Rede von
Peter
Blachstein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Drucksache Nr. 3048 legt Ihnen die sozialdemokratische Fraktion einen Antrag vor, der zwei Schwierigkeiten widerspiegelt, mit denen wir es heute beim Rundfunk in der Bundesrepublik zu tun haben. Die Kopenhagener Wellenkonferenz, auf der wir noch
durch die Besatzungsmächte vertreten wurden, hat in ihrem Ergebnis den Rundfunkempfang der Bevölkerung außerordentlich erschwert. Nur mit großen technischen und finanziellen Aufwendungen war es möglich, die Rundfunkbedürfnisse in der Bundesrepublik einigermaßen zu befriedigen. Die deutsche Bevölkerung außerhalb der Bundesrepublik zu erreichen, eine Aufgabe, die von allen demokratischen Kräften erkannt wird und um deren Verwirklichung wir uns intensiv bemühen müssen, ist ohne die Errichtung eines Langwellensenders nicht möglich. Darum wird unter Ziffer 1 unseres Antrages die Bundesregierung aufgefordert, die von den westdeutschen Rundfunkanstalten angestrebte Errichtung eines Langwellensenders zu fördern, und beauftragt, durch geeignete Schritte bei den Hohen Kommissaren die Bereitstellung einer Langwellenfrequenz zu erreichen. Die Langwelle soll der Arbeitsgemeinschaft der Rundfunkanstalten die Möglichkeit geben, ein überregionales Programm auszustrahlen. Auf diesem Gebiet liegen bereits Erfahrungen vor. Die Gemeinschaftssendungen anläßlich der Wahlen in der Sowjetzone im Oktober 1950 waren ein erster Schritt, dem weitere folgen sollten. Die Bevölkerung der sowjetischen Besatzungszone kann von uns erwarten, gegenüber dem kommunistischen Propagandastrom nicht allein gelassen zu werden. Wenn sie auf die Dauer standhalten soll, müssen wir sie unterrichten und dadurch instand setzen, den gegnerischen Entstellungen und Lügen entgegenzutreten Auch die Deutschen an dSaar müssen ohne Schwierigkeit hören können; auch sie sind abgekapselt und unter schwerem Druck. Für diese echte gesamtdeutsche Aufgabe, von der wir meinen, daß sie durch Zurückdrängung des kommunistischen Einflusses auch eine europäische Angelegenheit ist, erwarten wir die Bereitstellung einer Langwelle durch die Hohen Kommissare.
Es ist in der Öffentlichkeit bekannt, daß seit einiger Zeit über die Verpachtung des Senders Norden-Osterlog an BBC London verhandelt wird. In Ziffer 2 unseres Antrags fordern wir die Bundesregierung auf, die Verpachtung abzulehnen. Die Bevölkerung von Ostfriesland ist durch diese Verhandlungen beunruhigt und vermutet nicht zu Unrecht, daß ihre Emptangsmöglichkeiten durch die Verpachtung verschlechtert würden. Auch der Bremer Senat hat dagegen Einspruch erhoben. So ernst die Hörersorgen genommen werden sollten, sind noch schwererwiegende Bedenken hier anzumelden. Die Bundesrepublik ist bereits Mitglied der Internationalen Rundfunkorganisation oder wird es demnächst werden. Die Rückgabe der Rundfunkhoheit ist uns in Aussicht gestellt. Welchen Anlaß haben wir kurz vor der Befreiung des Rundfunks von den Besatzungsfesseln, freiwillig eine eigene Sendeanlage zu verpachten? Auch wenn, wie geplant, der Pachtvertrag auf drei Monate kündbar sen sollte, halten wir ihn für unangebracht und unerwünscht. In keinem anderen freien Lande — Kolonien und Halbkolonien ausgenommen — erhalten fremde Staaten oder Rundfunkgesellschaften Pachtverträge für Rundfunkanlagen oder Senderechte. Es ist nicht länger haltbar, daß auf dem Gebiet der Bundesrepublik neben den zahlreichen Militärsendern alle möglichen legalen und illegalen Propagandasender tätig sind, Sender, auf die weder die deutschen Rundfunkgesellschaften noch andere deutsche Stellen irgendeinen Einfluß oder eine Kontrolle ausüben können. Die unzuträglichen Zustände mit ausländischen
Sendern in Bayern dürfen nicht durch einen freiwillig abgeschlossenen Vertrag auf Norddeutschland erweitert werden. Wenn man an uns appelliert, im Interesse der politischen Wirkung den beabsichtigten Sendungen zuzustimmen, so müßte man bereit sein, uns an der geplanten Tätigkeit gleichberechtigt mitarbeiten zu lassen. Davon ist aber nicht die Rede, und darum unsere Aufforderung an die Bundesregierung, die Verpachtung des Senders Norden-Osterlog an BBC London abzulehnen.
Wir halten eine gründliche Beratung der angeschnittenen Probleme in den Ausschüssen für geboten, um Klärung in die undurchsichtige Tätigkeit ausländischer Sender in der Bundesrepublik zu bringen. Ich beantrage darum, die Drucksache Nr. 3048 an den Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films und den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zu überweisen.