Rede von
Dr.
Helmut
Bertram
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorgelegte Entwurf eines Zolltarifgesetzes ist recht unvollständig. In einer Anmerkung zur Drucksache Nr. 1294 ist zwar der Zolltarif mit der Liste der sachlichen Änderungen gegenüber dem vom Bundeskabinett vorläufig genehmigten Entwurf sowie die Begründung zum Gesetzentwurf als Sonderdruck angekündigt. Diese Ankündigung, so sollte man meinen, müßte zur ersten Beratung des Gesetzentwurfs spätestens verwirklicht sein. Dies ist jedoch nicht der Fall. Die entsprechenden Unterlagen sind auch mir im Entwurf trotz Bemühungen nicht zugänglich gewesen. Sie befinden sich in Berlin im Druck und werden frühestens am Samstag in einigen Exemplaren hier vorliegen. Es ist die Frage, ob unter diesen Umständen mit der ersten Beratung eines so umfangreichen und bedeutungsvollen Gesetzentwurfs hier überhaupt wirksam begonnen werden kann. Ich bin der Ansicht, eine solche Beratung ist doch tatsächlich nur eine Scheinberatung, wenn uns nicht die kompletten Unterlagen hier vorliegen. Der Außenhandelsausschuß hat sich wiederholt mit dem Zolltarif beschäftigen wollen. Er hat in den Sitzungen von Januar und Februar 1950 mehrfach betont, daß er beizeiten in die Mitarbeit eintreten wolle. Der Bundeswirtschaftsminister hat am 26. Januar 1950 eine entsprechende Zusage erteilt. Trotzdem ist es nicht möglich gewesen, dem Außenhandelsausschuß die Unterlagen rechtzeitig zugänglich zu machen. Es war uns versprochen worden, uns zwischen der zweiten und dritten Lesung das Zolltarifschema zugänglich zu machen. Erst Ende April, nach der dritten Lesung im Zolltarifausschuß, wurde diese Zusage verwirklicht, zu einem Zeitpunkt, als dieses Zolltarifschema den ausländischen Vertragsstaaten bereits zugänglich gemacht worden war. Das Zolltarifschema ist also an die ausländischen Vertragsstaaten herausgegangen, bevor die deutschen parlamentarischen Instanzen sich damit beschäftigen konnten. Durch die Übergabe des endgültigen Entwurfs war praktisch eine Präjudizierung unseres deutschen Standpunktes dem Ausland gegenüber erfolgt. Auf der Basis dieses Entwurfs wird jetzt laufend verhandelt, ohne daß wir uns dazu haben äußern können.
Es ist wohl unzweifelhaft, daß das Zolltarifgesetz der Zustimmung des Bundestags bedarf. Wir brauchen hier nicht auf die Streitfrage einzu-
gehen, ob sämtliche Außenhandelsverträge der Zustimmung des Bundestags bedürfen oder nicht. Nicht einmal in diesem Fall unzweifelhafter Zuständigkeit ist entgegen den Zusagen des Wirtschaftsministers der Bundestag rechtzeitig beteiligt worden. Jetzt verlangt man von uns, daß wir, obwohl noch nicht einmal die Unterlagen zur ersten Lesung hier parat sind und frühestens am Samstag vorliegen können, der Regierung helfen, daß dieses entscheidende Gesetz in wenigen Wochen, bis Ende September über die Bühne gehen kann.
Die Begründung, es sei nicht möglich gewesen, den Bundestag rechtzeitig zu beteiligen, kann ich nicht als stichhaltig anerkennen. Es ist ja möglich gewesen, alle Wirtschaftsverbände regelmäßig zu den Sitzungen hinzuzuziehen. Warum nicht auch die Mitglieder des Bundestagsausschusses? Man hat in dem Zolltarifausschuß zwar einen Vertreter der Gewerkschaften, aber beispielsweise keine Vertreterin der Hausfrauenorganisationen gehört. Trotzdem hat der Bundesfinanzminister soeben erklärt, die Verbraucher seien bei den Vorberatungen ausreichend beteiligt worden. Wenn Sie sich die Zusammensetzung des Zolltarifausschusses ansehen, so werden Sie an dieser Behauptung des Herrn Bundesfinanzministers wohl mit Recht zweifeln können.
Gerade die Art der Zolltarifverhandlungen macht die rechtzeitige Einschaltung des Parlaments unbedingt erforderlich, wenn überhaupt das Parlament wirksam mitarbeiten soll. Es ist ja doch so, daß dieses Gesetz bereits zur Verhandlungsgrundlage gemacht worden ist. Zur Verhandlungsgrundlage ist das Prinzip des Wertzolles gemacht worden. Wie sollen wir uns jetzt entscheiden können, ob Wertzölle oder Gewichtszölle besser sind? Die Gründe und Gegengründe können zweifellos nicht so abgewogen werden, wie es der Herr Bundesfinanzminister getan hat, der gesagt hat, das Wertzollsystem sei das moderne und das andere System das antiquierte.
Ich glaube, diese vereinfachende Darstellung wird der Schwierigkeit der Problematik doch wohl nicht ganz gerecht.
Das gleiche gilt für die Anwendung des Brüsseler Zolltarifschemas, das uns hier als von allen europäischen Staaten akzeptiert dargestellt worden ist. Es ist doch so, daß bisher, soweit ich weiß, nur zwei Staaten dieses Schema allgemein angenommen haben und daß es für Deutschland schwerwiegende Nachteile mit sich bringen kann.
Ich will nur darauf hinweisen, daß alle diese Erörterungen für uns im Bundestag durch die Tatsache außerordentlich erschwert werden, daß die Bundesregierung bereits auf internationaler Basis diese Grundzüge des Zolltarifgesetzes akzeptiert hat. Man kann also auch hier wieder feststellen, daß die Exekutive ein deutliches Übergewicht gegenüber den parlamentarischen Instanzen hat. Die Referenten haben heute wie eh und je am meisten zu sagen, und wir dürfen dann kurz und deutlich nicken. Das scheint mir im wesentlichen die Aufgabe des Parlaments bei diesem Gesetz zu sein.