Rede von
Dr.
Hermann
Ehlers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Es wird noch soviel in diesem Hause verlesen, Herr Abgeordneter, deshalb erlaube ich Ihnen das auch.
Dr.-Ing. Decker , Anfragender: Die Notiz lautet:
Den Richtern des Landgerichts Hannover wurden dieser Tage mehrere hundert Bilder ganz oder teilweise entblößter Französinnen vorgelegt, die von der Polizei bei Straßenhändlern beschlagnahmt wurden. Als die angeklagten Händler nachwiesen, daß sie vom Außenhandelskontor und vom Finanzministerium die Devisen zum Einkauf dieser Hefte erhalten hatten, wurden sie freigesprochen.
Was die Zeitung hier berichtet, stimmt nicht ganz. Ich habe inzwischen erfahren können, daß vorher das Schöffengericht den Freispruch beschlossen hat und daß dieser Freispruch vom Landgericht Hannover wieder aufgehoben worden ist. Im Urteil des Schöffengerichts findet sich allerdings folgender bezeichnender Hinweis:
Seitens der Verteidigung ist weiter darauf hingewiesen, daß letztlich doch die mit dem Import aus Frankreich betrauten Wirtschaftsstellen der Bundesregierung und auch die Zollbehörden die Einfuhr zugelassen hätten.
Tatsache ist es also, daß in den Zeitungsverkaufsständen Hefte zweideutigen Inhalts zu haben sind, und es ist anzunehmen, daß diese Hefte mit Devisen gekauft werden müssen. Denn noch viel weniger können wir vermuten, daß die Franzosen uns diese Hefte als Liebesgaben für die reifere deutsche Jugend kostenlos überreichen.
Wenn aber für die Beschaffung solch zweifelhafter Bilder Devisen zur Verfügung stehen, so ist es unverständlich, daß für den deutschen Kunsthandel zur Einfuhr wertvoller Kunstwerke kein Devisenkontingent bereitgestellt werden kann. Der deutsche Kunsthandel ist trotz des Rückganges und der Hemmungen und der beinahe völligen Vernichtung durch das „Dritte Reich" und den Krieg heute wieder ein integrierender Bestandteil des deutschen und des internationalen Kunstlebens. Er hat sich trotz aller Hemmungen wieder eine anerkannte Position erworben. Der Hemmungen sind leider sehr viele. Darunter fällt die Verordnung des Finanzministeriums vom 24. November 1951 bezüglich der Erteilung der Ausfuhrgenehmigung. Sie besagt, daß die Ausfuhrgenehmigung nicht von Landesstellen, sondern nur von einer zuständigen Stelle in Bonn erteilt werden kann. Das führte dazu, daß z. B. die Ausfuhr eines Kinderbilderbuches von 1840 als Weihnachtsgeschenk nicht möglich war, weil die Ausfuhrgenehmigung von Bonn für dieses belanglose Ding nicht rechtzeitig zu bekommen war.
Viel schwerer wiegt es natürlich, daß für die Einfuhr keine Devisen zu erhalten sind; denn Handel — auch Kunsthandel — heißt nicht nur Verkauf, sondern auch Einkauf. Die Unmöglichkeit, infolge der Zahlungsmittelsperre Kunstwerke nach Deutschland einzuführen, ist von großer wirtschaftlicher Bedeutung, und zwar von viel größerer, als es dem Laien zunächst erscheinen möchte. München hat in den Jahren 1925 bis 1928 jährlich allein durch den Kunsthandel — und zwar durch die Ausfuhr nur nach den USA — 5 bis 8 Millionen Dollar jährlich dem deutschen Devisenkontingent gebracht. Heute ist die Summe natürlich viel geringer, zum Teil auch wegen der Einfuhrsperre.
Nun gibt es nicht nur in der Technik, sondern auch im Kunsthandel eine Art Veredelung, und diese Veredelung ist gerade das Bezeichnende für den deutschen Kunsthandel. Der hohe Stand der deutschen Kunsthistorik, der hohe Stand der deutschen Technik des Restaurierens und Konservierens machen es möglich, daß aus dem Ausland für billiges Geld Kunstwerke, die beschädigt sind, unter Alterserscheinungen leiden oder sonst irgendwie herabgekommen sind, eingeführt werden, bei uns wiederhergestellt oder konserviert werden und dann für einen mehrfachen Betrag an Devisen wieder ausgeführt werden können. Ebenso ist es um die Zuschreibung von Kunstwerken bestellt. Anonyme Kunstwerke werden im Ausland gekauft, nach Deutschland eingeführt; dort wird der Meister bestimmt, das Werk steigt dadurch um ein Vielfaches in seinem Preis und kann dann wieder ausgeführt werden.
Wenn nun ein Mangel an zu restaurierenden Kunstwerken besteht, so haben unsere Werkstätten, die hierfür bestehen, nichts mehr zu tun; und damit komme ich auf die sich aus diesem
Sachverhalt ergebende Besorgnis zu sprechen. Wir haben dann keine Möglichkeit mehr, Nachwuchs in diesen Werkstätten auszubilden. Gerade die Restaurierung und Konservierung sind ja Künste und Fertigkeiten, die nur vom Meister persönlich wieder auf den Lehrling übertragen werden können.
Es zeigt sich also ziemlich einwandfrei und klar, daß durch die Einfuhr von Kunstwerken die deutsche Devisenbilanz nicht verschlechtert, sondern gehoben wird. Wir müssen deshalb fragen: Bei gutem Willen müßte es doch durchaus möglich sein, daß die Regierung Devisen für den Kunsthandel zur Verfügung stellt, und das um so mehr, als sie sogar in der Lage ist, für die Einfuhr von minderwertigen Schriften Devisen bereitzustellen. Wir möchten von der Regierung wissen, welche Gründe für dieses unverständliche Verhalten, das sie bisher in dieser Angelegenheit gepflogen hat, vorliegen und wie sie Abhilfe zu schaffen gedenkt.
Wir möchten auch den Herrn Präsidenten bitten, nach der Erklärung der Regierung festzustellen, ob ein Antrag von uns auf Eröffnung einer Debatte die Unterstützung des Hauses findet.