Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Antrag und auch die Begründung, die hier gegeben wurde, begnügen sich damit, die Forderung nach einem Jugendspargesetz zu erheben. Es ergibt sich nicht sehr viel aus dem, was wir bisher gehört oder gelesen haben, woraus sich schließen ließe, in welche Richtung die Gedanken wirklich gehen.
Es ist ein lobenswertes Beginnen, den Sparwillen, und zwar nicht nur bei der Jugend, zu fördern. Wir glauben, daß es auch durchaus vertretbar ist, für besondere Zwecke entsprechende Prämien zu gewähren. Nicht zuletzt deswegen haben wir ja auf das Prämiengesetz für den Wohnungsbau hingearbeitet. Wir glauben aber, wenn man diese Maßnahmen in Betracht zieht, muß man auch beachten, in welchem Verhältnis eventuell öffentliche Mittel aufzuwenden sein werden. Ich glaube, daß gerade bei einem solchen Vorhaben, wenn ein wirkliches Ergebnis herauskommen soll, so etwas wie eine Kalkulation aufgemacht werden muß. Wir möchten gern wissen, inwieweit die Mittel, die hier in Aussicht genommen werden und von denen wir ja noch nicht wissen, wie sie aufgebracht werden sollen bzw. in welcher Weise sie dann zur Verfügung stehen, mit dem vergleichbar sind, was die Bundesregierung bisher für andere jugendfördernde Zwecke bereitgestellt hat. Wir glauben, daß wir dort in keinem Fall irgendwelche Beschränkungen in Kauf nehmen können.
Ich möchte dabei eines sagen. Wenn man der Jugend jetzt ein Spargesetz beschert, so muß man sich doch Gedanken darüber . gemacht haben, in welchem Ausmaß die Jugend überhaupt zum Sparen in der Lage ist. Man muß einmal daran denken, daß die erwerbstätigen Jugendlichen in der Steuerklasse I außerordentlich stark herangezogen werden. Wenn nun ein Prämiensparen hinzukommen soll, könnte man doch zu dem Schluß kommen, daß hier an Millionen, j a an Dutzende von Millionen gedacht ist. Ist eine derartige Auswirkung beabsichtigt? Dann müßte man bedenken, daß es auf anderen Gebieten soziale Aufgaben gibt, die auf einer ganz anderen Stufenleiter von Bedeutung sind als derjenigen, die hier angedeutet worden ist.
Wir wissen, daß die Jugendlichen, die heute aus ihrem kärglichen Verdienst zum Teil zum Lebensunterhalt ihrer Eltern und Geschwister beitragen müssen, großen Wert darauf legen, zur Anschaffung von Kleidung und manchmal auch für ihre Berufsausbildung etwas zu tun, so daß es ihnen recht schwer fällt, irgendwelche Beträge zu erübrigen. Wir wissen gerade aus der Arbeit in den .Jugendorganisationen, wie schwer es ist, einen kleinen Betrag zusammenzubringen — es geschieht pfennigweise, groschenweise —, um eine Ferienfahrt im Sommer zu finanzieren. Dabei glauben wir, daß die Jugend zumindest darauf ein Recht hat.
Wir dürfen hier auch durchaus nicht verschweigen, daß es Hunderttausende von Jugendlichen gibt, die überhaupt keinen Verdienst haben, die keine Lehrstelle haben. Wir müssen daher die öffentlichen Mittel in erster Linie dazu verwenden, diesen Menschen eine Hoffnung zu geben, daß sie ihren Weg ins Leben überhaupt finden.
Wenn Sie nun daran denken, etwas Besonderes zu tun, darf ich fragen, meine Damen und Herren, warum es bisher nicht möglich gewesen ist, eine Regelung zu treffen, daß die Lehrlinge für den Fall ihres Ausscheidens nach Beendigung der Lehrzeit, während deren sie ja noch nicht arbeitslosenversicherungspflichtig geworden sind, Arbeitslosenunterstützung bekommen. Wie kommt es, daß man über diese Dinge so rasch hinweggeht und glaubt, mit diesem Antrag nun einen besonderen Wurf zu machen?
Es kommt noch eine andere Überlegung hinzu. Bei der Auseinandersetzung über die Frage des Kündigungsschutzes ist gerade von Ihrer Seite Wert darauf gelegt worden, die Altersgrenze ziemlich hoch anzusetzen.
Wir sind nicht damit einverstanden, daß man mit den Interessen der Jugend in dieser Weise umgeht. Man meint anscheinend, man könne gewisse Rückschlüsse daraus ziehen, daß man da und dort Jugendliche in den Straßen erblickt, die sich alles oder viel leisten können. Man glaubt, man müsse hier so etwas tun wie die Kaufkraft umlenken, man müsse die Jugendlichen dazu anhalten, wirklich vernünftig zu werden. Ich bin der Auffassung, daß dieser Appell, der unter einer Parole erfolgt, den Jugendlichen noch nicht viel gibt. Man muß sich darum bemühen, auch die sozialen Gesichtspunkte zu beachten. Ich möchte fragen: Wie wollen Sie in einem derartigen Prämiengesetz die Sparleistung eines Lehrlings, der in der Woche mühsam eine Mark zurücklegt, gegenüber dem bewerten, daß der Sohn gutsituierter Eltern 20 oder 25 Mark zur Sparkasse tragen kann? Dann soll dieser nachher noch eine besondere Prämie bekommen? Wollen Sie diese sozialen Gesichtspunkte irgendwie beachten? Wie sieht es damit aus?
Die Frage der Altersgrenze und ebenso die Frage der Familiengründung stehen damit im Zusammenhang. Die Sache ist sehr problematisch. Man muß die Dinge sehr genau untersuchen. Es darf nicht dazu kommen, daß die Hingabe von Beträgen, die vielleicht sowieso zur Sparkasse wanderten und die zum Teil doch aus den Taschen der Eltern stammen, nun auf dem Umweg über das Jugendsparen noch öffentliche Ausgaben verursacht. Alle diese Gesichtspunkte müssen berücksichtigt werden.
Wir sind durchaus bereit, über den Grundgedanken zu diskutieren, möchten aber von Ihnen etwas mehr darüber wissen, wie Sie sich das Gesetz gedacht haben; denn davon wird die Jugendnot noch nicht beseitigt, daß man im Bundestag ab und zu von der Jugend spricht.
Ich bin der Auffassung, daß auch die Sparmotive recht uneinheitlich sind und daß auch die Preisentwicklung eine große Rolle spielt. Man könnte das Vertrauen der Jugendlichen in die Zukunft dadurch stützen, daß man eine vernünftige Wirtschaftspolitik treibt und dafür sorgt, daß Preiserhöhungen unterbleiben, wie sie in den letzten Monaten eingetreten sind und eine große Unruhe verursacht haben. Hier wäre eine Aufgabe zu erfüllen. Wir wissen, daß die gesamte Jugend recht mißtrauisch ist. Ich glaube, sie hat allen Grund dazu. Mit einer Sparaktion, mit einem Appell an den Sparwillen allein läßt sich dieses Mißtrauen nicht überwinden.
Ich sagte schon, die Vorschläge mögen erörtert werden. Wir wollen hören, wie die Dinge gedacht sind. Über vernünftige Sachen läßt sich sprechen. Auf die Dauer wird man der Jugend aber nur dann helfen können, den Weg zu einem geordneten Dasein zu finden, wenn man nicht mit einigen Sondermaßnahmen kommt, sondern mit einer planmäßig vorbereiteten und aufeinander abgestimmten Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Leben aller schafft.
Die Jugend unterscheidet sich von den Älteren. Das wissen wir. Die deutsche Jugend unterscheidet sich von den Alteren nicht zuletzt dadurch, daß sie nicht als eine Interessengruppe neben Hausbesitzern, neben Schweinezüchtern und neben Großverdienern behandelt werden will, die alle von Zeit zu Zeit irgendwelche besonderen Konzessionen für sich fordern. Wir glauben sogar, daß die Jugend bereit ist, Opfer zu bringen, daß sie bereit ist, sich einzusetzen und mitzuarbeiten, wenn ihr Vertrauen in die Zukunft durch das wächst, was sie täglich an sich verspürt und erfährt. Es muß hier in diesem Hause unsere Aufgabe sein, in dem gesamten Bereich des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens Verhältnisse zu schaffen, die ihren Vorstellungen von sozialer Gerechtigkeit und freier Aufstiegsmöglichkeit entsprechen. Wenn die Jugendlichen in Stadt und Land aus ihrer täglichen Erfahrung die Überzeugung gewinnen, daß die Entwicklung in dieser Richtung geht, dann werden ganz andere Antriebe, als Sparprämien sie darstellen, wirksam werden, und sie werden dazu führen, rechtzeitig für die Gründung einer eigenen Familie und den Aufbau einer Existenz vorzusorgen.