Rede:
ID0119206700

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Metadaten
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    4. Herr: 1
    5. Abgeordneter: 1
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    7. Wellhausen.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 192. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. Februar 1952 8249 192. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 13. Februar 1952. Geschäftliche Mitteilungen 8250C Vorlage der Übersicht über die über- und außerplanmäßigen Haushaltsausgaben im Rechnungsjahr 1950 (Nr. 3069 der Drucksachen) 8250D Änderungen der Tagesordnung der 192. und 193. Sitzung 8250D Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Aufhebung der Verordnung über Ausnahmen vom Mieterschutz und Vorlage eines Gesetzes zur Regelung von Miet- und Pachtverhältnissen für Geschäftsräume und gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke (Nr. 3044 [neu] der Drucksachen) 8250D Beratung abgesetzt 8250D Einspruch des Abgeordneten Dr. Richter (Niedersachsen) gegen den ihm in der 189. Sitzung erteilten Ordnungsruf (Umdruck Nr. 441) 8251A Beschlußfassung 8251A Beratung der Großen Anfrage der Fraktionen der FU (BP-Z), FDP, CDU/CSU betr. Maßnahmen zur Förderung des Kunsthandels (Nrn. 3002, 3099 der Drucksachen) 8251A Dr.-Ing. Decker (FU), Anfragender 8251B Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 8252A Dr. Edert (CDU-Gast) 8252D Dr. Bergstraeßer (SPD) 8253A Renner (KPD) 8253B Dr. Reismann (FU) 8253D Dr. Kleindinst (CSU) 8254A Bausch (CDU) 8254C Ausschußüberweisung des Antrags der Fraktion der SPD (Nr. 3099 der Drucksachen) 8255A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Gesetz über die Stellung des Landes Berlin im Finanzsystem des Bundes (Drittes Überleitungsgesetz) (Nr. 3032 der Drucksachen) 8255A Brandt (SPD), Anfragender . . . 8255A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 8256A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über Wirtschaftsprüfer im Genossenschaftswesen (Nr. 3033 der Drucksachen) 8256D Ausschußüberweisung 8256D Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umstellung der Reichsmarksparguthaben heimatvertriebener Sparer (Nr. 2015 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für den Lastenausgleich (17. Ausschuß) (Nr. 3054 der Drucksachen; Umdruck Nr. 443) 8256D Dr. Atzenroth (FDP), Berichterstatter 8257A Wackerzapp (CDU) . 8258C, 8259C, 8261A Kohl (Stuttgart) (KPD) . . . 8258D, 8261D Ohlig (SPD) 8260A Abstimmungen . . . 8258C, D, 8259D, 8262C Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Entschädigung des in den Gemeinden Sembach, Neukirchen-Mehlingen für militärische Zwecke beschlagnahmten Landes sowie der entstandenen Ernte- und Hausschäden und über den Antrag der Fraktion der KPD betr. Entschädigung des in der Gemeinde Miesau (Rheinland-Pfalz) für militärische Zwecke beschlagnahmten Eigentums der Gemeinde, einzelner Privatpersonen und des Sportvereins Miesau (Nrn. 3036, 2868, 2869 der Drucksachen) . 8262C Dr. Leuchtgens (DP), Berichterstatter 8262D Niebergall (KPD) 8263C, 8266A Neber (CDU) 8264A Ludwig (SPD) 8265A Neumayer (FDP) 8265C Beschlußfassung 8266B Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Abgeordneten Dr. Ott u. Gen. betr. Weiterbau der Autobahnteilstrecke Ettlingen—Bruchhausen (Nrn 3037, 2744 der Drucksachen) 8266B Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 8266B Beschlußfassung 8266C Beratung des Antrags der Fraktion der DP betr. Strafanzeige und Ermächtigung zur Strafverfolgung gegen den hessischen Landtagsabgeordneten Furtwängler (Nr 2997 der Drucksachen) 8266C Ewers (DP), Antragsteller 8266C Mellies (SPD) 8267C Schröter (Kiel) (CDU) 8268A Ausschußüberweisung 8268C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für ERP-Fragen (15. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Lenz, Kemmer u. Gen. betr. Ermäßigter Zinssatz für ERP-Wohnungsbaudarlehen (Nrn. 3053, 2285 der Drucksachen) 8268C Brandt (SPD), Berichterstatter . . 8268C Beschlußfassung 8268D Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Vorlage des Geschäftsberichts nebst Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung der Überleitungsstelle für das Branntweinmonopol für das Rumpfbetriebsjahr vom 1. April bis 30. September 1950 (Nr. 3025 der Drucksachen; Umdruck Nr. 440) 8268D Dr. Gülich (SPD), Antragsteller 8269A, 8275C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 8271D Morgenthaler (CDU) 8272D Dr. Baade (SPD) 8273C Dr. Wellhausen (FDP) 8275B Beschlußfassung 8276A Beratung des Antrags der Abg. Cramer, Onnen, Schmücker, Walter, von Thadden u. Gen. betr. Bereinigung der Eigentumsverhältnisse an den bundeseigenen Verkehrsunternehmen in Wilhelmshaven und Regelung des Personenverkehrs zwischen diesen Unternehmen (Nr. 3034 der Drucksachen) 8276A Cramer (SPD), Antragsteller . . . 8276A Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . . 8277B Gundelach (KPD) 8278A Beschlußfassung 8278C Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Vorlage eines Jugendspargesetzes (Nr. 3035 der Drucksachen) . 8278C Winkelheide (CDU), Antragsteller . 8278C Renner (KPD) 8279B Birkelbach (SPD) 8280A Dr. Hoffmann (Schönau) (FDP) . . 8281B Dr. Bertram (FU) 8281C Frau Rösch (CDU) 8282A Ausschußüberweisung 8282D Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. überregionaler Sender (Nr. 3048 der Drucksachen) 8282D Blachstein (SPD), Antragsteller . . 8282D Ausschußüberweisung 8283C Persönliche Erklärung: Dr. Jaeger (CSU) 8283D Nächste Sitzung 8284C Anlage: Schriftliche Erklärung des Abg. Loritz zur Abstimmung über die Anträge der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP (Nrn. 3079, 3075, 3076, 3077 und 3074 der Drucksachen) in der 191. Sitzung . . 8284 Die Sitzung wird um 13 Uhr 31 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Anlage zum Stenographischen Bericht der 192. Sitzung Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Loritz gemäß § 59 der Geschäftsordnung zur Abstimmung über die Anträge der Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP (Nrn. 3079, 3075, 3076, 3077 und 3074 der Drucksachen) in der 191. Sitzung vom 8. Februar 1952. Ich habe gegen die eben genannten Anträge und Entschließungen gestimmt, weil sie nach meiner Überzeugung nicht ernstlich gemeint sind, sondern nur dazu dienen, um die völlig falsche, auf Remilitarisierung gerichtete Politik der Regierung Adenauer zu verschleiern. A. Loritz
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    Rede von Dr. Fritz Baade


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Als Sie auf der heutigen Tagesordnung unseren Antrag lasen, hatten Sie sicher überwiegend den Eindruck, daß es sich um eine entsetzlich trockene Materie handle.

    (Zurufe rechts: Das kann man nicht sagen! — Das ist ja paradox!)

    — Sie haben Recht, Herr Kollege, es ist wirklich paradox, von Trockenheit bei einer Materie zu reden, die mit Trockenheit so wenig zu tun hat wie der Branntwein. Aber die schwache Besetzung des Hauses scheint mir doch dafür zu sprechen, daß der überwiegende Teil unserer Kollegen eine sehr trockene Debatte erwartet hat und deshalb die weniger trockenen Räume dieses Hauses während dieser Debatte vorgezogen hat.

    (Heiterkeit.)

    Ich will mich bemühen, Ihnen in den zwölf Minuten Redezeit über diese Materie einiges so wenig trocken wie nur irgend möglich vorzutragen. Lassen Sie mich mit einem persönlichen Erlebnis beginnen. Es ist ja zunächst schon ein angenehmes persönliches Erlebnis, ein Buch, das man vor 26 Jahren geschrieben hat, wie dieses Buch „Neugestaltung der deutschen Branntweinwirtschaft", nach 26 Jahren zitiert zu hören und dabei feststellen zu können, daß fast jedes Wort heute noch gilt. Aber ich habe mit diesem Buch ein viel angenehmeres Erlebnis gehabt. Als ich dieses Buch gerade geschrieben hatte, bin ich mit einer jungen Dame zum Tanzen ausgegangen.

    (Hört! Hört! in der Mitte. — Heiterkeit.) — Vor 25 Jahren; also das ist verziehen!


    (Erneute Heiterkeit. — Abg. Strauß: War das auch beim Fasching?)

    Sie erzählte mir, sie hätte dieses Buch von mir gelesen. Sie hätte am Abend damit angefangen und hätte dann das Buch mit ins Bett genommen und die ganze Nacht daran gelesen, weil es sich gelesen habe wie ein Kriminalroman.

    (Heiterkeit.)

    Ich muß Ihnen gestehen, daß ich heute wieder einmal in dieses Buch hineingesehen habe. Es liest sich immer noch wie ein Kriminalroman; und die Kapitel, die neu zu diesem Buch geschrieben werden müßten und über die mein Kollege Gülich ja einiges gesagt hat, würden sich wieder so spannend lesen. Dabei versteht natürlich der Herr Finanzminister vollkommen, daß ich mit dem Wort „Kriminalroman" nicht ausdrücken will, daß die Dinge, die in der deutschen Branntweinwirtschaft vor sich gehen, kriminell sind. Immerhin. es ist schon eine ungewöhnlich spannende Geschichte, wie sich hier buchstäblich durch Jahrzehnte hindurch „Gesetz und Rechte wie eine ewige Krankheit fortgeerbt" haben.
    Daß der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums die Geschichte der deutschen Branntweinwirtschaft grundsätzlich nicht anders beurteilt als jene junge Dame, von der ich Ihnen erzählt habe, dafür bürgt Ihnen der erste Passus des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirats, den ich Ihnen hier mit Erlaubnis des Präsidenten verlesen darf. Er besagt:
    Die Geschichte der deutschen Branntweinbesteuerung ist weitgehend die Geschichte der mit ihr verbundenen und aus ihr finanzierten Subventionen. Ziel der Neugestaltung muß es sein, die Branntweinwirtschaft aus einer Quelle der Liebesgaben zu einer Quelle der Staatseinnahmen zu machen.
    Dieses Urteil wäre schon vor 25 Jahren zutreffend gewesen, und es gilt heute noch in demselben Umfang.


    (Dr. Baade)

    Ein ganz kurzer Überblick über die Geschichte. Vor 65 Jahren fing die Liebesgabenpolitik an, und zwar mit dem Branntweinsteuergesetz von 1887, in dem die Liebesgabe geschaffen wurde. Diese Liebesgabe war eine bevorzugte Behandlung der nicht leistungsfähigen Betriebe in der deutschen Branntweinwirtschaft, die damals unter Bismarck sogar in die Form einer direkten geldlichen Rückvergütung gekleidet wurde. Den landwirtschaftlichen Brennereien, vor allem den landwirtschaftlichen Kartoffelbrennern, flossen in jedem Jahr der Liebesgabenpolitik 40 Millionen alte gute Goldmark an Subventionen zu. Da diese Politik insgesamt 15 Jahre — bis zur Novelle von 1902 — betrieben worden ist, sind in diesen 15 Jahren insgesamt 600 Millionen Goldmark an Liebesgaben gezahlt worden. Dies geschah im Dienste einer Politik, die darauf hinauslief, erstens systematisch die Verwendung teurer Rohstoffe zu begünstigen, und zwar von Rohstoffen, die wir, wie Getreide und Kartoffeln, für die menschliche und tierische Ernährung nutzen können, zweitens die Verwendung billiger Rohstoffe zu unterdrücken, drittens systematisch unwirtschaftlich arbeitende kleinere Betriebsgrößen zu erhalten und viertens systematisch den Prozeß zu unterbinden, der in der ganzen übrigen Wirtschaft vor sich geht und der dadurch gekennzeichnet ist, daß immer größere und immer leistungsfähigere Betriebsgrößen geschaffen werden.
    Hier, verehrter Herr Minister, muß ich doch gleich eins anmerken: die Gegenüberstellung Chemie — Natur zieht in diesem Fall nicht. In den gleichen 65 Jahren, in denen wir in Deutschland diese verkehrte Branntweinwirtschaft betrieben haben, ist in anderen Ländern eine entgegengesetzte Branntweinwirtschaft betrieben worden. Ich erwähne nur England. Von diesen 65 Jahren spielte die Chemie in der englischen Branntweinwirtschaft mindestens 60 Jahre lang gar keine Rolle. Während dieser Zeit hat sich in der englischen Branntweinwirtschaft nur die Vernunft durchgesetzt. Der weltwirtschaftlich billigste Rohstoff, die Melasse, wurde in England der wichtigste Rohstoff. Man hielt nicht kleine und verwaltungsmäßig teuer zu kontrollierende Betriebe künstlich am Leben, sondern verfolgte in der Branntweinwirtschaft einen gesunden Konzentrationsprozeß — nicht von Staats wegen, sondern im Wege einer sich frei entfaltenden Konkurrenz.
    Als Ergebnis sehen wir folgendes. In Deutschland hatten wir — als das gesamte deutsche Gebiet noch beisammen war — 50 000 Brennereien, während in England die Zahl der Brennereien um die Jahrhundertwende schon auf 200 herabgesunken war; diese Zahl ist inzwischen nochmals auf die Hälfte zurückgegangen. Das ist eine Entwicklung, die mit der Chemie gar nichts zu tun hat, sondern einfach mit der wirtschaftlichen Vernunft in dem Sinne, wie sie eigentlich gerade von der rechten Seite des Hauses vertreten wird.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Ich kann Ihnen hier in der kurzen Zeit nicht die ganze Geschichte der Branntweinwirtschaft vortragen, sondern nur im Eilzugtempo einige Tatsachen anführen. Nach der Periode der Liebesgabenpolitik kam die Periode des Privatmonopols auf Grund der Branntweinsteuernovelle vom Jahre 1902 und der vorangegangenen Gründung des Spirituskartells. Das war eine Periode, die der Finanzwissenschaftler Lotz dahin gekennzeichnet hat, daß hier privatwirtschaftlich orientierte Planwirtschaft zur Herstellung eines Privatmonopols betrieben wurde.
    Dieses Privatmonopol funktionierte nicht. Infolgedessen wurde es 1918 durch ein Staatsmonopol ersetzt, ein Staatsmonopol. das uns Sozialdemokraten in unserem Herzen nicht teuer ist, weil es nichts anderes als eine neue Form der Fortsetzung der Liebesgabenpolitik darstellte. Als ich im Jahre 1925 diesen „Kriminalroman" schrieb, war die Situation so, daß sich die Geschäfte der Monopolverwaltung in zwei Gruppen teilen ließen, in Verlustgeschäfte und Gewinngeschäfte. Aus den Gewinngeschäften — d. h. in der Hauptsache beim Absatz von Trinkbranntwein — wurden etwa 165 Millionen Mark Einnahmen erzielt. Bei den Verlustgeschäften wurden 83 Millionen Mark zugesetzt. Diese 83 Millionen Mark wurden bezahlt aus der Ausnutzung eines Staatsmonopols, das eigentlich verpflichtet gewesen wäre, dem Staat diese Einnahmen abzuliefern, das aber statt dessen 83 Millionen Mark jährlich ausgab, um verlustbringende Absatzzweige aufrechtzuerhalten. Das habe ich damals angeprangert und gleichzeitig als erster festgestellt, daß der ganze Wert dieser Brennrechte, den die Besitzer selber ihnen zumessen, nur in der Größenordnung eines Kapitalwerts von 100 Millionen Mark lag. Der Reichsfinanzminister hätte also ein glänzendes Geschäft gemacht, wenn er diesen ganzen Mißbrauch rein privatwirtschaftlich abgelöst hätte und die Brennrechte, die für die Versorgung des Trinkbranntweinverbrauchs nicht mehr benötigt wurden, abgelöst hätte. Er hätte dabei das hineingesteckte Geld zu 80 % verzinst.
    Nach dieser Periode kam eine noch viel unglücklichere Periode, die der Herr Kollege Gülich schon erwähnt hat, nämlich der Übergang eines Staatsmonopols, das wenigstens ein demokratisch kontrolliertes Monopol war, in ein totalitäres Monopol. Dieses Monopol haben wir heute noch immer in Deutschland. Während der ganzen Zeit von 65 Jahren ist mit Mitteln einer sinnlosen Zwangswirtschaft versucht worden, gegen einen Tatbestand anzukämpfen, den wir in Deutschland eigentlich nur begrüßen können, nämlich gegen die Tatsache, daß das deutsche Volk weniger Schnaps als früher trinkt. Am Beginn dieser Entwicklung, im Jahre 1880, war der Branntweinkonsum in Deutschland pro Kopf der Bevölkerung 7 1/2 Liter reinen Alkohols. In Schlesien betrug er sogar 13 l reinen Alkohol. Um die Jahrhundertwende ging er auf 4 1/2 l reinen Alkohol zurück. Damit war ein erheblicher Teil der Branntweinkapazität für die Deckung des Trinkbranntweinbedarfs überflüssig geworden. Als ich mein Buch schrieb, war der Trinkbranntweinkonsum in Deutschland auf 1,3 1 zurückgegangen, d. h. auf den zehnten Teil dessen, was um das Jahr 1880 in Schlesien Betrunken worden war. Heute beträgt der Trinkbranntweinkonsum in der Bundesrepublik nur noch 0.7 l reinen Alkohol. Es sieht mir nicht so aus, als ob er in erheblichem Maße wieder steigen würde. Jugendbewegung. Sport, Obstkonsum und auch der Wein- und Bierkonsum tun das ihre, um den Branntweinkonsum nicht über die heutige Höhe hinaus ansteigen zu lassen.
    Hier ergibt sich für den Finanzminister und für uns die große Aufgabe, aus diesem schmalen Sektor unseres Verbrauchs, aus einem Produkt, das zwar nicht lebensnotwendig, aber sehr angenehm zu trinken ist — ich bekenne mich selber als einer, der das zuweilen tut —, aus diesem Konsum herauszuholen, was der Branntwein fiskalisch aufbringen muß, damit unsere Staatsfinanzen in Ordnung sind.


    (Dr. Baade)

    Das ist eine Summe ungefähr in der Größenordnung von einer halben Milliarde DM. Es ist eine erschreckende Tatsache, daß meiner Schätzung nach auch heute noch neben den etwa 450 Millionen DM, die die Branntweinbelastung dem Staat einbringt, etwa 150 Millionen DM sich auf den krausen Umwegen dieser seit Jahrzehnten künstlich und immer künstlicher gestalteten Branntweinwirtschaft verlieren. Ich glaube, es kann unter uns überhaupt gar keinen Zweifel geben, daß damit endlich einmal Schluß sein muß. Es kann keinen Zweifel daran geben, daß wir an eine besonnene und behutsame Reform der deutschen Branntweinwirtschaft herangehen müssen und daß eine Sache nicht allein deshalb heute als lebensfähig betrachtet werden muß, weil sie über 50 Jahre lang künstlich am Leben erhalten worden ist.
    Ich möchte mich vollkommen dem anschließen, was mein Freund Gülich gesagt hat. Die Obstbrenner werden dabei nicht umgebracht werden. Wer selber in seinem Leben manchen Kirsch und Steinhager und Weinbrand durch seine Kehle hat rinnen lassen, dem müßte ja die Kehle verdorren, wenn er diese Produktion zum Erliegen bringen wollte. Davon kann gar keine Rede sein. Mit diesem Argument sollte man von vornherein nicht arbeiten. Wir müssen uns kritisch die Branntweinwirtschaft ansehen, wir müssen prüfen, was in ihr nun wirklich vollkommen überlebt ist und wo dem technischen und industriellen Fortschritt der Weg freigemacht werden muß.
    Unser Antrag, meine Damen und Herren, präjudiziert in keiner Weise diese Entscheidung. Unser Antrag verlangt nur das Selbstverständlichste, was ein Parlament verlangen muß, nämlich die reichhaltigste Dokumentation, die wir nur irgend bekommen können. Ich habe mit Interesse vernommen, was der Herr Finanzminister sagte, daß wir die vollständigen Geschäftsberichte bekommen werden, sobald das Ergebnis der Rechnungsprüfung vorliegt. Ich bitte Sie, zuzustimmen, daß unser Antrag dem Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen überwiesen wird, damit wir dann dort darangehen können, diese Frage mit all derjenigen Sorgfalt und. gestatten Sie mir zum Schluß noch das Wort, mit der Nüchternheit zu prüfen, die bei einer so alkoholischen Materie irgend angebracht ist. (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Wellhausen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich auf sehr wenige Worte beschränken. Der Bundesfinanzminister hat bereits angekündigt, daß er bereit ist. den Anträgen, oder wollen wir lieber sagen: dem Wortlaut der Anträge zu entsprechen. Ich würde es, ebenfalls für meine Freunde, begrüßen, wenn die schon für eine frühere Zeit angekündigte Vorlage des Gesetzes über das Branntweinmonopol nun erfolgen würde.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Im übrigen muß ich für meine Freunde zum Ausdruck bringen, daß es wohl nicht sehr gut war, daß die Antragsteller die Worte benützt haben, um die Gedanken zu verbergen,

    (Sehr gut! rechts)

    denn der stärkste Mann konnte aus dem Wortlaut des Antrags .nicht erkennen, daß wir eine grundsätzliche Rede über das Branntweinmonopol, noch viel weniger, daß wir die Fortsetzung eines Kriminalromans hier hören würden.

    (Heiterkeit.) Ich würde also glauben, wir sollten die sachliche Beratung, auf die dieses Haus nicht vorbereitet sein konnte, Herr Gülich, sei es im Finanzausschuß schon führen, wenn wir die Berichte haben, lieber aber dann, wenn der Gesetzesvorschlag der Regierung, der nun wirklich, ich wiederhole es, nicht mehr auf sich warten lassen sollte, vorliegt.