Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, zu der Frage, die uns heute bewegt, vom Standpunkt der heimatvertriebenen Beamten Stellung nehmen zu dürfen. Die heimatvertriebenen Beamten sind in der Armee der 131er der stärkste Trupp, und darum ist es von besonderer Bedeutung, zu erfahren, wie dieser große Personenkreis zu dem Gesetz, das uns heute vorgelegt worden ist, steht. Da ist nun folgendes festzustellen. Wenn der Herr Minister gesagt hat, daß das Gesetz mit äußerstem Wohlwollen geformt sei, so müssen wir gegenüber dieser optimistischen Einstellung doch schwerwiegende Bedenken erheben. Wir sind der Meinung, daß der Gesetzentwurf aus dem Beamtenrecht nicht nur lückenlos die den Beamten allgemein obliegenden Verpflichtungen übernommen hat, sondern darüber hinaus den vertriebenen und verdrängten Beamten sogar noch zusätzliche Verpflichtungen auferlegt hat, zum Beispiel den Wartestandsbeamten, denen man unter Androhung von Nachteilen zumutet, auch in der privaten Wirtschaft eine entsprechende Tätigkeit aufzunehmen, was man von einheimischen Beamten nicht verlangt. Es sind noch weitere drückende Bestimmungen darin enthalten, auf die ich im einzelnen jetzt nicht eingehen möchte. Ob in solchem Verhalten aber ein besonderes Wohlwollen zu erblicken ist, ist Ansichtssache. Es handelt sich beim Regierungsentwurf zweifellos um ein technisch ausgezeichnet ausgearbeitetes Werk; aber wir müssen in der Grundkonzeption des Gesetzgebers mit schmerzlichem Gefühl feststellen, daß es ihm in vielen Fällen an Herz und Seele fehlt. Denn so technisch vollendet es in souveräner Beherrschung des schwierigen Stoffes auch ausgearbeitet ist, so sind wir doch der Meinung, daß unserer Grundforderung auf Anerkennung unserer wohlerworbenen Rechte nicht in ausreichendem Maße Rechnung getragen ist. Ehe ich nun weiter auf das eingehe, was nunmehr praktisch werden soll, möchte ich folgendes vorausschicken. Wir heimatvertriebenen Beamten wissen, daß wir nichts Unmögliches verlangen dürfen und daß auch unseren berechtigtsten Ansprüchen durch die finanzielle Lage und auch sonst Grenzen gesetzt sind. Aber wir sind der Meinung, daß die Regierung und die heimischen Stellen alles tun müssen, um eine möglichste Gleichberechtigung der heimatvertriebenen Beamten herbeizuführen. und daß in dieser Beziehung noch nicht alle Kräfte und alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
Nun darf ich auf einen Punkt kommen, der in der heutigen Debatte schon eine gewisse Rolle gespielt hat; das ist die Frage des dreiprozentigen Abzugs vom Einkommen der heimischen Beamten, die damit einen Teil der Finanzierungsaufgaben zugunsten der heimatvertriebenen Beamten erfüllen sollen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir heimatvertriebenen Beamten aus dem furchtbaren Elend, das uns betroffen hat, einen Gewinn davongetragen haben, so ist es vielleicht der, daß wir die Güter des Lebens richtig abzuschätzen gelernt haben und daß wir nunmehr
begreifen, in welcher Relation die einzelnen Werte zueinander stehen. Wir müssen uns klarmachen, daß die Heimatvertriebenen seit 51/2 Jahren so gut wie gar keine Bezüge mehr erhalten haben. Wir erinnern daran, daß gerade unter den Wartestandsbeamten der Fall gar nicht so selten ist, daß der Mann, der gar nicht mehr weiterkommt, der von allen Seiten abgewiesen wird, der auf die unzulängliche Wohlfahrtsunterstützung angewiesen ist, Selbstmord begeht, um seiner Frau und seinen Kindern einen kümmerlichen Pensionsanspruch zu verschaffen. Weiterhin beobachten wir, daß unsere verdrängten Beamten ihre Söhne und Töchter nicht mehr einem höheren Beruf oder überhaupt einem gelernten Beruf zuführen können, daß der Universitätsbesuch für diese Kreise ausgeschlossen ist. Wir müssen uns klarmachen, daß abgesehen von den sich aus dieser Situation ergebenden bedrückenden familiären Verhältnissen doch auch eine große staatspolitische Gefahr entsteht, weil diese verdrängte und fehlgeleitete Intelligenz sich nachher in einer Weise zu betätigen pflegt, die nicht gerade staatsaufbauend und staatsförderlich ist.
Wenn wir uns das alles vorhalten und nun hören, daß von den einheimischen Beamten, die im allgemeinen nichts verloren haben, die außer ihrem Gehalt doch auch noch, wo solches vorhanden war, ihr Vermögen erhalten haben, verlangt wird, daß sie 3 % ihrer Bezüge zugunsten ihrer heimatvertriebenen Kollegen abgeben, so kommen wir zu der Meinung, daß es nichts Unmenschliches ist, was hier verlangt wird, und zwar um so weniger, als diese Abgabe bei den Bundesbeamten mit dem gleichzeitigen Wegfall der sechsprozentigen Gehaltskürzung gekoppelt werden soll.
— Ja, sie sollte schon längst weggefallen sein; aber es ist nicht geschehen, so daß wirtschaftlich gesehen trotz der Heranziehung dieser Beamten zur dreiprozentigen Abgabe letzten Endes doch eine dreiprozentige Aufbesserung herauskommt. Wenn das alles miteinander in Vergleich gesetzt wird, wird man verstehen, daß wir von den brüsk ablehnenden Entschließungen der heimischen Beamtenbünde nur mit großer Bestürzung haben Kenntnis nehmen können. Sogar die Streikdrohung ist aus diesem Anlaß am Horizont erschienen, den wir nach unseren Erlebnissen und nach unseren Maßstäben als eine Bagatelle empfinden. Wir haben das, wie ich offen sagen darf, nicht begreifen können.
Man muß sich weiter überlegen, daß die heimischen Beamten — das wurde vorhin schon angedeutet — mit ihren Pensionsansprüchen durch die Währungsreform so gut wie sonst kein anderer Berufsstand hindurchgekommen sind. Es ist mit Recht gesagt worden, daß all die Kreise, die sich ihren Lebensabend aus eigener Verantwortung auskömmlich gestalten wollten und auch darauf vertrauen durften, daß sie versorgt wären, durch die Währungsreform an den Bettelstab gebracht und in den Kreis der Fürsorgeempfänger geschleudert worden sind. Auf der andern Seite sind die Beamten mit ihren Pensionen im Verhältnis eins zu eins herausgekommen. Auch das muß im Zusammenhang gesehen werden. Deshalb ist der Gedanke der Regierung, daß hier Ausgleichsmöglichkeiten bestehen, durchaus nicht abzulehnen.
Es wurde vorhin gesagt, es sei doch eine sonderbare Zumutung, wenn die Beamtenschaft hier den
Ausgleich für sich und in sich allein vornehmen solle. Es wurde gesagt, daß dann auch die Landwirte, die Hausbesitzer usw. im Zuge des großen Lastenausgleichs zu Ausgleichsgemeinschaften zusammengeschlossen werden müßten. Dieser Einwand ist wirklich leicht zu widerlegen. Die Beamten - die heimischen und die vertriebenen — sind doch nun einmal einem großen Unternehmen, dem Staat gegenüber verpflichtet und von ihm abhängig. Ihre Bezüge können deshalb auch durch Maßnahmen des Staates reguliert werden. Der Einwand hat also bestimmt keine Durchschlagskraft.
Wenn also diese Möglichkeiten eines Ausgleichs bestehen, möchte ich an unsere heimischen Beamten doch den Appell richten, daß sie ihren Rechtsanspruch oder ihre vermeintlichen Rechte nicht übersteigern mögen. Auch im Lastenausgleich, der jetzt vor der Türe steht, werden schwerste Opfer von allen Bevölkerungsschichten verlangt. Wenn auch bei dieser großen Umschichtung des Volksvermögens die Beamten relativ ungeschoren davonkommen, sollten sie sich nicht dagegen sperren, wenn ihnen nun hier Opfer abverlangt werden, die sich wirklich in erträglichen Grenzen halten.
Ich möchte meine Ausführungen damit schließen, daß ich dem Wunsche Ausdruck gebe, die Verhandlungen über dieses sehr schwierige Thema möchten möglichst leidenschaftslos geführt werden. Die zum Teil übersteigerten, temperamentvollen Äußerungen von der einen und von der anderen Seite sind erklärlich; aber sie nützen der Sache nichts. Wir müssen uns zusammensetzen und ganz kritisch und kühl alle Eventualitäten prüfen. Vielleicht gibt es Möglichkeiten, die bisher noch gar nicht so richtig erkannt und erschlossen sind. Darauf sollten wir unser besonderes Augenmerk richten. Ich möchte wünschen, daß bei den Beratungen eine solche Lösung herauskommt, die dem Recht und der Gerechtigkeit entspricht und damit die Möglichkeit bietet, auf einem wichtigen Gebiet zum sozialen Frieden zu kommen, die weiter wertvollen Menschen hilft, aus Angst, Not und Sorge herauszukommen, so daß sie wieder nützliche Dienste leisten, statt sich in Ressentiments, Haß und Abneigung gegen die Bundesrepublik und den demokratischen Gedanken zu verkrampfen, wie es im Zuge der unbefriedigenden Entwicklung leider jetzt schon in bedrohlicher Weise festzustellen ist.
Ich beantrage daher im Einklang mit meinem Vorredner, daß der Gesetzentwurf an den Beamtenausschuß und an den Vertriebenenausschuß überwiesen wird.