Protokoll:
1084

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 1

  • date_rangeSitzungsnummer: 84

  • date_rangeDatum: 13. September 1950

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 14:35 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 21:05 Uhr

Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108400000
Meine Damen und Herren! Die 84. Sitzung des Deutschen Bundestages ist eröffnet.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, die krank und entschuldigt fehlenden Abgeordneten zu verlesen.

Willy Massoth (CDU):
Rede ID: ID0108400100
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Dr. Köhler, Müller (Worms), Lohmüller, Dr. Bergstraeßer, Graf, Bielig, Stopperich, Dr. Baur (Württemberg), Bazille, Dr. Gülich, Nuding. Es fehlen entschuldigt die Abgeordneten Bodensteiner, Revenstorff, Freudenberg, Dr. Middelhauve, Wönner, Höfler, Morgenthaler, Dr. Kopf, Schütz, Dr. Suhr, Nowack (Harburg), Dannemann, Jahn, Dr. Holzapfel, Frau Dr. Weber (Essen), Struve, Dr. Semler, Dr. Frey, Niebergall, Frau Thiele, Junglas. Außerdem fehlen die Abgeordneten Fisch, Müller (Offenbach), Reimann, Renner, Rische, Vesper.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108400200
Meine Damen und Herren! Ich habe dann noch folgende Mitteilungen zu machen.
Der Herr Abgeordnete Dr. Richter (Niedersachsen) hat mit Schreiben vom 9. dieses Monats mitgeteilt, daß er ab sofort unabhängiger Abgeordneter ist.

(Lachen bei der SPD und in der Mitte.)

Der Ältestenrat hat in seiner gestrigen Sitzung Beschlüsse gefaßt, nach denen sich folgende Änderungen in der Ihnen vorliegenden Tagesordnung der 84. Sitzung ergeben.
Punkt 1, Antrag der Fraktion der Bayernpartei betreffend Entlassung des Bundesfinanzministers Schäffer — Nr. 1259 der Drucksachen —, wird abgesetzt und in einer Sitzung des Bundestages am Mittwoch, dem 20. September 1950, behandelt werden.
An Stelle dieses Punktes wird, wie schon gestern im Plenum beschlossen, die Interpellation der Ab-


(Vizepräsident Dr. Schäfer)

geordneten Dr. Schmid (Tübingen), Frau MeyerLaule, Frau Schanzenbach, Dr. Veit, Maier (Freiburg), Herbig, Matzner und Fraktion der SPD betreffend Ausführungen des Wirtschaftsministers des Landes Baden — Nr. 1204 der Drucksachen — als erster Punkt der Tagesordnung beraten.
Die Beratungen des Gesetzentwurfs zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen und des Bundesversorgungsgesetzentwurfs werden dergestalt ausgetauscht, daß heute als Punkt 5 die erste Beratung des Bundesversorgungsgesetzes ansteht.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108400300
abzusetzen die Punkte 2, 3a und b, 4, statt dessen die Punkte 5a und b zu beraten und dann hinzuzufügen, wie das in der gestrigen Sitzung des Ältestenrates beschlossen war, die erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) — Drucksache Nr. 1333 —. — Ich höre keinen Widerspruch gegen meinen Vorschlag; ich darf also die Zustimmung des Hauses dazu feststellen.
Wir treten nunmehr in die Tagesordnung ein. Punkt 1:
Beratung der Interpellation der Abgeordneten Dr. Schmid (Tübingen), Frau Meyer-Laule, Frau Schanzenbach, Dr. Veit, Maier (Freiburg), Herbig, Matzner und Fraktion der SPD betreffend Ausführungen des Wirtschaftsministers des Landes Baden (Nr. 1204 der Drucksachen).
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Schmid.
Dr. Schmid (Tübingen) (SPD), Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Nr. 170 der „Neuen Zeitung", der Nummer vom 20. Juli 1950, stand geschrieben, daß der Herr Wirtschaftsminister des Landes Baden, Herr Dr. Lais, auf einer Kundgebung in Konstanz unter anderem gesagt habe, „daß im kommenden Europa die natürliche Wirtschaftseinheit des Oberrheintales nicht durch Vorwegnahme des Südweststaates zerrissen werden solle. Baden und das Elsaß seien dezentralisierte Länder, dagegen sei Württemberg zentralistisch organisiert. In einem vereinten Europa werde es daher für das wiederhergestellte Baden natürlicher sein, sich nach Westen als nach Osten zu orientieren. Eine solche Entwicklung werde, wenn sie sich im Rahmen der Europa-Union halte, nationale Bedenken gegenstandslos machen, um so mehr als sich in Frankreich eine völlige Wandlung gegenüber Deutschland angebahnt habe."
Im Badischen Landtag hat dieserhalb, wie man in der Presse lesen konnte, vor einigen Tagen eine Debatte stattgefunden. In dieser Debatte wurde aus dem Manuskript des Herrn badischen Wirtschaftsministers vorgelesen, aus dem Manuskript, nach dem er gesprochen hat. Man sagt, daß Herr Dr. Lais ein Mann sei, der sich in seinen Reden im allgemeinen streng an sein Manuskript halte. So können wir annehmen, daß dieses Manuskript Beweiskraft hat. Nach diesem Manuskript hat er nicht ganz so gesprochen, wie es in der „Neuen Zeitung" berichtet worden ist; er hat — nach
diesem Manuskript — in Konstanz gesagt — ich zitiere nach einer badischen Zeitung, die über die Landtagssitzung berichtete —:
Ich möchte daher die Frage stellen, ob es nicht natürlicher wäre, unsere badische Wirtschaft mit der des elsässischen Stromlandes zu verklammern statt mit der Württembergs.
Die anderen in der „Neuen Zeitung" berichteten Äußerungen werden offenbar nicht bestritten. Es mag aber sein, daß die „Neue Zeitung" auch hier nicht ganz vollständig und richtig berichtet hat. Ich lasse es dahingestellt.
Diese Äußerungen des Herrn badischen Wirtschaftsministers werfen eine Reihe von Problemen auf, zu denen meines Erachtens der Bundestag sein Wort zu sagen hat. Wenn er sein Wort dazu nicht sagte, meine Damen und Herren, so würde er, glaube ich, gegen seine Pflichten verstoßen. Vielleicht mag es in diesem Hause einige Damen und Herren geben, die glauben — es ist mir gestern gesagt worden —, es heiße die Bedeutung einer öffentlichen Rede eines badischen Ministers im Südweststaat-Abstimmungskampf überschätzen, wenn man den Bundestag expreß damit beschäftige. Ich bin nicht dieser Meinung. In Anbetracht des Umstandes, daß es ganz offenbar auch heute noch Politiker gibt — zumindest aber gab es sie noch gestern —, die glauben, es gelte — wie sie sagen, um der Sicherheit der Anrainer Deutschlands willen und um der Förderung unserer Demokratisierung willen —, den inneren Zusammenhang dieses Landes nach den Grenzen hin zu lockern, in Anbetracht dieses Umstandes, sage ich, wird auch die Rede des Herrn badischen Wirtschaftsministers zum politischen Stoff und, wie ich glaube, zu einem Stoff auf bundespolitischer Ebene. Denn es mag Leute geben, die sich vornehmen könnten, daraus einmal dieses oder jenes Argument gegen den Grad des inneren Zusammenhangs der Bundesrepublik abzuleiten, und es mag umgekehrt im Osten Leute geben, die der Bundesrepublik den Vorwurf machen könnten, sie fördere ihrerseits Zustände, wie sie der Herr badische Wirtschaftsminister offenbar für wünschbar hält. Der Satz: „Qui tacet, consentire videtur" — „Wer schweigt, gibt sich zumindest den Anschein, zuzustimmen" — dieser Satz zwingt uns, hier zu sprechen.
Über den Geschmack einer solchen Äußerung soll hier nicht gesprochen werden. Nur nebenher möchte ich die mehr rhetorische Frage stellen: was wäre wohl dem Präfekten in Straßburg geschehen, wenn er — etwa in Kolmar — auf einer öffentlichen Kundgebung gesagt hätte, die Wirtschaft des Elsaß sollte in einem künftigen Europa eher nach Westdeutschland als nach Inner-Frankreich hin orientiert — „verklammert" heißt der Ausdruck, den der Herr badische Wirtschaftsminister gebraucht hat — werden?
Nun ist es sicher: ein deutscher Länderminister ist etwas anderes als ein französischer Präfekt; aber ich glaube nun einmal, daß man die deutschen Libertäten nicht überstrapazieren sollte. Es könnte sonst sein, daß einem ein scharfes Wort Conrad Ferdinand Meyers

(Richtig! bei der SPD)

über die deutsche Libertät einfallen könnte, vielleicht einfallen müßte.
Es geht hier also nicht um Geschmacksfragen; es geht um etwas anderes: ein Landesminister hat öffentlich erklärt, daß in einem geeinten Europa


(Dr. Schmid [Tübingen])

die Wirtschaft eines Teils des Bundesgebietes — denn das ist das Land Baden doch — nicht nach dem Bundesgebiet hin, sondern nach dem unmittelbar benachbarten Ausland hin orientiert — mit ihm „verklammert" — werden solle. Damit hat er nicht nur den Anspruch erhoben, daß das Land Baden künftig einen wesentlichen Teil der Außenwirtschaftspolitik des Bundes zu bestimmen habe — eine deutsche Bundeswirtschaftspolitik wird es ja auch in einem geeinten Europa noch geben müssen —, sondern er hat auch einen Zustand für wünschenswert erklärt — den die Wiederherstellung Altbadens ermöglichen solle —, einen Zustand, der dadurch charakterisiert sein soll, daß die Wirtschaft Badens, also die Wirtschaft des südwestlichsten Teils der Bundesrepublik, dem benachbarten deutschen Bundesgebiet den Rücken kehren und sich mit französischem Staatsgebiet wirtschaftlich verklammern solle.
Ich weiß nicht, ob dem Herrn badischen Wirtschaftsminister unter dem Bild der „Verklammerung" so etwas vorgeschwebt hat wie die Verklammerung der saarländischen Wirtschaft mit Frankreich. Vielleicht ist das nicht der Fall, wahrscheinlich nicht! Ich möchte aber hier doch feststellen, daß bei der politischen Dynamik solcher wirtschaftlicher Verklammerungen politische Konsequenzen unausweichlich sein müßten, wenn die Gedankenspiele des Dr. Lais in die Wirklichkeit umgesetzt werden sollten — und zwar, um es geradeheraus zu sagen: politische Konsequenzen separatorischer Art.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Denn es ist ja nicht nur von einer wünschbaren Verklammerung mit dem Westen zu sprechen, sondern man hat — nicht dem Wort, aber dem Sinne nach — auch von einem Wegwenden Badens von Württemberg gesprochen.

(Zuruf rechts: Sie begreifen es nicht besser!) Wir wollen aber auch in einem geeinten Europa ein geeintes Deutschland bleiben.


(Lebhafte Zustimmung und Beifall bei der SPD und rechts.)

Ich meine: Wer den Namen Europas zur Rechtfertigung solcher Ausklammerungs- und Verklammerungswünsche mißbraucht, der kränkt nicht nur die Idee Europa, sondern erschwert die Realisierung des Europa, das wir alle wünschen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Ich weiß nicht, ob in der Rede des Herrn badischen Wirtschaftsministers Vorstellungen lebendig geworden sind, wie sie mir ein hoher Beamter des Landes Baden im Jahre 1945 entwickelt hat, daß nämlich Baden durch die Ereignisse des Jahres 1945 staatsrechtlich und völkerrechtlich wieder in den Stand des Jahres 1869 eingesetzt worden sei. Ich weiß es nicht. Aber so oder so: die Bundesregierung wird sich zu diesen Dingen äußern müssen!
Man hat mir gesagt, daß der Herr badische Wirtschaftsminister, den ich persönlich nicht kenne, ein guter deutscher Patriot sei.

(Zuruf rechts: Das ist er auch!)

Ich will es glauben. Um so bezeichnender aber ist
dann dieser Vorgang; denn er zeigt, wohin man
kommt, wenn man die Ebene verantwortlicher gesamtpolitischer Überlegungen verläßt und den Gedanken durch Kirchturmsängste und den Tonfallschwindel falschen Heimatbardentums trüben läßt.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Ein weiteres Problem wird durch die Rede des Herrn badischen Wirtschaftsministers aufgeworfen, nämlich das Problem: Bundesländer und Außenpolitik! Art. 32 des Grundgesetzes lautet:
Die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten ist Sache des Bundes.
Vor dem Abschlusse eines Vertrages, der die besonderen Verhältnisse eines Landes berührt, ist das Land rechtzeitig zu hören.
Soweit die Länder für die Gesetzgebung zuständig sind, können sie mit Zustimmung der Bundesregierung mit auswärtigen Staaten Verträge abschließen.
Daraus folgt: der Bund ist Herr der Beziehungen zu auswärtigen Staaten, und zwar nicht nur im Sinne formaler Zuständigkeiten, sondern auch materiell. Das bedeutet: Es gibt nur eine Außenpolitik des B u n des, und es gibt keine Außenpolitik der Länder!

(Beifall bei der SPD und rechts.)

Das bedeutet weiter: außenpolitische Erwägungen verantwortlicher deutscher Politiker können sich nur auf das Verhältnis des Bundes zum Ausland beziehen und nicht auf das Verhältnis von Bundesländern zum Ausland. Auch wenn sich die in Frage stehenden Interessen auf dem Gebiet eines Bundeslandes konzentrieren, handelt es sich immer um Interessen der ganzen Bundesrepublik, und das gilt für alle Sachgebiete. Daran sollte man sich halten.
Nun bestimmt Abs. 3 des Art. 32 — ich habe auch diesen Absatz verlesen —, daß die Länder, soweit sie für die Gesetzgebung zuständig sind, mit Zustimmung der Bundesregierung Verträge mit auswärtigen Staaten abschließen können.
Diese Verträge können sie natürlich — das ergibt sich schon aus der einschränkenden Klausel von der notwendigen Zustimmung der Bundesrepublik — nur im Rahmen der Bundespolitik abschließen. Solche Verträge und ihre Vorbereitung sind aber nicht Gegenstand einer Außenpolitik der Länder. Verhandlungen über solche Verträge können niemals Ausfluß sogenannten eigenständigen politischen — außenpolitischen — Wollens von Länderregierungen sein, und sie können insbesondere niemals die Frage des Zusammenhalts der deutschen Länder betreffen. Diese Verträge werden technische Verträge sein; es werden Verträge sein, die man als Verwaltungsabkommen zu bezeichnen pflegt, und ähnliches. Es können aber niemals Abkommen sein, welche die Struktur Deutschlands betreffen oder die Politik seiner Regierung. Letzten Endes handelt es sich auch bei den Verträgen des Abs. 3 um eine Art von dezentralisierter Betätigung von Bundespolitik, bei der der Bund die Länder handeln läßt, wo das zu regelnde Interesse sich ausschließlich auf dem Gebiete eines Bundeslandes lokalisieren läßt. Auch hier möchten wir die Frage stellen, ob die Bundesregierung dieser Auffassung ist oder ob sie eine andere Auffassung hat.
Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch ein Wort zu der so beliebten Brückentheorie sprechen. Es wird im Südwesten Deutschlands gelegentlich davon gesprochen, daß Baden die Mission habe, die Brücke zwischen Deutschland und Frankreich zu schlagen.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Nun, meine Damen und Herren, wieso braucht man
denn „Brücken", wenn zwei Völker sich bemühen,
zueinander in ein männlich anständiges Verhältnis


(Dr. Schmid [Tübingen])

zu kommen? Sagen denn die Belgier etwa, sie brauchten die Flamen, um zu den Niederlanden in ein gutes Verhältnis zu kommen, oder die Wallonen, um eine Brücke zu den Franzosen zu schlagen? Dafür könnte man wenigstens linguistische Gründe ins Feld führen. Es ist doch so: das Sympathieverhältnis zweier Völker kann wirksam nur in zwiefacher Weise vorgestellt werden: so, daß das Verhältnis so eng wird, daß beide Länder sich zu einer höheren Einheit verschmelzen und sich in der höheren Einheit aufheben. Das ist die eine Möglichkeit. Die andere ist der offene und vorbehaltlose Verkehr von Land zu Land, von Volk zu Volk, aber immer der vorbehaltlose Verkehr des Ganzen mit dem Ganzen.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Wenn man von angeblich notwendigen Brücken spricht, postuliert man letzten Endes — wohl ohne es zu wollen, vielleicht auch, ohne es zu wissen — das Fortbestehen des Grabens zwischen den Ländern. Wozu soll eine Brücke nötig sein?

(Sehr gut! bei der SPD und FDP.)

Wir möchten aber, daß kein Graben sei, und darum fordern wir, daß man dieses Bild von der Brücke endlich in die Wolfsschlucht werfe, wohin es längst gehört! Man glaube doch nicht, daß es einer badischen Sonderpolitik bedürfe, um das deutsche Volk und das französische Volk endlich dazu zu bringen, ihren Weg in die Zukunft, wenn nicht jetzt schon Hand in Hand, so doch wenigstens heute schon Seit an Seit zu gehen. Man hat manchmal den Eindruck, als ob die Brückentheorie in erster Linie um der moralischen Rechtfertigung gewisser Partikularismen willen erfunden worden sei.

(Lachen bei der BP.)

— Welche Überschätzung, Herr Kollege, der Sie eben so freundlich lachten! —Ich glaube, Sie waren es, Herr Baumgartner. Hören Sie gut zu! — Welche Überschätzung des Mikrokosmischen im Leben der Völker

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und rechts)

und welche Unterschätzung der einfachen und klaren Tatbestände der Geschichte, die immer al fresco malt und nicht altmeisterlich pinselt, Herr Kollege Baumgartner!

(Abg. Dr. Seelos: Die Südbadener sitzen da drüben, Herr Kollege Schmid!)

— Entschuldigen Sie, es war das freundliche Lachen Ihres Parteivorsitzenden, das mich veranlaßt hat, mit Vorzug nach Ihrer Seite zu sprechen.

(Heiterkeit.)

Mit dieser Vorstellung notwendiger Brücken beseitigt man den Hader nicht, sondern man verewigt ihn. Es führt uns dazu, seine Ursachen zu unterschätzen und das, was in den Schicksalsbereich der Politik gehört, in die Gemütlichkeit der Folklore und der Trachtenfeste zu verschieben.
Es gibt noch ein drittes Problem, das durch die Konstanzer Rede aufgeworfen worden ist, nämlich das Problem der Bewegung der Politik auf Europa hin und die Rolle der deutschen Bundesländer dabei. Anläßlich der Debatte über die Zusammensetzung der deutschen Delegation nach Straßburg war schon der Anspruch erhoben worden, die Länder der Bundesrepublik über den Bundesrat im Europarat vertreten zu lassen. Erfreulicherweise hat die überwiegende Mehrheit dieses Hauses in richtiger Erkenntnis des Umstandes, daß in einem Bundesstaat die Aktivität der Länder an den Grenzen des Bundes haltzumachen habe, dieser Forderung nicht stattgegeben. Aber immer wieder hört man im Zusammenhang mit Betrachtungen über den besten Weg, nach Europa zu kommen, Erwägungen etwa folgender Art: Europäisches Denken verlange, daß die Bundesländer auch eine europäische Aktivität nach außen entfalten dürfen oder daß, wenn man Europa wolle, die Eigenstaatlichkeit der Länder zu verstärken sei. Ich hatte immer gedacht: umgekehrt wäre logisch. Wenn wir schon dieses ganze Deutschland in einen höheren Verband einführen wollen, wäre es doch folgerichtig, auch innerhalb Deutschlands dem Zuge zum größeren Verband stattzugeben.

(Sehr richtig! bei der SPD. — Zuruf von rechts: Zentralismus!)

Statt dessen glaubt man, das Richtige sei die Rückentwicklung zum Biedermeier.
Vor einer Woche etwa hat man im Landtag zu Bebenhausen, dem Landtage des Landes Württemberg-Hohenzollern, über eine hohenzollernsche Verwaltungsautonomie debattiert. Und dort wurde von einem hohenzollerischen Abgeordneten — übrigens einem nach Hohenzollern emigrierten Württemberger —

(Heiterkeit)

die These vertreten, im Zeichen des werdenden Europa sei es unumgänglich notwendig, den 65 000 Bewohnern der hohenzollernschen Lande eine eigene Selbstverwaltung einzuräumen. Die Schwaben sind großzügiger, als ihr Ruf es will. Sie haben diese Sonderstellung gewährt,

(Heiterkeit)

und sie haben es gern getan — allerdings nicht so sehr im Hinblick auf die „europäische Notwendigkeit" dieser Regelung, als vielmehr deshalb, weil sie es für eine ganz vernünftige Sache halten, wenn Leute der Meinung sind, im Tal der Killer und im Tal der Lauter lebe man eben noch ein bißchen anders als im Neckartal, und dem solle verwaltungsrechtlich Ausdruck gegeben werden.

(Zuruf von der SPD: Die Preußen hätten das nicht getan!)

— Die Preußen hätten das nicht getan? Vielleicht doch! Auch sie sind oft besser als ihr Ruf gewesen.
Es ist eine merkwürdige Sache: für viele Leute ist Föderalismus, wenn sie an das Einbringen Deutschlands in einen höheren Verband denken, etwas Assoziatives, wenn sie aber an Deutschland selber denken, etwas Dissoziatives. Ich muß gestehen, daß mir das nicht recht in den Kopf hinein will: Europa und die Organisation der Bundesrepublik haben miteinander nichts zu tun, das verfassungsmäßige Verhältnis zwischen Bund und Ländern auch nicht. Deutschland wird nach Europa gehen so, wie es ist, d. h. mit der Verfassung, die es hat — wenn Europa heute geschaffen werden sollte, mit der Verfassung des Grundgesetzes, morgen, nach der Herstellung der deutschen Einheit, aber mit seiner endgültigen Verfassung!
Und nun zum Schluß! Wir haben einen Bundesstaat. An diesem Bundesstaat ist vieles provisorisch, u. a. auch die Existenz und Größe mancher Länder, von denen ein Teil ja erst nach 1945
— wahrscheinlich ohne besondere politische und sonstige Überlegungen — geschaffen worden ist. Es gibt darum in Deutschland noch ein Gliederungsproblem, ein Problem des Inhalts: wie ist das Gebiet der Bundesrepublik unter Beachtung von Größe und Gestalt der Länder föderativ zu glie-


(Dr. Schmid [Tübingen])

dern? Dabei haben wir alle Erwägungen darüber auszuschließen, ob die von den Deutschen für richtig und notwendig gehaltene Lösung den Vorstellungen einer Besatzungsmacht von der besten Organisation Deutschlands entspricht oder nicht.

(Sehr gut! rechts.)

Die beste Gliederung unserer Länder ist kein Problem der Bestätigung der Auffassungen ausländischer Politiker von der den Interessen ihres Landes bekömmlichsten Aufgliederung des deutschen Bundesstaats;

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD und rechts)

sie ist ausschließlich ein Problem deutscher Zweckmäßigkeiten.

(Erneute Zustimmung bei der SPD und rechts.)

Das ist das eine, was hierbei zu beachten ist.
Das andere ist folgendes. Föderalistischer Aufbau setzt — wenn ein funktionsfähiges Staatsgebilde geschaffen werden soll — ausgewogene Länder voraus. Wo die Länder sich zu sehr quantitativ unterscheiden, hat man fast immer den Fall, daß das stärkste Land und das schwächste Land den „Länderwillen" im Bundesrat bestimmen. „Mittlere" Länder werden dabei in den Hintergrund gedrängt. Nun sind aber, wie ich glaube, Baden und Württemberg gegenüber Bayern und Nordrhein-Westfalen zu klein und zu arm, anderen Bundesländern gegenüber aber nicht arm genug, um eine wirklich bestimmende Rolle spielen zu können.

(Sehr gut! rechts.)

Soll der Bund vernünftig gegliedert werden, dann müssen wir das Gebiet dieser beiden Länder zusammenlegen — nicht zum Vorteil der Bewohner dieses Teiles Deutschlands allein, sondern zum Vorteil der gesamten Bundesrepublik, die eine vernünftige Gliederung braucht.

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD und rechts.)

Nun, das wird durch die Abstimmung der Bevölkerung in Baden und Württemberg am 24. September entschieden werden. Wir hoffen, daß dabei die Vernunft siegen wird. Auf jeden Fall aber ist es Sache der betroffenen Bevölkerung, die Entscheidung zu treffen.

(Allgemeine Zustimmung.)

Sie hat zu bestimmen.
Aber wir möchten es uns verbitten, daß man jetzt, im Abstimmungskampf, von „Verrat" spricht, wenn einer in Baden die Bestrebungen zur Bildung eines Südwestsstaates fördert; daß man den Württembergern „Raubgelüste" vorwirft

(Heiterkeit)

und damit die Luft im Südwesten vergiftet; daß man vom Überschreiten des Rubico spricht,

(Heiterkeit)

wenn der südwürttembergische Staatspräsident in Freiburg spricht. Ich weiß nicht, ob der Rubico, der da beschworen worden ist, wirklich die Entenpfütze ist, die der Karikaturist der „Stuttgarter Zeitung" gezeichnet hat. Aber wenn man schon die Erinnerung an einen der dramatischsten Augenblicke des klassischen Altertums heraufruft, sollte man dies nicht übersehen: Als Cäsar sich entschloß, den Rubico zu überschreiten, entschloß er sich, den Bürgerkrieg zu beginnen ... Ich glaube nicht, daß der Schreiber des Briefes, in dem die
Überschreitung des Rubico beschworen wurde, den Bürgerkrieg aufnehmen will. Herr Dr. Zürcher wird keine Flinte in die Hand nehmen, um gen Württemberg zu Felde zu ziehen, auch keine Armbrust, vielleicht eine Schleuder, aber sonst sicher nichts ...

(Große Heiterkeit.)

Man sollte mit solchen Redensarten vorsichtig sein und die Kirche im Dorf lassen. Wenn sich Deutsche miteinander über die beste Art, Deutschland zu organisieren, unterhalten oder darum streiten, sollte alles Notwendige auch ohne Reminiszenzen aus Bürgerkriegszeiten gesagt werden können.
Was nun den Anlaß zu dieser Interpellation betrifft, so finden wir es nicht gut, daß der Minister eines deutschen Bundeslandes seinen Landsleuten die Verklammerung der Wirtschaft Badens mit der Wirtschaft Westfrankreichs als eine Lösung anpreist, die gegenüber dem Südweststaat, also gegenüber einer Verstärkung des Einflusses des deutschen Südwestens in der Bundesrepublik, den Vorzug verdiene. Wir meinen, daß die Bundesregierung dazu ein Wort sagen sollte, und wir erwarten, daß sie, wenn sie unsere Meinung teilen sollte, unmißverständlich alle jene, die es angeht, das Notwendige wissen läßt, und zwar alles Notwendige. Es geht hier nicht um lokale Dinge, sondern um ein gesamtdeutsches Anliegen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und rechts.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108400400
Das Wort hat zur Beantwortung der Interpellation der Herr Bundesminister des Innern.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108400500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Grundlage der Interpellation sind Zeitungsberichte über eine Rede, die der Herr badische Minister Dr. Lais am 17. Juli in Konstanz gehalten hat. Auf meine Anfrage hat der Herr Staatspräsident des Landes Baden den wörtlichen Text der Rede des Herrn Ministers Dr. Lais mitgeteilt, und danach verhält es sich an der einschlägigen Stelle wörtlich folgendermaßen:
Am Ende des Ringens um die europäische wirtschaftliche und politische Solidarität steht die deutsch-französische Zollunion. Das ist einfach nicht mehr aufzuhalten. Ist es dann aber so weit, möchte ich doch einmal die Frage stellen, ob es nicht natürlicher und selbstverständlicher wäre, unsere badische Wirtschaft mit der uns vor der Nase liegenden linksrheinisch-elsaß-lothringischen Stromlandschaft zu verzahnen und zu verklammern als über die Schwarzwaldbarriere hinweg mit der württembergischen.

(Zurufe links: Hört! Hört!)

Aus diesen Äußerungen des Herrn Ministers Dr. Lais kommt nach Ansicht der Bundesregierung nicht die Absicht einer wirtschaftlichen Separation von Teilen des Bundesgebietes, durch die deren politische Zugehörigkeit zur Bundesrepublik gefährdet wäre, zum Ausdruck. Aus dem Text ergibt sich vielmehr, daß der Herr Minister Dr. Lais auf die Notwendigkeit der Europaunion und der damit verbundenen deutsch-französischen Zollunion hingewiesen hat. Er hat hervorgehoben, daß bei einem Bestehen dieser Union die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Baden und dem in der Stromlandschaft des Rheins unmittelbar angrenzenden Elsaß-Lothringen wieder enger wer-


(Bundesminister Dr. Dr. Heinemann)

den, wie das früher der Fall war, als ElsaßLothringen zu Deutschland gehörte.

(Sehr richtig! bei der CDU.)

Es besteht daher nach Auffassung der Bundesregierung keine Veranlassung, diese Konstanzer Rede vom 17. Juli von Bundes wegen weiter zu verfolgen. Auch die Bundesregierung bejaht mit den Interpellanten, daß wir in einem geeinten Europa ein einheitliches Deutschland erhalten wissen wollen und daß Außenpolitik einschließlich des Abschlusses von Verträgen mit dem Ausland
nach Maßgabe des Art. 32 des Grundgesetzes eine Sache des Bundes ist. Und ich darf hinzufügen, daß die Bundesregierung, wenn wirklich der gegebene Fall vorläge, das auch zu verwirklichen nicht unterlassen wird.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108400600
Meine Damen und Herren, nach der Geschäftsordnung wird eine sofortige Besprechung der Interpellation eröffnet, wenn ein entsprechender Antrag von 50 Mitgliedern des Hauses gestellt wird. Ich bitte daher, um die entsprechende Feststellung machen zu können, diejenigen, die eine sofortige Besprechung der Interpellation wünschen, die Hand zu erheben.
— Das sind 50.
Damit treten wir in eine Besprechung der Interpellation ein. Der Ältestenrat hatte für diesen Fall eine Gesamtredezeit von 120 Minuten vorgesehen.

(Unruhe. — Zurufe: Um Gottes willen!)

— Ich höre zwar Äußerungen des Erstaunens, aber ich glaube, daraus nicht schließen zu können, daß diesem Vorschlag widersprochen wird.

(Lebhafte Zurufe: Doch! Doch! — Zuruf rechts: 60 Minuten!)

- Meine Damen und Herren, ich möchte hier keine Versteigerung eintreten lassen. Dann darf ich vielleicht den Vorschlag machen, die Besprechung auf 90 Minuten zu begrenzen.

(Zurufe: 60 Minuten!)

- Also 60 Minuten! Wer für 60 Minuten Gesamtredezeit ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war zweifellos die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Das Wort hat — —; es liegen keine Wortmeldungen vor!

(Stürmische Heiterkeit. - Zurufe.)

Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Seelos.

Dr. Gebhard Seelos (BP):
Rede ID: ID0108400700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach den mikrokomischen Ausführungen des Herrn Carlo Schmid,

(Beifall und große Heiterkeit)

die uns von der Brückentheorie zum Trachtenfest gebracht haben und uns die dezentralisierte Aktualisierung dieses Problems nahegelegt haben,

(erneute Heiterkeit)

möchte ich, der ich nicht wie Carlo Schmid mit zu den Dantons dieses Hauses zähle,

(anhaltende Heiterkeit; — Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Auf den Gedanken käme auch niemand!)

mit schlichten und einfachen Worten zu diesem Problem Stellung nehmen, das meiner Ansicht nach viel zu sehr dramatisiert worden ist.

(Sehr richtig! in der Mitte und bei der BP.)

Und zwar, meine Damen und Herren: es ist nicht
bloß dramatisiert worden, sondern es hat durch die Diskussion eine Gefährlichkeit bekommen; dem Auslande ist gezeigt worden, daß ein völlig un-beachtlicher lokaler Zwischenfall geradezu gestempelt worden ist zu einer Irredenta-Bewegung, zu einer Gefahr für ganz Deutschland; und das ist nicht der Fall!

(Widerspruch bei der SPD.)

Es ist gefährlich, ohne den wirklichen Inhalt von Reden zu kennen, sie hier gedruckt zu verbreiten und den Vorwurf gegen einen Länderminister zu machen, er wolle den Zerfall der wirtschaftlichen und politischen Einheit Deutschlands betreiben. Das ist ein unerhörter Vorwurf.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Das ist in der jetzigen Notzeit, da alle Deutschen gegenüber der Gefahr aus dem Osten zusammenstehen müßten, der Vorwurf des Separatismus, den ich ablehne.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Ich möchte einmal von dieser Stelle aus betonen, daß solche Erklärungen, die zweideutig gewesen wären, unsere schärfste Ablehnung zur Folge hätten. Aber das ist nicht der Fall. Hier sind Dinge behandelt worden, z. B. beim Schumanplan, wo man von einer Verzahnung, von territorialen Untergliederungen, die über die nationalen Grenzen gehen, von einer Verzahnung von Nordfrankreich mit Belgien, von einer Verzahnung des Saargebiets mit Lothringen, spricht, Dinge, die geradezu bejubelt und als die Lösung unserer wirtschaftlichen Not und als die Lösung des europäischen Problems gefeiert werden. Und hier, wenn solche ähnlichen Dinge theoretisch behandelt werden. soll es auf einmal dem Landes- und Hochverrat nahegebracht werden.

(Beifall bei der BP.)

Nach den Darlegungen, die wir von Minister Heinemann gehört haben und die auch offensichtlich den Interpellanten schon bekannt waren, wäre meiner Meinung nach der korrekte Weg gewesen, diese Interpellation zurückzuziehen, weil tatsächlich etwas völlig anderes gesagt worden ist.

(Zustimmung rechts.)

Das, was uns von Herrn Heinemann übermittelt worden ist, ist weder verfassungswidrig noch ein Unrecht.
Ich kann auf die grundsätzliche Frage des Südweststaates, auf die ganzen Länderauseinandersetzungen nicht eingehen. Ich meine, der Bundestag hat doch wirklich soviel Arbeit, daß wir nicht die ganzen politischen Landtagsgefechte um Südweststaatfragen hier erörtern können.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Im badischen Landtag hat eine Diskussion stattgefunden; damit ist die Sache gut. Soviel ich weiß, gibt es auch in Südbaden eine Sozialdemokratische Partei.

(Sehr richtig! rechts.)

Warum sollen wir uns hier aufhalten und zwei Stunden verlieren um Dinge, die überhaupt nicht aktuell sind!

(Zurufe rechts. — Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)

Auch wir sind für eine Neuorganisierung des deutschen Bundes. Wir glauben, daß es endlich Zeit ist, daß diese künstlichen Länder einer Besatzungspolitik, wie sie insbesondere in der französischen Zone geschaffen worden sind und die


(Dr. Seelos)

dem Föderalismus nur schaden, möglichst rasch verschwinden. Die Lösungen soll die Bevölkerung selbst finden. Die Lösungen sollen größere Gebilde sein — und ich folge da Herrn Professor Carlo Schmid —, damit eine gewisse Ausgeglichenheit eintritt. Aber wir können hier nicht Propaganda für den Südweststaat machen angesichts der Tatsache, daß in einer Woche über die ganze Frage von der Bevölkerung entschieden wird.

(Sehr richtig! rechts.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108400800
Herr Abgeordneter; ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß die Redezeit abgelaufen ist.

Dr. Gebhard Seelos (BP):
Rede ID: ID0108400900
Ich habe das Wesentliche in der kurzen Zeit sagen können und hoffe, daß die Interpellanten dem Herrn Minister Lais, nachdem feststeht, daß er etwas völlig anderes gesagt hat, die Ehre antun, die Interpellation zurückzuziehen.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108401000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Brentano.

Dr. Heinrich von Brentano (CDU):
Rede ID: ID0108401100
Meine Damen und Herren! Mein Vorredner hat vor einer Dramatisierung dieses Gegenstandes gewarnt; aber ich fürchte, er hat dazu beigetragen. Ich habe die blumenreichen Ausführungen des Herrn Kollegen Schmid mit Freude angehört. Am Schluß habe ich mich aber gefragt: war es nicht so, daß ein Berg kreißte und eine Maus geboren wurde?

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Da habe ich mehr Achtung vor den Badenern!)

— Sie haben ja keine Badener erzeugt, Herr Kollege!

(Heiterkeit.)

Wir haben jetzt die Rede des Herrn Ministers Lais gehört. Wer sie unbefangen und sachlich zur Kenntnis nimmt, kann daraus nicht mehr lesen, als ich es tue, daß er sich nämlich darüber Gedanken gemacht hat, wie in einem vereinten Europa eine Wirtschaftsgliederung erfolgen könne. Ist ein Vorwurf gerechtfertigt, wenn ein Mann, der an einer politischen Stelle steht, seine politischen Auffassungen ausspricht, die sicherlich doch nicht im Widerspruch zur Meinung dieses Hohen Hauses stehen?

(Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

Ich glaube, wenn man die Rede nicht in einer nicht ganz zutreffenden Weise zitiert, sondern sie in dem jetzt vorliegenden Wortlaut berücksichtigt hätte, hätte man die Interpellation ersparen können. Ich glaube auch — und darin gebe ich meinem Vorredner vollkommen recht —, daß wir hier im Bundestag nicht zusammensitzen, um das Problem des Südweststaates zu lösen. Ich habe so primitive Vorstellungen von dem Begriff der Demokratie, daß ich mir eigentlich denken könnte, das sei eine Sache, die die Württemberger und Badener angeht. Diese wollen wir am 24. September entscheiden lassen, und wir wollen diese Entscheidung nach demokratischen Grundsätzen respektieren, auch wenn sie uns — oder einzelnen von uns — nicht gefällt.

(Beifall bei der CDU.)

Das Hohe Haus hat ja schon durch seinen Beschluß, die Diskussion nicht 120 Minuten lang, sondern nur 60 Minuten lang zu führen, zum Ausdruck gebracht, daß es in seiner Mehrheit der Meinung ist, daß wir eigentlich in die Bearbeitung unserer sachlichen Aufgaben eintreten sollten. Ich gebe anheim, zu überlegen, ob wir nicht die Diskussion über dieses Thema schließen sollten, nachdem wir uns überzeugt haben, daß diese Aussprache auch für die Politik des deutschen Bundes eigentlich nicht sehr viel Sinn hat.
An der von Ihnen, Herr Kollege Schmid, gegebenen staatsrechtlichen Auslegung des Grundgesetzes betreffend die Befugnisse der Bundesregierung und der Länderregierungen zweifelt kein Mensch.

(Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Ach?!)

Daß die Zuständigkeit des Bundes in Fragen gegeben ist, die den Bund betreffen, und daß die Zuständigkeit der Länder sich auf die Fragen beschränkt, die die Länder und ihr Verhältnis zum Bund betreffen, daran zweifelt, glaube ich, hier in diesem Hause, auch im Bundesrat sowie in den Ministerien und Kabinetten der Länder zur Zeit noch kein Mensch. Deswegen heißt es meiner Überzeugung nach Eulen nach Athen tragen, wenn wir darüber diskutieren.
Mein Vorschlag geht also dahin, daß wir diese Diskussion beenden und zur sachlichen Arbeit übergehen.

(Beifall in der Mitte und rechts.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108401200
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mayer (Stuttgart).

Ernst Mayer (FDP):
Rede ID: ID0108401300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will weder die Debatte übermäßig verlängern noch will ich dramatisieren, nachdem uns Herr Kollege Dr. Seelos in seiner „ruhigen" Betrachtungsweise mit gutem Beispiel vorangegangen ist. Ich gehöre zu den von dem Kollegen Dr. Schmid zitierten Mitgliedern des Hauses, die der Meinung sind, man solle das nicht zu ernst nehmen, was jetzt im Verlauf des Südwest-Abstimmungskampfes gesprochen wird.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108401400
Herr Abgeordneter, darf ich darauf aufmerksam machen, daß Sie vor dem Mikrophon stehen müssen, wenn Sie gehört werden wollen.

Ernst Mayer (FDP):
Rede ID: ID0108401500
Wir müßten sonst auch die Kunde von der rassischen Überwertigkeit der Badener und der Niederrassigkeit der Württemberger ernst nehmen.

(Abg. Dr. von Brentano: Sagen Sie das?)

— Nein, das wird in Südbaden gesagt. Ich habe nur gesagt, wir müßten uns sonst damit auseinandersetzen, Herr Kollege von Brentano. Wir wollen es nicht.
Ich will mich auch mit Herrn Minister Dr. Lais nicht darüber unterhalten, ob er sein Wissen darum, daß Württemberg zentralistisch und Baden föderalistisch sei, etwa aus Konstanz bezogen hat. Gerade von Konstanz weiß ich, daß man sich immer sehr bitterlich über den Zentralismus in Freiburg beschwert. Wir haben überdies gehört, daß der Minister Dr. Lais dem Schicksal verfallen ist, dem andere Minister auch zu unterliegen pflegen, nämlich von der Presse mißverstanden worden zu sein. Das ist ein Grund mehr dafür, es nicht allzu ernst zu nehmen.

(Abg. Dr. von Brentano: Bravo!)

Es ist aber auch die Warnung angebracht, das
zu leicht zu nehmen, was aus der Rede — ob der
Wortlaut nun so oder so war — eben doch als Auf-


(Mayer [Stuttgart])

fassung durchklang, als ob Südbaden zwischen der
Herstellung einer Wirtschaftseinheit mit dem
Westen und der Wirtschaftseinheit mit dem Osten
zu wählen hätte. Indem Herr Minister Lais das
aufgeworfen hat, ist, glaube ich, in die Volksabstimmung des 24. September so etwas wie eine
neue Note hineingekommen. Die Württemberger
und die Nordbadener haben sie nicht hineingebracht. Wir vertrauen darauf, daß das badische
Volk in seiner Gesamtheit und das südbadische
Volk im besonderen am 24. September die Antwort
geben wird, nach welcher Richtung es sich „verzahnen" und „verklammern" will, nach Westen
oder nach Osten. Auch wir wollen uns nach Westen
„verklammern", aber dann, wie der Kollege Schmid
gesagt hat, das gesamte Deutschland mit Frankreich, nicht der Freiburger Staat mit dem Elsaß.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108401600
Das Wort hat der
Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.

(Abg. Dr. von Merkatz: Ich verzichte!)

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor; damit ist die Aussprache zu Punkt 1 der Tagesordnung geschlossen.
Wir kommen nunmehr auf Grund der eingangs getroffenen Regelung zu Punkt 5 a der heutigen Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (Nr. 1306 der Drucksachen).
Das Wort zur Einbringung der Vorlage hat der Herr Bundesminister des Innern.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108401700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Vorlage des Gesetzes zu Art. 131 des Grundgesetzes kommt ein Gegenstand zur parlamentarischen Entscheidung, der von allerhöchstem öffentlichem Interesse ist. Ich glaube sagen zu dürfen, daß kaum etwas im Bundesgebiet so lebhaft bewegt worden ist wie die Regelung aus Art. 131, bewegt worden ist in zahllosen Versammlungen, in Eingaben, in einer täglichen Flut von Briefen, in Vorsprachen, Resolutionen usw. Das ist verständlich, weil es sich hier um die Regelung der Existenzfrage für mehrere Hunderttausend Personen mit ihren Familienangehörigen handelt. Die besondere Bewegtheit beruht zudem darauf, daß dieser Personenkreis mit dem Gesetz zu Art. 131 auch Fragen der Ehre und seiner öffentlichen Geltung verbindet.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108401800
Meine Damen und Herren, es ist eine große Unruhe im Saal. Ich darf bitten, Platz zu nehmen oder private Gespräche in die Vorhalle zu verlegen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108401900
Bei den Personen, die unter den Art. 131 fallen, handelt es sich um Menschen, denen auch ich in vollem Maße zubillige, daß sie ein Leben der Pflichterfüllung im öffentlichen Dienst geführt haben. Weder den Beamten noch den Angehörigen der Wehrmacht wird dies seitens der Bundesregierung abgesprochen. Die Bundesregierung war und ist daher bestrebt, diesen Personen nach besten Kräften zu helfen und ihnen zuzuwenden, was ihnen nur zugewendet werden kann.
Um so mehr bedaure ich, hier einmal davon sprechen zu müssen, daß die Kampfesweise derer, die die Interessen von Personen aus Art. 131 vertreten, nachgerade eine tief betrübliche geworden ist.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Wenn ich das tue, so bin ich mir bewußt, daß ich
als ein gesunder Mensch mit Existenz — nicht
zwar mit einer unbedingt gesicherten Existenz —

(Händeklatschen und große Heiterkeit.)

zu einem erhöhten Maß von Nachsicht gegenüber dieser Kampfesweise verpflichtet bin. Aber darf ich nicht doch einmal fragen, ob es nicht zu weit geht, wenn verantwortliche Sprecher die Vorlage, um die es hier geht, schlechthin als einen Verfassungsbruch bezeichnen, als ein schändliches Machwerk, als ein frivoles Spiel mit der Ehre der Personen aus Art. 131? Wenn den Sachbearbeitern in den Ministerien und einzelnen Mitgliedern der Bundesregierung nachgesagt wird, sie verleugneten und schändeten die deutsche Geschichte mit dem, was hier getan wird, ja wenn sogar gesagt wird, mit dieser Vorlage werde den Unmenschlichkeiten des Ostens hier im Westen die Krone aufgesetzt,

(Hört! Hört! in der Mitte)

so meine ich wirklich, daß diese Kampfesweise nicht mehr angeht.

(Zuruf von der CDU: Waren das Generäle?)

— Jawohl, das sind sehr prominente Sprecher der verdrängten Beamten und der Wehrmachtsangehörigen.

(Erneuter Zuruf: Auch Generäle!)

Meine Damen und Herren, was sind wir als Bundesregierung hier anderes als Konkursverwalter, die sich mühen, das wieder in Ordnung( zu bringen, was doch wahrlich nicht von der heutigen Bundesregierung so abgrundtief verfahren worden ist!

(Lebhafte Zustimmung in der Mitte.)

Wenn man seinen Unmut auslassen will — und ich sage noch einmal: ich habe dafür angesichts der Not, die in diesen Kreisen umgeht, viel Verständnis —, so möge man diesen Unmut an dem Verantwortlichen auslassen, und das ist nach wie vor Adolf Hitler.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien und der SPD.)

Wenn einer deutsche Geschichte geschändet hat, so ist er es gewesen,

(Zuruf: Mit seinen Generälen!)

und wenn einer ein frivoles Spiel mit der Ehre getrieben hat, so ist er es gewesen und nicht die Bundesregierung!
Auch wir in der Bundesregierung haben Ehre und Pflichtbewußtsein. Es berührt eigenartig, daß Männer, die so leichtfertig mit der Ehre der Bundesregierung umgehen, ihre Ehrenkränkung besonders darin erblicken, daß diese Vorlage nur zwei ihrer Beförderungen im Dritten Reich zu Lasten unseres bankrotten Volkes anerkennen und honorieren will, aber nicht auch dreifache, vierfache und fünffache Beförderungen durch Hitler. Wenn dies ein Dreh- und Angelpunkt der Ehre sein soll, so kann ich das nur tief bedauern.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Aber, meine Damen und Herren, ich möchte dies
Kapitel der Auseinandersetzungen um Art. 131
nicht weiter vertiefen, sondern wirklich dabei


(Bundesminister Dr. Dr. Heinemann)

stehenbleiben, daß wir diesen Personen die allergrößte Nachsicht schuldig sind.
Die Hauptsache ist, daß diese Vorlage jetzt endlich hier im Bundestag in die entscheidende und verbindliche Behandlung eintritt. Es ist bemängelt worden, daß diese Vorlage soviel Zeit gebraucht hat, um bis in den Bundestag zu kommen. Darf ich in solchem Zusammenhang einmal mit ein paar Worten daran erinnern, daß das Bundesministerium des Innern, als es vor nunmehr Jahresfrist hier in Bonn ins Leben gerufen wurde, aus einem völlig leeren Gebäude ohne Menschen und Möbel bestanden hat? Dieses Bundesministerium mußte selbst erst einmal eingerichtet werden, ehe es mit der sachlichen Arbeit beginnen konnte; und zu der sachlichen Arbeit hat vom ersten Augenblick an die Behandlung des Gesetzes zu Art. 131 gehört. Aber, meine Damen und Herren, es hat sich alsbald herausgestellt, daß 41/2 Jahre lang nach dem Zusammenbruch in Deutschland keine zentrale Regierungsgewalt bestanden hat, d. h. daß über ganz wesentliche Fakten und Vorgänge gar keine Unterlagen da waren. In der Zwischenzeit der 41/2 Jahre haben sich wohl einzelne Landesregierungen, Verbände und dergleichen mit Teilproblemen beschäftigt, und sie haben auch Teilerhebungen über das, was unter Art. 131 fällt, angestellt; aber es gab bis zum vergangenen Jahre im Gebiet der Bundesrepublik keine Stelle, die einmal dieses gesamte Objekt angefaßt hätte. Es war daher nötig — und das hat leider Zeit gedauert —, zur Feststellung des ganzen Umfanges Erhebungen in Form der Fragebogen anzustellen, die dann von den Statistischen Ämtern ausgewertet worden sind, bis wir damit im April und Mai überhaupt erst brauchbare Unterlagen bekamen.
Dann trat die Behandlung dieser Materie in das zweite Stadium, nämlich der Suche nach einer Plattform für die Regelung, nach einer finanziellen Plattform sowohl wie nach einer politischen; denn die finanzielle Ausstattung, die der Bundesfinanzminister zur Bewältigung dieses Problems geben konnte, war von Anfang an im Vergleich mit den Ansprüchen, um die es geht, unzureichend. Zahllose Verhandlungen und Beratungen innerhalb der Ressorts und mit den Interessenten und nicht zuletzt auch im Kabinett haben stattgefunden, um diese Plattform zu finden, und als schließlich eine Vorlage von der Bundesregierung gebilligt war, wurde sie durch die Bundesregierung um fast einen Monat zurückgestellt, damit die andere Vorlage über die Versorgung der Kriegsopfer und nach Möglichkeit auch die Vorlage über den Lastenausgleich Tritt fassen könnten, weil es sich hierbei um Dinge handelt, die in einem Gesamtzusammenhang stehen. Das ist leider nur hinsichtlich der Vorlage über die Kriegsopferversorgung gelungen. Sie wird ja heute nachmittag hier noch zur Verhandlung stehen. Dagegen ist der zeitliche Zusammenhang mit dem Lastenausgleichsgesetz nicht herzustellen gewesen, weil diese Vorlage noch einige Zeit der Vorbereitung benötigt.
Nun also ist diese Vorlage bis in den Bundestag vorgedrungen. Niemand ist glücklich über diese Vorlage. Am allerwenigsten sind es diejenigen, die unter Art. 131 fallen, also die verdrängten Beamten und die früheren Wehrmachtangehörigen. Aber, meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß auch im Bereich der politischen Parteien und sogar im Bereich des Kabinetts niemand über diese Vorlage glücklich ist. Wenn ich zum Beispiel in der Korrespondenz einer der Koalitionsparteien lese, daß ihre sämtlichen Kabinettsmitglieder dieser Vorlage dem Inhalt nach nicht zugestimmt hätten

(Hört! Hört! in der Mitte; — Bravo! links) und daß andere Kollegen aus dem Kabinett sich auch mehr oder weniger deutlich von dieser Vorlage distanzieren, so werde ich also schließlich der einzige sein, der als der Autokrat in der Bundesregierung diese Vorlage präsentiert.


(Große Heiterkeit und lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien und der SPD.)

Daß das eine schlechte Rolle für mich ist, brauche ich wohl nicht sonderlich zu unterstreichen. (Erneute Heiterkeit.)

Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen nun zunächst darlegen, wie die Bundesregierung den Art. 131 ansieht, mit anderen Worten, welchen Auftrag er für uns alle beinhaltet. Wir sind der Meinung, daß der Parlamentarische Rat die Ansprüche der verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen nicht materiell geregelt hat. Er hat diese Ansprüche weder aberkannt noch anerkannt; er hat vielmehr, wie die unter uns anwesenden Mitglieder des Parlamentarischen Rates bestätigen, diese Aufgabe auf die Zukunft verschoben, d. h. er hat sie zu einem Auftrag an den Bundesgesetzgeber gemacht. Der Bundesgesetzgeber hat also die Ansprüche der verdrängten Beamten und der Wehrmachtangehörigen konstitutiv zu regeln, er hat sie neu zu gestalten.
Nun wird geltend gemacht, daß der Bund der Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches sei und einfach „erfüllen müsse". Wäre es so einfach, so müßte der Bund sehr vieles erfüllen,

(Sehr richtig! in der Mitte und bei der SPD) nicht nur Ansprüche von verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen. Ich möchte zu der Rechtsfrage, ob der Bund Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches ist, hier gar nichts Abschließendes sagen, weil die Klärung dieser Frage uns nicht sehr viel weiterführen könnte, und zwar aus zwei Gründen, die meines Erachtens wirklich durchschlagend sind. Einmal müßte die ganz wesentliche Veränderung der tatsächlichen Umstände beachtet werden, die z. B. darin besteht, daß wesentliche Teile des früheren Reichsvermögens heute in der russischen oder in der polnischen Zone oder im Ausland liegen und damit für die Bundesrepublik überhaupt nicht greifbar sind, daß auch diejenigen Teile des Reichsvermögens, die an sich im Bundesgebiet liegen, überwiegend in der Hand der Bundesländer sind. daß die Steuerkraft der Bundesrepublik nur auf einer Einwohnerzahl von 48 Millionen und nicht auf einer Zahl von 70 Millionen Menschen, wie sie dem Deutschen Reich eigneten, basiert. Zudem stehen neben denjenigen, die aus Art. 131 Ansprüche an die Bundesrepublik stellen, noch sehr viele andere Gruppen von Gläubigern: die Kriegsversehrten, die Bombengeschädigten, die Altsparer, die Verfolgten des Naziregimes,


(Sehr richtig! in der Mitte und bei der SPD) die verschleppten Personen, Demontagegeschädigten, Anleihegläubiger und Lieferanten des Reichs und schließlich die große Zahl der Ostvertriebenen schlechthin.


(Lebhafte Zustimmung in der Mitte und bei der SPD.)

Dies alles erfordert einfach eine gestaltende Regelung, wenn man der Sache Herr werden will.


(Bundesminister Dr. Dr. Heinemann)

Der andere Grund ist der, daß keineswegs alle Personen, die unter Art. 131 fallen, in einem Rechtsverhältnis zum Deutschen Reich gestand en haben.

(Sehr gut! in der Mitte und bei der SPD.) Von den verdrängten Beamten waren nur rund 50% unmittelbare Reichsbeamte;


(Hört! Hört! in der Mitte)

die anderen waren Beamte des Landes Preußen,
sie waren Beamte der Vielzahl von Gemeinden in
den russisch und polnisch besetzten Gebieten, sie
waren Beamte irgendwelcher sonstiger öffentlicher
Körperschaften. In den Vorverhandlungen hat als
Beispiel immer der Stadtinspektor aus Breslau
eine Rolle gespielt. Der Stadtinspektor von Breslau
und alle anderen kommunalen Beamten haben nur
zu ihrer Gemeinde und niemals zum Deutschen
Reich in einem Rechtsverhältnis gestanden und
können infolgedessen auch in gar keiner Weise den
Bund als Rechtsnachfolger in Anspruch nehmen.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Es treten im Bereich des Art. 131 viele Beamte auf, die bei einer Gemeinde in der russisch besetzten Zone tätig gewesen sind, sagen wir also z. B.: ein Stadtinspektor aus Magdeburg. Wenn man ihn an den Partner seines Rechtsverhältnisses verweisen wollte, müßte man ihm sagen: „Gehe nach Magdeburg; die Stadt Magdeburg ist ja noch da, sie könnte dich ja anstellen oder könnte dich pensionieren oder, was weiß ich, sonst tun; aber du hast doch gegen das Deutsche Reich bzw. gegen den Bund keinen Rechtstitel."
Im Umkreis dieser Vorlage spielt vollends auch die volksdeutsche Beamtenschaft aus nichtdeutschen Teilen Europas, also etwa der volksdeutsche Richter aus dem rumänischen Staatsdienst, eine Rolle. Ja, meine Damen und Herren, daß dieser Richter keinen Rechtstitel gegen das Reich und damit auch gegen den Bund hat, dürfte füglich auf der Hand liegen. Es gibt also einen großen Teil von Personen, die wir in den Art. 131 einschließen wollen, die aber in gar keiner Weise Rechtstitel gegen das Reich gehabt haben und infolgedessen auch mit einer Rechtsnachfolge des Bundes nicht weiterkommen würden.
Auf der anderen Seite ist anzuerkennen, daß Offiziere und Wehrmachtbeamte im Reichsdienst gestanden sind. Aber hat nicht das Kontrollratsgesetz Nr. 34 vom 20. August 1946 einen Strich durch ihre Ansprüche gemacht?

(Sehr richig! bei der SPD.)

Im Dezember 1949 haben die Hohen Kommissare dieses Gesetz Nr. 34 für das Bundesgebiet seiner Wirkung entkleidet. Es bleibt aber die Frage stehen, welche Rechtswirkung das Gesetz Nr. 34 angerichtet hat. Offiziere und Wehrmachtbeamte wehren sich leidenschaftlich dagegen, daß irgendwelche rechtliche Nachwirkungen aus diesem Kontrollratsgesetz Nr. 34 bestehen sollen. Das ist verständlich. Erwiesen ist es aber nicht, und es gehört zu einer pflichtgemäßen Darstellung dieser Materie vor dem Bundestag, daß ich auch das hier ausspreche.
Ich möchte mich mit alledem auf keinerlei Einzelheiten versteifen, sondern ich sage: nur mit einer gestaltenden Regelung kommen wir der Sache überhaupt bei. Dafür sprechen, um es kurz zusammenzufassen, die Absichten des Parlamentarischen Rats, der diese Materie auf die Zukunft verschob, die grundlegende Veränderung der Verhältnisse, die ich kurz skizzierte, und schließlich, daß gewisse Gruppen von 131ern überhaupt niemals in rechtlichen Beziehungen zum Reich gestanden haben und auch heute zum Bund nicht stehen, so daß nur eine Neuschöpfung, eine gestaltende Schöpfung ihnen zu Ansprüchen verlielfen kann.
Ich glaube also, daß dieses wirklich die Grundlage für die Aussprache im Bundestag bilden müßte, daß wir alle miteinander aus dem Art. 131 die Aufgabe und die Vollmacht entnehmen, hier rechtsgestaltend zu handeln. Jedenfalls ist das die Grundlage der Vorlage, die die Bundesregierung Ihnen unterbreitet.
Zu dieser Vorlage und ihrem Inhalt möchte ich noch mit einigen Erläuterungen wie folgt Stellung nehmen. Wenn die Vorlage, so wie Sie sie jetzt in den Händen haben, Gesetz werden würde, so würden damit 265 000 Personen im Bundesgebiet Ansprüche erhalten, und zwar 194 000 Personen einen Anspruch auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung und 71 000 Personen auf Unterhalt. Zwei Drittel dieser Gesamtpersonenzahl sind Beamte, ein Drittel sind Wehrmachtangehörige. Mit diesen 265 000 Personen steht nicht der ganze Kreis der Menschen vor uns. die unter Art. 131 fallen. Es sind eine ganz große Zahl von Personen aus dieser Regelung herausgelassen; entscheidend dafür war die unzulängliche finanzielle Basis. Der Bundesfinanzminister hat zu wiederholten Malen erklärt, daß er aus den Bundesmitteln keinen größeren Betrag als 350 Millionen DM jährlich für diese Zwecke zur Verfügung stellen kann.
Wir standen also vor der Frage: Was machen wir damit? Und damit verband sich alsbald auch die Frage, ob nicht auf eine andere Weise eine Erhöhung der Mittel zu finden war, um höhere oder weitergreifende Ansprüche zu geben. Aus dieser Überlegung heraus, meine Damen und Herren, beinhaltet die Vorlage auch den Vorschlag, daß die sogenannten Westbeamten und Westpensionäre mit 3°/o ihres Einkommens gekürzt werden sollen. Die Bundesregierung macht diesen Vorschlag wahrlich schweren Herzens. Denn es muß hier vor der ganzen deutschen Öffentlichkeit einmal unterstrichen werden, daß die Beamten und öffentlichen Bediensteten bis zu dieser Stunde auf den Einkommensbezügen des Jahres 1927 stehen.

(Hört! Hört! — Sehr richtig!)

Sie haben damit ein ungeheures Maß an Opfern für die Wiedererrichtung geordneter Verhältnisse beigetragen, das nur mit höchstem Respekt immer wieder vor der Öffentlichkeit dargestellt werden kann.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Wenn wir dennoch den Vorschlag machen und den Bundestag bitten, es zu prüfen, ob hier eine dreiprozentige Kürzung Platz greifen kann, so tun wir es um deswillen, weil wir den Personen, die unter Art. 131 fallen, den verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen, eben nach Kräften mehr Mittel zuwenden wollen als die aus dem Bundesetat allein verfügbaren 350 Millionen. Die dreiprozentige Kürzung würde nämlich den Spielraum um weitere 120 Millionen DM verbessern. Aber auch von dieser Verbesserung aus, von der Sie zu entscheiden haben, ob Sie sie Platz greifen lassen wollen, wird es nicht möglich, den ganzen Personenkreis der 131er zu bedenken.
Es war also weiterhin nötig, diesen Personenkreis einzuengen und seine Ansprüche herab-


(Bundesminister Dr. Dr. Heinemann)

zudrücken. Zur Einschränkung des Personenkreises
dient einmal die Wiederherstellung einer zehnjährigen Wartezeit, bevor jemand Versorgungsansprüche erwirbt, mit anderen Worten die Wiederherstellung desjenigen Beamtenrechts, das bis 1937 gegolten hat. Im Jahre 1937 wurde unter dem nationalsozialistischen Regime das Beamtenrecht so geändert, daß derjenige, der in das Beamtenverhältnis eintrat, vom ersten Tag seiner Bestallung an unter Umständen pensionsberechtigt sein konnte. Das diente den braunen Parteibuchbeamten. Es dreht sich also, wenn wir die zehnjährige Frist wiederherstellen, um gar nichts anderes als um eine Entnazifizierung des Beamtenrechts, also um eine Rückkehr zu den altgewohnten Regeln, die vor 1933 in Geltung waren. Diese Wiedereinführung der zehnjährigen Wartezeit würde im besonderen Maße die Wehrmacht-angehörigen treffen und deren zahlenmäßigen Anteil an dieser Regelung beschränken. Es würden nämlich alle diejenigen keine Versorgungsansprüche erheben können, die nach dem 8. Mai 1935 berufsmäßige Angehörige der Wehrmacht geworden sind.
Zu den Einengungen des Personenkreises gehört des weiteren, daß wir den Angehörigen des früheren Reichsarbeitsdienstes wohl diejenigen Ansprüche erhalten wissen wollen, die sie vor dem Eintritt in den Reichsarbeitsdienst aus Beamtenoder Wehrmachtverhältnis hatten, daß wir ihnen aber aus dem Reichsarbeitsdienst als solchem keine neuen oder zusätzlichen Ansprüche geben wollen.

(Sehr gut! links.)

Zu der Einschränkung des Personenkreises gehört endlich, daß als Unterhaltsberechtigte — das
sind also arbeitsfähige Personen aus dem Umkreis von Art. 131 — nur solche anerkannt werden sollen, die das 50. Lebensjahr erreicht oder überschritten haben. Die jüngeren sollen zurückstehen, damit für die anderen wenigstens eine einigermaßen tragbare Regelung zustandekommt. Würde man bei dem Unterhaltsgeld keinerlei Altersgrenze einführen, so kämen weitere 88 000 Personen in den Versorgungskreis hinein, und der Aufwand würde sich allein aus diesem Grunde um weitere 115 Millionen DM jährlich erhöhen.
Daneben geht einher eine Einschränkung der
Ansprüche. Mit der Wiederherstellung der zehnjährigen Wartezeit ist auch eine Kürzung der
Pensionen verbunden, weil die Pensionsskala nun
erst nach zehnjähriger Dienstzeit sich zu entwickeln beginnt. Eine Einschränkung der Ansprüche ergibt sich sodann aus unserem Vorschlag,
daß für Beamte und Wehrmachtangehörige nur
zwei Beförderungen in der Zeit zwischen 1933 und
1945 anerkannt werden sollen. Wir stehen auf dem
Standpunkt, daß die ungeheure Aufblähung des
Staatsapparates und vor allen Dingen der Wehrmacht in jenen Jahren Beförderungen ermöglicht
hat, die außerhalb des normalen Werdeganges
liegen, und daß wir als bankrottes Volk nicht in
der Lage sind, alles das zu honorieren, was bei
diesen Ausweitungen und dieser Aufblähung über
halb Europa hin damals zustande gekommen ist.

(Sehr richtig! links.)

Zu der Einschränkung der Ansprüche gehört ferner der Vorschlag, daß Privateinkommen von mehr als 50 Mark monatlich anrechnungspflichtig wird, und gehört vor allen Dingen, meine Damen und Herren — das muß natürlich ganz offen gesagt werden — der Vorschlag, den Versorgungsberechtigten im Mittel nur 74 % ihrer rechne-f rischen Ansprüche und den Unterhaltsempfängern nur 52 "lo des erdienten Ruhegehalts zu geben.
Das sind natürlich die allerfundamentalsten Kürzungen. Von einer Gleichstellung mit den Westbeamten oder Westpensionären kann demnach in der Tat keine Rede sein. Da liegt aber der ganze Schwerpunkt der Forderungen der früheren Wehr-machtangehörigen und verdrängten Beamten. Aber, meine Damen und Herren, Sie als Bundestag werden ja nun genau so wie bisher wir als Bundesregierung ganz einfach vor der Frage stehen: Wo schaffen Sie mehr Mittel her, als bis jetzt hier disponiert worden sind, oder wie verteilen Sie die verfügbaren Mittel anders? Sie können nur dann an einer Stelle etwas zulegen, wenn Sie zuvor bei einer anderen Stelle etwas weggenommen haben. Also diese ganze Bedrängnis, die bis jetzt monatelang die Ressorts und die Bundesregierung erfüllt hat, wird sich nun auf Sie verlagern.

(Heiterkeit.)

Das ist durchaus kein billiger Trost meinerseits. Aber ich darf noch einmal unterstreichen, daß alle Vorarbeit hier wirklich mit ganzem Einsatz von Kraft und mit äußerstem Wohlwollen gegenüber den in Not geratenen Personen, um die es hier geht, geleistet worden ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bitte zu dem guten und richtigen Verständnis dieser Vorlage aber auch noch folgendes sagen. Die Vorlage vermeidet es, die Ansprüche der verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen aus ihrer früheren Position zu annullieren. Sie geht von den individuellen Ansprüchen aus, von der individuellen Position, die jeder einzelne gehabt hat. Wenn Sie z. B. jetzt einmal einen Blick in den § 31 der Vorlage werfen, der von der Errechnung des Ruhegehalts handelt, so werden Sie da finden, daß für jede der 265 000 Personen, von denen ich sprach, von der eigenen, individuellen Rechtsposition früherer Zeit ausgegangen wird. Es wird errechnet, was jedem zusteht, und dann wird gesagt, daß darauf zur Zeit 100 Mark voll, zwischen 200 und 300 Mark zwei Drittel und über 300 Mark ein Drittel gezahlt werden. Es wird darauf vertröstet, daß das Fehlende durch das Haushaltsgesetz späterer Jahre zugelegt wird — das steht in dem letzten Absatz dieses zitierten Paragraphen -, und vor allen Dingen auf die Bindung der 350 Millionen Mark, die der Bundesfinanzminister für diese Zwecke disponibel gemacht hat, an die Ansprüche dieses unter Art. 131 fallenden Personenkreises. Bitte, schlagen Sie den § 79 der Vorlage auf, in welchem ausdrücklich gesagt ist, daß dieser Betrag von 350 Millionen Mark immer für die Ansprüche der verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen wird eingesetzt werden müssen, auch wenn dieser Personenkreis aus irgendwelchen Gründen zusammenschmilzt oder was sonst auch eintreten möchte. Daraus wollen Sie bitte entnehmen, daß hinter dieser Vorlage der ernste Wille steht, den verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen das zu geben, was sie unter der vollen Gleichstellung verstehen und von ihr erwarten. Es soll ihnen gegeben werden mit der fortschreitenden Zeit, sobald die Umstände es erlauben.
Von den Sprechern der verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen ist gesagt worden, wir möchten doch ihre Ansprüche heute zu 100% an-


(Bundesminister Dr. Dr. Heinemann)

erkennen und dann eine Kürzung, eine Quotierung eintreten lassen; das entspräche mehr ihrem Gefühl der Würde und der Geltung, das ja auch in diesen Dingen mitschwingt. Aber, meine Damen und Herren, dieser Weg ist nicht gangbar. Man kann nicht ein Recht zu 100% anerkennen, es aber nur teilweise auszahlen wollen. Es muß der umgekehrte Weg gegangen werden, daß ein Rechtsanspruch nur in der Höhe gegeben wird, wie ihn die Bundesrepublik jetzt auch erfüllen wird, und daß die Bundesrepublik darüber hinaus sagt, sie werde sich bemühen, diesen Rechtsanspruch von Jahr zu Jahr zu steigern, und zwar aus den beiden von mir genannten Ansätzen.
Schließlich möchte ich noch mit einem kurzen Hinweis auf die Unterbringung zu sprechen kommen, die ja auch in der Vorlage enthalten ist. Meine Damen und Herren, es wäre wahrlich das Gesündeste, das Beste und das Schönste, wenn wir den verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen dadurch wieder zu einer Existenz verhelfen könnten, daß sie irgendwo wieder in den öffentlichen Dienst übernommen würden. Die Vorlage bemüht sich, das zu bewerkstelligen, indem sie den öffentlichen Dienstgebern eine Unterbringungspflicht auferlegt. Diese Unterbringungspflicht begegnet einem großen Widerstand. Es ist auch nichts anderes zu erwarten, als daß hier ein lebhafter Widerstand einsetzt angesichts der Übersetzung der öffentlichen Verwaltungen verschiedenster Art, so daß an vielen Stellen eher ein Abbau als eine weitere Aufblähung geboten wäre. Bei der praktischen Durchführung dieser Unterbringung werden sich also ganz gewiß erhebliche Schwierigkeiten und Widerstände ergeben. Die Unterbringungsfrage kann letzten Endes in einer guten Weise nur gelöst werden, wenn alle Beteiligten mit gutem Willen an die Sache herangehen, wenn also etwa solche Gemeinden in der Bundesrepublik, die bis heute nur 1 oder 2 % ihrer ganzen Beamtenschaft aus den Flüchtlingen entnommen haben, während andere das zu 20 und 30% getan haben, sich diese letzteren Gemeinden einmal zum Vorbild nehmen würden.

(Zurufe: Sehr richtig! Sehr gut!)

Damit kann ich meine einleitenden Ausführungen abschließen. Ich hoffe und wünsche den verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen nichts sehnlicher, als daß es möglich sein würde, das noch zu verbessern, was Ihnen heute hier als Vorlage unterbreitet worden ist. Die Bundesregierung wird die weiteren Beratungen, die jetzt Ihre Sache sein werden, mit gleichbleibendem Interesse an der bestmöglichen Gestaltung dieser Dinge begleiten und nach wie vor das ihre dazu tun, daß die bestmögliche Lösung gefunden werde.

(Beifall bei den Regierungsparteien und bei der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108402000
Meine Damen und
Herren! Wegen der Themenverwandtschaft hat
der Ältestenrat den Punkt 5 b der Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Abgeordneten Dr. Falkner, Dr. Etzel (Bamberg), Dr.
Seelos und Fraktion der Bayernpartei, Frau
Wessel und Fraktion des Zentrums und Genossen betreffend Artikel 131 des Grundgesetzes (Nr. 1151 der Drucksachen)

mit der Beratung des Gesetzentwurfs, Nr. 1306 der
Drucksachen, verbunden. Ich frage die Interpellanten, ob sie noch besonders das Wort wünschen
oder ob sie ihre Ausführungen im Laufe der Aussprache machen wollen.

(Zuruf von der BP: Im Laufe der Aussprache!)

— Dann, meine Damen und Herren, darf ich die Aussprache eröffnen. Der Ältestenrat hat dafür eine Gesamtredezeit von 120 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses zu dieser Regelung an.

(Zustimmung.)

— Es ist also so beschlossen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Richter (Niedersachsen).

Dr. Franz Richter (WAV):
Rede ID: ID0108402100
Meine Damen und Herren! Wir haben durchaus volles Verständnis für die Schwierigkeiten, von denen der Herr Bundesinnenminister gesprochen hat; aber ich glaube, wenn man von finanziellen Erwägungen ausgeht, um einem großen Teil derjenigen, die unter den Art. 131 des Grundgesetzes fallen, von vornherein das Recht abzusprechen, das sie sich einmal erworben haben, so ist das ein falscher Gesichtspunkt. Es ist weniger eine finanzielle Frage, um die es sich hierbei dreht, sondern es ist eine ausgesprochene Rechtsfrage. Wenn man dabei auf das Kontrollratsgesetz Nr. 34 verweist, dann muß ich in diesem Punkt — etwas abgewandelt - dem Herrn Kollegen Professor Schmid durchaus zustimmen, der vorhin nämlich sagte, daß es uns Deutschen ganz gleichgültig sein kann, welche Interessen ausländische Mächte etwa an der Länderaufteilung in Deutschland haben könnten. Unsere Interessen sind entscheidend, und genau so ist es hier entscheidend, welche deutschen Interessen auf dem Spiel stehen. D i e sind zu wahren und nicht das, was vielleicht das Ausland irgendwann einmal festgelegt hat.
Das Deutsche Beamtengesetz von 1937, auf das auch der Herr Bundesinnenminister verwies, ist noch in Kraft. Daher gilt noch für jeden, der einmal Beamter war, daß er es auch heute noch ist. Ein amtslos gewordener Beamter auf Lebenszeit ist immer noch Beamter mit allen Rechten und Pflichten. Daher hätte es Aufgabe der Bundesregierung sein müssen, dafür zu sorgen, daß alle Beamten die gleichen Rechte erhalten; d. h. für die Betroffenen entweder schnellste Wiedereinstellung oder Versetzung in den Wartestand. Gerade für diese Menschen hätte man etwas Ähnliches wie ein Unterbringungsgesetz schaffen müssen, so wie es etwa im Jahre 1920 für die Beamten, die damals aus den im Osten auf Grund des Versailler Diktats geraubten Gebieten kamen, von Preußen geschaffen worden ist, oder wie es 1923 für die aus Elsaß-Lothringen zurückkehrenden Reichsbeamten geschaffen worden ist. Es muß deshalb zunächst eine grundsätzliche Anerkennung des Weiterbestandes der Beamtenrechte gefordert werden. Weiter muß eine möglichst baldige Wiedereinweisung in eine der früheren gleichwertige Beamtenstellung oder bis dahin Wartegeld nach dem Deutschen Beamtengesetz gefordert werden.
Was die Wehrmacht anlangt, so beziehe ich mich darauf, daß auch der Professor Jarreiß, der bekannte Kölner Rechtslehrer, darauf hingewiesen hat, daß die im Bereich der Bundesrepublik lebenden ehemaligen berufsmäßigen Wehrmachtangehörigen und ihre Hinterbliebenen Versorgungsansprüche gegenüber der Bundesregierung nach den im Augenblick der Kapitulation in Geltung gewesenen deutschen Gesetzen haben. Das darf man bitte


(Dr. Richter [Niedersachsen])

dabei nicht vergessen! Und wenn darauf hingewiesen worden ist, daß man immer gerne sagt, die Bundesrepublik ist Nachfolgerin des Reiches — selbstverständlich! Sie hat ja doch die Werte, die Reichswerte gewesen sind, übernommen, bzw. die Länder haben sie übernommen, und beide, Länder und Bund, müssen heute nun auch die Pflichten erfüllen, die sie mit der Übernahme der Werte letzten Endes auf sich genommen haben.

(Unruhe bei der SPD. — Abg. Bausch: Kein guter Fürsprecher!)

Wir wissen, daß es die offene Absicht der „ehemaligen" Feinde gewesen ist, die Deutsche Wehrmacht zu diffamieren und zu entrechten. Die Folge davon ist gewesen, daß heute viele Menschen als sogenannte Militaristen keinen Beruf ergreifen oder nicht in die Wirtschaft eintreten können. Der Ausschluß aber des größten Teiles ehemaliger Soldaten aus diesem Gesetz bedeutet weiter nichts als die Fortsetzung dieser von einer anderen Seite eingeleiteten Diffamierung. Es ist deshalb unbedingt richtig, wenn seitens der ehemaligen Angehörigen der Wehrmacht gefordert wird, daß auch die Versorgung aller ehemaligen Berufsunteroffiziere unter 18 Dienstjahren gewährleistet wird, die Versorgung aller Berufsoffiziere unter 50 Lebensjahren und dann auch die Anerkennung der Beförderungen, vor allem, soweit es sich um Kriegsbeförderungen handelt, um Beförderungen für besondere Leistungen. Denn es ist eine Schande, wenn man diese Menschen heute diffamiert, indem man ihnen ihre Beförderungen abspricht, indem man sie degradiert und die großen Blutopfer, die sie gebracht haben, nicht anerkennen will.

(Große Unruhe und Zurufe von der SPD. — Abg. Bausch: Sie sind ein Ignorant!)

Die Anerkennung des Rechtsanspruchs des genannten Personenkreises auf der Grundlage des Wehrmachts-Fürsorgegesetzes muß unbedingt gewährleistet werden und für die jüngeren Jahrgänge in irgendeiner Form die Einstufung in die Arbeitsmöglichkeiten, die eben geschaffen werden müssen.
Im übrigen möchte ich darauf hinweisen, daß der Reichsarbeitsdienst bei diesem ganzen Gesetz sehr, sehr benachteiligt worden ist.

(Unruhe und Zurufe.)

Der Bund hat heute noch den Nutzen aus allen Aktiva. Die volkswirtschaftlichen Leistungen des Reichsarbeitsdienstes sind von Dauerwert, sie sind somit mehr als bezahlt. Welchen Wert hat allein die deutsche Wirtschaft aus den meliorierten und für die Ernährungswirtschaft neu gewonnenen Gebieten gehabt! Welchen hohen Wert hatte die Erziehung im Arbeitsdienst!

(Widerspruch. — Zurufe: Unerhört!)

Wenn man heute erklärt, er hätte nationalsozialistische Aufgaben gehabt, so darf ich sagen, nach § 17 des RAD-Gesetzes war jede Betätigung im Dienst der Partei und ihrer Gliederungen verboten. Seine Aufgabe war vielmehr, Werte zu schaffen, zur Volksgemeinschaft, zur wahren Staatsauffassung,

(Widerspruch und Unruhe. Glocke des Präsidenten)

zur genügenden Achtung der Handarbeit zu erziehen. Das vorliegende Gesetz ist nichts anderes —

(Unruhe. — Zurufe: Schluß! — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108402200
Herr Abgeordneter Richter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

(Zurufe: Gott sei Dank!)


Dr. Franz Richter (WAV):
Rede ID: ID0108402300
— — als eine Diffamierung der RAD-Angehörigen und deren Ausdehnung auf die Sippe.

(Zurufe: Schluß! Schluß!)

Die Bedeutung, die der Arbeitsdienst gehabt hat - -

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108402400
Herr Abgeordneter Richter, ich bitte Sie, Ihre Ausführungen zu beenden.

Dr. Franz Richter (WAV):
Rede ID: ID0108402500
Sofort!

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108402600
Nicht „sofort"! Ich bitte zu beenden!

Dr. Franz Richter (WAV):
Rede ID: ID0108402700
Auch das Ausland hat den Wert des Arbeitsdienstes anerkannt, und wer das hier abstreitet, den kann man deswegen beim besten Willen nur bedauern.

(Unruhe. — Zuruf: Heil Hitler!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108402800
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Menzel.

Dr. Walter Menzel (SPD):
Rede ID: ID0108402900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dieses Gesetz hat eine sehr lebhafte Vorgeschichte, die angefüllt ist mit Hoffnungen, mit Zusagen seitens der Regierung, der Regierungsparteien und mit sehr viel Forderungen der nach Art. 131 Berechtigten. Ich gebe dem Herrn Bundesinnenminister durchaus recht, daß es vielleicht der Sache der Berechtigten manchmal dienlicher gewesen wäre, sich in der Form nicht so zu vergreifen, wie es hin und wieder leider bei der Geltendmachung der Rechte aus Art. 131 geschehen ist. Ich glaube, wenn es noch eines Beweises dafür bedurft hätte, dann ist das die Rede, die wir eben gehört haben.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Aber, meine Damen und Herren, der Grund für den Unwillen in den Kreisen der Berechtigten hegt wohl darin, daß die Bundesregierung sich reichlich Zeit gelassen hat, um dem Hohen Hause diesen Gesetzentwurf vorzulegen, um somit endlich den Wunsch zu erfüllen, den Anforderungen aus Art. 131 des Grundgesetzes nachzukommen. Ich weiß, daß die Schuld an der Verzögerung in diesem Falle nicht - zum mindesten nicht in erster Linie — den Herrn Bundesminister des Innern trifft, sondern daß es Überlegungen finanzieller Art waren, die die erforderliche Beschleunigung erschwerten. Bereits bei der Debatte zu Art. 119 des Grundgesetzes zur Regelung der Angelegenheiten der Flüchtlinge hatte der Bundestag die grundsätzliche Gleichstellung der vertriebenen Beamten, Angestellten und Arbeiter mit den einheimischen beschlossen und diese Forderung als vordringlich bezeichnet. Daher bedauern wir es, daß der Entwurf diese wie auch andere Forderungen nicht berücksichtigt. Zwar kündigte der Herr Bundesfinanzminister schon in der 21. Sitzung des Bundestages an, daß die Sorge um die Not der Heimatvertriebenen der Bundesregierung genau so am Herzen läge wie dem Hohen Hause und daher die Vorarbeiten für das Gesetz auf Grund des Art. 131 nach Bildung der Regierung sofort in Angriff genommen worden seien. Damals hoffte der Herr Finanzminister den Gesetzentwurf bis Ende
3148 Deutscher Bundestag — g4. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. September 1950

(Dr. Menzel)

März vorlegen zu können. Das war am 2. Dezember 1949. Aber schon in der Sitzung vom 19. Januar dieses Jahres, als wir darüber verhandelten, die letzten Kürzungen der Beamtengehälter auf Grund der Brüning'schen Notverordnungen wegfallen zu lassen, erklärte der Herr Finanzminister, daß der Gesetzentwurf zu Art. 131 bereits ausgearbeitet sei, in Reinschrift vorläge und in der darauffolgenden Woche dem Kabinett zugehen würde. Das war im Januar. Es ist erstaunlich, daß dann noch so viel Zeit, daß noch fast 3/4 Jahre vergehen konnten, ehe das Gesetz vorgelegt wurde.
Wenn auch nicht alle Versprechungen gehalten wurden, so begrüßen wir Sozialdemokraten es, daß es endlich vorgelegt wird. Denn wir erhoffen davon eine erhebliche Beschleunigung der Arbeiten für den allgemeinen Lastenausgleich. Denn das, worüber wir heute verhandeln, stellt nur ein Teilproblem des gesamtdeutschen Konkurses von 1945 dar, dessen Abwicklung sich insofern hier besonders schwierig gestaltet, weil die ungeheure Aufblähung des öffentlichen Apparates diese Bereinigung erschwert. Das hängt zusammen mit dem Prinzip der Omnipotenz des nationalsozialistischen Staates und den Erfordernissen eines „totalen Krieges", der vor allem bei der Wehrmacht, hier wieder insbesondere durch die Beförderungen eine ungeheuere Aufblähung herbeigeführt hat.
So entsteht die Frage, wie diesem Problem beizukommen ist. Ich glaube, mit einer rein formal-rechtlichen Betrachtung kommen wir zu keinem vernünftigen Ergebnis. Zwar haben die einzelnen Verbände und die Organisationen der ehemaligen Wehrmachtsangehörigen sich in erster Linie immer unter Betonung der Rechtsnachfolgerschaft des Bundes nach dem ehemaligen Deutschen Reich allein auf den rechtlichen Standpunkt gestellt. Aber es ist durchaus richtig — wie der Herr Bundesinnenminister ausführte —, daß, wenn wir diese Fragen unter diesen Gesichtspunkten erörtern würden, wir in außerordentliche Schwierigkeiten kommen würden. Ich glaube aber, daß eine Entscheidung hierüber bei einem Gesetzentwurf auf Grund des Art. 131 nicht notwendig ist; denn dieser Art. 131 schafft von sich aus ein neues Recht, d. h. er schafft ein neues rechtliches Band zwischen dem Bund und den ehemaligen Beamten, Angestellten und Arbeitern der früheren Länder, der jetzigen Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände. Selbst dann, meine Damen und Herren, wenn wir den Art. 131 im Grundgesetz nicht hätten, müßte der Bundestag von sich aus eine solche Regelung schaffen. Denn wir müssen die zur Entscheidung stehende Frage nicht nur, wie ich sagte, vom Formalrechtlichen, sondern auch, und ich glaube in erster Linie, zusätzlich von der moralischen, von der sozialen Verpflichtung aus sehen, d. h. von dem Grundsatz, daß alle, die durchgekommen sind, nun auch verpflichtet sein müssen. Wenn wir das anerkennen, dann dient das zugleich zur Lösung des Problems des allgemeinen Lastenausgleichs und der so notwendigen Altersversorgung der Tausende und vielleicht Millionen Menschen, die in keinem besonderen Vertragsverhältnis zu dem ehemaligen Deutschen Reich gestanden haben.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Daher ist nicht nur vom geschriebenen Recht, sondern von dem Begriff des allgemein Rechtmäßigen auszugehen.
Darum begrüßen wir, daß das Gesetz den Versuch unternimmt, dieses Recht zu substantiieren und genau zu umschreiben. Denn nur so können wir zu einer Klarheit gelangen. Wenn also der
Rechtsanspruch nach Art. 131 feststeht, und zwar ohne Entscheidung der Frage, ob der Bund Rechtsnachfolger des ehemaligen Reiches ist oder nicht, dann besagt das noch nichts über die Höhe des zu Zahlenden. Die Verbände haben mit Recht immer wieder darum gekämpft, daß ihre Ansprüche zunächst dem Grunde nach anerkannt werden und erst in zweiter Linie haben sie Forderungen über die Höhe gestellt.
Das aber, was der Entwurf in den §§ 29 ff und vor allem in § 31 über die Höhe der Unterstützungen und der Versorgungsgehälter vorsieht, müssen wir ablehnen. Die vorläufigen Richtlinien, die wir in den gemeinsamen Sitzungen der Beamten- und Flüchtlingsausschüsse besprochen und niedergelegt haben, sind erheblich günstiger als das, was dieser Gesetzentwurf nunmehr vorsieht. So sollen Unterstützungen und Versorgungsbeträge bis 100 DM voll gezahlt, bis zu 200 DM nur zu zwei Dritteln und die weiteren Beträge nur zur Hälfte gezahlt werden. Das reicht nach unserer Meinung auf keinen Fall aus und läßt völlig eine sozial gerechte Einstellung vermissen. Natürlich wird nicht nur bei den Beamten, sondern in noch viel stärkerem Maße bei den Angehörigen der ehemaligen Wehrmacht die Frage der Beförderung eine Rolle spielen. Im Bundesrat gingen die Meinungen weit auseinander, und zwar empfahl die eine Seite die Anerkennung aller Beförderungen auch in der Kriegszeit, auch bei der Wehrmacht, die andere Seite dagegen — der Antrag eines Landes — forderte, daß zum mindesten für die Kriegszeit überhaupt keine Beförderungen anerkannt werden mögen. Hier einen gesunden Mittelweg zu finden, wird Aufgabe einer eingehenden Ausschußberatung sein. Schon heute möchte ich aber die Frage aufwerfen, aus welchem Grunde die Versorgungsvoraussetzungen bei den Unteroffizieren schlechter sein sollen als bei den ehemaligen Offizieren, warum man bei den einen achtzehn Dienstjahre fordert, bei den Offizieren aber nur zehn Dienstjahre fordert.
Meine Damen und Herren! Eins läßt der Entwurf vermissen, und das ist ein besonderes Anliegen meiner Partei: die Erwähnung der Kriegsgefangenen und vor allem der Spätheimkehrer. Es mag zweifelhaft sein, ob das Dienstverhältnis der Soldaten mit der bedingungslosen Kapitulation am 8. Mai 1945 oder mit dem alliierten Gesetz über die Auflösung der deutschen Wehrmacht vom August 1946 endete. Für die, die in der Kriegsgefangenschaft waren, und noch mehr für die, die heute noch in der Kriegsgefangenschaft sein müssen, sollten wir uns entschließen, als Stichtag für die Berechnung aller ihrer Versorgungsbezüge für sich und ihre Angehörigen erst jenen Tag zu nehmen, an dem sie wieder in voller Freiheit sind, d. h. den Tag der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft.

(Beifall bei der SPD.)

Das gilt nicht nur für die Soldaten selbst, sondern man sollte auch § 44 Abs. 2 des Entwurfes ändern, in dem vorgesehen ist, daß an die Ehefrauen und die Kinder der noch in Kriegsgefangenschaft befindlichen Soldaten Bezüge gezahlt werden sollen. Ich bin der Meinung, wir sollten hier ganz klipp und klar ein „müssen" setzen, d. h. einen Rechtsanspruch gewähren.
Meine Damen und Herren! Es ist verständlich, daß bei den Hunderten von Millionen, die diese neue Regelung kosten wird, der Herr Bundesfinanzminister nach den Möglichkeiten einer finanziellen Entlastung gesucht hat. Er hat das im wesentlichen durch die Unterbringungspflicht und den


(Dr. Menzel)

Vorschlag einer dreiprozentigen Gehaltskürzung getan. Wir bejahen die Unterbringungspflicht schon aus dem Grunde, damit jener Personenkreis, der unter Art. 131 fällt, das Gefühl bekommt, daß er als ein vollwertiges Mitglied dieses Staates, dieser Gemeinschaft anerkannt wird und daß er wieder die wirkliche Chance bekommt, nicht nur von einer Art Almosen zu leben, sondern wieder arbeiten zu dürfen. Wir haben auch keine Bedenken, daß da, wo der Unterbringungspflicht nicht Genüge geleistet wird, vom Bunde oder den Ländern eine entsprechende Unterschiedszahlung zu entrichten ist.
Gestatten Sie mir aber, meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang noch einen Hinweis auf die Situation in den Gemeinden. Der Bund, der seine Verwaltung erst im letzten Jahr aufzubauen brauchte, hatte es leicht, das hier im Gesetz vorgeschriebene Soll von 20 % zu erfüllen, und auch jene Länder, vor allem Norddeutschlands, die erst 1946/47 mit ihrer Verwaltungsarbeit begannen, konnten diesen Anforderungen einigermaßen gerecht werden. Aber die Gemeinden und Gemeindeverbände, die 1945 als die ersten staatlichen Institutionen wieder funktionieren mußten und Gott sei Dank auch funktioniert haben, mußten damals eine Fülle von Aufgaben übernehmen, die sie später den Mittelinstanzen, dann den Ländern und schließlich dem Bund überlassen konnten. Das bedeutet, daß sie damals einen viel größeren Verwaltungsapparat brauchten, als sie sich heute nach ihrer finanziellen Kraft, aber auch nach dem Arbeitsvolumen leisten können.
Um Mißverständnisse zu vermeiden: ich bin nicht etwa dagegen, daß die Gemeinden zur Unterbringung verpflichtet werden sollen, aber ich möchte mich dagegen wehren, daß da, wo es einfach nicht geht, wo im Gegenteil durch eine vernünftige Verwaltungsreform jetzt beschäftigte Kräfte freigesetzt werden müssen, diese Gemeinden durch eine Zahlungspflicht dafür bestraft werden. Das verschiebt auch den gesamten kommunalen Finanzausgleich. Wenn wir es im Bunde ernst meinen mit der politischen Wertung der Selbstverwaltung, dann müssen wir uns auch dazu entschließen, dieser Selbstverwaltung nicht nur die notwendigen Mittel dazu zu geben, sondern ihr vor allem nicht jetzt durch ein solches Gesetz die erforderlichen Mittel für das kommunale Leben zu entziehen, um so das Selbstverwaltungsleben auszuhöhlen. Wir haben gegen eine solche Finanzpolitik, die unter Umgehung eines Finanzausgleichsgesetzes von Fall zu Fall versucht, Interessenquoten zunächst mit den Ländern, jetzt sogar auch gegenüber den Gemeinden festzusetzen, gegen eine solche Unklarheit in der Finanzpolitik gegenüber den Gemeinden außerordentliches Bedenken.
Meine Damen und Herren! Auch bei der Unterbringung sollten wir den Spätheimkehrern eine bevorzugte Stellung einräumen.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Es dürfte nicht so sein, daß der zuerst untergebracht wird, der zuerst gekommen ist,

(Sehr richtig! bei der SPD)

sondern daß der zuerst den Anspruch auf Unterbringung hat, der als letzter aus der Gefangenschaft heimgekehrt ist.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Bei dieser Verpflichtung der Unterbringung sollte aber nicht verkannt werden — und hier möchte ich mich zum Sprecher eines Anliegens der gesamten Gewerkschaften machen —, daß wir uns schützend vor jenen Personenkreis der öffentlichen Bediensteten stellen müssen, die auf Grund ihrer politischen Sauberkeit in der Zeit von 1933 bis 1945 nach der Kapitulation bereit waren, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Es wäre unerträglich, daß in Ländern oder Gemeinden jene Beamten, Angestellten oder Arbeiter, die in der mühseligsten und ärmsten Zeit bereit waren zu helfen, jetzt gekündigt werden, nur, um Berechtigte aus diesem Kreise unterzubringen. Hinzu kommt auch, daß wir bei der Nachwuchsfrage recht vorsichtig sein müssen.
Wir sind für eine Erweiterung des Kreises der Unterbringungsberechtigten. Der Art. 131 des Grundgesetzes sagt nämlich ganz schlicht und einfach „die Rechtsverhältnisse von Personen", macht also keine Unterschiede, wie es der Gesetzentwurf tut, zwischen Beamten und jenen Angestellten und Arbeitern, die früher nach beamtenrechtlichen Grundsätzen eine Versorgung erhalten hätten, sondern das Grundgesetz sagt, wenn es den Ausdruck „Personen" gebraucht, daß damit alle Flüchtlinge und Vertriebenen erfaßt werden sollen, d. h. auch jene Angestellten und Arbeiter, die nicht nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgt wurden, sondern gewöhnlichen tarifrechtlichen Bedingungen unterstanden. Aus diesem Grunde müssen wir eine Erweiterung der Unterbringungsberechtigten fordern.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit den Herrn Bundesminister des Innern auf einen weiteren Kreis von Personen hinweisen, die sich für den öffentlichen Dienst eignen, auf den Kreis der Nichtbetroffenen. Die Erhebungen haben ergeben, daß heute aus dieser Kategorie noch mehr als tausend Männer und auch Frauen von politisch nicht Betroffenen nicht wieder in die Verwaltung eingebaut wurden.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Meine Damen und Herren! Nun einige Worte zu der Frage der dreiprozentigen Gehaltskürzung. Der Bundesrat hat sich auf den Standpunkt gestellt, daß diese dreiprozentige Kürzung, die wie eine Abgabe behandelt werden soll, der Verfassung, und zwar dem Satz von der Gleichheit vor dem Gesetz widerspricht. Aber wir haben darüber hinaus auch politische Bedenken. Wir sind der Meinung, daß es falsch wäre, bei der Lösung von Problemen des Lastenausgleiches mit einem ständischen Sonderlastenausgleich zu beginnen. Das könnte zu der Verlockung führen, daß wir nun auch von den Landwirten oder von den Bäckermeistern fordern, sie sollten sich zu einer Gemeinschaft zusammenschließen und den Lastenausgleich untereinander vornehmen.

(Sehr richtig! rechts.)

Was das für eine soziale Differenziertheit bringen würde, darüber brauchen wir hier wohl weiter keine Worte zu verlieren.

(Sehr richtig! rechts.)

Aber wir lehnen es auch ab, die Kriegsfolgen — und es handelt sich hier um einen Teil der Kriegsfolgen — einem einzigen Berufsstand allein aufzuerlegen.
Gestatten Sie mir noch einen anderen Hinweis. Sie wissen, daß die Steuerreform des Frühjahrs, die gegen unsere Stimmen angenommen und durchgeführt worden ist, gerade die kleinen Einkommen recht schlecht behandelt hat.

(Sehr gut! bei der SPD.)



(Dr. Menzel)

Was die kleinen Einkommensempfänger wirklich dabei ersparten, das ist inzwischen durch die Preiserhöhung längst wieder mehr als wettgemacht. Aber wenn Sie jetzt diesem großen Kreis der so schlecht gestellten unteren und mittleren Beamten — und ich bin auch der Meinung, daß wir auch bei den höheren Beamten anfangen sollten, einmal nachprüfen, ob sie noch das verdienen, was ihren Leistungen entspricht — eine Sondersteuer auferlegen, dann gehen Sie gerade den umgekehrten Weg, den Sie bei der Steuerreform für richtig gehalten haben. Sie belasten, nachdem Sie die sozial Schwächeren schon benachteiligt haben, noch einmal besonders.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Im übrigen ist hier bei den Beratungen über das Bundesbeamtengesetz immer wieder von dem Treueband, von der besonderen Verpflichtung des Beamten gegenüber dem Staate gesprochen worden. Nun, meine Damen und Herren, wir wollen das Erfordernis eines solchen Treuebandes nicht bestreiten; aber einem solchen Treueband steht auch die Fürsorgeverpflichtung des Staates gegenüber, daß dem Beamten die Treue nicht schier unmöglich gemacht wird. Ich weiß nicht, wie diese Sondersteuer mit diesen Verlautbarungen zu vereinbaren ist.
Meine Damen und Herren! Wir vermissen endlich in dem Gesetzentwurf die Erwähnung Berlins. Wir fordern, daß auch jene Personen, die unter Art. 131 des Grundgesetzes fallen, aber in den Westsektoren Berlins wohnen, diesem Gesetz unterstellt werden.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Auffällig ist für uns weiter, daß für alle jene Beamte, die nach dem sogenannten Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom April 1933 entlassen wurden, in dem vorliegenden Gesetz keine Sonderregelung vorgesehen ist. Es ist nach unserer Auffassung recht und billig, daß jene Beamten, die seinerzeit von dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums betroffen wurden, von allen etwaigen Beschränkungen dieses Gesetzes freigestellt werden; denn dieser Beamtenkreis hat doch weiß Gott keine Schuld daran, daß es zu diesem Gesetz kommen mußte.

(Zustimmung bei der SPD.)

Meine Damen und Herren! Endlich verlangen und hoffen wir, daß diesem Gesetz nunmehr sofort das weitere Gesetz über den allgemeinen Lastenausgleich folgt, und zwar auch deshalb, weil sonst jene Personen, die unter Art. 131 fallen, in eine völlig unmögliche Situation gegenüber den Millionen sonstiger Flüchtlinge gebracht werden. Das möchte ich gerade im Interesse der verdrängten und vertriebenen Beamten vermieden sehen; sie kommen sonst in einen politischen und psychologischen Gegensatz gegenüber der Masse der sonstigen Vertriebenen und der Altrentner. Schließlich ist es doch so — der Herr Bundesinnenminister hat das mit Recht hervorgehoben —, daß auch die Sparer bei den Sparkassen der Kreise und in den Städten, die Anleihebesitzer und alle diejenigen, die damals für ihren Lebensabend gespart haben, auch auf die Garantie des Staates bauten und bauen durften. Ich glaube, daß dieser Personenkreis das gleiche moralische Recht hat wie der Personenkreis aus Art. 131.
Lassen Sie mich meine Ausführungen zusammenfassen! Wir begrüßen es, daß endlich nach so langer Vorbereitung dem Bundestag ein Gesetzentwurf vorgelegt wurde; denn nur so bekommen wir die Möglichkeit, jenes Recht zu schaffen, wie wir es für richtig halten. Ich habe die Voraussetzungen aufgezeigt, von denen unsere Zustimmung abhängen wird. Diese Voraussetzungen sind die Streichung der 3%igen Gehaltskürzung als eines ständischen Sonderlastenausgleichs, die Gleichstellung der vertriebenen Beamten, Angestellten und Arbeiter mit den einheimischen, die Einbeziehung Berlins und vor allem die Bevorzugung der Kriegsgefangenen und der Spätheimkehrer.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108403000
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Farke.

Ernst August Farke (DP):
Rede ID: ID0108403100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei steht dem vorliegenden Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen ablehnend gegenüber. Sie kann ihn nur unter dem Gesichtspunkt betrachten, daß er die parlamentarisch-gesetzgeberische Tätigkeit einleitet und ermöglicht, in der Ausschußarbeit zu einer anderen, zu einer dem Grundgesetz gemäßeren Regelung zu kommen. Bei dieser Arbeit kann es sich nicht darum handeln, Verbesserungen für die eine oder andere Gruppe der Betroffenen zu erreichen, sondern lediglich darum, dem vorliegenden Entwurf die Konzeption zu nehmen, die nach unserer Meinung zu verfassungsbedenklichen Regelungen geführt hat.
Der vorliegende Entwurf geht von reinen Haushaltserwägungen aus. Der Herr Innenminister hat das in seiner Begründung doppelt unterstrichen. Zur Unterstützung dieser Haushaltserwägungen haben leider in der Vergangenheit ministerielle Initiatoren Presse und Öffentlichkeit mit astronomischen Ziffern beeinflußt und beinahe das Menetekel eines Staatsnotstandes heraufbeschworen. Bindende Rechtsverpflichtungen mußten einer solchen Konzeption mit ihren Begleiterscheinungen zum Opfer fallen. Diesem fiskalischen Ausgangspunkt, dem eine Einheitsregelung der Ansprüche grundverschiedener Gruppen folgen mußte, fielen zwangsläufig weitere Rechtsverpflichtungen zum Opfer. Damit sind gegebene Grenzen verwischt; bisherige Grundsätze des im Grundgesetz garantierten Berufsbeamtentum sind aufgegeben, insbesondere das durch Jahrzehnte hindurch schwer erkämpfte Alimentationsprinzip. Die entnazifizierten Beamten sind minderberechtigt. Die jüngeren Beamtenjahrgänge, deren Masse Kriegsteilnehmer war, sind so gut wie entrechtet. Die Wehrmachtsangehörigen erfahren eine nicht tragbare Behandlung. Es ist darum kein Wunder, daß die betroffenen Kreise in eine berechtigte, wenn auch — das muß gesagt werden — in der Form oft bedenkliche Erregung geraten sind.
Der Ausgangspunkt für die Neugestaltung des vorliegenden Entwurfs ist nach unserer Auffassung das bestehende unantastbare Recht, wie es für jede Gruppe der Betroffenen in der deutschen Entwicklung gewachsen und geworden ist. Von dieser Rechtsgrundlage aus ist die Rechtsnachfolgeschaft für die verschiedenen Verwaltungen und Körperschaften, die nicht mehr existieren, den entsprechenden Dienstherren in der Bundesrepublik zu übertragen.
Die finanzielle Regelung ist dementsprechend so durchzuführen, daß die entsprechenden Dienstherren hier für die materiellen Leistungen ver-


(Farke)

antwortlich sind. Zuständig für die ehemaligen Reichsbediensteten und die Wehrmacht ist unmittelbar der Bund, für die Länderbediensteten in gerechter Verteilung die Länder, für die Kommunalbediensteten in gerechter Verteilung die Kommunen. Dieser Regelung vorweg ist das wichtigste, die vorgesehene Unterbringung durchzuführen, die endlich die unerträgliche einseitige Unterbringung in den drei Flüchtlingsländern beseitigt und die Unterbringung zu einer Gesamtverpflichtung macht, die den Kreis der Betroffenen entscheidend verringern wird und mit den Maßnahmen der angedeuteten Konzeption eine befriedigendere Lösung, als sie uns in dem Entwurf geboten wird, ermöglicht.
Die dreiprozentige Abgabe aller Angehörigen des öffentlichen Dienstes, die bei der heutigen Einkommenslage der Beamtenschaft überhaupt nicht zu verantworten ist, muß und kann vermieden werden. Die Deutsche Partei führt ihren politischen Kampf gegen jedes Unrecht. Sie kämpfte besonders in den schweren tumultarischen Jahren der jüngsten Vergangenheit für das Berufsbeamtentum, für die zu Unrecht Entlassenen, für Ehre und Recht des deutschen Soldaten. Sie wird dieser Haltung bei der Endgestaltung dieses Gesetzes nicht untreu werden, um unserem jungen Staatswesen die Treue seiner Diener als Eckpfeiler in seinen Fundamenten zu sichern.

(Beifall bei der DP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108403200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pannenbecker.

Otto Pannenbecker (FU):
Rede ID: ID0108403300
Meine Damen und Herren! Im Volksmunde heißt es, daß das, was lange währe, endlich gut werde. Die Zentrumsfraktion ist der Auffassung, daß der von der Regierung endlich vorgelegte Gesetzentwurf, der heute zur Beratung steht, das Prädikat „gut" nicht verdient. Meine politischen Freunde sind mit mir nicht damit einverstanden, daß der übergeordnete Rechtsstandpunkt zugunsten finanzieller Überlegungen grundsätzlich hintenangestellt worden ist.

(Sehr richtig! beim Zentrum.)

Das sollte in einem Rechtsstaate unmöglich sein.

(Sehr gut! beim Zentrum.)

So etwas ist untunlich, weil dadurch das Vertrauen der betreffenden Personen zum Staat, zur jungen Demokratie nur allzu leicht untergraben wird. Und dieses Vertrauen wird untergraben innerhalb eines sehr großen Personenkreises, von dem man — mit Recht sage ich — erwartet, daß er in besonderer Treue zum Staat und zu seinen Einrichtungen steht. Hier entsteht ein Manko, das — in erster Linie im Interesse des Staates — nicht leicht genommen werden sollte.
Meine Damen und Herren, wenn man sich grundsätzlich zum Berufsbeamtentum bekennt, dann gilt zunächst einmal ebenso grundsätzlich das Bekenntnis Treue um Treue, Treue um Treue durch beiderseitige Tat. Im vorliegenden Gesetzentwurf vermißt man den Geist der der Beamtenschaft zu erwidernden Treue. Gewiß, die Bedeutung des Berufsbeamtentums liegt zutiefst im Ideenmäßigen, aber doch auch im Materiellen insoweit, als das Recht nicht verletzt werden darf. Das Gehorsams- und Treueverhältnis der Beamten — Gehorsam gegenüber der Regierung, Treue gegenüber Volk und Staat — verträgt keinerlei Verletzung des Rechtes, besonders dann nicht, wenn man bedenkt, daß die Tätigkeit des Beamten,
seine Lebensaufgabe durchsetzt sein muß mit goldhaltigen Imponderabilien. Es gibt ein Wort von Ludwig Börne, das lautet: „Wer in der wirklichen Welt arbeiten kann und in der idealen leben, der hat das Höchste erreicht!" Und das wird—ich sage: mit Recht — vom Beamten verlangt. Darum noch einmal: Treue um Treue!
Meine Damen und Herren! Die Besoldungsordnung von 1927 ist heute noch in Kraft. Hoffentlich wird sie ihr Silberjubiläum nicht erleben. Der Herr Bundesfinanzminister selbst hat gelegentlich einmal gesagt, daß die Beamtenschaft in den letzten Jahren bis zu 50 % Vorleistungen hinter sich gebracht habe. Trotzdem wird den Beamten hier eine Sondersteuer von 3 % ihres Diensteinkommens zugemutet. Die Zentrumsfraktion wird diese Sondersteuer ablehnen. Sie lehnt darüber hinaus jede Verkoppelung mit der sechsprozentigen Einkommenskürzung ab, soweit sie noch besteht. Was ich bisher hinsichtlich der Beamten gesagt habe, das gilt — ich hebe das ausdrücklich hervor — auch hinsichtlich der in Frage kommenden Angestellten und Arbeiter des öffentlichen Dienstes. Das gilt ebenso hinsichtlich der Offiziere und Unteroffiziere der ehemaligen Wehrmacht und ihrer Beamten und Angestellten.
Ich kann bei der mir zur Verfügung stehenden Redezeit von zehn Minuten auf Einzelheiten des Gesetzentwurfes nicht eingehen. Aber einiges, was zur Sache insgesamt gehört, möchte ich noch sagen. Anläßlich der Anwesenheit des früheren Reichskanzlers Brüning im Bundesgebiet ist dessen Name in der Öffentlichkeit wieder häufig genannt worden. Aber jenseits dieser Anwesenheit und lange vorher ist dieser Name in Verbindung mit der bekannten Notverordnung in Beamtenkreisen viel häufiger genannt worden, weil diese Notverordnung, soweit sie noch besteht, ein Widerpart im Gefüge des Besoldungswesens ist, und zwar deshalb, weil das Erfordernis der Gleichheit gegenüber der Besoldungsordnung hier verletzt ist.
Das hat letzthin die Postbeamtenschaft auf den Plan gerufen. Erstmalig — und, wie ich hoffen möchte, einmalig — hat die deutsche Postgewerkschaft die Angehörigen der Bundespost zu einer Urabstimmung aufgerufen. Angesichts der Lage, in der die Beamtenschaft steckt, ist es nicht überraschend, daß sich 89 % der Angehörigen der Bundespost an dieser Abstimmung beteiligt haben. In dieser Urabstimmung haben 96 % der Beteiligten gegen die Beibehaltung der sechsprozentigen Gehaltskürzung und gegen die Einführung einer dreiprozentigen Sondersteuer und für die Anwendung gewerkschaftlicher Mittel gestimmt. Diese Anwendung — so hat die Postgewerkschaft nachher erklärt — sollte nicht zwingend den Streik bedeuten. Meine Damen und Herren! Das ist immerhin ein ungewöhnlicher Vorgang, der geradezu — ich möchte sagen — alarmierend wirkt. Dieser ungewöhnliche Vorgang könnte — ich sage „könnte" — zur Radikalisierung der Beamtenschaft führen, wenn die Regierung nicht alsbald ihren beamtenpolitischen Kurs ändert. Solche Radikalisierung wäre vom Übel, besonders in einer jungen Demokratie, deren Verhältnisse noch längst nicht allewege gefestigt sind.
Die Zentrumsfraktion lehnt — um darüber keinen Zweifel aufkommen zu lassen, sage ich das in diesem Zusammenhang — den Beamtenstreik ab. Sie hat aber Verständnis dafür, daß es zu dieser Urabstimmung gekommen ist. Der Initiator war die deutsche Postgewerkschaft. Aber diese ist nicht


(Pannenbecker)

schuldig zu sprechen. Ebensowenig ist die ansonsten durchaus besonnene Postbeamtenschaft schuldig zu sprechen, deren Minister in der Lage und gern bereit gewesen wäre, die sechsprozentige Gehaltskürzung aufzuheben, wenn er nicht durch entgegenstehende Kabinettsbeschlüsse, die dieses Hohe Haus durch seine Regierungsmehrheit sanktioniert hat, daran gehindert gewesen wäre.
Wie es um die Stimmung in der gesamten Beamtenschaft und darüber hinaus bei allen von dem Gesetzentwurf aus Art. 131 des Grundgesetzes betroffenen Personen steht, darüber möchte ich aus einer kleinen Anzahl von Zuschriften, die mir gleich anderen Kollegen des Bundestages zu Hunderten zugegangen sind, einiges wenige sagen. — Ich stelle gerade fest, daß meine Redezeit beinahe abgelaufen ist. Ich kann Ihnen also aus dieser Blütenlese nichts wiedergeben. Man braucht das, was in diesen Zuschriften gesagt worden ist, nicht zu billigen, Herr Bundesinnenminister; da bin ich durchaus mit Ihnen einverstanden. Man kann es sogar verurteilen. Man muß nach meiner Meinung aber auch Verständnis dafür haben. Das sind nicht mehr Ausdrücke eines gesteigerten Unbehagens, sondern es sind Verzweiflungsrufe und Notschreie und, was nicht weniger schlimm ist, Ausdrucksweisen eines heraufziehenden Radikalismus aus der Not der Lage heraus. Solche Äußerungen abstoppen, diesen Radikalismus bannen heißt nichts anderes, als den übergeordneten Rechtsstandpunkt, von dem ich eingangs sprach, aus der Ecke herausholen, in die man ihn hineingestellt hat.
Die Zentrumsfraktion beantragt Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Beamtenrecht. In diesem Ausschuß wird meine Fraktion dahin mitzuwirken suchen, daß verletztes Recht, daß Verstöße gegen Treu und Glauben wieder gutgemacht werden; einmal, damit allen Beteiligten gegeben werde, was ihnen nach Recht und Billigkeit zusteht, und zum anderen, damit einer beginnenden Radikalisierung der Beamtenschaft, die dem staatstragenden Charakter des öffentlichen Dienstes abträglich ist, Einhalt geboten wird, damit wieder eine erträglichere, eine wohltuendere, eine friedliche Atmosphäre geschaffen wird.

(Beifall beim Zentrum.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108403400
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleindinst, der sich mit dem Kollegen Wackerzapp in die der Fraktion zustehende Redezeit teilen wird.

Dr. Josef Ferdinand Kleindinst (CSU):
Rede ID: ID0108403500
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Über die Personenkreise des Art. 131 sind viele staats- und sogar völkerrechtliche Ausführungen gemacht worden. Mindestens ebenso überzeugend sind aber zwei Vorgänge, die wir alle erlebt haben. Der eine ist die Unterbringung der 1918 aus Elsaß-Lothringen und aus Oberschlesien zurückströmenden Beamten und Wehrmachtangehörigen. Die Aufgabe konnte damals im Verhältnis zu unserer Aufgabe spielend gelöst werden. Ebenfalls vergleichbar ist der Vorgang, der nach 1918 in Österreich eintrat, als aus allen Nachfolgestaaten die Beamten und Wehr-machtangehörigen zurückströmten und als nach der Stabilisierung der Währung die große Aufgabe unternommen wurde, den sozialen Verhältnissen einigermaßen Rechnung zu tragen. Damals wurde die Frage der Nachfolgerschaft des Reiches und Österreichs in keiner Weise aufgeworfen; damals wurden die Aufgaben als politische, als nationale Aufgaben erfüllt.
Der Art. 131 umreißt nun Flüchtlingsbeamte, Wehrmachtangehörige und einheimische Beamte, die aus nicht beamten- oder tarifrechtlichen Gründen aus ihrer Stellung gekommen sind; er betrifft weiterhin die Angestellten und die Arbeiter. Wir bekennen uns zur Lösung für alle Gruppen nicht nur aus rechtlicher, sondern auch aus sozialer Verpflichtung. Wir wollen insgesamt — was sich ja heute ergeben hat — auch für die Wehrmacht eintreten. Ich sehe darin auch ein Bekenntnis dazu, daß die Wehrmacht — mit den Ausnahmen, die ich nicht zu erwähnen brauche — ihre Pflicht getan hat und daß die Zeit der Diffamierung vorüber ist. Ich darf hervorheben, daß die Anerkennung der Beamtenschaft, die heute durch die Ausführungen aller Redner hindurchgegangen ist, doch eine Wandlung in der Beurteilung gegenüber etwa dem Jahre 1945 erkennen läßt.
Nun wurde von Herrn Kollegen Menzel schon hervorgehoben, daß wir auch die Beamtenschaft in Berlin und alle die Gruppen in Berlin, die unter Art. 131 fallen, nicht vergessen dürfen. Das ist um so selbstverständlicher, als alle diejenigen, die aus Berlin evakuiert sind, schon unter dieses neue Gesetz fallen werden. Wir müssen infolgedessen auch für alle diejenigen die Konsequenz ziehen, die sich noch in Westberlin befinden, trotz aller verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten, die zur Zeit noch bestehen, die aber wohl überwunden werden können.
Im Mittelpunkt steht nun die, Frage der Rechtsgrundlage, wie ja überall hervorgehoben worden ist. Wenn man den Gesetzentwurf und seine Begründung objektiv beurteilt, dann ist die Fortdauer des Beamtenverhältnisses anerkannt. Andernfalls, wenn das Dienstverhältnis nicht als fortbestehend anerkannt werden würde, könnte ja nicht von einer Außerdienststellung gesprochen werden.
Nun ist allerdings gesagt worden — und es wird heute noch weiter gesagt werden —: volle Anerkennung der Rechtsverhältnisse ohne Rücksicht darauf, wie die Erfüllung erfolgen kann. Es ist auch früher schon hervorgehoben worden und wird vielleicht heute noch hervorgehoben werden: auch der Richter spricht Recht über Rechtsverhältnisse, und die Frage der Erfüllung des Urteils ist eine spätere Angelegenheit. Nun, mit dieser Argumentation ist diesen Kreisen nicht gedient; denn es handelt sich für sie nicht nur um die Anerkennung des Rechts, sondern auch um die Möglichkeit der Leistung. Es kommt auf die Leistung ebenso an wie auf die Anerkennung des Rechts. Sie muß sich natürlich auch nach den finanziellen Verhältnissen richten. Das möchte ich gegenüber den Ausführungen, die von der finanziellen Folge vollkommen absehen, hervorheben.
Im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs steht zweitens die Frage der Unterbringung. Alle in Frage kommenden Kreise haben immer wieder hervorgehoben: Wir wollen nicht Unterhaltsgelder, wir wollen in unserem Beruf wieder verwendet werden. Die Regelung des Gesetzentwurfs bringt nun System und Ordnung in die Wiederverwendung, während in den Jahren 1945 und 1946 doch der Zufall ausschlaggebend gewesen ist und derjenige eine Anstellung bekommen hat, der gerade vor der Tür der Verwaltung gestanden ist, die neue Kräfte gebraucht hat. An eine Verdrängung derjenigen, die im Jahre 1945 eingetreten sind, denkt natürlich niemand. Die Freimachung von Stellen durch Pensionierungen, durch anderweitiges Ausscheiden,


(Dr. Kleindinst)

durch Übergang von Angestellten, namentlich der allertüchtigsten, die aus der Wirtschaft und Technik stammen, in den freien Beruf, was wiederholt beobachtet wird, wird die Verhältnisse erleichtern.
Nun wird darauf hingewiesen, daß dadurch zwei Gruppen entstehen, einmal diejenigen, die unter Art. 131 fallen, und zum andern diejenigen, die im Dienste stehen. Wir würden es begrüßen, wenn die Gleichberechtigung, die heute wieder betont worden ist, erreicht werden könnte. Wenn die Herren, die das heute so stark betont haben, uns auch in der Beschaffung der Mittel unterstützen, werden wir gern den Weg gehen, der die volle Gleichberechtigung bringt. Diese Voraussetzung muß allerdings geschaffen werden.
Weiter wird eingewendet, daß der Gesetzentwurf eine neue Entnazifizierung bedeute. Das ist zweifellos nicht der Fall. Denn wenn in dem Entwurf steht, daß Ernennungen und Beförderungen nicht anerkannt werden, die ausschließlich mit Beziehung zum Nationalsozialismus erfolgt oder überwiegend durch ihn bedingt sind, so ist das nicht der Wiederbeginn einer Entnazifizierung, sondern nur die Beseitigung der Folgen des Mißbrauchs eines politischen Einflusses und eines Mißbrauchs des Beamtenrechtes, die wohl allgemeine Billigung finden wird, außer von seiten derjenigen, die hiervon betroffen werden.
Über Einzelfragen, über Stichtage, Besoldungsdienstalter und viele andere Dinge wird im Ausschuß sehr viel zu reden sein. Aber daß wir den Entwurf zur Grundlage unserer Beratung machen, um zu einem möglichst guten Erfolg zu kommen, das ist doch der Wille aller, die sich heute zu dieser Arbeit bekannt haben.
Ich darf nur noch einen Punkt hervorheben. Wir müssen natürlich auch diese Frage wie die kommende und vom Standpunkt der sozialen Verhältnisse noch wichtigere Versorgung der Kriegsopfer im Rahmen unserer Gesamtaufgaben und im Rahmen unseres Gesamtkönnens beurteilen. Wir verstehen auch, wenn von seiten der Leute, die nun fünf Jahre lang auf eine erlösende Maßnahme gewartet haben, Kritik geübt wird und wenn auch temperamentvolle Worte gefallen sind. Wenn aber von Empörung gesprochen wird, dann muß ich sagen: sie muß sich gegen diejenigen richten, die diesen Zustand herbeigeführt haben.
So schwierig die Aufgabe ist, insbesondere in finanzieller Beziehung, so müssen wir doch sehen, wie wir sie irgendwie zu meistern imstande sind und wie wir alles versuchen, um die dreiprozentige Steuer auf die Beamtengehälter usw. zu vermeiden. Ich bitte noch einmal alle die Herren, die sich heute so temperamentvoll für die Gleichberechtigung ausgesprochen haben, uns auch in der finanziellen Frage entsprechend zu unterstützen.

(Zustimmung bei der CDU/CSU.)

Wir werden gern mit allen Mitteln die Herbeiführung des Rechtes und der Gerechtigkeit in diesem Entwurf zu verwirklichen suchen. Es ist möglich, daß wir die Frage der Unterbringung vorweg behandeln, um damit auch die finanzielle Frage zu erleichtern. Dieser Weg ist in früheren Monaten schon besprochen worden, und er liegt auch dem Antrag der FDP zugrunde. Er bietet eine Möglichkeit, die zweite Frage — die Versorgungsfrage, die finanzielle Frage — zu entlasten. Schließlich bietet der Entwurf ja die Möglichkeit, eine Revision, eine Aufbesserung nach Lage der Verhältnisse zu versuchen. Bei der Vielgestaltigkeit der Schicksale aller unter Art. 131 fallenden Kreise
wird es vielleicht notwendig sein, nach 1 oder 2 Jahren eine Revision zu versuchen, um das zu erreichen, was zur Stunde nicht voll erreicht werden kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108403600
Das Wort hat der Abgeordnete Wackerzapp.

Oskar Wackerzapp (CDU):
Rede ID: ID0108403700
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, zu der Frage, die uns heute bewegt, vom Standpunkt der heimatvertriebenen Beamten Stellung nehmen zu dürfen. Die heimatvertriebenen Beamten sind in der Armee der 131er der stärkste Trupp, und darum ist es von besonderer Bedeutung, zu erfahren, wie dieser große Personenkreis zu dem Gesetz, das uns heute vorgelegt worden ist, steht. Da ist nun folgendes festzustellen. Wenn der Herr Minister gesagt hat, daß das Gesetz mit äußerstem Wohlwollen geformt sei, so müssen wir gegenüber dieser optimistischen Einstellung doch schwerwiegende Bedenken erheben. Wir sind der Meinung, daß der Gesetzentwurf aus dem Beamtenrecht nicht nur lückenlos die den Beamten allgemein obliegenden Verpflichtungen übernommen hat, sondern darüber hinaus den vertriebenen und verdrängten Beamten sogar noch zusätzliche Verpflichtungen auferlegt hat, zum Beispiel den Wartestandsbeamten, denen man unter Androhung von Nachteilen zumutet, auch in der privaten Wirtschaft eine entsprechende Tätigkeit aufzunehmen, was man von einheimischen Beamten nicht verlangt. Es sind noch weitere drückende Bestimmungen darin enthalten, auf die ich im einzelnen jetzt nicht eingehen möchte. Ob in solchem Verhalten aber ein besonderes Wohlwollen zu erblicken ist, ist Ansichtssache. Es handelt sich beim Regierungsentwurf zweifellos um ein technisch ausgezeichnet ausgearbeitetes Werk; aber wir müssen in der Grundkonzeption des Gesetzgebers mit schmerzlichem Gefühl feststellen, daß es ihm in vielen Fällen an Herz und Seele fehlt. Denn so technisch vollendet es in souveräner Beherrschung des schwierigen Stoffes auch ausgearbeitet ist, so sind wir doch der Meinung, daß unserer Grundforderung auf Anerkennung unserer wohlerworbenen Rechte nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen ist. Ehe ich nun weiter auf das eingehe, was nunmehr praktisch werden soll, möchte ich folgendes vorausschicken. Wir heimatvertriebenen Beamten wissen, daß wir nichts Unmögliches verlangen dürfen und daß auch unseren berechtigtsten Ansprüchen durch die finanzielle Lage und auch sonst Grenzen gesetzt sind. Aber wir sind der Meinung, daß die Regierung und die heimischen Stellen alles tun müssen, um eine möglichste Gleichberechtigung der heimatvertriebenen Beamten herbeizuführen. und daß in dieser Beziehung noch nicht alle Kräfte und alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
Nun darf ich auf einen Punkt kommen, der in der heutigen Debatte schon eine gewisse Rolle gespielt hat; das ist die Frage des dreiprozentigen Abzugs vom Einkommen der heimischen Beamten, die damit einen Teil der Finanzierungsaufgaben zugunsten der heimatvertriebenen Beamten erfüllen sollen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir heimatvertriebenen Beamten aus dem furchtbaren Elend, das uns betroffen hat, einen Gewinn davongetragen haben, so ist es vielleicht der, daß wir die Güter des Lebens richtig abzuschätzen gelernt haben und daß wir nunmehr


(Wackerzapp)

begreifen, in welcher Relation die einzelnen Werte zueinander stehen. Wir müssen uns klarmachen, daß die Heimatvertriebenen seit 51/2 Jahren so gut wie gar keine Bezüge mehr erhalten haben. Wir erinnern daran, daß gerade unter den Wartestandsbeamten der Fall gar nicht so selten ist, daß der Mann, der gar nicht mehr weiterkommt, der von allen Seiten abgewiesen wird, der auf die unzulängliche Wohlfahrtsunterstützung angewiesen ist, Selbstmord begeht, um seiner Frau und seinen Kindern einen kümmerlichen Pensionsanspruch zu verschaffen. Weiterhin beobachten wir, daß unsere verdrängten Beamten ihre Söhne und Töchter nicht mehr einem höheren Beruf oder überhaupt einem gelernten Beruf zuführen können, daß der Universitätsbesuch für diese Kreise ausgeschlossen ist. Wir müssen uns klarmachen, daß abgesehen von den sich aus dieser Situation ergebenden bedrückenden familiären Verhältnissen doch auch eine große staatspolitische Gefahr entsteht, weil diese verdrängte und fehlgeleitete Intelligenz sich nachher in einer Weise zu betätigen pflegt, die nicht gerade staatsaufbauend und staatsförderlich ist.
Wenn wir uns das alles vorhalten und nun hören, daß von den einheimischen Beamten, die im allgemeinen nichts verloren haben, die außer ihrem Gehalt doch auch noch, wo solches vorhanden war, ihr Vermögen erhalten haben, verlangt wird, daß sie 3 % ihrer Bezüge zugunsten ihrer heimatvertriebenen Kollegen abgeben, so kommen wir zu der Meinung, daß es nichts Unmenschliches ist, was hier verlangt wird, und zwar um so weniger, als diese Abgabe bei den Bundesbeamten mit dem gleichzeitigen Wegfall der sechsprozentigen Gehaltskürzung gekoppelt werden soll.

(Abg. Arnholz: Die schon längst weggefallen sein müßte!)

— Ja, sie sollte schon längst weggefallen sein; aber es ist nicht geschehen, so daß wirtschaftlich gesehen trotz der Heranziehung dieser Beamten zur dreiprozentigen Abgabe letzten Endes doch eine dreiprozentige Aufbesserung herauskommt. Wenn das alles miteinander in Vergleich gesetzt wird, wird man verstehen, daß wir von den brüsk ablehnenden Entschließungen der heimischen Beamtenbünde nur mit großer Bestürzung haben Kenntnis nehmen können. Sogar die Streikdrohung ist aus diesem Anlaß am Horizont erschienen, den wir nach unseren Erlebnissen und nach unseren Maßstäben als eine Bagatelle empfinden. Wir haben das, wie ich offen sagen darf, nicht begreifen können.
Man muß sich weiter überlegen, daß die heimischen Beamten — das wurde vorhin schon angedeutet — mit ihren Pensionsansprüchen durch die Währungsreform so gut wie sonst kein anderer Berufsstand hindurchgekommen sind. Es ist mit Recht gesagt worden, daß all die Kreise, die sich ihren Lebensabend aus eigener Verantwortung auskömmlich gestalten wollten und auch darauf vertrauen durften, daß sie versorgt wären, durch die Währungsreform an den Bettelstab gebracht und in den Kreis der Fürsorgeempfänger geschleudert worden sind. Auf der andern Seite sind die Beamten mit ihren Pensionen im Verhältnis eins zu eins herausgekommen. Auch das muß im Zusammenhang gesehen werden. Deshalb ist der Gedanke der Regierung, daß hier Ausgleichsmöglichkeiten bestehen, durchaus nicht abzulehnen.
Es wurde vorhin gesagt, es sei doch eine sonderbare Zumutung, wenn die Beamtenschaft hier den
Ausgleich für sich und in sich allein vornehmen solle. Es wurde gesagt, daß dann auch die Landwirte, die Hausbesitzer usw. im Zuge des großen Lastenausgleichs zu Ausgleichsgemeinschaften zusammengeschlossen werden müßten. Dieser Einwand ist wirklich leicht zu widerlegen. Die Beamten - die heimischen und die vertriebenen — sind doch nun einmal einem großen Unternehmen, dem Staat gegenüber verpflichtet und von ihm abhängig. Ihre Bezüge können deshalb auch durch Maßnahmen des Staates reguliert werden. Der Einwand hat also bestimmt keine Durchschlagskraft.
Wenn also diese Möglichkeiten eines Ausgleichs bestehen, möchte ich an unsere heimischen Beamten doch den Appell richten, daß sie ihren Rechtsanspruch oder ihre vermeintlichen Rechte nicht übersteigern mögen. Auch im Lastenausgleich, der jetzt vor der Türe steht, werden schwerste Opfer von allen Bevölkerungsschichten verlangt. Wenn auch bei dieser großen Umschichtung des Volksvermögens die Beamten relativ ungeschoren davonkommen, sollten sie sich nicht dagegen sperren, wenn ihnen nun hier Opfer abverlangt werden, die sich wirklich in erträglichen Grenzen halten.
Ich möchte meine Ausführungen damit schließen, daß ich dem Wunsche Ausdruck gebe, die Verhandlungen über dieses sehr schwierige Thema möchten möglichst leidenschaftslos geführt werden. Die zum Teil übersteigerten, temperamentvollen Äußerungen von der einen und von der anderen Seite sind erklärlich; aber sie nützen der Sache nichts. Wir müssen uns zusammensetzen und ganz kritisch und kühl alle Eventualitäten prüfen. Vielleicht gibt es Möglichkeiten, die bisher noch gar nicht so richtig erkannt und erschlossen sind. Darauf sollten wir unser besonderes Augenmerk richten. Ich möchte wünschen, daß bei den Beratungen eine solche Lösung herauskommt, die dem Recht und der Gerechtigkeit entspricht und damit die Möglichkeit bietet, auf einem wichtigen Gebiet zum sozialen Frieden zu kommen, die weiter wertvollen Menschen hilft, aus Angst, Not und Sorge herauszukommen, so daß sie wieder nützliche Dienste leisten, statt sich in Ressentiments, Haß und Abneigung gegen die Bundesrepublik und den demokratischen Gedanken zu verkrampfen, wie es im Zuge der unbefriedigenden Entwicklung leider jetzt schon in bedrohlicher Weise festzustellen ist.
Ich beantrage daher im Einklang mit meinem Vorredner, daß der Gesetzentwurf an den Beamtenausschuß und an den Vertriebenenausschuß überwiesen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108403800
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Falkner.

Dr. Ernst Falkner (BP):
Rede ID: ID0108403900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat uns heute einen Gesetzentwurf vorgelegt, auf den nahezu 500 000 Menschen in der Bundesrepublik seit vielen Monaten sehnsüchtig warten. Wir haben gehört, daß die Verbände, die an diesem Gesetz interessiert sind, die einheimischen Beamtenverbände ebenso wie Verba-Ost und die früheren Wehrmachtsbeamten, den Gesetzentwurf ablehnen. Es mag sein, daß in der Art und Weise der Ablehnung dann und wann fehlgegriffen wurde. Ich muß aber namens meiner Fraktion grundsätzlich erklären,


(Dr. Falkner)

daß wir uns dieser Ablehnung des Gesetzentwurfs anschließen.
Er ist in unseren Augen untragbar, weil er Rechtsfragen mit Finanzfragen verquickt. Wir haben in der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfs heute sehr viel über Einzelheiten dieses Gesetzes gehört,

(Zuruf rechts: Zuviel!)

und ich glaube, wir erschweren uns die Arbeit sehr, wenn wir es in der Zukunft ähnlich machen wollten, bei der ersten Lesung eines Gesetzentwurfs schon immer in aller Breite auf Einzelheiten einzugehen. Ich möchte mich deshalb auf wenige grundsätzliche Äußerungen zu diesem Gesetzentwurf beschränken.
Grundsätzlich ist in unseren Augen, wie ich erwähnt habe, nicht richtig, daß Rechtsfragen und Finanzfragen verquickt sind. Falsch ist auch und wird von uns nicht gebilligt die Lösung, die man auf innerfinanzieller Basis sucht, nämlich die dreiprozentige Gehaltskürzung. Abgesehen von der Problematik eines inneren Lastenausgleichs auf berufsständischer Basis, wovon schon gesprochen wurde, und abgesehen davon, ob überhaupt eine solche Besteuerung eines Berufsstandes zulässig sei, ist doch auch noch darauf hinzuweisen, daß eine generelle Kürzung der Beamtenbezüge um 3% uns völlig untragbar deshalb erscheint, weil nun einmal eine dreiprozentige Gehaltskürzung denjenigen, der 200 DM im Monat verdient, ungleich härter trifft als denjenigen, der über ein Einkommen von 1200 DM im Monat verfügt.
Rechtsstaatliches Denken könnte in diesem Gesetz verwirklicht werden, und der Bundestag hat vielleicht in der Zukunft, wenn er sich dazu entschließen kann, hier rechtsstaatlichem Denken wirklich zum Durchbruch zu verhelfen, eine große Chance, der Demokratie einen wesentlichen Dienst zu erweisen.
Nach dem, was wir heute nahezu von allen Rednern gehört haben, glaube ich auch — das werden die betroffenen Personenkreise wohl gern hören —, daß der Gesetzentwurf in der Form, wie die Bundesregierung ihn jetzt vorgelegt hat, wenig Aussicht haben wird, Gesetz zu werden. Wenn jedenfalls die politischen Parteien dieses Hohen Hauses das, was ihre Sprecher heute angedeutet haben, in der Tat bei der Beratung in den zuständigen Ausschüssen verwirklichen, dann glaube ich, hoffen zu dürfen, daß in diesem Gesetz doch das Recht zum Durchbruch kommt.

(Beifall bei der BP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108404000
Das Wort hat der
Herr Abgeordnete Gundelach.

Gustav Gundelach (KPD):
Rede ID: ID0108404100
Meine Damen und Herren! Der Bundesjustizminister Dr. Dehler hat bei seiner gestrigen Begründung der Änderungen des Strafgesetzes das Verhalten der Personen und ihrer Organisationen kritisiert, die auf die gesetzliche Regelung ihrer Rechtsansprüche gemäß Art. 131 des Grundgesetzes seit langer Zeit — trotz aller Versprechungen in der Vergangenheit - warten. Eine Kritik dieser Art aus dem Munde eines Mannes, der von sich aus behauptet, ein Vertreter des Rechts zu sein, ist unserer Meinung nach sehr bezeichnend. Es ist deshalb sehr bezeichnend, weil Dr. Dehler als Regierungsmitglied die volle Verantwortung mitträgt für den zur Beratung stehenden Gesetzentwurf, der keineswegs das Recht der betreffenden Beamten, Angestellten und Arbeiter auf Gleichstellung beinhaltet.
Wir Kommunisten machen die Regierung, insbesondere den Finanzminister Schäffer, dafür verantwortlich, daß die berechtigten Forderungen der Beamten, Angestellten und Arbeiter bis heute nicht erfüllt worden sind.

(Zuruf in der Mitte: Wie in der Ostzone!)

Die Regierung ist deshalb voll verantwortlich für die vorhandene Unruhe bei diesen Hunderttausenden von Menschen, die um ihr Recht kämpfen, um das volle Recht der Gleichstellung mit ihren Kollegen, wie es ihnen durch den Willensausdruck dieses Hauses zugestanden worden ist.
Die Regierung hat die Vorlage des Gesetzes von Monat zu Monat verzögert und jetzt, da das Gesetz vorliegt, erweist sich, daß sie den Willensausdruck der Mehrheit dieses Hauses mißachtet. Der Bundestag hat in einer seiner früheren Sitzungen, wie das bereits vom Abgeordneten Dr. Menzel angeführt worden ist, zum Ausdruck gebracht, daß der Bundestag für die völlige Gleichstellung der in Frage kommenden Beamten gemäß Art. 131 des Grundgesetzes ist. Aber die Regierung denkt gar nicht daran, diesen Willensausdruck des Parlaments als Verpflichtung für sich anzuerkennen. Wir Kommunisten stehen aber zu dem vorn Bundestag gefaßten Beschluß.
Wir sind aus diesem Grunde nicht bereit, dem Gesetzentwurf in seiner jetzigen Fassung zuzustimmen und haben noch einen weiteren Grund dafür. Kap. III der Vorlage fordert, wie bereits von dem Herrn Vorredner angeführt, eine Sondersteuer von den Beamten, Angestellten und Arbeitern des öffentlichen Dienstes mit Versorgungsrecht in Höhe von 3 % ihres Gehalts oder ihrer Versorgungsbezüge. Diese Sondersteuer soll, wie in der Begründung durch den Minister Heinemann zum Ausdruck gebracht worden ist, zur Finanzierung der Bezüge der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen beitragen. Wir Kommunisten lehnen diese Sondersteuer ab, weil es absolut ungerecht ist, daß eine Schicht der Bevölkerung zu einer Sondersteuer für ihre Berufskollegen herangezogen werden soll. Es kann und darf nicht so sein, daß Beamte, Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes für Lasten, die als Folge des verbrecherischen Hitlerkrieges entstanden sind, verantwortlich gemacht werden. Als verantwortlich müßten jene Personen herangezogen werden, die in der Hitlerzeit, insbesondere in der Zeit des verbrecherischen Krieges, Riesengewinne eingesteckt haben.

(Sehr richtig! bei der KPD.)

An diese Schichten der Bevölkerung hat die Regierung bei Ausarbeitung ihrer Vorlage bisher offensichtlich nicht gedacht. Aber für eine solche Haltung sind bei dieser Regierung auch keine Voraussetzungen gegeben.
Es gibt darüber hinaus noch einen Grund, der uns zur Ablehnung des Gesetzes zwingt. Wir sind gegen die Verkoppelung der Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung mit der Regelung der Belange der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen. Wir haben das bereits bei früheren Stellungnahmen zu dieser Frage hier im Bundestag wiederholt zum Ausdruck gebracht. Diese Forderung der Beamten ist um so berechtigter, als sie durch diese Koppelung, wie der Gesetzentwurf sie vorsieht, gegenüber ihren Kollegen in den Ländern und Gemeinden benachteiligt werden. Es ist Ihnen bekannt, daß in allen Ländern und Gemeinden die Verordnung über die


(Gundelach)

sechsprozentige Gehaltskürzung zum Teil bereits seit 1. Oktober 1949, zum Teil seit 1. Januar 1950 aufgehoben ist. Nach dieser Gesetzesvorlage wird die Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung für die im Bundesdienst stehenden Personen erst mit Inkrafttreten dieses Gesetzes ohne rückwirkende Kraft wirksam. Eine solche ungerechte Behandlung der im Dienste des Bundes stehenden Personen ist unhaltbar und darf unserer Meinung nach nicht hingenommen werden. Für diese unhaltbare Regelung tragen aber die Regierungsparteien die volle Verantwortung, die entgegen dem Beschluß des Beamtenrechtsausschusses die Verkoppelung der Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung hier in der Sitzung des Bundestages beschlossen haben. Der Beschluß des Beamtenrechtsausschusses, der hier im Bundestag mehrere Male behandelt worden ist, sah eine rückwirkende Kraft ab 1. April dieses Jahres vor. Diesen Beschluß haben die Regierungsparteien in der damaligen Sitzung zu Fall gebracht und damit gegen die Interessen der Beamten, Angestellten und Arbeiter im Bundesdienst gehandelt.
Das, meine Damen und Herren, sind einige der wichtigsten Fragen, die es, wenn sie durch die Beratungen im Ausschuß für Beamtenrecht keine andere Lösung erfahren, der kommunistischen Fraktion unmöglich machen, der Regierungsvorlage zuzustimmen.

(Beifall bei der KPD.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108404200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Fröhlich.
Fröhlich; (WAV): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Auftrag dieses Hohen Hauses an die Bundesregierung vom 2. Dezember 1949, einen Gesetzentwurf nach Art. 131 des Grundgesetzes vorzulegen, der die Gleichstellung der ruhegehaltsberechtigten Beamten, Angestellten und Lohnempfänger mit den einheimischen Versorgungsberechtigten mit sofortiger Wirkung regeln sollte, lag wohl einmütig die Auffassung zugrunde, daß die völlige Gleichberechtigung der bisher Entrechteten nach den althergebrachten Grundsätzen der Beamtenversorgung herzustellen sei, nicht aber, daß es sich hier um die Aufstellung völlig neuer Versorgungs-Grundsätze handeln solle. Diese Auffassung entspricht auch in vollem Umfang den Grundrechten. Nach Art. 3 sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich, und niemand darf aus irgendwelchen Gründen benachteiligt oder bevorzugt werden. In Art. 19 des Grundgesetzes ist weiterhin festgelegt, daß, soweit ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, das Gesetz allgemein und nicht für den Einzelfall zu gelten hat. In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
Wenn man den uns von der Regierung unterbreiteten Gesetzentwurf darauf überprüft, inwieweit er gegen die genannten Artikel des Grundgesetzes verstößt, so kommt man zu der bedauerlichen Feststellung, daß zahlreiche Verstöße vorliegen. Nach dem Gesetzentwurf wird die im Auftrage dieses Hohen Hauses geforderte Gleichberechtigung der Staatsdiener in gar keiner Weise hergestellt; im Gegenteil, die bisher durch den Krieg einmalig hart Betroffenen werden nach wie vor zu Menschen zweiter Klasse gestempelt. Eine besondere Diskriminierung liegt nach unserer Auffassung bei den Angehörigen der ehemaligen deutschen Wehrmacht vor, und zwar bei allen Dienstgraden. Es ist außerordentlich bedauerlich, daß diese Feststellung getroffen werden muß. Besonders bedauerlich ist, daß diese Diskriminierung nunmehr verewigt werden soll. Das kann und darf nicht geschehen. Es scheint mir vielmehr eine nationale Pflicht aller Deutschen zu sein, gerade im Hinblick auf die gesamtpolitische Lage, vor allem aber eine Pflicht der Bundesregierung und dieses Hohen Hauses, die Ehre des deutschen Soldaten vor dem deutschen Volk und der Weltöffentlichkeit wiederherzustellen. Die Behandlung der ehemaligen Soldaten durch diesen Gesetzentwurf bewirkt das Gegenteil. Die allgemeine Not und die besonderen Schwierigkeiten unserer jungen Demokratie können kein Anlaß sein, aus rein fiskalischen Gründen zweierlei Recht zu schaffen. Man bedenke, daß die unter Art. 131 fallenden Personen es seit Kriegsende gewohnt sind, zu hungern und zu darben. Die meisten von ihnen leben bis zum heutigen Tage von der öffentlichen Fürsorge. Das scheint vielen nicht bekannt zu sein. In Bayern z. B. bekommt der Fürsorgeempfänger in Niederbayern für den Haushaltsvorstand 30 DM, für seine Ehefrau 20 DM und für die Kinder 16 DM. Und dann wird andererseits von den Mitgliedern dieser Regierung behauptet, daß es in der Deutschen Bundesrepublik keine armen Leute mehr geben sollte!

(Zuruf rechts: Es gibt noch viel ärmere!)

Viele haben sich schon in ihrer Verzweiflung das
Leben genommen, weil es ihnen nicht mehr lebenswert zu sein schien. Trotz allem sind diese
Menschen durchweg bereit, der schwierigen Situation der Bundesrepublik Rechnung zu tragen
und sich den Gegebenheiten, entstanden durch
den verlorenen Krieg, anzupassen und weiterhin
zu verzichten. Aber nur unter einer Voraussetzung: daß die Lasten auf alle gleichmäßig verteilt
werden! Sie sind aber nicht mehr nach ihren im
voraus gebrachten ungeheuren Opfern bereit, sich
nach dem Prinzip des geringsten Widerstandes
einseitig weitere Opfer aufbürden zu lassen. Sie
verlangen leidenschaftlich und kompromißlos die
Gleichberechtigung und dulden es nicht länger,
als Menschen zweiter Klasse behandelt zu werden.
In diesem Zusammenhang ein Wort zu der von der Regierung vorgesehenen dreiprozentigen Kürzung, um damit die Versorgung dieses Kreises zu finanzieren. Wir sind auch der Auffassung, daß es ungerecht wäre, wenn man einen einzigen Stand mit einer solchen Kürzung belasten würde. Denn es handelt sich hier um Kriegsfolgelasten, die von der Gesamtheit des Volkes, nicht nur von einem Stand getragen werden müssen. Wenn es aber nicht möglich sein sollte, auf irgendwelche andere Art und Weise die Mittel für die Betreuung dieses Personenkreises zur Verfügung zu stellen, dann würde nichts weiter übrig bleiben, als tatsächlich diese Kürzung durchzuführen. Denn das Unheil, das angerichtet würde, wenn der Notstand dieses Personenkreises weiterhin bestehen bliebe, wäre unabsehbar. Ich bin der Meinung, daß jeder Deutsche vor der Bescheidenheit und der Geduld dieses Personenkreises größte Hochachtung haben sollte.
Meine Damen und Herren, ich fühle mich auch noch veranlaßt, zu den Bemerkungen des Herrn Bundesjustizministers und Innenministers zu den Beschwerden und Anwürfen gegen die Bundesregierung im Hinblick auf die Vorlage dieses


(Fröhlich)

Gesetzentwurfs kurz Stellung zu nehmen. Wenn man die Not dieses Personenkreises kennt, darf man sich nicht darüber wundern, daß er in leidenschaftlicher Form auf seiner Gleichberechtigung besteht. Man muß hierfür Verständnis haben, und ich halte es auch für notwendig, Sie noch darauf hinzuweisen, daß anläßlich der Verkündung der Charta der Vertriebenen der Herr Vizekanzler Blücher in Stuttgart vor Delegierten der Heimatvertriebenen im Auftrag des Herrn Bundeskanzlers und im Auftrag der Bundesregierung die Erklärung abgegeben hat, daß es für alle Zukunft nur Deutsche gleichen Rechtes geben soll. Diese Erklärung wurde einen Tag später von einem Sprecher der Heimatvertriebenen vor 100 000 Menschen in Stuttgart wiederholt, und gleichzeitig wurde erklärt, daß man den Herrn Vizekanzler zu gegebener Zeit beim Wort nehmen wird. Meine Damen und Herren, wenn dieser Personenkreis nach diesen Erklärungen der Bundesregierung diesen Gesetzentwurf sieht, dann darf man es ihm nicht verübeln, wenn er in einer solchen leidenschaftlichen Form hiergegen protestiert, und ich glaube, daß es geradezu ein gutes Zeichen für die immer mehr wachsende deutsche Demokratie ist, wenn gerade diese Kreise sich selbst in leidenschaftlicher Form bemühen, für ihre Gleichberechtigung zu kämpfen und zu streiten.

(Zurufe von der SPD.)

Im übrigen, meine Damen und Herren, sind wir der Überzeugung, daß die Abgeordneten dieses Hohen Hauses bessere Hüter der Grundprinzipien der Demokratie als jene sein werden, die an diesem Gesetzentwurf mitgearbeitet haben.

(Beifall bei der WAV.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108404300
Das Wort hat der
Herr Abgeordnete Dr. Nowack.
Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) (FDP): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Seit einiger Zeit spricht man von den „131ern". Das ist, wie Sie heute gemerkt haben, soweit Sie es nicht schon vorher gewußt haben, kein Begriff aus dem Vokabularium der neuen Remilitarisierung,

(Heiterkeit)

sondern es ist eben jener Kreis, der unter den Art. 131 des Grundgesetzes fällt.
Dieses Gesetz zu Art. 131 liegt uns heute vor. Ich kann im Augenblick zu diesem Gesetz nicht sprechen, ohne mich um ein Jahr in die Vergangenheit zurückzuversetzen. Damals war es dieser Personenkreis, der dem Bundestag mit größten Erwartungen gegenüberstand und von ihm eine Lösung im Hinblick auf die unerhört schwierigen sozialen Verhältnisse, in denen sich dieser Kreis befand, erwartete; und zwar erwartete er eine solche Lösung bald.
Nun ist ein Jahr vergangen, und dieser Gesetzentwurf liegt erst heute vor. Bei der sozialen Lage, in der sich die Betroffenen befinden, ist es mir durchaus klar, daß sich ihre Äußerungen nicht immer gerade in sanften und friedlichen Tönen halten können. Ich muß auf der anderen Seite allerdings auch sagen, daß ich den Eindruck habe, daß es ganz bestimmte Kreise gibt, die versuchen, die Not dieser Kreise auszubeuten zu Agitationen und Hetze gegenüber der Demokratie, gegenüber der Republik, gegenüber der Bundesregierung und ihren Versuchen, die Dinge zu lösen, und auch gegenüber diesem Hohen Hause.
Es ist an sich bedauerlich, daß die Lösung dieses' Problems so lange gedauert hat, und ich verstehe auch, daß es den Leuten da draußen ziemlich gleichgültig ist, . aus welchem technischen oder verwaltungsmäßigen oder bürokratischen Grund diese Verzögerung erfolgt ist. Sie sitzen in der Not und warten auf eine Lösung, und wir haben ihnen diese Lösung bisher nicht bringen können.
Es hat einen langwierigen Kampf zwischen finanziellen und rechtlichen Erwägungen gegeben. Der Innenminister hat vorhin von dem Suchen nach einer Plattform für die finanzielle und für die politische Lösung gesprochen. Ich glaube, der Kreis dort draußen erwartet eine Lösung von der rechtlichen Plattform aus. Dieses Haus hat vor Ende des vorigen Jahres einen entsprechenden Beschluß gefaßt, und ich kann nicht annehmen, daß dieser Beschluß nur eine leere Deklamation gewesen sein soll. Die FDP-Fraktion hat sich bereits in früheren Erklärungen zu dieser Frage eindeutig auf den Boden des Rechts gestellt und immer wieder erklärt, daß sie grundsätzlich für die Gleichberechtigung eintritt.
Nun sind wir hier — vom Kollegen Kleindinst in erster Linie — ermahnt worden, wenn wir für eine Regelung dieser Frage eintreten, doch auch für die Mittelbewilligung einzutreten. Meine Damen und Herren, ich habe früher schon einmal hier gesagt, daß ich der Auffassung bin, daß das, was bisher an Berechnungen angestellt worden ist, sehr fragwürdig ist. Sowohl die statistischen Unterlagen wie auch die Sätze, mit denen man die Statistik nun multipliziert und dann Milliardenbeträge ausgerechnet hat, sind fragwürdig. Es kann kein Zweifel darüber sein, daß die Lasten, die uns hier auferlegt werden, tatsächlich als Lasten empfindlich zu spüren sein werden. Aber ich bin auch heute noch der Überzeugung — und ich glaube auch, man kann es rechnerisch nachweisen —, daß diese Lasten nicht mit den Milliardenbeträgen identisch sind, die uns hier von amtlicher Stelle immer wieder vorgetragen worden sind.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Wir werden allerdings erhebliche Anstrengungen
machen müssen, um die finanzielle Seite zu regeln.

(Sehr richtig! rechts.)

Aber ich glaube, nicht die finanzielle Entscheidung darf, sondern die rechtliche Klärung der Angelegenheit muß im Vordergrund stehen; die rechtliche Frage muß nach den überlieferten Grundsätzen des Beamtenrechts entschieden werden, so wie wir es immer vertreten und verteidigt haben und auch in Zukunft vertreten werden.
Es ist der Versuch gemacht worden, einen Teil der Kosten — es ist wesentlich, daß man sagt: einen Teil der Kosten — durch eine allgemeine Kürzung der Gehälter der Beamten und der Pensionäre aufzubringen. Eine Kürzung um 3% —ob man sie nun Steuer oder einen Gehaltsabzug oder wie man das Kind nennt, ist ganz gleich — ist von seiten der Regierung vorgeschlagen worden. Ich möchte allerdings einmal eines aus der Agitation, die mit diesem Satz getrieben wird, richtigstellen. Wenn behauptet wird, daß diese Kürzung dazu reichen würde, die Ansprüche der aus dem Art. 131 Berechtigten zu befriedigen, so ist das ein völliger Unsinn. Diese 3 % stehen nur als zwanzigprozentiger Deckungsvorschlag in dem Gesamtvorschlag, den die Bundesregierung auf Ihre Veranlassung dem Hause für die Deckung der An-


(Dr. Nowack [Rheinland-Pfalz])

sprüche aus Art. 131 vorgelegt hat. Also nur eine beschränkte und sehr begrenzte Deckung. Aber ich glaube, daß man unter den heutigen Verhältnissen niemand aus dem Kreise der Beamten oder der Beamtenpensionäre zumuten kann, sich in seinen Einkünften einer weiteren Kürzung zu unterziehen. In einem Augenblick, wo andere Berufsgruppen — seien es Arbeiter, seien es Angestellte — im Hinblick auf die Steigerung der Lebenshaltungskosten Lohnerhöhungen erkämpfen, kann man nicht einer Schicht, die, wie der Herr Innenminister selbst erklärt hat, seit 1927 die gleichen Gehaltssätze bekommt, noch eine weitere zusätzliche Kürzung zumuten.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Wir lehnen daher diesen Vorschlag der Bundesregierung zur Befriedigung der Bedürfnisse aus Art. 131 ab.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Auf der anderen Seite begrüßen wir es, daß die Bundesregierung in dem Schlußabschnitt des Gesetzes den Vorschlag gemacht hat, den Betrag, der erstmalig für die Deckung der Ansprüche aus Art. 131 erforderlich wird, als einen konstanten Betrag Jahr für Jahr in den Haushalt einzusetzen. Auf diese Weise wird es möglich werden, die eventuell im Anfang nicht unbedingt gleich hohen finanziellen Leistungen in rascher Folge im Laufe der nächsten Jahre völlig an die Leistungen anzugleichen, die andere Beamte und Staatsdiener, öffentlich Bedienstete erhalten. Das wird um so mehr und um so leichter geschehen, als der Gesamtbetrag, der bisher veranschlagt wird, ohnehin noch erhöht wird. Ich möchte mich auf einige Einzelfragen nicht weiter einlassen, möchte nur sagen, daß wir es außerordentlich begrüßen, daß vom Bundesrat der Vorschlag gemacht worden ist, dieses Gesetz auch auf Berlin auszudehnen. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn dieser Vorschlag auch von Anfang an schon in dem Gesetz enthalten gewesen wäre.
Eine Reihe von anderen Fragen wird uns bei der künftigen Bearbeitung des Gesetzes in den Ausschüssen noch außerordentliche Schwierigkeiten machen. Da taucht die Zehnjahresfrist auf, ein Thema, über das man sich wird unterhalten müssen. Es taucht die Frage auf: soll man eine Altersgrenze einsetzen und durch die Einfügung der Altersgrenze dem Betroffenen von vornherein den Unterhaltsbetrag erhöhen oder soll man keine Altersgrenze nehmen, so daß man dann vielleicht gezwungen wäre, allen geringere Unterhaltsbeträge zu zahlen, auch denen, die vielleicht bei gutem Willen dann noch eine selbständige Arbeit leisten können.
Die Frage der zwei Beförderungen ist, wie Kollege Menzel schon ausgeführt hat, selbst im Bundesrat Gegenstand lebhafter Auseinandersetzungen gewesen. Wir haben über diese Frage und ihre Auswirkungen bisher überhaupt keine Unterlagen und kein Material, wir wissen gar nicht, wie sich diese Bestimmung gegenüber dem einzelnen auswirken kann, ob sie sich finanziell überhaupt auswirkt oder ob nicht der finanzielle Erfolg vielleicht durch eine erhöhte Verwaltungsarbeit aufgefressen wird. Schließlich darf man auch bei dieser Frage noch hinzufügen: Blitzkarrieren hat es immer gegeben, nicht nur vor 1945.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, es tauchen auch die Frage des RAD sowie noch eine ganze Reihe weitere Einzelfragen auf. Alles das wird Aufgabe der betreffenden Ausschüsse sein, sich mit diesen Einzelheiten zu befassen.
Ich glaube aber, daß ein Abschnitt aus diesem Gesetz bereits ausgegliedert werden kann, das ist der Abschnitt, der die Unterbringung der Beamten regelt, die verdrängt oder vertrieben worden sind. Ich glaube das, nachdem der Bundesrat in seiner Stellungnahme erklärt hat, daß die von meiner Fraktion eingebrachte Vorlage zu dieser Frage — die Drucksache Nr. 1201 — in diesem Punkt eine glücklichere Lösung als die Regierungsvorlage zu Art. 131 enthält. Der Bundesrat hat einen wesentlichen Teil unserer Vorschläge in seine eigenen Vorschläge übernommen und uns damit praktisch in die Lage versetzt, dieses Unterbringungsgesetz in allerkürzester Frist fertigzustellen und damit den ersten praktischen Beitrag zur Ausführung des Art. 131 zu liefern. Ich glaube, es sollte die dringendste Aufgabe der zuständigen Ausschüsse sein, sich so schnell wie möglich mit diesem Gesetz zu befassen.

(Lebhafte Zustimmung.)

Es gibt Proteste gegen diese Unterbringungspflicht. Sie kommen aus den Gemeinden, sie kommen aus den Landgemeinden. Ich weiß, welche Schwierigkeiten dort bestehen. Wir werden uns mit diesen Protesten befassen und wir werden danach trachten müssen, daß nicht übermäßige Härten entstehen. Im Grundsatz aber müssen wir dafür sorgen, daß diese Personenkreise in erster Linie erst einmal Arbeit finden. Die Regelung der Unterbringungsfrage ist auch gleichzeitig der erste und wichtigste Beitrag zur Erledigung einer Reihe von finanziellen Problemen. Denn durch diese Unterbringung werden die Lasten, die der Bund zu tragen hat, doch erheblich, und zwar in wachsendem Maße erheblich verringert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Einige Redner haben hier davon gesprochen, daß dieser Entwurf eine Diskriminierung einzelner Beamtengruppen oder insbesondere — darauf ist hingewiesen worden — der Wehrmachtsangehörigen bedeutet. Ich glaube, versichern zu können, daß der Bundesregierung eine solche Diskriminierung völlig ferngelegen hat. Der Herr Bundesinnenminister hat ja diese Frage in seinen Ausführungen auch schon behandelt, und ich glaube, zumindest für meine Fraktion erklären zu können, daß wir uns an einer solchen Diskriminierung niemals beteiligt haben und niemals beteiligen werden. Man kann aber nicht jede durch die Zeitverhältnisse bedingte Unterscheidung nun als Diskriminierung einer Gruppe bezeichnen, sondern man muß sie dann doch in den großen Zusammenhang der Politik und des gesamten sozialen und soziologischen Geschehens bringen.
Um die Arbeit zu beschleunigen, die bisher um. ein Jahr aufgeschoben worden ist, schlagen wir Ihnen vor, einen Sonderausschuß zu bilden, der sich mit der Beratung dieses Gesetzes befassen soll. Wir schlagen Ihnen das aus rein technischen Erwägungen vor. Wenn wir diesen Entwurf in vier oder fünf Ausschüsse bringen, anstatt von vornherein den Versuch zu machen, aus diesen vier oder fünf Ausschüssen einen Sonderarbeitsausschuß zu kombinieren, dann müssen wir zeitlich hintereinander arbeiten, während wir in diesem einen Sonderausschuß zeitraffend zusammenhängend arbeiten können. Es ist aber schon soviel Zeit versäumt worden, daß wir jetzt überlegen müßten, ob wir noch weitere Zeit verstreichen lassen oder ob wir uns nicht technisch verständigen wollen, einen Sonderausschuß zu bilden, dem wir dieses Aufgabengebiet übertragen.


(Dr. Nowack [Rheinland-Pfalz])

Ich darf Ihnen, Herr Präsident, den Antrag vorlesen:
Zur beschleunigten Vorbereitung der zweiten und dritten Beratung wird der Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 fallenden Personen einem gemäß § 27 der Geschäftsordnung zu bestellenden Sonderausschuß überwiesen. Der Sonderausschuß besteht aus 28 Mitgliedern, von denen je 7 gleichzeitig dem Haushalts-Ausschuß, dem Ausschuß für Heimatvertriebene, dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und dem Ausschuß für Beamtenrecht angehören.
Ich darf diesen Antrag dem Herrn Präsidenten überreichen und bitte, ihn im Lauf der weiteren Behandlung des Themas heute zur Abstimmung zu bringen.
Wir nehmen den vorliegenden Gesetzentwurf als eine Arbeitsunterlage entgegen. Wir behalten uns vor, genau so, wie wir es bei der Frage der Unterbringung gemacht haben, eventuell auch in Zukunft noch in dieser Frage initiativ tätig zu werden.
Meine Damen und Herren! Wenn wir diese Beratung in Kürze beendet haben werden, werden wir uns noch mit der Beratung des Kriegsopfergesetzes zu befassen haben. Es scheint mir nicht nur ein Zufall, sondern wesentlich zu sein, daß diese beiden Gesetze nebeneinander stehen, um der breiten Öffentlichkeit, um dem deutschen Volk zu zeigen, welche schweren Lasten es als Folge einer verhängnisvollen Politik, der einmal viele zugejubelt haben, auf sich nehmen muß. Notwendig ist es auch, daß wir diese beiden Fragen nebeneinander stellen, um zu zeigen, daß nicht allein eine Gruppe da ist, die um ihr Recht kämpft, sondern daß mehr Gruppen da sind. Ich sehe vor mir die Hunderttausende von Menschen, die der heutigen Diskussion dieses Hauses mit großer Sorge und großem Interesse folgen und die hoffen, daß dieses Haus und seine Ausschüsse ihnen in Kürze nun endlich die rechtlichen Unterlagen und damit die Rechtsansprüche geben, die ihnen nun seit fünf Jahren völlig versagt waren und deren Zuerkennung sie jetzt wieder in den Kreis der gleichberechtigten Menschen eingliedern sollen, in den Kreis jener, wie Herr Vizekanzler Blücher, der hier von Herrn Kollegen Fröhlich zitiert worden ist, gesagt hat, in den Kreis der Menschen, die in Deutschland alle nur noch gleichberechtigt dastehen.

(Lebhafter Beifall bei der FDP.) Vizepräsident Dr. Schmid: Das Wort hat Herr Abgeordneter von Thadden.


Adolf von Thadden (DRP):
Rede ID: ID0108404400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Soeben wurde davon gesprochen, daß dieser Gesetzentwurf als eine „Arbeitsunterlage" betrachtet werden könne. Wir halten dies für die äußerste „Qualifikation", die man diesem Gesetzentwurf überhaupt geben könnte. Ich möchte darauf hinweisen, daß in ihm so, wie er uns vorliegt, mancherlei Dinge enthalten sind, die viel mehr auf eine systematische Zerrüttung der Fundamente hinauslaufen können, auf denen der Staat im Augenblick neu aufgebaut werden soll.
Alle Gruppen, die versorgt werden sollen, stützen sich auf einen Rechtsanspruch, und alle diese Gruppen haben, wie wir sagen müssen, durchaus wohlerworbene Rechte. Wir möchten darauf hinweisen, daß in unendlich vielen Rechtsgutachten immer wieder darauf hingewiesen worden ist,daß es sich hierbei um Rechte handelt, die weder durch Landesgesetz noch durch einfaches Bundesgesetz, sondern nur durch verfassungänderndes Bundesgesetz geschmälert werden können. Darüber hinaus wird in all diesen Gutachten immer wieder die Frage verneint, ob die rechtliche Beurteilung eine Änderung erfährt, wenn der Staat aus Mangel an Mitteln nicht mehr in der Lage ist, seinen Verpflichtungen gegenüber seinen Staatsdienern nachzukommen. Das Bundeskabinett hat diese Grundthese von der Unverletzlichkeit der wohlerworbenen vermögensrechtlichen Ansprüche der Staatsdiener in seinem Entwurf zu dem Gesetz gemäß Art. 131 geflissentlich übersehen, und anscheinend deshalb, weil man meint, daß den Finanzen größere Rücksicht geschuldet werde als dem Recht. Wir meinen, daß die Bundesregierung, wenn sie wirklich auf diesem Standpunkt steht, dann den Anspruch verliert, sich als die Regierung eines Rechtsstaates zu bezeichnen. Wir sind der Auffassung, daß das Recht unter gar keinen Umständen Objekt des Geldes werden darf.
Wenn hier davon gesprochen worden ist, ob der Bund der Rechtsnachfolger des Reiches sei, so können wir diesen Punkt ganz klar bejahen, wie es ja auch die Alliierten in staatsrechtlicher Hinsicht tun. Sie erklären immer wieder, daß der deutsche Staat nicht untergegangen sei, sondern daß lediglich eine Organisationsänderung vorgenommen worden sei. Ergo hat der jetzige Bund für die Ansprüche dieser Personen zu sorgen.

(Zuruf von der CDU: Sagen Sie gleich mal, wie er das macht! Das müssen Sie dazu sagen!)

Die Unterbringungspflicht gegenüber den verdrängten Beamten würde sich schon wesentlich leichter lösen lassen, wenn man in dem unseres Erachtens völlig überalterten Beamtenapparat grundlegend Wandel schaffen würde. Es gibt zahllose tüchtige ostverdrängte Beamte! Und wenn man diejenigen, die über 65 Jahre alt sind, heraustun würde, wenn man vielleicht zwei Jahre vorher pensionieren würde, dann würden auch dadurch schon erhebliche Plätze frei werden.
Wir sind auch der Auffassung, daß sich innerhalb der Behörden allgemein unendlich viele Elemente eingeschlichen haben, die vorher mit Verwaltung und Beamtentum wenig bzw. gar nichts zu tun gehabt haben und die bei einer Prüfung auf ihre sachlichen Fähigkeiten hin zu einem sehr erheblichen Maße wegen Unfähigkeit aussortiert werden müßten und durch andere qualifiziertere Kräfte ersetzt werden könnten. Ich möchte auf die Ausführungen, die der Kollege Wackerzapp vorhin hinsichtlich der ostvertriebenen Beamten machte, noch einmal hinweisen und sie durchaus unterstreichen.
Was die Wehrmachtsangehörigen anlangt, so auch hierzu ein kurzes Wort! Es ist doch merkwürdig, daß man in dem Augenblick, wo man wieder anfängt, davon zu reden, daß man diese Menschen bräuchte, und zwar um wieder zu schießen bzw. sich auf Schießen vorzubereiten, jetzt noch kurz vor Toresschluß diesen Menschen, ich möchte sagen, mit dem Stiefel quer vor den Bauch tritt; denn darauf läuft das, was dieser Gruppe gegenüber hier geschehen ist, hinaus. Wir stimmen — oder zumindest ich für meine Person — mit der Ablehnung des Bundesinnenmini-


(von Thadden)

sters, die dieser der Remilitarisierung entgegenbringt, absolut und völlig überein, und wir werden das auch in der nächsten Woche hier sagen. Es ist unsere grundsätzliche Negation einer solchen Remilitarisierung, die wir hier bringen werden. Das soll uns aber nicht hindern, sondern uns vielmehr befeuern, daß nun für die Versorgung dieser Menschen, die nicht mehr Soldaten sein sollten, etwas mehr getan wird, als das heute der Fall ist.
Wir wollen ganz besonders noch auf die Unteroffiziere hinweisen, die bisher von Arbeitsämtern und Behörden, was ihren Anspruch oder ihre Bitte auf Unterbringung anlangt, so sehr schlecht behandelt worden sind und die in Zukunft doch anders herangezogen werden sollen.

(Zurufe von der CDU: Das sind doch Gemeinplätze, was Sie sagen! — Das ist durch nichts bewiesen!)

Daß die Menschen, die hier um eine Versorgung den Staat angehen, weniger eine Versorgung haben wollen als eine Arbeit, um sich als nützliche Staatsdiener zu betätigen, das ist das Wesentliche!

(Zurufe von der CDU: In der Demokratie muß man die Wahrheit sagen und keine ungeheuerlichen Beschuldigungen in die Welt setzen! — Es gibt Leute, die sich der Unteroffiziere mehr angenommen haben als Sie mit diesem Geschwätz!)

Und darauf möchte ich auch noch hinweisen: Wir sind der Meinung, daß der Reichsarbeitsdienst nicht so betrachtet werden kann, wie das hier in den bisherigen Ausführungen zum Ausdruck kam. Er war keine Einrichtung der NSDAP.

(Lachen links und bei der CDU.)

— Einen Augenblick, ich werde Sie sofort widerlegen! Bereits im Jahre 1931 wurde der Arbeitsdienst mit einem Staatskommissar für den Arbeitsdienst in eine staatliche Regie übernommen. Das System wurde lediglich später etwas verändert.

(Lachen. — Zuruf von der SPD: Dann können Sie auch davon erzählen, daß es einen Arbeitsdienst schon 1890 gegeben hat! — Weitere Zurufe: Aber, aber!)

Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Bundesinnenminister von einer „gestaltenden Regelung" sprach, die die 131er, wie sie genannt werden, beanspruchen, so glauben wir, daß die fehlenden Mittel nicht dadurch herangezogen werden sollten, daß man die eine oder andere Berufsgruppe zu Lasten ihrer Kollegen — wie das auch bereits mehrfach gesagt wurde — heranzieht. Diese Gelder müssen aus allgemeinen Mitteln des Haushalts bereitgestellt werden, und zwar dadurch, daß man die Ausgaben dieses Staates — an diesem Tatbestand wird von fast allen Seiten des Hauses Kritik geübt — auf ein Maß zurückschraubt, das der heutigen Notlage entspricht. In dieser Beziehung — darüber wird der Haushaltsausschuß einiges sagen können — ist es in mancherlei Hinsicht bei den Maßnahmen der Regierung sehr, sehr im argen.
Meine Damen und Herren, wir hoffen, daß in den Beratungen des Ausschusses alle die Gesichtspunkte zum Tragen gebracht werden können, die heute hier nur andeutungsweise erwähnt werden konnten. Wir wollen uns in jedem Falle vorbehalten, bei der zweiten Lesung des Gesetzes die Abänderungsanträge einzubringen, die zu diesem Gesetzentwurf, den die Regierung uns vorgelegt hat, unbedingt eingebracht werden müssen.

(Beifall bei der DRP.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108404500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wuermeling zu dem Antrag auf Bildung eines Sonderausschusses.

Dr. Franz-Josef Wuermeling (CDU):
Rede ID: ID0108404600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Nowack hat den Vorschlag gemacht, einen 28köpfigen Sonderausschuß zur Behandlung dieses Gesetzentwurfes einzusetzen, um die Beratungen möglichst schnell zum Abschluß zu führen. Wir sind mit der Tendenz dieses Antrages restlos einverstanden, glauben aber nicht, daß auf diesem Wege eine Beschleunigung erreicht werden kann. Im Gegenteil! Der Beamtenrechtsausschuß und der Vertriebenenausschuß haben sich bei mehrfachen Beratungen über die Überbrückungshilfe schon intensiv mit dem Problem des Art. 131 befaßt, und Sie haben die Verbände der interessierten Kreise bereits gehört, so daß es sehr unpraktisch wäre, wenn man nun diesen Ausschüssen, die eigentlich schon Fachausschüsse für diese Frage sind, die Sache wieder aus der Hand nehmen würde. Ich glaube, wir kommen am besten aus der Zeitschwierigkeit heraus, wenn wir die Sache federführend den Beamtenrechtsausschuß bearbeiten lassen unter Beteiligung des Heimatvertriebenenausschusses, und zwar in der Weise, daß entweder der ganze Heimatvertriebenenausschuß oder wenigstens ein Teil des Heimatvertriebenenausschusses laufend an den Beratungen des Beamtenrechtsausschusses teilnimmt, so daß wir ständig in enger Fühlung sind und die Verhandlungen in den beiden Ausschüssen nicht nacheinander stattzufinden brauchen. Dann müßten wir lediglich den Haushaltsausschuß, der ja nicht ganz übergangen werden kann, am Schluß noch zu einer kurzen Beratung einschalten; denn der Haushaltsausschuß muß ja zu den haushaltsrechtlichen Konsequenzen Stellung nehmen, braucht aber nicht etwa irgendwie das ganze Gesetz zu beraten. Es würde sich also um eine Sitzung handeln, die vermutlich an einem Tage erledigt sein wird.
Ich möchte deshalb den Antrag so formulieren, daß der vorliegende Gesetzentwurf federführend dem Beamtenrechtsausschuß, dem Heimatvertriebenenausschuß und dem Haushaltsausschuß überwiesen wird, wobei wir uns wohl einig darüber sind, daß wir den Heimatvertriebenenausschuß laufend im Beamtenrechtsausschuß zuziehen und der Haushaltsausschuß lediglich am Schluß noch eine kurze Beratung unter haushaltsrechtlichen Gesichtspunkten durchzuführen hat. Wenn wir es so machen, glaube ich, daß wir am schnellsten zum Ziele kommen. Schnelligkeit ist tatsächlich geboten. Deswegen schlage ich diesen Weg vor.

(Beifall.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108404700
Meine Damen und Herren! Ich betrachte diese Ausführungen als Teil einer Geschäftsordnungsdebatte, deren erster Abschnitt von dem Herrn Kollegen Nowack gesetzt worden ist, nämlich durch seinen Antrag auf Einsetzung eines Sonderausschusses. Ich glaube, daß es genügt, wenn einer für und einer gegen den Antrag spricht. Ich mache diesen Vorschlag, weil ich auch über Ihre Zeit, über das Ausmaß der Zeit, die Sie heute hier noch sitzen müssen, zu wachen


(Vizepräsident Dr. Schmid)

habe. Ich spreche also in Ihrem Interesse, wenn ich den Vorschlag mache, daß zu dieser Frage nicht weiter gesprochen wird. Die entscheidenden Gründe für und wider sind vorgetragen worden. Ich lasse nunmehr abstimmen, und zwar zunächst über den weitestgehenden Antrag.

(Abg. Arndgen: Ich habe mich zum Wort gemeldet, Herr Präsident!)

— Ich habe den Vorschlag gemacht, man solle darauf verzichten, zu der Frage der Bildung eines Sonderausschusses noch weiter zu sprechen.

(Abg. Arndgen: Ich wollte zu dem Antrag des Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling etwas sagen!)

- Gut! Sie haben das Wort.

Josef Arndgen (CDU):
Rede ID: ID0108404800
Meine Damen und Herren! Ich stimme im Grundsatz dem Antrage des Herrn Kollegen Dr. Wuermeling zu, möchte aber den Zusatzantrag stellen, daß, soweit die Versorgung für die Angestellten und Beamten der Sozialversicherungsträger in diesem Gesetz mit geregelt werden soll — und sie muß mit geregelt werden —, auch der Ausschuß für Sozialpolitik hinzugezogen wird.

(Unruhe und Zurufe rechts: Da haben wir den Salat! Das haben wir gerade befürchtet!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108404900
Meine Damen und Herren, wir können jetzt wohl abstimmen, und zwar zunächst über die Bildung eines Sonderausschusses gemäß dem Antrage des Herrn Kollegen Dr. Nowack. Wer für die Bildung eines Sonderausschusses ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letztere war ohne Frage die Mehrheit. Der Antrag ist also abgelehnt.
Nunmehr kommen wir zu der Ausschußüberweisung. Ich glaube, daß Einigkeit darüber besteht, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Beamtenrecht, an den Ausschuß für Heimatvertriebene und an den Haushaltsausschuß zu überweisen, wobei der Ausschuß für Beamtenrecht federführend sein soll. Ich nehme an, daß Zweifel nur noch darüber bestehen, ob der Gesetzentwurf auch noch an den Ausschuß für Sozialpolitik verwiesen werden soll. Ich lasse darum nur über diesen letzteren Punkt besonders abstimmen. Wer dafür ist, daß außer den drei genannten Ausschüssen noch als vierter Ausschuß der Ausschuß für Sozialpolitik mit dieser Angelegenheit befaßt werden soll, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Die überwiegende Mehrheit ist dagegen. Also ist der Gesetzentwurf an den Ausschuß für Beamtenrecht, an den Ausschuß für Heimatvertriebene und an den Haushaltsausschuß überwiesen. Federführend ist der Ausschuß für Beamtenrecht. Das Haus hat wohl die Anregungen, die zur Beschleunigung der Arbeit durch Organisation des Zusammenwirkens der Ausschüsse gegeben wurden, nicht nur zur Kenntnis genommen, sondern es macht sie sich zu eigen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt. Ich habe noch bekanntzugeben, daß die Fraktion der Bayernpartei mir mitgeteilt hat, sie halte durch die bisherige Debatte ihre Interpellation für erledigt.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 2 der Ihnen vorliegenden Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion der
Deutschen Partei eingebrachten Entwurfs
eines Gesetzes über die Aufhebung der Bestimmungen der Zweiten Verordnung über die Vereinfachung des Lohnabzugs (Nr. 1249, zu Nr. 1249 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Begründung durch die Antragsteller eine Redezeit von 20 Minuten und für die gesamte Aussprache eine Redezeit von 60 Minuten vor.

(Widerspruch und Zurufe: Die Punkte 2 bis 4 sind abgesetzt!)

— Ich wußte das nicht: Ich rufe auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) (Nr. 1333 der Drucksachen)
Hier schlägt Ihnen der Ältestenrat vor, die gesamte Aussprache auf 120 Minuten zu begrenzen. Kein Widerspruch? - Es ist so beschlossen.
Wer begründet das Bundesversorgungsgesetz? Der Bundesminister Storch ist nicht anwesend, er wird aber offenbar geholt.
Dann schlage ich Ihnen vor, daß wir den Entwurf eines Zolltarifgesetzes nunmehr aufrufen. Ist das Haus einverstanden? — Dann rufe ich auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Zolltarifgesetzes (Nr. 1294 der Drucksachen).
Das Wort hat der Herr Finanzminister.

Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0108405000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Zolltarif ist früher einmal das maßgebende Instrument der Handelspolitik gewesen. Wenn ich mich an meine Jugendjahre erinnere, 1902,

(Zuruf rechts: Das ist lange her!)

so ist der Zolltarif von damals ein Streitgegenstand und der Gegenstand einer vollen Legislaturperiode im Deutschen Reichstag gewesen. Die Zölle regeln die Wirtschaftsbeziehungen der Länder untereinander und bestimmen die Wirtschafts- und Handelspolitik wesentlich mit. In der neueren Zeit hatten die Zölle infolge der Kontingentierungs- und Devisenpolitik in fast allen Ländern nach dem ersten Weltkrieg ihre Bedeutung für die Handelspolitik weitgehend verloren. Im Zuge der Liberalisierung des Außenhandels werden künftig die Handelshemmnisse der Einfuhrbeschränkungen und Zahlungswertgrenzen immer mehr beseitigt. Die Zölle werden ihre frühere Bedeutung für den Außenhandel, insbesondere für die Handelsvertragsverhandlungen, wiedergewinnen. Deshalb braucht die Bundesrepublik einen modernen Zolltarif, der zolltechnisch, wirtschaftlich und handelspolitisch ein geeignetes Rüstzeug für die künftige Handels- und Zollpolitik ist.
Diesen Erfordernissen entspricht der heute noch geltende Zolltarif von 1902 nicht mehr. Er ist infolge der neueren Entwicklung der Technik überholt. Auch haben Industrien, die früher keine oder nur geringe Bedeutung hatten, inzwischen eine derartige wirtschaftliche Vorrangstellung eingenommen, daß ihre Erzeugnisse im Zolltarif mehr als bisher berücksichtigt werden müssen. Das gilt insbesondere für die chemische Industrie, für die Textilindustrie, für die eisenschaffende und eisenverarbeitende Industrie, für den Maschinenbau und für die Verkehrsmittel. Schließlich wird der Zolltarif von 1902 in seinen Zollsätzen vielfach der Strukturänderung der deutschen Wirtschaft infolge der Kriegs- und Nachkriegsereignisse nicht mehr gerecht. Einfuhrbedürfnisse, Wettbewerbsverhältnisse und Preise haben sich infolge der Gebietsabtretungen, der


(Bundesfinanzminister Schiffer)

Zerstörung zahlreicher Betriebe und der Verlagerung von Industrien grundlegend gewandelt.
Wichtige europäische Staaten haben ihre Zolltarife in den letzten Jahren modernisiert oder Tarifreformen eingeleitet.
Aus diesen Gründen beschloß das Kabinett bereits am 11. Oktober 1949 die Durchführung einer Zolltarifreform. Die Vorarbeiten wurden dem Zolltarifausschuß übertragen. Der Ausschuß bestand aus Vertretern der beteiligten Bundesministerien, der Länderregierungen und der Gewerkschaften, der Industrie, des Handels, des Handwerks und der Landwirtschaft. Die Grundlage der Arbeiten bildete das von der Studiengruppe für die Europäische Zollunion aufgestellte europäische Zolltarifschema von 1949, das auch von anderen wirtschaftlich bedeutenden europäischen Staaten übernommen ist. Die Aufgabe des Ausschusses erstreckte sich im wesentlichen auf die Ermittlung der Zollsätze. Der Ausschuß hörte zu diesem Zweck in fast 6 Monaten sehr zahlreiche Sachverständige aller beteiligten Kreise der westdeutschen Wirtschaft einschließlich der Verbraucher. Die Arbeiten des Ausschusses waren Mitte April 1950 beendet.
Das Bundesfinanzministerium gestaltete das Ergebnis der Arbeiten des Ausschusses zu der dem Bundestag nunmehr vorliegenden Gesetzesvorlage. Das Kabinett hat sie bereits am 28. Juli dem Bundesrat zugeleitet, der sie unverändert angenommen hat. Die Arbeiten für diese Gesetzesvorlage waren sehr umfangreich und äußerst schwierig. Es mußten im Zolltarifschema 1360 Positionen und 3296 Unterpositionen, die allgemeinen Tarifierungsgrundsätze und zahlreiche Anmerkungen behandelt werden. Diese Arbeiten mußten wegen der Teilnahme der Bundesrepublik an den internationalen Zollverhandlungen in Torquay im Herbst dieses Jahres außerordentlich beschleunigt werden; denn die Alliierte Hohe Kommission wünschte, daß in Torquay auf der Grundlage eines vom Bundestag gebilligten Zolltarifs verhandelt wird. Auch wollten die teilnehmenden Staaten mit der Bundesrepublik nur auf der Grundlage eines modernen Zolltarifs in Verhandlungen eintreten. Es mußte deshalb in kürzester Zeit diese große und bedeutsame Arbeit geschaffen werden.
Die wichtigste Neuerung des vorliegenden Entwurfs ist der Übergang vom Gewichtszoll zum Wertzoll. Die Bundesrepublik folgt damit der vorherrschenden Entwicklung in Westeuropa. Der Wertzoll paßt sich den Preisänderungen elastischer an als der starre spezifische Zoll. Er ist sozial gerechter, weil er die billigere Ware geringer als die teuere belastet und dadurch dem wirtschaftlich schwächer gestellten Käufer eine billigere Lebenshaltung ermöglicht. Nur bei den Finanzzöllen für Tabak und Tabakwaren, Kaffee, Tee, Mineralöl und Mineralölerzeugnissen, Branntwein und Branntweinerzeugnissen und außerdem für Rohzucker, Wein und Most sind die Gewichtszölle bestehen geblieben, weil der Gewichtszoll unabhängig von der Preisentwicklung im Ausland bei gleichbleibender Wareneinfuhr die gleichen Einnahmen gewährleistet und die Bundesrepublik auf diese wichtigen Zolleinnahmen nicht verzichten kann.
Bei der Höhe der Zollsätze ist das Niveau der bisherigen Zollbelastung insgesamt grundsätzlich gewahrt. Die neuen Zollsätze liegen im allgemeinen unter den Zollsätzen Frankreichs und Italiens sowie Großbritanniens und nähern sich teilweise den liberalen Zöllen der Benelux-Staaten. In jedem einzelnen Fall ist die wirtschaftliche Notwendigkeit für die Bemessung der Zölle eingehend mit den beteiligten Wirtschafts- und Verbraucherkreisen geprüft worden. Grundsätzlich ist die Zollbemessung unter dem Gesichtspunkt des wirtschaftlichen Bedürfnisses geschehen. Eine Ausnahme bilden nur die Finanzzölle. Hier sind im allgemeinen die bisherigen Zollsätze eingesetzt worden.
Der Entwurf des Zolltarifgesetzes behandelt nach einigen allgemeinen im Art. I enthaltenen Vorschriften, die der Anpassung des Gesetzes an das Zollgesetz vom 20. März 1939 dienen, im Art. II die Vorschriften über die Wertverzollung, die im wesentlichen den Empfehlungen der Studiengruppe für die Europäische Zollunion in Brüssel entsprechen. Zollwert ist der Normalpreis. Die Zollbehörde kann auch den Rechnungspreis als Zollwert gelten lassen. Zur Erleichterung der Abfertigung sind auch Durchschnittswerte vorgesehen, die an die Stelle des Normalpreises oder des Rechnungspreises treten.
Art. III des Gesetzes enthält Vorschriften über die Zollbehandlung der im Zolltarif nicht erfaßten Gemenge, Gemische und zusammengesetzten Waren.
Auf besonderen Wunsch der Wirtschaftsressorts sind im Art. IV Vorschriften gegen Preisdumping und Subventionen vorgesehen. Im Falle eines Dumpings soll ein zusätzlicher Zoll in Höhe der Dumpingsspanne und im Falle der Gewährung von Prämien oder Subventionen zusätzlich ein Ausgleichszoll erhoben werden können.
Dieses Gesetz soll erst am 1. Oktober 1951 in Kraft treten. Dieser Zeitpunkt erscheint erforderlich, um die sehr umfangreichen Erläuterungen zum Zolltarif auszuarbeiten und um die Einführung des neuen Zolltarifs, die infolge des Übergangs vom Gewichtszoll zum Wertzoll besonders schwierig ist, gründlich vorzubereiten.
Die Alliierte Hohe Kommission muß nach dem geltenden Besatzungsstatut das Gesetz genehmigen. Sie hat die Herabsetzung gewisser Zollsätze empfohlen. Es haben darüber Besprechungen mit dem gesamten Customs Sub Committee der Alliierten Hohen Kommission und mit der Hohen Kommission selbst stattgefunden. Eine Übereinstimmung des Customs Sub Committee mit den Wirtschaftsressorts ist erzielt worden. Die Tarifreform beschränkt sich auf Einfuhrzölle. Die wenigen Ausfuhrzölle auf Futtermittel und einige gewerbliche Rohstoffe bleiben bestehen. Sie müssen. später geändert werden, wenn ein Bedürfnis dafür vorliegt.
Der neue Wertzolltarif wird von großer Bedeutung für den deutschen Außenhandel und die damit verbundene Entwicklung der deutschen Wirtschaft sein. Der neue Zolltarif hat aber insbesondere die Bedeutung, daß er ein Schritt ist zur Vorbereitung einer neuen europäischen Zollunion, die auch von der Bundesregierung erstrebt wird, und damit ein weiterer Schritt zur Herstellung der europäischen Wirtschaftseinheit.
Meine Damen und Herren! Es ist notwendig, darauf hinzuweisen, daß die Verhandlungen in Torquay bereits Ende September beginnen. Ich bitte daher, diesen Gesetzentwurf dem zuständigen Ausschuß — es wird ja wohl der Ausschuß für Außenhandel und der wirtschaftspolitische Ausschuß in Frage kommen — zu überweisen, damit er noch rechtzeitig die Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften finden kann.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)



Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108405100
Ich eröffne die Aussprache. Der Ältestenrat glaubte, Ihnen vorschlagen zu müssen, 90 Minuten Gesamtaussprache zu beschließen. Erhebt sich Widerspruch?

(Zuruf: 60 Minuten! — Weiterer Zuruf: Ich bin der Ansicht, daß man ihn ohne Debatte an den Ausschuß abschieben kann!)

— Für diesen Antrag sollten Sie sich zur Tribüne bemühen. Es sind 60 Minuten vorgeschlagen. Das Wort hat der Abgeordnete Kalbitzer.

Hellmut Kalbitzer (SPD):
Rede ID: ID0108405200
Meine Damen und Herren! Wir können dieses Thema hier nur kurz behandeln, aber es ist doch zu wichtig, als daß wir ohne eine kurze Aussprache darüber zur Tagesordnung übergehen können.
Was die Bitte des Herrn Finanzministers angeht, den Gesetzentwurf an den Ausschuß zu überweisen und ihn rechtzeitig, bis zum Verhandlungsbeginn in Torquay, als Gesetz zu verabschieden, so muß ich sagen: das ist unmöglich, weil der Umfang des Materials dies rein zeitlich auf keinen Fall zulässt. Ich muß darauf hinweisen, daß der Außenhandelsausschuß in seiner Gesamtheit im Januar oder Februar dieses Jahres das Finanzministerium darauf hingewiesen hat, daß man, wenn man auf eine beschleunigte Erledigung drängt, bevor die Sache im Plenum und dann nach Schema F abgehandelt wird, wie es jetzt vor sich geht, den Außenhandelsausschuß rechtzeitig wird einschalten müssen. Das ist nicht geschehen. Das liegt im Ermessen der Regierung. Aber sie kann jetzt nicht verlangen, daß wir Hals über Kopf eine Sache erledigen, zu der auch die Regierung und das Ministerium beinahe ein Jahr lang gebraucht haben. Mir scheint, es wäre auch von seiten des Auslandes, unserer Partner in Torquay, unbillig, solches von uns zu verlangen; deshalb schon, weil Deutschland hier aus Neuem, aus dem Nichts heraus schöpfen muß und dazu noch gegenüber dem Ausland durch die Hohe Kommission in der Behandlung dieses Themas gehandikapt ist. Ich glaube, daß man mit gutem Gewissen nach Torquay gehen kann, wohl mit einer allgemeinen Stellungnahme des Parlaments zu diesen Fragen, aber nicht mit einem fertigen Gesetz.
Nun einiges zu den Tarifsätzen selber, die natürlich hier nicht im einzelnen, sondern nur in einem groben Überblick behandelt werden können. Mir scheint, daß die Agrarzölle in diesem Gesetzentwurf im Durchschnitt und im allgemeinen überhöht sind. Wir Sozialdemokraten möchten darauf hinweisen, daß die Landwirtschaft nicht durch Schutzzölle geschützt werden kann, sondern daß, wenn die Landwirtschaft einen Schutz gebraucht, sie diesen durch direkte Unterstützung zur Rationalisierung ihrer Betriebsführung erhalten muß. Es geht nicht an, daß der Verbraucher auf die Dauer die Landwirtschaft durch überhöhte Zölle subventioniert. Von allen übrigen Zöllen haben wir, im Durchschnitt gesehen, den Eindruck, daß das Zollniveau im Verhältnis zu den ausländischen Tarifen, wie auch der Herr Finanzminister ausgeführt hat, den Notwendigkeiten entspricht.
In diesem Zusammenhang muß betont werden, daß die Liberalisierung des Handels auf die Dauer nur dann erfolgreich sein kann, wenn ein allgemeiner und internationaler Zollabbau erfolgt. Wir erwarten und erhoffen von Torquay, daß dieser internationale Abbau der Zollschranken durchgeführt wird, und zwar auf der Grundlage unbedingter Gegenseitigkeit. Das ist die Voraussetzung dafür, um die in Europa angebahnte Politik der Liberalisierung, d. h. der Intensivierung des Handelsaustauschs, auf die Dauer erfolgreich durchführen zu können. Man muß allerdings in dieser Hinsicht die Regierung vor Vorleistungen warnen. Es geht nicht an, daß wir bei den Verhandlungen in Torquay mit unseren Zollsätzen im Vertrauen darauf heruntergehen, daß die anderen nachkommen werden. Die Gegenseitigkeit muß bei solchen Verhandlungen, wenn sie wirklich Verhandlungen und keine Diktate sein sollen, gewahrt werden.
Alle noch strittigen Einzelpositionen sollte man im Ausschuß besprechen. Ich schlage ebenfalls vor, den Gesetzentwurf dem Außenhandelsausschuß als federführendem Ausschuß sowie dem wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108405300
Das Wort hat der
Herr Abgeordnete Dr. Bertram.

Dr. Helmut Bertram (FU):
Rede ID: ID0108405400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorgelegte Entwurf eines Zolltarifgesetzes ist recht unvollständig. In einer Anmerkung zur Drucksache Nr. 1294 ist zwar der Zolltarif mit der Liste der sachlichen Änderungen gegenüber dem vom Bundeskabinett vorläufig genehmigten Entwurf sowie die Begründung zum Gesetzentwurf als Sonderdruck angekündigt. Diese Ankündigung, so sollte man meinen, müßte zur ersten Beratung des Gesetzentwurfs spätestens verwirklicht sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die entsprechenden Unterlagen sind auch mir im Entwurf trotz Bemühungen nicht zugänglich gewesen. Sie befinden sich in Berlin im Druck und werden frühestens am Samstag in einigen Exemplaren hier vorliegen. Es ist die Frage, ob unter diesen Umständen mit der ersten Beratung eines so umfangreichen und bedeutungsvollen Gesetzentwurfs hier überhaupt wirksam begonnen werden kann. Ich bin der Ansicht, eine solche Beratung ist doch tatsächlich nur eine Scheinberatung, wenn uns nicht die kompletten Unterlagen hier vorliegen. Der Außenhandelsausschuß hat sich wiederholt mit dem Zolltarif beschäftigen wollen. Er hat in den Sitzungen von Januar und Februar 1950 mehrfach betont, daß er beizeiten in die Mitarbeit eintreten wolle. Der Bundeswirtschaftsminister hat am 26. Januar 1950 eine entsprechende Zusage erteilt. Trotzdem ist es nicht möglich gewesen, dem Außenhandelsausschuß die Unterlagen rechtzeitig zugänglich zu machen. Es war uns versprochen worden, uns zwischen der zweiten und dritten Lesung das Zolltarifschema zugänglich zu machen. Erst Ende April, nach der dritten Lesung im Zolltarifausschuß, wurde diese Zusage verwirklicht, zu einem Zeitpunkt, als dieses Zolltarifschema den ausländischen Vertragsstaaten bereits zugänglich gemacht worden war. Das Zolltarifschema ist also an die ausländischen Vertragsstaaten herausgegangen, bevor die deutschen parlamentarischen Instanzen sich damit beschäftigen konnten. Durch die Übergabe des endgültigen Entwurfs war praktisch eine Präjudizierung unseres deutschen Standpunktes dem Ausland gegenüber erfolgt. Auf der Basis dieses Entwurfs wird jetzt laufend verhandelt, ohne daß wir uns dazu haben äußern können.
Es ist wohl unzweifelhaft, daß das Zolltarifgesetz der Zustimmung des Bundestags bedarf. Wir brauchen hier nicht auf die Streitfrage einzu-


(Dr. Bertram)

gehen, ob sämtliche Außenhandelsverträge der Zustimmung des Bundestags bedürfen oder nicht. Nicht einmal in diesem Fall unzweifelhafter Zuständigkeit ist entgegen den Zusagen des Wirtschaftsministers der Bundestag rechtzeitig beteiligt worden. Jetzt verlangt man von uns, daß wir, obwohl noch nicht einmal die Unterlagen zur ersten Lesung hier parat sind und frühestens am Samstag vorliegen können, der Regierung helfen, daß dieses entscheidende Gesetz in wenigen Wochen, bis Ende September über die Bühne gehen kann.
Die Begründung, es sei nicht möglich gewesen, den Bundestag rechtzeitig zu beteiligen, kann ich nicht als stichhaltig anerkennen. Es ist ja möglich gewesen, alle Wirtschaftsverbände regelmäßig zu den Sitzungen hinzuzuziehen. Warum nicht auch die Mitglieder des Bundestagsausschusses? Man hat in dem Zolltarifausschuß zwar einen Vertreter der Gewerkschaften, aber beispielsweise keine Vertreterin der Hausfrauenorganisationen gehört. Trotzdem hat der Bundesfinanzminister soeben erklärt, die Verbraucher seien bei den Vorberatungen ausreichend beteiligt worden. Wenn Sie sich die Zusammensetzung des Zolltarifausschusses ansehen, so werden Sie an dieser Behauptung des Herrn Bundesfinanzministers wohl mit Recht zweifeln können.
Gerade die Art der Zolltarifverhandlungen macht die rechtzeitige Einschaltung des Parlaments unbedingt erforderlich, wenn überhaupt das Parlament wirksam mitarbeiten soll. Es ist ja doch so, daß dieses Gesetz bereits zur Verhandlungsgrundlage gemacht worden ist. Zur Verhandlungsgrundlage ist das Prinzip des Wertzolles gemacht worden. Wie sollen wir uns jetzt entscheiden können, ob Wertzölle oder Gewichtszölle besser sind? Die Gründe und Gegengründe können zweifellos nicht so abgewogen werden, wie es der Herr Bundesfinanzminister getan hat, der gesagt hat, das Wertzollsystem sei das moderne und das andere System das antiquierte.
Ich glaube, diese vereinfachende Darstellung wird der Schwierigkeit der Problematik doch wohl nicht ganz gerecht.
Das gleiche gilt für die Anwendung des Brüsseler Zolltarifschemas, das uns hier als von allen europäischen Staaten akzeptiert dargestellt worden ist. Es ist doch so, daß bisher, soweit ich weiß, nur zwei Staaten dieses Schema allgemein angenommen haben und daß es für Deutschland schwerwiegende Nachteile mit sich bringen kann.
Ich will nur darauf hinweisen, daß alle diese Erörterungen für uns im Bundestag durch die Tatsache außerordentlich erschwert werden, daß die Bundesregierung bereits auf internationaler Basis diese Grundzüge des Zolltarifgesetzes akzeptiert hat. Man kann also auch hier wieder feststellen, daß die Exekutive ein deutliches Übergewicht gegenüber den parlamentarischen Instanzen hat. Die Referenten haben heute wie eh und je am meisten zu sagen, und wir dürfen dann kurz und deutlich nicken. Das scheint mir im wesentlichen die Aufgabe des Parlaments bei diesem Gesetz zu sein.

(Lebhafter Beifall beim Zentrum.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108405500
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Horlacher.

Dr. Michael Horlacher (CSU):
Rede ID: ID0108405600
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Etwas folge ich den Spuren meines Herrn Vorredners, aber nicht ganz; denn die Regierung befindet sich hier in einer schwierigen Lage, nachdem sie teilweise an die internationalen Verhandlungen gebunden ist. Ich will das aber heute nicht näher ausführen. In einem jedoch hat er recht. Mir geht es auch gegen den Strich, daß ich über etwas entscheiden soll, wenn ich nicht einmal die Vorlage habe. Deswegen wäre ich dafür, daß man dem Rechnung trägt und die Beratungen aussetzt, bis die Vorlage da ist, so daß ich mir wenigstens ein Urterl bilden kann, welche Ausschüsse da in Frage kommen. Denn der Außenhandelsausschuß allein wird wahrscheinlich nicht ausreichen, sondern der Wirtschaftsausschuß und auch der Landwirtschaftsausschuß werden hier noch eine Rolle spielen müssen. Aber das möchte ich heute abschließend gar nicht beurteilen, sondern ich möchte beantragen, die Beratung auszusetzen, bis die Vorlage, d. h. der wichtigste Teil des Gesetzes, der Zolltarifentwurf, vorliegt.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108405700
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. — Ich lasse über den Antrag abstimmen.

(Abg. Degener meldet sich zum Wort.)

— Wollen Sie zu dem Antrag auf Aussetzung sprechen?

(Abg. Degener: Ja!)

- Dann erteile ich Ihnen das Wort.

Johannes Degener (CDU):
Rede ID: ID0108405800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte Sie bitten, nicht eine Aussetzung der Beratung zu beschließen, sondern die Vorlage an den Ausschuß für Außenhandel und gegebenenfalls auch an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik unter Federführung des Außenhandelsausschusses zu verweisen. Dieser Ausschuß hat alle Vorbereitungen getroffen, um die fehlenden Unterlagen in Unterausschüssen so schnell wie möglich zu beraten, so daß das Haus so bald wie möglich Gelegenheit hat, im Besitz aller Unterlagen entscheidend Stellung zu nehmen.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108405900
Das Wort hat zur Geschäftsordnung der Herr Abgeordnete Oellers.

Dr. Fritz Oellers (FDP):
Rede ID: ID0108406000
Meine Damen und Herren! Ich halte nach dem Sinn des Gesetzes und nach der Geschäftsordnung eine erste Lesung, bei der das Gesetz nicht im Text vorliegt, überhaupt für rechtsungültig, und ich möchte dringend abraten, eine solche erste Lesung vornehmen zu wollen, damit wir nicht der Gefahr ausgesetzt sind, bei einem so wichtigen Gesetz eines Tages die Rechtsgültigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht angegriffen zu sehen.

(Zuruf: Das Gesetz liegt doch vor!)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108406100
Ich glaube nicht, daß der Abgeordnete Dr. Oellers recht hat. Sie konnten gegen die Beratung protestieren; Sie mußten dies aber vor Eintritt in die Beratung tun.

(Abg. Dr. Wellhausen: Wir können die Beratung aber vertagen!)

— Das ist eine ganz andere Frage. Auf Grund dieses Zweifels an der Rechtsgültigkeit braucht, glaube ich, niemand sich in Furcht und Schrecken versetzen zu lassen.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.


Fritz Schäffer (CSU):
Rede ID: ID0108406200
Meine Damen und Herren! Bereits bei der Vorlage an den Bundesrat Ende Juli, Anfang August wurde mit der Verwaltung dieses Hauses die Vereinbarung getroffen, daß sie den Druck der Anlage übernimmt. Wie ich eben erfahren habe, hat die Verwaltung dieses Hauses den Druckauftrag an die Staatsdruckerei Berlin gegeben, die mitgeteilt hat, daß noch Ende dieser Woche die benötigten Exemplare hier im Hause eintreffen werden und verteilt werden können. Ich glaube, daß, wenn der Ausschuß, der ja die Anlage braucht, diese Exemplare Ende der Woche hat und die übrigen Mitglieder des Hauses sie gleichzeitig bekommen, dann eine Zeitversäumnis nicht eintreten wird.

Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108406300
Meine Damen und Herren, ich lasse über den Antrag auf Aussetzung der Beratung abstimmen. Wer für die Aussetzung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! - Das erste war die Mehrheit. Die weitere Beratung ist ausgesetzt.
Ich rufe nunmehr als nächsten Punkt der Tagesordnung auf:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) (Nr. 1333 der Drucksachen).
Ich erteile das Wort dem Herrn Bundesarbeitsminister.

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0108406400
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute liegt Ihnen der Gesetzentwurf über die Versorgung der Opfer des Krieges vor, ein Gesetzentwurf, der in diesem Hohen Hause mehrfach angefordert worden ist, ein Gesetzentwurf, der meines Erachtens auch dringend notwendig ist, weil es sich darum handelt, einem großen Kreis von Menschen wieder einen Lebensinhalt und eine Lebensgrundlage zu geben. Sie dürfen aber gewiß sein, daß die reichlich späte Vorlage des Gesetzentwurfs nicht auf böse Absichten oder auf Verschleppungstaktiken zurückzuführen ist, sondern daß es sich hier um eine Sache handelt, die in ihrer Grundsätzlichkeit sehr gut durchdacht werden mußte.
Wir hatten keinen Zustand, an den wir uns unbedingt anlehnen konnten. Das alte Versorgungsrecht aus dem Jahre 1920 war nach dem Krieg durch die Besatzungsmächte beseitigt. Und Sie kennen ja alle den wirklichen Leidensgang, den dann die Opfer des Krieges gehen mußten.
Wir haben lange Zeit den Zustand gehabt, daß die Versorgung dieses Personenkreises nur über die Wohlfahrtsämter möglich war. Erst im Jahre 1946 bekamen wir in der britischen Zone die Möglichkeit, den Leuten, soweit sie sozialversichert waren, einen Rechtsanspruch auf 40 Mark im Monat zu geben. Damls haben nicht nur die Kriegsbeschädigten, sondern mit ihnen der größte Teil des deutschen Volkes einen Mangel empfunden, dem abgeholfen werden mußte. Die Beteiligten haben sich die größte Mühe gegeben, die Besatzungsmächte, die diese Dinge damals noch einheitlich über ihre Dienststelle in Berlin behandelten, dazu zu bringen, den Kriegsbeschädigten und sonstigen Opfern des Krieges größere Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Die Verhandlungen mit dem Kontrollrat in Berlin hatten damals zum Ziel, daß man den Kriegsbeschädigten, den Opfern dieses Krieges, wenn man ihnen das alte Recht nicht wiedergeben wollte, doch zumindest in etwa das Recht geben sollte, das ein anderer Menschenkreis, der an der Gesundheit und am Körper ähnlichen Schaden gelitten hat, genießt. Die Forderung, die damals hauptsächlich von den Gewerkschaften aufgestellt wurde — Kriegsbeschädigtenorganisationen gab es ja damals noch nicht —, ging dahin, den Opfern des Krieges zumindest die Rechte der Unfallversicherung zu geben.
Über ein Jahr ist dann über diese Dinge verhandelt worden. Als sich in Berlin herausstellte, daß auf der Basis des Kontrollrats eine ausreichende Neuordnung nicht möglich war, ist man in den einzelnen Besatzungsgebieten dazu übergegangen — wiederum von der Besatzungsmacht getragen —, neues Recht werden zu lassen.
Wir bekamen zuerst in der amerikanischen Zone ein Gesetz, wonach den Kriegsbeschädigten selber mit einem zugrundegelegten Jahresarbeitsverdienst von 1800 RM in der Ortsklasse I, von 1710 RM in der Ortsklasse II und von 1620 RM in der Ortsklasse III ein Rechtsanspruch zuerkannt wurde. Das bedeutete, daß von diesem Moment an der Kriegsbeschädigte, wenn er voll arbeitsunfähig war, in der Ortsklasse I einen Rechtsanspruch auf eine monatliche Rente von 100 Mark, in der Ortsklasse II von 95 Mark und in der Ortsklasse III von 90 Mark bekam.
In der englischen Zone hat man etwas später ein ähnliches Gesetz erlassen, wobei man aber die Ortsklasseneinteilung nicht übernahm, sondern von der Meinung ausging, daß die vollarbeitsunfähigen Kriegsopfer aus den Großstädten möglichst herausgehen sollten. Man hat deshalb dort einen einheitlichen Jahresarbeitsverdienst von 1800 Mark zugrunde gelegt, wodurch die Festsetzung einer monatlichen Rente von 100 Mark rechtswirksam wurde.
Diese Regelungen in der amerikanisch und in der englisch besetzten Zone haben aber den Kriegsopfern, soweit es sich um Witwen und Waisen handelte, das Recht aus der Unfallversicherung nicht gegeben. Man hat sich hier auf den Standpunkt gestellt, daß eine arbeitsfähige Witwe keinerlei Rente beziehen könne. Man hat nur denjenigen Witwen, die ein Kind unter drei Jahren oder zwei Kinder unter acht Jahren hatten, eine Rentenberechtigung zuerkannt. Darüber hinaus geschah die Versorgung der Waisen auch nicht nach den Bestimmungen der Unfallversicherung, sondern es wurde sowohl in der britischen als auch in der amerikanischen Zone eine Rente von monatlich 30 Mark festgelegt, die in der britischen Zone bis zur Vollendung des 15. und in der amerikanischen Zone bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gezahlt wurde. Elternrente gab es nach diesem Recht nur bei Bedürftigkeit, und zwar für beide Elternteile gemeinschaftlich oder für einen Teil, beschränkt auf 30 Mark.
Die Unruhe, und zwar die berechtigte Unruhe unter den Kriegsbeschädigten, hat dann die Dinge so weit gebracht, daß man sich bei den Besatzungsmächten damit abfand, daß in den einzelnen Ländern kleinere Erweiterungen durchgeführt wurden.
Die amerikanische Zone hat durch einheitliche Ländergesetze mit Wirkung vom 1. März 1949 eine Erweiterung der Rentenberechtigung für die Witwen durchgeführt. Darüber hinaus ist dort bestimmt worden, daß den Kriegsbeschädigten zusätzlich die Hälfte ihrer Sozialrente gezahlt werden konnte.


(Bundesminister Storch)

In der englischen Zone hat eine derartige organische und gleichmäßige Weiterentwicklung des Kriegsbeschädigtenrechts nicht stattgefunden. Die Länder haben dort je nach ihrer Finanzkraft etwas getan. Nordrhein-Westfalen gewährte vollständig die Verbesserungen aus der amerikanischen Zone und darüber hinaus eine wesentliche Verbesserung für die Schwerstkriegsbeschädigten. Dann kamen die Länder Hamburg und Niedersachsen, die auf dem Verordnungsweg eine zwanzigprozentige Erhöhung der Renten durchführten. Und das arme Schleswig-Holstein konnte zusätzlich überhaupt nichts tun, so daß die Menschen dort heute noch oder vielmehr bis zu dem Überbrückungsgesetz, das Sie in diesem Hause beschlossen haben, nach den Bestimmungen der Verordnung 27 versorgt werden mußten. Wir haben in diesem Hohen Hause im Laufe dieses Jahres das Überbrückungsgesetz verabschiedet, und ich habe damals bereits gesagt, daß es sich bei diesem Gesetz nur darum handeln könne, für eine Übergangszeit ein möglichst einheitliches Recht herbeizuführen.
Bei dieser Regelung hat dieses Hohe Haus die Pflegezulage wesentlich erhöht, bis zu 150 DM im Monat, und Sie haben vor allem für die Länder in der englischen Zone die erweiterte Rentenberechtigung für 80 000 Witwen geschaffen.
Ruhe hat es auf diesem Gebiet selbstverständlich auch nach diesem Überbrückungsgesetz nicht gegeben, und ich darf Ihnen sagen, daß in meinem Hause oder, besser gesagt, in meinem Ministerium täglich Abordnungen der Kriegsbeschädigten eintrafen, um zu sagen: nun so schnell wie möglich ein neues Bundesversorgungsgesetz! Und Sie von allen Parteien — das sage ich in aller Offenheit — haben ebenfalls immer und immer wieder das
Verlangen nach diesem Gesetz an uns herangebracht.
Nunmehr haben Sie ein Gesetz vor sich liegen, das von den bisherigen Zuständen endgültig abrückt. Es wird nicht mehr von den Gesichtspunkten der Sozialversicherung oder der Unfallversicherung ausgegangen, sondern dieses Gesetz lehnt sich an die Bestimmungen an, die wir im früheren Kriegsbeschädigten - Versorgungsrecht hatten. Dieser Gesetzentwurf geht vor allem davon aus, daß die bisher noch in sieben verschiedenen Ländergesetzen festgelegten Versorgungsrechte einheitlich gestaltet werden. Ich habe schon gesagt: Abgang von den bisherigen Grundsätzen und wieder Versorgung nach dem Reichsversorgungsgesetz.
Dann wird vor allem dafür gesorgt, daß die Kriegsopfer wieder in einem selbständigen Versorgungsgesetz die Zusammenfassung aller ihrer Rechte finden. Die Vorschriften über die Heilbehandlung sind umfassend, entsprechend den Anforderungen neuzeitlicher ärztlicher Kunst und Wissenschaft, und gewähren die weitgehende Wiederherstellung von Gesundheit und Arbeitsfähigkeit unserer Kriegsopfer. Die Vorschriften über die Sozialfürsorge ermöglichen individuelle ergänzende Maßnahmen, insbesondere die Berufsumschulung, Arbeitsvermittlung für Kriegs- oder Schwerbeschädigte und die Betreuung der Hinterbliebenen.
Die Renten sind für die Schwerstbeschädigten und für die Hinterbliebenen wesentlich erhöht und ihre Voraussetzungen vereinheitlicht. Neu eingeführt sind die Bezüge für das Sterbevierteljahr und das Bestattungsgeld für die Hinterbliebenen. Darüber hinaus ist im Gesetz vorgesehen, daß eine Kapitalisierung der Grundrenten vorgenommen werden kann, um den Kriegsbeschädigten die Erstellung eines Eigenheims oder andere wohnungsmäßige Vorteile zu sichern.
Der Umfang der Rentenberechtigung ist wieder nach dem früheren Versorgungsrecht ausgebaut worden, und darüber hinaus werden durch dieses Gesetz auch alle diejenigen einen Rechtsanspruch auf Rente und Behandlung haben, die als Opfer des Bombenkrieges in der Heimat, nicht als Soldaten, geschädigt worden sind. Wir werden nicht nur die bei der Wehrmacht tätigen Menschen durch dieses Gesetz betreuen, sondern auch alle diejenigen, die in einer militärähnlichen Organisation damals Dienst getan und ihre Beschädigung erlitten haben. Ich habe in den letzten Tagen durch einen Teil unserer Zeitungen eine Notiz gehen sehen, wonach diejenigen, die gezwungen waren, bei der Waffen-SS oder bei den SS-Truppenteilen Dienst zu tun, von der Versorgung durch dieses Gesetz ausgeschlossen sein sollten. Das entspricht nicht der Wahrheit.

(Abg. Dr. Horlacher: Hört! Hört!)

Auch dieser Personenkreis soll durch dieses Gesetz die gleiche Rechtsstellung bekommen wie jeder andere auch.

(Abg. Schoettle: Vielleicht könnte mal die Bundespressestelle informiert werden, bevor sie andere falsch informiert! — Zuruf in der Mitte: Sehr richtig!)

— Sie haben vielleicht insofern recht, als in einer Pressebesprechung gefragt wurde, ob das Streichen der besonderen Erwähnung der Waffen-SS zur Folge hätte, daß die Angehörigen der Waffen-SS von den Leistungen dieses Gesetzes ausgenommen werden sollten. Darauf hat leider Gottes in der Pressebesprechung ein Vertreter der Pressestelle gesagt: Wir kennen den Sachverhalt nicht.

(Abg. Schoettle: Der Chef der Pressestelle, Herr Minister; der Leiter der Pressestelle!)

— Na ja, auch gut, der Leiter der Pressestelle.

(Abg. Schoettle: Nein, das ist nicht gut! Das Gegenteil von gut!)

— Er hat dann gesagt, er wüßte es nicht genau, aber dem reinen Wortlaut nach könnte es so sein.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Es wäre meines Erachtens besser gewesen, wenn der Leiter unserer Presseleute sich durch eine kleine telefonische Rückfrage bei uns informiert hätte, statt daß man die Meldung einfach über die Bühne gehen ließ.
Die vorgerückte Zeit veranlaßt mich, Ihnen die einzelnen Unterstützungssätze und Rentensätze nicht vorzutragen. Sie finden sie alle im Gesetz und vor allen Dingen in der Begründung des Gesetzes. Dabei werden Sie feststellen können, daß wir für einen voll arbeitsunfähigen Kriegsbeschädigten, der keine zusätzliche Arbeit verrichten kann und der ledig ist, einen Rentenbezug von 165 Mark im Monat vorgesehen haben. Zu diesem Satz bekommt er, wenn er Rechtsansprüche an die Sozialversicherung hat, noch die Beträge, die dort für ihn fällig werden. Sie wissen, daß der Mindestbetrag für den Versicherten selbst 50 Mark beträgt. Von diesen 50 Mark hat er 40 Mark, ohne daß sie ihm angerechnet werden. Er kommt also auf eine Rente von 205 Mark, und nur 10 Mark können ihm auf die Zuschlagsrente angerechnet werden. Der Verheiratete bekommt zu den von mir genannten Sätzen für die Frau einen Zuschlag von 15 Mark, also Mann und Frau zusammen eine Rente von 180 Mark, und


(Bundesminister Storch)

darüber hinaus für jedes versorgungsberechtigte Kind einen weiteren Zuschlag von 15 Mark.
Wir sind bei der Aufstellung dieses Gesetzes davon ausgegangen, daß man die Kriegsbeschädigten gerecht behandeln müsse, wenigstens den Versuch machen müsse, sie gerecht zu behandeln. Sie wissen alle, welch eminente Schwierigkeiten es macht, die für dieses Gesetz notwendigen Mittel aufzubringen. Wenn für ein Gesetz nur ein gewisser Geldbetrag zur Verfügung gestellt werden kann, dann muß man versuchen, das Geld dorthin zu leiten, wo wirklich die größte Not vorhanden ist. Deshalb sind wir davon ausgegangen, die Kriegsbeschädigtenrente in der Zukunft in eine Grundrente und in eine Ausgleichsrente zu teilen. Auf die Grundrente hat jeder Kriegsbeschädigte einen Rechtsanspruch, auf die Ausgleichsrente nur derjenige, der zu seiner Rente lediglich einen geringen Teil von Eigenverdienst oder von Erwerb aus anderen Quellen hat. Hier ist der Versuch gemacht worden, denjenigen, die wirklich nicht arbeiten können und die nicht im Besitz von Vermögen sind, das zu geben, was sie zum Lebensunterhalt dringend notwendig haben.
Wenn Sie sich dieses Gesetz in seiner Gesamtheit ansehen, dann müssen Sie folgendes berücksichtigen. Für die Versorgung unserer Kriegsopfer haben im vergangenen Jahr die Länder, die damals zuständig waren, insgesamt zwischen 1,9 und 2 Milliarden Mark ausgegeben. Das Versorgungsgesetz, das Ihnen jetzt vorliegt, sieht Leistungen für ein volles Etatjahr in Höhe von 3 Milliarden Mark vor. Und täuschen Sie sich nicht: die Zahl derjenigen, die über dieses Gesetz ihre Lebensgrundlage finden müssen, ist eminent groß. Wir haben zur Zeit bereits 3,8 Millionen Kriegsbeschädigtenrenten im Laufen, und es ist ganz sicher, daß im Laufe dieses Etatjahres die Zahl der Rentenempfänger nach diesem Gesetz auf über 4 Millionen steigen wird. Das sollten Sie sich bei der Behandlung dieses Gesetzes immer und immer wieder vor Augen halten. Vielleicht trifft auch hier das zu, was mein Kollege Heinemann vorhin für seinen Gesetzentwurf gesagt hat: Es ist kaum möglich, daß der Bund für diesen Zweck weitere Mittel aufbringen kann. Es hat in Wirklichkeit die größte Mühe gekostet, diese 3 Milliarden Mark für diesen Zweck bereitzustellen. Wenn Sie sich den Gesamthaushalt des Bundes ansehen, finden Sie, daß die Versorgung unserer Kriegsbeschädigten im Gesamtetat den zweiten Platz, und zwar den Platz hinter den Besatzungskosten, einnimmt.
Durch dieses Gesetz ist auch einer alten Forderung der Kriegsbeschädigten entsprochen worden, die dahin geht, daß den Kriegsbeschädigten der aus der Sozialversicherung erworbene Rechtsanspruch gegeben werden soll. Deshalb sieht das Gesetz vor, daß die Ruhensbestimmungen nach §§ 1274 und 1275 der Reichsversicherungsordnung für die Zukunft ausgeschaltet werden.
Darüber hinaus ist einer ebenfalls alten Forderung der Kriegsbeschädigten Rechnung getragen worden, einer Forderung, die bei der Behandlung des Überbrückungsgesetzes hier im Hause gleichfalls vorgebracht wurde. Durch dieses Gesetz ist die Krankenhilfe für die Hinterbliebenen neu eingeführt und festgelegt worden.
Überdies gehen, wie ich vorhin schon sagte, die Wünsche der Kriegsbeschädigten dahin, ihnen einen Teil ihrer Grundrente oder die Grundrente überhaupt zu kapitalisieren, damit sie zu einer anständigen Wohnung oder zu einem kleinen Eigenheim kommen. Wir haben in dem Gesetz auch diesen Wünschen der Kriegsbeschädigten Rechnung getragen. Sie können bis zu einem gewissen Zeitpunkt ihre kapitalisierten Grundrenten in Anspruch nehmen, um so den gewünschten Zweck zu erreichen.
Zusammenfassend möchte ich sagen: dieses Gesetz ist in der Zeit, in der es erstanden ist, bereits sehr eingehend besprochen und auch stark kritisiert worden. Wir hatten keine Veranlassung, uns einer derartigen Kritik zu entziehen. Im Gegenteil, wir haben auf Wunsch dieses Hauses bei uns einen Sachverständigenbeirat gebildet, der uns bei der Erstellung dieses Gesetzes dann auch sehr maßgebliche und sehr wertvolle Dienste geleistet hat. Ich bitte Sie, diesen Gesetzentwurf so zu behandeln, daß er möglichst bald verabschiedet werden kann, damit die berechtigten Wünsche der Kriegsbeschädigten nicht noch länger unerfüllt bleiben müssen.

(Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Carlo Schmid (SPD):
Rede ID: ID0108406500
Ich eröffne die Aussprache. Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen insgesamt eine Redezeit von drei Stunden für die Gesamtaussprache vor. Erhebt sich Widerspruch? - Dies ist nicht der Fall; es ist so beschlossen.
Das Wort hat Frau Dr. Probst.

Dr. Maria Probst (CSU):
Rede ID: ID0108406600
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wenn wir heute, fünf Jahre nach Beendigung des Krieges, in die erste Lesung eines für alle Länder des Bundesgebietes einheitlichen Gesetzes über die Versorgung der Kriegsopfer eintreten, so ist dies ein bedeutsamer, ja ein historischer Augenblick. Es handelt sich bei dem Bundesversorgungsgesetz um das erste große Sozialgesetz, das dem Bundestag von der Bundesregierung vorgelegt wird. Der Beschluß aller Parteien dieses Hohen Hauses, dieses Gesetz als das erste Sozialgesetz zu beraten, beweist, daß die Priorität der Kriegsopferversorgung von allen Parteien dieses Hauses anerkannt wird. Angesichts der Spannung, mit der Millionen von Kriegsopfern, Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen dieses Gesetz erwarten, darf ich dies mit besonderer Genugtuung feststellen.
Unsere Aufgabe, meine Herren und Damen, heute ist es, in einer Grundsatzdebatte zu dem vorliegenden Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Bei keinem anderen Gesetz ist eine Fundierung der Gesetzgebung aus dem Grundsätzlichen heraus so dringend notwendig wie beim Kriegsopfergesetz. Wir haben soeben in dem historischen Rückblick, den der Herr Bundesminister gegeben hat, gesehen, weichen Weg — einen Kreuzweg können wir ihn nennen — die Gesetzgebung in der Vergangenheit seit Kriegsende durchgemacht hat. Dadurch, daß die gute alte Reichsversorgung durch die Alliierten, und zwar durch den Kontrollrat, zerschlagen worden war, wurde gleichzeitig auch die ideelle Grundlage dieser Gesetzgebung zerschlagen. An deren Stelle trat statt dessen eine vollkommen unorganische Verkoppelung mit der Fürsorge einerseits, aber unter Ausschluß der gehobenen Fürsorge, und andererseits mit der Unfallversicherung, aber wiederum unter Ausschluß der Vorteile, die sie zu gewähren imstande gewesen wäre. Die Kriegsopferversorgung geriet also zwischen Fürsorge und Unfallversicherung in einen gefährlichen Schnittpunkt sich widersprechender und der Kriegsopferversorgung nicht gemäßer


(Frau Dr. Probst)

Gesetzgebungstendenzen. Das waren Stationen eines schweren Leidensweges, die eben mit der gemeindlichen Fürsorge einschließlich der Bedürftigkeitsprüfung und der Rückzahlungspflicht und der Auswirkung verschiedener Kürzungsparagraphen der Reichsversicherungsordnung bezeichnet waren, die ja hier dieses Hohe Haus schon des öfteren beschäftigt haben. Ich nenne nur die §§ 595 und 559 b mit ihren unseligen Stopbeträgen für die kinderreichen Familien der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen. Ich nenne die §§ 1274 und 1275 RVO und endlich § 40 AVG: auch wieder Kürzungsbeträge, und zwar der Sozialversicherungsrenten im Zusammentreffen mit Bezügen aus der KB-Gesetzgebung. Äußerste Not in dem betroffenen Personenkreis war die Folge. Die Ursache liegt in einer grundsätzlich falschen Fundierung der bisherigen Gesetzgebung, deren negative Auswirkungen noch wesentlich durch die zonale Zerrissenheit des Rechts gesteigert werden, so wie es heute noch in den Ländern in Geltung ist.
Angesichts der geschilderten Lage konnte es für die Bundesregierung nur eine Aufgabe geben, nämlich die, eine neue Rechtsgrundlage dadurch zu schaffen, daß dieses Recht als solches zunächst und vor allem im Grundsätzlichen neu überprüft und richtig fundiert wurde. Wir befinden uns in diesem Grundsatz in völliger Übereinstimmung mit der Bundesregierung.
Meine Herren und Damen! Die Kriegsopferversorgung ist ein Problem ganz eigener Art, in seinem Wesen mit nichts anderem vergleichbar. Die einmalige Größe des für die Allgemeinheit gebrachten und fortdauernden Opfers an Lebenskraft, an Gesundheit, der Verlust des nächsten Angehörigen begründen einen ethischen, ja sogar naturrechtlich fundierten Rechtsanspruch auf eine ausreichende Versorgung und den Unterhalt durch eben jene Gemeinschaft, für die das Opfer gebracht worden ist. Dieses Opfer hat mit der Zufälligkeit eines Unfalls nichts zu tun, dessen geldliche Abfindung versicherungsmathematisch an den Beiträgen errechnet werden kann. Wir lehnen eine Abfindung und bloße Entschädigung nach dem Prinzip der Sozialversicherung für die Kriegsopferversorgung auf das entschiedenste ab. Die Grundlagen der neuen Gesetzgebung heißen: Anspruch auf ausreichende Versorgung auf der einen Seite und Unterhaltspflicht des Staates auf der anderen. Der neue Gesetzentwurf — und wir stimmen ihm hier vollständig zu — vollzieht eine scharfe Trennung von den falschen Grundlagen der Sozialversicherung in bezug auf die Kriegsopferversorgung. Im neuen Gesetz der Bundesregierung sind daher, wie der Herr Bundesarbeitsminister schon gesagt hat, die §§ 595 und 559 b sowie 1274 und 1275 ein für allemal beseitigt. Damit ist zugleich einem Beschluß dieses Hohen Hauses Rechnung getragen worden. Ebenso wurde die bisherige Einteilung in Ortsklassen beseitigt.
Meine Damen und Herren, es geht aber um ein Weiteres. Es gehört zum Wesen des Kriegsopferproblems, das es in einer millionenfachen Mannigfaltigkeit schwerster Einzelschicksale alle Berufsgruppen, alle Schichten, alle Altersstufen des deutschen Volkes gleichermaßen umfaßt. Dies bedeutet, daß die Versorgung so individuell wie möglich gestaltet sein muß; sie darf weder in einem kollektiven Einheits-Rentensystem erstarren oder nivelliert werden noch sogenannte qualifizierte Renten für sogenannte höherwertige Berufe schaffen. Beide Extreme lehnen wir ab. Genau so entschieden wenden wir uns aber gegen die Orientierung an dem untersten Lohnniveau. Das neue Bundesversorgungsgesetz folgt diesen Erkenntnissen. Es enthält den Grundsatz, die Rente so zu gestalten, daß sie dem individuellen Bedürfnis angepaßt ist, und zwar so, daß sie bei veränderten Voraussetzungen der allgemeinen wirtschaftlichen Lage jederzeit angepaßt werden kann und daß sie anderseits dem voll erwerbsfähigen, verheirateten Kriegsbeschädigten neben der Sicherung seiner materiellen Existenz die Anteilnahme am kulturellen Leben des Volkes gestattet. Als unterste Grenze dieser Forderung sind 180 DM für den verheirateten, hundertprozentig Erwerbsunfähigen von den Kriegsopfern selbst gefordert worden. Diese grundlegende Forderung der Kriegsopfer ist im neuen Bundesversorgungsgesetz erfüllt.
Was nun die Frage der dreißig- bis vierzigprozentig erwerbsgeminderten Kriegsbeschädigten angeht, so wenden wir uns mit aller Entschiedenheit gegen die Bestrebungen, die Dreißig- bis Vierzigprozentigen aus der Versorgung herauszunehmen.

(Bravo in der Mitte.)

Entgegen den im Bundesrat schon beim Überbrückungsgesetz aufgetretenen und inzwischen erneut aufkommenden Bestrebungen ist diese große Gruppe der Kriegsbeschädigten in dem neuen Versorgungsgesetz mit einer Grundrente verankert, die bei den Vierzigprozentigen über der heutigen Mindestrente in der amerikanischen und britischen Zone liegt.
Dem Grundsatz der Anpassung der Rente an das individuelle Bedürfnis des einzelnen wird der neue Gesetzentwurf durch die Zweiteilung der Rente in Grundrente und Ausgleichsrente gerecht. Dabei entspricht die Grundrente der Besonderheit des Bedürfnisses, die aus dem Körperschaden erwächst. Dieser anatomische Schaden wirkt sich neben jedem Beruf und bei jeder Einkommensstufe aus; er äußert sich in der Notwendigkeit erhöhter zusätzlicher Aufwendungen. Ich nenne nur die behinderte Bewegungsfähigkeit, die wiederum erhöhten Kleider- und Wäscheverbrauch hervorruft, anderseits die Notwendigkeit, mehr Fahrgelegenheiten zu benutzen oder Begleitpersonen bei sich zu haben. In vielen Fällen ist Diätkost notwendig. Ich will in diesem Zusammenhang hier nicht von dem Schmerz und der Einbuße an Lebensfreude sprechen, die ständige Begleiter des Kriegsbeschädigten sind. Die Grundrente, meine Herren und Damen, als Äquivalent des anatomischen Schadens ist neben jedem Einkommen zu gewähren. An diesem Grundsatz darf nach unserer Auffassung nicht gerüttelt werden, soll nicht das ganze Gesetzgebungsprinzip ins Gleiten kommen. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß die Grundrente neben jeglichem Einkommen zu gewähren ist.
Meine Fraktion wird im Ausschuß den Antrag stellen, daß die Ruhensvorschriften des Gesetzentwurfs beseitigt und die Beschlüsse des Bundesrats auf Einführung der 400-Mark-Grenze vom Bundestag abgelehnt werden. Dadurch wäre nach unserer Auffassung der klare Aufbau dieses Gesetzes empfindlich gestört.
Die Ausgleichsrente ist als Äquivalent des wirtschaftlichen Schadens gedacht. Wir legen aber Wert auf die Feststellung, daß das Ermessen bei der Gewährung der Ausgleichsrente auszuschalten ist. Diese Ausgleichsrente ist unter bestimmten Bedingungen vom sonstigen Einkommen abhängig. Daneben ist ein progressiver Freibetrag in Höhe von einem Viertel des die Arbeitseinkommenfreigrenze übersteigenden Betrages eingebaut. Diese Bestimmungen sind im § 32 des Gesetzes niedergelegt. Wir


(Frau Dr. Probst)

sind der Auffassung, daß dieser § 32 zunächst einmal einer redaktionellen Überarbeitung bedarf. In seiner jetzigen Fassung ist er unklar und gibt zu Mißverständnissen Anlaß.
Darüber hinaus sind wir aber auch der Meinung, daß die materielle Seite dieser Rechtsbestimmung einer nochmaligen eingehenden Überprüfung bedarf, wobei noch vorhandene Unebenheiten und Unausgeglichenheiten sowohl in sich — etwa bei der Übergangsgrenze der auslaufenden Ausgleichsrente einschließlich der Sozialleistungen bei steigendem Arbeitseinkommen — als auch in Beziehung zu den bisher geltenden Arbeitseinkommens-Freigrenzen in den verschiedenen deutschen Ländern beseitigt werden müssen. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß das neu geschaffene Recht gegenüber den heute noch in den einzelnen deutschen Ländern bestehenden Rechten seiner Gesamtstruktur nach den Vorzug verdient.
Wir sind der Meinung, daß die Diskussion um den § 32 gerade vom Grundsätzlichen her von außerordentlicher Bedeutung ist. Die Idee des neuen Gesetzes will den Arbeits- und den Leistungswillen, der gerade bei den Kriegsbeschädigten stark ist, sowohl fördern wie belohnen. Auswirkungen, die diesem Grundsatz nicht entsprechen, sind abzuändern. Der ausdrückliche Wunsch der Kriegsopfer ist es, in den Arbeitsprozeß eingegliedert zu werden. Sie lehnen jedes Staatsrentnertum ab. Wir bekennen uns zu diesem Grundsatz und setzen uns für seine Verwirklichung ein. Wir sind der Überzeugung, daß der Staat auf die aktive Mitarbeit dieses bedeutenden Personenkreises im staatlichen Leben, vor allem auch in der Wirtschaft, nicht verzichten kann. Er muß hiernach — ich wiederhole das — dieses Postulat der Eingliederung in den Arbeitsprozeß in jeder Form erfüllen, und zwar sowohl im
3) Rahmen dieses Gesetzes, wie auch bei der Beschlußfassung über ein neues Gesetz über die Vermittlung Kriegsbeschädigter in Arbeit. Wir begrüßen daher jede Maßnahme, die geeignet ist, der Arbeits- und Berufsförderung zu dienen, wie das in den §§ 25 bis 27 des vorliegenden Gesetzentwurfs niedergelegt ist.
Eine besondere Anregung geht dahin, daß die Arbeitslosenversicherungsbeträge als Arbeitseinkommen in bezug auf die Ausgleichsrente zu werten sind.
Ein Kernstück ist bei dem vorliegenden Gesetzentwurf die Versorgung der Hinterbliebenen. Das neue Gesetz stellt in der Versorgung unserer Witwen und Waisenkinder gegenüber den bisher geltenden gesetzlichen Bestimmungen eine wesentliche Verbesserung dar. Die veränderte Rechtsgrundlage des neuen Gesetzes beseitigt einerseits die schweren Härten, von denen ich eingangs bereits gesprochen habe. Andererseits bringt sie durch die Anerkennung der Unterhaltspflicht des Staates der Witwe wie auch der Familie des Kriegsbeschädigten und des Gefallenen Wesentliche Verbesserungen im Vergleich zum KBLG und zur SVD 27. Das große Opfer der Frau, die ihren Ernährer und den Vater ihrer Kinder verloren hat, findet im neuen Bundesversorgungsgesetz eine entsprechende Würdigung. Alle Witwen, auch die kinderlosen, sind in die Versorgung einbezogen. Die Ruhensbestimmungen in bezug auf die Grundrente der kinderlosen Witwen unter 40 Jahren halten wir aus den dargelegten grundsätzlichen Erwägungen für nicht vertretbar. Wir werden bei den Verhandlungen im Ausschuß auf diese Frage mit entsprechenden Anträgen zurückkommen. Wir begrüßen es, daß der Regierungsentwurf der Witwe, deren jüngstes Kind aus
der Versorgung ausgeschieden ist, den vollen Rentenanspruch gewährleistet, und zwar auch dann, wenn sie noch nicht das 50. Lebensjahr vollendet hat. Daß in Zukunft jedes Kind einer Witwe unabhängig von der Kinderzahl 31 DM Waisengeld erhält, habe ich bereits dargelegt, wobei ich ausdrücklich betonen möchte, daß die Lehrlingsvergütung der Waisenkinder mindestens in Höhe von 40,—DM keine Anrechnung auf die Ausgleichsrente finden darf. Wir stimmen dem Grundsatz voll und ganz zu, daß die Vollwaisen eine Gesamtrente in solcher Höhe erhalten, daß dadurch der Lebensunterhalt bei Aufnahme in eine Familie oder ein Heim gesichert ist.
Bei den Waisenrenten im allgemeinen ist die Gewährleistung einer ausreichenden Berufsausbildung ein wesentlicher Gesichtspunkt, wobei in dem neuen Gesetz neben der Rentenversorgung — unter Berücksichtigung ausreichender Freibeträge für das Lehrlingsgeld—der Berufsfürsorge eine besondere Aufgabe zufällt. Wir begrüßen es, daß die Gewährung der Waisengelder auf das 24. Lebensjahr ausgedehnt worden ist, und zwar für den Fall, daß das Kind noch in Berufsausbildung steht. Es ist für den demokratischen Staat von außerordentlicher Bedeutung, in welchen Verhältnissen diese 1 330 000 Kriegerwaisen aufwachsen, als junge Menschen, die den demokratischen Staat aus dem Erlebnis der gerechten Betreuung bejahen, oder ob hier der tiefe Groll eines hungernden und enttäuschten Kindes, dem eine ausreichende Ausbildung vorenthalten wurde, dazu führt, daß es sich abwendet und staatsverneinend heranwächst. Diesem ernsten Problem kann nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt werden.
Ein besonders schwieriges Kapitel jeglicher Versorgungsgesetzgebung ist die Frage der Elternrente. Die Fassung des vorliegenden Gesetzentwurfs entspricht einer Lösung, die von den besten Kennern des Versorgungsrechts vorgeschlagen und vertreten wird. Indessen ist es nach unserer Auffassung notwendig, die vorgesehenen Einkommensgrenzen zu erhöhen.
Zur Frage der Heilbehandlung darf ich mich in dieser Grundsatzdebatte auf die Anmeldung der Forderung beschränken, Heilbehandlung für Gesundheitsstörungen, die nicht Folge eines DB-Leidens sind, bei solchen Kriegsbeschädigten, die nicht pflichtversicherungsfähig sind, zu gewähren und sie auf die Familienangehörigen dieses Personenkreises auszudehnen. Da dieser Personenkreis von keiner Krankenkasse aufgenommen wird, entspricht diese Forderung dem Grundsatz einer ausreichenden Versorgung.
In die Krankenversicherung der Hinterbliebenen, deren Gewährung im Regierungsentwurf wir sehr begrüßen, möchten wir aber auch die Witwen zwischen 40 und 50 Jahren, die keine Ausgleichsrente beziehen, einbezogen wissen. Unter die besonders von der sozialen Fürsorge zu Betreuenden sind neben den besonders genannten Kriegsblinden und Hirnverletzten auch die schwerbetrofffenen Gruppen der Ohnhänder und Querschnittgelähmten einzubeziehen.
Die Frage der Kapitalisierung der Renten, die ja auch der Bundesarbeitsminister behandelt hat, muß im Hinblick auf die Zinshöhe überprüft werden, wobei überhöhte Zinsen vermieden werden müssen. Eine Angleichung der Zinssätze an die staatlichen Baudarlehen wäre zu begrüßen. Kapitalabfindung auch für die Witwe mit Kind ist ein besonderes Anliegen.


(Frau Dr. Probst)

Einer besonderen Regelung bedarf aber die Überleitung zu der neuen Gesetzgebung in den Ländern der französischen Zone, wo zum Teil noch die Sätze der alten Reichsversorgungsgesetzgebung und des Wehrmachtsversorgungsgesetzes in Kraft sind. Diese Frage muß in einem Sonderausschuß, den wir beantragen werden, eingehend überprüft werden mit dem Ziel, sie einer befriedigenden Lösung zuzuführen.
Abschließend, meine Herren und Damen, darf gesagt werden, daß in dem neuen Bundesversorgungsgesetz ein Fundament gelegt wurde, das in seinen rechtlichen Grundlagen richtig verankert und so angelegt ist, daß es jederzeit ausweitungsfähig ist und einen entsprechenden gesetzlichen Aufbau ermöglicht. In diesem Sinne darf ich mit den Worten schließen, die der Herr Kollege Bazille von der SPD in einer Rundfunkansprache, die er Ende Juli kurz nach dem ersten Bekanntwerden des neuen Versorgungsgesetzes hielt, gesprochen hat:
Wir haben etwas geschaffen,
— so sagte Abgeordneter Bazille —
auf das wir stolz sein können. Wir haben ein Gesetz erreicht, das auf dem Gebiete der Sozialpolitik vorbildlich ist und beweist, daß der gute Wille aller Beteiligten auch in einer schweren und in einer ernsten Zeit dazu führen kann, brauchbare Lösungen zu finden.
Ich beantrage Überweisung des Gesetzentwurfs an
den Ausschuß.

(Lebhafter Beifall bei der CDU.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108406700
Das Wort hat der Abgeordnete Leddin.

Bruno Leddin (SPD):
Rede ID: ID0108406800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der Vorlage Drucksache Nr. 1333 tritt der Bundestag in die Beratung des bisher wohl bedeutungsvollsten sozialpolitischen Gesetzgebungswerkes, des Bundesversorgungsgesetzes ein, dessen Verabschiedung insbesondere von den an diesem Gesetz interessierten Menschen, den fast 4 Millionen Kriegsopfern im Bereich der Bundesrepublik seit vielen Monaten leidenschaftlich gefordert wurde und mit dem diese im Hinblick auf so mancherlei Enttäuschungen in den vergangenen Jahren große Hoffnungen verbunden haben. Es ist anerkennenswert, daß über den Kreis der Kriegsopfer hinaus die gesamte deutsche Öffentlichkeit und auch die deutsche Presse ihr großes Interesse an diesem Gesetz und ihr weitestgehendes Verständnis bekundet haben. Das Gesetz soll in der Tat dem durch das seinerzeit von den Alliierten in völliger Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse erlassene Kontrollratsgesetz Nr. 34 des Jahres 1946 hervorgerufenen unhaltbaren Zustand ein Ende machen, daß die Opfer des Krieges nach acht verschiedenen Länderregelungen behandelt werden, zum Teil stark voneinander abweichend, wozu dann im Laufe der Zeit noch über drei Dutzend Ausführungsbestimmungen gekommen sind. Es soll wieder bundeseinheitliches Recht schaffen.
Schon der Frankfurter Wirtschaftsrat hatte im Hinblick auf die Lage der Kriegsopfer und mit dem Ziel, das von mir angedeutete verschiedenartige Länderrecht anzugleichen, im Frühjahr 1949 größte Anstrengungen gemacht und schließlich einmütig ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. Diesem Gesetz wurde von den Vertretern der Besatzungsmächte die Zustimmung versagt, insbesondere mit dem Hinweis, daß man der künftigen Bundesgesetzgebung in dieser und anderen wichtigen und entscheidenden Fragen nicht vorgreifen wolle. Diese Entscheidung wurde im Juni 1949 bekannt, also einige Wochen vor der Konstituierung der Organe der Bundesrepublik. Es erhebt sich deshalb die Frage: Lag es nicht nahe, daß die Bundesregierung nach dem von mir geschilderten jahrelangen Unrecht an den Kriegsopfern es als eine ihrer vordringlichsten Aufgaben hätte ansehen müssen, zum frühestmöglichen Termin ein Bundesversorgungsgesetz vorzubereiten und rechtzeitig zur Verabschiedung zu bringen, d. h. spätestens bis zum 1. April 1950?

(Zuruf: Jeder sagt das!)

In diesem Zusammenhang darf ich auch daran erinnern, daß die sozialdemokratische Fraktion mit ihrem Antrag Nr. 30 schon im September 1949 das Verlangen zur Schaffung eines Bundesversorgungsgesetzes nachdrücklichst gestellt hat, ein Verlangen, das vom gesamten Bundestag wiederholt einmütig akzeptiert und unterstützt und dessen Erfüllung von der Bundesregierung oftmals zugesagt worden ist. Selbst wenn man unterstellt, daß für die Schaffung einheitlichen Rechts umfangreiche Unterlagen aus den Ländern beschafft und finanzielle Grundlagen erarbeitet werden mußten, kann das nach meiner Überzeugung die Regierung nicht von dem schweren Vorwurf entbinden, daß hier viel zu lange gezögert worden ist.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Diesen Vorwurf kann man auch mit dem Hinweis darauf, daß durch die Einschaltung eines Sachverständigenbeirats, bestehend aus Vertretern der Länder und der vier anerkannten Kriegsopferorganisationen, gewisse Verzögerungen entstehen mußten, nicht entkräften.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wir alle wissen, daß die ungewöhnliche Verzögerung bei der Vorlage dieses Gesetzes zu einer steigenden Erbitterung und Empörung der Kriegsopfer geführt hat, die noch durch völlig überflüssige und meistens unrichtige halbamtliche und amtliche Erklärungen im Rundfunk sowie in der Presse verschärft worden ist.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Diese bedauerlichen sozialen Spannungen wären vermeidlich gewesen, wenn die Bundesregierung dem ständigen Drängen und dem wiederholten einmütigen Appell des Kriegsopferausschusses auf beschleunigte Vorlage des Gesetzes Rechnung getragen hätte. Das ist leider — ich stelle das ausdrücklich fest — nicht geschehen. Nunmehr, nachdem die Bundesregierung selbst viele Monate für das Zustandekommen dieses Gesetzes benötigt hat, sollen das Parlament und der Kriegsopferausschuß sozusagen im Schnellzugstempo das Gesetz beraten oder vielmehr, wie es die Regierung wohl wünscht, vorbehaltlos akzeptieren. Nicht viel anders kann man nämlich gewisse Erklärungen des Ministeriums zu diesem Gesetz verstehen. Namens der sozialdemokratischen Fraktion möchte ich heute schon erklären, daß davon keine Rede sein kann und daß wir diesen Gesetzentwurf, der den meisten Mitgliedern des Parlaments ja erst vor einigen Stunden zu Gesicht gekommen ist,

(Sehr richtig! bei der SPD)

sehr kritisch unter die Lupe nehmen und überprüfen werden.


(Leddin)

Die sozialdemokratische Fraktion hat die Entwicklung dieses Gesetzes, beginnend mit dem seinerzeit stark umstrittenen und nach unseren Begriffen unzulänglichen Überbrückungsgesetz, aufmerksam verfolgt. Wir anerkennen, daß gegenüber den ursprünglichen Plänen bei der Entstehung dieses Gesetzes, wobei sogar die völlige Streichung aller Renten bis zu den Renten der fünfzigprozentig Schwerbeschädigten in Aussicht genommen war, dieser Entwurf einen Fortschritt bedeutet. Aber wir widersprechen entschieden den allzu bombastischen und superlativen Erklärungen des Herrn Bundesarbeitsministers zu diesem Gesetzentwurf vor der Presse, in denen zum Ausdruck kam, daß dieser eine große soziale Tat und vorbildlich für ganz Europa sei und seiner Meinung nach weitgehend den Wünschen der Kriegsopfer Rechnung trage.

(Zurufe in der Mitte: Bazille!)

Solche Erklärungen stehen denn doch allzusehr im Widerspruch zu der Tatsache, daß neber anderen sehr bedenklichen Bestimmungen einem beachtlichen Teil der in der französischen Zone beheimateten Kriegsopfer gegenüber ihrer bisherigen materiellen Versorgung erhebliche Einbußen zugemutet werden sollen. Es ist ähnlich wie bei dem Gesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes, das wir vorhin vorberaten haben und in dem von den Beamten zugunsten der anspruchsberechtigten Kreise eine dreiprozentige Gehaltssenkung verlangt wird. also gewissermaßen ein Lastenausgleich unter den Kriegsopfern. Wenn schon die Schaffung einheitlichen Rechtes gewisse Härten nicht ganz ausschließt, so müssen doch unseres Erachtens alle Möglichkeiten geprüft werden, damit sie sich im engsten Rahmen halten und keine nennenswerten Verschlechterungen, wie das im Entwurf der Fall ist, mit sich bringen.
Völlig unerträglich erscheint uns auch die den sogenannten Leichtbeschädigten, d. h. den 30-bis 40%ig Kriegsbeschädigten zugemutete Verschlechterung ihrer bisherigen Renten. Wer sind denn diese Leichtbeschädigten? Es sind Menschen mit Amputationen von Fingern und Zehen, mit Lähmung verschiedener Nervensysteme, mit Versteifungen von Gelenken aller Art, ja in vielen Fällen selbst mit Unterschenkelamputationen, die unter diesen Begriff fallen. Die sozialdemokratische Fraktion wird hier mit besonderem Nachdruck auf eine Änderung der unseres Erachtens zu niedrigen Renten bedacht sein.
Sehr wesentlich erscheinen uns auch die von zahlreichen Kriegsopfern erhobenen Einwände gegen eine allzustarke Verankerung des Bedürftigkeitsprinzips in diesem Entwurf, die gleichfalls die Gefahr von Verschlechterungen gegenüber dem bisherigen Zustand insbesondere für die Kriegswaisen, aber auch für die Kriegshinterbliebenen und Kriegsbeschädigten mit sich bringt. Wir haben in diesem Hause bei anderen Gesetzentwürfen und auch von seiten der Bundesregierung sehr oft starke Worte des Inhalts gehört, daß hei der Lösung sozialer Fragen die Freiheit der Persönlichkeit, der gleiche Rechtsanspruch und die Gleichberechtigung auf Grund der Rechtsstaatlichkeit erhalten, vermehrt und gefestigt werden müssen. Wenn dieser Grundsatz für einen Teil von Anspruchsberechtigten Geltung haben soll, die sich auf wohlerworbene Rechte und materielle Verluste mit guten Gründen stützen mögen, so fragen die Kriegsopfer mit Recht: Soll denn dieser
Grundsatz nicht auch auf uns Anwendung finden, die wir im Interesse dieses Staates mehr als wohlerworbene Rechte und materielles Gut einbüßten, und auch auf die Hinterbliebenen und Kriegereltern, die den Verlust ihres Ernährers oder, soweit es sich um Beschädigte handelt, ihrer Gesundheit zu beklagen haben?

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Sind vielleicht die durch schwere Kriegsverwundung erlittene Erblindung oder schwerste Hirnverletzung mit allen ihren verheerenden Erscheinungen, die ganzen anderen schweren Verletzungen und Erkrankungen, die doppelten Amputationen oder andere schwerste Schädigungen nicht Grund genug, um gerade für die Kriegsopfer die Anwendung dieses fundamentalen Grundsatzes des gleichen Rechtsanspruches zu verlangen? Es erscheint auch uns mit dem Grundsatz des Rechtsanspruches nicht vertretbar, wenn die Versorgung der Kriegsopfer durch eine sehr geringe Grundrente und die Gewährung der Ausgleichsrente unter dem Maßstab einer sehr scharfen Bedürftigkeitsprüfung erfolgen sollen. Wir werden uns im Ausschuß mit diesen Einwänden sehr ernsthaft auseinandersetzen.
Einer nachhaltigen Verbesserung bedürfen unseres Erachtens auch die Bestimmungen über die nach unserer Meinung unzureichenden Freigrenzen sowie die Anrechnungsgrundsätze bei sonstigem Einkommen. Theoretisch entspricht der Gesetzentwurf zwar der besonders eindringlich erhobenen Forderung nach Gewährung der Sozialversicherungsrenten neben den Kriegsopferrenten, wie es der Herr Bundesarbeitsminister heute dargestellt hat. Aber die Tatsache, daß diese Renten als sonstiges Einkommen angerechnet werden sollen, schließt in der Praxis leider sehr häufig die Gewährung der vollen Renten aus.
Offen geblieben ist auch die vom Ausschuß seinerzeit einmütig erhobene Forderung nach einer Sicherstellung der Krankenversicherung für alle nichtversicherungspflichtigen Hinterbliebenen sowie für einen Teil der Beschädigten und ihrer Angehörigen. Auch die völlige Annullierung aller Renten bei einer bestimmten Einkommensgrenze, besonders die vom Bundesrat beschlossene verschlechterte Regelung, bedarf doch einer sehr genauen Überprüfung. Es mag auf den ersten Blick gerechtfertigt erscheinen, daß man bei einem sehr hohen Einkommen keinen Rentenanspruch bestehen lassen will. Wir meinen aber, daß man nicht übersehen darf, daß der schwerbeschädigte Arbeitnehmer infolge seiner Verwundung oder seines Kriegsleidens gegenüber seinen gesunden Kollegen immer benachteiligt sein wird und infolge seiner Beschädigung zusätzliche Aufwendungen aufbringen muß.
Unter keinen Umständen werden wir den Versuch der Bundesregierung anerkennen, das Gesetz erst mit seiner Verabschiedung in Kraft treten zu lassen. Die Bundesregierung hat wiederholt erklärt, daß dieses Gesetz Wirkung vom 1. April 1950 ab haben soll. Die sozialdemokratische Fraktion wird darauf bestehen, daß hier nicht erneut ein gegebenes Versprechen der Bundesregierung gebrochen wird und damit das Ansehen demokratischer Organe noch mehr in Mißkredit kommt.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Bei aller Würdigung der schweren wirtschaftlichen
und finanziellen Situation der Bundesrepublik
rufen wir es in dieser Stunde in Erinnerung, daß


(Leddin)

der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung und später bei vielen Anlässen die Regelung eines ausreichenden Versorgungsgesetzes gerade für die Kriegsopfer als eine der wichtigsten Aufgaben seiner Regierung bezeichnet hat,

(Sehr richtig! bei der SPD)

ein Versprechen, das auch der Herr Bundesfinanzminister Schäffer gegeben hat.
Die im Verlaufe meiner Ausführungen gegebenen Hinweise, gestützt auf die zahlreichen Proteste aus den Reihen der Kriegsopfer, machen sehr deutlich, daß die Erwartungen der Kriegsopfer, die sie mit dem Versprechen des Herrn Bundeskanzlers verbunden haben, enttäuscht worden sind. Es ist unsere Überzeugung, daß eine einigermaßen unter Berücksichtigung der gesamten Verhältnisse erträgliche Versorgung der Kriegsopfer nicht mit einem Betrage von 3 Milliarden erzielt werden kann, sondern mindestens einen Betrag von 3,6 Milliarden erfordern wird. Weder wir noch die Kriegsopfer haben es vergessen, daß die Bundesregierung bei der Steuervorlage den besitzenden Kreisen und den Beziehern hoher Einkommen seinerzeit ein Geschenk von nahezu einer Milliarde D-Mark gemacht hat,

(Widerspruch rechts; — Zuruf rechts: Das ist nicht wahr!)

und vielleicht ist im Hinblick auf das seit Wochen in der Öffentlichkeit angeklungene Thema der Remilitarisierung die Frage berechtigt: wird der sonst so sparsame Herr Bundesfinanzminister auch da die erforderlichen Mittel nicht zur Verfügung haben?

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wir glauben schon heute die Gewißheit zu haben, daß für diesen Fall die finanziellen Grundlagen sehr schnell gesichert sein werden, auch für den Preis gewisser neuer steuerlicher Opfer. Schließlich ist es nicht das erste Mal in der Geschichte, daß die Begeisterung gewisser Kreise und Parteien bei der Bewilligung eines Wehretats immer sehr viel stärker als bei den Gesetzen sozialpolitischen Gepräges war.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Es erscheint uns daher durchaus angebracht, daß wir in diesem Zusammenhang heute schon in aller Bescheidenheit daran erinnert haben.
Unser Eindruck, daß dieser Gesetzentwurf nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Erfüllung berechtigter Ansprüche der Kriegsopfer entstanden ist, vielmehr doch auch sehr starke fiskalische und finanzielle Gesichtspunkte vorherrschend gewesen sind, wird durch vielerlei Umstände bestätigt. Es ist wohl kein Zufall, meine Damen und Herren, daß in den sozialpolitischen Auseinandersetzungen der vergangenen Monate immer wieder von der sich verstärkenden Rentensucht aller Gruppen von Hilfsbedürftigen die Rede war. Sehr bezeichnend erscheint uns aber auch die Auffassung im Bundesarbeitsministerium zu sein, aus der heraus ein sehr hoher Beamter dieses Ministeriums in einem Aufsatz im „Bundesarbeitsblatt" die Forderung nach sozialer Sicherheit als ein Schlagwort kennzeichnet und mit dem Ruf ,,Kanonen statt Butter" vergleicht.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Was hinter der Forderung nach sozialer Sicherheit an Erwartungen und Hoffnungen steht, welche Furcht und Angst, unter Umständen wieder einmal den Kanonen ausgeliefert zu sein, das
sollte unseres Erachtens doch wohl mit mehr Respekt vor den Erlebnissen, die zu diesem Schlagwort geführt haben, behandelt werden.

(Lebhafte Zustimmung bei der SPD.)

Ich glaube, mich in Übereinstimmung mit der großen Mehrheit dieses Hauses zu befinden, wenn ich — um nicht einen schärferen, unparlamentarischen Ausdruck zu gebrauchen - solche Vergleiche als sehr geschmacklos bezeichne.

(Sehr gut! bei der SPD.)

Bei solchem Geist allerdings braucht man sich über die soziale Einstellung zu den verschiedensten Forderungen der Hilfsbedürftigen nicht zu wundern.
Ich benutze diese Gelegenheit, um neben der Forderung nach einem angemessenen Versorgungsrecht für die Kriegsopfer die vielleicht noch viel bedeutungsvollere Pflicht und Verpflichtung des Staates hervorzuheben — das geht auch die Industrie, den Handel, das Gewerbe und das Handwerk an —, beschleunigt ein Gesetz über die Beschäftigung von Schwerbeschädigten vorzulegen. Der Ruf nach Beschäftigung, der nicht nur von den Organisationen der Kriegsopfer, sondern auch in Hunderten von Briefen, die mich in den letzten Wochen aus den Reihen meiner schwerbeschädigten Kameraden erreichten, immer und immer wieder erfolgt, legt ein beredtes Zeugnis von dem Verantwortungsbewußtsein dieser schwer geprüften Menschen ab. Gerade für die Schwer- und Schwerstbeschädigten bedeutet Arbeit nicht nur die Sicherung ihrer Existenz, sondern sie ist ein bestimmender seelischer Faktor in ihrem Leben. Fast 70 000 Schwerbeschädigte, in die ich auch die Unfallbeschädigten und die Zivilblinden einschließe und unter denen die Kriegsblinden und die Gehirnverletzten einer besonderen Fürsorge bedürfen, warten dringend auf die Erfüllung ihres berechtigten Anspruches.
Die sozialdemokratische Fraktion wird an die Beratung dieses Gesetzes im Ausschuß mit dem Ziel herangehen, mit allen anderen Fraktionen eine gemeinsame Linie zu finden in der Erkenntnis, daß das Anliegen der deutschen Kriegsopfer eine Angelegenheit des gesamten deutschen Volkes ist.
Lassen Sie mich abschließend namens der sozialdemokratischen Fraktion noch einen Appell an das ganze Haus in der Hoffnung richten, daß er stärksten Widerhall finden wird. Das ist die Einbeziehung Berlins und seiner Kriegsopfer in dieses Bundesversorgungsgesetz. Gerade bei diesem Gesetz wäre das ein Akt echter kameradschaftlicher und nationaler Solidarität.
Der gute Wille der sozialdemokratischen Fraktion, bei diesem großen sozialpolitischen Werk eine gemeinsame Basis zu finden, setzt — darüber möchte ich keinen Zweifel lassen — allerdings voraus, daß dieser Gesetzentwurf im Sinne unserer Vorschläge, von denen ich nur einen Teil vorgetragen habe, wesentliche Verbesserungen erfährt. Mit diesem Ziel werden unsere Vertreter im Ausschuß für Kriegsopferfragen an die schwere und verantwortungsvolle Aufgabe herangehen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108406900
Das Wort hat der Herr Arbeitsminister.

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0108407000
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!


(Bundesminister Storch)

Der Abgeordnete Leddin hat es nicht unterlassen
können, zu sagen, ich hätte vor der Presse große
bombastische Redensarten geführt, wonach dieses
Gesetz etwas Vorbildliches für die ganze Welt sei.

(Abg. Leddin: Das hat die Zeitung gebracht!)

— Eine derartige Erklärung habe ich nicht abgegeben, aber Ihr Parteifreund, Her Bazille, der mit mir gemeinschaftlich vor dem Rundfunk zu diesem Gesetz gesprochen hat,

(Abg. Hilbert: Hört! Hört!)

hat das gesagt, was Sie mir momentan in den Mund legen.

(Lebhafte Hört! Hört!-Rufe in der Mitte.) Hier ist der wörtliche Bericht über diese Rundfunkansprache. Da heißt es:

Herr Bazille spricht folgendes. Wir haben etwas geschaffen, auf das wir stolz sein können.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Wir haben ein Gesetz erreicht, das auf dem Gebiete der Sozialpolitik nicht nur für Deutschland, sondern für die ganze Welt vorbildlich ist.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Ich habe mich gefreut, daß ein Mann von der Opposition auf Grund des Geschaffenen den Mut gehabt hat, etwas Derartiges zu sagen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108407100
Das Wort hat Frau Abgeordnete Kalinke.

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0108407200
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die kurze Debatte hat eben gezeigt, wie schlecht es ist, wenn bei einem so ernsthaften Gesetz die Vertreter der verschiedenen Organisationen der Ärmsten und Beschädigten im Volke in einen Wettstreit treten. Es ist bedauerlich, daß dieses große sozialpolitische Gesetz hier in später Stunde am Schluß eines langen Arbeitstages besprochen wird. Die Mehrzahl der Abgeordneten konnte dieses Gesetz nicht lesen, weil die Drucksache erst heute verteilt worden ist.

(Hört! Hört! links.)

Trotzdem freue ich mich, daß es schon zur ersten Lesung vorgelegt worden ist, denn die entscheidende Arbeit wird ja im Ausschuß zu erfolgen haben.
Auch meine Fraktion hat bereits im September vorigen Jahres die Vorlage dieses Gesetzes durch einen Antrag gefordert. Sie begrüßt es, obwohl auch wir der Meinung sind, daß ein Kriegsbeschädigtengesetz besser und früher schon im Wirtschaftsrat hätte verabschiedet werden können.
Zur Frage des materiellen Rechts möchte ich nicht das wiederholen, was in allen Einzelheiten jetzt grundsätzlich hier besprochen worden ist. Wir werden im Ausschuß sehr viele Wünschen anzu melden haben, und wir werden auch im Ausschuß

(Unruhe.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108407300
Meine Damen und Herren, ich bitte um etwas mehr Ruhe!

Margot Kalinke (CDU):
Rede ID: ID0108407400
- dafür sorgen, daß die verschiedenen Ansprüche der Länder, die in ihren bisherigen Leistungen über das Gesetz hinausgehen, in ein vernünftiges Verhältnis gebracht
werden und unsoziale Härten nach Möglichkeit vermieden werden. Nach Auffassung meiner Fraktion ist dieses Gesetz das Mögliche, das ein armes Volk nach zwei verlorenen Kriegen im Augenblick denen zu geben in der Lage ist, denen gegenüber es viel lieber in größerem Maße seine Verpflichtungen zum Ausdruck bringen möchte. Wir können nur hoffen, daß unser fleißiges und arbeitsames Volk in Jahren des mühevollen Aufbaues es schaffen möge, sehr bald eine bessere und ausreichendere Kriegsopferversorgung zu gewähren.

Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108407500
Das Wort hat Frau Abgeordnete Arnold.

Thea Arnold (FU):
Rede ID: ID0108407600
Meine Herren und Damen! Es ist billig und recht, über ein Gesetz, wie es uns hier von der Regierung vorgelegt worden ist, nicht nur negierend zu sprechen, sondern es ist richtig, an diesem Gesetz auch das Gute, das in der Presse allseits hervorgehoben wurde, zu berücksichtigen. In der sozialdemokratischen Presse habe ich sogar den Ausdruck gelesen, daß dieses Gesetz ein klassisches Gesetz sei.

(Hört! Hört! in der Mitte.)

Ich möchte zunächst betonen, daß uns mit dem Entwurf der Regierung ein klares und sachliches Gesetz vorgelegt wurde, das von dem guten Willen der Regierung zeugt, den Kriegsversehrten und ihren Hinterbliebenen im Rahmen des Möglichen zu helfen. Wenn wir den Entwurf mit dem alten Reichsversorgungsgesetz oder gar mit dem Überbrückungsgesetz vergleichen, so müssen wir auf sehr vielen Gebieten wesentliche Verbesserungen feststellen. Man braucht nur zu denken an die Vereinheitlichung für alle Länder, an die selbständige Versorgungsverwaltung innerhalb des Ministeriums für Arbeit, an die scharfe Trennung der Kriegsopferversorgung von der Sozialversicherung — die Erfüllung eines Hauptwunsches der Kriegsversehrten —, an die Rechtssicherheit, die mit der Vereinheitlichung der Versorgung im Bundesgebiet wieder eingekehrt ist. Man denke auch an die Ausdehnung des Personenkreises der Versorgungsberechtigten auf die Personen, deren Erwerbsfähigkeit um 25 bzw. 30 °/o vermindert ist, an die wesentliche Besserstellung der Witwen, Waisen und Eltern sowie an die Schaffung einer obligatorischen Krankenkasse für die Hinterbliebenen. Dies ist mit Rücksicht auf die große Not der Hinterbliebenen besonders zu begrüßen. Diese Not zeigt sich hauptsächlich in einem großen Sterben der Hinterbliebenen an Tb und in der andauernden Auffüllung unserer Tb-Fürsorgeanstalten mit diesen Kranken. Der Umstand, daß die Anrechnung der Kriegsbeschädigtenrente auf die Sozialrente wegfällt, bedeutet ebenfalls eine wesentliche Erhöhung der Bezüge. Daß nicht alle Wünsche erfüllt werden können, liegt daran, daß unser Land ein großes Armenhaus ist. Es liegt weiter an der Kompliziertheit und an der großen Zahl der zu versorgenden Fälle.
Abgesehen von einigen noch zu diskutierenden Bestimmungen können die Kriegsversehrten und Hinterbliebenen mit dem Gesetz wohl im großen ganzen zufrieden sein. Eine Lanze möchte ich aber noch für unsere Gehirnverletzten brechen, die meiner Ansicht nach in dem Gesetz zu wenig Beachtung gefunden haben. Wer von den Mitgliedern des Kriegsopferausschusses die Studienfahrt zu den Gehirnverletztenheimen in München, Tübingen und Pyrmont mitgemacht hat, wird erkennen, daß


(Frau Arnold)

die Gehirnverletzten — ebenso wie die Ohnhänder — zu den Schwerstbeschädigten gezählt werden müssen und diesen unbedingt gleichgestellt werden sollten, nicht nur in der Höchstrente, sondern auch in der Pflegezulage. Die Pflegezulage sollte ihnen auch während ihres Aufenthalts in einer Anstalt gewährt werden. Es wäre sogar noch an die Gewährung einer Hilflosenzulage und die Erhöhung der Freilassungsquote für ein Einkommen aus nicht selbständiger Arbeit zu denken. Dies gilt, wie ich schon sagte, besonders auch für die Ohnhänder. Wenn man sich diese armen Menschen ansieht und sich ihre Hilflosigkeit vergegenwärtigt, so müßte man freudig einer höheren Leistung für diese Kreise zustimmen. Man müßte auch für eine Witwenrente bei dem Tode eines Gehirnverletzten eintreten. Die seelische Belastung, die ein Gehirnverletzter durch seinen Aufenthalt in der Familie über seine Familie bringt, ist für die Frau und die Kinder zermürbend.
Eine weitere Lanze möchte ich für die Witwen unter 40 Jahren brechen, die noch arbeitsfähig sind. Man sollte ihnen die Grundrente von 20 DM zubilligen und nicht, wie es in § 64 des Gesetzes heißt, die Rente ruhen lassen. Wir würden dies als Härte empfinden, weil ja auch die Sozialversicherungen keine Bestimmungen über das Ruhen der Rente kennen.
In den Ausschüssen muß noch über die Zahlung einer höheren Rente als 10 DM und 15 DM bei den zu 30 und 40% Beschädigten debattiert werden. Die Zentrumsfraktion wird sich mit aller Kraft dafür einsetzen, daß diese Renten auf alle Fälle erhöht werden. Ungefähr 40% der Kriegsbeschädigten gehören dieser Gruppe mit den kleinen Renten an. Vielfach sind es, wie schon erwähnt wurde, Bein- und Armamputierte. Gerade diese Gruppe bedarf größerer Geldbeträge zur Beschaffung von Kleidern und Wäsche sowie zur Bestreitung von Fahrkosten. Man muß diesen Personen daher unbedingt eine Erhöhung der Grundrente zubilligen.
In dem Entwurf ist auch eine Bestimmung enthalten, wonach die arbeitenden kinderreichen Kriegsbeschädigten nur die Grundrente erhalten. Es wäre hier recht und billig, wollte man jedem Kinde 10 % der Grundrente bewilligen, falls der Vater 50 bis 100% Beschädigter ist.
Weitere Wünsche werden wohl noch geäußert werden, und man wird in den Ausschüssen über dieses Gesetz noch lange und viel beraten müssen. Wir wollen uns aber auch vor Augen halten, daß dem Staate sehr viele andere Verpflichtungen obliegen. Unsere Fraktion sagt jedoch mit aller Entschiedenheit: Ehe der Staat einen Pfennig für eine Remilitarisierung Deutschlands bewilligt, müssen die Gelder für eine ausreichende Versorgung der Kriegsversehrten und deren Hinterbliebenen aus beiden Weltkriegen — 1914 und 1939 — bereitliegen.
Die Zentrumsfraktion freut sich von Herzen mit den Kriegsversehrten und deren Hinterbliebenen über die kommende Behebung ihrer Notlage. Unsere Kriegsversehrten werden freudiger in die Zukunft schauen können, da sie neben der Behebung ihrer materiellen Not nun auch wieder in etwa an den Kulturgütern der Menschheit teilnehmen können. Das Hohe Haus bitte ich namens meiner Fraktion, bei den Beratungen so wohlwollend und großzügig wie nur möglich zu sein. Wenn wir uns einer Gruppe von Menschen gegenüber höchst verantwortlich und dankbar erweisen müssen, dann ist es die, welche selbst mit der größten Geldsumme nicht abgefunden werden kann; es sind die Menschen, die ihre Gesundheit für das Gesamtvolk geopfert haben und ihr ganzes Leben hindurch körperlich und geistig schwer zu ringen haben. Lassen Sie uns dies, meine Damen und Herren, bei den kommenden Beratungen des Kriegsversehrtengesetzes nicht vergessen!

(Lebhafter Beifall beim Zentrum und in der Mitte.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108407700
Das Wort hat Herr Abgeordneter Kohl.

Rudolf Kohl (KPD):
Rede ID: ID0108407800
Meine Damen und Herren! Die Vorgänge bis zur Vorlage dieses neuen Versorgungsgesetzes sind mit einer Tragödie zu vergleichen, und die Methoden, die hier in Erscheinung treten, sind bei dieser Regierung in der letzten Zeit üblich geworden. Wir haben gestern bereits über ein Gesetz beraten müssen, das dem Bundestag bzw. den Abgeordneten in der letzten Minute zugegangen ist, und bei diesem Gesetz, das uns heute vormittag zuging, haben wir von seinem Inhalt eigentlich erst durch die Presse Kenntnis erhalten.
Die kommunistische Fraktion erklärt mit aller Eindeutigkeit, daß das Gesetz in seiner jetzigen Gestalt den Anforderungen der Körperbeschädigten in keiner Form entspricht, weder nach seinem materiellen Inhalt noch nach seiner ganzen sozialen Gestaltung.

(Zuruf in der Mitte: Und in der Ostzone?) Das Tauziehen der einzelnen Ministerien um den materiellen Inhalt dieses Gesetzes zeigt deutlich den tatsächlichen politischen Inhalt der Regierungspolitik, die einmal von Herrn Dr. Adenauer als „so sozial wie möglich" apostrophiert worden ist. Für uns Kommunisten und für einen großen Teil der Körperbeschädigten war es klar, daß diese Regierung bereit ist, der besitzenden Klasse die größtmöglichen Erleichterungen zu verschaffen, die ganz zwangsläufig von den Armen und in diesem Falle von den Köperbeschädigten getragen werden müssen. Der Inhalt dieses Gesetzes stellt diese Behauptung unter Beweis. Der Bundesfinanzminister Schäffer, der bereit ist, widerspruchslos 41/2 Milliarden Mark für Besatzungskosten zu bezahlen. und der gemeinsam mit seinem Regierungschef für die Entsendung weiterer Divisionen der Besatzungsmächte dankbar ist, welche uns ebenfalls sehr viel Geld kosten werden,


(Zuruf rechts: Das ist Ihnen unangenehm!) wird auch bereit sein, die notwendigen Mittel für die Aufstellung eines neuen deutschen Heeres aufzubringen.

Das Gesetz, das uns heute vorliegt, verdient in keiner Form das Wort „Versorgungsgesetz". Allein die Tatsache, daß dieses Gesetz bis zum 1. April dieses Jahres versprochen worden ist und erst jetzt, Mitte September, dem Bundestag zur ersten Beratung zugeleitet worden ist, spricht dafür, daß man den Sparhebel bei den Opfern des Krieges ansetzen will. Es ist daher eine der ersten Forderungen, die die kommunistische Fraktion

(Zuruf rechts: Fraktion?)

erheben wird, daß dieses Gesetz rückwirkend ab 1. April, so wie es versprochen war, Geltung haben muß, damit den Körperbeschädigten wenigstens nach der materiellen Seite hin ein bescheidener Ausgleich gewährt wird.
Die größte Enttäuschung, die dieses Gesetz für den betroffenen Personenkreis in sich birgt, ist


(Kohl [Stuttgart])

neben der Höhe der Renten die Tatsache, daß entgegen den Bestimmungen des alten Versorgungsgesetzes eine grundsätzliche Teilung in eine sogenannte Grund- und Ausgleichsrente vorgenommen worden ist. Wenn wir diese Art der Rentengewährung und -berechnung auf ihre eigentliche Grundtendenz hin untersuchen, müssen wir feststellen, daß es sich hier um eine Verschiebung der bisher gewährten Renten handelt, nämlich in der Form, daß die Renten für Schwerbeschädigte auf Kosten der Leichtbeschädigten garantiert werden sollen. Der Grundsatz, der hier zur Anwendung kommt, muß auf das schärfste zurückgewiesen werden. Diese Tatsache wird durch die Feststellung erhärtet, daß mit der Verabschiedung dieses Gesetzes die bisher gewährten zusätzlichen Wohlfahrtsunterstützungen in Wegfall kommen und damit die angeblichen Verbesserungen eindeutig zu Lasten der Kriegsbeschädigten mit einer Erwerbsminderung von 30 bis 40% gehen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat für das Haushaltsjahr 1950 den Bedarf für die Kriegsopferversorgung mit 2,68 Milliarden errechnet. Man versäumte allerdings, den Körperbeschädigten mitzuteilen, daß in dieser Summe von 2,68 Milliarden, die an sich als absolut unzureichend zu betrachten ist. auch noch die Verwaltungskosten in Höhe von 400 bis 500 Millionen DM enthalten sind. Bei einem den zu stellenden Anforderungen einigermaßen entsprechenden Versorgungsgesetz wird mindestens die Summe von 3,6 Milliarden Mark als notwendig erachtet, zu deren Aufbringung der Bund grundsätzlich verpflichtet ist. Nicht eine andere Verteilung der aufgewendeten Mittel verbürgt den Kriegsopfern Gerechtigkeit, sondern eine echte Erhöhung der in dem Gesetz festgelegten unzulänglichen Renten.
Sehr bedenklich und in ihrer sozialen Auswirkung noch gar nicht abzusehen ist die im Gesetz festgelegte Grundrente an alle 30- bis 40 %ig Erwerbsgeminderten, die man fälschlicherweise als Leichtbeschädigte bezeichnet und die vom Bezug der Ausgleichsrente ausgeschlossen sind. Sie erhalten eine Grundrente von 10 bis 15 Mark und sind bei unverminderter Not auch weiterhin darauf angewiesen, die öffentliche Fürsorge in Anspruch zu nehmen.
Wenn man einmal den Kreis der hiervon Betroffenen betrachtet, muß man feststellen, daß als Leichtbeschädigte im Sinne dieses Gesetzes alle gelten, denen die Finger und Zehen amputiert sind, die an Lähmungen und den verschiedensten Störungen des Nervensystems leiden, daß selbst Unterschenkelamputierte darunterfallen, die nach der Formel des „Sichdarangewöhnens" beurteilt werden. Die Zahl der davon Betroffenen beträgt ca. 45 % aller Anspruchsberechtigten. Es ist ganz selbstverständlich, daß die Anwendung dieses unsozialen Versorgungsgesetzes eine Nachuntersuchungswelle mit all ihren Begleiterscheinungen auslösen wird, die wir aus der Vergangenheit als sogenannte Rentenquetsche kennen.
Bedenklich erscheint uns in diesem Versorgungsgesetz weiter die Tatsache, daß die Krankenversorgung bei nicht versicherten Hinterbliebenen absolut unzulänglich geregelt und an den Bezug der Ausgleichsrente gebunden ist. Damit wird ein großer Kreis der ärztlichen Betreuung und Behandlung verlustig gehen und in unmittelbare Not geraten.
Direkt unverständlich erscheint uns bei diesem neuen Gesetz die Bestimmung, daß die Lehrvergütung auf die Ausgleichsrente angerechnet wird. Das hat logischerweise die Konsequenz, daß damit vielfach der Verlust der Ausgleichsrente verbunden ist.
Wenn wir uns einmal in aller Nüchternheit den Katalog derjenigen ansehen, die nach diesem Gesetz Ausgleichsrente erhalten, müssen wir feststellen, daß dazu alle sogenannten Leichtbeschädigten, alle Schwerbeschädigten, die 70 % beschädigt sind und Invaliden- oder Angestelltenversicherungsrente von 80 oder 90 Mark beziehen, alle pensionierten Beamten, die Landwirte, Gewerbetreibenden, Besitzer eines Häuschens und alle Lohn- und Gehaltsempfänger gehören, die voll in einem Arbeitsverhältnis stehen.
Nach dem Gesetz ist der allgemeine Freibetrag auf ein Drittel bis ein Fünftel des bisherigen Betrags gekürzt, und die Anrechnung von 75 % beträgt bei Verdiensten über den Freibetrag hinaus das Doppelte. Der arbeitende Schwerbeschädigte wird bei dieser Methode der Gewährung einer Ausgleichsrente also direkt bestraft. Wie kann man einem Schwerbeschädigten zumuten, entsprechend seinen geistigen Fähigkeiten und körperlichen Möglichkeiten zu arbeiten, wenn er bei einem Verdienst von über 100 Mark statt einer Mark Tariflohn nur 35 Pfennig erhält!
Wenn man die Ablehnung der gestellten Forderungen mit dem Fehlen der Mittel begründet, so muß ich demgegenüber zitieren, was ,einmal der Herr Arbeitsminister Storch gesagt hat, der das Wort prägte: Sozialreform geht vor Steuerreform. Sollten also die Haushaltsmittel nicht ausreichen, so daß man die notwendigen 3,6 Milliarden DM nicht zur Verfügung stellen kann, so muß eben das auf Initiative des Herrn Bundesfinanzministers verabschiedete Finanzgesetz einer Revision unterzogen werden. Mit deklaratorischen Bestimmungen ist den Körperbeschädigten nicht geholfen.

(Zuruf von der Mitte: Aber mit Reden?)

Wir haben in diesem Hause nicht nur einmal, sondern mehrmals — in den Diskussionen, die sich um die Frage der Versorgung der Körperbeschädigten drehten — festgestellt, daß ein fauler Wechsel auf die Zukunft ausgestellt wird. Dieser faule Wechsel liegt Ihnen heute zur Einlösung vor. Wenn der vom Nationalsozialismus geborene Gedanke, daß die Kriegsbeschädigten, die noch im Erwerbsleben stehen, keinen Anspruch auf nennenswerte Rentenleistungen haben, in diesem Gesetz im Prinzip verwirklicht worden ist, so zeigt das den wahren „sozialen" Inhalt des Gesetzes.
Die kommunistische Fraktion stellt als primäre Forderung das Verlangen nach Sicherung einer Vollrente in Höhe von mindestens 1800 Mark. Damit wäre auch den Vollerwerbsbeschränkten die Möglichkeit gegeben, ihren Lebensunterhalt und ihre sonstigen Bedürfnisse kultureller und anderer Art und den aus ihren Beschädigungen resultierenden Mehraufwand zu decken.
Die im Gesetz festgelegte Bestimmung über die Elternversorgung ist ein Hohn auf das primitivste Rechtsgefühl und zwar nicht nur in bezug auf die Rentensätze, sondern auch im Hinblick auf die lächerlich niedrigen Einkommensgrenzen, die das Gesetz festlegt.
Wir sind uns darüber im klaren, daß bei der hier herrschenden Regierungsmehrheit — und meine verehrte Vorrednerin hat das sehr deutlich zum


(Kohl [Stuttgart])

Ausdruck gebracht, indem sie sagte, daß die Körperbeschädigten dieses Gesetz begrüßen sollten - mit einer Verbesserung dieses Gesetzes auch im Ausschuß kaum zu rechnen sein wird. Wir sind aber auch der Überzeugung, daß sich die Körperbeschädigten mit diesem Gesetz nicht zufriedengeben werden. Seien Sie versichert, meine Damen und Herren: der Marsch der Körperbeschädigten nach Bonn ist nicht aufgehoben, sondern nur aufgeschoben; er wird kommen!

(Zuruf von der Mitte: Organisieren Sie ihn? — Zuruf rechts: Er wird von euch angeführt!)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108407900
Das Wort hat Herr Abgeordneter Volkholz.
Volkholz (BP); Meine Damen und Herren! Das sehnsüchtig erwartete Kriegsopferversorgungsgesetz wurde uns heute vorgelegt. Leider entspricht es nicht in allen Punkten den Erwartungen der Kriegsbeschädigten. Ob das Gesetz wirklich gut ist, hat letzten Endes nicht der Gesetzgeber, sondern der Personenkreis festzustellen, den es betrifft.

(Sehr richtig! bei der BP.)

Es ist erfreulich festzustellen, daß sich fast alle Parteien bemühen, die einzelnen Mängel zu beheben und durch Zusatzanträge aufzuheben. Wir möchten aber bemerken, daß derartige Anträge von seiten der KPD abgelehnt werden müssen, weil diese Herren die Renten der Ostzone vorher studieren sollten.

(Sehr gut! bei der SPD. — Zuruf von der KPD. — Abg. Spies: Aber wahr ist es!)

Es wäre auch sehr gut, die formalistischen Angelegenheiten der Ostzone zu studieren,

(Zuruf von der KPD: Du hast ja keine Ahnung!)

bei denen nicht einmal ein Rentenbescheid angefochten werden kann, sondern bereits bei Bekanntgabe als endgültig angesehen werden muß.

(Sehr wahr! rechts.)

Es ist aber trotzdem ein gutes Zeichen, und man kann annehmen, daß die Erkenntnis gesiegt hat, wenn sämtliche Parteien darüber übereinstimmen, daß für die besten und anständigsten Söhne unseres Vaterlandes auch am meisten gesorgt werden muß. Wenn ein Staat, ganz gleich welcher politischen Konzeption, seine Männer zwingt, mit der Waffe für seine Interessen einzutreten, dann ist der Staat, wenn er auch politisch anders eingestellt ist, verpflichtet, für die Opfer hinreichend zu sorgen. Die größte Schande eines Volkes wäre, seine tapferen, vorher vielgerühmten Soldaten mit einer Drehorgel betteln gehen zu lassen. Der Soldat darf nicht zum Sündenbock der Politik gemacht werden.
Aus diesem Grunde ist der Kampf um ein gerechtes Versorgungsgesetz der Kampf einer Generation, die die politischen Fehler der Nazizeit und der Leute von 1933 mit Blut und Gesundheit bezahlen mußte. Unsere Soldaten mußten in den Krieg; sie mußten Soldat werden, und dies kann sich vielleicht in der Geschichte noch wiederholen.

(Zuruf von der KPD: Aha!)

Deshalb muß der Beschädigte auch versorgt werden.
Das vorliegende Bundesgesetz hat einen Schönheitsfehler und macht den Eindruck, als wenn es sich nicht um Recht, sondern um ein Ermessungsgesetz handeln würde.

(Zuruf links.)

Die Wörter „kann", „können" und „sollen" sind deshalb aus dem Versorgungsgesetz grundsätzlich zu streichen und durch das Wort „muß" zu ersetzen.

(Zuruf links: O wei, o wei!)

Der Kriegsbeschädigte darf auf keinen Fall einer unberechenbaren Bürokratie ausgeliefert werden. Wenn dies nicht beachtet wird, so machen wir hier kein Gesetz, sondern nur eine Anleitung. Wir werden unsere Abänderungsanträge im Ausschuß für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen unterbreiten, und wir werden sie in den weiterer Lesungen vorbringen.
Einige grundlegende Punkte möchte ich aber heute schon zur Beachtung ankündigen. Die §§ 28 und 33 müssen unbedingt dahingehend geändert werden, daß Frauen- und Kinderzuschläge zur Grundrente gewährt werden. Wenn wir diese Zuschläge nur zur Ausgleichsrente gewähren, so wird sich mancher Kriegsbeschädigte, der über 50 % eingestuft ist, überlegen, ob er sich noch um eine Arbeit bemühen soll oder nicht. Dazu muß aber dafür gesorgt werden, daß Kriegsbeschädigtenbetriebe aufgebaut und weitere Maßnahmen getroffen werden, damit die Kriegsbeschädigten auch in eine Arbeit kommen, die sie leisten können und die ihnen das Bewußtsein zurückgibt, daß sie keine unnützen Steuerfresser sind. § 77 muß erweitert werden auf Kapitalisierung von Renten auch zur Gründung von gewerblichen und wirtschaftlichen Existenzen. Der § 8 muß vollständig gestrichen werden. Man kann einen Kriegsbeschädigten, der sowieso schon seine Gesundheit geopfert hat, nicht noch wegen kleiner politischer Mängel zurücksetzen oder um seine Rente bringen.
Es darf auch nicht vorkommen, daß vielleicht die Angehörigen der Waffen-SS vom Bundesversorgungsgesetz ausgeschlossen werden. Es wurde zwar heute bereits durch den Herrn Minister erklärt, daß das nicht den Tatsachen entspreche. Es wurde aber heute morgen bekanntgegeben, daß ein derartiger Beschluß gefaßt worden wäre. Der § 50 darf keine Verschlechterung der Rente bringen. Gesetzliche Irreführungen müssen verhindert werden. Es darf nicht vorkommen, daß ein Gesetz den Witwen eine Rente von 20 bis 40 DM zugesteht, dann aber keine Mittel vorhanden sind. Die Mittelbereitstellung muß die Voraussetzung des Gesetzes sein, und hier müssen alle anderen Staatsausgaben zurückstehen. Wir bitten, in diesem Sinne auch die Ausführungsbestimmungen abzuändern.
Es herrscht die Tendenz und Meinung, daß 30 bis 40% Beschädigte überhaupt keine Rente erhalten sollen. Wir beantragen: Die Rente soll so hoch sein, daß für je ein Prozent Beschädigung 1 DM gegeben werden soll. Die meisten, die gegensätzlich denken, wissen nicht, welche Beschädigung notwendig ist, um beispielsweise auf 30% eingestuft zu werden. Ich lese einige Beispiele aus den Anhaltspunkten für die ärztliche Beurteilung vor; es steht u. a. darin z. B. Verlust eines Fußes ohne nennenswerte Verkürzung des Beins, aber immerhin Verlust eines Fußes 30 bis 50%, Lähmung des Ellbogennervs 20 bis 40%, Verlust eines Auges 30 bis 40 %. Sie sehen, daß erhebliche Beschädigungen vorhanden sein müssen, um überhaupt 30 % zu bekommen. Deshalb ist es abzulehnen, wenn beabsichtigt werden sollte, die Renten über 50% auf Kosten derjenigen unter 50% zu erhöhen oder sie auf diese Weise sicherzustellen.


(Volkholz)

Wenn wir den Beschädigten von 30 bis 400/o keine Renten geben wollen, dann müssen die Dienstanweisungen und Anhaltspunkte der Vertrauensärzte geändert werden.
Im übrigen kann behauptet werden, daß das beste Versorgungsgesetz nichts nützt, wenn die Vertrauensärzte bei Nachuntersuchungen die Beschädigten wieder zurückstufen. Die Nachuntersuchungen, die sich meistens aus den Gesetzen ergeben und wahrscheinlich auch wieder eintreten werden, sind ein besonderes Kapitel und müssen bei den Beratungen des Bundesversorgungsgesetzes in Erwägung gezogen werden. Es muß verhindert werden, daß unsere Kriegsbeschädigten, bevor sie eine Rente erhalten, fast unmenschlichen Quälereien von manchen Ärzten, die ihre Praxis der Militärzeit jetzt als Vertrauensärzte weiterverfolgen, ausgesetzt werden.

(Zuruf von der KPD: Hier im Westen!)

Wir werden bei den nächsten Beratungen Beispiele bringen, daß sich den Mitgliedern dieses Hohen Hauses wahrscheinlich die Haare sträuben werden. Der Vertrauensarzt in der heutigen Form muß deshalb verschwinden. Der Kriegsbeschädigte soll freie Arztwahl erhalten. Er soll nicht zu einem beamteten Arzt gezwungen werden, der ihn im letzten Krieg bereits vielleicht kv geschrieben hat; auch solche Fälle sind bekanntgeworden.
In diesem Sinne setzen wir uns mit unseren Anträgen für die menschlichen Rechte unserer Kriegsbeschädigten ein. Wir bitten das Hohe Haus, uns dabei zu unterstützen. Wenn in den nächsten Tagen die Gespräche über die Europa-Politik und eventuell über eine aktive Beteiligung der Bundesrepublik an der Verteidigung des Westens beginnen, dann sollte beachtet werden, daß es keinem jungen Manne zugemutet werden kann, seine gesunden Knochen für die Freiheit des Westens zu riskieren, wenn er dann in dieser Freiheit einem kümmerlichen Dasein preisgegeben wird. Sollte der Bundestag unseren Anträgen, d. h. den Forderungen der Kriegsbeschädigten zu diesem Gesetz nicht zustimmen, so werden wir beantragen, das Gesetz überhaupt abzulehnen und dafür das alte Reichsversorgungsgesetz wieder in Kraft zu setzen. Die Kriegsbeschädigten, die Witwen und Waisen wissen, daß sie keine ungerechten Forderungen erheben dürfen. Aber sie wollen auch kein Almosen, sondern eine gerechte Versorgung. Ein ehrenvoller Staat wird diesen Anspruch auch erfüllen.

(Beifall rechts.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108408000
Das Wort hat Herr Abgeordneter Mende.

Dr. Erich Mende (CDU):
Rede ID: ID0108408100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, der bisherige Verlauf der Debatte hat doch gezeigt, daß der Ältestenrat sehr schlecht beraten war, als er dieses eminent wichtige und von der Öffentlichkeit so sehr beachtete Gesetz an das Ende der heutigen Tagesordnung setzte

(Beifall rechts und bei der WAV)

und diese dreistündige Debatte somit nicht in der Würde erwächst, die dieses Gesetz an sich erfordert.

(Abg. Loritz: Sehr gut!)

Aber, meine Damen und Herren, darüber haben
schon einige meiner Herren Vorredner gesprochen.
Ich möchte noch auf einen zweiten Mangel aufmerksam machen. Ein bekannter Staatsrechtler hat
einmal gesagt: Das Wesen des Parlaments und die geistige Grundlage des Parlamentarismus ist jener diskursive Vorgang von Rede und Gegenrede, aus denen sich dann schließlich die richtige Meinung als Resultat ergibt.

(Abg. Loritz: So sollte es sein!)

Darum das Institut der parlamentarischen Redefreiheit, das Institut der Immunität und auch das Institut des § 86 unserer Geschäftsordnung — und fast aller Geschäftsordnungen der demokratischen Länder —, in dem es heißt, daß die Abgeordneten in freiem Vortrag zu den Dingen Stellung nehmen.

(Lebhafter Beifall.)

Ich muß sagen, daß jene Art der Vorlesungen, wie sie zum Teil hier gehalten worden sind, wider die geistige Grundlage des Parlamentarismus ist.

(Erneuter Beifall und lebhafte Zurufe: Sehr gut!)

Denn es ist kein diskursiver Vorgang in dieser Debatte zu erkennen. Ich habe leider keinen Redner gehört, der auf seine Vorredner und deren Argumente einging, woraus sich eben die richtige Meinung bei diesem Prozeß der Auseinandersetzung ergeben sollte. Auch hier scheint mir, daß in Zukunft eine straffere Anwendung des § 86 der Geschäftsordnung im Geschäftsordnungsausschuß und im Ältestenrat doch einmal ventiliert werden müßte.
Meine Damen und Herren, es soll heute dieses wichtige Gesetz in der ersten Lesung generell besprochen werden. Über die Vorgeschichte ist schon berichtet worden. Aber ich glaube, man darf nicht vergessen, daß im Jahre 1946 bei der Zerschlagung der Kriegsopferversorgung auch deutsche politische Kräfte mit Pate gestanden oder Mithilfe geleistet haben, und, meine Damen und Herren, es sind eigenartigerweise zum Teil die gleichen Kräfte, die heute das Monopol und die alleinige Anwartschaft auf die Hilfe für die Kriegsopfer für sich in Anspruch nehmen.

(Beifall in der Mitte und rechts.)

Ich glaube, das ist im Lande gut genug bekannt, und die Kriegsopfer wissen am allerbesten, welche Politiker 1945 und 1946 Reden gehalten und Veröffentlichungen herausgegeben haben, von denen sie selber heute nichts mehr wissen möchten.

(Zuruf von der KPD.)

— Auch Ihnen, Herr Kollege Kohl, möchte ich nahelegen, einmal darüber nachzudenken, wie ihre Fraktion — Verzeihung, Sie sind es ja nicht mehr —,

(Heiterkeit)

wie Ihre Pseudo-Fraktion sich vor einigen Jahren zu dem Problem der Hilfe für die Kriegsopfer verhalten hat.
Die Verfassungsgrundlage dieses Bundesversorgungsgesetzes ist der Art. 74 Ziffer 10 unseres Grundgesetzes. Es ist ohne Zweifel beklagenswert, daß dieses Gesetz uns erst so spät vorgelegt wird, nachdem das Grundgesetz vorsah, daß der Bund ab 1. April 1950 alleiniger Träger der Kriegsopferversorgung werden würde. Aber ich muß hier doch bekennen, daß aus allen Fraktionen und insbesondere — da muß ich Herrn Kollegen Leddin beipflichten — aus dem Ausschuß für Kriegsopfer und Kriegsgefangenenfragen die etwas schwerfällige Maschinerie der Bürokratie immer wieder neu geölt wurde, damit sie heute endlich ans Ziel gelangte. Es haben also praktisch alle politischen Kräfte teil an dem Verdienst, daß wir dieses


(Mende)

Bundesversorgungsgesetz nun endlich in erster Lesung behandeln können.
Die Frage der Rechtsgrundlage ist auch in der Öffentlichkeit bestritten. Man glaubt, man müsse die Kriegsopferversorgung aus fürsorgerischen, moralischen und ethischen Gründen durchführen. Meine Damen und Herren, die Rechtsgrundlage der Kriegsopferversorgung ist der Schadensersatzanspruch, den die Schwerbeschädigten, die Hinterbliebenen, die Witwen und Waisen, an den Staat zu richten haben, und erst in zweiter Linie kommen dann die allgemeinen sozialfürsorgerischen, moralischen und ethischen Gesichtspunkte.
Ich muß Ihnen hier die erschütternden Zahlen bekanntgeben, weil ja Vergleiche mit der Regelung zum Beispiel in anderen Ländern gezogen werden. Ich erinnere an den eben genannten Streitpunkt, ob nun Kollege Bazille recht hat oder nicht. Ich will noch darauf zu sprechen kommen. Nach den Ausführungen des Bundesarbeitsministers ist ein Personenkreis von über vier Millionen Menschen zu versorgen. Darin sind 1 399 810 Schwerbeschädigte enthalten, von denen über dreiviertel Millionen — über 50 %! — beschädigt sind, also Amputationen und schwere körperliche Schäden zu beklagen haben; 626 000 Witwen, 1 200 000 Waisen, 59 000 Vollwaisen, 83 000 Elternteile und 36 000 Elternpaare. Hinzu kommen noch eine Dreiviertelmillion unerledigter Anträge, so daß die gewaltige Zahl von vier Millionen Anspruchsberechtigter schließlich zusammenkommt.
Wenn Sie einmal das Kriegsopferrecht der anderen Staaten — Englands, Amerikas, Belgiens, Frankreichs — vergleichen, dann muß man dem Kollegen Bazille objektiv recht geben. Denn es ist eine Regelung, die durchaus als vorbildlich angesehen werden kann, mit Ausnahme besonderer Bestimmungen des französischen Kriegsopferrechtes. Aber auch das französische Kriegsopferrecht könnte sich bei einer Viermillionenzahl diese Vergünstigungen nicht leisten, die es der jetzigen Zahl um 100 000 zugute kommen läßt.
Die materiellen Aufwendungen betragen dementsprechend nach diesem Gesetz 3 Milliarden 34 Millionen. Es ist hier die Zusage gehalten worden, die sowohl der Finanzminister als auch der Bundesarbeitsminister im Februar und März bei den Beratungen des Überbrückungsgesetzes gemacht haben, daß der gesamte Betrag nämlich die DreiMilliarden-Grenze überschreiten würde.
Nun lassen Sie mich einige grundsätzliche Einzelheiten zum Gesetz selbst sagen. Das Gesetz ist in seiner Systematik und in seinem Aufbau außerordentlich gut geworden. Die ersten Entwürfe waren nicht so, und ich muß hier bekennen, daß die Mitarbeit der Fraktionen dieses Hauses und auch die Mitarbeit der Organisationen der Kriegsopferbewegung mit dazu beigetragen hat, Ihnen nun diesen Entwurf hier in dieser Form vorlegen zu können.
Der Personenkreis ist sehr weit gefaßt. Es ist vorher gerade der Streit gewesen, ob die Angehörigen der Waffen-SS mit zu den Versorgungsberechtigten gehörten oder nicht. Dieser Streit beruht auf einem Mißverständnis. Der Bundesrat hat den Passus „Waffen-SS" gestrichen, weil er der richtigen Auffassung ist, daß die Waffen-SS als ein Teil der Gesamtwehrmacht ohnehin schon in die Rubrik der Versorgungsberechtigten fällt; und es ist bedauerlich, daß ein Pressechef dieses Gesetz scheinbar nicht so eingehend gelesen hat und dann diese falsche Orientierung der Öffentlichkeit erfolgt ist. Eine solche Behandlung eines Teiles der Wehrmacht wäre ja auch verfassungsrechtlich ein Verstoß gegen die Gleichheit aller vor dem Gesetz, rechtlich ein Verstoß gegen die Frage des individuellen Schuldnachweises. Denn die Kollektivschuldbegriffe Nürnberger Art sind noch nicht oder Gott sei Dank nicht in das deutsche Recht rezipiert worden; sondern es ist ein fundamentaler Grundsatz, daß die individuelle Schuld dem einzelnen nachgewiesen werden muß. Es wäre schließlich auch moralisch und ethisch untragbar und politisch gefährlich, hier eine Kampfgruppe gegen die Demokratie zu schaffen, indem man eine Gruppe der Verbitterten zurückläßt, die ja letzten Endes als Amputierte und Schwerbeschädigte nicht minder Anspruch auf Hilfe seitens der Gemeinschaft ihrer Mitbürger hatten als die andern auch.
Die Frage des § 8 muß in den Beratungen des Ausschusses geklärt werden; und ich muß heute schon sagen, in dieser Form, wie hier der § 8 gefaßt ist, werden wir ihm nicht zustimmen können. Es heißt darin, daß, soweit ein Anspruch auf Zahlung von Versorgungsbezügen wegen politischer Belastung nicht besteht, auch der Anspruch auf Geldleistungen nach diesem Gesetz entfällt. Meine Damen und Herren! Das würde eine Prolongierung der Entnazisierung mit schweren vermögensrechtlichen Folgen für die Angehörigen bedeuten.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Ich empfehle Ihnen, einmal in der heutigen Ausgabe der „Welt" den Aufsatz über die „Innere Kapitulation" zu lesen. Es ist unbestritten, daß das einzige Verdienst oder vielmehr der einzige Erfolg der Entnazisierung der ist, daß man sich in unserem Volk zur Demokratie nicht in dem Maße bekennt, wie man es an sich müßte, weil man nicht weiß, ob nicht auf die Entnazisierung des Jahres 1945 eines Tages die Entdemokratisierung kommen könnte.

(Zurufe von der SPD: O je! O je!)

Und da eine gewisse Gruppe der politischen Richtung von da drüben (zur KPD) noch versucht, immer wieder diese Angst, diesen Seelenterror noch jetzt mit ihren Organisationen in die Öffentlichkeit zu tragen, darum diese innere Kapitulation, von der die heutige Ausgabe der „Welt" schreibt. Ich glaube, wenn wir diesen Paragraphen so lassen, tun wir der Nationalen Front des Herrn Kohl einen guten Dienst und schaffen eine neue Gruppe, die letzten Endes nicht mit dem Staat geht, sondern gegen unsern demokratischen Staat angeht. Insofern muß dieser § 8 verschwinden; denn wie gesagt, selbst Herr Oberbürgermeister Henßler hat eines Tages in richtiger Erkenntnis im Düsseldorfer Landtag die Entnazisierung als das „liederlichste Werk der deutschen Nachkriegsgeschichte" bezeichnet.

(Sehr wahr! rechts.)

Meine Damen und Herren! Es ist dann noch die Frage der Einbeziehung Berlins hier angeklungen. Ich hoffe, daß wir staatsrechtlich und auch außenpolitisch in der Lage sind, Berlin einzubeziehen.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Denn Berlin kann keinen Sonderstatus in diesem Bundesversorgungsgesetz einnehmen. Also auch wir werden, soweit keine staatsrechtlichen oder außenpolitischen Bedenken dagegen stehen, der Einbeziehung Berlins in den Kreis der Versorgungsberechtigung zustimmen.


(Mende)

Eine sehr wichtige und in den Kriegsopferverbänden hart umstrittene Bestimmung ist die Frage der Freigrenze. Hier ist eine unglückliche Lösung gewählt. Wenn man 60 und mehr DM verdient, wird dieser Verdienst auf den Kriegsopferrentenbezug angerechnet. Das bedeutet volkswirtschaftlich, daß der Beschädigte entweder durch einen Abzug seiner Rente für seine Arbeit bestraft wird oder gezwungen ist, durch irgendwelche formellen Manipulationen zu versuchen, doch keine Abzüge auferlegt zu bekommen. Es kommt doch darauf an, aus diesem großen Kreis von vier Millionen Berechtigten so viel wie möglich für unsere Volkswirtschaft zu mobilisieren. Das kann man nicht, indem man eine solche engherzige Bestimmung schafft und indem man für Arbeit bestraft; sondern man kann es dadurch, daß man die Freigrenze so hoch wie nur irgend möglich ansetzt. Uns schwebt für den Ledigen ein Betrag von 200 DM und für den Verheirateten ein Betrag von 300 DM vor. Wir hoffen, daß das im Ausschuß und hier im Plenum durchzusetzen sein wird.
Ich darf zur Kapitalabfindung meine Kollegin Dr. Probst ergänzen. Diese Kapitalabfindung ist von den Verbänden sehr gewünscht und sehr begrüßt worden. Es wird sich vielleicht empfehlen, sie zu erweitern, indem man die jüngeren Witwen einbezieht, die durch eine Teil-Kapitalabfindung in die Lage versetzt werden können, eine Berufsausbildung nachzuholen.
Ich darf zum Schluß noch einige allgemeine Bemerkungen an Sie richten. Es ist eben hier von dem Herrn Kollegen Kohl mit dem Marsch der Kriegsopfer auf Bonn gedroht worden. Ich glaube, Herr Kollege Kohl, die Kriegsopfer legen am wenigsten Wert darauf, daß Sie sie zu diesem Marsch auffordern, sondern sie werden wissen, was sie zu tun und wie sie sich zu diesen Beratungen zu verhalten haben.
Wir haben leider jetzt in der Öffentlichkeit beobachten müssen, daß nach einer anfänglichen Zufriedenheit mit diesem Entwurf nunmehr in einem Rivalitätskampf der verschiedenen Kriegsopferverbände versucht wird, den Entwurf eben als nicht zufriedenstellend zu bezeichnen.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Die einzelnen Verbände überbieten sich nunmehr in Erhöhungsanträgen. Ich glaube, das führt am Ende nicht dazu, daß die Kriegsopfer davon einen Vorteil haben. Es ist daher zu wünschen, daß die Vertreter des VDK, des Reichsbundes, des Bundes der Kriegsbeschädigten, Hirnverletzten und Kriegsblinden Gelegenheit haben, im Ausschuß ihre Wünsche vorzubringen, und daß es dann zu dem endgültigen Gesetz in der dritten Lesung kommt, das für beide Teile vertretbar und zufriedenstellend ist.
Es wird sich auch noch empfehlen, das, was der Kriegsopferausschuß in Tübingen, in Bad Pyrmont und in München an erschütternden Bildern von Hirnverletzten, von Schwerstamputierten, von den Methoden, sie wieder in das Leben hineinzuführen, gesehen hat, möglichst einem großen Kreis, möglichst dem ganzen Parlament vorzuführen. Da wir im Zeitalter der Technik leben und wir auch die Technik in den Dienst unserer demokratischen Sache stellen sollten, empfehle ich dem Präsidium, doch zu überlegen, ob es möglich ist, einen vor Jahresfrist in den Landeskrankenanstalten Pyrmont gedrehten Film über die Frage der Kriegsopferversorgung der Schwerstamputierten, der Hirnverletzten vorzuführen, und zwar möglichst vor der zweiten oder dritten Lesung, damit der Ernst und die Bedeutung des Kriegsopferproblems allen unseren Kollegen wesentlich nachdrücklicher zum Bewußtsein gebracht werden kann, als das leider heute kurz vor 21 Uhr möglich war.

(Lebhafter Beifall bei der FDP und CDU.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108408200
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Löfflad.

Hans Löfflad (WAV):
Rede ID: ID0108408300
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Endlich liegt uns der Regierungsentwurf zur Versorgung der Kriegsopfer vor, nachdem bereits seit über einem Jahr der Antrag von der Sozialdemokratischen Partei gestellt worden ist. „Was lange währt, wird endlich gut", sollte man meinen. Wenn wir allerdings die Abänderungsanträge des Bundesrats betrachten, können wir feststellen, daß diese Anträge bereits den Wert des Gesetzes stark herabmindern. Es ist unmöglich, die dreißig- bis vierzigprozentig Beschädigten zu übergehen, da sie entsprechend ihrer Beschädigung auch Anspruch auf angemessene Renten haben. Ferner ist es untragbar, die Einkommensgrenze bei der Ausgleichsrente so niedrig anzusetzen, da das unserer Meinung nach den Tod der Arbeitsinitiative bedeuten würde. Jedoch halte ich es für überflüssig, bei dem guten Willen aller Parteien heute auf die Pferdefüße des Entwurfes näher einzugehen, in der Hoffnung, daß bei dem gleichen guten Willen im Ausschuß letzten Endes das Gesetz doch so gestaltet wird, wie es den Forderungen der Kriegsopfer wirklich entspricht. Allerdings wird auch die Regierung noch Zugeständnisse machen müssen. Denn es ist die moralische Pflicht eines Staates, die Opfer des Krieges menschlich und sozial zu versorgen. Der Herr Bundesfinanzminister erklärte ja selbst in seinen Versammlungen: Mein Herz gehört den Opfern des Krieges, und ein Staatsmann muß die Forderung dieser Opfer auch im Schlafe hören. Wollen wir hoffen, daß es nicht nur beim Herzen des Herrn Finanzministers bleibt, daß er auch seine Kasse mitspielen läßt.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Eine Wirtschaft, die in der Lage war, zwei Weltkriege zu finanzieren, muß auch in der Lage sein, die Entschädigung der Opfer dieser beiden Kriege zur finanzieren. Wenn das Kontrollratsgesetz Nr. 34 vom 20. August 1946 die alten Fürsorge- und Versorgungsgesetze mit der Begründung aufhob, der Militarismus würde dadurch wieder aufleben, so sind heute inzwischen die Zeiten andere geworden. Heute, da man bereits wieder von der Remilitarisierung und Wiederaufrüstung spricht und dieser Gedanke jetzt überall diskutiert wird, glaube ich, daß es eine berechtigte Forderung ist, daß zuerst die Opfer dieser beiden Weltkriege eine Rentenversorgung bekommen, die menschlich und sozial tragbar ist.

(Beifall bei der WAV.)

Wollen wir versuchen, dafür zu sorgen, daß dieses Gesetz jetzt schnellstens und endgültig verabschiedet wird. Wollen wir auch dafür sorgen, daß es letzten Endes nicht wieder so geht wie bei dem sogenannten Überbrückungsgesetz, daß nämlich, wenn das Gesetz zwar formal verabschiedet ist, die Durchführungsbestimmungen noch lange nicht erlassen sind und die versorgungsberechtigten Kriegsopfer noch lange warten müssen, bis sie in


(Löfflad)

den Genuß dieser neuen Rentensätze kommen! Ich kann mir allerdings noch nicht recht vorstellen, wie es sehr schnell gehen kann, da meiner Meinung nach, wie mir auch verschiedene Versorgungsämter mitteilten, sämtliche vier Millionen Rentenanträge nach Verabschiedung des Gesetzes neu überprüft und überarbeitet werden müssen. Es ist also leicht möglich, daß die armen Kriegsopfer mit ihrer großen Geduld, die sie bisher an den Tag gelegt haben, noch lange Monate warten müssen, bis sie endlich in den Genuß dieser Renten kommen. Doch bei dem guten Willen aller Parteien, der ja heute hier zum Ausdruck gekommen ist und auch, wie ich bestätigen muß, im Ausschuß für Kriegsopfer tatsächlich zum Ausdruck kam und weiterhin kommen wird, werden wir letzten Endes erreichen, daß die berechtigten Ansprüche dieser Menschen einer für uns alle annehmbaren Erfüllung zugeführt werden.

(Lebhafter Beifall bei der WAV.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108408400
Das Wort hat Herr Abgeordneter Arndgen.

Josef Arndgen (CDU):
Rede ID: ID0108408500
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer das heute dem Bundestag vorgelegte Gesetz kennt, muß feststellen, daß erhebliche Fortschritte zugunsten der Kriegsbeschädigten in Vorbereitung sind. Der größte Teil der Redner des heutigen Abends hat diese Tatsache auch anerkannt. Mit diesem Gesetzentwurf wird ein Mißstand beseitigt, der durch die alliierten Gesetze in den einzelnen Ländern im Jahre 1946 geschaffen wurde, nachdem schon im Jahre 1945 das altbewährte Reichsversorgungsgesetz zerschlagen worden war. Dieser Gesetzentwurf ist umso höher zu bewerten, als dieses Gesetz Rechtens werden soll, obwohl die soziale Belastung unseres Volkes einen Stand erreicht hat, der durch die Tatsache gekennzeichnet ist, daß heute auf zwei bis drei arbeitende Menschen ein Invalide kommt. Rechnet man noch diejenigen hinzu, die infolge des Krieges aus dem Erwerbsleben herausgekommen sind, dann werden heute von zwei im Arbeitsprozeß Stehenden drei Personen miternährt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn das deutsche Volk trotz dieser Belastung das Verantwortungsbewußtsein aufbringt, die Bestimmungen eines solchen Gesetzes durchzuführen, dann ist das hoch zu bewerten. Die von mir angedeuteten Ziffern sollen der Öffentlichkeit und der Welt zeigen, daß die deutsche Bevölkerung, getragen von hohem Verantwortungsgefühl, den vier Millionen Menschen, die nun einmal als Kriegsopfer vor uns stehen, eine sichere Existenz gewährleisten und über das Materielle hinaus eine gesunde demokratische Entwicklung unseres Volkskörpers fördern will. Gerade aus dem letzten Grund und auch im Interesse der Kriegsopfer ist zu wünschen, daß dieses Gesetz trotz der kritischen Ausführungen, die vorhin Herr Kollege Leddin gemacht hat, wenn nicht einstimmig, so doch mit einer großen Mehrheit, und zwar mit einer Mehrheit, die von rechts bis links geht, von diesem Hause verabschiedet wird. Herr Kollege Leddin, nach meinem Dafürhalten ist es nicht so, daß die gesamte Fraktion der SPD Ihren Standpunkt vertritt. Neben den Äußerungen Ihres Fraktionskollegen Bazille, die der Herr Arbeitsminister schon mitgeteilt hat, liegen Äußerungen von Mitgliedern Ihrer Fraktion vor, die in diesem Gesetzentwurf einen derartigen Fortschritt sehen, daß es eine Versündigung an den Kriegsopfern wäre, wenn dieses Gesetz in seiner jetzigen Struktur nicht verabschiedet werden sollte.

(Abg. Pohle: Kann man es nicht verbessern?)

— Mein sehr verehrter Herr Kollege Pohle, genau wie Ihre Fraktion hat auch unsere Fraktion in dem Gesetzentwurf eine Reihe von Mängeln gesehen. Meine Kollegin Dr. Probst ist bereits auf diese Mängel eingegangen. Es ist daher nicht notwendig, daß auch ich noch einmal auf diese Dinge eingehe. Trotz der Ausführungen des Herrn Kollegen Leddin bin ich der Auffassung, daß wir uns mit Ihnen, mit der Opposition zu einem Übereinkommen zusammenfinden werden, damit ein Gesetz geschaffen wird, mit dem die Kriegsopfer zufrieden sein können.

(Beifall bei der CDU.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108408600
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Leuchtgens.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0108408700
Meine Damen und Herren! Ich bin in einer besonders günstigen Lage, indem ich feststellen kann, daß wir mit der Einbringung dieses Versorgungsgesetzes in jeder Weise zufrieden sind.

(Bravo!)

Gerade ich, der ich wiederholt darauf hingearbeitet habe, daß im Haushalt möglichst gespart wird, kann mit Genugtuung sagen, daß hier die Regierung den richtigen Weg gefunden hat, um ihren Verpflichtungen gegenüber den Kriegsopfern gerecht zu werden.

(Zuruf von der KPD: Sie alter Pazifist!)

Denn wenn irgend jemand einen Anspruch auf sosialpolitische Unterstützung hat, wenn die Sozialpolitik an irgendeiner Stelle gerechtfertigt ist, so ist es gegenüber den Kriegsopfern am Platze. Sie wurden vom Staat gerufen, sie haben ihr Leben hingegeben für den Staat, für Volk und Vaterland, und deshalb müssen die Angehörigen derjenigen, die im Felde geblieben sind und draußen in fremder Erde oder auf dem Meeresgrund ruhen, versorgt werden. Das ist die höchste Pflicht, die der Staat überhaupt kennt. Diese Verpflichtung gilt namentlich für die Kriegsopfer selbst, die erheblichen Schaden an ihrem Körper oder an ihrem Geist erlitten haben. Wir müssen erst recht in vollem Umfange für sie sorgen. Das geschieht vorbildlich mit der Vorlage, die die Regierung vorgelegt hat. Wir freuen uns aus vollem Herzen, daß wir das feststellen können. Ich versage es mir, auf Einzelheiten einzugehen. Es sind heute schon so viele Einzelheiten vorgebracht worden, daß es wohl nicht nötig ist, diese Dinge zu wiederholen. Aber ich befinde mich auch in der angenehmen Lage, nun einmal etwas zu sagen, was keine Kritik bedeutet. Es ist heute so viel kritisiert worden, daß man eigentlich das Gefühl hat: man kritisiert etwas, um nicht unumwunden die Zustimmung zu einer Regierungsvorlage zu geben.

(Sehr richtig! rechts.)

Wir geben diese Zustimmung, obgleich auch wir der Meinung sind, daß im Ausschuß dieses oder jenes vielleicht noch verbessert werden kann. Im großen und ganzen aber darf ich feststellen, daß wir mit dieser Vorlage ehrlich zufrieden sind. Wir werden auch im Plenum, wenn wir in der zweiten und dritten Lesung darüber reden, noch dieses oder jenes zu sagen haben. Es ist eine angenehme Stunde, wenn man hier im Bundestag auch einmal volle Anerkennung zollen kann.

(Lebhafter Beifall.)



Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108408800
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

(Abg. Schoettle: Ich melde mich zum Wort! Die Redezeit ist nicht erschöpft!)

— Gut! Das Wort hat der Abgeordnete Schoettle.

Erwin Schoettle (SPD):
Rede ID: ID0108408900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedaure, daß die Debatte zum Teil in einen Ton verfallen ist, der der Sache nicht nützt. Ich will die Ursache nicht untersuchen. Aber wenn der Herr Bundesminister für Arbeit geglaubt hat, er müsse die sozialdemokratische Fraktion und ihren Vertreter, den Kollegen Leddin, andonnern, weil er ihn zitiert hat, so war er, glaube ich, auch nicht gut beraten. Der Herr Bundesminister wird zugeben müssen, daß die Presse ihn selber in einer Weise zitiert hat, die eben Anlaß dazu geben konnte, ihm zu sagen, er habe — ich will mich jetzt ganz vorsichtig ausdrücken — das Gesetz mindestens etwas überbewertet. Wenn ich hier in der „Welt" vom Donnerstag, dem 27. Juli, lese, daß Herr Bundesminister Storch gesagt habe, dieses Gesetz sei eine soziale Tat, die in der ganzen Welt als vorbildlich gelten dürfe, so war doch das, was der Herr Kollege Leddin gesagt hat, sicher keine Übertreibung, die diesen Anranzer rechtfertigt.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Wenn man also Wert auf die Mitarbeit der sozialdemokratischen Fraktion legt, sollte man hier auf der Regierungsbank nicht sofort hochgehen, als wenn man gestochen wäre, sondern sollte sich auch schon mal etwas gefallen lassen. Man läßt sich ja auch von der eigenen Fraktion gelegentlich etwas gefallen. Wenn der Opposition nicht recht sein soll, was Ihren eigenen Parteien billig ist, dann weiß ich nicht, warum man von der Zusammenarbeit der Regierungskoalition mit der Opposition überhaupt noch redet. Das zu diesem Punkt.
Im übrigen möchte ich eine Bemerkung machen, damit gar kein Mißverständnis besteht. Frau Kollegin Probst, Sie haben den Anfang damit gemacht, den Herrn Kollegen Bazille als einen Kronzeugen für die Güte des Gesetzes zu zitieren. Der Herr Arbeitsminister hat ihn ebenfalls zitiert. Ich sage Ihnen in aller Form: Der Herr Kollege Bazille, der als Vertreter einer Kriegsbeschädigten-Organisation, nicht im Auftrage der sozialdemokratischen Fraktion, an Besprechungen mit dem Ministerium teilgenommen hat, hat die sozialdemokratische Fraktion für die Arbeit im Ausschuß in keiner
Weise binden können; und wir behalten uns genau das vor, was der Kollege Arndgen und die Frau Kollegin Probst in ihren Diskussionsreden gesagt haben. Wir werden da, wo wir Kritik zu üben haben, Kritik üben und werden versuchen, das Gesetz besser zu machen, als es jetzt ist.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Hermann Schäfer (FDP):
Rede ID: ID0108409000
Meine Damen und Herren, jetzt liegen wirklich keine Wortmeldungen mehr vor.

(Heiterkeit.)

Die Aussprache ist damit geschlossen.
Es liegt der Antrag vor, die Vorlage dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen zu überweisen.

(Zuruf: Und Haushaltsausschuß! — Abg. Dr. Dorls: Ich bezweifle die Beschlußfähigkeit des Hauses! — Große Unruhe. — Pultdeckelklappen. Glocke des Präsidenten. Zuruf von der CDU: Ich bitte, zur Abstimmung zu läuten!)

Meine Damen und Herren, es ist die Beschlußfähigkeit des Hauses bezweifelt worden.

(Zuruf von der CDU: Von jemandem, der nie da ist!)

Ich unterbreche die Sitzung für einige Minuten. Wir werden dann abstimmen.

(Pause.)

Meine Damen und Herren, ich bitte, Platz zu nehmen. In Übereinstimmung mit den Schriftführern stelle ich die Beschlußfähigkeit des Hauses fest.

(Allseitiger lebhafter Beifall.)

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag auf Überweisung der Vorlage an den Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. Der Antrag ist einstimmig angenommen.

(Widerspruch des Abg. Dr. Richter [Niedersachsen].)

— Also gegen eine Stimme angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich berufe die nächste Sitzung, die 85. Sitzung des Deutschen Bundestages, auf Donnerstag, den 14. September 1950, 14 Uhr 30. Die Sitzung ist geschlossen.