Rede von
Hellmut
Kalbitzer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Wir können dieses Thema hier nur kurz behandeln, aber es ist doch zu wichtig, als daß wir ohne eine kurze Aussprache darüber zur Tagesordnung übergehen können.
Was die Bitte des Herrn Finanzministers angeht, den Gesetzentwurf an den Ausschuß zu überweisen und ihn rechtzeitig, bis zum Verhandlungsbeginn in Torquay, als Gesetz zu verabschieden, so muß ich sagen: das ist unmöglich, weil der Umfang des Materials dies rein zeitlich auf keinen Fall zulässt. Ich muß darauf hinweisen, daß der Außenhandelsausschuß in seiner Gesamtheit im Januar oder Februar dieses Jahres das Finanzministerium darauf hingewiesen hat, daß man, wenn man auf eine beschleunigte Erledigung drängt, bevor die Sache im Plenum und dann nach Schema F abgehandelt wird, wie es jetzt vor sich geht, den Außenhandelsausschuß rechtzeitig wird einschalten müssen. Das ist nicht geschehen. Das liegt im Ermessen der Regierung. Aber sie kann jetzt nicht verlangen, daß wir Hals über Kopf eine Sache erledigen, zu der auch die Regierung und das Ministerium beinahe ein Jahr lang gebraucht haben. Mir scheint, es wäre auch von seiten des Auslandes, unserer Partner in Torquay, unbillig, solches von uns zu verlangen; deshalb schon, weil Deutschland hier aus Neuem, aus dem Nichts heraus schöpfen muß und dazu noch gegenüber dem Ausland durch die Hohe Kommission in der Behandlung dieses Themas gehandikapt ist. Ich glaube, daß man mit gutem Gewissen nach Torquay gehen kann, wohl mit einer allgemeinen Stellungnahme des Parlaments zu diesen Fragen, aber nicht mit einem fertigen Gesetz.
Nun einiges zu den Tarifsätzen selber, die natürlich hier nicht im einzelnen, sondern nur in einem groben Überblick behandelt werden können. Mir scheint, daß die Agrarzölle in diesem Gesetzentwurf im Durchschnitt und im allgemeinen überhöht sind. Wir Sozialdemokraten möchten darauf hinweisen, daß die Landwirtschaft nicht durch Schutzzölle geschützt werden kann, sondern daß, wenn die Landwirtschaft einen Schutz gebraucht, sie diesen durch direkte Unterstützung zur Rationalisierung ihrer Betriebsführung erhalten muß. Es geht nicht an, daß der Verbraucher auf die Dauer die Landwirtschaft durch überhöhte Zölle subventioniert. Von allen übrigen Zöllen haben wir, im Durchschnitt gesehen, den Eindruck, daß das Zollniveau im Verhältnis zu den ausländischen Tarifen, wie auch der Herr Finanzminister ausgeführt hat, den Notwendigkeiten entspricht.
In diesem Zusammenhang muß betont werden, daß die Liberalisierung des Handels auf die Dauer nur dann erfolgreich sein kann, wenn ein allgemeiner und internationaler Zollabbau erfolgt. Wir erwarten und erhoffen von Torquay, daß dieser internationale Abbau der Zollschranken durchgeführt wird, und zwar auf der Grundlage unbedingter Gegenseitigkeit. Das ist die Voraussetzung dafür, um die in Europa angebahnte Politik der Liberalisierung, d. h. der Intensivierung des Handelsaustauschs, auf die Dauer erfolgreich durchführen zu können. Man muß allerdings in dieser Hinsicht die Regierung vor Vorleistungen warnen. Es geht nicht an, daß wir bei den Verhandlungen in Torquay mit unseren Zollsätzen im Vertrauen darauf heruntergehen, daß die anderen nachkommen werden. Die Gegenseitigkeit muß bei solchen Verhandlungen, wenn sie wirklich Verhandlungen und keine Diktate sein sollen, gewahrt werden.
Alle noch strittigen Einzelpositionen sollte man im Ausschuß besprechen. Ich schlage ebenfalls vor, den Gesetzentwurf dem Außenhandelsausschuß als federführendem Ausschuß sowie dem wirtschaftspolitischen Ausschuß zu überweisen.