woche vorgelegtenericht des Bundesrechnungshofes. Die Bemerkungenum Einzelplan 14 haben aus meiner Sicht deutlich ge-acht, dass es im Bereich des BMVg noch weiteres Op-imierungspotenzial gibt, das ausgenutzt werden muss.llerdings möchte ich hier aus Sicht der Verteidigungs-olitiker davor warnen, das Allheilmittel in einer Privati-ierung von Aufgaben zu sehen. Es ist richtig, dass sichie Bundeswehr auf ihre Kernaufgaben zu beschränkenat. Allerdings sind dabei die Organisationsabläufe beier Bundeswehr gerade vor dem Hintergrund einer ver-nderten und sich weiter verändernden Aufgabenstel-ung zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund wer-en wir uns mit den Anmerkungen intensiv auseinanderu setzen haben.Mit dem Etat 2007 sind wir aus Sicht der Verteidi-ungspolitik auf einem guten Weg. Die ursprünglichorgegebene Finanzplanlinie für den Einzelplan 14 wird
Metadaten/Kopzeile:
6604 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Rolf Kramerweiter verfolgt. Aus Sicht meiner Fraktion und aus Sichtder Koalition bedeutet dies ein Stück Stetigkeit. DieseLinie muss sich allerdings auch in den kommenden Jah-ren fortsetzen, um den Umbau der Bundeswehr erfolg-reich abschließen zu können.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Zum Schluss dieser Debatte hat der Kollege Hans
Raidel das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Lassen Sie mich zum Schluss einige ganz we-
nige Anmerkungen machen. Erstens. Mit dem Haushalt
2007 sind wir auf dem richtigen Weg. Insgesamt haben
wir eine aufsteigende Finanzlinie zu verzeichnen. Wenn
wir dafür sorgen, dass sich diese verstetigt, dann werden
wir die gemeinsamen Aufgaben in Bezug auf Ausbil-
dung, Ausrüstung, Personal und Attraktivität der Bun-
deswehr entsprechend erfüllen können. Auch werden
wir die Fragen der Rüstungswirtschaft entsprechend ein-
binden können. Die Nagelprobe insgesamt ist nicht der
Haushalt 2007. Die Nagelprobe kommt erst 2008. Dabei
müssen wir an unserer Zielsetzung festhalten.
Zweitens. Ich wünsche mir, dass wir im Ausschuss
alle Fragen der Transformation neu zur Debatte stellen,
dass wir die Einzelfragen betrachten und zu neuen Per-
spektiven kommen, indem wir feststellen: Wo stehen
wir? Wohin wollen wir? Wo sind Einzelfragen zu klä-
ren? Wo sind Schrauben neu zu justieren? Damit bekom-
men wir wieder ein ausgewogenes Tableau im Hinblick
auf die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr insgesamt. Wie
gesagt, die Ausgangsbasis ist gut. Ich glaube, dass wir
das in einer entsprechenden Perspektive gut leisten kön-
nen.
Das schließt alle Auslandseinsätze mit ein, insbeson-
dere den Einsatz in Afghanistan. Es stimmt, was hier in
etwa gesagt worden ist: Viele beteiligte Partner haben
eine eigene Sichtweise auf die Vereinbarungen. Auf dem
Gipfel in Riga – es ist richtig, Herr Kollege Stinner, dies
steht auf dem Tableau – muss über diese Fragen in aller
Deutlichkeit, ganz objektiv und offen diskutiert werden,
um wieder zu gemeinsamen Befähigungen bei der Lö-
sung dieser schwierigen Aufgaben zu kommen.
Der Herr Minister hat darauf hingewiesen, dass ein
wesentliches Dokument das Weißbuch ist. Ich wünsche
mir – sicherlich gemeinsam mit Ihnen –, dass wir im
Rahmen des Weißbuches über die Notwendigkeiten und
die gemeinsamen deutschen Interessen in der Außen-
und Sicherheitspolitik diskutieren und eine öffentliche
Debatte darüber, wie Sie selbst formuliert haben, provo-
zieren und in Gang setzen. Denn wir brauchen sie als Le-
gitimation für unsere eigene Handlungsweise hier im
Parlament.
z
n
m
S
d
t
s
j
h
m
V
g
e
U
a
w
i
ß
W
u
g
B
f
ü
D
h
m
d
D
E
g
a
f
d
S
1)
2)
eden kritischen Beitrag als wichtig und wertvoll anzuse-
en.
Zum Abschluss: Ich meine, dass wir mit unserer ge-
einsamen Außen- und Sicherheitspolitik sowie der
erteidigungspolitik gut aufgestellt sind. Sie ist ein aus-
ezeichnetes Aushängeschild, ein Markenzeichen und
ine tragende Säule für unser gemeinsames Handeln.
nsere Bundeswehr ist ein Vertrauensfaktor in Bezug
uf unsere Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit.
Zum Schluss darf ich den Angehörigen der Bundes-
ehr – in Zivil, aber insbesondere auch in Uniform – für
hre Leistungen daheim, an der Heimatfront, und drau-
en, an den Brennpunkten in der Welt, herzlich danken.
ir wissen, was sie leisten. Insofern bitte ich herzlich
m Zustimmung zum Verteidigungsetat 2007. Wir sind
emeinsam auf dem richtigen Weg.
Herzlichen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 14,undesministerium der Verteidigung, in der Ausschuss-assung. Hierzu liegen uns zwei Änderungsanträge vor,ber die wir zuerst abstimmen.Wer stimmt dem Änderungsantrag der FDP aufrucksache 16/3489 zu? – Wer stimmt dagegen? – Ent-altungen? – Der Änderungsantrag ist gegen die Stim-en der FDP-Fraktion und der Fraktion Die Linke miten Stimmen des übrigen Hauses abgelehnt.1)Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktionie Linke auf Drucksache 16/3466? – Gegenstimmen? –nthaltungen? – Die Linke hat dafür gestimmt, die übri-en Abgeordneten haben dagegen gestimmt. Damit istuch dieser Änderungsantrag abgelehnt.2)Wer stimmt für den Einzelplan 14 in der Ausschuss-assung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Damit ister Einzelplan mit den Stimmen der Koalition gegen dietimmen der Opposition angenommen.Anlage 4Anlage 5
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6605
)
)
Vizepräsidentin Katrin Göring-EckardtIch rufe Tagesordnungspunkt I.11 auf:Einzelplan 23Bundesministerium für wirtschaftliche Zu-sammenarbeit und Entwicklung– Drucksachen 16/3119, 16/3123 –Berichterstattung:Abgeordnete Alexander BondeJochen BorchertIris Hoffmann
Jürgen KoppelinMichael LeutertZum Einzelplan 23 liegt ein Entschließungsantrag derFraktion des Bündnisses 90/Die Grünen vor, über denwir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmenwerden. Zwischen den Fraktionen wurde vereinbart, fürdiesen Einzelplan eine Debatte von einer Stunde vorzu-sehen. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist sobeschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem KollegenHellmut Königshaus von der FDP-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich kannunmittelbar an das, was wir gerade behandelt haben, an-schließen: Afghanistan und den unbestritten erkennba-ren Zusammenhang zwischen Sicherheit auf der einenund Entwicklung auf der anderen Seite. Sicherheit undEntwicklung sind zwei Seiten einer Medaille. Gerade inunterentwickelten Ländern – Afghanistan gehört sicherdazu – ist es erforderlich, dass man militärische Inter-ventionen mit zivilen Komponenten begleitet.Heute Morgen, aber auch schon am Volkstrauertaghat die Bundeskanzlerin auf diesen Punkt ausdrücklichhingewiesen. Sie hat dabei angemahnt, dass der deutscheBeitrag, den wir in Afghanistan leisten, nicht auf den mi-litärischen Sektor begrenzt werden darf, sondern geradeauch die entwicklungspolitische Komponente angemes-sen gewürdigt werden muss. Damit hat sie natürlich völ-lig Recht, und zwar aus den Gründen, die wir alle ken-nen. Wir Entwicklungspolitiker wissen das schon lange.Aber, Frau Ministerin, wo findet sich in diesem Haus-halt diese Schwerpunktsetzung zugunsten Afghanistanswieder? Sind die Worte der Kanzlerin einfach nur warmeLuft? Ich hätte eigentlich erwartet, dass Sie, die Kanzle-rin oder jemand anderes sagt: Endlich haben wir begrif-fen, dass wir in Afghanistan mehr tun müssen; wir stel-len den Haushalt um und stecken mehr Geld rein. Das istaber nicht der Fall. Stattdessen fand ich heute nach mei-ner Rückkehr eine Presseerklärung von Ihnen, in der esheißt, was wir bisher leisteten, sei schon beträchtlich.Das können Sie so sehen. Sie sehen hier aber einen wirk-lich mickrigen Aufwuchs der Mittel für Afghanistan vor.Wenn ich die Höhe der Mittel mit denen für andere Neh-merländer vergleiche, erkenne ich: Es ist geradezu be-schämend, gerade im Hinblick auf den Anspruch, nebendem militärischen einen entwicklungspolitischen Ansatzzu verfolgen.
tMwdh1gdunLdvuizsghgmZStukdhf–ddKsbidmulwswba
as selbst jährlich 1,5 Milliarden Euro an Entwicklungs-ilfe zahlt, das einen generösen Schuldenerlass von0,5 Milliarden Euro für einzelne Länder, die ihm ener-iepolitisch dienlich zu sein scheinen oder von denen esas hofft, beabsichtigt, wo die Küstenregionen boomennd wo wir ein Wirtschaftswachstum beobachten kön-en, von dem wir nur träumen können. Das ist doch einand, das sich selbst helfen kann. Hier hätten wir miteutlich verringerten Mitteln herangehen und zugunstenon Afghanistan und anderen Ländern am Hindukuschmschichten können.
Nichts davon können wir hier feststellen. Wir habenm Ausschuss beantragt, dass hier durch Umschichtungugunsten Afghanistans um 30 Millionen Euro aufge-tockt wird. Das ist kommentarlos von der Mehrheit ab-elehnt worden, und zwar quer durch alle die, die hiereute große Reden zur zivilen Dimension in Afghanistanehalten haben. Sie haben diesen Antrag einfach kom-entarlos abgelehnt.
iehen Sie doch endlich die Konsequenz aus dem, wasie sagen, wenn Sie das alles ernst meinen. Herr Minis-er, wenn Sie und die Kanzlerin in Riga einen Aufwuchsm knapp 5 Millionen Euro für Afghanistan groß ver-ünden und denken, das sei dann der große Beitrag undeswegen müssten wir militärisch nicht in die Pflicht ge-en, dann werden Sie sich blamieren; das wird nichtunktionieren. Die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin das ist ganz eindeutig – reicht jedenfalls nicht bis anen Schreibtisch der Entwicklungsministerin,
ie in dieser Richtung ja auch nichts getan hat. Dieanzlerin hat die Erkenntnis, die Sie uns mitgeteilt hat,icherlich nicht erst heute Morgen gewonnen.
Frau Ministerin, Sie sind ja gerade wegen Ihrer Un-eugsamkeit persönlich sehr sympathisch. Aber geraden diesem Punkt wäre ein bisschen Flexibilität zugunstener wirklich richtigen Auffassung der Kanzlerin ange-essen gewesen. Stattdessen fließen die Mittel wiedernvermindert nach China und in die anderen Schwellen-änder; wir haben das schon besprochen. Davon müssenir weg. Das ist doch keine vernünftige Schwerpunkt-etzung, schon gar nicht vor dem Hintergrund dessen,as wir hier heute Morgen gehört haben.Der Haushalt wird wachsen, das ist wohl unvermeid-ar; denn Sie werden mit Ihrer fetten Mehrheit natürlichlles, was wir hier beantragen, einfach niederdrücken.
Metadaten/Kopzeile:
6606 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Hellmut KönigshausSie können das auch machen. Aber dieses Geld müsstedann wenigstens in die Richtung gelenkt werden, wo eswirklich gebraucht wird, vor allem wenn Sie auch selbstAnsprüche erheben, dass Sie dort Schwerpunkte setzen.Dann tun Sie es doch endlich!Ich weiß, Sie hören das nicht gerne, aber ich will hierdennoch – ich habe das schon oft ausgeführt – auf diegroßen multilateralen Fonds verweisen. Wir habenzwar auch gestern darüber gesprochen und haben einbisschen mehr Klarheit geschaffen, haben aber nicht un-sere Auffassung zu diesem Thema geändert. Ich will dashier aber nicht weiter vertiefen, weil ich sonst mein Zeit-budget überziehe. Ich will einfach nur darauf hinweisen:Auch dort gibt es noch erhebliches Potenzial zur Um-schichtung zugunsten dessen, was ich eben angespro-chen habe.Im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeitund Entwicklung hatten wir keine echten Haushaltsbera-tungen, wenn ich das einmal so sagen darf. Vielmehrwurde einfach kommentarlos alles an Kürzungserwä-gungen – selbst, wenn sie von den eigenen Haushälternkamen – abgetan. Stattdessen wurde einstimmig undweitestgehend ohne große Diskussion jeder Erhöhungs-antrag einfach durchgewinkt. Meine Damen und Herren,das ist nicht das, was wir unter einer wirksamen Haus-haltspolitik im Entwicklungsbereich verstehen. MeinKollege Addicks wird hierzu noch einiges weiter ausfüh-ren.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Ich danke Ihnen, Frau Präsidentin, für Ihre Geduld
und Ihnen, meine Damen und Herren, für Ihre Aufmerk-
samkeit.
Für die SPD-Fraktion spricht die Kollegin Iris
Hoffmann.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Nach Abschluss der Beratungen zum Einzelplan Wirt-schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gilt zu-nächst mein Dank allen Beteiligten: der Ministerin, demHaus, unserem Koalitionspartner, aber auch den Kolle-gen von der Opposition. Wir haben in der Sache teilshart verhandelt, aber letztlich immer konstruktiv.Alle am Haushalt dieses Bundesministeriums Betei-ligten einte das gemeinsame Ziel, die deutsche Entwick-lungszusammenarbeit zu stärken und voranzubringen.Das ist uns in diesem vorliegenden Haushaltsentwurf für2007 auch wieder gelungen. Mit einer Steigerung vonweit über 300 Millionen Euro ist dieser Haushalt einerder am stärksten aufwachsenden Einzelpläne im Bundes-haushalt insgesamt.
mtnNlewiDffdmfimtD1gVmfmdtbddNsirsh1vDlvGilndEWdt32gMfn
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6607
)
)
Ein Schwerpunkt unserer parlamentarischen Beratungenlag darauf, es auch diesen Organisationen zu ermögli-chen, angemessen an der positiven Entwicklung diesesEinzelplanes zu partizipieren.Lassen Sie mich einige Beispiele herausgreifen. Ne-ben den politischen Stiftungen und den Kirchen, derenMittelansätze auch in diesem Haushaltsjahr eine Steige-rung erfahren haben, möchte ich noch einmal den Titel„Förderung entwicklungswichtiger Vorhaben privaterdeutscher Träger“ erwähnen. Hieraus werden basisnaheProjekte vieler ehrenamtlich tätiger Vereine und Nichtre-gierungsorganisationen gefördert. Diese Projekte wirkenin den Partnerländern ganz unmittelbar an der Basis. Sieerreichen vor allem die ärmsten Bevölkerungsgruppenund tragen direkt zur Verbesserung ihrer Lebensbedin-gungen bei.Ein weiter Schwerpunkt, den wir in diesen Haushalts-beratungen gesetzt haben, ist auf die Verstärkung desKampfes gegen HIV/Aids gelegt. Dazu gehört auch dieAufstockung des deutschen Beitrages zum GlobalenFonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Ma-laria um gut 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
– Das ist auch gut.Gleichzeitig wurden durch die Zweckbindung einesTeils der zusätzlichen Mittel die bilateralen Programmezur Bekämpfung von Aids und HIV gestärkt. Denn bi-und multilaterale Programme arbeiten nicht nebeneinan-der, sondern ergänzen sich. Genau das wollen wir errei-chen. Am Beispiel der Arbeit des Globalen Fonds wirddas deutlich. Er finanziert bislang hauptsächlich Medi-kamente und Verhütungsmittel, unterhält jedoch keineAußenstrukturen und Büros und ist daher von den Struk-turen in den Partnerländern vor Ort stark abhängig.Genau hier greifen die deutsche finanzielle Zusammen-arbeit und die technische Zusammenarbeit ein und unter-stützen in verschiedenen Ländern den Aufbau von Um-setzungsstrukturen und -verfahren.LddkbDbKkkklZidDldDmddsmIBddwMmdMwgZakiduId
Liebe Kolleginnen und Kollegen, abschließend hättech gerne noch einige grundlegende Ausführungen zuen im Moment diskutierten Umstrukturierungen derurchführungsorganisationen der deutschen Entwick-ungszusammenarbeit gemacht. Meine Redezeit ist je-och abgelaufen. Ich hoffe, dass dieses Thema in dieserebatte noch aufgegriffen wird.Ich wünsche mir, dass wir hier Anfang des Jahres ge-einsam eine gute Lösung finden, durch die wir dieeutsche Entwicklungszusammenarbeit und insbeson-ere auch die bilaterale Entwicklungszusammenarbeittärken und mit der multilateralen Entwicklungszusam-enarbeit verknüpfen.Vielen Dank.
Für Die Linke spricht die Kollegin Heike Hänsel.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!m Rahmen der Haushaltsdebatte ziehen wir heute auchilanz über ein Jahr große Koalition. Wie sieht es da iner Entwicklungspolitik aus? Mein bleibendster Ein-ruck ist – ich bin neu im Parlament –, dass wir im Ent-icklungsausschuss sehr häufig über die Beteiligung anilitäreinsätzen als Beitrag zur Entwicklung abstim-en mussten. Vor ein paar Jahren wäre das noch un-enkbar gewesen. Insofern hat die Enttabuisierung desilitärischen, wie es Gerhard Schröder formuliert hat,irklich gegriffen. Sie ist vollzogen und wird von derroßen Koalition konsequent weiter betrieben. Das neueauberwort dabei heißt „zivil-militärische Zusammen-rbeit“.Herr Struck hat sich heute Morgen über die Bemer-ung von Gregor Gysi empört, deutsche Soldaten seienn Kriegseinsätzen. Er hat gesagt, das sei falsch, die Sol-aten seien in Friedensmissionen und würden Aufbau-nd Entwicklungshilfe leisten.
ch muss sagen: Das ist eine recht plumpe Manipulationer öffentlichen Meinung.
Metadaten/Kopzeile:
6608 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Heike Hänsel
Ich möchte den Satz wiederholen, den ich hier bereitsvor einem Jahr gesagt habe: Soldaten sind keine Ent-wicklungshelfer.
Das gilt nach wie vor. Was macht zum Beispiel dasKommando Spezialkräfte in Afghanistan? Wir sind nichtdarüber informiert, was dort gemacht wird und ob dieseSpezialtruppe zurzeit in Afghanistan ist oder nicht, undzwar deswegen, weil sie einen Kampfauftrag hat, weilsie im Kriegseinsatz ist und es zu gefährlich wäre, unsdarüber zu informieren. Soldaten sind zuallererst dazuausgebildet, Menschen zu töten.
Sie können auch getötet werden. Wer im Bundestag dieHand dafür hebt, Soldaten ins Ausland zu schicken,nimmt dies in Kauf.
Dies muss man im Zusammenhang mit der Diskus-sion, ob deutsche Soldaten in den Süden Afghanistansgehen sollen oder nicht, klar sagen. Wer Ja zum Einsatzvon Soldaten im Ausland sagt, kann sich nicht vor denKonsequenzen drücken, die das nach sich zieht. Genaudeshalb halte ich die Vermischung von Militäreinsätzenmit Aufbau- und Entwicklungshilfe für fatal. Die Solda-ten in Afghanistan sind in unseren Augen nicht Teil derLösung, sondern Teil des Problems.
Deshalb fordern wir den sofortigen Abzug der Soldatenaus Afghanistan.
Das Land gehört noch immer zu einem der ärmstender Erde. Es wurde berechnet, dass der Westen für die-sen Militäreinsatz in den letzten Jahren insgesamt mehrals 82 Milliarden Euro ausgegeben hat, während für diezivile Entwicklung und für den Aufbau des Landes ge-rade einmal 7 Milliarden Euro zur Verfügung gestelltwurden.Die zivil-militärische Zusammenarbeit ist eine Illu-sion; denn das Zivile muss immer auf Kosten des Militä-rischen zurückstecken.
Je mehr Geld man in den militärischen Bereich inves-tiert, desto weniger bleibt für die zivile Entwicklungübrig. Das ist eine logische Folgerung. So können dieHerzen der Menschen in Afghanistan nicht gewonnenwerden, die ohne Strom, Wasser und Gesundheitsversor-gung leben und keine Arbeit haben, aber tagtäglich gutausgerüsteten und rundum versorgten Soldaten begeg-nen.Deshalb haben wir uns für den Abzug der Soldatenaus Afghanistan eingesetzt. Die dadurch frei werdendenHvDKssmllAsGFmewKZvnmhssemHwabzAphtFkdaWNrvidD
Die Entwicklungspolitik verkommt dabei in zuneh-endem Maße zum strategischen Anhängsel der Sicher-eitspolitik. Wir lehnen solche integrierten Militärein-ätze, die in Zukunft vermehrt im Rahmen der EUtattfinden sollen, ab. Stattdessen setzen wir uns dafürin, eine aktive zivile Friedenspolitik zu betreiben, dieehr als nur Sicherheitspolitik ist.
Zu diesem Zweck müssen in unseren Augen auch imaushalt die richtigen Weichen gestellt werden, sowohlas die Ausweitung des zivilen Friedensdienstes angeht,ls auch was die Finanzierung der UN-Organisationenetrifft, die sich um Entwicklung, humanitäre Hilfe undivilen Aufbau bemühen. Dazu haben wir zahlreichenträge gestellt. Insofern muss ich sagen: Es ist für micholitisch nicht nachvollziehbar, warum die im Haus-alt 2007 ursprünglich vorgesehene Erhöhung der Bei-räge, die an die Vereinten Nationen und an den Globalund gezahlt werden sollten, von den Haushaltspoliti-ern zurückgenommen wurde.
Als ich vor kurzem gemeinsam mit einer Delegationie Vereinten Nationen besucht habe, wurden wir über-ll gefragt, warum Deutschland im Verhältnis zu seinerirtschaftskraft nur so geringe Beiträge an die Vereintenationen zahlt. Es gibt zum Beispiel einen neu einge-ichteten Nothilfefonds, an dem sich 60 Länder, darunteriele Entwicklungsländer, beteiligen. Deutschland zahltn diesen Fonds keinen einzigen Cent. Das ist ein Skan-al. Meiner Meinung nach wäre es viel besser, wenneutschland seine internationale Verantwortung im
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6609
)
)
Heike Hänselzivilen Bereich wahrnehmen würde, statt Soldaten inalle Welt zu schicken. Genau das fordern wir auch ein.
Im Zusammenhang mit der Erhöhung der Mittel desEinzelplans 23 und angesichts der steigenden ODA-Quote möchte ich darauf hinweisen – auch das habe ichbereits mehrfach kritisiert –, dass die Entschuldung beider Berechnung der ODA-Quote nach wie vor angerech-net wird. Das ist nicht zulässig. Die OECD hat berech-net, dass die ODA-Quote deutlich niedriger wäre, wenndie Entschuldung nicht angerechnet würde. Dieses Vor-gehen ist nicht legitim. Wir setzen uns dafür ein, dass dieMittel im Verteidigungshaushalt umgeschichtet werdenund mehr Geld für die Entwicklungspolitik zur Verfü-gung gestellt wird. Hier gibt es verschiedene Möglich-keiten. Wir haben dazu viele Vorschläge erarbeitet. Aberes ist nicht legitim, die Entschuldung bei der Berech-nung der ODA-Quote anzurechnen.Zum Schluss möchte ich noch kurz auf die auch inden heutigen Debatten mehrfach erwähnte G-8-Präsi-dentschaft und auf die EU-RatspräsidentschaftDeutschlands eingehen. Im Etat des Einzelplans 23wurden mehr als 4 Milliarden Euro für Konferenzen undKongresse angesetzt. In meinen Augen wäre es die besteentwicklungs- und friedenspolitische Initiative, diesesGeld für Kongresse zu streichen und es umzuwidmen fürdie Erreichung der Millenniumsziele, für die Bekämp-fung von Armut und Hunger und den Klimaschutz. DenG-8-Gipfel können wir uns sparen.
Er ist nur die Zusammenkunft der reichen und mächtigenStaaten, die ohne jegliche Legitimation weit reichendeEntscheidungen bezüglich Weltwirtschaft und neuer Mi-litäreinsätze treffen.
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Ende.
Ich komme zum Schluss. – Wir brauchen ernsthafte
Initiativen für weltweite Abrüstung und einen umfassen-
den Klimaschutz. Dafür haben wir viele Vorschläge ge-
macht. Viele Menschen vernetzen sich weltweit in die-
sem Zusammenhang. Ich sage Ihnen: Viele Menschen
werden nächstes Jahr beim G-8-Gipfel dafür auf die
Straße gehen. Wir werden dabei sein.
Danke.
Das Wort für die CDU/CSU-Fraktion hat der Kollege
Jochen Borchert.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Der vorliegende Bundeshaushalt 2007 ist ein deutlichesZeichen dafür, dass die Bundesregierung ihre internatio-nale Verantwortung wahrnimmt und dieser Verantwor-tZdMfznSdKjeId3vSbdgdMafdSsgOensmbsodauztrdD
Wir konnten den Etat wechselkursbereinigt um gut37 Millionen Euro steigern. Das entspricht einem Pluson gut 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.Wir haben bei den parlamentarischen Beratungen denchwerpunkt auf drei Bereiche gelegt:Erstens haben wir deutlich gemacht, dass wir die Ar-eit unserer bilateralen Partner weiter stärken.Zweitens haben wir mit der Erhöhung der Mittel fürie Bekämpfung von HIV/Aids um 15 Millionen Euroegenüber dem Regierungsentwurf deutlich gemacht,ass wir die Ankündigung der Bundesregierung, dieittel für die Bekämpfung von HIV/Aids zu erhöhen,ktiv unterstützen.Drittens konnten wir die Wirksamkeit der deutscheninanziellen Zusammenarbeit durch etatneutrale Verän-erungen im Haushalt deutlich stärken. Auf diese dreichwerpunkte will ich jetzt eingehen.
Deutschlands Möglichkeiten in der Entwicklungszu-ammenarbeit sind ausgesprochen vielseitig. Wir verfü-en über effiziente, international anerkannte bilateralerganisationen der staatlichen EZ. Wir verfügen überine facettenreiche Landschaft der Nichtregierungsorga-isationen, die sich engagiert für die wirtschaftliche Zu-ammenarbeit und Entwicklung einsetzen. In der parla-entarischen Beratung haben wir zugunsten derilateralen EZ 40 Millionen Euro umgeschichtet. Damittärken wir die Arbeit unserer bilateralen Entwicklungs-rganisationen. Die Diskussion über eine Stärkung dereutschen bilateralen EZ beschränkt sich aber nicht nuruf die reinen Etatberatungen, sondern die Diskussionmfasst auch die Struktur der staatlichen Entwicklungs-usammenarbeit. Ich begrüße es, dass auch im Koali-ionsvertrag ausdrücklich die Verbesserung der Struktu-en und eine Steigerung der Effizienz der Organisationener Entwicklungszusammenarbeit gefordert werden.eshalb diskutieren wir zurzeit lebhaft darüber, wie wir
Metadaten/Kopzeile:
6610 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Jochen Borchertunsere beiden Durchführungsorganisationen KfW undGTZ noch besser miteinander verknüpfen können.Der Haushaltsausschuss hat den Bundesrechnungshofbeauftragt, Möglichkeiten einer Verbesserung der Zu-sammenarbeit zu überprüfen, die ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis aufweisen. Denn Effizienz bedeutetauch hier, gewissenhaft zu prüfen, welche Veränderun-gen tatsächlich eine Verbesserung der Zusammenarbeitbringen. Ich will aber eines betonen: Bei allen Verände-rungen ist es erforderlich, dass die komparativen Vor-teile und das markante Profil der deutschen EZ nicht ver-loren gehen. Ich denke, wir tragen die Verantwortung füreine nachhaltige Stärkung der deutschen EZ.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Bundesregie-rung hat ihr Engagement für die globale Bekämpfungvon Aids, Malaria, Tuberkulose und anderen Infektions-krankheiten in den letzten Jahren stetig erhöht. Ichdenke, dies ist ein großer persönlicher Erfolg für Sie,Frau Ministerin Wieczorek-Zeul. Die deutsche Entwick-lungspolitik ist im Bereich HIV/Aids jetzt bilateral infast 50 Ländern mit international anerkannten innovati-ven Ansätzen aktiv. Besonders im Bereich der HIV/Aids-Bekämpfung hat sich gezeigt – darauf ist meineKollegin Iris Hoffmann schon eingegangen –, wie wich-tig die komplementäre Arbeitsteilung zwischen den bila-teralen Entwicklungsorganisationen und den multilatera-len Gebern ist. So können die bilateralen Geber in denPartnerländern ohne aufwendige Bürokratie und ohnelange Abstimmungsverfahren schnell und effizient Un-terstützung leisten.Der Fonds GFATM verfügt über keine eigene Außen-struktur und ist daher ohne bilaterale Partner häufig nichtin der Lage, die betroffenen Länder beim Aus- und Auf-bau der nötigen Umsetzungsstrukturen und -verfahren zuunterstützen. Ich denke, dies verdeutlicht die Notwen-digkeit einer komplementären Zusammenarbeit und dieNotwendigkeit, sowohl bilaterale als auch multilateraleUnterstützung zu bieten.Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einer Pressemit-teilung des Aktionsbündnisses gegen Aids wird das Par-lament aufgefordert, gegen den Einzelplan 23 zu stim-men, weil die Mittel zur Bekämpfung von HIV/Aidsgekürzt worden und die Beiträge an die Vereinten Natio-nen abgestürzt seien. Ich setze mich gerne mit jedemEinwand auseinander, in dem die Zahlen auch nur eini-germaßen stimmen. Die Zahlen, mit denen das Aktions-bündnis gegen Aids argumentiert, haben mit der Haus-haltswirklichkeit aber überhaupt nichts zu tun.So wird behauptet, die Baransätze im Titel 687 01– Beiträge an die Vereinten Nationen – lägen unter denAnsätzen von 2004. Die tatsächlichen Zahlen sind: 2004wurden im Haushalt dafür 155,2 Millionen Euro einge-setzt. In dem Entwurf für 2007, über den wir jetzt disku-tieren, haben wir 199,3 Millionen dafür eingesetzt. ImVergleich von 2007 zu 2004 bedeutet das eine Steige-rung um 44,1 Millionen Euro oder 28 Prozent.–umlfswvmmku2lgM–esaKwnan3be
In der Presseerklärung werden die Zahlen von 2004nd 2007 miteinander verglichen. Es sind 2007 nun ein-al 44,1 Millionen Euro mehr. Wenn Sie die Zahlen ge-iefert haben, dann sollten Sie sie noch einmal überprü-en.
Auch die Mittel zur Bekämpfung von HIV/Aidsind nicht gekürzt worden, sondern im Haushalt 2007erden für den GFATM, den Fonds zur Bekämpfungon Aids, Tuberkulose und Malaria, 15 Millionen Euroehr als in diesem Jahr eingesetzt. Im Zuge der parla-entarischen Beratung haben wir die Mittel zur Be-ämpfung von Aids für die bilateralen Organisationenm 20 Millionen Euro erhöht. Das heißt, im Vergleich zu006 werden 2007 im Einzelplan 23 mindestens 35 Mil-ionen Euro mehr zur Bekämpfung von Aids zur Verfü-ung gestellt. Das ist alles andere als eine Senkung derittel.
Frau Präsidentin, der Kollege Addicks möchte gerneine Zwischenfrage stellen.
Möchten Sie sie gerne zulassen?
Mit großem Vergnügen.
Bitte schön.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege, abge-
ehen von den absoluten Zahlen: Könnten Sie uns bitte
uch sagen, an welcher Stelle wir im internationalen
ontext mit unseren Beiträgen zum Global Fund stehen?
Ich denke, es geht jetzt nicht darum, an welcher Stelleir stehen; aber ich will zu dem Global Fund gleichoch einige Zahlen nennen, damit dies deutlich wird.Ich habe eben ja nur die Erhöhung von 2006 auf 2007ngesprochen. Wenn Sie sich die Zahlen der vergange-en Jahre ansehen, dann erkennen Sie, dass wir 20032,5 Millionen Euro in den Global Fund eingezahlt ha-en, während wir im nächsten Jahr 87 Millionen Euroinzahlen werden. Ich glaube, es gibt kaum ein anderes
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6611
)
)
Jochen BorchertLand, das in diesen Jahren eine so imposante Steigerungwie die Bundesrepublik Deutschland aufweist.
Es wäre schön gewesen, wenn Sie, Herr Addicks, zu-gehört hätten; denn jetzt stellen Sie das nächste Mal viel-leicht wieder diese Frage. Ich beantworte sie dann abergerne noch einmal.
Ich denke, wer hier von Kürzungen spricht – vielleichtmachen Sie das gleich –, der weiß offensichtlich nicht,wovon er spricht.Die Mittelansätze zur Bekämpfung von HIV/Aidssteigen deutlich. So haben wir sichergestellt, dass so-wohl die multilaterale Gebergemeinschaft als auch diebilaterale Hilfe mit ausreichenden Finanzmitteln ausge-stattet sind, dass die Menschen unmittelbar von dieserHilfe profitieren und wir ein System aufbauen, das zurEigenhilfe befähigt. Ich denke, das sollte das Ziel unse-rer Politik sein. So haben wir sichergestellt, dass unsereMittel effizient und nachhaltig eingesetzt werden.Neben den Baransätzen haben wir die Effizienzsteige-rung auch durch wichtige Änderungen im Bereich derfinanziellen Zusammenarbeit erreicht, die wir be-schlossen haben. Frau Hoffmann hat bereits darauf hin-gewiesen, dass wir die Mittel für den Treuhandfonds von25 Millionen auf 50 Millionen Euro verdoppelt haben.Die Darlehen können flexibler und in größerem Umfangeingesetzt werden. Die Bundesregierung wird durch dieErweiterung des Treuhandfonds auf 50 Millionen Euroin die Lage versetzt, über die KfW ihr Engagement beiMikrobanken und Mikrofinanzierungsinstituten auszu-weiten.Mikrokredite helfen den Menschen vor Ort, sich eineeigene, von Hilfe unabhängige wirtschaftliche Existenzaufzubauen. Aber nicht nur die Mikrofinanzierung profi-tiert von der Verdoppelung des Treuhandfonds, sondernauch der Bereich der erneuerbaren Energien. Die Finan-zierung von Maßnahmen in diesem Bereich – die sogenannten 4-E-Fazilitäten – sind ein entscheidender Er-folgsfaktor, um die Ziele der deutschen Entwicklungszu-sammenarbeit auch im Hinblick auf den Klimaschutzvoranzutreiben.Wir haben gleichzeitig auch die Möglichkeiten für dieAusdehnung der Vergabe zinsverbilligter Darlehen deut-lich erhöht. Dadurch können wir eine erhöhte Wirksam-keit der Mittel erreichen. Zum einen stehen mehr Mittelfür dieses Instrument zur Verfügung und zum anderenkann ein weiterer Nachfragekreis bedient werden.Bei den Weichenstellungen für die nächsten Haus-haltsjahre geht es um eine weitere Stärkung der Entwick-lungszusammenarbeit. Dafür haben wir die Verpflich-tungsermächtigungen bei der TZ und FZ erhöht. Wirhaben aber auch die Stellung der Stiftungen der Kirchenim Bereich der Entwicklungszusammenarbeit mit einerErhöhung der VE unterstrichen.nbbdcdkMlHhzKcskwwbBnIzRndtdgduafwmGsisiSdKwtked
Metadaten/Kopzeile:
6612 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Zur Erwiderung hat der Kollege Königshaus das
Wort.
Lieber Herr Kollege Koppelin, ich habe erstens mit
großem Interesse vernommen, dass Sie nicht mehr die
Auflösung des BMZ fordern, sondern verlangen, dass
sich die beiden Ministerien zusammensetzen mit dem
Ziel, die Reibungsverluste zu verringern. Ausgehend
von Ihrer bisherigen Position ist das, finde ich, ein gutes
Rückzugsgefecht.
Zweitens, zu den Anmerkungen über eine bessere Zu-
sammenarbeit von GTZ und KfW. Ich habe keine Veran-
lassung, daran zu zweifeln, dass die KPMG das Gutach-
ten neutral erstellt hat. Es gibt zwar offene Fragen in
dem Gutachten. Aber darüber haben wir bereits intensiv
diskutiert. Um die offenen Fragen zu klären, haben wir
– wie ich finde: zu Recht – den Bundesrechnungshof be-
auftragt. Wir werden dann im Ausschuss über dieses
Gutachten mit aller Intensität diskutieren.
Unser Ziel muss es sein, die Zusammenarbeit zu ver-
bessern und dort, wo es möglich ist, zu Kostenersparnis-
sen aufgrund einer verbesserten Zusammenarbeit zu
kommen. Ich bleibe aber bei meiner Aussage, dass dabei
die jetzigen Vorteile der durchaus spezialisierten Durch-
führungsorganisationen, die das spezifische Profil der
deutschen Entwicklungspolitik ausmachen, auch in Zu-
kunft erhalten bleiben. Ich sehe mit Interesse den Ergeb-
nissen entgegen, zu denen wir in den Beratungen im
Haushaltsausschuss kommen werden.
Herr Kollege Borchert, ich entschuldige mich herz-
lich. Der Herr Kollege Königshaus hat seinem Kollegen
s
K
B
K
g
e
w
G
W
b
H
a
w
P
R
t
w
k
n
D
f
m
K
m
F
l
e
m
a
Frau Koczy, möchten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Koppelin zulassen?
Ja, bitte, wenn es nicht von meiner Redezeit abgeht.
Bitte, Herr Koppelin.
Frau Kollegin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu neh-
en, dass der frühere Bundesaußenminister Joseph
ischer die gleiche Haltung wie ich vertreten hat, näm-
ich dass eigentlich das BMZ in das Auswärtige Amt
ingegliedert werden sollte?
Herr Koppelin, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu neh-en, dass ich nicht Joschka Fischer bin und dass ich einendere Auffassung habe?
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6613
)
)
Wir verabschieden heute den entwicklungspolitischenHaushalt für das Jahr 2007. Das ist ein spannendes Jahr,ein Jahr, das der Bundesregierung Gestaltungsspielraumwie selten in der internationalen Politik gibt. Mit der EU-Ratspräsidentschaft und dem Vorsitz des G-8-Gipfelshat die Bundesregierung eine große Chance. Sie kannden Rahmen für eine menschliche, soziale und ökolo-gisch verträgliche Globalisierung mitgestalten. Sie kannauch angesichts der Klimakatastrophe in dieser unserereinen Welt den Fuß auf die Bremse setzen. Sie kann so-gar, wenn sie denn fit genug und willens wäre, jetzt Füh-rungsqualitäten zeigen und sich an die Spitze der Gipfelstellen. Diese vielleicht ungewohnte Rolle ist KanzlerinMerkel nicht nur vonseiten der britischen Außenministe-rin Beckett nahe gelegt worden.Aus entwicklungspolitischer Sicht begrüßen wir diestärkere Hinwendung zu Afrika. Immerhin ist der Bun-desregierung gerade noch rechtzeitig aufgegangen, dassman diesen Kontinent nicht ignorieren sollte. China istuns da mit dem China-Afrika-Gipfel meilenweit voraus.Die deutschen Vorstellungen, was unter der Präsident-schaft laufen soll, sind noch etwas nebulös. Hoffentlichwird das nicht auch noch peinlich, weil sich die afrikani-schen Staaten nicht mehr mit einer Appel-und-Ei-Politikabspeisen lassen werden. Liebe Bundesregierung, Siehatten offenbar vor, zu kleckern, aber Sie werden nichtumhinkommen, in diesem Zusammenhang zu klotzen.Ähnliches gilt für den Haushalt. Die wichtigste Frage,die heute eigentlich diskutiert werden müsste, ist die,wie viel Geld Deutschland in Zukunft analog zu seinerLeistungsfähigkeit tatsächlich in eine globale Entwick-lungspartnerschaft einbringen will. Der Haushalt 2007und das Konzept, das die Bundesregierung für den G-8-Vorsitz vorgelegt hat, machen vor allem eines klar: Siehat keinen Plan. Sie hat keinen Plan, wie der EU-Stufen-plan umgesetzt werden soll, sie hat keinen Plan, wiemultilaterale Politik gestärkt werden soll, und sie hatkeinen Plan, wie neue Finanzierungsinstrumente Um-weltschutz und Entwicklung befördern sollen.Verehrte Ministerin Wieczorek-Zeul, mit Plan meineich nicht, dass man mathematisch aufzeigt, wie sich dieSteigerungen ergeben sollen. Mit Plan meine ich, dassman konzeptionell und strategisch aufzeigen muss, wieman im Einzelplan 23 von den jetzigen 4,5 MilliardenEuro auf einen echten Mittelzuwachs kommen will. DieZahl von 4,9 Milliarden Euro, die in der mittelfristigenFinanzplanung steht, ist nämlich lächerlich. Selbst wenndas Ganze nur einen Teil der ODA-Quote ausmacht, er-reichen Sie damit 2015 nie und nimmer die anvisierteODA-Quote von 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkom-mens. Eigentlich müsste pro Jahr 1 Milliarde Euro drauf-gesattelt werden. So sehr wir die Steigerung von324 Millionen Euro im Haushaltsentwurf 2007 lobendbegrüßen, bleiben die Zahlen doch klar hinter den Erfor-dernissen von 1 Milliarde Euro zurück.Sie können sich auch nicht auf die Schuldenerlasseverlassen. Noch segeln Sie im Wind der Nigeria- undIrakentschuldungen und verlassen sich darauf, dass da-dwdnaWwbKAMgDgjNrgsw–mmniWwSdusmsvwfGw
Lassen Sie mich an der Stelle – Herr Borchert hat eschon angesprochen – in unser aller Namen einem Mannon hier aus unseren herzlichen Dank und unsere Glück-ünsche übermitteln: Muhammad Yunus, der zu Rechtür sein Engagement für Mikrokredite und für dierameen-Bank mit dem Friedensnobelpreis belohntird. Das ist eine wunderbare Leistung.
Metadaten/Kopzeile:
6614 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-ZeulDie Mikrokredite sind aus unserer Sicht seit vielenJahren ein Instrument gegen Armut; sie dienen aber auchder Prävention vor Krisen und der Friedenssicherung.Gerade weil wir mit Kleinkrediten Armutsbekämpfungund Friedensförderung verbinden, haben wir das Instru-ment schon seit langem in die politische Arbeit des Ent-wicklungsministeriums einbezogen.Manchmal ist es gut, wenn man einmal ausrechnet,was Entwicklungszusammenarbeit für Menschen tat-sächlich bedeutet. Allein die deutsche Entwicklungszu-sammenarbeit erreicht mit ihren verschiedensten Mikro-finanzinstrumenten derzeit über 14 Millionen Menschen.Mit deren Familien profitieren davon 50 Millionen Men-schen, die dadurch aus der Armut herauskommen. Dasist eine tolle Leistung. Das finde ich wunderbar.
Das muss verallgemeinert werden. Das muss noch stär-ker aufgegriffen werden. Wir haben jedenfalls im Haus-halt die Mittel dafür deutlich gesteigert.Während einer Reise nach Marokko – einige Kolle-ginnen und Kollegen waren dabei – habe ich die dortigeUnternehmerin des Jahres getroffen. Es handelt sich umeine Frau, die vor ein paar Jahren mithilfe eines Mikro-kredits von 150 Euro aus der deutschen Entwicklungszu-sammenarbeit ihre Firma gegründet hat. Heute hat sie20 Beschäftigte und ist Unternehmerin des Jahres in Ma-rokko. Das ein wirklich tolles Ergebnis im Interesse derMenschen, insbesondere der Frauen.Lassen Sie mich als zweiten Punkt auf den Klima-schutz eingehen, den Frau Koczy auch schon angespro-chen hat. Ich kann es nur sehr kurz machen. Eines istklar: Klimaschutz kostet nicht Geld, sondern er spartdauerhaft Geld. Für unser Ministerium steht die Förde-rung von erneuerbaren Energien und von Energieeffi-zienz seit Jahren auf der Tagesordnung. Wir werden imJahr 2007 rund 400 Millionen Euro für diese beiden Be-reiche einsetzen. Das sind die großen Renner der Ent-wicklungszusammenarbeit. Damit eröffnen wir den Ent-wicklungsländern Chancen für eine Entwicklung wegvom Öl und wir unterstützen sie in der Armutsbekämp-fung.Ich möchte gern einen weiteren Punkt ansprechen, derfür mich wirklich nur schwer erträglich ist. Der zweit-größte Emittent von CO2 ist China und deshalb erwähneich in diesem Kontext auch China. Wir wollen durchKredite im Rahmen unserer wirtschaftlichen Zusammen-arbeit und durch Beratung mit dazu beizutragen, denEnergiepfad Chinas zu verändern. Das liegt nicht nur inunserem ureigenen Interesse, sondern im globalen Kli-mainteresse. Das ist keine Entwicklungshilfe. Das isteine Investition in eine zukunftsfähige Entwicklung un-seres Globus, auch für uns selbst.
Wer verlangt, dieses Vorgehen zu stoppen, der hat dieganze Argumentation nicht verstanden und wird in die-sen Fragen nicht weiterkommen.–dpMacaswKRbtcwLrhnliaddAdsiNzss2SzmglOsflssdbgd
Das sind die Richtigen: Sie kritisieren vorher, dass esiese Hilfe gibt, und wenn es nachher um bestimmte Ex-ortinteressen geht, dann stehen sie bei mir auf deratte. Das habe ich wirklich gern.
Was erneuerbare Energien und mehr Energieeffizienzngeht, ist es richtig, dass deutsche Firmen Riesenchan-en haben. Diese Chancen sollten sie nutzen. Das istuch entwicklungspolitisch vernünftig.Im Übrigen geht es doch auch darum, China in ent-prechende Dialoge einzubeziehen. Schließlich wollenir verhindern, dass China Afrika dauerhaft als einenontinent betrachtet, den man neokolonial – nur derohstoffsicherung wegen – ausbeutet. Wir wollen dazueitragen, dass dieser Energiepfad nicht weiter beschrit-en wird.Zum Schluss möchte ich auf Afghanistan zu spre-hen kommen; diese Frage ist mehrfach angesprochenorden. Ich finde, man sollte unsere wirklich guteneistungen aus parteitaktischen Gründen nicht schlecht-eden. Wir haben mein Versprechen eingelöst: Seit 2002ilft Deutschland Afghanistan jedes Jahr mit 80 Millio-en Euro. Das ist der höchste Betrag für ein Entwick-ungsland, den wir überhaupt zahlen. Wir haben Hilfenn dieser Höhe bis 2010 zugesagt und dem werden wiruch nachkommen. Wie Sie alle wissen, bin ich immerafür, dass unsere Mittel erhöht werden.Doch gerade was Afghanistan anbelangt, könneneutsche Schultern nicht alles tragen. Der Wiederaufbaufghanistans ist eine große Gemeinschaftsaufgabe, dieie verantwortliche afghanische Regierung und die Ge-amtzahl der Geber erfüllen. Wir sind bereits seit Jahrenn zehn Provinzen Afghanistans tätig, vorwiegend imorden. Wir leisten aber auch für den Süden Unterstüt-ung. Mancher, der sich zu Afghanistan äußert, tut dieso, als wenn ein Blinder von Farbe spricht. Wir unter-tützen den afghanischen Wiederaufbaufonds mit0 Millionen Euro. Dadurch werden insbesondere imüden Leistungen für die Infrastruktur, auch für die so-iale Infrastruktur, erbracht.Ich möchte heute ausdrücklich hinzufügen: Wiröchten im gesamten Jahr 2007 zusätzlich in zwei Re-ionen des Südostens entwicklungsorientierte Nothilfeeisten. Vorgesehen ist die Unterstützung durch lokalerganisationen, die auf den Gebieten Infrastruktur undoziale Grunddienste aktiv sind.In der ganzen bisherigen Debatte hat mir etwas ge-ehlt, worauf ich jetzt eingehen möchte. Die Entwick-ungshelfer in Afghanistan haben kein Gewehr beiich, um sich verteidigen zu können. Auch sie müssenchwierige Situationen durchmachen. Ihnen will ichanken. Das, was sie leisten, ist keine ungefährliche Ar-eit. Wer etwas anderes sagt, der missachtet die Leistun-en dieser Entwicklungshelfer. Ich danke ihnen außeror-entlich und herzlich.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6615
)
)
Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul
Das Wort hat der Kollege Dr. Karl Addicks für die
FDP-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministe-
rin, Sie haben gerade gesagt, dass diese Bundesregierung
die ODA-Zusagen bis 2015 einhalten wird. Ich kann nur
meiner Hoffnung Ausdruck geben, dass diese Regierung
2015 nicht mehr im Amt sein wird. Ich bin mir sicher,
dass sie so lange nicht halten wird.
Im Übrigen bin ich geneigt, hier unsere Haushälter zu
loben. Ich danke ihnen dafür, dass sie den Etat ganz be-
trächtlich aufgestockt haben, auch wenn dieser Haushalt
wieder ein Schuldenhaushalt ist; denn zu den bereits vor-
handenen Schulden kommen weitere 20 Milliarden Euro
hinzu. Immerhin ist die Tendenz bei der Neuverschul-
dung fallend.
Als Entwicklungspolitiker bin ich da immer ein biss-
chen in der Bredouille. Ich tue mich nämlich schwer, das
zu kritisieren, weil wir uns nun tatsächlich der ODA-
Quote, wenn auch auf Kosten einer höheren Schulden-
aufnahme, langsam annähern. Mittlerweile haben wir
eine Quote von 0,35 Prozent erreicht; das stellt schon
eine deutliche Verbesserung zu früher dar. Schade ist es
nur für das Land und unsere Bürger, die letztlich höhere
Steuern zahlen müssen, zum Beispiel in Form der von
Ihnen beschlossenen Erhöhung der Mehrwertsteuer um
3 Prozentpunkte. Ich weiß nun wirklich nicht, ob das der
richtige Weg ist. Letztlich konnten wir an diesem Haus-
halt nichts ändern. Im Ausschuss haben Sie alle unsere
Änderungsvorschläge großzügig abgeschmettert.
Ins Gewissen möchten wir Ihnen an dieser Stelle doch
noch einmal reden und fragen, wie diese sauer erwirt-
schafteten Mittel von Ihnen verwendet werden, also an
wen und wofür wie viel gegeben wird. Das ist ja eine un-
serer Aufgaben.
Einige meiner Fragen wurden schon angesprochen.
Ich komme zunächst einmal auf China zu sprechen,
Frau Ministerin. Dass wir China aus dem Entwick-
lungsetat Kredite geben, stellt für mich dann kein Pro-
blem dar, wenn diese Kredite zurückzuzahlen sind.
Auf diese Weise können wir nämlich Einfluss darauf
nehmen, was in China gemacht wird. Entwicklungshilfe
an China kommt für mich aber überhaupt nicht infrage,
wenn die Chinesen mit unserem Geld ihre Entwick-
lungszusammenarbeit mit Afrika finanzieren. Einen sol-
chen Luxus können wir uns angesichts unseres Schul-
d
d
A
d
f
m
a
z
d
g
E
E
f
2
s
s
g
O
L
w
B
W
s
w
E
s
s
s
L
–
G
uch die Zusammenarbeit mit anderen Schwellenlän-
ern sollten wir in diesem Rahmen noch einmal überprü-
en.
Auf ein anderes Land möchte ich zu sprechen kom-
en, nämlich Angola. Angola hat zwar hohe Einnahmen
us Ölverkäufen, kann aber nicht als Schwellenland be-
eichnet werden. So hoffe ich, dass Angola auf der Län-
erliste bleibt. Wir haben ja bei unserer Delegationsreise
esehen, was dort zu tun ist und welche Chancen die
ntwicklungszusammenarbeit für dieses Land bietet.
Im Zusammenhang mit der Frage, wofür wir unsere
ntwicklungsgelder verwenden, fällt mir im Rahmen der
inanziellen Zusammenarbeit die Budgethilfe ein. In
006 wurden dafür bisher 280 Millionen zugesagt, mit
teigender Tendenz. Wir stehen einer finanziellen Zu-
ammenarbeit in Form der Budgethilfe sehr skeptisch
egenüber. Für einige handverlesene Länder geht das in
rdnung; ich denke an Ruanda und Marokko. Bei diesen
ändern haben wir auf unserer Reise den Eindruck ge-
onnen, dass dort wirklich solide gewirtschaftet wird.
evor wir unser Geld aber anderen Ländern in dieser
eise anvertrauen, sollten wir uns diese ganz genau an-
chauen.
Frau Ministerin, Sie haben auch die Mikrokredite er-
ähnt. Ich kann Ihnen nur beipflichten: Diese Art der
ntwicklungszusammenarbeit können wir uneinge-
chränkt unterstützen.
Sie müssen jetzt zum Schluss kommen, Herr Kollege.
Im Übrigen merke ich, dass drei Minuten doch
chneller vergehen, als man denkt.
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wün-
che Ihnen einen schönen Abend.
Sibylle Pfeiffer spricht für die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!iebe Kollegin Koczy, wenn ich mich recht erinnereobwohl ich das gerne verdrängen würde –, waren dierünen sieben Jahre in der Regierungsverantwortung.
Metadaten/Kopzeile:
6616 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
)
)
Sibylle Pfeiffer– Was bedauerlich genug war, genau.
Während dieser sieben Jahre wurde jedes Jahr aufs Neueangekündigt, dass die Ansätze im Einzelplan 23 erhöhtwürden. Jedes Jahr stellten wir bei der Haushaltsdebattefest, dass nichts passiert ist. Deshalb wundert es michschon ein bisschen, wie Sie hier auftreten. Wir sind je-denfalls ungeheuer stolz darauf, dass uns das dieses Jahrgelungen ist. Wir sind vor allem auch deshalb stolz da-rauf, Frau Ministerin, weil wir eine gute Bundeskanzle-rin haben, die genau das unterstützt hat.
Als Vorletzte ist es immer ganz schwierig, in einersolchen Debatte zu reden.
Möchten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Koczy
zulassen?
Dabei habe ich jetzt gerade so gut angefangen.
Liebe Kollegin Pfeiffer, liebe Sibylle, nur eine kleine
Erinnerung, zur Kenntnisnahme oder auch zum Merken.
Mein Kollege Hoppe war derjenige, der daran gearbeitet
hat, dass unter Rot-Grün das 0,7-Prozent-Ziel als politi-
sches Ziel verankert wird. Ist Ihnen das bekannt?
Ich habe eben schon gesagt: Ziele formulieren ist daseine; mit einer guten Bundeskanzlerin Unterstützung fürderen Umsetzung zu haben, ist das andere.
Wir haben hier eine Debatte, in der wir uns imGrunde ziemlich einig sind. Wir wissen um dieSchwachpunkte, die Probleme, wir wissen, was wir ei-gentlich wollen, wo wir hinwollten, wenn wir könnten,mit wie viel Geld wir ausgestattet werden wollen, wirwissen um Hunger und Armut und Ähnliches. Aber,liebe Kolleginnen und Kollegen, ich muss Sie alle ein-mal fragen: Haben Sie in Ihrem Wahlkreis schon einmalausschließlich mit dem Thema wirtschaftliche Zusam-menarbeit und Entwicklung Wahlkampf gemacht? Dashaben Sie natürlich alle nicht; denn dann hätten Sie IhrenWahlkreis, so Sie ihn gewonnen haben, mit Sicherheitnicht gewonnen.
– Dass wir Wahlkreise haben, die wirtschaftliche Ent-wicklungshilfe brauchen, ist uns klar, lieber KollegeSlezdwmpBGualHMKaSDkErd7wdzuhdsmddbgdsRgtHvRara
enn ohne Frieden, liebe Kollegin Hänsel, haben wireine Sicherheit und ohne Sicherheit haben wir keinentwicklung. Das ist ganz normal. Wenn Sie hier mit Ih-en propagandistischen Reden, mit Ihren Ideen von announnemal kommen, mit Formulierungen, die wir in den0er-Jahren vom Spartakus gehört haben, dann kommenir nicht weit.
Ich will Ihnen noch etwas sagen: Ich bin heilfroh,ass Sie nicht in der Regierungsverantwortung sind undum Glück auch nie hineinkommen.
Wenn ich den Bürgern vor Ort das Thema Sicherheitnd Frieden als unsere ureigene Politik nahe gebrachtabe, dann versuche ich, ihnen zu erläutern, dass aucher Terrorismus unser Thema ist, weil dieser zum Bei-piel auf dem Nährboden der Armut wächst. Armut istenschliches Leid. Da müssen wir helfen, und zwarurch Hilfe zur Selbsthilfe, damit sich die Menschenort, wo sie sind, ernähren können, damit sie dort blei-en können, wo ihre Familien sind, und nicht in die Mi-ration müssen. Uns allen sind die Schiffe aus Afrika aufen Kanaren bestens bekannt.Ich erläutere den Bürgern, dass es einen direkten Zu-ammenhang zwischen den Themen Umwelt, Klima,ohstoffökonomie, Bildung und Ausbildung – im Übri-en vor allem für Mädchen und Frauen –, Desertifika-ion, Wasserknappheit, Gesundheit und hier besondersIV/Aids gibt. Ich sage jedem Bürger, dass ich fest da-on überzeugt bin, dass Prävention immer besser ist alseparaturarbeiten – besser, günstiger und letztendlichuch einfacher. Wir müssen mit den Steuergeldern unse-er Bürger sorgfältig umgehen. Auch das ist unsere Ver-ntwortung.
Metadaten/Kopzeile:
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006 6617
)
)
Sibylle PfeifferWenn ich den Bürgern diese Zusammenhänge klarmache, ernte ich immer ein verständnisvolles Kopf-nicken, weil es ein jeder versteht. Danach herrscht einMoment Ruhe. Aber was passiert dann? Die betreffen-den Bürger sagen mir, dass sie zehn Euro Praxisgebührzahlen müssen. Dann bin selbst ich fast am Ende.
Aber ich bin natürlich noch nicht ganz am Ende.
Da meine Redezeit schon fast vorbei ist, möchte ichnur noch eine kurze Bemerkung machen. Ich bedauresehr, dass wir diese Debatte nicht dann führen können– das Gegenteil hätte mich gefreut –, wenn das Fernse-hen noch zugeschaltet ist. Heute debattieren wir wiederunter Ausschluss der Öffentlichkeit. Ich will mich nichtüber die Medien beschweren. Denn wir haben dasThema Entwicklungspolitik schon des Öfteren in denMedien gehabt. Wir bekommen von dieser Seite auchUnterstützung. Nichtsdestotrotz müssen wir daran arbei-ten, dieses wichtige Politikfeld auch in der Zukunft inder Öffentlichkeit zu präsentieren.Es liegt im Interesse unseres Landes und unserer Bür-ger, dass Deutschland an der Entwicklung in den Ent-wicklungsländern beteiligt ist. Es ist unsere Verantwor-tung, dafür zu sorgen, dass es den Menschen vor Ort gutgeht. Dann haben auch wir etwas davon.Vielen Dank.
Zum Abschluss der Debatte hat der Kollege Sascha
Raabe für die SPD-Fraktion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Wir verabschieden in diesem Jahr schon den zweitenHaushalt. Es ist für die Opposition daher schwer, die Tat-sache kommentieren zu müssen, dass ein Etat innerhalbeines Jahres zweimal um über 300 Millionen Euro – dassind zweimal 8 Prozent – aufwächst. Daran Kritik zuüben, ist wirklich schwierig. Ich denke, das hat manheute gemerkt.Es wurde heute zwar viel geredet, aber weniger überden Haushalt selbst. Dass wir es geschafft haben, mehrMittel für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfü-gung zu stellen, muss eigentlich auch von der Opposi-tion anerkannt werden.
Es kann auch nicht angehen, dass man versucht, denEinsatz der Mittel, die aufgrund der Steigerung der ODA-Quote zur Verfügung stehen und die zum Beispiel für dieEeBsprpGwbsnwsmwrfedabSeMkrtTGhBatws–mdSwgedStedSdasg
Jawohl. – In diesem Sinne geht es auch in den kom-enden Jahren nicht nur darum, die Mittel zur Erfüllunger ODA-Quote zu steigern – da sind wir mit großenchritten vorangekommen –, sondern auch darum, imirtschaftlichen Bereich die richtigen Rahmenbedingun-en zu schaffen.Ein letzter Satz zu den Attacken auf unsere Auslands-insätze. Denken Sie an den Einsatz im Kongo, zu demie Linkspartei gesagt hat: Dort dürfen keine deutschenoldaten eingesetzt werden. Nach der vor kurzem ge-roffenen Wahlentscheidung gab es auch gestern wiederine kritische Situation vor dem Gerichtsgebäude. Auchank deutscher UN-Soldaten vor Ort wurde erreicht, dieituation zu befrieden. Das sind Beispiele dafür, dassas Zusammenspiel funktioniert. Wir helfen im Kongouf zivile Weise mit Entwicklungspolitik. Sie sollten un-ere Soldaten nicht in der Weise diffamieren, dass Sie sa-en, sie seien nicht Teil der Lösung, sondern Teil des
Metadaten/Kopzeile:
6618 Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 66. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 22. November 2006
(C)
(D)
Dr. Sascha RaabeProblems. Im Kongo sind in den letzten Jahrzehnten3,5 Millionen Menschen gemeuchelt worden. Es gab nureine UN-Friedenstruppe mit Soldaten aus Entwicklungs-ländern, zum Beispiel aus Bangladesch. Sie lassen dortseit Jahren ihr Leben. Dass Sie, Frau Hänsel, sagen, wirsollten uns an einem solchen Einsatz nicht beteiligen, istschäbig.
Das sollten Sie einmal Herrn Gysi ausrichten.
Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Schluss kommen.
Wir lassen uns nicht gegeneinander ausspielen, son-
dern sagen: Wir wollen Menschen helfen und präventiv
tätig sein. Wir können nicht tatenlos zusehen, wie Men-
schen abgeschlachtet und gemeuchelt werden.
Deswegen gilt unser Dank den Entwicklungshelfern,
die sich in Krisenregionen engagieren, und ebenso unse-
ren Soldaten. Wir sollten alle zusammen auch in Zukunft
für Frieden, Sicherheit und Entwicklung sorgen. Das al-
les gehört zusammen. Man darf dies nicht gegeneinander
ausspielen; das eine bedingt das andere.
In diesem Sinne bedanke ich mich für die Aufmerk-
samkeit und dafür, dass ich nun doch fast fünf Minuten
reden durfte.
Nachdem Sie so großartig ein Geschenk angekündigt
haben, sage ich Ihnen: Bei uns hieß das geschenkt ist ge-
schenkt, wieder holen ist gestohlen.
Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den
Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung, in der Ausschussfas-
sung. Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltun-
gen? – Damit ist der Einzelplan 23 mit den Stimmen der
Koalition gegen die Stimmen der Opposition angenom-
men.
Damit sind wir am Schluss der heutigen Tagesord-
nung.
Die nächste Sitzung berufe ich für morgen, den
23. November 2006, 9 Uhr, ein.
Genießen Sie den restlichen Abend und die gewonne-
nen Einsichten.
Die Sitzung ist geschlossen.