Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 192. Sitzung des Deutschen Bundestags und bitte den Herrn Schriftführer, die Namen der entschuldigten Abgeordneten bekanntzugeben.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach der Abgeordnete Stahl für vier Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, die Abgeordneten Schmitt , Dr. Will, Sander und Mayer (Stuttgart) für zwei Wochen wegen Krankheit.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Dr. Veit, Wallner, Neumann, Euler, Harig, Reimann, Frau Strohbach, Agatz, Rische, Vesper, Wagner, Dr. Wahl, Dr. Kopf, Lemmer, Frau Dr. Maxsein, Kiesinger, Fürst Fugger von Glött, Feldmann, Kalbitzer, Gleisner, Dr. Dr. Müller , Dannemann.
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Baur , Dr. Frey, Dr. Tillmanns, Dr. Orth, Dr. Wuermeling, Gockeln, Farke, Fisch, Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz), Freudenberg, Imig.
Ich werde demnächst dem Vorschlag nachkommen und werde vorlesen lassen, wer da ist. Ich hoffe, es sind nicht die Folgen der Debatte der letzten Woche, daß so viele Abgeordnete fehlen. — Die Urlaubsgesuche, soweit sie über eine Woche hinausgehen, sind, wie ich unterstelle, von Ihnen genehmigt. — Das ist der Fall.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden wie üblich ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll aufgenommen:
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat am 17. Januar 1952 gemäß § 33 Abs. 1 letzter Satz der Reichshaushaltsordnung eine Übersicht über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im Rechnungsjahr 1950 übersandt, die als Drucksache Nr. 3069 verteilt werden wird.
Im Einverständnis mit den Antragstellern wird
der Punkt 12 der heutigen Tagesordnung, Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Aufhebung der Verordnung über Ausnahmen vom Mieterschutz und Vorlage eines Gesetzes zur Regelung von Miet- und Pachtverhältnissen für Geschäftsräume und gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke ,
abgesetzt und auf die morgige Tagesordnung gesetzt.
Ich weise bereits jetzt darauf hin, daß im Einverständnis mit den Antragstellern auf Wunsch des Herrn Bundeskanzlers, der persönlich zu der Debatte anwesend sein möchte, der Punkt 1 der morgigen Tagesordnung, die Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Fall Kernritz abgesetzt worden ist; dafür kommt der Punkt 12 der heutigen Tagesordnung auf die morgige Tagesordnung. Ich bitte Sie, die Drucksache zu diesem Punkt 12, die heute an Sie verteilt worden ist, zu verwahren und morgen mitzubringen, da sie nicht noch einmal verteilt werden kann.
Ich rufe nunmehr auf den Punkt 1 der Tagesordnung:
Einspruch des Abgeordneten Dr. Richter gegen den ihm in der 189. Sitzung erteilten Ordnungsruf (Umdruck Nr. 441).
Der Umdruck liegt Ihnen vor. Der Herr Abgeordnete Richter hat mich gebeten, ich möchte mich für die Aufhebung des Ordnungsrufs einsetzen. Es gehört nach meiner Überzeugung nicht zu den Pflichten des Präsidenten, dem Bundestag in dieser Frage Vorschläge zu machen.
Nach der Geschäftsordnung wird ohne Aussprache abgestimmt. — Ich bitte die Damen und Herren, die für den Einspruch des Herrn Abgeordneten Richter sind, eine Hand zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei einigen Enthaltungen gegen wenige Stimmen ist der Einspruch abgelehnt.
Ich rufe auf den Punkt 2 der Tagesordnung:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der FU , FDP, CDU/CSU betreffend Maßnahmen zur Förderung des
Kunsthandels .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 10 Minuten und für den Fall, daß eine Aussprache stattfindet, eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung des Antrags Herr Abgeordneter Dr. Decker!
Dr.-Ing. Decker , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Große Anfrage Nr. 3002 ist veranlaßt durch Klagen aus dem deutschen Kunsthandel. Es ist zur Zeit unmöglich, deutsche Kunstwerke oder Kunstwerke fremder Provenienz nach Deutschland einzuführen, weil zu diesem Zwecke keine Devisen freigegeben werden. Andererseits sollen für die Einfuhr minderwertiger Schriften nach Deutschland ausländische Zahlungsmittel zur Verfügung gestellt worden sein. Ich möchte auf eine Notiz in der „Abendpost" hinweisen. Ich bitte den Herrn Präsidenten um die Erlaubnis, das vorlesen zu dürfen.
Es wird noch soviel in diesem Hause verlesen, Herr Abgeordneter, deshalb erlaube ich Ihnen das auch.
Dr.-Ing. Decker , Anfragender: Die Notiz lautet:
Den Richtern des Landgerichts Hannover wurden dieser Tage mehrere hundert Bilder ganz oder teilweise entblößter Französinnen vorgelegt, die von der Polizei bei Straßenhändlern beschlagnahmt wurden. Als die angeklagten Händler nachwiesen, daß sie vom Außenhandelskontor und vom Finanzministerium die Devisen zum Einkauf dieser Hefte erhalten hatten, wurden sie freigesprochen.
Was die Zeitung hier berichtet, stimmt nicht ganz. Ich habe inzwischen erfahren können, daß vorher das Schöffengericht den Freispruch beschlossen hat und daß dieser Freispruch vom Landgericht Hannover wieder aufgehoben worden ist. Im Urteil des Schöffengerichts findet sich allerdings folgender bezeichnender Hinweis:
Seitens der Verteidigung ist weiter darauf hingewiesen, daß letztlich doch die mit dem Import aus Frankreich betrauten Wirtschaftsstellen der Bundesregierung und auch die Zollbehörden die Einfuhr zugelassen hätten.
Tatsache ist es also, daß in den Zeitungsverkaufsständen Hefte zweideutigen Inhalts zu haben sind, und es ist anzunehmen, daß diese Hefte mit Devisen gekauft werden müssen. Denn noch viel weniger können wir vermuten, daß die Franzosen uns diese Hefte als Liebesgaben für die reifere deutsche Jugend kostenlos überreichen.
Wenn aber für die Beschaffung solch zweifelhafter Bilder Devisen zur Verfügung stehen, so ist es unverständlich, daß für den deutschen Kunsthandel zur Einfuhr wertvoller Kunstwerke kein Devisenkontingent bereitgestellt werden kann. Der deutsche Kunsthandel ist trotz des Rückganges und der Hemmungen und der beinahe völligen Vernichtung durch das „Dritte Reich" und den Krieg heute wieder ein integrierender Bestandteil des deutschen und des internationalen Kunstlebens. Er hat sich trotz aller Hemmungen wieder eine anerkannte Position erworben. Der Hemmungen sind leider sehr viele. Darunter fällt die Verordnung des Finanzministeriums vom 24. November 1951 bezüglich der Erteilung der Ausfuhrgenehmigung. Sie besagt, daß die Ausfuhrgenehmigung nicht von Landesstellen, sondern nur von einer zuständigen Stelle in Bonn erteilt werden kann. Das führte dazu, daß z. B. die Ausfuhr eines Kinderbilderbuches von 1840 als Weihnachtsgeschenk nicht möglich war, weil die Ausfuhrgenehmigung von Bonn für dieses belanglose Ding nicht rechtzeitig zu bekommen war.
Viel schwerer wiegt es natürlich, daß für die Einfuhr keine Devisen zu erhalten sind; denn Handel — auch Kunsthandel — heißt nicht nur Verkauf, sondern auch Einkauf. Die Unmöglichkeit, infolge der Zahlungsmittelsperre Kunstwerke nach Deutschland einzuführen, ist von großer wirtschaftlicher Bedeutung, und zwar von viel größerer, als es dem Laien zunächst erscheinen möchte. München hat in den Jahren 1925 bis 1928 jährlich allein durch den Kunsthandel — und zwar durch die Ausfuhr nur nach den USA — 5 bis 8 Millionen Dollar jährlich dem deutschen Devisenkontingent gebracht. Heute ist die Summe natürlich viel geringer, zum Teil auch wegen der Einfuhrsperre.
Nun gibt es nicht nur in der Technik, sondern auch im Kunsthandel eine Art Veredelung, und diese Veredelung ist gerade das Bezeichnende für den deutschen Kunsthandel. Der hohe Stand der deutschen Kunsthistorik, der hohe Stand der deutschen Technik des Restaurierens und Konservierens machen es möglich, daß aus dem Ausland für billiges Geld Kunstwerke, die beschädigt sind, unter Alterserscheinungen leiden oder sonst irgendwie herabgekommen sind, eingeführt werden, bei uns wiederhergestellt oder konserviert werden und dann für einen mehrfachen Betrag an Devisen wieder ausgeführt werden können. Ebenso ist es um die Zuschreibung von Kunstwerken bestellt. Anonyme Kunstwerke werden im Ausland gekauft, nach Deutschland eingeführt; dort wird der Meister bestimmt, das Werk steigt dadurch um ein Vielfaches in seinem Preis und kann dann wieder ausgeführt werden.
Wenn nun ein Mangel an zu restaurierenden Kunstwerken besteht, so haben unsere Werkstätten, die hierfür bestehen, nichts mehr zu tun; und damit komme ich auf die sich aus diesem
Sachverhalt ergebende Besorgnis zu sprechen. Wir haben dann keine Möglichkeit mehr, Nachwuchs in diesen Werkstätten auszubilden. Gerade die Restaurierung und Konservierung sind ja Künste und Fertigkeiten, die nur vom Meister persönlich wieder auf den Lehrling übertragen werden können.
Es zeigt sich also ziemlich einwandfrei und klar, daß durch die Einfuhr von Kunstwerken die deutsche Devisenbilanz nicht verschlechtert, sondern gehoben wird. Wir müssen deshalb fragen: Bei gutem Willen müßte es doch durchaus möglich sein, daß die Regierung Devisen für den Kunsthandel zur Verfügung stellt, und das um so mehr, als sie sogar in der Lage ist, für die Einfuhr von minderwertigen Schriften Devisen bereitzustellen. Wir möchten von der Regierung wissen, welche Gründe für dieses unverständliche Verhalten, das sie bisher in dieser Angelegenheit gepflogen hat, vorliegen und wie sie Abhilfe zu schaffen gedenkt.
Wir möchten auch den Herrn Präsidenten bitten, nach der Erklärung der Regierung festzustellen, ob ein Antrag von uns auf Eröffnung einer Debatte die Unterstützung des Hauses findet.
Das Wort hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die als Drucksache Nr. 3002 von den Fraktionen der FU, FDP und CDU/CSU gestellte „Große Anfrage" betreffend Maßnahmen zur Förderung des Kunsthandels beantworte ich wie folgt.
1. Der Begriff des Kunstwerks ist, wie ich als bekannt unterstellen darf, sehr schwierig abzugrenzen. In den internationalen Warenabkommen erscheinen Kunstwerke daher in der Regel nicht als eine besondere Position; vielmehr fallen sie unter den Sammelbegriff „Verschiedenes".
Die Devisenlage gestattete — von Ausnahmen wie z. B. Kupferstichen abgesehen — bisher nicht die Liberalisierung der Einfuhr von unter den Begriff „Kunstwerke" fallenden Gegenständen. Das bedeutet aber, daß jeder Einfuhrantrag der Zustimmung des Einfuhrausschusses bedarf. Die in der „Großen Anfrage" getroffene Feststellung, daß dem deutschen Kunsthandel für den Rückkauf deutscher Kunstwerke aus dem Ausland keine Devisen zur Verfügung stünden, muß ich insofern berichtigen, als durchaus die Möglichkeit besteht, Einfuhrwünsche in dieser Richtung zu realisieren. Wenn aber die Devisenlage Einfuhrgenehmigungen auch nur in bescheidenem Umfange zuläßt, so war es doch immerhin möglich, in letzter Zeit, wie z. B. im Monat Dezember 1951, für die Einfuhr von Ölgemälden aus Großbritannien einen Betrag von 42 000 DM freizugeben; der gleiche Betrag kann wahrscheinlich in Kürze für die Einfuhr von Ölgemälden aus Österreich zur Verfügung gestellt werden. Diese relativ geringfügigen Beträge einerseits und die Tatsache des ausgesprochenen Individualcharakters des Kunsthandels andererseits lassen eine Veröffentlichung der Ausschreibungen im Bundesanzeiger nicht als zweckmäßig erscheinen. Daher werden die freigegebenen Beträge in der Regel dem jeweiligen Antragsteller — nach
Prüfung des Einzelantrags durch die Bundesstelle für den Warenverkehr, das Bundeswirtschaftsministerium und den Einfuhrausschuß — unmittelbar zugeteilt.
2. Zu den in der Großen Anfrage erwähnten Berichten der Tagespresse über die Einfuhr von Schund- und Schmutzbildern darf ich folgendes feststellen. Die Einfuhr von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften ist — abgesehen von der Unterbrechung vom Februar 1951 bis Dezember 1951 — generell liberalisiert. Daher müssen für die Einfuhr von Druckerzeugnissen von den Landeszentralbanken ohne formelle Beschränkungen Einfuhr- und Zahlungsbewilligungen erteilt werden.
Zur Sache selbst ist zu bemerken, daß Einzelhändler von der Ein- und Verkaufsgenossenschaft Hannoverscher Zeitungen Bilderhefte französischer Herkunft bezogen haben. Verkäufer war die Firma W. E. Sabach GmbH., Köln-Junkersdorf, die die Hefte offenbar über ihre Filiale Mainz importiert hatte. In dem Urteil des Landgerichts Hannover ist nach den mir vorliegenden Berichten von einer bestimmten devisengenehmigenden Stelle, wie z. B. Außenhandelskontor oder Finanzministerium Niedersachsen, nicht die Rede. Insofern entspricht die Angabe in der erwähnten Tagespresse nicht den Tatsachen. Im übrigen ist eine Genehmigungszuständigkeit weder des Bundesfinanzministers noch der Länderfinanzminister gegeben.
Erläuternd muß ich hinzufügen, daß es schwierig, ja in den meisten Fällen unmöglich ist, aus den Angaben des Einfuhrantrags auf den Inhalt der Schriftwerke und der Abbildungen zu schließen. Es ist daher wohl möglich, daß Schriften und Abbildungen, die als Schmutz und Schund anzusprechen sind, auf diesem Wege in die Bundesrepublik gelangen. Es ist von dieser Seite aus nahezu unmöglich, Presseerzeugnisse und Schriften unerwünschten Inhalts von vornherein von der Einfuhr auszuschließen. Als Gegenmaßnahme kann indes der Erlaß des früheren Reichsministers der Finanzen vom 21. April 1928 — abgedruckt in der Anleitung für die Zollabfertigung — gelten, wonach bei der — ich zitiere wörtlich — „zollamtlichen Behandlung der aus dem Ausland eingehenden Sendungen mit Büchern, Broschüren, Schriften, Bildern und dergleichen" die Zollstellen darauf zu achten haben, ob die Sendungen unzüchtige Schriften, Abbildungen oder Darstellungen enthalten. Diese sind nach dem genannten Erlaß anzuhalten und durch die Polizei, die auch die weiteren Maßnahmen veranlaßt, zu beschlagnahmen. Der Herr Bundesfinanzminister hat in diesem Sinne am 9. Juni 1950 die Zollstellen auf die Beachtung des Erlasses besonders hingewiesen.
Die Interpellation ist damit beantwortet. Ich frage das Haus, ob eine Besprechung gewünscht wird. — Sie wird beantragt, und zwar — ich sehe schon — von mehreren Fraktionen. Damit ist die entsprechende Unterstützung des Antrags gegeben. Ich schlage gemäß der Voraussicht des Ältestenrats eine Gesamtredezeit von 60 Minuten vor. Es wird nicht widersprochen; damit ist so beschlossen.
Ich bitte um Wortmeldungen. Bis jetzt liegen noch keine vor. — Das Wort hat der Abgeordnete Edert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Bundesministers für Wirtschaft haben die Frage
weitgehend geklärt. Vielleicht ist das eine oder andere noch im einzelnen zu erledigen. Ich schlage vor, diese Große Anfrage dem Ausschuß für Kultur zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bergstraeßer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich möchte nur ein paar Bemerkungen machen. Erstens liegt es sehr im Interesse unserer Museen und unserer Kultur-. pflege, daß unser deutscher Kunsthandel wieder Devisen bekommt. In früheren Jahren haben wir verschiedentlich die Möglichkeit gehabt, durch den Kunsthandel Werke in unsere Museen zu bekommen, die erstrangig waren. Ich erinnere z. B. an den Bertram-Altar in Hannover. Gerade heute — darauf möchte ich ausdrücklich aufmerksam machen — gibt es eine Menge Kunstgut, das aus östlichen Ländern stammt und von einzelnen Besitzern gerettet worden ist, Kunstgut, das gerade für Deutschland seiner Art nach und besonders in Anbetracht der Tatsache, daß ähnliches Kunstgut dem Kriege zum Opfer gefallen ist, sehr wichtig ist. Zweitens gibt es Kunstgut, das im Ausland verhältnismäßig billig zu haben ist, bei uns in Deutschland aber eine große Bedeutung hat. Ich erinnere daran, daß man deutsche Romantiker im Ausland zum Teil zu recht billigen Preisen kaufen konnte. Wenn aber der Kunsthändler keine Devisen und nicht die Möglichkeit hat, mit seinen Devisen zu reisen und sich im Ausland Dinge anzusehen, dann liegt der Kunsthandel in dieser Beziehung einfach brach.
Das war das eine, was zu dieser Angelegenheit zu sagen wäre. Das andere ist folgendes. Wir begrüßen sehr, daß der Herr Minister gesagt hat, die Büchereinfuhr sei wieder liberalisiert worden. Das ist gerade für den einzelnen Gelehrten notwendig. Wissenschaftliche Institute hatten zwar immer die Möglichkeit, über die Notgemeinschaft Bücher zu bekommen, aber der einzelne Gelehrte hatte bei ihrem Erwerb zum Teil ungeheure Schwierigkeiten, und gerade der einzelne Gelehrte ist doch sehr vielfach, vor allen Dingen, wenn er nicht gerade ein Institut zur Hand hat, direkt darauf angewiesen.
Ich möchte den Antrag stellen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird beauftragt, dem deutschen Kunsthandel für Käufe im Ausland die notwendigen Devisen zur Verfügung zu stellen.
Ich bitte, diesen Antrag dem Kulturpolitischen Ausschuß zu überweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann den Schmerz der Koalition ob des hier zugegebenen Tatbestands verstehen. Da reden Sie hier stundenlang mit Begeisterung von der Notwendigkeit, die deutsche Jugend zu schützen, reden von der Notwendigkeit, die Schutzgesetzgebung zur Erhaltung der Familie auszubauen, und nun stellt sich heraus, daß sich auf dem Boden dieser doch moralisch so sauberen Bundesrepublik dieses dreckige Geschäft vollzieht, mit Billigung und Wissen der Bundesregierung. Ich bin nun der Auffassung, daß man sich über den Tatbestand klar sein muß: die Herstellung von pornographischen Schriften und der Schrei nach ihnen sind ein Symptom dieser bei uns bestehenden verrotteten gesellschaftlichen Ordnung. So müssen wir die Dinge wohl sehen.
— Ostzone! Sie geben mir gerade den Tip!
In der Ostzone, wo diese Ihre kapitalistische „Ordnung" nicht besteht — ich zitiere mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus dem katholischen Kirchenblatt der Diözese Osnabrück —
— das wird ja wohl nicht von einem Kommunisten redigiert —, ist es so:
Vorbildliche Sowjetzone.
Sie haben nicht falsch gelesen, und ich habe mich auch nicht verschrieben: Es gibt mindestens einen Punkt, worin die rote Zone für den Westen vorbildlich ist. Sie ist nämlich nicht so dekadent erotisch, wie wir herüben. Daß man das nach kurzem Verweilen drüben schon sagen kann, kommt daher, daß es erfreulich deutlich zutage tritt. Eben ist man noch an westlichen Kiosken gestanden
— gemeint ist West-Berlin —
und hat Flut und Flat pornographischer Blätter vorbeischlammen sehen: aus Paris, aus Wien, aus Berlin, aus X, Y und Z. Dann macht man wenige Schritte — und hat ein ganz anderes Bild vor Augen: die Ost-Kioske sind zunächst verblüffend arm und nüchtern; aber gleich merkt man, woran sie ärmer sind: an Schmutz. Mögen sie an irreführender Propaganda reicher sein, und das scheint zu stimmen,
so sind sie doch keineswegs solche Straßen-
bordelle wie ihre westlichen „Kollegen". Dieses Wort, diese Feststellung aus einem berufenen katholischen Munde genügt doch wohl, um zu beweisen, wie recht wir haben.
Ich möchte nur noch das eine feststellen: Wer die Jugend in die Kasernen jagt und sie dort einsperrt, wie Sie das beabsichtigen, der braucht auch pornographische Schriften, und der bejaht auch das System der Bordelle.
Das gehört zueinander. Wie können Sie sich wegen dieses Tatbestandes aufregen? Sie müssen ja die Einfuhr dulden. Das liegt ja in dem Begriff „liberalisierter Handel". Werden Sie sich doch bitte über den Tatbestand klar, und werden Sie sich darüber klar, warum dieser verrottete Staat kein Geld für die Einfuhr von wahrhaften Kunstwerken hat.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Reismann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war etwas darüber verwundert, daß der Herr Minister soeben gesagt hat, man könne nicht feststellen, ob es sich bei der Einfuhr um Schmutz und Schund oder um andere Literatur handele, weil das Formular nicht passe. Ich hatte
mir in meinem beschränkten Untertanenverstand vorgestellt, daß der hohe Herr Minister dieses Formular bestimmen könnte. Mag er es doch abändern!
Wenn ich recht verstanden habe, hat er gesagt, daß etwa 42000 DM für die Anschaffung von Ölgemälden aus England zur Verfügung ständen, ein ungefähr gleicher Betrag für Österreich. Es handelt sich ja nicht bloß um Ölgemälde; es handelt sich auch um Plastiken. Und wenn erst ein etwas umständliches Verfahren nötig ist, um das Geld zu bekommen, dann sind gerade die günstigen Gelegenheiten, Kunstwerke anzuschaffen, weg. Da wartet man nicht. Gerade die preiswerten Sachen, auf deren Einfuhr wir Wert legen müssen, sind dann nicht mehr zu haben, weil andere schneller bei der Hand waren.
Wir sind der Ansicht: wenn man die Einfuhr von Werken der Literatur, auch für Schmutz und Schund, liberalisieren kann, dann sollte man erst recht die Einfuhr von Kunstwerken liberalisieren können.
Deswegen bedarf die Antwort, die der Herr Minister auf die Interpellation gegeben hat, in der Tat einer Erörterung im Ausschuß, und wir sind deswegen mit der Ausschußüberweisung einverstanden.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Kleindinst.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ganz wenig zu den bisherigen Ausführungen beitragen. Es handelt sich bei der Einfuhr von literarischen Erzeugnissen insbesondere auch darum, daß die Lücke, die zwischen 1933 und 1945 und danach für die Wissenschaft eingetreten ist, wieder ausgefüllt wird. Bisher war es ja nur möglich, daß diese Werke im Austauschverkehr von ausländischen, also z. B. Schweizer Universitäten, holländischen Universitäten, im Leihverkehr der Forschung zur Verfügung gestellt wurden. Wenn also hier durch die Liberalisierung des Büchermarktes diese Lücke ausgefüllt wird, so ist ein wesentlicher Schritt für den Anschluß unserer Forschung und unserer Wissenschaft an die Fortschritte wieder möglich, die das Ausland in einem für uns ganz unvorstellbaren Maße errungen hat, mit denen es uns übertroffen hat.
Hinsichtlich des Kunstmarktes scheint sich die Devisenlage nun einigermaßen zu bessern. Ich möchte aber doch darauf hinweisen, daß in den vergangenen Jahren Werke, die bereits eingeführt waren und. deren Gegenwert bis zu einer Besserung der Devisenlage gestundet worden ist, wieder in das Ausland zurückgegeben werden mußten, wodurch in der Ergänzung unseres heimatlichen Kunstbesitzes doch eine sehr schmerzliche Lücke eingetreten ist. Ich will keine Beispiele hervorheben; aber mir sind sie bekannt. Ich war mit einigen dieser Aufgaben früher selbst beauftragt. Es war wirklich eine böse Zeit, in der wir überhaupt nicht in der Lage waren, das, was hätte ergänzt werden können, auch zu unterhalten. Wenn hier also eine Besserung eintritt und wenn wir hier im Kulturpolitischen Ausschuß in dieser Richtung noch Feststellungen treffen und Wünsche festlegen können, so ist das sehr erfreulich. Wir werden uns dieser Aufgabe gern unterziehen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe der Rede des Herrn Kollegen Renner aufmerksam zugehört. Ich bin durchaus der Meinung, daß wir uns mit dem Problem, das er angeschnitten hat, sehr sorgfältig auseinandersetzen sollten.
Auch nach Nachrichten, die mir zugegangen sind, ist dem so, daß man schlechte Schriften, wie sie bei uns vielfach in der Öffentlichkeit angeboten werden, in der Ostzone nicht im öffentlichen Angebot findet. Ich bin der Auffassung, daß wir hierüber sehr ernsthaft nachdenken sollten.
— Aber, Herr Kollege Renner, denken Sie bitte auch, wenn Sie schon die beiden Staatssysteme im Westen und Osten miteinander vergleichen, über eines nach: Sie wissen, was beim Einmarsch der russischen Truppen in die deutsche Ostzone den deutschen Frauen angetan worden ist.
Das, was dort geschehen ist, ist auch ein Stück von Repräsentanz des Staatssystems, das von Ihnen verteidigt und vertreten wird. Mit dieser Art von Repräsentanz des östlichen Staatssystems müssen Sie sich auch auseinandersetzen.
— Unverschämte Hetze? Ich weiß nicht, worin Sie diese sehen.
— Fragen Sie doch die deutschen Frauen in der
Ostzone; sie werden Ihnen darüber Näheres sagen!
— Es hat leider keinen Wert, darüber zu sprechen. Jede deutsche Frau in Berlin. kann Ihnen ein Lied davon singen.
Aber ich möchte hier noch eine andere Frage anschneiden, zu der mir die Antwort, die der Herr Wirtschaftsminister gegeben hat, Anlaß gibt. Der Herr Wirtschaftsminister hat erfreulicherweise davon Kenntnis gegeben, daß die Zollstellen angewiesen sind, bei der Kontrolle der einzuführenden Bücher und Schriften darüber zu wachen, daß keine schlechte Literatur eingeführt wird. Ich glaube, es gibt aber noch eine andere Methode, um zum Ziel zu kommen. Ich meine, man sollte diejenigen Firmen, die sich nach allen gemachten Erfahrungen mit der Einfuhr anfechtbarer Literatur befassen, grundsätzlich davon ausschließen, daß sie Einfuhrlizenzen und Einfuhrgenehmigungen bekommen. Das wäre auch ein gutes Mittel, um die Sperre vorzulegen, die wir in dieser Frage vorgelegt wissen wollen.
Meine Damen -und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Die Aussprache ist damit geschlossen.
Herr Abgeordneter Bergstraeßer hat für seine Fraktion im Anschluß an diese Große Anfrage einen Antrag gestellt. Er hat ihn selbst verlesen; ich glaube, daß ich mir die Wiederholung ersparen
kann. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. —
Überweisung an den Kulturausschuß! — Ich bitte um die Gegenprobe! — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren, es ist beantragt worden, die große Anfrage zu überweisen. Das ist nach § 107 der Geschäftsordnung nicht möglich, sondern es können nur Anträge zu einer Großen Anfrage überwiesen werden. Das ist mit dem Beschluß vorhin geschehen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe nun Punkt 3 der Tagesordnung auf: Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Gesetz über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes (Nr. 3032 der Drucksachen).
Das Wort zur Begründung der Großen Anfrage hat Herr Abgeordneter Brandt.
Brandt , Anfragender: Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wünscht nicht, den Vorgang, auf den sich unsere Große Anfrage Drucksache Nr. 3032 bezieht, zu dramatisieren. Wir wünschen aber mit allem Ernst und mit allem Nachdruck vor diesem Hohen Hause klarzustellen, daß wir das alliierte Eingreifen gegen das Dritte Überleitungsgesetz für bedauerlich und daß wir die Art dieses Eingreifens für in der Sache unmöglich halten. Wir haben es mit einer Behandlung des Parlaments zu tun, die mit dem Geist der vielbesprochenen Partnerschaft unserer Meinung nach schwer zu vereinbaren ist.
Wie sind die Tatsachen? Der Bundestag hat am 13. Dezember nach monatelangen Beratungen dieses Dritte Überleitungsgesetz verabschiedet. Auch der Bundesrat hat noch vor Weihnachten dem Gesetz zugestimmt. Am 4. Januar ist die Verkündung und am 9. Januar die Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt erfolgt. Am 17. Januar ist dann der Einspruch der Alliierten Hohen Kommission in Form einer Note an den Herrn Bundeskanzler gekommen. Die sozialdemokratische Fraktion möchte wissen, ob es richtig ist, daß der Bundesregierung zunächst der Rat erteilt worden ist, mit der Verkündung und Veröffentlichung des Gesetzes zu warten, daß die Verkündung dann aber vorgenommen worden ist, nachdem ein neuer Bescheid der Alliierten Hohen Kommission gekommen war, es stünde einer Verkündung nichts mehr im Wege.
Ich möchte hier ausdrücklich sagen, daß ich zwar einer der Abgeordneten aus Berlin bin, aber nicht zu diesem Thema spreche, weil es sich hier unserer Meinung nach um einen Vorgang handelte, der zwischen Berlin und der Alliierten Hohen Kornmission auszutragen wäre. Es handelt sich hier einzig und allein um einen Vorgang zwischen dem Bund und dem Bundesparlament auf der einen Seite und der Alliierten Hohen Kommission auf der andern Seite, und es handelt sich dabei nicht nur um eine unserer Meinung nach eigenartige Haltung gegenüber dem gewählten deutschen Parlament, sondern auch um eine peinliche Behandlung des Bundespräsidenten als des obersten Repräsentanten der Bundesrepublik Deutschland.
Der Alliierten Hohen Kommission geht es offensichtlich um die Unterstreichung der Sonderlage
Berlins und um die Unterstreichung der Rechte und Pflichten, die die Westmächte aus Viermächte- abkommen über Berlin ableiten, Abkommen, die — das sei bei dieser Gelegenheit gesagt — leider der deutschen Seite bis auf den heutigen Tag nie vollständig zur Kenntnis gebracht worden sind.
Wir haben Verständnis für Überlegungen, die aus der insularen Lage Berlins und aus der Lage der alliierten Truppen in Berlin abgeleitet werden. Aber wir fragen uns: erstens, ob die pedantische Rücksichtnahme auf die Sowjets in solchen Fragen in irgendeinem angemessenen Verhältnis zu den dauernden sowjetischen Übergriffen steht, die gerade in Berlin immer wieder zu registrieren sind;
und wir fragen uns zweitens, welche vernünftigen Gründe dagegen sprechen können, daß Berlin im Rahmen der außenpolitischen und besatzungsrechtlichen Gegebenheiten, wie sie 1949 skizziert wurden, mit den andern Ländern des Bundes gleichgestellt wird.
Wir halten die Begründung — um das jetzt noch anzudeuten — in der alliierten Note vom 17. Januar und vor allen Dingen in der Presseverlautbarung der Alliierten Hohen Kommission vom 18. Januar in doppelter Hinsicht für abwegig: einmal insofern, als die Begrundung in der amierten Note an die Bundesregierung davon spricht, daß Berlin als nicht zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gehörig bezeichnet wird. Das ist ein Widerspruch zu der Rechtslage, die sich bei der Verabschiedung des Grundgesetzes ergeben hat. Denn nach der Rechtslage, wie sie bei der Verabschiedung des Grundgesetzes gegeben war, gehört Berlin nicht in gleichem Maße zur Bundesrepublik wie die elf westdeutschen Länder; aber es gehört zum Bund.
Wir müssen uns mit aller Entschiedenheit gegen Auslegungen wehren, die einer Ausklammerung Berlins in der Folge gleichkommen könnten.
In der Note ist davon gesprochen, daß Berlin nicht stillschweigend in den Bund aufgenommen werden dürfe. Unserer Meinung nach handelt es sich weder um eine stillschweigende noch um eine andersartige Aufnahme, sondern darum, daß Berlin dazu gehört, wenn es auch mit Einschränkungen dazu gehört. Ebenso meinen wir, daß Bundesrecht dann, wenn es von Berlin übernommen ist, in Berlin als Bundesrecht gelten muß, vor allen Dingen auf dem im 3. Überleitungsgesetz abgehandelten Gebiet, weil die finanzwirtschaftlichen Auswirkungen davon beeinträchtigt werden, ob Bundesrecht, wenn es einmal übernommen ist, als unabänderliches Bundesrecht weiter gilt oder willkürlich abgeändert werden kann.
Wir möchten — um das abschließend zu sagen — wissen, was die Bundesregierung getan hat, um den deutschen Rechtsstandpunkt in dieser Frage zur Geltung zu bringen, um auf die politischen Folgen des Einspruchs aufmerksam zu machen, und was sie getan hat, um die materielle Wirksamkeit jenes Gesetzes zu sichern, von dem wir uns versprochen hatten, daß es eine leidige Periode der Beziehungen zwischen dem Bund und Berlin zum Abschluß bringen würde, und zwar zu einem Abschluß im Sinne der unlösbaren Zugehörigkeit der Hauptstadt Berlin zur Bundesrepublik Deutschland.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die in der Drucksache Nr. 3032 gestellten Fragen darf ich wie folgt beantworten.
1. Die Alliierte Hohe Kommission hat nach Verabschiedung des Gesetzes durch Bundestag und Bundesrat gegen die Verkündung des Gesetzes keine formellen Bedenken erhoben, wohl aber mündlich einige Bestimmungen beanstandet, ohne den materiellen Inhalt des Gesetzes dabei zu berühren.
2. Das Gesetz ist am 4. Januar 1952 mit Wissen der Alliierten Hohen Kommission verkündet worden,
um eine Verzögerung des Wirksamwerdens der materiellen Bestimmungen des Gesetzes zu vermeiden. Die Alliierte Hohe Kommission hatte sich zu diesem Zeitpunkt noch ihre endgültige Stellungnahme darüber vorbehalten, ob sie die bereits mündlich vorgebrachten Bedenken fallen lassen könne oder aufrechterhalten müsse.
3. Die Bundesregierung ist nach dem Bekanntwerden des Aufhebungsbeschlusses zweimal bei der Alliierten Hohen Kommission vorstellig geworden und hat auf die bedenklichen politischen Folgen des Einspruchs hingewiesen. Die Alliierte Hohe Kommission hat jedoch in ihrer Antwort auf die besonderen Verhältnisse in Berlin verwiesen, die erforderten, daß alles vermieden werde, was geeignet sei, die politische Stellung der Besatzungsmächte in Berlin zu gefährden. Deshalb sei sie gezwungen gewesen, einige Bestimmungen des Gesetzes aufzuheben, die mittelbar oder ausdrücklich erkennen ließen, daß Berlin in den Geltungsbereich des Grundgesetzes einbezogen und Bundesrecht als solches in Berlin anwendbar sein solle.
4. Nach der von mir veranlaßten Veröffentlichung der aufgehobenen Bestimmungen im Bundesgesetzblatt steht der in § 19 Abs. 1 vorgesehenen Übernahme des Gesetzes durch Berlin kein Hindernis mehr entgegen. Wenngleich die mit dem Gesetz beabsichtigte Einbeziehung Berlins in das Finanzsystem des Bundes infolge der Entscheidung der Alliierten Hohen Kommission nicht mehr voll gewährleistet ist, vertritt die Bundesregierung doch die Auffassung, daß das Gesetz auch in der abgeänderten Form vollziehbar ist. Die Bundesregierung läßt sich dabei von der Überzeugung leiten, daß das Abgeordnetenhaus und der Senat des Landes Berlin den in § 1 des Gesetzes festgelegten, das gesamte Gesetz beherrschenden Grundsatz uneingeschränkt beachten werde. Der Bundesminister der Finanzen hat dem Regierenden Bürgermeister von Berlin mit Schreiben vom 31. Januar 1952 von dieser Auffassung der Bundesregierung Kenntnis gegeben und ihn unter dieser Voraussetzung gebeten, die Übernahme des Gesetzes nach Art. 87 Abs. 2 der Verfassung von Berlin in die Wege zu leiten. Die Bundesregierung glaubt, daß es auf diese Weise trotz der durch die Entscheidung der Alliierten Hohen Kommission abgeschwächten Wirkung des Gesetzes gelingen wird, das mit dem Gesetz verfolgte Ziel zu erreichen. Im übrigen wird auf die Bestimmung des § 19 Abs. 2 des Gesetzes verwiesen. Danach bildet die Durchführung des Gesetzes durch das Land Berlin die Voraussetzung für die finanziellen Leistungen, zu denen der Bund nach den Bestimmungen dieses Gesetzes gegenüber dem Lande Berlin verpflichtet ist.
Meine Damen und Herren, ich darf dazu noch einige Worte hinzufügen. Als wir seinerzeit das Dritte Überleitungsgesetz, das sogenannte Berlin-Gesetz, gemacht haben, waren alle Parteien in diesem Hause und auch sämtliche Richtungen im Land und in der Stadt Berlin der Überzeugung, daß damit nach außen hin ein Bekenntnis der untrennbaren Verbundenheit zwischen der Bundesrepublik und der Stadt Berlin niedergelegt und dokumentiert werde. Wir haben uns in der Bundesrepublik nicht nur auf die finanzielle und wirtschaftliche Hilfe für die Stadt Berlin beschränkt, sondern wir wollten vor der ganzen Welt immer bezeugen, daß die Hilfe, die wir der Stadt Berlin geben, ein Beitrag dazu ist, die seelische Widerstandskraft der Stadt Berlin aufrechtzuerhalten und damit eine Hilfe für die Erhaltung des Weltfriedens zu gewährleisten.
Wenn die seelische Widerstandskraft der Stadt Berlin nicht gehalten werden könnte, würde unter Umständen ein Schritt der vierten Besatzungsmacht ausgelöst werden können, der nach dem Versprechen, das die drei westlichen Alliierten der Welt gegeben haben, ein Anlaß sein könnte, diesen Schritt als Angriff auf die drei alliierten Mächte selber zu betrachten.
Es sollte in der Welt anerkannt werden, daß alles, was die Bundesrepublik Deutschland für die Stadt Berlin tut, getan wird, um den Weltfrieden zu bewahren, und damit der Verteidigung des Friedens genau so dient wie alle Maßnahmen, die etwa von anderen Ländern auf militärischem Gebiete getroffen werden.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD gehört. Darf ich fragen: wird eine Besprechung gewünscht?
— Meine Damen und Herren, das sind keine 30 Abgeordneten!
— Herr Abgeordneter Kunze, es tut mir furchtbar leid, aber ich kann Ihre Stimme nicht zehnfach zählen; das geht nicht! — Also, meine Damen und Herren, eine Besprechung wird nicht gewünscht; ich bin schon an die Geschäftsordnung gebunden. Damit ist die Große Anfrage erledigt.
Ich rufe den vierten Punkt der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Wirtschaftsprüfer im Genossenschaftswesen .
Meine Damen und Herren, die Regierung verweist auf die schriftliche Begründung des Gesetzes. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache zu verzichten. Ich schlage Ihnen vor, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu überweisen. Ist das Haus damit einverstanden? — Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt. Damit ist die erste Beratung des Gesetzes beendet.
Ich rufe Punkt 5 der Tagesordnung auf:
Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Ent-
wurfs eines Gesetzes zur Umstellung der Reichsmarksparguthaben heimatvertriebener Sparer ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (Nr. 3054 der Drucksachen; Umdruck Nr. 443).
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Atzenroth.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die allgemeine Besprechung der dritten Beratung eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor. — Das Haus ist damit einverstanden. Bitte, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren! Die heute zur Beschlußfassung stehende Vorlage Drucksache Nr. 3054 gehört zwar in den Bereich des Lastenausgleichs; sie stellt aber gleichzeitig auch eine Änderung der Währungsreform dar. Die Grundlage bildet der Antrag der Kollegen Wackerzapp und Genossen — Drucksache Nr. 2015 — vom 7. März 1951, der dem Ausschuß für den Lastenausgleich überwiesen und in einem Unterausschuß eingehend bearbeitet worden ist. Nach Überprüfung durch den Hauptausschuß hat dieser Antrag dann die vorliegende Fassung erhalten.
Über den materiellen Inhalt bestand im Ausschuß Einmütigkeit; doch hat sich eine Minderheit dafür ausgesprochen, dieses Gesetz mit in das große Lastenausgleichsgesetz einzugliedern. Die Mehrheit hingegen hielt es für richtig, das Gesetz gesondert vorweg zu verabschieden, da die Voraussetzungen völlig geklärt seien und das technische Anlaufen möglichst früh beginnen soll. Es handelt sich um folgendes. Das Lastenausgleichsgesetz sieht Entschädigungsleistungen für Vertriebene, für Kriegs-sachgeschädigte und in gewissem Umfang auch für Währungsgeschädigte vor. Aus diesem, dem letzten Kreise hat man nun einen kleinen Teil — die heimatvertriebenen Sparer — herausgenommen. Sie sollen für ihre Guthaben ebenso wie die einheimischen Sparer eine Aufwertung von 6,5 % erhalten. Sie werden dabei dadurch begünstigt, daß ihnen die Kopfquote im Gegensatz zu der einheimischen Bevölkerung nicht angerechnet wird. Nach Ansicht des Ausschusses soll dies jedoch ein Ausgleich dafür sein, daß sie erst jetzt, 3 1/2 Jahre später, in den — noch dazu eingeschränkten —Genuß der Aufwertung kommen.
Es erhob sich dann sofort der Einwand, warum die Aufwertung auf die Sparguthaben beschränkt bleiben soll, warum insbesondere die Inhaber von Girokonten nicht in gleicher Weise behandelt werden können. Nach eingehender Prülung hat der Ausschuß an der Beschränkung festgehalten, da Girokonten immer nur im Zusammenhang mit dem Gesamtvermögen betrachtet werden können und bei dem beweglichen Charakter solcher Konten der Endstand von zu vielen Zufälligkeiten abhängig ist. Der Ausschuß war aber der Ansicht, daß dadurch keine Schlechterstellung dieser Kreise erfolgen soll und daß die Regelung für sie im Lastenausgleichsgesetz erfolgen muß. Ähnlich verhält es sich mit den vertriebenen Sparern, die ihren Wohnsitz außerhalb des Reichsmark-Währungsgebietes hatten. Auch ihre Ansprüche müssen durch das Hauptgesetz geregelt werden.
Die schwerste Sorge bereitete dem Ausschuß der Kreis derjenigen Sparer, die ihre Unterlagen — meistens durch brutale Eingriffe der Vertreibungsmächte — verloren haben. Trotz immer wiederholter Überprüfungen hat sich keine Möglichkeit gefunden, ihnen hier zu helfen. An dem urkundlichen Nachweis mußte festgehalten werden. Diesen so schwer getroffenen Menschen muß unter Berücksichtigung ihrer allgemeinen Lage ebenfalls im Hauptgesetz geholfen werden.
Schließlich mußte sich der Ausschuß noch mit etwaigen Bedenken des Bundesrats beschäftigen. Eine gewisse Kontrolle über die Rechtmäßigkeit der Feststellung des Sparerschadens ist ja nicht zu vermeiden. Der Ausschuß glaubt aber, seine Formulierungen so gefunden zu haben, daß auch für den Bundesrat keine Bedenken bestehen. Materielle Rechte der Länder werden durch dieses Gesetz ja nicht berührt. Die Tendenz des Gesetzes wird sicherlich auch vom Bundesrat unterstützt werden.
Ich darf mich nun der Berichterstattung über die einzelnen Paragraphen der Drucksache Nr. 3054 zuwenden. Der Erste Abschnitt behandelt die Voraussetzungen und den Inhalt des Währungsausgleichs. Er legt zunächst den Begriff des Sparguthabens fest und beschränkt den Geltungsbereich auf das Reichsmark-Währungsgebiet östlich der Oder-Neiße-Linie. Es werden nicht etwa Guthaben bei Sparkassen in Mitteldeutschland, also der sowjetischen Zone aufgewertet, wie in der Offentlichkeit mitunter angenommen wurde. Zum Reichsmark-Währungsgebiet gehören dagegen das Sudetenland und das ehemalige Protektorat, wo die tschechische Krone im Verhältnis zehn zu eins der Reichsmark gleichgestellt war. Die Postsparguthaben sind im allgemeinen schon umgestellt. Ein ganz kleiner Rest, der aus den verschiedensten Gründen übriggeblieben ist, ist in dieses Gesetz mitaufgenommen worden. Selbstverständlich bleiben alle Guthaben unberührt, die bereits auf Deutsche Mark umgestellt oder umwandlungsfähig sind.
Ein weiterer Absatz des § 1 legt dann den Begriff des Vertriebenen in engster Anlehnung an das Vertriebenengesetz fest. Einbezogen wurden noch die sogenannten Evakuierten. Ich möchte diesen Zusatz wörtlich vorlesen:
Wer, um Kriegseinwirkungen auszuweichen, seinen Wohnsitz in die in Satz 1 genannten Gebiete verlegt und diesen Wohnsitz infolge Vertreibung verloren hat, gilt als Vertriebener, auch wenn er einen Wohnsitz außerhalb dieser Gebiete beibehalten hat.
In § 2 wird klargestellt, wem ein Entschädigungsanspruch zusteht. Es müssen drei Voraussetzungen erfüllt sein. Der Geschädigte muß Vertriebener sein; das Sparbuch oder die Ersatzurkunde muß auf seinen Namen lauten, und er muß seinen Wohnsitz am 31. Dezember 1949 im Bundesgebiet gehabt haben. Hierzu ist eine Änderung erforderlich. Der entsprechende Änderungsantrag wird noch vorgelegt. Die Änderung geht dahin, daß das Sparbuch auch auf den Namen des Erblassers lauten kann. Dieser Antrag wird nachher besonders begründet. Der Anspruch der Erben ist in § 2 Abs. 2 geregelt. Von dem Gesetz werden nur natürliche Personen betroffen. Steht die Spareinlage aber einer Gemeinschaft zur gesamten Hand zu, so übernehmen die beteiligten natürlichen Personen die Ansprüche.
Die Entschädigung beträgt, wie ich schon gesagt habe, 6,5 %, berechnet nach dem letzten Kontostand. Guthaben unter 50 Reichsmark bleiben unberücksichtigt, weil dabei an Aufwertung nur ein Betrag von unter 3,25 DM herauskäme und sich damit ein Übermaß an Verwaltungsarbeit ergäbe.
Über das entstehende Guthaben wird eine Ausgleichsgutschrift erteilt, über die der Entschädigungsberechtigte erst nach der Freigabe verfügen kann. Eine vorherige Verfügung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ist möglich, das Guthaben kann also verpfändet und beliehen werden. Ab 1. Januar 1952 wird das Guthaben mit 4 % verzinst.
In dem Zweiten Abschnitt wird das Verfahren geregelt. Ich will nicht auf jeden einzelnen Paragraphen eingehen, sondern den vorgesehenen Verlauf kurz schildern. Der Antragsteller hat das Recht, sich eine ihm genehme Sparkasse oder Bank oder ein anderes Kreditinstitut oder die Postsparkasse zu wählen. Dabei ist er allerdings auf den Bereich des für ihn zuständigen Ausgleichsamts beschränkt, und zwar wegen der erforderlichen Nachprüfung. Es kann ihm aber eine Ausnahme dahin bewilligt werden, daß er die Anmeldung auch im Bereich des Nachbarbezirks, also etwa in der benachbarten Stadt, vornehmen kann. Wenn er dem zuständigen Geldinstitut erstens seinen Personalausweis, zweitens den Flüchtlingsausweis, drittens den Nachweis, daß er am 31. Dezember 1949 im Bundesgebiet gewohnt hat, und viertens das Sparbuch vorlegen kann, so kann das Konto sofort eingerichtet werden. Können die Nachweise nicht so klar geführt werden, soll das Ausgleichsamt entscheiden. Das Verfahren über die Beschwerde hiergegen richtet sich nach den Bestimmungen, die im Gesetz über den allgemeinen Lastenausgleich getroffen werden. Fehlt das Sparbuch, so sind als Ersatz gewisse Urkunden zugelassen, die in § 8 genau bezeichnet werden. Die Bundesregierung kann durch Rechtsverordnung weitere Urkunden als Beweismittel zulassen.
Die Mittel für die Durchführung des Währungsausgleichs sollen aus dem Fonds bereitgestellt werden, der im Lastenausgleichsgesetz bestimmt wird, und zwar in einer Höhe von jährlich 50 Millionen DM. Die Bundesregierung regelt dann jährlich durch Rechtsverordnung, welche Konten zuerst freigegeben werden. Konten bis zu 20 DM sollen bevorzugt zur Freigabe kommen.
Durch Sondervorschriften ist dann noch festgelegt, daß das Land Berlin in vollem Umfange in dieses Gesetz einbezogen wird.
Meine Damen und Herren, nach der Ansicht der Mehrheit des Ausschusses soll durch dieses Gesetz eine Teilaufgabe des allgemeinen Lastenausgleichs vorab gelöst werden. Die betroffenen Personen sollen jetzt mit der Geltendmachung ihrer Ansprüche beginnen können. Die Mehrheit des Ausschusses glaubt darüber hinaus, daß diese neuen Ostsparguthaben der Ansatzpunkt für die Bildung von neuem Sparkapital sein können.
Ich habe daher den Auftrag, Sie um Annahme des Gesetzes zu bitten.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Meine Damen und Herren, trotz dieses Dankes fühle ich mich verpflichtet, darauf hinzuweisen, daß nach § 74 Abs. 1 der Geschäftsordnung die Ausschußberichte über Gesetzentwürfe und Grundsatzfragen wesentlichen Umfanges in der Regel schriftlich zu erstatten sind. Ich darf bitten, daß die Ausschüsse — denn es handelt sich hier ja zweifellos um eine Berichterstattung erheblichen Umfanges — freundlicherweise von dieser Geschäftsordnungsbestimmung, die das Haus beschlossen hat, Gebrauch machen, die schriftliche Berichterstattung vorsehen und nur in Ausnahmefällen, die besonderer Begründung bedürfen, eine mündliche Berichterstattung vornehmen.
Ich trete in die zweite Beratung ein. Ich rufe auf den Ersten Abschnitt, Überschrift, § 1 und § 2. Wünscht dazu jemand das Wort? — Das ist nicht der Fall. Ich lasse abstimmen.
— Ich höre eben, daß ein Änderungsantrag zu § 2 kommt. Ich darf also zunächst § 1 aufrufen. Wünscht dazu jemand das Wort? —Das ist nicht der Fall. Ich komme zur Abstimmung über die Überschrift des Ersten Abschnitts und § 1. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; das ist angenommen.
Zu § 2 wird mir eben ein zwar nicht unterschriebener, aber oben als Antrag der Herren Abgeordneten Dr. Atzenroth und Wackerzapp gekennzeichneter Antrag folgenden Wortlauts überreicht:
In § 2 Abs. 1 Ziffer 1 werden im zweiten Satz
hinter dem Wort „Gläubigers" die Worte „oder
seines Erblassers" eingefügt.
Wer wünscht, diesen Antrag zu begründen? — Herr Abgeordneter Wackerzapp! — Darf ich Sie bitten, meine Herren, den Antrag noch zu unterschreiben, damit wir doch die Form wahren.
Meine Damen und Herren, es handelt sich nur um einen kleinen Zusatz, der eine Klarstellung des Textes bringen soll; in materieller Beziehung ändert sich nichts. Ich bitte daher, ohne weitere Aussprache dieser formalen Änderung zustimmen zu wollen.
Wünscht noch jemand zu § 2 das Wort zu nehmen? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung über § 2. Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag der Herren Abgeordneten Wackerzapp und Dr. Atzenroth gehört, in § 2 Abs. 1 Ziffer 1 hinter dem Wort „Gläubigers" die Worte einzufügen: „oder seines Erblassers". Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist angenommen.
Unter Berücksichtigung dieser Änderung komme ich zur Abstimmung über § 2. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; § 2 ist angenommen.
Zu § 3 liegen mehrere Änderungsanträge der Fraktion der KPD — Umdruck Nr. 443 — vor. Zur Begründung Herr Abgeordneter Kohl, bitte schön!
Meine Damen und Herren! Wir haben uns erlaubt, zu § 3 des Gesetzentwurfs den Änderungsantrag zu stellen, Abs. 2 zu streichen.
Seien Sie so freundlich, den Änderungsantrag zu § 4 auch zu begründen, Herr Abgeordneter Kohl. Das steht in sachlichem Zusammenhang.
Für uns waren einfache sachliche und rechtliche Gründe entscheidend. Es stellt nach unserer Auffassung einen Akt der Ungerechtigkeit dar, nun ausgerechnet den Teil, der in der Vergangenheit nicht die Möglichkeit hatte, sich ein besonders hohes Sparkonto anzulegen, aus
der Entschädigung herauszunehmen. Man kann nicht davon sprechen, daß bei der Streichung dieses Abs. 2 für den Bund oder für den Lastenausgleichsfonds irgendwelche entscheidenden Belastungen eintreten; aber ich bin der Auffassung, daß wir es nicht verantworten können, meine Damen und Herren, hier einen Maßstab anzulegen, der nach zweierlei Recht mißt. Wenn Sie ein solches Gesetz verabschieden, soll jeder Mensch, der über ein Sparguthaben, gleichgültig in welcher Höhe, verfügte, einen Anspruch auf dieses Sparguthaben geltend machen können. Vergessen Sie doch bitte nicht, daß die Lage der Flüchtlingsfamilien — wenigstens beim überwiegenden Teil — so katastrophal ist, daß in einem solchen Haushalt jede Mark von entscheidender Bedeutung sein kann. Deswegen bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen, § 3 Abs. 2 zu streichen, der Sparguthaben bis zu 50 Reichsmark außer Ansatz lassen will, während Sie — das möchte ich in diesem Zusammenhang feststellen — eine Begrenzung nach oben nicht vorsehen. Sie sehen also nur eine Begrenzung nach unten, nach dem Teil der Ärmsten der Armen, vor, während eine Begrenzung nach oben in diesem Gesetz nicht in Erscheinung tritt.
Nun zu dem Änderungsantrag zu § 4, den ich gleich mit begründen möchte. Ich glaube, wir haben hei § 4 eigentlich dieselbe Tendenz zu verzeichnen wie beim Feststellungsgesetz. Sie machen in diesem Gesetz dasselbe, indem Sie sagen: „Wir nehmen diese Geschichte vorweg, nehmen sie aus dem Rahmen des allgemeinen Lastenausgleichs heraus", und Sie erwecken damit Illusionen, während doch die Tatsachen — das geht aus § 4 eindeutig hervor — den Flüchtlingen und den Anspruchsberechtigten überhaupt nicht die Möglichkeit geben, über ein Guthaben zu verfügen, weil dieses Guthaben, so wie hier festgelegt ist, gar nicht zur Auszahlung kommt. Meine Damen und Herren, fallen wir doch nicht auf eine optische Täuschung in diesen Dingen herein! Sie wissen ja noch gar nicht, welche Summe Sie eigentlich zur Verfügung haben, um die Auszahlung zu gewährleisten. Sie sprechen heute davon, daß im ersten Jahr 50 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden, daß insgesamt eine Summe von 250 Millionen DM eingesetzt werden soll. Aber diese Anerkennung der Guthaben ist eben nur eine Anerkennung. Im übrigen bleiben die Guthaben blockiert, trotz der platonischen Erklärung, daß Guthaben bis zu 20 Mark vielleicht dann, wenn die Auszahlung einmal beginnt, bevorzugt ausgezahlt werden sollen. Das nimmt Ihnen doch wirklich niemand ab, meine Damen und Herren! Wenn Sie vielleicht in der Begründung zu sagen wagen, daß, da bereits ein Anspruch festgelegt wird, mag er auch in fünf Jahresraten zur Auszahlung kommen, eine ganze Reihe von Anspruchsberechtigten Kredite aufnehmen können, wodurch sie, sagen wir, ihre Lebens-lane verbessern können, so nimmt Ihnen das in Ihrem eigenen Kreis draußen kein Mensch ab.
Wir sind deswegen der Auffassung. daß der § 4 Abs. 1 wie folgt geändert werden muß:
Der Anspruch auf Entschädigung wird mit dem sich aus 3 ergebenden Betrag festgestellt. Der Anspruchsberechtigte kann nach Anerkennung des Entschädigungsanspruches sofort über sein Guthaben verfügen.
Wenn Sie für diesen Kreis der Anspruchsberechtigten wirklich etwas Entscheidendes tun wollen, wenn Sie wirklich der Meinung sind, daß man diese Aufwertung aus dem Rahmen des allgemeinen Lastenausgleichs herausnehmen muß und vorweg zur Verabschiedung bringen soll, dann haben Sie auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, daß der Anspruchsberechtigte sogleich Geld in die Hände bekommt, Geld, das Sie für andere Zwecke in rauhen Mengen zur Verfügung haben.
Das Wort hat der Abgeordnete Wackerzapp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu dem Antrag des Herrn Vorredners von der KPD habe ich folgendes zu sagen. An sich wäre es uns natürlich ebenfalls lieb, wenn wir dem Antrag entsprechen könnten. Gerade derjenige, der im Sparkassenwesen tätig gewesen ist und der dem Spargedanken dienen will, weiß, daß hier der Satz gilt: Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert. Hier liegt jedoch eine der vielen Unvollkommenheiten vor, mit denen wir bei dem praktischen Vollzug von Gesetzen immer rechnen müssen. Gerade die kleinen Konten stellen eine große Überzahl dar, und der Effekt ist minimal, weil auf 50 RM doch nur 3,25 DM gegeben werden, also ein Betrag, der praktisch wirklich kaum zu Buche schlägt. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, daß kleine Konten, die sich auf mehrere Familienmitglieder verteilen, zusammengefaßt werden und daß dann, wenn die zusammengefaßten Konten den Mindestsatz von 50 RM überschreiten, die normale Aufwertung zum Zuge kommt.
Selbstverständlich hätten auch wir es gern gesehen, wenn die für die Aufwertung der Sparkonten benötigten Mittel alsbald hätten zur Ausschüttung gebracht werden können. Aber auch hier sind wir an die finanziellen Möglichkeiten gebunden. Die Deckungsmittel fließen nur nach und nach ein, so daß eine allmähliche Befriedigung erfolgen muß. Es wird dafür gesorgt werden, daß gerade die kleinen Guthaben bevorzugt zur Auszahlung kommen. Die Inhaber größerer Konten können länger warten, auch deswegen, weil vom 1. Januar dieses Jahres ab bereits eine Verzinsung in Höhe von 4 % erfolgt, so daß eine Anreicherung des Sparkapitals stattfindet.
Aus diesen Gründen bitten wir, den Antrag der KPD abzulehnen.
Wünscht jemand das Wort? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung zu § 3.
Wünscht jemand zu § 4 noch das Wort zu nehmen? — Auch das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung zu § 4.
Ich komme zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Gruppe der KPD auf Umdruck Nr. 443 Ziffer 1, den § 3 Abs. 2 zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Änderungsantrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 3 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; der § 3 ist angenommen.
Ich komme zur Abstimmung über den von dem Herrn Abgeordneten Kohl bereits begründeten Änderungsantrag zu § 4 auf Umdruck Nr. 443 Ziffer 2 a und b. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die
Gegenprobe. — Enthaltungen? -- Das ist gegen die Antragsteller abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über § 4 in der Ausschußfassung. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Ich rufe auf § 5, — Überschrift des zweiten Abschnitts, — § 6,—§ 7,—§ 8,—§ 9,—§ 10,§ 11,—§ 12,13,—§ 14,—§ 15,—§ 16,— Einleitung und Überschrift. — Keine Wortmeldungen; ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Paragraphen sowie der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; die aufgerufenen Paragraphen sind angenommen.
Damit ist die zweite Beratung geschlossen. Ich komme zur
dritten Beratung.
Wünscht jemand zur allgemeinen Aussprache das Wort? — Herr Abgeordneter Ohlig im Rahmen der Redezeit von 60 Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch den Bericht des Herrn Berichterstatters sind wir über dieses Gesetz und seine materiellen Leistungen unterrichtet worden. Es handelt sich um eine Angelegenheit, die eigentlich im Rahmen des kommenden Lastenausgleichsgesetzes mit behandelt werden sollte. Es handelt sich nicht um eine allumfassende nachträgliche Reform der Währungsumstellungsgesetze. Aber in diesem Gesetz wird ein Personenkreis erfaßt, der am 20. Juni 1948 besonders schlecht weggekommen ist, nämlich der Personenkreis der ostvertriebenen Sparer. Im Lastenausgleichsgesetz sollte diese Benachteiligung einigermaßen wiedergutgemacht werden; der Verlust der Ostsparkonten sollte einigermaßen ausgeglichen werden. Gegen eine solche all-. gemeine Regelung im Lastenausgleichsgesetz hatte die sozialdemokratische Fraktion keine Bedenken, weil es sich hier um ein echtes Anliegen der Ostvertriebenen handelt. Aber wir haben starke Bedenken gegen diese teilweise Regelung, weil sie nämlich keine volle Befriedigung auslösen wird. In den Ausschußberatungen sind wir uns alle darüber klar geworden, wie schwierig es sein wird, die Unterlagen rechtzeitig beizubringen. Die vorgesehenen vier Möglichkeiten reichen ja bei weitem nicht aus, obwohl wir gern anerkennen, daß der Ausschuß neben dem Sparbuch als der einzig brauchbaren Unterlage noch nach anderen Beweismöglichkeiten und Beweismitteln gesucht hat. Sie finden in § 8 Abs. 1 unter den Ziffern 2 bis 4 solche anderen Beweismittel. Die textliche Länge dieser Ziffern dürfte Ihnen zeigen, wie schwierig es gewesen ist, diese Ziffern überhaupt zu formulieren; denn sie werden in den meisten Fällen nicht ausreichen. Trotz dieser Erweiterung der Beweismittel wird es große Teile geben, die bei diesem Gesetz leer ausgehen werden. Die Tatsachen der Ausweisung sind nicht zu leugnen. Sehr viele Beweismittel sind eben verlorengegangen oder vernichtet worden.
Aus diesem Grunde haben wir von der sozialdemokratischen Fraktion im Ausschuß unsere stärksten Bedenken dagegen geltend gemacht, daß dieses Gesetz vor dem eigentlichen Lastenausgleichsgesetz verabschiedet werden soll. In diesem Gesetz wird wiederum nur eine Teilfrage geregelt, es werden nur für einen beschränkten Personenkreis der Geschädigten auf einem bestimmten Gebiet Ausgleichsleistungen vorgesehen. Wir verkennen allerdings nicht, daß dieses Gesetz im Gegensatz zum Feststellungsgesetz die Versprechungen wenigstens etwas materiell untermauert. Aber die materiellen Leistungen nach diesem Gesetz werden ja auch erst wirksam, nachdem das Hauptgesetz verabschiedet worden ist. Bis zum Inkrafttreten dieses Hauptgesetzes bleiben die Bestimmungen auch dieses Ostsparergesetzes vorläufig leere Versprechungen. Wir befürchten deshalb, daß auch mit diesem Gesetz die Beunruhigung derer, die leer ausgehen werden, größer werden wird. Hätten wir gewartet, bis das Hauptgesetz verabschiedet worden wäre, stünden die anderen Leistungen wie Unterhaltsrente, Hausratshilfe, Eingliederungshilfe neben den doch sehr bescheidenen Leistungen dieses Gesetzes, und man würde manche Unzufriedenheit durch das Gesamtgesetz abfangen können.
Wir finden es deshalb nicht gut, durch solche Teillösungen die Geschädigten auch weiterhin aufzusplittern in die Gruppe, der bevorzugt etwas versprochen wird, und in die anderen, die vorläufig leer ausgehen müssen. Man kann die viel verbreitete Meinung, daß die Arbeit des Lastenausgleichsausschusses zu langsam vorangeht, durch solche Teillösungen nicht entkräften, vor allen Dingen auch deshalb nicht, weil die Befürworter des sogenannten Vorziehungsgedankens bis jetzt im Ausschuß immer noch nicht wenigstens den Versuch gemacht haben, endlich auch einmal ein Gesetz vorzuziehen, das die Abgabenseite in irgendeiner Form regelt. Aber der Ausschuß hat mit großer Mehrheit die Vorziehung dieses Gesetzes beschlossen.
Wir haben noch zu einem anderen Punkt einige Bedenken. Zur Begründung dieses Gesetzes wurde auch vorgebracht, es gelte, den Sparwillen wieder neu zu stärken und zu wecken. Uns leuchtete nicht ein, daß man zunächst zur Verzinsung der Ausgleichsforderungen den Geldinstituten 1 % und eine Fallpauschale von 1,50 DM gewähren wollte. Wir waren der Meinung, man sollte solche wichtige volkswirtschaftliche Maßnahme, wie es das Sparen ja sein soll, nicht dazu benutzen, hinter der Betonung solcher wirtschaftlichen Notwendigkeiten doch eventuell geschäftliche Vorteile zu verbergen. Der Ausschuß hat sich unseren Einwendungen nicht ganz verschließen können und hat dann den Zinsfuß auf 1/2 % und die Fallpauschale auf 1 DM festgesetzt. Uns erscheint auch diese Regelung noch zu hoch. Herr Kollege Kunze, Sie schütteln mit dem Kopf, aber die besonderen Umstände dieses Gesetzes erlauben uns noch nicht einmal eine genaue Kostenberechnung, weil wir gar nicht wissen, wie groß der Personenkreis ist, der in der Lage sein wird, die Beweismittel beizubringen.
Um aber den wilden Männern außerhalb des Parlaments nicht wieder die Möglichkeit zu geben, die Verantwortung für die Unzulänglichkeiten dieses Gesetzes bei einer etwaigen Ablehnung auf die Sozialdemokratische Partei abzuschieben, wollen wir trotz der starken Bedenken dem Gesetz auch in der dritten Lesung unsere Zustimmung geben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Wackerzapp.
Meine Damen und Herren! Es ist vom Herrn Vorredner zunächst einmal die Frage aufgeworfen worden, ob es richtig sei, dieses Gesetz, das ja nur ein Teilstück aus dem allgemeinen Lastenausgleichskomplex darstellt, vorzuziehen. Wir sind der Meinung, daß die Vorziehung dieser in sich abgeschlossenen Gruppe von Ansprüchen absolut richtig, j a sogar notwendig ist. Es handelt sich um Sparerforderungen, die immer einer besonderen rechtlichen Behandlung unterworfen waren: sie waren mündelsicher, und sie waren gleichzeitig durch die Freizügigkeit der Sparbücher überall im Deutschen Reiche zahlbar gestellt. Diese beiden Vorzüge haben nach dem Zusammenbruch allerdings kläglich versagt. Aber es ist die höchste Zeit, diese Schäden zugunsten der Heimatvertriebenen nun endlich auszugleichen.
Zum andern ist zu sagen, daß die Aufwertung der Sparerforderungen mit den Methoden und Verfahrensarten des allgemeinen Lastenausgleichsgesetzes nicht gemeistert werden kann; denn nach der Natur der Dinge ist hier nur eine rein quotale Regelung möglich auf der Grundlage von exakt festgestellten Guthaben und unter Anwendung des Umrechnungssatzes von 6,5 %.
Weiter ist vom Herrn Vorredner beanstandet worden, daß die Banken und Sparkassen in diese Aktion eingeschaltet worden sind. Ich bin der Meinung, daß dies gerade ein besonderer Vorzug des Gesetzes ist, weil es sich hier um die Bewältigung eines Massenproblems handelt. Ich habe überhaupt in dieser Zeit, in der wir soziale Gesetze am laufenden Band beschließen, so manchmal die Befürchtung, als verschafften wir uns nicht immer Klarheit darüber, wie diese Gesetze in die praktische Wirklichkeit umgesetzt werden sollen.
Die Ministerien sind Kummer gewohnt. Aber wenn ich daran denke, was für eine Sturzflut schwierigster Aufgaben etwa aus dem legislatorischen Monstrum des Lastenausgleichsgesetzes mit einem Schlag über die Behörden hereinbrechen wird, und wenn ich mir vorstelle, wie die mittleren und unteren Instanzen damit fertig werden sollen, dann bekomme ich ein Alpdrücken. Deshalb begrüße ich jede Gelegenheit, durch die wir Aufgaben aus dem umfänglichen Bereich des Lastenausgleichs zeitlich verteilen und vom Behördenapparat auf Stellen abwälzen können. die sowohl organisatorisch als auch fachmännisch für die Bewältigung solcher Aufgaben sehr viel besser geeignet sind. So braucht man zur Regelung der Ostsparerfragen fachkundige Kräfte, und die sind eben nur bei den Banken, Sparkassen und Postanstalten vorhanden.
Nun hat man es weiter als einen Mangel des Gesetzes bezeichnet, daß bei der Schwierigkeit der Beweisführung ein Teil sonst sachlich berechtigter Sparer nicht zum Zuge komme. Das ist ohne weiteres zuzugeben. Aber wir empfinden es ja mit Schmerz als eine traurige Notwendigkeit und als eine höchst unerwünschte Zwangserscheinung bei allen unseren sozialen Gesetzen, daß wir, urn mit der Vielfalt der Verhältnisse fertig zu werden, Normen, Grenzen und Sicherungen aufbauen müssen, die dann im Einzelfall zu schweren Härten führen können. So ist es auch hier. Aber man soll sich doch darüber klar werden: Wenn ein Schiff untergeht, auf dem 1000 Passagiere sind, die Rettungsboote aber nur für 900 Passagiere ausreichen, dann wird doch niemand auf den Gedanken kommen, deswegen überhaupt kein Rettungsboot in Bewegung zu setzen.
Mit solchen im Hintergrund stehenden Neidgefühlen kann und soll man keine Politik machen. Man muß praktisch denken und sich vor Augen halten, daß hier ein Gesetz verabschiedet werden soll, das nicht Hunderten und nicht Tausenden, sondern Hunderttausenden, ja vielleicht sogar Millionen zum Vorteil gereichen kann. Aus diesem Grunde bin ich der Überzeugung, daß wir mit diesem Gesetz den Heimatvertriebenen einen großen Gefallen erweisen.
Es ist ferner gerügt worden, daß die Banken, Sparkassen und Postanstalten ein allzu reiches Entgelt für ihre Mühe bezögen. Demgegenüber darf ich darauf hinweisen, daß dieses Entgelt in vielen Fällen nicht ausreichen wird. Die Heimatvertriebenen sitzen zumeist in großen Massen auf dem flachen Lande, wo es vielfach nur kleine Sparkassen und Banken mit geringem Personalbestand gibt. Ohne Verstärkung ihres Personals werden diese Institute den Massenandrang überhaupt nicht bewältigen können. Dann aber kommen sie mit der Fallgebühr von 1 DM und mit der Zinsspanne von 0,5 °/u überhaupt nicht aus. Es müssen also die Organisationen eingreifen, um hier im Sinne des Ausgleichs zu helfen. Unsere Banken und Sparkassen haben es nicht verdient, daß man sie mit Vorwürfen überschüttet; denn sie haben in den letzten Jahren im Interesse der Allgemeinheit eine Fülle wichtigster Arbeiten geleistet, etwa bei der Währungsumstellung und insbesondere bei der Wertpapierbereinigung. Sie werden sich auch der mühseligen Arbeit zugunsten der ostvertriebenen Sparer, die ihnen finanziell nichts bringt, im Gegenteil, ihnen Kosten verursacht und Verantwortung aufbürdet, unterziehen, einmal weil sie damit bedrängten Volksgenossen helfen können, dann aber auch, weil sie darüber hinaus der Volkswirtschaft einen großen Dienst erweisen dadurch, daß sie den Sparwillen und damit zugleich den nationalen Kreditfonds fördern und festigen helfen, den wir für langfristige Investitionen so dringend brauchen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kohl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem Sie in der zweiten Lesung unsere als absolut sachlich berechtigt anzusprechenden Anträge abgelehnt haben, habe ich im Namen der kommunistischen Fraktion zur Endabstimmung in der dritten Lesung folgende Erklärung abzugeben.
Bereits bei der Behandlung des Feststellungsgesetzes haben wir auf die Unmöglichkeit hingewiesen, einzelne Positionen des Lastenausgleichsgesetzes im Bundestag gesondert zu verabschieden. Sowohl das Feststellungsgesetz als auch das hier vorliegende Gesetz haben den sachlichen Bedürfnissen der Anspruchsberechtigten nicht im entferntesten Rechnung getragen. Wir stellen eindeutig fest, daß gerade durch das Verbleiben des § 3 in diesem Gesetz eine ungeheure Benachteiligung eingetreten ist, indem Sparguthaben bis zur Höhe von 50 Mark nicht angerechnet werden. Daraus ergibt sich, daß alle diejenigen, die schon früher die Möglichkeit hatten, große Sparguthaben anzusammeln,
Für die Durchführung dieses Gesetzes ist ein ziemlich ausgedehnter Verwaltungsapparat erforderlich, dessen Mittel für die Geschädigten selbst verwendet werden sollten.
Untragbar scheint uns weiter, daß man den entscheidenden Betrag nach unten abgegrenzt hat, während in diesem Gesetz nach oben eine Grenze nicht festliegt. Wir wollen uns nicht mitschuldig machen — wir haben dasselbe beim Feststellungsgesetz herausgestellt — an einer solchen Gesetzgebung, die draußen im Lager der Flüchtlinge und der sonstigen Anspruchsberechtigten Illusionen erweckt, die durch die Verabschiedung dieses Gesetzes nicht realisiert werden. Wir stimmen deshalb diesem Gesetz nicht zu, sondern enthalten uns der Stimme.
Meine Damen und Herren, ich sehe keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die allgemeine Besprechung der dritten Beratung. Eine Einzelbesprechung findet nicht statt, da Änderungsanträge zur dritten Beratung nicht gestellt worden sind.
Ich rufe auf die §§ 1 bis 16, die Abschnittsüberschriften, die Einleitung und die Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen im einzelnen zuzustimmen wünschen, ihre Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit.
Ich komme zur Schlußabstimmung über das Gesetz zur Umstellung der Reichsmarksparguthaben heimatvertriebener Sparer. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz in seiner Gesamtheit zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. -
Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? -
Bei einigen Enthaltungen ohne Gegenstimmen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Entschädigung des in den Gemeinden Sembach, Neukirchen-Mehlingen für militärische Zwecke beschlagnahmten Landes sowie der entstandenen Ernte- und Hausschäden und über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend Entschädigung des in der Gemeinde Miesau (Rheinland-Pfalz) für militärische Zwecke beschlagnahmten Eigentums der Gemeinde, einzelner Privatpersonen und des Sportvereins Miesau (Nrn. 3036, 2868, 2869 der Drucksachen).
Berichterstatter des Haushaltsausschusses ist der Abgeordnete Dr. Leuchtgens.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Aussprachezeit von 60 Minuten vor.
— Meine Damen und Herren, der Ältestenrat hat in der Besprechung beschlossen, Ihnen diese Aussprachezeit vorzuschlagen. Ich darf Sie freundlichst bitten, im Zweifel doch von dem Vorschlag des Ältestenrats nicht abzuweichen; er wird ja dort auch überlegt. Es ist ja niemand gehalten, diese Redezeit auszunutzen. — Ich darf also unterstellen, daß das Haus trotz Bedenken damit einverstanden ist.
Ich weise darauf hin, daß ich beabsichtige, nach dem Punkt 6 den Punkt 14 der Tagesordnung vorzuziehen.
Ich darf Herrn Abgeordneten Dr. Leuchtgens zur Berichterstattung bitten.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Ich wende mich zunächst dem Antrag zu, der Ihnen auf Drucksache Nr. 2868 vorliegt. Darin beantragt die kommunistische Fraktion:
Die Bundesregierung wird beauftragt, sofort alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, daß den Gemeinden Sembach, Neukirchen-
Mehlingen und den betroffenen Bürgern der volle Schaden für das zu militärischen Zwecken beschlagnahmte Land, die entstandenen Ernte-und Hausschäden sofort aus Bundesmitteln gezahlt wird.
Der Haushaltsausschuß hat sich mit diesem Antrag beschäftigt. Ihm wurde ein Briefwechsel zwischen der Regierung des Landes Rheinland-Pfalz
und dem Finanzministerium der Bundesrepublik
vorgelegt. Ich darf Ihnen aus diesem Briefwechsel
eine Stelle vorlesen, die das ganze Problem sofort
beleuchtet. Das Schreiben des Ministeriums für
Finanzen und Wiederaufbau von Rheinland-Pfalz
vom 11. Dezember 1951 an das Bundesministerium
der Finanzen, das sich mit dieser Frage befaßt, enthält einen Absatz, der folgendermaßen lautet:
Im Rahmen der Richtlinien des Bundesministerium der Finanzen vom 30. Mai 1951 betreffend die Inanspruchnahme von Gelände im
Zuge der Verstärkung der alliierten Streitkräfte wurde bis zum 20. Oktober 1951 an
Aufwuchsentschädigung für den Bereich der
Flugplatzanlage bei Sembach-Mehlingen der
Betrag von 265 528,51 DM durch die Oberfinanzdirektion — Bundesvermögensabteilung
— Koblenz ausgezahlt.
Das ist der eine Antrag, Nr. 2868.
Der zweite Antrag liegt Ihnen als Drucksache Nr. 2869 vor. Darin beantragt die kommunistische Fraktion:
Die Bundesregierung wird beauftragt, sofort alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, daß der Gemeinde Miesau, den Privatpersonen und dem Sportverein Miesau die volle Entschädigung für das zu militärischen Zwecken beschlagnahmte Wald-, Wiesen und Sportgelände aus Bundesmitteln gezahlt wird.
Auch über diesen Antrag hat sich ein Schriftverkehr zwischen dem Ministerium für Finanzen und Wiederaufbau von Rheinland-Pfalz und dem Finanzministerium der Bundesrepublik entsponnen. Dem Haushaltsausschuß wurde auch dieser Briefwechsel vorgelegt. Ich entnehme folgende Stellen aus dem Briefwechsel:
In den Gemeinden
— so schreibt das Ministerium für Finanzen und Wiederaufbau von Rheinland-Pfalz —
Miesau, Sand, Schöneberg, Elschbach und Kübelberg sind bereits seit dem Jahre 1949 für amerikanische Zwecke Grundstücke und Wälder beschlagnahmt. Nachdem zunächst die Ausstellung von Requisitionsscheinen abgelehnt worden war, haben wir Mitte dieses Jahres erreicht, daß eine offizielle Beschlagnahme erfolgte und eine Requisitionsvergütung anerkannt wurde. Die Jahresvergütung für diese Gemeinden beträgt insgesamt 73 825 DM. Außerdem sind für die innerhalb der Gemeindeparzellen liegenden Privatgrundstücke 9900 DM errechnet. Die Anerkennung der Vergütung durch den Requisitionskontrolleur vom Beginn der Beschlagnahme an ist zugesagt. Die Beträge werden noch im Monat Dezember nach Vorliegen des Etat Trimestriel zu Lasten der Einzelpläne XXIV und XXV ausgezahlt.
Ich lese noch eine weitere Mitteilung aus diesem Schreiben vor:
Die Ausstellung eines Requisitionsscheines für den Sportplatz in Miesau konnte bisher auf örtlicher Ebene noch nicht erreicht werden. Wir haben daher beim Landeskommissariat den Requisitionsschein beantragt.
Und schließlich noch ein Vermerk dazu:
Nach Mitteilung des zuständigen Requisitionsamtes ist dort noch nichts von der Beschlagnahme des Sportplatzes Miesau bekannt. Regierungspräsident Pfalz wird weitere Ermittlungen anstellen.
Sie sehen aus diesem Briefwechsel, daß der Gegenstand der beiden Anträge der kommunistischen Fraktion vollständig entfallen ist, da die Vergiftungen oder ihre Grundlagen in beiden Bereichen bereits voll geleistet worden sind.
Der Haushaltsausschuß hat deshalb folgenden Antrag gestellt, den ich Ihnen verlese:
Der Bundestag wolle beschließen,
die Anträge der Fraktion der KPD — Nrn. 2868, 2869 der Drucksachen — durch die bereits getroffenen Maßnahmen für erledigt zu erklären.
Ich bitte das Haus, dem einstimmigen Beschluß des Haushaltsausschusses zuzustimmen.
Meine Damen und Herren, ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Ich eröffne die Besprechung. Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können dem Bericht und dem Antrag des Haushaltsausschusses nicht unsere Zustimmung geben. Auch die Bevölkerung der betroffenen Gebiete wird sich mit dem Bericht und dem Antrag des Ausschusses nicht zufrieden geben. Der Beschluß des Ausschusses beruht auf wahrheitswidrigen Angaben der Oberfinanzdirektion Koblenz und der Landesregierung Rheinland-Pfalz.
Was sind die Tatsachen? Seit drei Jahren kämpfen die Menschen der betroffenen Gemeinden um eine Entschädigung für ihr für militärische Zwecke beschlagnahmtes Gelände. Seit dieser Zeit ist die D-Mark bekanntlich in ihrem Wert erheblich gefallen. Die zuständigen Stellen, die für die Auszahlung der Gelder verantwortlich sind, haben bisher die Zinsen für dieses Geld, das ihnen gar nicht gehört, eingesteckt. Deshalb sind die Menschen dort in dreifacher Hinsicht getroffen. Einmal ist ihr Land beschlagnahmt, zum andern haben sie drei Jahre warten müssen, bis ein bestimmter Teil ausgezahlt wurde, und drittens haben sie für ihr eigenes Geld, das ihnen zustand, die Zinsen verloren. Erst auf Grund unseres Antrages vom 23. November 1951 und auf Grund der fortgesetzten Proteste der Sportler und der Bauern der Gemeinden wurde jetzt im Januar ein Teil — ein Teil! — des Geldes, und zwar für die Gemeinden Miesau, Kübelberg, Elschbach in Höhe von 139 000 DM gezahlt. Aussteht noch eine Summe von 86 000 DM für die betroffenen Gemeinden Miesau, Kübelberg, Etschbach usw. Wenn sich die Bevölkerung dagegen nicht wehrt, wird es sich mit der Restzahlung genau so wie mit der ersten Zahlung verhalten: man wird jahrelang warten müssen.
Nicht anders verhält es sich mit dem Bericht hinsichtlich der Gemeinden Sembach, Neukirchen-
Mehlingen. Auch dort wurde die Bevölkerung durch die Beschlagnahme von Wiesen, Äckern und Obstbauanlagen für militärische Zwecke schwer geschädigt; es wurde ihr dadurch schweres Leid zugefügt. Auch in dieser Angelegenheit wurde von der Oberfinanzdirektion Koblenz ein wahrheitswidriger Bericht gegeben. Ausgezahlt wurden bisher nur die Vergütungen für Aufwuchsschäden. Diese Entschädigungen, die man für die Aufwuchsschäden gezahlt hat, sind aber gemessen an dem Schaden, den die Gemeinden und die Bevölkerung dort erlitten haben, nur ein Bettelpfennig. Insgesamt wurden den drei Gemeinden 265 000 DM gezahlt. Bis zur Stunde wurde aber noch kein Pfennig
vergütet für die Schäden an Straßen, den Häuserschaden, Kanalisationsschäden und Landschaden, d. h. den Schaden für das Land, das man den Bauern weggenommen hat. Dabei zieht man aber den Menschen für dieses beschlagnahmte Land laufend die Steuern ab.
Wir haben mit unserem Antrag hinsichtlich Miesau, Sembach und hinsichtlich der übrigen Gemeinden keine Teilzahlung gefordert, sondern eine restlose Auszahlung der Vergütungen für die Schäden. Wir beantragen daher die Ablehnung des Berichts und der Anträge des Ausschusses. Wir fordern die Betroffenen auf, sich mit allen Mitteln gegen diese Maßnahmen zur Wehr zu setzen.
Das Wort hat der Abgeordnete Neber.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es wäre reizvoll und interessant, im Zusammenhang mit den beiden Anträgen Drucksache Nr. 2868 und Nr. 2869 einmal die Frage aufzuwerfen, wer nun eigentlich schuld daran ist, daß hier in Westdeutschland überhaupt Gelände für Flugplätze oder andere militärische Zwecke beansprucht wird.
Im Zusammenhang mit der Behandlung dieser Frage müßte man auch einmal die Frage prüfen, ob die Herren Antragsteller überhaupt die Aktivlegitimation besitzen, derartige Anträge zu stellen.
— Über das, was Sie im Gegensatz zu mir verstehen, werden wir wohl kaum jemals einer Meinung sein. Da Sie aber gerade in dem letzten Satz Ihrer Ausführungen davon gesprochen haben, daß sofort und unter allen Umständen usw. usw. dieses oder jenes getan werden müßte, und da wir uns doch gerade bei dem vorhergehenden Punkt der Tagesordnung über die Möglichkeit von Leistungen unterhalten haben, wird es doch wohl notwendig sein, die Sache auch von dieser Perspektive aus zu betrachten.
Wie liegen denn nun die Dinge in Wirklichkeit? Erstens ist es nicht so, mein lieber Herr Kollege von der anderen Fakultät, daß beispielsweise das hauptbetroffene Gelände nördlich von Kaiserslautern, also Gelände der Gemeinden Sembach und Neukirchen-Mehlingen, seit drei Jahren beschlagnahmt ist. Vielmehr haben erst in der Mitte des vergangenen Jahres die Bestrebungen eingesetzt, dieses, ich gebe zu, so wertvolle Ackergelände für militärische Zwecke zu beanspruchen und zu beschlagnahmen. Den vereinten Bemühungen — ich möchte das ausdrücklich hervorheben — der untersten wie der obersten Dienststellen, also des Bürgermeisters, des Landrats, der Landwirtschaftskammer, der Landesregierung von Rheinland-Pfalz und der Dienststelle Blank, ist es nicht gelungen, diese Beschlagnahmen rückgängig zu machen.
Ich halte es für notwendig, sich einmal Gedanken darüber zu machen, wie nun die Entschädigungsfrage geregelt werden soll. Hier haben die Dienststellen des Landes Rheinland-Pfalz — das möchte ich betonen — in Verbindung mit den zuständigen Landräten und der Landwirtschaftskammer im Benehmen mit den Beteiligten tatsächlich eine gute Arbeit geleistet. Diese gute Arbeit bestand darin, daß man zunächst einmal die Frage geprüft hat, wie man vorgehen soll. Von dem Kollegen von der äußersten Linken wurden bereits Unterschiede gemacht. Es kommt eine Nutzungsentschädigung, eine Ausfallentschädigung in Betracht. Die Frage der Wirtschaftserschwerung und die Notwendigkeit, verschiedene der betroffenen Bauern, die mehr als 50 % Land abgeben mußten, evtl. umzusiedeln, mußten geprüft werden. Ich kann sagen — insofern stimmen die Angaben des Kollegen drüben —, daß die Ausfallentschädigungen im Falle Mehlingen bereits gezahlt sind, allerdings in einem größeren Umfange, als ihn die hier genannten Zahlen ausdrücken. Ich möchte darum auch auf die Sache nicht weiter eingehen. In etwa geklärt ist auch die Frage der sogenannten Nutzungsentschädigung, der Entschädigung für Wirtschaftserschwernisse. Es liegt auf der Hand, daß derartige Dinge, die immerhin von einer schwerwiegenden Bedeutung für die Betroffenen sind
— wobei ich vom fiskalischen Standpunkt einmal gar nicht sprechen will —, nicht im Handumdrehen erledigt werden können. Dazu braucht man bekanntlich Zeit. Rom wurde auch nicht an einem Tage erbaut. Die Verhandlungen sind aber so weit gediehen,
daß, Herr Renner, diese Frage in absehbarer Zeit ihre ordnungsmäßige Erledigung finden wird.
Es bleibt also noch die Frage der Umsiedlung der hauptbetroffenen Bauern. Warten Sie, meine Herren, die Sie die Zwischenrufe machen, die ja der Wahrheit zuwiderlaufen! In dieser Frage hat vor kurzem der Herr Landwirtschaftsminister des Landes Rheinland-Pfalz die Landsiedlungsgesellschaft in unserem Lande beauftragt, die Umsiedlungsmöglichkeiten vorzubereiten und, sofern und soweit die Verhandlungen abgeschlossen sind — es wurden bereits verschiedene Höfe besichtigt —, die Umsiedlung zu realisieren. So liegen die Dinge hinsichtlich des Flugplatzes Mehlingen-Sembach.
Nun komme ich zum zweiten Punkt, zur Drucksache Nr. 2869, Fall Miesau. Es ist richtig, daß in Miesau die sogenannte Nutzungsentschädigung — in Klammern „Pacht" möchte ich einmal sagen — erst vor wenigen Tagen gezahlt wurde. Das ist aber nicht darauf zurückzuführen, daß von den deutschen Dienststellen etwas versäumt wurde, sondern darauf, daß die Besatzungsmacht sich anfänglich kategorisch geweigert hat, überhaupt eine Beschlagnahme auszusprechen. Diese Beschlagnahme ist in der Zwischenzeit, Mitte des vergangenen Jahres, erfolgt, und erst in der allerletzten Zeit wurde auch die Requisition des Sportplatzgeländes durchgeführt. So liegen die Dinge. Wenn wir noch nicht weiter vorwärtsgekommen sind, so liegt das an verschiedenen Dingen — ich möchte beileibe keiner Stelle einen Vorwurf machen, es liegt nicht an Regierungsstellen des Landes Rheinland-Pfalz, es liegt nicht an Stellen auf der Bundesebene —, es liegt an Dingen, die ich nicht näher erörtern möchte, nämlich in Dingen örtlicher Natur. Die Frage der Nutzungsentschädigung ist, wie gesagt, in der Zwischenzeit geregelt worden. Über Zahlen wollen wir nicht reden, obwohl wir auch darüber reden könnten.
Die Frage der Ausfallentschädigung, der Wirtschaftserschwernisse — die Umsiedlung von Bauern kommt ja dort nicht in Frage — wird genau so wie die Frage der Nutzungsentschädigung in absehbarer Zeit ihre Regelung finden.
Nun speziell zur Sportplatzfrage noch einige Worte. Dieser Sportplatz des Sportvereins Miesau, der seit 1949 in Anspruch genommen wurde, ist Teil eines Waldgeländes, das der Gemeinde Miesau gehört. Die Gemeinde Miesau hat ihn für eine jährliche Anerkennungsgebühr von 1 DM dem Sportverein zur Verfügung gestellt. Der Sportverein hat in der Zwischenzeit mit amerikanischer Unterstützung — das muß auch an dieser Stelle anerkannt werden — einen neuen Sportplatz errichtet, und zwar dank der amerikanischen Hilfe und dank der Einsatzbereitschaft seiner Mitglieder zu der Hälfte des vorgesehenen Preises. Die Differenz zwischen den tatsächlichen Unkosten und den tatsächlich entstandenen Schäden ist zur Zeit Gegenstand der Erörterungen zwischen Land und Bund. Ich glaube, nicht zuviel zu sagen, wenn ich nach all dem Vorangegangenen behaupte, daß auch diese Frage des Sportplatzes in kürzester Frist ihre entsprechende Erledigung finden wird.
Wir glauben demnach, daß der Herr Berichterstatter recht hat, wenn er sich auf den einstimmig gefaßten Beschluß des Haushaltsausschusses stützt, daß nämlich die beiden Anträge durch das, was bisher getan worden ist, als erledigt zu betrachten sind.
Wir werden seitens der Fraktion der CDU/CSU dem Antrage des Haushaltsausschusses zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ludwig.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe heute früh beim zuständigen Landratsamt wegen des Standes der Angelegenheit nachgefragt und dort erfahren, daß die vereinbarten Zahlungen tatsächlich geleistet worden sind. Es sind Pachtsätze vereinbart, die sich zwischen 30 und 150 DM bewegen, und zwar bei einem Gelände, das annähernd 2000 Hektar groß ist. Allerdings bleiben für die Gemeinden noch ganz erhebliche Erschwerungen und Benachteiligungen. Ich bin gebeten worden, gerade darauf an dieser Stelle besonders aufmerksam zu machen.
Zunächst einmal bestehen natürlich trotzdem noch Nutzungsausfälle. Dann wird auf die Wertminderungen hingewiesen, die entstehen müssen, weil besonders die Wälder nicht gepflegt und die Schädlinge nicht bekämpft werden können. Sehr wesentlich sind für die Gemeinden bestimmte Steuerausfälle wie bei der Grund- und Gewerbesteuer. Darüber sind allerdings auch schon Vereinbarungen getroffen worden. Aber es wird darauf hingewiesen, daß immer noch erhebliche Ausfälle entstehen.
Sehr schlimm ist die Beeinträchtigung des Wohnungsbaues in diesen Gebieten; denn zunächst einmal steigen die Materialpreise rapide. Es ist ein starker Materialmangel eingetreten. Auch die Planung des Wohnungsbaues ist stark unterbunden. Vor allem wird auch auf die Mietpreissteigerungen hingewiesen, die dadurch entstehen, daß zahlreiche Fremde dort beschäftigt sind, die Wohnungen suchen und jeden Preis zahlen. Dadurch sind große Benachteiligungen für einen weiten Kreis der Bevölkerung eingetreten. Geklagt wird weiter über verspätete Mitteilungen bei Beschlagnahmungen, eine Angelegenheit, die ebenfalls noch geordnet werden muß.
Große Klage wird über die Zerstörung der Straßen geführt. Die Schäden sind zum Teil außerordentlich. Es wird darauf hingewiesen, wieviel Schaden dem einzelnen entsteht, und zwar nicht nur Materialschaden, sondern auch Schaden an den Zugtieren. — Dazu kommen natürlich eine Reihe anderer Umstände, z. B. die Erhöhung der Kriminalität bei der Anhäufung so vieler Menschen aus allen Gebieten des Landes. Es ist auch auf die Nachteile einer Gemeinde z. B. durch die Wasserentnahme hingewiesen worden. Dadurch ist der Zwang zu Neuanlagen entstanden, die wieder erhebliche Kosten verursacht haben.
Ich wollte diese Klagen und Beschwerden nur kurz zusammenfassen, möchte aber darauf hinweisen, daß man diesem Gebiet eine verstärkte Aufmerksamkeit zuwenden muß; denn die Opfer dürfen nicht nur diesem kleinen Kreise der Bevölkerung zugemutet werden, sondern müssen der Gesamtheit auferlegt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Neumayer.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Ausführungen der Herren Kollegen Neber und Ludwig habe ich nicht mehr viel hinzuzufügen. Ich kann es mir, nachdem das Problem hier im einzelnen bereits gewürdigt worden ist, versagen, auf Einzelheiten einzugehen. Ich möchte nur noch einmal herausstellen, daß sich die Pfälzer Abgeordneten aller Fraktionen dieses Hauses, soweit sie verfassungstreu sind,
damals, als die Beschlagnahmen in Sembach, Neukirchen-Mehlingen und Miesau verfügt wurden, dafür verwandt haben, daß an Stelle des fruchtbaren Ackergeländes brachliegendes, in der Nähe gelegenes Gelände beansprucht werde. Diese Bemühungen sind zu unserem großen Bedauern fehlgeschlagen.
Es ist selbstverständlich, daß für den enteigneten Grund und Boden eine entsprechende Entschädigung gewährt wird. Wir haben dem Bericht des Ausschusses entnommen, daß Aufwuchsentschädigungen bereits gezahlt worden sind. Wir möchten nur an die Bundesregierung die dringende Bitte richten, dafür Sorge zu tragen, daß auch die übrigen Schadenersatzansprüche baldigst einer gerechten Regelung zugeführt werden.
Nachdem nun Sie, meine Herren von der äußersten Linken, sich gerade veranlaßt gesehen haben, diese Frage hier zur Sprache zu bringen, möchte ich an Sie die Frage richten: Warum haben Sie sich denn drüben in der Ostzone, wo Sie doch selbst die Regierung gebildet haben, noch niemals gegen die dort vorgenommenen Enteignungen gewehrt?
Warum vertreten Sie gerade hier, wo wir rechtsstaatliche Begriffe eingeführt und einen Rechtsstaat aufgerichtet haben, die Ansprüche des Eigentums, die Sie dort drüben doch wohl mehr oder weniger leugnen?
Ich möchte Sie jedenfalls bitten, in Zukunft Ihr
Augenmerk in erster Linie nach der Ostzone zu
richten und darauf zu achten, ob dort Enteignungen vorgenommen werden und ob dort die entsprechenden Entschädigungen gewährt werden,
ehe Sie sich veranlaßt sehen, diese Fragen hier zur
Sprache zu bringen. Ich bin überzeugt: wenn dort drüben von Ihnen — ein irrealer Fall! — ein Antrag gestellt worden wäre, entsprechende Entschädigungen für enteignetes Gelände oder enteignete Betriebe zu gewähren — wir wissen ja, wie oft das vorkommt —, wäre dieser Antrag ohne weiteres abgelehnt worden, während es hier selbstverständlich ist, daß eine rechtsstaatliche Lösung erfolgen wird. Deswegen werden wir auch dem Antrag des Ausschusses zustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Niebergall.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß das unterstreichen, was sehr verantwortungsbewußt hier von dem Herrn Kollegen Ludwig ausgeführt worden ist. Er hat sich nämlich wirklich bemüht, in die Dinge hineinzusteigen. Hier geht es nicht um billige Agitation — mit Mätzchen kann man alles erledigen —, sondern hier geht es um die Not der Menschen dort, und es geht darum, daß die Menschen ihr Geld bekommen. Wer den Antrag gestellt hat, wer sich bemüht hat, ist für die Menschen gleichgültig; wichtig ist für sie, daß sie endlich ihr Geld bekommen. Die vereinbarten Sätze, von denen gesprochen wurde, sind bisher nicht gezahlt worden. Es bleibt noch eine sehr große Summe zu zahlen. Mein Bericht beruht auf den Angaben der Bürgermeister, Gemeinderäte und Bauern der betroffenen Gemeinden, und zwar aus der Zeit vom 4. bis 3. Februar. Herr Neber, ich lade Sie von dieser Stelle aus ein, im Laufe der nächsten Woche mit in diese Gemeinden zu kommen und vor den Bauern dieselbe Rede zu halten, die Sie hier gehalten haben.
Auf Ihre Ausführungen, Herr Neumayer, einzugehen, rentiert sich nicht.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 3036 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich rufe auf Punkt 7.
— Herr Präsident Ehlers sagte mir bei der Ablösung, Punkt 14 solle erst nach Punkt 7 aufgerufen werden. Ich rufe auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Dr. Ott und Genossen betreffend Weiterbau der Autobahnteilstrecke Ettlingen—Bruchhausen (Nrn. 3037, 2744 der Drucksachen).
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Herren Abgeordneten Ott und Genossen wünschen, daß im Etat 1952/53 Mittel eingestellt werden, um die Autobahn Ettlingen—Bruchhausen fortzuführen. Der
Haushaltsausschuß empfiehlt Ihnen, zu beschließen, diesen Antrag der Bundesregierung als Material zu überweisen.
Meine Damen und Herren, der Altestenrat schlägt Ihnen vor, in dieser Sache auf eine Aussprache zu verzichten. — Das Haus ist einverstanden.
Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 3037 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmige Annahme.
Ich rufe auf Punkt 14 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Strafanzeige und Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den hessischen Landtagsabgeordneten Furtwängler .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, für die Begründung 5 Minuten und für die Aussprache insgesamt 60 Minuten zu beschließen.
— Keine Fraktion ist gezwungen, von ihrer vollen Redezeit Gebrauch zu machen.
Das Wort zur Begründung des Antrags hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am dritten Tag der Schumanplandebatte spielte sich während der Rede des Bundeskanzlers hier im Bundestagssaal ein höchst unliebsamer Vorgang ab, der weder von dem Platz des Präsidenten noch von dem des Redners aus bemerkt werden konnte und den auch nicht alle Abgeordneten wahrnahmen, wahrzunehmen brauchten, weil er sich eben auf der Tribüne des Bundesrats begab, die normalerweise weder im Blickfeld noch in der Aufmerksamkeit der Abgeordneten liegt. Diejenigen Abgeordneten, die den Vorfall wahrnahmen — bisher haben sich zehn gemeldet, die alle das gleiche bekunden —, haben folgendes beobachtet:
Ein bis dahin auf der Bank des Bundesrats noch nicht wahrgenommener Herr, den hier im Hause vielleicht einige Hessen, aber sonst niemand kennt, saß dort und zeigte ein äußerst auffallendes Gebaren während einer Zeit, die man nicht feststellen kann, die aber jedenfalls eine halbe Minute bestimmt überschritt. Er faßte mit beiden Händen an seine Stirn, indem er die Augen zudeckte — vielleicht eine gebetsähnliche Haltung ---, nahm die Hände vom Gesicht zurück, tupfte sich auf die Schultern, wobei er sein Gesicht in ein feixendes Grinsen verzog und mit dem Mienenspiel zum Bundeskanzler deutete,
und schlug dann auf der Brust ein Kreuz.
— Das ist kein Schmus, sondern das sind Wahrnehmungen, die sehr nüchterne Abgeordnete dieses Hauses in der Mittagsstunde, gegen 12 Uhr, beobachtet haben und die man durch keine Lüge aus der Welt schaffen kann.
— Der amtierende Präsident hat davon nichts gesehen, er konnte auch gar nichts sehen. Bitte, setzen Sie sich mal da oben hin und sehen Sie zu, was dahinten passiert, während Sie das Haus im Auge haben wollen! Das haben nur einzelne gesehen. Diejenigen aber, die es gesehen haben,
stürzten mit einer Entrüstung vor, die beispiellos ist, und brachten dadurch sowohl den Redner wie den Herrn Präsidenten in die größte Verwirrung, weil sonst keiner wußte, was passiert war.
Diese Angelegenheit hätte sehr glatt erledigt werden können, wenn sich der beteiligte Gast des Hauses genau so anständig benommen hätte wie derjenige, der ihn hier eingeführt hat, der Vertreter des Landes Hessen, der sich in einer einwandfreien Weise beim Präsidium dafür entschuldigt hat, daß er in unerlaubter Weise einen Gast auf die Tribüne des Bundesrats eingeschmuggelt hat.
Der Herr selbst aber — oder seine Hintermänner, ich weiß nicht wer — verbreitete, er habe mit jemandem in den Reihen seiner eigenen politischen Freunde Begrüßungsgesten ausgetauscht, was auch eine Unverschämtheit wäre — denn er hat als Gast hier niemanden zu begrüßen —, was aber einfach schlicht gelogen ist! Denn wir Abgeordneten — nicht nur Herr Majonica allein, sondern es waren mindestens 10, vermutlich werden es im ganzen an die 30 gewesen sein, denn soviel stürzten vor — haben mit unseren durchaus uribestochenen Augen das genaue Gegenteil beobachtet. Dabei bedenken Sie: wir kannten den Herrn nicht, wir hatten keine Ahnung, wer das war, kein Mensch dachte daran, daß es ein SPD-Mann sein könnte! Hier ist von politischer Stellungnahme überhaupt nicht die Rede, sondern man sieht einen Vorgang und sieht, daß der Herr Bundeskanzler und dieses Haus durch Verhöhnung katholischer Gesten, ich kann nur sagen: beschimpft und in einer Weise bloßgestellt werden sollen, die nach meiner Auffassung überhaupt nur ein Mann an den Tag legen kann, der unsere demokratische Staatsform, unser demokratisches Haus, unser demokratisches Wesen in den Kot ziehen will. Das ist die Situation, vor der wir stehen.
Hätte er sich entschuldigt, wäre es gut. Stattdessen wurde die Lüge in die Welt gesetzt, es habe sich um „Begrüßungsgesten" gehandelt, und die Presse — zunächst „Die Welt", dann z. B. der Rundfunk mit Herrn Steigner, oder die illustrierte Zeitung „Quick"; ich nenne nur beispielsweise einige Organe — verbreiteten, an dem dritten Tag der Schumanplan-Debatte hätten einige Abgeordnete „die Nerven verloren"
und hätten offenbar gesponnen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, nunmehr ist eidlich festzustellen, nicht wer hier „spinnt", sondern wer hier lügt. Es handelt sich bei der Ausrede um eine nackte, bleiche Lüge, und um gar nichts anderes. Wer mir bei meinen immerhin in einem langen juristischen Leben geläuterten Sinnen vorwerfen will, ich hätte mittags um 12 nicht die Möglichkeit, eine Begrüßungsgeste von einer Verhöhnungsgeste gegenüber der katholischen Religion zu unterscheiden, der soll es mit mir zu tun bekommen, der kommt vor Gericht.
Daher der Antrag, der meines Erachtens nunmehr, nachdem diese Verzerrung in die Welt gesetzt ist, im Interesse des ganzen Hauses, von ganz links bis ganz rechts, einfach geboten ist. Soll er noch — was ich für unnötig halte — im Geschäftsordnungsausschuß vorgeprüft werden, so ist dagegen nichts einzuwenden; wir wollen hier nichts übers Knie brechen. Aber daß das heute nicht mehr ohne gerichtliches Nachspiel abgehen darf, wenn wir auch nur die geringste Spur von Selbstachtung haben, darüber sollte sich jeder, der es mit der Demokratie ernst nimmt, überhaupt keinem Zweifel hingeben.
Der Antrag ist eingebracht und begründet. Ich eröffne die Aussprache und bitte um Wortmeldungen. — Das Wort hat der Abgeordnete Mellies.
Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zu einigen Punkten des ganzen Vorganges einige Worte des Bedauerns sagen. Zunächst ein Bedauern darüber, daß dieser Vorfall sich im Bundestag zugetragen hat. Herr Ewers hat eben schon zum Ausdruck gebracht, daß es wohl kaum jemanden in diesem Hause geben wird, der die durch Zeugenaussagen festgestellten Vorgänge nicht verurteilt. Alle Handlungen, die heilige und religiöse Gefühle und Überzeugungen verletzen, sprechen gegen denjenigen, der sie begeht.
Wir sollten aus der Vergangenheit gelernt haben, daß es nichts Verwerflicheres gibt als Taten, die den einzelnen Menschen oder ganze Gruppen im tiefsten verletzen und empören müssen. Ich habe diesen Standpunkt bereits bei der ersten Besprechung dieser Angelegenheit vor einigen Wochen im Ältestenrat vertreten.
Ein zweites Wort des Bedauerns zu der Tatsache, die auch von Herrn Ewers berührt worden ist, daß Herr Furtwängler sich nicht in der Lage gesehen hat, sich bei dem Präsidenten des Hauses wegen des Vorfalls zu entschuldigen. Wenn jemand einen Fauxpas begangen hat, sollte die Entschuldigung eine Selbstverständlichkeit sein.
Wir sollten diese Dinge aus der einfachen menschlichen Situation sehen und daher wissen, daß eine solche Entschuldigung keine Schande ist, sondern die Erkenntnis für einfache menschliche Notwendigkeiten beweist.
Dann aber auch ein paar Worte des Bedauerns darüber, daß dieser Antrag eingereicht wurde. Es ist im Ältestenrat klargeworden, daß alle Richtungen dieses Hauses den Vorgang in der schärfsten Weise verurteilen. Es kann deshalb keine Rede davon sein, daß das Haus den ganzen Vorfall etwa leichtnimmt. Über die Stellung selbst hat das Haus keinen Zweifel gelassen. Aber der amtierende Präsident hat damals den Landtagsabgeordneten Furtwängler des Saales verwiesen. Herr Ewers hat eben schon darauf hingewiesen, daß der hessische Bevollmächtigte beim Bundesrat sich mündlich und schriftlich beim Präsidenten des Bundestages entschuldigt hat. Der Präsident des Bundesrates hat außerdem Vorsorge getroffen, daß eine weitere mißbräuchliche Benutzung der Tribüne des Bundesrats nicht mehr möglich ist. Damit dürfte den Anforderungen, die von seiten des Bundestags in der Angelegenheit zu stellen sind, im großen und ganzen Genüge getan sein.
Der Bundestag wird durch den Antrag in eine schwierige Lage gebracht. Ich will das im einzelnen nicht darstellen; wir werden uns nach der Ausschußberatung weiter darüber unterhalten müssen. Es wird verlangt, daß nicht nur wegen Beleidigung des Bundestages, sondern auch wegen Beleidigung des Herrn Bundeskanzlers Strafantrag gestellt
wird. Ich glaube, das letztere kann aber nicht Aufgabe des Bundestags, sondern nur Aufgabe des Herrn Bundeskanzlers oder der Bundesregierung sein. Eine Strafverfolgung wegen Gotteslästerung muß vom Staatsanwalt, gegebenenfalls von Amts wegen, erfolgen. Wir fürchten, daß der Bundestag, wenn er dem Antrag in der vorliegenden Form entspricht, einen Präzedenzfall schafft, der weitgehende Folgen haben kann. Wir begrüßen es deshalb, daß auch die Herren Antragsteller damit einverstanden sind, daß der Antrag in den Ausschüssen noch einmal sehr sorgfältig überprüft wird. Ich hoffe, die Herren Antragsteller sind damit einverstanden, daß der Antrag nicht nur dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität, sondern auch dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen wird. Wir sind der Überzeugung, daß sich in den Ausschüssen eine Formulierung finden lassen wird, die den Interessen des Parlaments entspricht; denn dieses Haus hat die Angelegenheit von Standpunkt des Parlaments aus zu betrachten und zu beurteilen.
Das Wort hat der Abgeordnete Schröter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine politischen Freunde stimmen dem Antrag auf Überweisung an die beiden Ausschüsse zu. Im übrigen muß ich namens meiner politischen Freunde ausführen, daß wir entscheidenden Wert auf eine Untersuchung dieser Angelegenheit legen. Es sind die verschiedensten Gründe, die uns dazu bestimmen; vor allen Dingen aber der Versuch, diese Dinge zu bagatellisieren, zu verharmlosen, zu verniedlichen. Ich will der Versuchung widerstehen, einen ganzen Teil von diesen Versuchen hier zu schildern. Ich will nur ein Beispiel anführen — und das ist meines Erachtens das tollste Stück —, den völlig unmöglichen Kommentar — der Herr Kollege Ewers hat bereits davon gesprochen —, der im Nordwestdeutschen Rundfunk gegeben worden ist.
Wenn man dort den Versuch gemacht hat, diese Dinge auf den Nenner zurückzuführen, es habe im Parlament an Humor gefehlt, sonst wäre dieser ganze Vorfall so nicht passiert, dann, meine Damen und Herren, heißt das nach unserer Auffassung, zu dem Hohn noch den Spott hinzufügen. Das ist es gewesen, was Millionen guter Christen in Deutschland, Protestanten und Katholiken, in ihren Gefühlen aufs tiefste beleidigt hat.
Nach den fairen Worten des Kollegen Mellies, mit denen er seinem Bedauern über den Vorfall, seinem Bedauern auch über die Tatsache Ausdruck gegeben hat, daß hier von seiten des Übeltäters kein Wort der Entschuldigung gefunden worden ist, will ich darauf verzichten, noch einmal auf die Dinge einzugehen. Ich kann das um so eher unterlassen, als Kollege Ewers auf diese Dinge hingewiesen hat.
Wir werden also zunächst dem Antrag auf Überweisung zustimmen. Wir warten ab, ob sich bei den Ausschußberatungen die Tatsache ergibt, daß die Tatbestände für die im Antrag der Deutschen Partei angezogenen Paragraphen gegeben sind.
Weitere Wortmeldungen scheinen nicht vorzuliegen. Die Aussprache ist geschlossen.
Ich lasse abstimmen. Es ist beantragt worden, den Antrag der Deutschen Partei dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität und dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen, wobei wohl der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität der federführende Ausschuß sein soll. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Ich rufe Punkt 8 der Tagesordnung auf: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen über den Antrag der Abgeordneten Lenz, Kemmer und Genossen betreffend Ermäßigter Zinssatz für ERP-Wohnungsbaudarlehen (Nrn. 3053, 2285 der Drucksachen).
Das Wort hat der Abgeordnete Brandt als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich mit zwei oder drei Sätzen begnügen. Die Drucksache Nr. 2285 war am 7. Juni vorigen Jahres den Ausschüssen für Wiederaufbau und Wohnungswesen, für Fragen der Heimatvertriebenen und federführend dem ERP-Ausschuß überwiesen worden. Alle drei Ausschüsse waren in Übereinstimmung mit dem Ministerium der Meinung, daß der Antrag gegenstandslos ist, da keine ERP-Mittel mehr zur Verfügung stehen, die zugunsten des Flüchtlingssonderprogramms verwandt werden könnten. Solche Mittel werden in Zukunft nur noch zweckgebunden für den Bergarbeiterwohnungsbau zur Verfügung stehen. Was aber die zurückliegende Zeit angeht, so würde es nicht sinnvoll und technisch kaum durchführbar sein, eine Neuverteilung der Mittel vorzunehmen, weil dadurch das bisherige Finanzierungsprogramm in Frage gestellt würde.
Demzufolge beantragt der Ausschuß für ERP-Fragen,
der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag gemäß Drucksache Nr. 2285 für gegenstandslos zu erklären.
Der Ältestenrat schlägt dem Hause vor, auf eine Aussprache zu verzichten. — Das Haus ist einverstanden.
Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Ausschußantrages ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Einstimmige Annahme.
Ich rufe Punkt 9 der Tagesordnung auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Vorlage des Geschäftsberichts nebst Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung der Überleitungsstelle für das Branntweinmonopol für das Rumpfbetriebsjahr vom 1. April 1950 bis 30. September 1950
.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, für die Begründung 25 Minuten und für die Aussprache insgesamt 60 Minuten vorzusehen. — Das Haus ist einverstanden, kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich erteile das Wort zur Begründung des Antrags dem Herrn Abgeordneten Dr. Gülich.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der 159. Sitzung am 10. Juli vorigen Jahres nahm der Bundestag einstimmig eine Entschließung an — die von mir eingebracht und begründet worden war —, nach der die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein den längst fällig gewesenen Geschäftsbericht für das Rumpfbetriebsjahr vom 1. April bis zum 30. September 1950 vorzulegen hatte. Dieser Geschäftsbericht mit der dazugehörigen Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung ist eingereicht worden, leider aber ganz unvollständig. Nicht vorgelegt wurde die von mir am 10. Juli vorigen Jahres geforderte Eröffnungsbilanz, ohne die das Zahlenwerk unvollständig und unverständlich ist.
Wir erfahren aus dem Geschäftsbericht mancherlei Kleinigkeiten, erfahren aber nicht die wesentlichen Tatsachen, die wir wissen müssen. Wir erfahren beispielsweise nichts über die alten Monopolbestände, die 1945 da waren und die wohl als Sondervermögen hätten ausgewiesen werden müssen. Wir erfahren nicht, welchen Bestand von welchen Ländern in welchen Sorten und zu welchen Werten die Überleitungsstelle für das Branntweinmonopol am 1. April 1950 übernommen hat, und wir erfahren nicht, in welcher Form und zu welchem Preise die Bestände vom 1. April 1950 und die Erzeugung vom 1. April bis 30. September 1950 verwertet worden sind.
Die Monopolverwaltung ist nach § 9 des Branntweinmonopolgesetzes verpflichtet, ihre Geschäfte nach kaufmännischen Gesichtspunkten zu führen.
Da es sich um eine öffentliche Anstalt handelt, ist
sie zu um so größerer Sorgfalt verpflichtet. Der Bundestag hat nach Gesetz und Moral einen Anspruch darauf, in den Besitz vollständiger Unterlagen zu kommen. Wenn es im Geschäftsbericht möglich ist, einen Reingewinn für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 1950 anzugeben, muß es auch möglich sein, als Unterlage hierfür eine Gewinn- und Verlustrechnung für den gleichen Zeitraum vorzulegen. Das ist aber nicht geschehen.
Ich will die mir zur Verfügung stehende Redezeit nicht mit bilanzkritischen Einzelheiten ausfüllen. Ich möchte der Monopolverwaltung Gelegenheit geben, die vollständigen Berichte in einem ordnungsmäßigen Rechnungswerk vorzulegen. Das bisher Vorgelegte entspricht nicht dem Auftrag des Bundestags, und es widerspricht den Grundsätzen einer ordnungsmäßigen Rechnungslegung. Unser Anliegen ist um so dringlicher, als ja bis spätestens zum 31. März dieses Jahres der Geschäftsbericht, die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung für das Betriebsjahr vom 1. Oktober 1950 bis 30. September 1951 dem Bundestag vorgelegt werden müssen.
Ich habe im Sommer vorigen Jahres einige Anmerkungen zur Führung der Monopolverwaltung gemacht und darauf hingewiesen, daß dort noch immer nach dem Führerprinzip gearbeitet wird.
Noch gelten die Führererlasse vom 13. September 1934 und vom 7. Dezember 1944.
Die Mahnung, die ich damals hier vorgebracht habe, ist leider nicht beachtet worden. Ich muß deshalb heute etwas deutlicher werden:
Eine der interessantesten unter den aktuellen wirtschaftspolitischen Materien ist die Neuregelung der deutschen Branntweinwirtschaft und Branntweingesetzgebung. Die Dringlichkeit und die Bedeutung dieses Gegenstandes liegen nicht in den einem breiteren Publikum bekannten sensationellen Mißständen auf dem Gebiete der Branntweinwirtschaft, ... sondern in der unhaltbar gewordenen finanziellen und wirtschaftlichen Lage des Branntweinmonopols. Bei den bisher aufgedeckten Gesetzwidrigkeiten handelt es sich zwar um Summen, die in die Hunderttausende gehen und teilweise sogar eine Million überschritten haben. Diese Verluste erscheinen jedoch geringfügig gegenüber den Verlusten, die das Branntweinmonopol auf Grund seiner eigentümlichen gesetzgeberischen und wirtschaftlichen Konstruktion zwangsläufig alljährlich erleidet, ohne daß die breitere Öffentlichkeit etwas davon ahnt oder sich darüber aufzuregen Gelegenheit fände.
Das könnte heute gesagt sein; es ist aber die Einleitung zu einem Aufsatz über Branntweinpolitik, den Kollege Baade vor genau 26 Jahren geschrieben hat.
Ein Mensch sieht schon seit Jahren klar: Die Lage ist ganz unhaltbar.
Allein — am längsten, leider, hält
Das Unhaltbare auf der Welt.
Ich darf eine zweite Stimme zitieren. Der Reichsminister der Finanzen Erzberger sagte am 3. Dezember 1919 in der Nationalversammlung:
Beim Branntweinmonopol allerdings muß geprüft werden, ob nicht verschiedene Bestimmungen desselben den technischen Fortschritt hemmen. Meines Erachtens haben wir alle Veranlassung, die Herstellung von Spiritus nach neuen Gewinnungsmethoden so sehr als möglich zu fördern. Das aber ist bei der gegenwärtigen Gestaltung des Monopolgesetzes erschwert. Wird das Branntweinmonopol nach dieser Richtung hin geändert, so wird weit mehr daraus zu gewinnen sein als in seiner heutigen Gestalt. Vor allem kann dann das Monopol auch wirkliche Erträge bringen. Was nützt die ganze Monopolgesetzgebung, wenn infolge der Knappheit an Kartoffeln usw. kein Spiritus hergestellt werden kann? Dann kommt eben aus diesen Steuern nichts heraus. Die Kartoffeln werden aber auf Jahre hinaus in viel höherem Grade als früher für die menschliche Ernährung notwendig sein. Darum müssen wir danach streben, die Produktion von synthetischem Spiritus möglichst zu fördern.
Meine Damen und Herren, in bezug auf die Branntweingesetzgebung dreht sich die Diskussion
seit über 50 Jahren im Kreise. Es werden immer dieselben Argumente vorgetragen; aber noch heute haben wir ein Branntweinmonopolgesetz von 1922, das in Wirklichkeit das Gesetz von 1918 ist und ganz auf die Bedürfnisse der ostdeutschen Landwirtschaft abgestellt war.
Wie ist nun die Situation heute? Im Betriebsjahr 1950/51 sind 50 000 t aus dem Ausland eingeführtes Milokorn zu 175 000 hl Branntwein verarbeitet worden, von Pakistan-Weizen, von Datteln und anderen eingeführten Stoffen ganz zu schweigen. 25 000 hl Branntwein sind aus importiertem Kartoffelwalzmehl hergestellt worden. Milokorn kostet 340 DM die Tonne und wird außerdem mit 10 DM pro Tonne subventioniert; der Bund bezahlt. Infolge der Ausweitung unseres Zuckerrübenanbaus ist nun der Melasseanfall in Deutschland sehr hoch, so daß wir im gleichen Zeitraum einen Melasseüberhang von 80 000 t
hatten. Davon sind 60 000 t zu einem niedrigen Preis ausgeführt worden, wobei der Herr Bundesminister der Finanzen noch auf den Ausfuhrzoll von 4 DM pro 100 kg, aus welchen Erwägungen immer, Verzicht geleistet hat.
Das ist allein ein Zollverlust von 2,4 Millionen DM. Die Monopolverwaltung zahlte im vorigen Jahr für Milokorn-Sprit 170 DM pro Hektoliter, während der Melassespritpreis 99 DM pro Hektoliter betrug.
Nun wird dieses eingeführte Milokorn beispielsweise von Hamburg nach Bayern verfrachtet und der Alkohol wieder von Bayern nach Hamburg und Schleswig-Holstein, weil Hamburg und Schleswig-Holstein Alkoholzuschußgebiete sind. Es ist deshalb nicht verständlich, warum das Bundesfinanzministerium dem Lande Schleswig-Holstein solche Schwierigkeiten in der Ausweitung seiner Brennereiwirtschaft gemacht hat, während es auf der anderen Seite — ich sage mit allem Bedacht: — unter Ermessensmißbrauch — nach Art. 177 des Branntweinmonopolgesetzes große Brennereien errichtet bzw. erweitert hat und nur — wiederum unter Anwendung des Art. 177 — solche Brennereien am Leben erhalten kann.
Noch ein Wort mehr zur Melasse. Ich sagte, wir haben einen Melasseüberhang von 80 000 t. Die Hefelüftungsbrennereien stellen nach der Spritbilanz der Bundesmonopolverwaltung, also einer amtlichen Unterlage, und nach den Erklärungen des Herrn Präsidenten der Bundesmonopolverwaltung in der Sitzung des Gewerbeausschusses vom 12. Dezember vorigen Jahres 100 U00 hl Branntwein her, der aber nur beschränkt einsetzbar ist, d. h. für technische und für Treibstoffzwecke. Weil wir nun viel Melasse haben, dürfen die Hefelüftungsbrenner in diesem Jahre 133 1/3 % ihres Brennrechtes verarbeiten. Das gibt 240 000 hl Hefelüftungssprit, der im Schnitt für 120 DM pro Hektoliter von der Bundesmonopolverwaltung übernommen und der für technische Zwecke für 95 DM und für Treibstoffzwecke für 65 DM pro Hektoliter wieder verkauft wird. Ein glattes Verlustgeschäft! Und dennoch eine Erhöhung auf 133 1/3 % des normalen Jahresbrennrechts, während die reinen Melassebrenner sogar 300 % des normalen Jahresbrennrechts abbrennen dürfen.
Hierzu möchte ich auf ein Kuriosum hinweisen. In Schleswig-Holstein hatte die Tornescher Hefe-
GmbH. sich im vorigen Jahr erboten — sie hatte schon 1750 t Melasse tür 250 000 DM in ihren Tanks liegen, bekam aber nicht die Erlaubnis zur Verarbeitung —, Melassesprit herzustellen und nach den USA auszuführen, entsprechende Vorverträge abgeschlossen und sich bereit erklärt, pro Hektoliter 5 DM als Sonderabgabe an die Monopolverwaltung abzuführen. Sie bekam diese Genehmigung nicht, sondern wir führen den wertvollen Rohstoff Melasse weiterhin aus.
Das sind Dinge, die nicht erträglich sind. Auch ein anderer Antrag dieser Firma ist nicht genehmigt worden, so daß sie Ende dieses Monats vor umfangreichen Arbeiterentlassungen steht.
Und das alles nur deshalb, weil die Monopolverwaltung für Branntwein behauptet, an das Gesetz gebunden zu sein!
Noch ein Wort zu den Obstbrennern. Kein Wort gegen die Obstbrenner! Die Mengen, die sie herstellen, sind nicht so gewaltig, als daß das sehr ins Gewicht fiele. Außerdem stellen sie ja in den Bergen des Schwarzwaldes einen Stoff her, der sich allgemeiner Beliebtheit erfreut, und sie werden, wie auch das Monopol oder die Branntweinwirtschaft gestaltet sein mag, ebensogut zurechtkommen wie die Whiskybrenner in England oder in Schottland. Aber sie steilen auch einen Sprit her, der nach der Spritbilanz nur beschränkt einsatzfähig ist, nämlich Sprit aus Kernobst, für den die Monopolverwaltung — das ist allerdings der krasseste Fall — 350 DM pro Hektoliter bezahlt; dazu kommen 15 DM für Reinigungskosten, macht 365 DM. Aber verkauft wird dieser Sprit an die Treibstoffwirtschaft für genau 65 DM!
Und das Interessante dabei ist, daß alle diese Dinge ohne Genehmigung und ohne Kontrolle des Parlaments vorgenommen werden. E i n Mann, der Präsident der Bundesmonopolverwaltung, bestimmt die Preise. Der Beirat, der wichtige Funktionen hatte, ist durch Führererlaß vom 13. September 1934 abgeschafft. Ich bin der Meinung — und wir alle sollten der Meinung sein —, allmählich sollte es unmöglich sein, daß e i n Beamter allein über solche Summen verfügt .
Um Ihnen einen kleinen Einblick zu geben, darf ich auf Seite 17 des Protokolls der Gewerbeausschußsitzung vom 12. Dezember 1951 verweisen. Der Spritpreis sollte um 75 Pf. pro Liter erhöht werden. Es wurden für medizinisch-pharmazeutische Zwecke Einwendungen gemacht. Präsident Krümmel erklärte darauf, er wolle sich den dargelegten Argumenten nicht verschließen und werde von einer Erhöhung des Preises für Branntwein für medizinisch-pharmazeutische Zwecke absehen. Er! Also alles ohne Mitwirkung des Parlaments! In dem Beirat, der früher existiert hat, war die Legislative durch fünf Reichstagsabgeordnete und der Reichsrat ebenfalls durch fünf Vertreter an allen wichtigen Entscheidungen beteiligt. Nach Fortfall dieses Beirates kann nun die Monopolverwaltung tun, was sie will. Und sie tut, was sie will!
Das wirkt sich einesteils ganz interessant aus. Wenn man z. B. nach den Geschäftsgewinnen fragt, sieht man, daß vom Jahre 1924 ab der Reingewinn der Monopolverwaltung sich zwischen 0,7 und einmal 6,4 Millionen RM bewegt hat. Sofort nach dem Wegfall des Beirates, der Mitwirkung des Parlaments, das ja ohnehin ausgeschaltet war, gingen die Reingewinne auf 16, 26, 20, 47, 42, 60, 95 und 154 Millionen RM hinauf!
Nun noch eine interessante Tatsache aus der Gegenwart. In den Bundeshaushaltsplan 1950 ist ein Sollbetrag von 15 Millionen DM Geschäftsgewinn aus dem Monopol eingesetzt. Ich will jetzt nicht über die Problematik dieses Geschäftsgewinns und nicht darüber diskutieren, ob es zu den Aufgaben des Monopols gehört, außer der Hektoliter-Einnahme, der Alkoholsteuer von 1000 DM pro Hektoliter Weingeist noch zusätzlich Gewinne zu erzielen. Aber im Bundeshaushalt 1950 stehen 15 Millionen DM; im Bundeshaushalt 1951 sind 25 Millionen DM eingesetzt worden. Ich habe die Protokolle des Haushaltsausschusses nachgesehen; natürlich sind diese Dinge dort gar nicht diskutiert worden. Denn der Haushaltsausschuß freut sich ja, wenn auf der Einnahmeseite etwas steht. Der Haushaltsausschuß hat diese Einnahmen natürlich
ohne irgendwelche Diskussion zur Kenntnis genommen. Nun stehen im ersten Nachtrag weitere 5 Millionen DM, so daß in diesem Jahre mit einem Geschäftsgewinn von 30 Millionen DM gerechnet wird.
Interessant dabei ist, daß der Vertreter des Herrn Bundesfinanzministers im Gewerbeausschuß, Herr Ministerialrat Dr. Walter, in diesem Ausschuß erklärt hat, die Monopolverwaltung habe den Preiserhöhungen gar nicht zugestimmt, sondern durch Beschluß des Parlaments seien ihr Auflagen gemacht worden, die Verwaltung sei lediglich Exekutive. Dort wird also gesagt: Wir sind ja gar nicht so, wir wollten j a gar nicht, aber das Parlament hat diesen Geschäftsgewinn von 25 Millionen festgelegt! Bei der Erhöhung um weitere 5 Millionen DM steht in dem ersten Nachtragshaushalt die lakonische Fußnote: „Das Mehraufkommen an Zöllen und Verbrauchsteuern beruht auf der konjunkturellen Entwicklung der Wirtschaft." Während also in Wirklichkeit die Preise erhöht worden sind, um einen höheren Geschäftsgewinn der Monopolverwaltung zu erzielen — die lagernden Bestände hatten j a sofort einen Mehrwert von etwa 25 bis 26 Millionen DM —, sagt man den Vertretern des Gewerbes: Wir wollen ja gar nicht, aber das Parlament will! In diesem Falle ist auf einmal das Parlament so böse.
Noch ein Wort zur der Gestaltung der Preise. Nach § 65 des Branntweinmonopolgesetzes richtet sich der Herstellungspreis für Kartoffelsprit nach einer gutgeleiteten mittleren landwirtschaftlichen Brennerei, wobei eine Jahreserzeugung von 500 hl zugrunde gelegt ist. Nach § 72 des Gesetzes dürfen für anderen als aus Kartoffeln hergestellten Sprit Zuschläge oder Abschläge gemacht werden, für Kartoffelsprit also nicht. Der Grundpreis für Kartoffelbranntwein beträgt seit 1934 48 Mark. Dazu kamen im vorigen Jahre ungesetzlich 104 DM Aufschlag nach § 72. Ungesetzlich ist in diesem Jahr ein Aufschlag von 132 DM hinzugekommen, so daß ein Preis von 180 DM pro Hektoliter Kartoffelsprit erzielt wird. Die Monopolverwaltung verfährt hier ungesetzlich. Die Frage ist aber, ob sie wesentlich anders verfahren kann. Aus wirtschaftlichen Gründen kann sie natürlich den alten Preis nicht beibehalten. Ich bin jetzt wegen der Kürze der Zeit nicht in der Lage, die Problematik der Angelegenheit auseinanderzusetzen. Aus den von mir dargestellten Dingen geht jedoch ganz klar hervor, daß mit dem Branntweinmonopolgesetz heute ein solcher Mißbrauch getrieben wird, daß die Wirtschaft und die Steuerzahler darunter erheblich leiden. Das ist es, was uns hier im Parlament interessieren muß.
Das Bundesfinanzministerium und die Bundesmonopolverwaltung bemühen sich, indem sie zulassen, daß hier wirklich nach reiner Willkür gearbeitet wird, ein seit Jahrzehnten unmöglich gewordenes Gesetz mit Gewalt zu erhalten. Ich bedaure außerordentlich, darauf hinweisen zu müssen, daß die Monopolverwaltung diktatorisch arbeitet unter der Aufsicht eines Ministeriums, das Herrn Bundesfinanzminister Schäffer untersteht; denn Herr Minister Schäffer ist bestimmt ein Demokrat, der die von mir geschilderten Zustände an sich nicht möchte. Aber ich darf nochmals an ihn die freundliche Bitte richten, sich doch sowohl mit seinem Branntweinsteuerreferat wie auch mit der Bundesmonopolverwaltung etwas genauer und eindringlicher zu beschäftigen. Wenn wir diese Dinge — ich hoffe: bald — im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen bearbeiten, werden Sie alle sehen, meine Damen und Herren, daß es sich hier um keine parteipolitische Angelegenheit handelt, sondern um volkswirtschaftliche Fragen, die unter allen Umständen vom Parlament untersucht und vom Parlament einer Lösung zugeführt werden müssen.
— Einen Satz noch, Herr Präsident! — Ich habe bereits am 10. Oktober vorigen Jahres darauf hingewiesen, daß der Herr Bundesfinanzminister uns am 5. Juli vorigen Jahres im Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zugesagt hatte, er wolle alsbald nach den Parlamentsferien einen Gesetzentwurf zur Änderung des Branntweinmonopolgesetzes vorlegen Er ist bis heute nicht vorgelegt worden, und wie ich neulich im Finanzministerium erfuhr, sind die Vorarbeiten für dieses Gesetz noch nicht soweit gediehen, daß mit der Vorlage bald gerechnet werden kann. Ich sage Ihnen aber: Die Zustände in der Branntweinwirtschaft, von denen ich ja nur sehr wenig habe beleuchten können, bedürfen dringend einer baldigen gesetzlichen Regelung. Dabei braucht niemand zu Schaden zu kommen, wenn wir darangehen, ein unmöglich gewordenes Gesetz den wirtschaftlichen Gegebenheiten unserer Gegenwart anzupassen.
Wir erwarten also, Herr Bundesfinanzminister, die Vorlage dieses Gesetzes. Sie bringen mich sonst in die Lage, einen Initiativgesetzentwurf zur Änderung des Branntweinmonopolgesetzes einbringen zu müssen, woran sich, wie ich vermute, ein großer Teil des Hauses gern beteiligen wird.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst mit wenigen Sätzen auf das eigentliche Thema des Antrags zu sprechen kommen, das sich nur auf die Frage der Vorlage der Geschäftsberichte des Branntweinmonopols erstreckt.
Ich darf dazu feststellen: der vorläufige Geschäftsbericht liegt Ihnen ja in Drucksache Nr. 2682 seit September vergangenen Jahres vor. Der Geschäftsbericht für das laufende Jahr 1951 wird Ihnen fristgerecht — die Frist ist der 31. März 1952 — vorgelegt werden. Es ist aber ganz unmöglich, dem Verlangen zu entsprechen, das als Beanstandung dieser Berichte ausgesprochen worden ist: sie aufzubauen auf einer Eröffnungsbilanz.
Eine Eröffnungsbilanz könnte ja nur erstellt werden, wenn die Bilanzen der Vorgänger — und bis zum 1. April 1950 waren die Länder die Vorgänger der jetzigen Verwaltung, sei es, daß man sie als Treuhänder oder sonstwie betrachtet —, wenn die Bilanzen und die Rechnungsabschlüsse der Vorgänger vorlägen.
Nach dem Gesetz ist es aber so, daß alle Bilanzen gleichzeitig dem Bundestag und dem Bundesrechnungshof zugehen. Diese vorläufigen Berichte sind in derselben Stunde dem Bundesrechnungshof zugegangen, und auch der Bericht für das Jahr 1951 muß gleichzeitig dem Bundesrechnungshof zugehen. Das hat den Sinn, das Parlament in die Lage zu versetzen, auf Grund der Berichte des Bundesrechnungshofes, die ja auch dem Parlament dann zugehen, sich ein abschließendes Urteil über die Geschäftsberichte der Branntweinmonopolverwaltung zu bilden.
Bis zum Jahre 1950 haben nun die Länder die Branntweinmonopolverwaltung oder praktisch elf Branntweinmonopolverwaltungen in der Hand gehabt. Die Abschlüsse der Länder gehen dem Bundesrechnungshof zu. Der Bundesrechnungshof muß diese Abschlüsse erst prüfen. Diese Prüfung ist um so notwendiger, als man nicht ohne weiteres annehmen kann, daß sich die Rechnungsabschlüsse der Länder jeder Beanstandung entziehen würden.
Es ist infolgedessen notwendig, diese Prüfung der Rechnungsabschlüsse der Länder für die Vorjahre abzuwarten, um daraufhin eine Eröffnungsbilanz aufzubauen, die nicht etwa durch die Übernahme von Zahlen und Angaben so gedeutet werden könnte, als ob sie eine Billigung des Verfahrens der Vorgänger sei und als ob damit ein gewisses Präjudiz geschaffen worden sei. Also, kurz gefaßt: die vorläufigen Geschäftsberichte werden fristgerecht vorgelegt, werden entsprechend dem Gesetz gleichzeitig dem Bundesrechnungshof vorgelegt, und der Bundestag ist dann in der Lage, auch dazu Stellung zu nehmen. Eine Eröffnungsbilanz kann erst aufgestellt werden, wenn der Bundesrechnungshof die elf Jahresabschlüsse der elf Länder geprüft hat. Das ist bisher bei zehn geschehen, und der elfte, der des Landes Hessen, befindet sich zur Zeit beim Bundesrechnungshof in der Prüfung. Das ist der Tatbestand.
Nun hat dieser Antrag hier Anlaß gegeben, eine Frage grundsätzlich aufzuwerfen und zu debattieren, die, wie ja der Redner selbst bemerkt hat, schon im Jahre 1926, also etwas vor unserer Amtszeit,
die Gemüter beschäftigt und erregt hat. Das ist die alte Frage — reden wir doch einmal ganz offen und ehrlich —: auf der einen Seite Monopol des Staates in einer gewissen Absicht staatspolitischer Lenkung, Leitung und Betreuung und auf der andern Seite der Wunsch des synthetischen Alkohols, sprich Chemie,
an Stelle des Branntweinmonopols vielleicht eine andere Einrichtung, unter Umständen eines gewissen privatmonopolistischen Charakters, zu setzen. Über diese Frage kann man reden; über diese Frage soll man wegen ihrer ernsten volkswirtschaftlichen, sozialpolitischen und agrarpolitischen Bedeutung dann sprechen, wenn die Stunde dazu gekommen ist.
Ich bin gefragt worden, was es denn mit den neuen Gesetzen über das Branntweinmonopol sei. Meine Damen und Herren, im Finanzministerium sind diese Gesetzentwürfe im letzten Kalenderjahr fix und fertiggestellt worden. Aber Sie wissen ja, wie es in der Demokratie ist. Man muß nicht nur die anderen Ressorts, sondern auch Verbände verständigen, und verständigt man sie nicht, wird man in der Demokratie auch wieder angegriffen,
man nehme zu wenig Rücksicht auf die Öffentlichkeit, auf die Wirtschaftsverbände etc. Das verlangt Zeit. Aber die Gesetzentwürfe sind fertig, und Sie können versichert sein, daß sie Ihnen demnächst zugehen werden. Ich hoffe, daß wir dann eine grundsätzliche und vorbereitete Aussprache über
die Frage Staatsmonopol oder nicht Staatsmonopol, über die Frage synthetischer Alkohol, Naturalkohol, über die Frage landwirtschaftliche Brennereien oder chemisch-industrielle Herstellung und dergleichen haben können.
Nun, der Herr Vorredner und Begründer des Antrags war so liebenswürdig, mir einige freundliche Worte zu widmen und zu sagen, er hoffe, daß bei dem doch demokratischen Bundesfinanzminister sich nicht eine der Volksgesundheit und Volkswirtschaft dräuende Diktatur in der Form der Branntweinmonopolverwaltung errichte. Ich bin für das mir geschenkte Vertrauen sehr dankbar. Ich möchte aber auch um die Freundlichkeit bitten, sich, wenn man sieht, daß eine solche Diktatur errichtet wird, an den Mann, den man als demokratisch gesinnt betrachtet, rechtzeitig in aller Offenheit, Freundschaft und Freundlichkeit zu wenden. Mir war es bisher unbekannt und ist bis zur Stunde noch unbekannt, daß dem deutschen Volke eine solche Diktatur dräut. Es ist mir bekannt, daß die Branntweinmonopolverwaltung eine Einrichtung ist, die zum Bundesfinanzministerium — um einen groben Vergleich zu gebrauchen — ungefähr in der Rolle steht wie der Vorstand einer Gesellschaft zum Aufsichtsrat dieser Gesellschaft. Ich übernehme gern im Namen des Volksganzen die Pflichten des Aufsichtsrats, und ich dränge darauf, mit der Übernahme dieser Pflicht als Sachwalter des Volksganzen jede dräuende Diktatur zu bekämpfen. Ich bitte also, auf diese Gefahren nur rechtzeitig hinzuweisen.
Das Wort hat der Abgeordnete Morgenthaler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abgeordnete Gülich hat hier einen Antrag gestellt, den man — formal betrachtet — ohne weiteres annehmen kann. Auch meine Freunde sind der Auffassung, daß die zuständigen Stellen des Bundesfinanzministeriums die Aufgabe haben, soweit dies möglich ist, Geschäftsbericht, Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung für die gegebenen Zeiträume so, wie es das Monopolgesetz verlangt, vorzulegen. Ich habe aber ausdrücklich darauf hingewiesen: soweit das möglich ist. Der Herr Bundesfinanzminister hat eben schon dargelegt, daß es, soweit es sich um die Eröffnungsbilanz handelt, gar nicht der Fall sein kann. Ich glaube, mit dieser Feststellung müssen wir uns zufriedengeben, wenigstens so lange, bis die Möglichkeiten geschaffen sind, diese Eröffnungsbilanz auf Grund der Unterlagen auch wirklich ausfertigen zu können.
Der geschätzte Herr Kollege Gülich hat aber die Einbringung dieses Antrags zu einem Generalangriff auf das Branntweinmonopol als solches benutzt.
Wir wissen, daß der Herr Abgeordnete Gülich sich gerade im vergangenen Jahr droben in Schleswig-Holstein bemüht hat, die Brennrechte in einer Art und Weise auszuweiten, die uns alle miteinander mit ernster Sorge erfüllt hat. Er hat nun vorhin darauf hingewiesen, daß die zuständigen Stellen ihm eigentlich nicht so entgegengekommen seien, wie er das hoffen zu dürfen geglaubt habe. Das
verstehe ich nicht ganz. Er hat von der Brennerei Tornesch gesprochen. Das ist eine ausgesprochene Monopolbrennerei, also eine Brennerei, die an und für sich andere als chemische Stoffe, in diesem Falle Holzzucker, überhaupt nicht verarbeiten darf, ohne daß eine Ausnahmegenehmigung erteilt ist. Er hat aber nun tatsächlich die Ausnahmegenehmigung für Tornesch bekommen, 24 000 hl Melassesprit herzustellen, während das gesamte Kontingent für unsere Melassebrenner nur 30 000 hl beträgt. Man sieht also an dieser Tatsache, daß die Branntweinmonopolverwaltung bzw. die zuständige Stelle des Bundesfinanzministeriums ihm weitestgehend entgegengekommen ist. Bei uns im Süden war man erschreckt darüber, daß man hier im Norden versucht, das Monopol innerlich auszuhöhlen, denn jede Erweiterung der Brennrechte geht ja letzten Endes auf Kosten all derer, die an diesem Monopol interessiert sind.
Wenn ich nun speziell auf unsere süddeutschen Belange eingehe, so muß ich zunächst darauf hinweisen, daß die Übernahmepreise für Obstschnaps tatsächlich höher sind als die Verkaufspreise der Monopolverwaltung. Darin hat Kollege Gülich recht. Aber all diese Dinge sind ja im Laufe der Jahre erprobt worden; letztlich dienten sie dazu, eine Bereinigung des Marktes herbeizuführen. Man hat es auch einmal umgekehrt probiert, hat aber festgestellt, daß dies sowohl für die Kleinbrenner als auch für die Monopolverwaltung selber von Nachteil ist. Deswegen müssen diese Bestimmungen, die im Branntweinmonopolgesetz getroffen sind und mit denen wir uns durchaus einverstanden erklären, einmal im Beisein der Sachverständigen und unter Würdigung der Sachlage geprüft werden. Jedenfalls werden unsere Kleinbrenner im Süden derartige Verhandlungen mit großer Aufmerksamkeit beobachten müssen, denn der Kampf, den die Kleinbrenner im Süden führen und den auch unsere Kartoffelbrenner und unsere gewerblichen Brenner im Bundesgebiet zu führen haben, ist ein alter Kampf. Es ist ein Kampf, der sich mehr und mehr gegen die Ansprüche der Chemie verdichtet. Aber ich muß Sie darauf hinweisen, daß diese Kleinbrenner, diese Abfindungsbrenner, diese Kartoffel- und Melassebrenner, diese gewerblichen Brenner ein Faktor im Leben unserer Volkswirtschaft sind, der einfach nicht wegzudenken ist.
Wenn Sie diese Brennereien kaputt machen, dann zerstören Sie etwas Naturgegebenes und Naturgewachsenes.
Deswegen wollen wir uns ganz gern mit Ihnen und mit den zuständigen Stellen des Bundesmonopolamts an einen Tisch setzen und einmal versuchen, ob wir einen Weg finden, der gemeinsam gangbar ist. Wir werden aber wohl nicht dazu kommen, den großen Ansprüchen, die die Chemie an die Bundesmonopolverwaltung stellt. entsprechen zu können. Wir sind dafür, den Kleinen, die um ihre Existenz ringen und bei denen die Brennereien wirklich ein Bestandteil ihrer Existenz sind, diese Brennereien zu erhalten, und erwarten, daß auch der Gesetzgeber im Bundesmonopolgesetz unter allen Umständen darauf Rücksicht nimmt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Baade.
Meine Damen und Herren! Als Sie auf der heutigen Tagesordnung unseren Antrag lasen, hatten Sie sicher überwiegend den Eindruck, daß es sich um eine entsetzlich trockene Materie handle.
— Sie haben Recht, Herr Kollege, es ist wirklich paradox, von Trockenheit bei einer Materie zu reden, die mit Trockenheit so wenig zu tun hat wie der Branntwein. Aber die schwache Besetzung des Hauses scheint mir doch dafür zu sprechen, daß der überwiegende Teil unserer Kollegen eine sehr trockene Debatte erwartet hat und deshalb die weniger trockenen Räume dieses Hauses während dieser Debatte vorgezogen hat.
Ich will mich bemühen, Ihnen in den zwölf Minuten Redezeit über diese Materie einiges so wenig trocken wie nur irgend möglich vorzutragen. Lassen Sie mich mit einem persönlichen Erlebnis beginnen. Es ist ja zunächst schon ein angenehmes persönliches Erlebnis, ein Buch, das man vor 26 Jahren geschrieben hat, wie dieses Buch „Neugestaltung der deutschen Branntweinwirtschaft", nach 26 Jahren zitiert zu hören und dabei feststellen zu können, daß fast jedes Wort heute noch gilt. Aber ich habe mit diesem Buch ein viel angenehmeres Erlebnis gehabt. Als ich dieses Buch gerade geschrieben hatte, bin ich mit einer jungen Dame zum Tanzen ausgegangen.
— Vor 25 Jahren; also das ist verziehen!
Sie erzählte mir, sie hätte dieses Buch von mir gelesen. Sie hätte am Abend damit angefangen und hätte dann das Buch mit ins Bett genommen und die ganze Nacht daran gelesen, weil es sich gelesen habe wie ein Kriminalroman.
Ich muß Ihnen gestehen, daß ich heute wieder einmal in dieses Buch hineingesehen habe. Es liest sich immer noch wie ein Kriminalroman; und die Kapitel, die neu zu diesem Buch geschrieben werden müßten und über die mein Kollege Gülich ja einiges gesagt hat, würden sich wieder so spannend lesen. Dabei versteht natürlich der Herr Finanzminister vollkommen, daß ich mit dem Wort „Kriminalroman" nicht ausdrücken will, daß die Dinge, die in der deutschen Branntweinwirtschaft vor sich gehen, kriminell sind. Immerhin. es ist schon eine ungewöhnlich spannende Geschichte, wie sich hier buchstäblich durch Jahrzehnte hindurch „Gesetz und Rechte wie eine ewige Krankheit fortgeerbt" haben.
Daß der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums die Geschichte der deutschen Branntweinwirtschaft grundsätzlich nicht anders beurteilt als jene junge Dame, von der ich Ihnen erzählt habe, dafür bürgt Ihnen der erste Passus des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats, den ich Ihnen hier mit Erlaubnis des Präsidenten verlesen darf. Er besagt:
Die Geschichte der deutschen Branntweinbesteuerung ist weitgehend die Geschichte der mit ihr verbundenen und aus ihr finanzierten Subventionen. Ziel der Neugestaltung muß es sein, die Branntweinwirtschaft aus einer Quelle der Liebesgaben zu einer Quelle der Staatseinnahmen zu machen.
Dieses Urteil wäre schon vor 25 Jahren zutreffend gewesen, und es gilt heute noch in demselben Umfang.
Ein ganz kurzer Überblick über die Geschichte. Vor 65 Jahren fing die Liebesgabenpolitik an, und zwar mit dem Branntweinsteuergesetz von 1887, in dem die Liebesgabe geschaffen wurde. Diese Liebesgabe war eine bevorzugte Behandlung der nicht leistungsfähigen Betriebe in der deutschen Branntweinwirtschaft, die damals unter Bismarck sogar in die Form einer direkten geldlichen Rückvergütung gekleidet wurde. Den landwirtschaftlichen Brennereien, vor allem den landwirtschaftlichen Kartoffelbrennern, flossen in jedem Jahr der Liebesgabenpolitik 40 Millionen alte gute Goldmark an Subventionen zu. Da diese Politik insgesamt 15 Jahre — bis zur Novelle von 1902 — betrieben worden ist, sind in diesen 15 Jahren insgesamt 600 Millionen Goldmark an Liebesgaben gezahlt worden. Dies geschah im Dienste einer Politik, die darauf hinauslief, erstens systematisch die Verwendung teurer Rohstoffe zu begünstigen, und zwar von Rohstoffen, die wir, wie Getreide und Kartoffeln, für die menschliche und tierische Ernährung nutzen können, zweitens die Verwendung billiger Rohstoffe zu unterdrücken, drittens systematisch unwirtschaftlich arbeitende kleinere Betriebsgrößen zu erhalten und viertens systematisch den Prozeß zu unterbinden, der in der ganzen übrigen Wirtschaft vor sich geht und der dadurch gekennzeichnet ist, daß immer größere und immer leistungsfähigere Betriebsgrößen geschaffen werden.
Hier, verehrter Herr Minister, muß ich doch gleich eins anmerken: die Gegenüberstellung Chemie — Natur zieht in diesem Fall nicht. In den gleichen 65 Jahren, in denen wir in Deutschland diese verkehrte Branntweinwirtschaft betrieben haben, ist in anderen Ländern eine entgegengesetzte Branntweinwirtschaft betrieben worden. Ich erwähne nur England. Von diesen 65 Jahren spielte die Chemie in der englischen Branntweinwirtschaft mindestens 60 Jahre lang gar keine Rolle. Während dieser Zeit hat sich in der englischen Branntweinwirtschaft nur die Vernunft durchgesetzt. Der weltwirtschaftlich billigste Rohstoff, die Melasse, wurde in England der wichtigste Rohstoff. Man hielt nicht kleine und verwaltungsmäßig teuer zu kontrollierende Betriebe künstlich am Leben, sondern verfolgte in der Branntweinwirtschaft einen gesunden Konzentrationsprozeß — nicht von Staats wegen, sondern im Wege einer sich frei entfaltenden Konkurrenz.
Als Ergebnis sehen wir folgendes. In Deutschland hatten wir — als das gesamte deutsche Gebiet noch beisammen war — 50 000 Brennereien, während in England die Zahl der Brennereien um die Jahrhundertwende schon auf 200 herabgesunken war; diese Zahl ist inzwischen nochmals auf die Hälfte zurückgegangen. Das ist eine Entwicklung, die mit der Chemie gar nichts zu tun hat, sondern einfach mit der wirtschaftlichen Vernunft in dem Sinne, wie sie eigentlich gerade von der rechten Seite des Hauses vertreten wird.
Ich kann Ihnen hier in der kurzen Zeit nicht die ganze Geschichte der Branntweinwirtschaft vortragen, sondern nur im Eilzugtempo einige Tatsachen anführen. Nach der Periode der Liebesgabenpolitik kam die Periode des Privatmonopols auf Grund der Branntweinsteuernovelle vom Jahre 1902 und der vorangegangenen Gründung des Spirituskartells. Das war eine Periode, die der Finanzwissenschaftler Lotz dahin gekennzeichnet hat, daß hier privatwirtschaftlich orientierte Planwirtschaft zur Herstellung eines Privatmonopols betrieben wurde.
Dieses Privatmonopol funktionierte nicht. Infolgedessen wurde es 1918 durch ein Staatsmonopol ersetzt, ein Staatsmonopol. das uns Sozialdemokraten in unserem Herzen nicht teuer ist, weil es nichts anderes als eine neue Form der Fortsetzung der Liebesgabenpolitik darstellte. Als ich im Jahre 1925 diesen „Kriminalroman" schrieb, war die Situation so, daß sich die Geschäfte der Monopolverwaltung in zwei Gruppen teilen ließen, in Verlustgeschäfte und Gewinngeschäfte. Aus den Gewinngeschäften — d. h. in der Hauptsache beim Absatz von Trinkbranntwein — wurden etwa 165 Millionen Mark Einnahmen erzielt. Bei den Verlustgeschäften wurden 83 Millionen Mark zugesetzt. Diese 83 Millionen Mark wurden bezahlt aus der Ausnutzung eines Staatsmonopols, das eigentlich verpflichtet gewesen wäre, dem Staat diese Einnahmen abzuliefern, das aber statt dessen 83 Millionen Mark jährlich ausgab, um verlustbringende Absatzzweige aufrechtzuerhalten. Das habe ich damals angeprangert und gleichzeitig als erster festgestellt, daß der ganze Wert dieser Brennrechte, den die Besitzer selber ihnen zumessen, nur in der Größenordnung eines Kapitalwerts von 100 Millionen Mark lag. Der Reichsfinanzminister hätte also ein glänzendes Geschäft gemacht, wenn er diesen ganzen Mißbrauch rein privatwirtschaftlich abgelöst hätte und die Brennrechte, die für die Versorgung des Trinkbranntweinverbrauchs nicht mehr benötigt wurden, abgelöst hätte. Er hätte dabei das hineingesteckte Geld zu 80 % verzinst.
Nach dieser Periode kam eine noch viel unglücklichere Periode, die der Herr Kollege Gülich schon erwähnt hat, nämlich der Übergang eines Staatsmonopols, das wenigstens ein demokratisch kontrolliertes Monopol war, in ein totalitäres Monopol. Dieses Monopol haben wir heute noch immer in Deutschland. Während der ganzen Zeit von 65 Jahren ist mit Mitteln einer sinnlosen Zwangswirtschaft versucht worden, gegen einen Tatbestand anzukämpfen, den wir in Deutschland eigentlich nur begrüßen können, nämlich gegen die Tatsache, daß das deutsche Volk weniger Schnaps als früher trinkt. Am Beginn dieser Entwicklung, im Jahre 1880, war der Branntweinkonsum in Deutschland pro Kopf der Bevölkerung 7 1/2 Liter reinen Alkohols. In Schlesien betrug er sogar 13 l reinen Alkohol. Um die Jahrhundertwende ging er auf 4 1/2 l reinen Alkohol zurück. Damit war ein erheblicher Teil der Branntweinkapazität für die Deckung des Trinkbranntweinbedarfs überflüssig geworden. Als ich mein Buch schrieb, war der Trinkbranntweinkonsum in Deutschland auf 1,3 1 zurückgegangen, d. h. auf den zehnten Teil dessen, was um das Jahr 1880 in Schlesien Betrunken worden war. Heute beträgt der Trinkbranntweinkonsum in der Bundesrepublik nur noch 0.7 l reinen Alkohol. Es sieht mir nicht so aus, als ob er in erheblichem Maße wieder steigen würde. Jugendbewegung. Sport, Obstkonsum und auch der Wein- und Bierkonsum tun das ihre, um den Branntweinkonsum nicht über die heutige Höhe hinaus ansteigen zu lassen.
Hier ergibt sich für den Finanzminister und für uns die große Aufgabe, aus diesem schmalen Sektor unseres Verbrauchs, aus einem Produkt, das zwar nicht lebensnotwendig, aber sehr angenehm zu trinken ist — ich bekenne mich selber als einer, der das zuweilen tut —, aus diesem Konsum herauszuholen, was der Branntwein fiskalisch aufbringen muß, damit unsere Staatsfinanzen in Ordnung sind.
Das ist eine Summe ungefähr in der Größenordnung von einer halben Milliarde DM. Es ist eine erschreckende Tatsache, daß meiner Schätzung nach auch heute noch neben den etwa 450 Millionen DM, die die Branntweinbelastung dem Staat einbringt, etwa 150 Millionen DM sich auf den krausen Umwegen dieser seit Jahrzehnten künstlich und immer künstlicher gestalteten Branntweinwirtschaft verlieren. Ich glaube, es kann unter uns überhaupt gar keinen Zweifel geben, daß damit endlich einmal Schluß sein muß. Es kann keinen Zweifel daran geben, daß wir an eine besonnene und behutsame Reform der deutschen Branntweinwirtschaft herangehen müssen und daß eine Sache nicht allein deshalb heute als lebensfähig betrachtet werden muß, weil sie über 50 Jahre lang künstlich am Leben erhalten worden ist.
Ich möchte mich vollkommen dem anschließen, was mein Freund Gülich gesagt hat. Die Obstbrenner werden dabei nicht umgebracht werden. Wer selber in seinem Leben manchen Kirsch und Steinhager und Weinbrand durch seine Kehle hat rinnen lassen, dem müßte ja die Kehle verdorren, wenn er diese Produktion zum Erliegen bringen wollte. Davon kann gar keine Rede sein. Mit diesem Argument sollte man von vornherein nicht arbeiten. Wir müssen uns kritisch die Branntweinwirtschaft ansehen, wir müssen prüfen, was in ihr nun wirklich vollkommen überlebt ist und wo dem technischen und industriellen Fortschritt der Weg freigemacht werden muß.
Unser Antrag, meine Damen und Herren, präjudiziert in keiner Weise diese Entscheidung. Unser Antrag verlangt nur das Selbstverständlichste, was ein Parlament verlangen muß, nämlich die reichhaltigste Dokumentation, die wir nur irgend bekommen können. Ich habe mit Interesse vernommen, was der Herr Finanzminister sagte, daß wir die vollständigen Geschäftsberichte bekommen werden, sobald das Ergebnis der Rechnungsprüfung vorliegt. Ich bitte Sie, zuzustimmen, daß unser Antrag dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen wird, damit wir dann dort darangehen können, diese Frage mit all derjenigen Sorgfalt und. gestatten Sie mir zum Schluß noch das Wort, mit der Nüchternheit zu prüfen, die bei einer so alkoholischen Materie irgend angebracht ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich auf sehr wenige Worte beschränken. Der Bundesfinanzminister hat bereits angekündigt, daß er bereit ist. den Anträgen, oder wollen wir lieber sagen: dem Wortlaut der Anträge zu entsprechen. Ich würde es, ebenfalls für meine Freunde, begrüßen, wenn die schon für eine frühere Zeit angekündigte Vorlage des Gesetzes über das Branntweinmonopol nun erfolgen würde.
Im übrigen muß ich für meine Freunde zum Ausdruck bringen, daß es wohl nicht sehr gut war, daß die Antragsteller die Worte benützt haben, um die Gedanken zu verbergen,
denn der stärkste Mann konnte aus dem Wortlaut des Antrags .nicht erkennen, daß wir eine grundsätzliche Rede über das Branntweinmonopol, noch viel weniger, daß wir die Fortsetzung eines Kriminalromans hier hören würden.
Ich würde also glauben, wir sollten die sachliche Beratung, auf die dieses Haus nicht vorbereitet sein konnte, Herr Gülich, sei es im Finanzausschuß schon führen, wenn wir die Berichte haben, lieber aber dann, wenn der Gesetzesvorschlag der Regierung, der nun wirklich, ich wiederhole es, nicht mehr auf sich warten lassen sollte, vorliegt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich erteile dem Abgeordneten Gülich das Schlußwort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst liegt Ihnen der Umdruck Nr. 440 vor, nach dem in Ziffer 3 das Wort „Vorläufigen" gestrichen werden muß. In dem ursprünglich eingereichten Antrag steht das Wort „Vorläufigen" nicht, sondern ich habe mich überzeugt, daß ein Beamter des Bundestags aus ihm selbst unerklärlichen Gründen eigenmächtig, ohne die Antragsteller zu verständigen, das Wort „Vorläufigen" hineingesetzt hat.
Der Herr Bundesfinanzminister hat dieses Wort nun aufgegriffen und auch seinerseits von einem vorläufigen Bericht gesprochen, dem der endgültige folgen werde. Das ist nicht richtig. sondern der Geschäftsbericht, der vorgelegt worden ist, heißt: „Geschäftsbericht für die Zeit ..." und ist nichts Vorläufiges. Das mußte hier gesagt werden.
Ich darf dem Herrn Minister nun noch sagen, daß das uns vorgelegte Rechnungswerk besser hätte vorgelegt werden können. Ich bitte diejenigen unter Ihnen. die Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen zu lesen verstehen, sich dieses Rechnungswerk einmal anzusehen. Sie werden mir zugeben, auch wenn Sie von Branntwein dabei gar nichts Besonderes verstehen, daß die vorgelegte Bilanz, der Geschäftsbericht, die Gewinn- und Verlustrechnung nicht den Grundsätzen einer kaufmännischen Berichterstattung entsprechen.
Ein Wort zu Herrn Kollegen Morgenthaler. Ich sagte sehr ausdrücklich, daß wir den Obstbrennern nichts tun wollen. Ich hoffe, Sie halten Ihre freundliche Einladung aufrecht, mit Ihnen einmal gemeinsam die Dinge an Ort und Stelle anzusehen. Ich muß Sie jetzt nur in einem Punkte berichtigen: Wenn Sie sagten, die Melassebrenner hätten nur 30 000 Hektoliter, so ist dazu zu sagen, daß das Brennrecht zwar 31 500 Hektoliter beträgt, daß aber für dieses Jahr die Brennerlaubnis 300 % des Brennrechts beträgt, daß Sie also die Zahl von 24 000 Hektolitern, die Sie bei Tornesch gebrauchten, nicht zu 30 000, sondern zu 94 500 Hektolitern in Beziehung setzen müssen. Dann wird die Sache richtig. Aber ich hatte ja kein Wort von dem Anliegen Tornesch gesagt. Ich habe hier nur gesagt, daß die Fabrik im vorigen Jahre den im Inland reichlich vorhandenen Rohstoff Melasse zu Exportzwecken verarbeiten und dafür der Bundesmonopolverwaltung eine zusätzliche Gewinnabgabe von 5 DM pro Hektoliter geben wollte.
Herr Kollege Wellhausen sagte, man wäre auf eine solche Diskussion nicht vorbereitet gewesen. Was ich haben wollte, ist das vollständige Rechnungswerk, damit wir die Branntweinmonopolverwaltung genauer prüfen können. Um die Dringlichkeit dieses Anliegens zu unterstreichen, machte ich einige Bemerkungen über die gegenwärtige Lage des Branntweinmonopols und der Branntweinwirtschaft, um den Kollegen im Hause zu
zeigen, daß es sich hier um ein Gebiet handelt, welches dringlich bearbeitet werden muß.
Ich freue mich, daß ich durch meine Ausführungen die öffentliche Diskussion über eine Neuordnung der deutschen Branntweinwirtschaft eingeleitet und angeregt habe.
Die Beratung ist geschlossen.
Es ist der Antrag gestellt, den Antrag auf Drucksache Nr. 3025 an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmige Annahme.
Ich rufe auf Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Abgeordneten Cramer, Onnen, Schmücker, Walter, von Thadden und Genossen betreffend Bereinigung der Eigentumsverhältnisse an den bundeseigenen Verkehrsunternehmen in Wilhelmshaven und Regelung des Personenverkehrs zwischen diesen Unternehmen .
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Cramer. — Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Begründung 10 Minuten und für die Aussprache 60 Minuten vor.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Drucksache Nr. 3034, der von Abgeordneten der verschiedensten Fraktionen dieses Hauses unterschrieben worden ist, wünscht in seinem ersten Teil unter a, daß der Herr Bundesminister der Finanzen ersucht
B) wird, die Regelung der Eigentumsverhältnisse an der Wilhelmshavener Verkehrsgesellschaft mbH. Wilhelmshaven unverzüglich zum Abschluß zu bringen.
Meine Damen und Herren! Wir haben in Wilhelmshaven das in der westdeutschen Bundesrepublik wahrscheinlich einzigartige Kuriosum, daß eine Stadt von über 100 000 Einwohnern gar keine eigenen Versorgungseinrichtungen hat. Das ist nicht darauf zurückzuführen, daß sich die Stadt Wilhelmshaven in früheren Jahren nicht um solche Verkehrseinrichtungen bemüht hat. sondern es ist darauf zurückzuführen, daß die Kriegsmarine, die in Wilhelmshaven beheimatet war, Wert darauf legte, alle diese Versorgungseinrichtungen selbst zu besitzen und zu kontrollieren. Das bezog sich sowohl auf die Gas- und Wasserwerke und die Elektrizitätswerke als auch auf die Krankenhäuser und auch auf den Verkehrsbetrieb.
Der Verkehrsbetrieb in Wilhelmshaven lag bis zum Jahre 1939 in den Händen einer Gesellschaft, an der eine Frankfurter Kleinbahn-Aktiengesellschaft und die Stadt Wilhelmshaven beteiligt waren. Im Jahre 1939 wollte dann die Stadt Wilhelmshaven diesen Betrieb selbst übernehmen, käuflich erwerben. Da mischte sich die Kriegsmarine ein und bot den doppelten Preis von dem, den die Stadt Wilhelmshaven anlegen wollte, und erwarb natürlich die Gesellschaft für ihre Zwecke. Sie stellte bald fest: Es war mit diesem Betrieb kein Geschäft zu machen. Deshalb erklärte sie im Jahre 1942 gegenüber der Stadt. sie sei bereit, nach Ablauf von drei Jahren nach Kriegsende, spätestens aber am 1. April 1946, ihren Anteil am Gesellschaftskapital an die Stadt zu verkaufen. Das ist natürlich nicht geschehen, weil es 1946 keine
Kriegsmarine mehr gab. Es sollte aber zu einer Vereinbarung zwischen dem Verwaltungsamt für Reichs- und Staatsvermögen und der Stadt Wilhelmshaven kommen. Auch dazu ist es nicht gekommen, weil die Militärregierung dagegen Einspruch erhob. Die Militärregierung wollte nicht, daß an diesem ehemaligen Reichsvermögen irgendwelche Veränderungen vorgenommen wurden. Man kam dann zu einer Notlösung, zu einem Pachtvertrag. Die Stadt bildete eine Abteilung, den Verkehrsbetrieb, und pachtete nun von der Verkehrsgesellschaft, die zu 97,5 % im Besitz des Bundes und zu 2 1/2 % im Besitz der Stadt ist, das gesamte Inventar und die Einrichtung des Verkehrsbetriebes.
Dieser Pachtvertrag ist nun am 1. April 1952 abgelaufen. Es kommt uns darauf an, daß bis zu diesem Zeitpunkt endgültige Verhältnisse und eine endgültige Regelung Platz greifen. Ich glaube, es kann nicht die Rede davon sein, daß der Bund ein Interesse daran hat, diese Gesellschaft weiterhin unter seiner Kontrolle zu behalten oder gar in Wilhelmshaven einen Verkehrsbetrieb durchzuführen. Dieser Verkehrsbetrieb, der ja nun heute, bis zum 1. April 1952, auf Rechnung und Gefahr der Stadt betrieben wird, erforderte im vergangenen Jahr einen Zuschuß von 500 000 DM. Es kann, glaube ich, nur im Interesse des Bundes liegen, schnell zu handeln, zu einer Regelung und Übereinkunft mit der Stadtverwaltung zu kommen, damit beide Teile wissen, wie sie dran sind.
Die Stadtverwaltung selbst wünscht die Übergabe des Gesellschafterkapitals kostenlos, also ohne Vergütung ihrerseits. Sie glaubt, diese Forderung stellen zu können, weil sie seit dem Tage der Währungsreform mehr als eine Million aufgewendet hat, um das Inventar gebrauchsfähig zu halten, auch Neuerwerbungen durchzuführen usw. Aber über diesen Punkt kann ja die Bundesfinanzverwaltung mit der Stadtverwaltung verhandeln. Wir wünschen ja unter Buchstabe a unseres Antrags nur, daß diese Verhandlungen unverzüglich zum Abschluß gebracht werden.
Zu b ist folgendes kurz zu sagen. Neben diesem Verkehrsbetrieb, der also auf der Straße mit Omnibussen betrieben wird, gibt es noch die Vorortbahn in Wilhelmshaven, auch eine Einrichtung der Kriegsmarine, die heute aber für zivile Zwecke verwendet wird, um den Personenverkehr von den nördlichen Vororten nach der Stadt durchzuführen. Es bestehen also zwei Verkehrsbetriebe innerhalb der Stadt nebeneinander, die beide mehr oder weniger im Besitz des Bundes sind, die beide defizitär sind, weil sie sich gegenseitig Konkurrenz machen. Da hat die Stadtverwaltung den Vorschlag gemacht, und zwar im vergangenen Jahre schon — oder es liegt noch weiter zurück —, einen dieser beiden Betriebe eingehen zu lassen, und zwar den Personenverkehr auf der Vorortbahn. Im vergangenen Jahre hat die Stadtverwaltung einen Betrag von 500 000 DM als Darlehen bekommen, das zur Erhöhung des Gesellschafterkapitals der Verkehrsgesellschaft verwendet worden und also dem Bunde verblieben ist. Sie wünscht, daß nun in diesem Sinne weiter verfahren wird, damit die Frage der Überführung des Personenverkehrs von der Vorortbahn auf den Verkehrsbetrieb, nämlich auf die Omnibusse, endlich durchgeführt wird. Ich will hier keine Summen nennen, die da in Frage
kommen können, damit wir uns und auch die Stadtverwaltung nicht festzulegen brauchen. Die Summen sind zwischen den Verwaltungen ausgehandelt worden. Wir wünschen also nur, daß die Regierung nun die geeigneten Maßnahmen trifft, um auch diese Sache zu einem baldmöglichen Abschluß zu bringen.
Da ich nun einmal bei der Vorortbahn bin, möchte ich im Anschluß an diesen Antrag noch eine Angelegenheit vorbringen, die gerade in diesen Tagen zu einer Beunruhigung des Personals der Vorortbahn geführt hat. Es schweben im Augenblick mal wieder Verhandlungen mit der VTG; das ist eine Gesellschaft, die auch Kesselwagen verwaltet. Die Vorortbahn besitzt aus Zeiten der Kriegsmarine noch 2000 Kesselwagen. Diese Wagen werden vermietet und bringen, soviel ich weiß, jährlich einen Mietertrag von 2,4 Millionen. Die VTG wünscht nun diese Kesselwagen zu mieten und bietet dafür einen jährlichen Pachtzins von 1,2 Million. Es handelt sich hier nach der Schätzung von Sachverständigen um ein Objekt von 28 Millionen DM. Der angebotene Pachtzins von 1,2 Million entspricht also keinesfalls dem Wert des Unternehmens. Außerdem besteht die Gefahr, daß bei Übergabe der Kesselwagen an die neue Gesellschaft die Arbeitsplätze, die heute zur Pflege der Kesselwagen in Wilhelmshaven vorhanden sind, verschwinden. Zwar sind in dem Vertrag Sicherungen vorgesehen; aber diese reichen nach unserer Auffassung nicht Aus die Arbeitsplätze für die mit der Reinigung
und Instandhaltung der Kesselwagen beschäftigten Arbeiter sicherzustellen. Wir möchten, daß die Regierung bei den Verhandlungen mit der Gesellschaft außerordentlich vorsichtig zu Werke geht, damit hier Bundeseigentum nicht etwa verschleudert wird.
Herr Staatssekretär Hartmann hat neulich einmal aus Anlaß der Debatte um die Howaldtwerft gesagt, daß kein Verkauf von Bundeseigentum ohne Zustimmung des Parlaments stattfinden werde. Hier handelt es sich nach dem Wortlaut des Vertrags um einen getarnten Kaufvertrag, weil der Mietzins zum Teil auf den Kaufpreis angerechnet wird. Darin liegt eine gewisse Gefahr, daß nämlich nach Ablauf von 6 bis 7 Jahren der gesamte Kesseiwagenbestand von der Vorortbahngesellschaft auf die neue Gesellschaft, die VTG, übergeht. Hier haben wir also ein doppeltes Interesse: einmal die Arbeitsplätze für die Wilhelmshavener Arbeiter zu erhalten, und zum andern das Interesse, daß nicht auf dem Wege eines getarnten Pachtvertrags ein Kaufakt vorgenommen wird.
Nun zum Antrag selbst! Da wir in diesem Antrag die Regierung keineswegs festlegen oder ihr irgendwelche Richtlinien mit auf den Weg geben, möchte ich darum bitten, diesen Antrag nicht erst einem Ausschuß zu überweisen, sondern gleich über ihn abzustimmen.
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich in der Beantwortung verhältnismäßig kurz fassen, da ich von dem Tatbestand ausgehen kann, den Ihnen Herr Abgeordneter Cramer hier dargelegt hat und in dem ich völlig mit ihm übereinstimme.
Was den ersten Punkt des Antrags betrifft, so hat im Jahre 1951 eine Reihe von Verhandlungen über die Regelung der Verkehrs- und Eigentumsverhältnisse der Verkehrsgesellschaft m. b. H. stattgefunden, die dadurch eine gewisse Verzögerung erfahren haben, daß nach der Verordnung zur Durchführung des § 6 des sogenannten Vorschaltgesetzes — des Gesetzes zur vorläufigen Regelung der Rechtsverhältnisse des Reichsvermögens und der preußischen Beteiligungen — die Verwaltung der Verkehrsgesellschaft dem Land Niedersachsen übertragen worden ist. Die letzte mündliche Besprechung in Wilhelmshaven hat am 14. November 1951 stattgefunden. Das Land Niedersachsen war daran beteiligt, und es wurde dort zunächst unverbindlich in Aussicht gestellt, daß die Geschäftsanteile des früheren Reiches an der Verkehrsgesellschaft auf die Stadt Wilhelmshaven unentgeltlich übertragen werden sollten. Diese Entschließung beruhte auf der Erkenntnis, daß eine gedeihliche und rationelle Gestaltung des innerstädtischen Verkehrs auf die Dauer nur auf diesem Wege einer unentgeltlichen Übertragung zu erreichen sein wird. Der anwesende Vertreter des niedersächsischen Ministers der Finanzen hat damals zugesagt, die Dinge bald auf den Weg zu bringen. Wir haben mit Schreiben vom 29. November 1951 den Herrn niedersächsischen Minister der Finanzen entsprechend gebeten. Da wir bis jetzt noch nichts weiter gehört haben und der Pachtvertrag am 31. März 1952 endet, haben wir den Herrn niedersächsischen Minister der Finanzen am 23. Januar mit Fernschreiben an eine baldige Erledigung der Angelegenheit erinnert. Wir haben nochmals die Zustimmungsbereitschaft des Bundes zur unentgeltlichen Übertragung in Aussicht gestellt. Ich darf das hier unterstreichen; ich muß aber betonen, daß der Übertragungsakt selbst nur von dem Herrn niedersächsischen Minister der Finanzen vorgenommen werden kann. Wir hoffen also, daß er seine Zustimmung recht bald gibt. Von seiten des Bundes besteht kein Hindernis, die in Aussicht gestellte unentgeltliche Übertragung vorzunehmen.
Zweitens die Vororthahn Wilhelmshaven. Ich will hier auch nicht auf die Geschichte der Dinge eingehen, sondern nur sagen, daß wir auch hier bereit sind, nach Kräften zu helfen. Der Herr Antragsteller hat schon erwähnt, daß im Rechnungsjahre 190 aus Bundesmitteln bereits ein Betrag von 500 000 DM zur Verfügung gestellt worden ist, und — ich darf das hier betonen — seine bestimmungsmäßige Verwendung ist nachgewiesen worden. Die Stadt Wilhelmshaven hat dann im November 1951 einen weiteren Antrag auf ein Darlehen gestellt und begründet, und den Vertretern der Stadt ist damals ein weiteres Darlehen aus Bundesmitteln in Aussicht gestellt worden. Auch ich will mich im Moment auf die Höhe dieses Darlehens nicht festlegen; das ist aber in den Einzelheiten besprochen worden. Im Augenblick schweben nur noch darüber Verhandlungen, ob dies Darlehen in voller Höhe oder wenigstens teilweise aus Mitteln des Herrn Bundesministers für Arbeit oder aus sonstigen Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt werden kann. Ich hoffe aber, daß diese Besprechungen bald abgeschlossen sind. An unserm Entschluß, auch hier durch ein nochmaliges Darlehen zu helfen, ändert das jedoch nichts.
Der dritte Punkt. den der Herr Antragsteller berührt hat, ist die Frage der Kesselwagen. Ich bin darauf nicht vorbereitet, daß dieser Punkt hier ausdrücklich zur Sprache kommen würde. Ich kann also nur aus meiner allgemeinen Kenntnis der
Dinge hier erwähnen, daß die Verhandlungen im Gange sind und daß dabei auf die berechtigten Interessen von Wilhelmshaven absolut Rücksicht genommen werden wird. Insbesondere ist vorgesehen, daß die Reparatur der Kesselwagen im Werk in Wilhelmshaven vor sich gehen wird, so daß keinerlei Sorge zu bestehen braucht, daß irgendeine Arbeitslosigkeit eintritt. Im übrigen ist der vorgesehene Erwerber dieser Wagen ebenfalls eine Bundesgesellschaft. Ein Verkauf von Bundeseigentum an Private kommt also hier gar nicht in Frage. Ich darf noch bemerken, daß Vertreter der Stadt Wilhelmshaven laufend an den Verhandlungen beteiligt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! Ich darf im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir dem vom Kollegen Cramer begründeten Antrag unsere Zustimmung geben, da er, wie aus den schon gegebenen Darlegungen ohne weiteres hervorgeht, den Interessen der Stadt Wilhelmshaven und der dortigen Bevölkerung entspricht.
Gestatten Sie auch mir, einige Bemerkungen zu der dritten Frage zu machen, die zwar nicht unmittelbar in dem Antrag enthalten ist, die hier aber behandelt worden ist. Es ist sicher so — das geht aus Schreiben des Betriebsrats der Vorortbahn Wilhelmshaven mit aller Eindeutigkeit hervor —, daß bei der dortigen Arbeiterschaft große Besorgnis über die Regelung besteht, die seitens des Finanzministeriums betreffend die 2000 Kesselwagen vorgesehen ist. Nachdem der Vertreter des Finanzministeriums hier soeben erklärt hat, daß diese 2000 Kesselwagen nicht aus Bundeseigentum in Privathand überführt werden, will ich heute davon Abstand nehmen, des näheren auf diese Frage einzugehen. Aber das ist immerhin noch nachzuprüfen, weil seitens des Betriebsrats sehr starke Bedenken bestehen und der Betriebsrat der Vorortbahn Wilhelmshaven sich mit einem Schreiben an die einzelnen Fraktionen dagegen wendet, daß ein neuer Pachtvertrag abgeschlossen wird. In diesem Schreiben wird auch von einer beabsichtigten Reprivatisierung gesprochen. Ich nehme also nicht ohne weiteres schon alles als hundertprozentig hin, wie das hier von Herrn Hartmann gesagt worden ist, sondern ich denke, man sollte die Situation in Wilhelmshaven nochmals ernsthaft überprüfen und dann auf die Sache zurückkommen, falls die Dinge anders stehen, als es heute hier zum Ausdruck gekommen ist. Ich bin selbst ein wenig skeptisch, nachdem wir bei der Behandlung der Frage der Reprivatisierung der Howaldtswerke hier auch keine gute Antwort von dem Vertreter des Finanzministeriums, Herrn Hartmann, bekommen haben. Er hat damals die Sache so hingestellt: Das ist noch gar nicht in einer konkreten Form vorliegend usw., und wenn das einmal kommt, wird das Parlament befragt werden. Aber wenn man die Presseäußerungen darauf sieht, weiß man, daß die Dinge viel realer sind und daß in der Frage der Howaldtswerke bereits so gut wie nichts mehr zu ändern ist. Das heißt, daß man dem Parlament seitens des Finanzministers mit einer Vorlage kommt und auf Grund der Koalitionsmehrheit dann einen Beschluß faßt, der dem Willen des Finanzministeriums und insbesondere dem Willen privater Profitmacher entspricht. Sich dagegen zu schützen, ist Aufgabe der Abgeordneten des Bundestages. Wir werden auf die Frage der Vorortbahn Wilhelmshaven betreffend Verkauf der 2000 Waggons noch einmal zurückkommen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ein Überweisungsantrag ist nicht gestellt.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag Drucksache Nr. 3034 zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmige Annahme.
Wir kommen zu Punkt 11 der Tagesordnung: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betreffend Vorlage eines Jugendspargesetzes .
Dazu sind vorgesehen 10 Minuten für die Begründung, 60 Minuten für die Beratung. Ich nehme
die Zustimmung des Hauses dazu an.
Wer begründet? Das Wort hat der Abgeordnete Winkelheide.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Antrag der CDU/CSU-Fraktion soll die Linie fortsetzen, die wir hier im Bundestag mit dem Wohnungsbau-Prämiengesetz beschritten haben. Dieser Antrag soll gewissermaßen eine Ergänzung darstellen, weil das vorliegende Wohnungsbau-Prämiengesetz sich speziell nur auf die Wohnungen bezieht und unsere junge Generation darüber hinaus noch einige andere Bedürfnisse hat.
Unsere Jugend ist durch den letzten Krieg hart mitgenommen worden, und die Parole in der jungen Generation „Leb heute in den Tag hinein!" wirkt sehr verheerend. Die Hoffnungslosigkeit ist manchmal außerordentlich groß.
Viele junge Menschen haben einen sehr schauerlichen Anfang mitzumachen, wenn sie eine neue Familie gründen wollen. Ich glaube, wir sind verpflichtet, hier allgemein zu helfen. Solche junge Familien bilden meistens einen neuen Ansatzherd sozialer Krisen. So schwer es ist: wir müssen einen altbewährten soliden Grundsatz wieder in unsern junge Generation hineintragen: einfach und sparsam leben.
Der eigene Sparwille muß wieder in der Jugend geweckt werden. Dafür muß der Jugend der Lohn der Gemeinschaft zuteil werden. Ich glaube, dieses Anliegen hat eine innere Berechtigung.
Es wird ein weiter Weg sein, dieses Ziel zu erreichen, da dem Gedanken des Sparens viele Vorurteile entgegenstehen. Einige halten diesen Gedanken sogar für eine Art Utopie. Dennoch, die Vorurteile müssen überwunden werden. Es gibt auch heute noch in der jungen Generation Beispiele dafür. Am letzten Sonntag ist mir ein junger Mensch begegnet, der mit seiner Braut zusammen 10 000 Mark seit 1948 gespart hatte.
— Ich kann Ihnen den Mann sogar nennen!
— Es gibt auch eine andere Jugend, die nicht nur marschiert, sondern die spart und aufbaut!
Der Parole „Lebe in den Tag hinein!" müssen wir eine andere zündende Parole entgegensetzen: „Jugend spart für Heim und Herd!"
Daneben müssen wir den Aufbau einer Existenz und die Berufsausbildung auch noch berücksichtigen.
Unser Antrag hat diesen Gedanken ganz kurz umschrieben. In der technischen Gestaltung ist volle freie Hand gelassen; wie die Ansparzeiten, die Prämienhöhen liegen, das muß abgestimmt werden.
Aber einen Gedanken möchte ich zum Ausdruck bringen: an der Prämie darf es nicht scheitern!
Erwägenswert wäre, wenn man dieses Jugendspargesetz als festen Bestandteil in den Bundesjugendplan übernehmen würde.
Alles, was heute durch den Bundesjugendplan geschieht und geschaffen worden ist, ist gut und muß erhalten bleiben und können wir nicht entbehren.
Vor und über jeder Organisation steht aber die Familie und muß die Familie stehen, weil sie einen Ordnungsfaktor in sich darstellt. Wenn wir die Gründung der jungen Familie durch die Hereinnahme des Belohnungssparens in den Bundesjugendplan erleichtern, dann glaube ich, daß dafür auch die Mittel im Rahmen des Möglichen bereitgestellt werden können.
Da die Familie eine tragende Säule der Gesellschaft ist, müssen wir versuchen, auch von hier aus versuchen, in unsere junge Generation die zündende Parole hineinzutragen: ,,Jugend spart für Heim und Herd!"
In jedem Jahre werden im Bundesgebiet 500 000 Ehen geschlossen. Viele werden wieder vorzeitig aufgelöst, werden geschieden, weil sie in soziale Krisen hineinkommen. Wenn wir hier nur irgendwie einen kleinen Prozentsatz, sagen wir mal: 500/o, erfassen könnten, so wäre das eine sehr gute Kapitalbildung, und wir könnten manches damit zur sozialen Fundierung unserer Familien erreichen. Je früher dieser Sparprozeß in unserer jungen Generation wieder beginnt, desto früher vollzieht sich meines Erachtens der Entproletarisierungsprozeß.
Ich darf das Hohe Haus im Namen meiner
Freunde bitten, diesem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie sich doch die Methoden der heute herrschenden Kreise mit den Methoden Hitlers decken, wenn es um die Geldbeschaffung geht!
Hieß es doch damals „Eisernes Sparen", „Volkswagensparen", — zum Schaden von Hunderttausenden kleiner Menschen! Aber ich bin davon überzeugt: wenn sie damals auch noch dem Rattenfängergesang gefolgt sind, heute weiß unser Volk, wofür Geld beschafft werden soll! Ich bin überzeugt, daß unsere Jugend auf diesen neuen Dreh des „Jugendsparens" nicht mehr hereinfällt. Die Jugend begreift nur zu gut, daß sie sparen soll, damit die hier herrschenden Kreise ihren neuen Krieg vorbereiten und finanzieren können.
Und darauf fällt die Jugend bestimmt nicht mehr herein.
Aber man muß doch auch einmal ein Wort von der Möglichkeit der Jugend, zu sparen, sagen.
Am vergangenen Sonntag hat in Dortmund der Reichsbund der Kriegsbeschädigten eine Protestkundgebung gegen die Pläne der Bundesregierung auf Abbau der Renten durchgeführt. Dort hat eine Hinterbliebene gesprochen. Sie hat gesprochen von der Not der Kinder der Kriegerwitwen, der Not der Kriegerwaisen. Sie hat einen charakteristischen Satz gesprochen, als sie sagte: Unsere schulentlassenen Kinderehen, die müssen heute schon bemüht sein, als Ersatz für den Vater, für den Ernährer der Familie, einzuspringen, den uns der Krieg genommen hat. — Und da stellen Sie sich hier hin und wagen zu sagen, daß ja — —
— Nein, sie liegen in Massengräbern, in den Massengräbern, zu denen Sie neue schaffen wollen,
Herr Mende,
Sie Jugendverführer!
Wie sieht es denn mit dem Einkommen der Jugend aus? Diese Hinterbliebene hat gesagt, daß für die Jugend der Kriegsgefallenen keine Lehrstellen zu bekommen sind in diesem wunderbaren sozialen Staat, — „so sozial wie irgend möglich"!
So liegen die Dinge!
Betrachten Sie doch einmal die Lage der Jugend, die anfängt, ins Erwerbsleben einzutreten! Machen Sie doch einmal klar, wie ein Jugendlicher sparen soll, der in der Lehre steht und außer seinem Kostgeld überhaupt keine Entschädigung bekommt! Wie sieht es denn bei der arbeitslosen Jugend aus? 13 Wochen Alu niedrigster Satz und dann heraus aus der Fürsorge; und dann beginnt der Leidensweg der deutschen Jugend, wie er hier im Westen üblich ist! Oder wie sieht es bei den Landarbeiterjugendlöhnen aus? 15 bis 20 Pfennig pro Stunde bei unbegrenzter Arbeitszeit! Und da wagen Sie sich hier hinzustellen und zu erzählen, dieser Ihr Plan solle der Jugend helfen, eine Familie zu gründen. er solle dem Aufbau der Ehe dienen? Was Sie wollen, das werden wir der Jugend klarmachen, und die Jugend wird uns begreifen. Was Sie mit diesem neuen Dreh wollen, ist nichts anderes, als das Geld zu beschaffen für Ihre Aufrüstung, für die Schwerindustrie,
für die Industrie, die durch Ihren dreckigen geplanten Krieg Geld verdienen soll!
Das Wort hat der Abgeordnete Birkelbach.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Antrag und auch die Begründung, die hier gegeben wurde, begnügen sich damit, die Forderung nach einem Jugendspargesetz zu erheben. Es ergibt sich nicht sehr viel aus dem, was wir bisher gehört oder gelesen haben, woraus sich schließen ließe, in welche Richtung die Gedanken wirklich gehen.
Es ist ein lobenswertes Beginnen, den Sparwillen, und zwar nicht nur bei der Jugend, zu fördern. Wir glauben, daß es auch durchaus vertretbar ist, für besondere Zwecke entsprechende Prämien zu gewähren. Nicht zuletzt deswegen haben wir ja auf das Prämiengesetz für den Wohnungsbau hingearbeitet. Wir glauben aber, wenn man diese Maßnahmen in Betracht zieht, muß man auch beachten, in welchem Verhältnis eventuell öffentliche Mittel aufzuwenden sein werden. Ich glaube, daß gerade bei einem solchen Vorhaben, wenn ein wirkliches Ergebnis herauskommen soll, so etwas wie eine Kalkulation aufgemacht werden muß. Wir möchten gern wissen, inwieweit die Mittel, die hier in Aussicht genommen werden und von denen wir ja noch nicht wissen, wie sie aufgebracht werden sollen bzw. in welcher Weise sie dann zur Verfügung stehen, mit dem vergleichbar sind, was die Bundesregierung bisher für andere jugendfördernde Zwecke bereitgestellt hat. Wir glauben, daß wir dort in keinem Fall irgendwelche Beschränkungen in Kauf nehmen können.
Ich möchte dabei eines sagen. Wenn man der Jugend jetzt ein Spargesetz beschert, so muß man sich doch Gedanken darüber . gemacht haben, in welchem Ausmaß die Jugend überhaupt zum Sparen in der Lage ist. Man muß einmal daran denken, daß die erwerbstätigen Jugendlichen in der Steuerklasse I außerordentlich stark herangezogen werden. Wenn nun ein Prämiensparen hinzukommen soll, könnte man doch zu dem Schluß kommen, daß hier an Millionen, j a an Dutzende von Millionen gedacht ist. Ist eine derartige Auswirkung beabsichtigt? Dann müßte man bedenken, daß es auf anderen Gebieten soziale Aufgaben gibt, die auf einer ganz anderen Stufenleiter von Bedeutung sind als derjenigen, die hier angedeutet worden ist.
Wir wissen, daß die Jugendlichen, die heute aus ihrem kärglichen Verdienst zum Teil zum Lebensunterhalt ihrer Eltern und Geschwister beitragen müssen, großen Wert darauf legen, zur Anschaffung von Kleidung und manchmal auch für ihre Berufsausbildung etwas zu tun, so daß es ihnen recht schwer fällt, irgendwelche Beträge zu erübrigen. Wir wissen gerade aus der Arbeit in den .Jugendorganisationen, wie schwer es ist, einen kleinen Betrag zusammenzubringen — es geschieht pfennigweise, groschenweise —, um eine Ferienfahrt im Sommer zu finanzieren. Dabei glauben wir, daß die Jugend zumindest darauf ein Recht hat.
Wir dürfen hier auch durchaus nicht verschweigen, daß es Hunderttausende von Jugendlichen gibt, die überhaupt keinen Verdienst haben, die keine Lehrstelle haben. Wir müssen daher die öffentlichen Mittel in erster Linie dazu verwenden, diesen Menschen eine Hoffnung zu geben, daß sie ihren Weg ins Leben überhaupt finden.
Wenn Sie nun daran denken, etwas Besonderes zu tun, darf ich fragen, meine Damen und Herren, warum es bisher nicht möglich gewesen ist, eine Regelung zu treffen, daß die Lehrlinge für den Fall ihres Ausscheidens nach Beendigung der Lehrzeit, während deren sie ja noch nicht arbeitslosenversicherungspflichtig geworden sind, Arbeitslosenunterstützung bekommen. Wie kommt es, daß man über diese Dinge so rasch hinweggeht und glaubt, mit diesem Antrag nun einen besonderen Wurf zu machen?
Es kommt noch eine andere Überlegung hinzu. Bei der Auseinandersetzung über die Frage des Kündigungsschutzes ist gerade von Ihrer Seite Wert darauf gelegt worden, die Altersgrenze ziemlich hoch anzusetzen.
Wir sind nicht damit einverstanden, daß man mit den Interessen der Jugend in dieser Weise umgeht. Man meint anscheinend, man könne gewisse Rückschlüsse daraus ziehen, daß man da und dort Jugendliche in den Straßen erblickt, die sich alles oder viel leisten können. Man glaubt, man müsse hier so etwas tun wie die Kaufkraft umlenken, man müsse die Jugendlichen dazu anhalten, wirklich vernünftig zu werden. Ich bin der Auffassung, daß dieser Appell, der unter einer Parole erfolgt, den Jugendlichen noch nicht viel gibt. Man muß sich darum bemühen, auch die sozialen Gesichtspunkte zu beachten. Ich möchte fragen: Wie wollen Sie in einem derartigen Prämiengesetz die Sparleistung eines Lehrlings, der in der Woche mühsam eine Mark zurücklegt, gegenüber dem bewerten, daß der Sohn gutsituierter Eltern 20 oder 25 Mark zur Sparkasse tragen kann? Dann soll dieser nachher noch eine besondere Prämie bekommen? Wollen Sie diese sozialen Gesichtspunkte irgendwie beachten? Wie sieht es damit aus?
Die Frage der Altersgrenze und ebenso die Frage der Familiengründung stehen damit im Zusammenhang. Die Sache ist sehr problematisch. Man muß die Dinge sehr genau untersuchen. Es darf nicht dazu kommen, daß die Hingabe von Beträgen, die vielleicht sowieso zur Sparkasse wanderten und die zum Teil doch aus den Taschen der Eltern stammen, nun auf dem Umweg über das Jugendsparen noch öffentliche Ausgaben verursacht. Alle diese Gesichtspunkte müssen berücksichtigt werden.
Wir sind durchaus bereit, über den Grundgedanken zu diskutieren, möchten aber von Ihnen etwas mehr darüber wissen, wie Sie sich das Gesetz gedacht haben; denn davon wird die Jugendnot noch nicht beseitigt, daß man im Bundestag ab und zu von der Jugend spricht.
Ich bin der Auffassung, daß auch die Sparmotive recht uneinheitlich sind und daß auch die Preisentwicklung eine große Rolle spielt. Man könnte das Vertrauen der Jugendlichen in die Zukunft dadurch stützen, daß man eine vernünftige Wirtschaftspolitik treibt und dafür sorgt, daß Preiserhöhungen unterbleiben, wie sie in den letzten Monaten eingetreten sind und eine große Unruhe verursacht haben. Hier wäre eine Aufgabe zu erfüllen. Wir wissen, daß die gesamte Jugend recht mißtrauisch ist. Ich glaube, sie hat allen Grund dazu. Mit einer Sparaktion, mit einem Appell an den Sparwillen allein läßt sich dieses Mißtrauen nicht überwinden.
Ich sagte schon, die Vorschläge mögen erörtert werden. Wir wollen hören, wie die Dinge gedacht sind. Über vernünftige Sachen läßt sich sprechen. Auf die Dauer wird man der Jugend aber nur dann helfen können, den Weg zu einem geordneten Dasein zu finden, wenn man nicht mit einigen Sondermaßnahmen kommt, sondern mit einer planmäßig vorbereiteten und aufeinander abgestimmten Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben aller schafft.
Die Jugend unterscheidet sich von den Älteren. Das wissen wir. Die deutsche Jugend unterscheidet sich von den Alteren nicht zuletzt dadurch, daß sie nicht als eine Interessengruppe neben Hausbesitzern, neben Schweinezüchtern und neben Großverdienern behandelt werden will, die alle von Zeit zu Zeit irgendwelche besonderen Konzessionen für sich fordern. Wir glauben sogar, daß die Jugend bereit ist, Opfer zu bringen, daß sie bereit ist, sich einzusetzen und mitzuarbeiten, wenn ihr Vertrauen in die Zukunft durch das wächst, was sie täglich an sich verspürt und erfährt. Es muß hier in diesem Hause unsere Aufgabe sein, in dem gesamten Bereich des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens Verhältnisse zu schaffen, die ihren Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit und freier Aufstiegsmöglichkeit entsprechen. Wenn die Jugendlichen in Stadt und Land aus ihrer täglichen Erfahrung die Überzeugung gewinnen, daß die Entwicklung in dieser Richtung geht, dann werden ganz andere Antriebe, als Sparprämien sie darstellen, wirksam werden, und sie werden dazu führen, rechtzeitig für die Gründung einer eigenen Familie und den Aufbau einer Existenz vorzusorgen.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hoffmann .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Man wird wohl davon ausgehen können, daß eine sehr große Mehrheit dieses Hauses immer bereit sein wird, alle Maßnahmen sorgfältig zu prüfen, die darauf abgestellt sind, den Sparsinn der Bevölkerung zu fördern. So sehen meine Freunde und ich auch hier eine Anregung, die wert ist, gut durchdacht und unter diesem Gesichtspunkt geprüft zu werden, obwohl man bei allen Anträgen auf gesetzgeberische Maßnahmen zur Förderung des Sparwillens nicht übersehen soll, daß die wirksamste Förderung des Sparwillens an sich natürlich darin liegt, daß man den Anreiz durch Wiederherstellung eines funktionsfähigen Kapitalmarktes schafft.
Aber, meine Damen und Herren, der Antrag, so wie er uns jetzt vorliegt, ist natürlich noch zu wenig substantiiert, als daß man ihm zustimmen könnte.
Ich halte es für notwendig, den Antrag, zumal ihn der Herr Vertreter der Antragsteller in der mündlichen Darlegung nicht eingehender begründet hat, dem Ausschuß für Geld und Kredit zur weiteren Prüfung zu überweisen.
Meine Damen und Herren, ich bin gebeten worden anzusagen, daß der
Unterausschuß „Ehemaliges Reichsvermögen" um 18 Uhr in Zimmer 10 zusammentritt.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Als wir den Antrag gelesen haben, haben wir uns gefreut; einmal der Tendenz wegen, hier die junge Generation zu begünstigen, und zum andern, weil der Sparwille begünstigt werden sollte. Aber wir haben uns gleichzeitig gefragt, ob in dieser allgemeinen Formulierung tatsächlich die Gründe erkannt worden sind, die bisher dazu geführt haben, daß der Sparwille der jungen Generation nicht das Ausmaß angenommen hat, wie es beispielsweise nach dem letzten Kriege der Fall gewesen ist. Der Sparwille der jungen Generation ist aus keinen anderen Gründen gering, als der Sparwille der Gesamtnation gering ist, und zwar handelt es sich da um Probleme, die wesentlich weiter greifen als die, die in diesem Antrag bisher angeschnitten worden sind. Warum ist das Problem der Aufwertung bisher nicht, wie es von der Bundesregierung versprochen worden war, angepackt worden? Warum wissen wir immer noch nicht von der Bundesregierung, ob sie einer 20prozentigen Aufwertung zustimmt? Wenn dieses Unrecht, das den Sparern zugefügt worden ist, indem man Geld gleich Kapital gesetzt hat, wiedergut- gemacht worden wäre und die Bundesregierung ihre Erklärung, die sie in der Regierungserklärung abgegeben hat, durch die Vorlage eines entsprechenden Gesetzes untermauert hätte, dann wäre etwas Wirksames für den Sparwillen der jungen Generation geschehen. Und wenn ferner die steuerlichen Begünstigungen nicht so einseitig verteilt worden wären, wenn nicht nur oder doch im wesentlichen die Ansammlung von Betriebsgewinnen innerhalb der Betriebe steuerlich stark begünstigt worden wäre, sondern eine gleichmäßige steuerliche Begünstigung für sämtliche Einkommensbezieher, auch für die Bezieher kleiner Einkommen herbeigeführt worden wäre, dann wäre auch der Sparwille auf breiter Basis gefördert worden, und es wäre auf breiter Basis etwas geschehen. Und wenn die Preisbewegung besser hätte gezügelt werden können, die seit 1948 mit Unterbrechungen nach oben gegangen ist und dadurch bei zahlreichen sehr sparwilligen Menschen die Furcht hat aufkommen lassen, daß es doch nichts nutze, wenn man spare, da das Geld, das man später bekomme, weniger wert sei als das Geld, das man zur Kasse getragen hat, dann wäre der Sparwille wirksam angefacht worden.
Wenn hier als Maßnahme eine Prämienbegünstigung vorgesehen wird, so ist das aus dem Katalog der als notwendig erkannten Maßnahmen doch nur ein ganz kleiner Teilausschnitt. Ich will nichts dagegen sagen, wenn der Herr Bundesfinanzminister dafür Gelder zur Verfügung stellt; niemand sollte sich mehr freuen als wir, wenn das tatsächlich der Fall sein sollte und wenn es ferner möglich wäre, den Kreis „junge Generation" irgendwie in ein rechtliches Gewand zu bringen. Aber, meine Damen und Herren, „junge Generation", — wie wollen Sie das abgrenzen? Rechnet ein Vierzigjähriger noch zur jungen Generation oder nur ein Dreißigjähriger? Das sind Probleme, die außerordentlich schwierig sind, die vor allem auch deshalb schwierig sind, weil man einem Sparbuch ja nicht ansehen kann, wer wirtschaftlich Inhaber ist. Man kann einem Sparbuch wohl ansehen,
welchen Namen es trägt, aber der wirtschaftliche Inhaber ist schwer zu ermitteln. Alle diese Dinge müssen genauestens untersucht werden.
Wenn dieser Antrag — und das ist meine stille Hoffnung — einen Gesinnungswandel auch in den Kreisen der CDU zum Ausdruck bringen sollte in der Richtung, daß man tatsächlich den Sparwillen auf breitester Basis in der Gesamtbevölkerung in Zukunft mehr begünstigen erde und nicht nur, wie bisher, lediglich oder im wesentlichen die Gewinnansammlung in der gewerblichen Wirtschaft, dann begrüßen wir diesen Antrag ganz besonders, und wir sind der Ansicht, daß er zum mindesten in den Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen werden müßte, um dann auf breiter Basis hier etwas aus diesem Antrag zu machen.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Rösch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Antrag, der Ihnen vorliegt, ist von der großen Mehrheit dieses Hauses zum mindesten freundlich begrüßt worden, und wir hoffen und wünschen sehr, daß die kritischen Worte, die dazu gesprochen worden sind, hier nicht das Letzte bleiben und keinen allzu tiefen Eindruck hinterlassen, sondern daß das, was wir mit diesem Antrag erreichen möchten, auch draußen in der Jugend ein positives Echo findet. Ich sagte schon, es ist ein Antrag an die Bundesregierung, und wir bitten die Bundesregierung hiermit, uns die näheren Ausführungsbestimmungen, die wirklich bis an die Grenze des Möglichen gehen sollen, alsbald vorzulegen. Wir selbst wollen uns im Ausschuß j a auch zusammensetzen und unsererseits alle Möglichkeiten prüfen, um der Jugend den Sparwillen wirklich schmackhaft zu machen.
Ich habe draußen völlig ungesucht und ohne Aufforderung immer wieder erfahren und habe auch aus Zuschriften — gerade heute ging mir eine solche von einer Stelle zu, die keine Ahnung hatte, daß wir uns heute mit diesem Problem beschäftigen — entnommen, daß überall wieder der Wunsch besteht, eine Familie auf einer Basis zu gründen, die auch eine gewisse Sicherheit bietet. Wir alle wissen, besonders wir Älteren, daß die Sicherheit eine sehr relative Sache ist und daß materielle Sicherheit uns schon mehr als einmal getrogen hat. Aber wir halten es trotzdem für absolut wünschenswert, daß die deutsche Jugend wieder lernt, vor einer Eheschließung zu sparen. Irgendwie wird ja auch heute gespart, indem man alles auf Abzahlung kauft und sich nachher in der jungen Ehe oft viel mehr, als gut ist, einschränken muß, um die eingegangenen Verpflichtungen erfüllen zu können. Mehr als einmal hat gerade dieses in seiner Art sehr unvorsichtige Sparen zu dem vorzeitigen Bruch einer Ehe geführt. Denn man kann nicht voraussehen, was alles an Ausgaben noch dazukommt. Wird aber der junge Mensch, der im Berufsleben steht — und nur an diesen können wir ja den Appell zum Sparen richten —, frühzeitig darauf hingewiesen, daß es besser ist, den Konsum einzuschränken und sich nicht einfach jeden Wunsch zu erfüllen, weil man das Geld gerade hat, so ist dies für die Ehe und für das ganze Familienleben von entscheidender Bedeutung.
Wir wollen der Jugend bestimmt nicht die Freude am Reisen, an einer Freizeit, am Sport oder an sonst irgend etwas nehmen. Ganz im
Gegenteil! Aber es gibt sicherlich viele Momente, die darauf hinwirken, daß die jungen Leute heute weithin über ihre Verhältnisse leben. Wir erleben es ja: Wenn man verlobt ist und beide verdienen, geht alles recht gut und schön. Wenn dann die Frau plötzlich zu Hause ist und nur noch einer verdient, will es nirgends mehr reichen; man hat sich einen ganz anderen Lebensstil angewöhnt. Auch dadurch kann manche Krise in einer jungen Ehe entstehen. Wenn man jedoch eine gute Grundlage geschaffen hat und wenn ein Kapital vorhanden ist — es kann klein sein, man kann wirklich auch mit einem kleinen Kapital anfangen —, kann man mit einer verhältnismäßig guten Sicherheit in eine Ehe hineingehen.
Wir hoffen und wünschen, daß die Regierung uns zu diesen Plänen auch wirklich Möglichkeiten gibt. Wir möchten unsere Jugend dadurch fördern, daß wir ihr das Jugendsparen empfehlen. Wir möchten auf irgendeine Weise eine Prämie schaffen, die es erstrebenswert macht, auf dieses oder jenes zu verzichten, was nicht unbedingt lebensnotwendig ist. Wir nehmen an, daß es vielleicht über eine Ausweitung des Bundesjugendplans oder auf einer sonstigen Basis möglich ist, eine entsprechende Hilfe von seiten der Regierung zu finden. Maßgebend soll allerdings nicht die staatliche Hilfe sein — das möchte ich sehr ausdrücklich sagen —, sondern maßgebend soil sein, daß die Jugend selber wieder den Willen zum Sparen bekommt,
den Willen, für die Zukunft zu sorgen und sich in jungen Tagen freiwillig einer Beschränkung zu unterwerfen, die vielleicht einmal später viel weniger angenehm und als bitterer Zwang empfunden wird.
Ich bitte Sie, den Antrag dem Ausschuß für Geld und Kredit als federführendem Ausschuß und weiterhin dem Ausschuß für Jugendfürsorge zu überweisen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist der Antrag auf Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit als federführenden Ausschuß und gleichzeitig an den Ausschuß für Jugendfürsorge gestellt. Ich bitte diejenigen, die dem Überweisungsantrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Da die übrigen, dazwischenliegenden Punkte behandelt oder vertagt sind, rufe ich nunmehr Punkt 15 auf:
Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend überregionaler Sender .
Der Ältestenrat hat eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses an.
Das Wort hat der Abgeordnete Blachstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache Nr. 3048 legt Ihnen die sozialdemokratische Fraktion einen Antrag vor, der zwei Schwierigkeiten widerspiegelt, mit denen wir es heute beim Rundfunk in der Bundesrepublik zu tun haben. Die Kopenhagener Wellenkonferenz, auf der wir noch
durch die Besatzungsmächte vertreten wurden, hat in ihrem Ergebnis den Rundfunkempfang der Bevölkerung außerordentlich erschwert. Nur mit großen technischen und finanziellen Aufwendungen war es möglich, die Rundfunkbedürfnisse in der Bundesrepublik einigermaßen zu befriedigen. Die deutsche Bevölkerung außerhalb der Bundesrepublik zu erreichen, eine Aufgabe, die von allen demokratischen Kräften erkannt wird und um deren Verwirklichung wir uns intensiv bemühen müssen, ist ohne die Errichtung eines Langwellensenders nicht möglich. Darum wird unter Ziffer 1 unseres Antrages die Bundesregierung aufgefordert, die von den westdeutschen Rundfunkanstalten angestrebte Errichtung eines Langwellensenders zu fördern, und beauftragt, durch geeignete Schritte bei den Hohen Kommissaren die Bereitstellung einer Langwellenfrequenz zu erreichen. Die Langwelle soll der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten die Möglichkeit geben, ein überregionales Programm auszustrahlen. Auf diesem Gebiet liegen bereits Erfahrungen vor. Die Gemeinschaftssendungen anläßlich der Wahlen in der Sowjetzone im Oktober 1950 waren ein erster Schritt, dem weitere folgen sollten. Die Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone kann von uns erwarten, gegenüber dem kommunistischen Propagandastrom nicht allein gelassen zu werden. Wenn sie auf die Dauer standhalten soll, müssen wir sie unterrichten und dadurch instand setzen, den gegnerischen Entstellungen und Lügen entgegenzutreten Auch die Deutschen an dSaar müssen ohne Schwierigkeit hören können; auch sie sind abgekapselt und unter schwerem Druck. Für diese echte gesamtdeutsche Aufgabe, von der wir meinen, daß sie durch Zurückdrängung des kommunistischen Einflusses auch eine europäische Angelegenheit ist, erwarten wir die Bereitstellung einer Langwelle durch die Hohen Kommissare.
Es ist in der Öffentlichkeit bekannt, daß seit einiger Zeit über die Verpachtung des Senders Norden-Osterlog an BBC London verhandelt wird. In Ziffer 2 unseres Antrags fordern wir die Bundesregierung auf, die Verpachtung abzulehnen. Die Bevölkerung von Ostfriesland ist durch diese Verhandlungen beunruhigt und vermutet nicht zu Unrecht, daß ihre Emptangsmöglichkeiten durch die Verpachtung verschlechtert würden. Auch der Bremer Senat hat dagegen Einspruch erhoben. So ernst die Hörersorgen genommen werden sollten, sind noch schwererwiegende Bedenken hier anzumelden. Die Bundesrepublik ist bereits Mitglied der Internationalen Rundfunkorganisation oder wird es demnächst werden. Die Rückgabe der Rundfunkhoheit ist uns in Aussicht gestellt. Welchen Anlaß haben wir kurz vor der Befreiung des Rundfunks von den Besatzungsfesseln, freiwillig eine eigene Sendeanlage zu verpachten? Auch wenn, wie geplant, der Pachtvertrag auf drei Monate kündbar sen sollte, halten wir ihn für unangebracht und unerwünscht. In keinem anderen freien Lande — Kolonien und Halbkolonien ausgenommen — erhalten fremde Staaten oder Rundfunkgesellschaften Pachtverträge für Rundfunkanlagen oder Senderechte. Es ist nicht länger haltbar, daß auf dem Gebiet der Bundesrepublik neben den zahlreichen Militärsendern alle möglichen legalen und illegalen Propagandasender tätig sind, Sender, auf die weder die deutschen Rundfunkgesellschaften noch andere deutsche Stellen irgendeinen Einfluß oder eine Kontrolle ausüben können. Die unzuträglichen Zustände mit ausländischen
Sendern in Bayern dürfen nicht durch einen freiwillig abgeschlossenen Vertrag auf Norddeutschland erweitert werden. Wenn man an uns appelliert, im Interesse der politischen Wirkung den beabsichtigten Sendungen zuzustimmen, so müßte man bereit sein, uns an der geplanten Tätigkeit gleichberechtigt mitarbeiten zu lassen. Davon ist aber nicht die Rede, und darum unsere Aufforderung an die Bundesregierung, die Verpachtung des Senders Norden-Osterlog an BBC London abzulehnen.
Wir halten eine gründliche Beratung der angeschnittenen Probleme in den Ausschüssen für geboten, um Klärung in die undurchsichtige Tätigkeit ausländischer Sender in der Bundesrepublik zu bringen. Ich beantrage darum, die Drucksache Nr. 3048 an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films und den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zu überweisen.
Meine Damen und Herren! Wortmeldungen liegen nicht vor. — Dann kann ich die Aussprache als geschlossen ansehen. Wir kommen zur Abstimmung. Es ist der Antrag gestellt, zu überweisen an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films und als zweiten Ausschuß an den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen.
— Können wir uns nicht einigen? Ich glaube auch, es ist wohl zweckmäßiger, den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu nehmen. Darf ich das vorschlagen? — Also ich bitte diejenigen, die die Überweisung an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films, den Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten
Meine Damen und Herren, damit sind wir am Ende der heutigen Sitzung angekommen. Ich berufe die nächste, die 193. Sitzung des Deutschen Bundestags auf Donnerstag, den 14. Februar, 13 Uhr 30. Die 192. Sitzung ist geschlossen.