Rede von
Fritz
Ohlig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch den Bericht des Herrn Berichterstatters sind wir über dieses Gesetz und seine materiellen Leistungen unterrichtet worden. Es handelt sich um eine Angelegenheit, die eigentlich im Rahmen des kommenden Lastenausgleichsgesetzes mit behandelt werden sollte. Es handelt sich nicht um eine allumfassende nachträgliche Reform der Währungsumstellungsgesetze. Aber in diesem Gesetz wird ein Personenkreis erfaßt, der am 20. Juni 1948 besonders schlecht weggekommen ist, nämlich der Personenkreis der ostvertriebenen Sparer. Im Lastenausgleichsgesetz sollte diese Benachteiligung einigermaßen wiedergutgemacht werden; der Verlust der Ostsparkonten sollte einigermaßen ausgeglichen werden. Gegen eine solche all-. gemeine Regelung im Lastenausgleichsgesetz hatte die sozialdemokratische Fraktion keine Bedenken, weil es sich hier um ein echtes Anliegen der Ostvertriebenen handelt. Aber wir haben starke Bedenken gegen diese teilweise Regelung, weil sie nämlich keine volle Befriedigung auslösen wird. In den Ausschußberatungen sind wir uns alle darüber klar geworden, wie schwierig es sein wird, die Unterlagen rechtzeitig beizubringen. Die vorgesehenen vier Möglichkeiten reichen ja bei weitem nicht aus, obwohl wir gern anerkennen, daß der Ausschuß neben dem Sparbuch als der einzig brauchbaren Unterlage noch nach anderen Beweismöglichkeiten und Beweismitteln gesucht hat. Sie finden in § 8 Abs. 1 unter den Ziffern 2 bis 4 solche anderen Beweismittel. Die textliche Länge dieser Ziffern dürfte Ihnen zeigen, wie schwierig es gewesen ist, diese Ziffern überhaupt zu formulieren; denn sie werden in den meisten Fällen nicht ausreichen. Trotz dieser Erweiterung der Beweismittel wird es große Teile geben, die bei diesem Gesetz leer ausgehen werden. Die Tatsachen der Ausweisung sind nicht zu leugnen. Sehr viele Beweismittel sind eben verlorengegangen oder vernichtet worden.
Aus diesem Grunde haben wir von der sozialdemokratischen Fraktion im Ausschuß unsere stärksten Bedenken dagegen geltend gemacht, daß dieses Gesetz vor dem eigentlichen Lastenausgleichsgesetz verabschiedet werden soll. In diesem Gesetz wird wiederum nur eine Teilfrage geregelt, es werden nur für einen beschränkten Personenkreis der Geschädigten auf einem bestimmten Gebiet Ausgleichsleistungen vorgesehen. Wir verkennen allerdings nicht, daß dieses Gesetz im Gegensatz zum Feststellungsgesetz die Versprechungen wenigstens etwas materiell untermauert. Aber die materiellen Leistungen nach diesem Gesetz werden ja auch erst wirksam, nachdem das Hauptgesetz verabschiedet worden ist. Bis zum Inkrafttreten dieses Hauptgesetzes bleiben die Bestimmungen auch dieses Ostsparergesetzes vorläufig leere Versprechungen. Wir befürchten deshalb, daß auch mit diesem Gesetz die Beunruhigung derer, die leer ausgehen werden, größer werden wird. Hätten wir gewartet, bis das Hauptgesetz verabschiedet worden wäre, stünden die anderen Leistungen wie Unterhaltsrente, Hausratshilfe, Eingliederungshilfe neben den doch sehr bescheidenen Leistungen dieses Gesetzes, und man würde manche Unzufriedenheit durch das Gesamtgesetz abfangen können.
Wir finden es deshalb nicht gut, durch solche Teillösungen die Geschädigten auch weiterhin aufzusplittern in die Gruppe, der bevorzugt etwas versprochen wird, und in die anderen, die vorläufig leer ausgehen müssen. Man kann die viel verbreitete Meinung, daß die Arbeit des Lastenausgleichsausschusses zu langsam vorangeht, durch solche Teillösungen nicht entkräften, vor allen Dingen auch deshalb nicht, weil die Befürworter des sogenannten Vorziehungsgedankens bis jetzt im Ausschuß immer noch nicht wenigstens den Versuch gemacht haben, endlich auch einmal ein Gesetz vorzuziehen, das die Abgabenseite in irgendeiner Form regelt. Aber der Ausschuß hat mit großer Mehrheit die Vorziehung dieses Gesetzes beschlossen.
Wir haben noch zu einem anderen Punkt einige Bedenken. Zur Begründung dieses Gesetzes wurde auch vorgebracht, es gelte, den Sparwillen wieder neu zu stärken und zu wecken. Uns leuchtete nicht ein, daß man zunächst zur Verzinsung der Ausgleichsforderungen den Geldinstituten 1 % und eine Fallpauschale von 1,50 DM gewähren wollte. Wir waren der Meinung, man sollte solche wichtige volkswirtschaftliche Maßnahme, wie es das Sparen ja sein soll, nicht dazu benutzen, hinter der Betonung solcher wirtschaftlichen Notwendigkeiten doch eventuell geschäftliche Vorteile zu verbergen. Der Ausschuß hat sich unseren Einwendungen nicht ganz verschließen können und hat dann den Zinsfuß auf 1/2 % und die Fallpauschale auf 1 DM festgesetzt. Uns erscheint auch diese Regelung noch zu hoch. Herr Kollege Kunze, Sie schütteln mit dem Kopf, aber die besonderen Umstände dieses Gesetzes erlauben uns noch nicht einmal eine genaue Kostenberechnung, weil wir gar nicht wissen, wie groß der Personenkreis ist, der in der Lage sein wird, die Beweismittel beizubringen.
Um aber den wilden Männern außerhalb des Parlaments nicht wieder die Möglichkeit zu geben, die Verantwortung für die Unzulänglichkeiten dieses Gesetzes bei einer etwaigen Ablehnung auf die Sozialdemokratische Partei abzuschieben, wollen wir trotz der starken Bedenken dem Gesetz auch in der dritten Lesung unsere Zustimmung geben.