Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Soeben wurde davon gesprochen, daß dieser Gesetzentwurf als eine „Arbeitsunterlage" betrachtet werden könne. Wir halten dies für die äußerste „Qualifikation", die man diesem Gesetzentwurf überhaupt geben könnte. Ich möchte darauf hinweisen, daß in ihm so, wie er uns vorliegt, mancherlei Dinge enthalten sind, die viel mehr auf eine systematische Zerrüttung der Fundamente hinauslaufen können, auf denen der Staat im Augenblick neu aufgebaut werden soll.
Alle Gruppen, die versorgt werden sollen, stützen sich auf einen Rechtsanspruch, und alle diese Gruppen haben, wie wir sagen müssen, durchaus wohlerworbene Rechte. Wir möchten darauf hinweisen, daß in unendlich vielen Rechtsgutachten immer wieder darauf hingewiesen worden ist,daß es sich hierbei um Rechte handelt, die weder durch Landesgesetz noch durch einfaches Bundesgesetz, sondern nur durch verfassungänderndes Bundesgesetz geschmälert werden können. Darüber hinaus wird in all diesen Gutachten immer wieder die Frage verneint, ob die rechtliche Beurteilung eine Änderung erfährt, wenn der Staat aus Mangel an Mitteln nicht mehr in der Lage ist, seinen Verpflichtungen gegenüber seinen Staatsdienern nachzukommen. Das Bundeskabinett hat diese Grundthese von der Unverletzlichkeit der wohlerworbenen vermögensrechtlichen Ansprüche der Staatsdiener in seinem Entwurf zu dem Gesetz gemäß Art. 131 geflissentlich übersehen, und anscheinend deshalb, weil man meint, daß den Finanzen größere Rücksicht geschuldet werde als dem Recht. Wir meinen, daß die Bundesregierung, wenn sie wirklich auf diesem Standpunkt steht, dann den Anspruch verliert, sich als die Regierung eines Rechtsstaates zu bezeichnen. Wir sind der Auffassung, daß das Recht unter gar keinen Umständen Objekt des Geldes werden darf.
Wenn hier davon gesprochen worden ist, ob der Bund der Rechtsnachfolger des Reiches sei, so können wir diesen Punkt ganz klar bejahen, wie es ja auch die Alliierten in staatsrechtlicher Hinsicht tun. Sie erklären immer wieder, daß der deutsche Staat nicht untergegangen sei, sondern daß lediglich eine Organisationsänderung vorgenommen worden sei. Ergo hat der jetzige Bund für die Ansprüche dieser Personen zu sorgen.
Die Unterbringungspflicht gegenüber den verdrängten Beamten würde sich schon wesentlich leichter lösen lassen, wenn man in dem unseres Erachtens völlig überalterten Beamtenapparat grundlegend Wandel schaffen würde. Es gibt zahllose tüchtige ostverdrängte Beamte! Und wenn man diejenigen, die über 65 Jahre alt sind, heraustun würde, wenn man vielleicht zwei Jahre vorher pensionieren würde, dann würden auch dadurch schon erhebliche Plätze frei werden.
Wir sind auch der Auffassung, daß sich innerhalb der Behörden allgemein unendlich viele Elemente eingeschlichen haben, die vorher mit Verwaltung und Beamtentum wenig bzw. gar nichts zu tun gehabt haben und die bei einer Prüfung auf ihre sachlichen Fähigkeiten hin zu einem sehr erheblichen Maße wegen Unfähigkeit aussortiert werden müßten und durch andere qualifiziertere Kräfte ersetzt werden könnten. Ich möchte auf die Ausführungen, die der Kollege Wackerzapp vorhin hinsichtlich der ostvertriebenen Beamten machte, noch einmal hinweisen und sie durchaus unterstreichen.
Was die Wehrmachtsangehörigen anlangt, so auch hierzu ein kurzes Wort! Es ist doch merkwürdig, daß man in dem Augenblick, wo man wieder anfängt, davon zu reden, daß man diese Menschen bräuchte, und zwar um wieder zu schießen bzw. sich auf Schießen vorzubereiten, jetzt noch kurz vor Toresschluß diesen Menschen, ich möchte sagen, mit dem Stiefel quer vor den Bauch tritt; denn darauf läuft das, was dieser Gruppe gegenüber hier geschehen ist, hinaus. Wir stimmen — oder zumindest ich für meine Person — mit der Ablehnung des Bundesinnenmini-
sters, die dieser der Remilitarisierung entgegenbringt, absolut und völlig überein, und wir werden das auch in der nächsten Woche hier sagen. Es ist unsere grundsätzliche Negation einer solchen Remilitarisierung, die wir hier bringen werden. Das soll uns aber nicht hindern, sondern uns vielmehr befeuern, daß nun für die Versorgung dieser Menschen, die nicht mehr Soldaten sein sollten, etwas mehr getan wird, als das heute der Fall ist.
Wir wollen ganz besonders noch auf die Unteroffiziere hinweisen, die bisher von Arbeitsämtern und Behörden, was ihren Anspruch oder ihre Bitte auf Unterbringung anlangt, so sehr schlecht behandelt worden sind und die in Zukunft doch anders herangezogen werden sollen.
Daß die Menschen, die hier um eine Versorgung den Staat angehen, weniger eine Versorgung haben wollen als eine Arbeit, um sich als nützliche Staatsdiener zu betätigen, das ist das Wesentliche!
Und darauf möchte ich auch noch hinweisen: Wir sind der Meinung, daß der Reichsarbeitsdienst nicht so betrachtet werden kann, wie das hier in den bisherigen Ausführungen zum Ausdruck kam. Er war keine Einrichtung der NSDAP.
— Einen Augenblick, ich werde Sie sofort widerlegen! Bereits im Jahre 1931 wurde der Arbeitsdienst mit einem Staatskommissar für den Arbeitsdienst in eine staatliche Regie übernommen. Das System wurde lediglich später etwas verändert.
Meine Damen und Herren! Wenn der Herr Bundesinnenminister von einer „gestaltenden Regelung" sprach, die die 131er, wie sie genannt werden, beanspruchen, so glauben wir, daß die fehlenden Mittel nicht dadurch herangezogen werden sollten, daß man die eine oder andere Berufsgruppe zu Lasten ihrer Kollegen — wie das auch bereits mehrfach gesagt wurde — heranzieht. Diese Gelder müssen aus allgemeinen Mitteln des Haushalts bereitgestellt werden, und zwar dadurch, daß man die Ausgaben dieses Staates — an diesem Tatbestand wird von fast allen Seiten des Hauses Kritik geübt — auf ein Maß zurückschraubt, das der heutigen Notlage entspricht. In dieser Beziehung — darüber wird der Haushaltsausschuß einiges sagen können — ist es in mancherlei Hinsicht bei den Maßnahmen der Regierung sehr, sehr im argen.
Meine Damen und Herren, wir hoffen, daß in den Beratungen des Ausschusses alle die Gesichtspunkte zum Tragen gebracht werden können, die heute hier nur andeutungsweise erwähnt werden konnten. Wir wollen uns in jedem Falle vorbehalten, bei der zweiten Lesung des Gesetzes die Abänderungsanträge einzubringen, die zu diesem Gesetzentwurf, den die Regierung uns vorgelegt hat, unbedingt eingebracht werden müssen.