Meine Damen und Herren! Es ist vom Herrn Vorredner zunächst einmal die Frage aufgeworfen worden, ob es richtig sei, dieses Gesetz, das ja nur ein Teilstück aus dem allgemeinen Lastenausgleichskomplex darstellt, vorzuziehen. Wir sind der Meinung, daß die Vorziehung dieser in sich abgeschlossenen Gruppe von Ansprüchen absolut richtig, j a sogar notwendig ist. Es handelt sich um Sparerforderungen, die immer einer besonderen rechtlichen Behandlung unterworfen waren: sie waren mündelsicher, und sie waren gleichzeitig durch die Freizügigkeit der Sparbücher überall im Deutschen Reiche zahlbar gestellt. Diese beiden Vorzüge haben nach dem Zusammenbruch allerdings kläglich versagt. Aber es ist die höchste Zeit, diese Schäden zugunsten der Heimatvertriebenen nun endlich auszugleichen.
Zum andern ist zu sagen, daß die Aufwertung der Sparerforderungen mit den Methoden und Verfahrensarten des allgemeinen Lastenausgleichsgesetzes nicht gemeistert werden kann; denn nach der Natur der Dinge ist hier nur eine rein quotale Regelung möglich auf der Grundlage von exakt festgestellten Guthaben und unter Anwendung des Umrechnungssatzes von 6,5 %.
Weiter ist vom Herrn Vorredner beanstandet worden, daß die Banken und Sparkassen in diese Aktion eingeschaltet worden sind. Ich bin der Meinung, daß dies gerade ein besonderer Vorzug des Gesetzes ist, weil es sich hier um die Bewältigung eines Massenproblems handelt. Ich habe überhaupt in dieser Zeit, in der wir soziale Gesetze am laufenden Band beschließen, so manchmal die Befürchtung, als verschafften wir uns nicht immer Klarheit darüber, wie diese Gesetze in die praktische Wirklichkeit umgesetzt werden sollen.
Die Ministerien sind Kummer gewohnt. Aber wenn ich daran denke, was für eine Sturzflut schwierigster Aufgaben etwa aus dem legislatorischen Monstrum des Lastenausgleichsgesetzes mit einem Schlag über die Behörden hereinbrechen wird, und wenn ich mir vorstelle, wie die mittleren und unteren Instanzen damit fertig werden sollen, dann bekomme ich ein Alpdrücken. Deshalb begrüße ich jede Gelegenheit, durch die wir Aufgaben aus dem umfänglichen Bereich des Lastenausgleichs zeitlich verteilen und vom Behördenapparat auf Stellen abwälzen können. die sowohl organisatorisch als auch fachmännisch für die Bewältigung solcher Aufgaben sehr viel besser geeignet sind. So braucht man zur Regelung der Ostsparerfragen fachkundige Kräfte, und die sind eben nur bei den Banken, Sparkassen und Postanstalten vorhanden.
Nun hat man es weiter als einen Mangel des Gesetzes bezeichnet, daß bei der Schwierigkeit der Beweisführung ein Teil sonst sachlich berechtigter Sparer nicht zum Zuge komme. Das ist ohne weiteres zuzugeben. Aber wir empfinden es ja mit Schmerz als eine traurige Notwendigkeit und als eine höchst unerwünschte Zwangserscheinung bei allen unseren sozialen Gesetzen, daß wir, urn mit der Vielfalt der Verhältnisse fertig zu werden, Normen, Grenzen und Sicherungen aufbauen müssen, die dann im Einzelfall zu schweren Härten führen können. So ist es auch hier. Aber man soll sich doch darüber klar werden: Wenn ein Schiff untergeht, auf dem 1000 Passagiere sind, die Rettungsboote aber nur für 900 Passagiere ausreichen, dann wird doch niemand auf den Gedanken kommen, deswegen überhaupt kein Rettungsboot in Bewegung zu setzen.
Mit solchen im Hintergrund stehenden Neidgefühlen kann und soll man keine Politik machen. Man muß praktisch denken und sich vor Augen halten, daß hier ein Gesetz verabschiedet werden soll, das nicht Hunderten und nicht Tausenden, sondern Hunderttausenden, ja vielleicht sogar Millionen zum Vorteil gereichen kann. Aus diesem Grunde bin ich der Überzeugung, daß wir mit diesem Gesetz den Heimatvertriebenen einen großen Gefallen erweisen.
Es ist ferner gerügt worden, daß die Banken, Sparkassen und Postanstalten ein allzu reiches Entgelt für ihre Mühe bezögen. Demgegenüber darf ich darauf hinweisen, daß dieses Entgelt in vielen Fällen nicht ausreichen wird. Die Heimatvertriebenen sitzen zumeist in großen Massen auf dem flachen Lande, wo es vielfach nur kleine Sparkassen und Banken mit geringem Personalbestand gibt. Ohne Verstärkung ihres Personals werden diese Institute den Massenandrang überhaupt nicht bewältigen können. Dann aber kommen sie mit der Fallgebühr von 1 DM und mit der Zinsspanne von 0,5 °/u überhaupt nicht aus. Es müssen also die Organisationen eingreifen, um hier im Sinne des Ausgleichs zu helfen. Unsere Banken und Sparkassen haben es nicht verdient, daß man sie mit Vorwürfen überschüttet; denn sie haben in den letzten Jahren im Interesse der Allgemeinheit eine Fülle wichtigster Arbeiten geleistet, etwa bei der Währungsumstellung und insbesondere bei der Wertpapierbereinigung. Sie werden sich auch der mühseligen Arbeit zugunsten der ostvertriebenen Sparer, die ihnen finanziell nichts bringt, im Gegenteil, ihnen Kosten verursacht und Verantwortung aufbürdet, unterziehen, einmal weil sie damit bedrängten Volksgenossen helfen können, dann aber auch, weil sie darüber hinaus der Volkswirtschaft einen großen Dienst erweisen dadurch, daß sie den Sparwillen und damit zugleich den nationalen Kreditfonds fördern und festigen helfen, den wir für langfristige Investitionen so dringend brauchen.