Rede:
ID0108406500

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 37
    1. die: 2
    2. der: 2
    3. ist: 2
    4. Ich: 1
    5. eröffne: 1
    6. Aussprache.: 1
    7. Meine: 1
    8. Damen: 1
    9. und: 1
    10. Herren,: 1
    11. Ältestenrat: 1
    12. schlägt: 1
    13. Ihnen: 1
    14. insgesamt: 1
    15. eine: 1
    16. Redezeit: 1
    17. von: 1
    18. drei: 1
    19. Stunden: 1
    20. für: 1
    21. Gesamtaussprache: 1
    22. vor.: 1
    23. Erhebt: 1
    24. sich: 1
    25. Widerspruch?: 1
    26. -: 1
    27. Dies: 1
    28. nicht: 1
    29. Fall;: 1
    30. es: 1
    31. so: 1
    32. beschlossen.Das: 1
    33. Wort: 1
    34. hat: 1
    35. Frau: 1
    36. Dr.: 1
    37. Probst.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 84. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 13. September 1950 3135 84. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 13. September 1950. Geschäftliche Mitteilungen 3135C Mitteilung betr. Zugehörigkeit des Abg Dr. Richter (Niedersachsen) zu keiner Fraktion 3135D Änderung der Tagesordnung 3135D Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Ausführungen des Wirtschaftsministers des Landes Baden (Nr. 1204 der Drucksachen) . . . . . . . . . 3136A Dr. Schmid (Tübingen) (SPD), Interpellant 3136A Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 3139B Dr. Seelos (BP) 3140B Dr. von Brentano (CDU) 3141A Mayer (Stuttgart) (FDP) 3141C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Art. 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (Nr. 1306 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung der Interpellation der Fraktion der BP betr. Art. 131 des Grundgesetzes (Nr. 1151 der Drucksachen) . . . 3136A, 3142A Dr. Dr. Heinemann, Bundesminister des Innern 3142B Dr. Richter (Niedersachsen) (parteilos) 3146C Dr. Menzel (SPD) 3147C Farke (DP) 3150C Pannenbecker (Z) 3151A Dr. Kleindinst (CSU) 3152B Wackerzapp (CDU) 3153C Dr. Falkner (BP) 3154D Gundelach (KPD) 3155B Fröhlich (WAV) 3156B Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) (FDP) 3157B von Thadden (DRP) 3159B Dr. Wuermeling (CDU) 3160C Arndgen (CDU) 3161A Erste Beratung des von der Fraktion der DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung der Bestimmungen der Zweiten Verordnung über die Vereinfachung des Lohnabzugs (Nr. 1249, zu Nr. 1249 der Drucksachen) . . . 3161B Erste Beratung des Entwurfs eines Zolltarifgesetzes (Nr. 1294 der Drucksachen) 3161C Schäffer, Bundesminister der Finanzen 3161C, 3165A(( Kalbitzer (SPD) 3163A Dr. Bertram (Z) 3163C Dr. Horlacher (CSU) 3164B Degener (CDU) 3164C Dr. Oellers (FDP) 3164D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz) (Nr. 1333 der Drucksachen) 3161C Storch, Bundesminister für Arbeit 3165A, 3172D Frau Dr. Probst (CSU) 3167C Leddin (SPD) 3170A Frau Kalinke (DP) 3173B Frau Arnold (Z) 3173C Kohl (Stuttgart) (KPD) 3174C Volkholz (BP) 3176A Mende (FDP) 3177B Löfflad (WAV) 3179C Arndgen (CDU) 3180A Dr. Leuchtgens (DRP) 3180C Schoettle (SPD) 3181A Nächste Sitzung 3181D Die Sitzung wird um 14 Uhr 35 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schäfer eröffnet.
  • folderAnlagen
    Keine Anlage extrahiert.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Anton Storch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Heute liegt Ihnen der Gesetzentwurf über die Versorgung der Opfer des Krieges vor, ein Gesetzentwurf, der in diesem Hohen Hause mehrfach angefordert worden ist, ein Gesetzentwurf, der meines Erachtens auch dringend notwendig ist, weil es sich darum handelt, einem großen Kreis von Menschen wieder einen Lebensinhalt und eine Lebensgrundlage zu geben. Sie dürfen aber gewiß sein, daß die reichlich späte Vorlage des Gesetzentwurfs nicht auf böse Absichten oder auf Verschleppungstaktiken zurückzuführen ist, sondern daß es sich hier um eine Sache handelt, die in ihrer Grundsätzlichkeit sehr gut durchdacht werden mußte.
    Wir hatten keinen Zustand, an den wir uns unbedingt anlehnen konnten. Das alte Versorgungsrecht aus dem Jahre 1920 war nach dem Krieg durch die Besatzungsmächte beseitigt. Und Sie kennen ja alle den wirklichen Leidensgang, den dann die Opfer des Krieges gehen mußten.
    Wir haben lange Zeit den Zustand gehabt, daß die Versorgung dieses Personenkreises nur über die Wohlfahrtsämter möglich war. Erst im Jahre 1946 bekamen wir in der britischen Zone die Möglichkeit, den Leuten, soweit sie sozialversichert waren, einen Rechtsanspruch auf 40 Mark im Monat zu geben. Damls haben nicht nur die Kriegsbeschädigten, sondern mit ihnen der größte Teil des deutschen Volkes einen Mangel empfunden, dem abgeholfen werden mußte. Die Beteiligten haben sich die größte Mühe gegeben, die Besatzungsmächte, die diese Dinge damals noch einheitlich über ihre Dienststelle in Berlin behandelten, dazu zu bringen, den Kriegsbeschädigten und sonstigen Opfern des Krieges größere Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Die Verhandlungen mit dem Kontrollrat in Berlin hatten damals zum Ziel, daß man den Kriegsbeschädigten, den Opfern dieses Krieges, wenn man ihnen das alte Recht nicht wiedergeben wollte, doch zumindest in etwa das Recht geben sollte, das ein anderer Menschenkreis, der an der Gesundheit und am Körper ähnlichen Schaden gelitten hat, genießt. Die Forderung, die damals hauptsächlich von den Gewerkschaften aufgestellt wurde — Kriegsbeschädigtenorganisationen gab es ja damals noch nicht —, ging dahin, den Opfern des Krieges zumindest die Rechte der Unfallversicherung zu geben.
    Über ein Jahr ist dann über diese Dinge verhandelt worden. Als sich in Berlin herausstellte, daß auf der Basis des Kontrollrats eine ausreichende Neuordnung nicht möglich war, ist man in den einzelnen Besatzungsgebieten dazu übergegangen — wiederum von der Besatzungsmacht getragen —, neues Recht werden zu lassen.
    Wir bekamen zuerst in der amerikanischen Zone ein Gesetz, wonach den Kriegsbeschädigten selber mit einem zugrundegelegten Jahresarbeitsverdienst von 1800 RM in der Ortsklasse I, von 1710 RM in der Ortsklasse II und von 1620 RM in der Ortsklasse III ein Rechtsanspruch zuerkannt wurde. Das bedeutete, daß von diesem Moment an der Kriegsbeschädigte, wenn er voll arbeitsunfähig war, in der Ortsklasse I einen Rechtsanspruch auf eine monatliche Rente von 100 Mark, in der Ortsklasse II von 95 Mark und in der Ortsklasse III von 90 Mark bekam.
    In der englischen Zone hat man etwas später ein ähnliches Gesetz erlassen, wobei man aber die Ortsklasseneinteilung nicht übernahm, sondern von der Meinung ausging, daß die vollarbeitsunfähigen Kriegsopfer aus den Großstädten möglichst herausgehen sollten. Man hat deshalb dort einen einheitlichen Jahresarbeitsverdienst von 1800 Mark zugrunde gelegt, wodurch die Festsetzung einer monatlichen Rente von 100 Mark rechtswirksam wurde.
    Diese Regelungen in der amerikanisch und in der englisch besetzten Zone haben aber den Kriegsopfern, soweit es sich um Witwen und Waisen handelte, das Recht aus der Unfallversicherung nicht gegeben. Man hat sich hier auf den Standpunkt gestellt, daß eine arbeitsfähige Witwe keinerlei Rente beziehen könne. Man hat nur denjenigen Witwen, die ein Kind unter drei Jahren oder zwei Kinder unter acht Jahren hatten, eine Rentenberechtigung zuerkannt. Darüber hinaus geschah die Versorgung der Waisen auch nicht nach den Bestimmungen der Unfallversicherung, sondern es wurde sowohl in der britischen als auch in der amerikanischen Zone eine Rente von monatlich 30 Mark festgelegt, die in der britischen Zone bis zur Vollendung des 15. und in der amerikanischen Zone bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gezahlt wurde. Elternrente gab es nach diesem Recht nur bei Bedürftigkeit, und zwar für beide Elternteile gemeinschaftlich oder für einen Teil, beschränkt auf 30 Mark.
    Die Unruhe, und zwar die berechtigte Unruhe unter den Kriegsbeschädigten, hat dann die Dinge so weit gebracht, daß man sich bei den Besatzungsmächten damit abfand, daß in den einzelnen Ländern kleinere Erweiterungen durchgeführt wurden.
    Die amerikanische Zone hat durch einheitliche Ländergesetze mit Wirkung vom 1. März 1949 eine Erweiterung der Rentenberechtigung für die Witwen durchgeführt. Darüber hinaus ist dort bestimmt worden, daß den Kriegsbeschädigten zusätzlich die Hälfte ihrer Sozialrente gezahlt werden konnte.


    (Bundesminister Storch)

    In der englischen Zone hat eine derartige organische und gleichmäßige Weiterentwicklung des Kriegsbeschädigtenrechts nicht stattgefunden. Die Länder haben dort je nach ihrer Finanzkraft etwas getan. Nordrhein-Westfalen gewährte vollständig die Verbesserungen aus der amerikanischen Zone und darüber hinaus eine wesentliche Verbesserung für die Schwerstkriegsbeschädigten. Dann kamen die Länder Hamburg und Niedersachsen, die auf dem Verordnungsweg eine zwanzigprozentige Erhöhung der Renten durchführten. Und das arme Schleswig-Holstein konnte zusätzlich überhaupt nichts tun, so daß die Menschen dort heute noch oder vielmehr bis zu dem Überbrückungsgesetz, das Sie in diesem Hause beschlossen haben, nach den Bestimmungen der Verordnung 27 versorgt werden mußten. Wir haben in diesem Hohen Hause im Laufe dieses Jahres das Überbrückungsgesetz verabschiedet, und ich habe damals bereits gesagt, daß es sich bei diesem Gesetz nur darum handeln könne, für eine Übergangszeit ein möglichst einheitliches Recht herbeizuführen.
    Bei dieser Regelung hat dieses Hohe Haus die Pflegezulage wesentlich erhöht, bis zu 150 DM im Monat, und Sie haben vor allem für die Länder in der englischen Zone die erweiterte Rentenberechtigung für 80 000 Witwen geschaffen.
    Ruhe hat es auf diesem Gebiet selbstverständlich auch nach diesem Überbrückungsgesetz nicht gegeben, und ich darf Ihnen sagen, daß in meinem Hause oder, besser gesagt, in meinem Ministerium täglich Abordnungen der Kriegsbeschädigten eintrafen, um zu sagen: nun so schnell wie möglich ein neues Bundesversorgungsgesetz! Und Sie von allen Parteien — das sage ich in aller Offenheit — haben ebenfalls immer und immer wieder das
    Verlangen nach diesem Gesetz an uns herangebracht.
    Nunmehr haben Sie ein Gesetz vor sich liegen, das von den bisherigen Zuständen endgültig abrückt. Es wird nicht mehr von den Gesichtspunkten der Sozialversicherung oder der Unfallversicherung ausgegangen, sondern dieses Gesetz lehnt sich an die Bestimmungen an, die wir im früheren Kriegsbeschädigten - Versorgungsrecht hatten. Dieser Gesetzentwurf geht vor allem davon aus, daß die bisher noch in sieben verschiedenen Ländergesetzen festgelegten Versorgungsrechte einheitlich gestaltet werden. Ich habe schon gesagt: Abgang von den bisherigen Grundsätzen und wieder Versorgung nach dem Reichsversorgungsgesetz.
    Dann wird vor allem dafür gesorgt, daß die Kriegsopfer wieder in einem selbständigen Versorgungsgesetz die Zusammenfassung aller ihrer Rechte finden. Die Vorschriften über die Heilbehandlung sind umfassend, entsprechend den Anforderungen neuzeitlicher ärztlicher Kunst und Wissenschaft, und gewähren die weitgehende Wiederherstellung von Gesundheit und Arbeitsfähigkeit unserer Kriegsopfer. Die Vorschriften über die Sozialfürsorge ermöglichen individuelle ergänzende Maßnahmen, insbesondere die Berufsumschulung, Arbeitsvermittlung für Kriegs- oder Schwerbeschädigte und die Betreuung der Hinterbliebenen.
    Die Renten sind für die Schwerstbeschädigten und für die Hinterbliebenen wesentlich erhöht und ihre Voraussetzungen vereinheitlicht. Neu eingeführt sind die Bezüge für das Sterbevierteljahr und das Bestattungsgeld für die Hinterbliebenen. Darüber hinaus ist im Gesetz vorgesehen, daß eine Kapitalisierung der Grundrenten vorgenommen werden kann, um den Kriegsbeschädigten die Erstellung eines Eigenheims oder andere wohnungsmäßige Vorteile zu sichern.
    Der Umfang der Rentenberechtigung ist wieder nach dem früheren Versorgungsrecht ausgebaut worden, und darüber hinaus werden durch dieses Gesetz auch alle diejenigen einen Rechtsanspruch auf Rente und Behandlung haben, die als Opfer des Bombenkrieges in der Heimat, nicht als Soldaten, geschädigt worden sind. Wir werden nicht nur die bei der Wehrmacht tätigen Menschen durch dieses Gesetz betreuen, sondern auch alle diejenigen, die in einer militärähnlichen Organisation damals Dienst getan und ihre Beschädigung erlitten haben. Ich habe in den letzten Tagen durch einen Teil unserer Zeitungen eine Notiz gehen sehen, wonach diejenigen, die gezwungen waren, bei der Waffen-SS oder bei den SS-Truppenteilen Dienst zu tun, von der Versorgung durch dieses Gesetz ausgeschlossen sein sollten. Das entspricht nicht der Wahrheit.

    (Abg. Dr. Horlacher: Hört! Hört!)

    Auch dieser Personenkreis soll durch dieses Gesetz die gleiche Rechtsstellung bekommen wie jeder andere auch.

    (Abg. Schoettle: Vielleicht könnte mal die Bundespressestelle informiert werden, bevor sie andere falsch informiert! — Zuruf in der Mitte: Sehr richtig!)

    — Sie haben vielleicht insofern recht, als in einer Pressebesprechung gefragt wurde, ob das Streichen der besonderen Erwähnung der Waffen-SS zur Folge hätte, daß die Angehörigen der Waffen-SS von den Leistungen dieses Gesetzes ausgenommen werden sollten. Darauf hat leider Gottes in der Pressebesprechung ein Vertreter der Pressestelle gesagt: Wir kennen den Sachverhalt nicht.

    (Abg. Schoettle: Der Chef der Pressestelle, Herr Minister; der Leiter der Pressestelle!)

    — Na ja, auch gut, der Leiter der Pressestelle.

    (Abg. Schoettle: Nein, das ist nicht gut! Das Gegenteil von gut!)

    — Er hat dann gesagt, er wüßte es nicht genau, aber dem reinen Wortlaut nach könnte es so sein.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Es wäre meines Erachtens besser gewesen, wenn der Leiter unserer Presseleute sich durch eine kleine telefonische Rückfrage bei uns informiert hätte, statt daß man die Meldung einfach über die Bühne gehen ließ.
    Die vorgerückte Zeit veranlaßt mich, Ihnen die einzelnen Unterstützungssätze und Rentensätze nicht vorzutragen. Sie finden sie alle im Gesetz und vor allen Dingen in der Begründung des Gesetzes. Dabei werden Sie feststellen können, daß wir für einen voll arbeitsunfähigen Kriegsbeschädigten, der keine zusätzliche Arbeit verrichten kann und der ledig ist, einen Rentenbezug von 165 Mark im Monat vorgesehen haben. Zu diesem Satz bekommt er, wenn er Rechtsansprüche an die Sozialversicherung hat, noch die Beträge, die dort für ihn fällig werden. Sie wissen, daß der Mindestbetrag für den Versicherten selbst 50 Mark beträgt. Von diesen 50 Mark hat er 40 Mark, ohne daß sie ihm angerechnet werden. Er kommt also auf eine Rente von 205 Mark, und nur 10 Mark können ihm auf die Zuschlagsrente angerechnet werden. Der Verheiratete bekommt zu den von mir genannten Sätzen für die Frau einen Zuschlag von 15 Mark, also Mann und Frau zusammen eine Rente von 180 Mark, und


    (Bundesminister Storch)

    darüber hinaus für jedes versorgungsberechtigte Kind einen weiteren Zuschlag von 15 Mark.
    Wir sind bei der Aufstellung dieses Gesetzes davon ausgegangen, daß man die Kriegsbeschädigten gerecht behandeln müsse, wenigstens den Versuch machen müsse, sie gerecht zu behandeln. Sie wissen alle, welch eminente Schwierigkeiten es macht, die für dieses Gesetz notwendigen Mittel aufzubringen. Wenn für ein Gesetz nur ein gewisser Geldbetrag zur Verfügung gestellt werden kann, dann muß man versuchen, das Geld dorthin zu leiten, wo wirklich die größte Not vorhanden ist. Deshalb sind wir davon ausgegangen, die Kriegsbeschädigtenrente in der Zukunft in eine Grundrente und in eine Ausgleichsrente zu teilen. Auf die Grundrente hat jeder Kriegsbeschädigte einen Rechtsanspruch, auf die Ausgleichsrente nur derjenige, der zu seiner Rente lediglich einen geringen Teil von Eigenverdienst oder von Erwerb aus anderen Quellen hat. Hier ist der Versuch gemacht worden, denjenigen, die wirklich nicht arbeiten können und die nicht im Besitz von Vermögen sind, das zu geben, was sie zum Lebensunterhalt dringend notwendig haben.
    Wenn Sie sich dieses Gesetz in seiner Gesamtheit ansehen, dann müssen Sie folgendes berücksichtigen. Für die Versorgung unserer Kriegsopfer haben im vergangenen Jahr die Länder, die damals zuständig waren, insgesamt zwischen 1,9 und 2 Milliarden Mark ausgegeben. Das Versorgungsgesetz, das Ihnen jetzt vorliegt, sieht Leistungen für ein volles Etatjahr in Höhe von 3 Milliarden Mark vor. Und täuschen Sie sich nicht: die Zahl derjenigen, die über dieses Gesetz ihre Lebensgrundlage finden müssen, ist eminent groß. Wir haben zur Zeit bereits 3,8 Millionen Kriegsbeschädigtenrenten im Laufen, und es ist ganz sicher, daß im Laufe dieses Etatjahres die Zahl der Rentenempfänger nach diesem Gesetz auf über 4 Millionen steigen wird. Das sollten Sie sich bei der Behandlung dieses Gesetzes immer und immer wieder vor Augen halten. Vielleicht trifft auch hier das zu, was mein Kollege Heinemann vorhin für seinen Gesetzentwurf gesagt hat: Es ist kaum möglich, daß der Bund für diesen Zweck weitere Mittel aufbringen kann. Es hat in Wirklichkeit die größte Mühe gekostet, diese 3 Milliarden Mark für diesen Zweck bereitzustellen. Wenn Sie sich den Gesamthaushalt des Bundes ansehen, finden Sie, daß die Versorgung unserer Kriegsbeschädigten im Gesamtetat den zweiten Platz, und zwar den Platz hinter den Besatzungskosten, einnimmt.
    Durch dieses Gesetz ist auch einer alten Forderung der Kriegsbeschädigten entsprochen worden, die dahin geht, daß den Kriegsbeschädigten der aus der Sozialversicherung erworbene Rechtsanspruch gegeben werden soll. Deshalb sieht das Gesetz vor, daß die Ruhensbestimmungen nach §§ 1274 und 1275 der Reichsversicherungsordnung für die Zukunft ausgeschaltet werden.
    Darüber hinaus ist einer ebenfalls alten Forderung der Kriegsbeschädigten Rechnung getragen worden, einer Forderung, die bei der Behandlung des Überbrückungsgesetzes hier im Hause gleichfalls vorgebracht wurde. Durch dieses Gesetz ist die Krankenhilfe für die Hinterbliebenen neu eingeführt und festgelegt worden.
    Überdies gehen, wie ich vorhin schon sagte, die Wünsche der Kriegsbeschädigten dahin, ihnen einen Teil ihrer Grundrente oder die Grundrente überhaupt zu kapitalisieren, damit sie zu einer anständigen Wohnung oder zu einem kleinen Eigenheim kommen. Wir haben in dem Gesetz auch diesen Wünschen der Kriegsbeschädigten Rechnung getragen. Sie können bis zu einem gewissen Zeitpunkt ihre kapitalisierten Grundrenten in Anspruch nehmen, um so den gewünschten Zweck zu erreichen.
    Zusammenfassend möchte ich sagen: dieses Gesetz ist in der Zeit, in der es erstanden ist, bereits sehr eingehend besprochen und auch stark kritisiert worden. Wir hatten keine Veranlassung, uns einer derartigen Kritik zu entziehen. Im Gegenteil, wir haben auf Wunsch dieses Hauses bei uns einen Sachverständigenbeirat gebildet, der uns bei der Erstellung dieses Gesetzes dann auch sehr maßgebliche und sehr wertvolle Dienste geleistet hat. Ich bitte Sie, diesen Gesetzentwurf so zu behandeln, daß er möglichst bald verabschiedet werden kann, damit die berechtigten Wünsche der Kriegsbeschädigten nicht noch länger unerfüllt bleiben müssen.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich eröffne die Aussprache. Meine Damen und Herren, der Ältestenrat schlägt Ihnen insgesamt eine Redezeit von drei Stunden für die Gesamtaussprache vor. Erhebt sich Widerspruch? - Dies ist nicht der Fall; es ist so beschlossen.
Das Wort hat Frau Dr. Probst.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Maria Probst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Wenn wir heute, fünf Jahre nach Beendigung des Krieges, in die erste Lesung eines für alle Länder des Bundesgebietes einheitlichen Gesetzes über die Versorgung der Kriegsopfer eintreten, so ist dies ein bedeutsamer, ja ein historischer Augenblick. Es handelt sich bei dem Bundesversorgungsgesetz um das erste große Sozialgesetz, das dem Bundestag von der Bundesregierung vorgelegt wird. Der Beschluß aller Parteien dieses Hohen Hauses, dieses Gesetz als das erste Sozialgesetz zu beraten, beweist, daß die Priorität der Kriegsopferversorgung von allen Parteien dieses Hauses anerkannt wird. Angesichts der Spannung, mit der Millionen von Kriegsopfern, Kriegsbeschädigten und Hinterbliebenen dieses Gesetz erwarten, darf ich dies mit besonderer Genugtuung feststellen.
    Unsere Aufgabe, meine Herren und Damen, heute ist es, in einer Grundsatzdebatte zu dem vorliegenden Gesetzentwurf Stellung zu nehmen. Bei keinem anderen Gesetz ist eine Fundierung der Gesetzgebung aus dem Grundsätzlichen heraus so dringend notwendig wie beim Kriegsopfergesetz. Wir haben soeben in dem historischen Rückblick, den der Herr Bundesminister gegeben hat, gesehen, weichen Weg — einen Kreuzweg können wir ihn nennen — die Gesetzgebung in der Vergangenheit seit Kriegsende durchgemacht hat. Dadurch, daß die gute alte Reichsversorgung durch die Alliierten, und zwar durch den Kontrollrat, zerschlagen worden war, wurde gleichzeitig auch die ideelle Grundlage dieser Gesetzgebung zerschlagen. An deren Stelle trat statt dessen eine vollkommen unorganische Verkoppelung mit der Fürsorge einerseits, aber unter Ausschluß der gehobenen Fürsorge, und andererseits mit der Unfallversicherung, aber wiederum unter Ausschluß der Vorteile, die sie zu gewähren imstande gewesen wäre. Die Kriegsopferversorgung geriet also zwischen Fürsorge und Unfallversicherung in einen gefährlichen Schnittpunkt sich widersprechender und der Kriegsopferversorgung nicht gemäßer


    (Frau Dr. Probst)

    Gesetzgebungstendenzen. Das waren Stationen eines schweren Leidensweges, die eben mit der gemeindlichen Fürsorge einschließlich der Bedürftigkeitsprüfung und der Rückzahlungspflicht und der Auswirkung verschiedener Kürzungsparagraphen der Reichsversicherungsordnung bezeichnet waren, die ja hier dieses Hohe Haus schon des öfteren beschäftigt haben. Ich nenne nur die §§ 595 und 559 b mit ihren unseligen Stopbeträgen für die kinderreichen Familien der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen. Ich nenne die §§ 1274 und 1275 RVO und endlich § 40 AVG: auch wieder Kürzungsbeträge, und zwar der Sozialversicherungsrenten im Zusammentreffen mit Bezügen aus der KB-Gesetzgebung. Äußerste Not in dem betroffenen Personenkreis war die Folge. Die Ursache liegt in einer grundsätzlich falschen Fundierung der bisherigen Gesetzgebung, deren negative Auswirkungen noch wesentlich durch die zonale Zerrissenheit des Rechts gesteigert werden, so wie es heute noch in den Ländern in Geltung ist.
    Angesichts der geschilderten Lage konnte es für die Bundesregierung nur eine Aufgabe geben, nämlich die, eine neue Rechtsgrundlage dadurch zu schaffen, daß dieses Recht als solches zunächst und vor allem im Grundsätzlichen neu überprüft und richtig fundiert wurde. Wir befinden uns in diesem Grundsatz in völliger Übereinstimmung mit der Bundesregierung.
    Meine Herren und Damen! Die Kriegsopferversorgung ist ein Problem ganz eigener Art, in seinem Wesen mit nichts anderem vergleichbar. Die einmalige Größe des für die Allgemeinheit gebrachten und fortdauernden Opfers an Lebenskraft, an Gesundheit, der Verlust des nächsten Angehörigen begründen einen ethischen, ja sogar naturrechtlich fundierten Rechtsanspruch auf eine ausreichende Versorgung und den Unterhalt durch eben jene Gemeinschaft, für die das Opfer gebracht worden ist. Dieses Opfer hat mit der Zufälligkeit eines Unfalls nichts zu tun, dessen geldliche Abfindung versicherungsmathematisch an den Beiträgen errechnet werden kann. Wir lehnen eine Abfindung und bloße Entschädigung nach dem Prinzip der Sozialversicherung für die Kriegsopferversorgung auf das entschiedenste ab. Die Grundlagen der neuen Gesetzgebung heißen: Anspruch auf ausreichende Versorgung auf der einen Seite und Unterhaltspflicht des Staates auf der anderen. Der neue Gesetzentwurf — und wir stimmen ihm hier vollständig zu — vollzieht eine scharfe Trennung von den falschen Grundlagen der Sozialversicherung in bezug auf die Kriegsopferversorgung. Im neuen Gesetz der Bundesregierung sind daher, wie der Herr Bundesarbeitsminister schon gesagt hat, die §§ 595 und 559 b sowie 1274 und 1275 ein für allemal beseitigt. Damit ist zugleich einem Beschluß dieses Hohen Hauses Rechnung getragen worden. Ebenso wurde die bisherige Einteilung in Ortsklassen beseitigt.
    Meine Damen und Herren, es geht aber um ein Weiteres. Es gehört zum Wesen des Kriegsopferproblems, das es in einer millionenfachen Mannigfaltigkeit schwerster Einzelschicksale alle Berufsgruppen, alle Schichten, alle Altersstufen des deutschen Volkes gleichermaßen umfaßt. Dies bedeutet, daß die Versorgung so individuell wie möglich gestaltet sein muß; sie darf weder in einem kollektiven Einheits-Rentensystem erstarren oder nivelliert werden noch sogenannte qualifizierte Renten für sogenannte höherwertige Berufe schaffen. Beide Extreme lehnen wir ab. Genau so entschieden wenden wir uns aber gegen die Orientierung an dem untersten Lohnniveau. Das neue Bundesversorgungsgesetz folgt diesen Erkenntnissen. Es enthält den Grundsatz, die Rente so zu gestalten, daß sie dem individuellen Bedürfnis angepaßt ist, und zwar so, daß sie bei veränderten Voraussetzungen der allgemeinen wirtschaftlichen Lage jederzeit angepaßt werden kann und daß sie anderseits dem voll erwerbsfähigen, verheirateten Kriegsbeschädigten neben der Sicherung seiner materiellen Existenz die Anteilnahme am kulturellen Leben des Volkes gestattet. Als unterste Grenze dieser Forderung sind 180 DM für den verheirateten, hundertprozentig Erwerbsunfähigen von den Kriegsopfern selbst gefordert worden. Diese grundlegende Forderung der Kriegsopfer ist im neuen Bundesversorgungsgesetz erfüllt.
    Was nun die Frage der dreißig- bis vierzigprozentig erwerbsgeminderten Kriegsbeschädigten angeht, so wenden wir uns mit aller Entschiedenheit gegen die Bestrebungen, die Dreißig- bis Vierzigprozentigen aus der Versorgung herauszunehmen.

    (Bravo in der Mitte.)

    Entgegen den im Bundesrat schon beim Überbrückungsgesetz aufgetretenen und inzwischen erneut aufkommenden Bestrebungen ist diese große Gruppe der Kriegsbeschädigten in dem neuen Versorgungsgesetz mit einer Grundrente verankert, die bei den Vierzigprozentigen über der heutigen Mindestrente in der amerikanischen und britischen Zone liegt.
    Dem Grundsatz der Anpassung der Rente an das individuelle Bedürfnis des einzelnen wird der neue Gesetzentwurf durch die Zweiteilung der Rente in Grundrente und Ausgleichsrente gerecht. Dabei entspricht die Grundrente der Besonderheit des Bedürfnisses, die aus dem Körperschaden erwächst. Dieser anatomische Schaden wirkt sich neben jedem Beruf und bei jeder Einkommensstufe aus; er äußert sich in der Notwendigkeit erhöhter zusätzlicher Aufwendungen. Ich nenne nur die behinderte Bewegungsfähigkeit, die wiederum erhöhten Kleider- und Wäscheverbrauch hervorruft, anderseits die Notwendigkeit, mehr Fahrgelegenheiten zu benutzen oder Begleitpersonen bei sich zu haben. In vielen Fällen ist Diätkost notwendig. Ich will in diesem Zusammenhang hier nicht von dem Schmerz und der Einbuße an Lebensfreude sprechen, die ständige Begleiter des Kriegsbeschädigten sind. Die Grundrente, meine Herren und Damen, als Äquivalent des anatomischen Schadens ist neben jedem Einkommen zu gewähren. An diesem Grundsatz darf nach unserer Auffassung nicht gerüttelt werden, soll nicht das ganze Gesetzgebungsprinzip ins Gleiten kommen. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß die Grundrente neben jeglichem Einkommen zu gewähren ist.
    Meine Fraktion wird im Ausschuß den Antrag stellen, daß die Ruhensvorschriften des Gesetzentwurfs beseitigt und die Beschlüsse des Bundesrats auf Einführung der 400-Mark-Grenze vom Bundestag abgelehnt werden. Dadurch wäre nach unserer Auffassung der klare Aufbau dieses Gesetzes empfindlich gestört.
    Die Ausgleichsrente ist als Äquivalent des wirtschaftlichen Schadens gedacht. Wir legen aber Wert auf die Feststellung, daß das Ermessen bei der Gewährung der Ausgleichsrente auszuschalten ist. Diese Ausgleichsrente ist unter bestimmten Bedingungen vom sonstigen Einkommen abhängig. Daneben ist ein progressiver Freibetrag in Höhe von einem Viertel des die Arbeitseinkommenfreigrenze übersteigenden Betrages eingebaut. Diese Bestimmungen sind im § 32 des Gesetzes niedergelegt. Wir


    (Frau Dr. Probst)

    sind der Auffassung, daß dieser § 32 zunächst einmal einer redaktionellen Überarbeitung bedarf. In seiner jetzigen Fassung ist er unklar und gibt zu Mißverständnissen Anlaß.
    Darüber hinaus sind wir aber auch der Meinung, daß die materielle Seite dieser Rechtsbestimmung einer nochmaligen eingehenden Überprüfung bedarf, wobei noch vorhandene Unebenheiten und Unausgeglichenheiten sowohl in sich — etwa bei der Übergangsgrenze der auslaufenden Ausgleichsrente einschließlich der Sozialleistungen bei steigendem Arbeitseinkommen — als auch in Beziehung zu den bisher geltenden Arbeitseinkommens-Freigrenzen in den verschiedenen deutschen Ländern beseitigt werden müssen. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß das neu geschaffene Recht gegenüber den heute noch in den einzelnen deutschen Ländern bestehenden Rechten seiner Gesamtstruktur nach den Vorzug verdient.
    Wir sind der Meinung, daß die Diskussion um den § 32 gerade vom Grundsätzlichen her von außerordentlicher Bedeutung ist. Die Idee des neuen Gesetzes will den Arbeits- und den Leistungswillen, der gerade bei den Kriegsbeschädigten stark ist, sowohl fördern wie belohnen. Auswirkungen, die diesem Grundsatz nicht entsprechen, sind abzuändern. Der ausdrückliche Wunsch der Kriegsopfer ist es, in den Arbeitsprozeß eingegliedert zu werden. Sie lehnen jedes Staatsrentnertum ab. Wir bekennen uns zu diesem Grundsatz und setzen uns für seine Verwirklichung ein. Wir sind der Überzeugung, daß der Staat auf die aktive Mitarbeit dieses bedeutenden Personenkreises im staatlichen Leben, vor allem auch in der Wirtschaft, nicht verzichten kann. Er muß hiernach — ich wiederhole das — dieses Postulat der Eingliederung in den Arbeitsprozeß in jeder Form erfüllen, und zwar sowohl im
    3) Rahmen dieses Gesetzes, wie auch bei der Beschlußfassung über ein neues Gesetz über die Vermittlung Kriegsbeschädigter in Arbeit. Wir begrüßen daher jede Maßnahme, die geeignet ist, der Arbeits- und Berufsförderung zu dienen, wie das in den §§ 25 bis 27 des vorliegenden Gesetzentwurfs niedergelegt ist.
    Eine besondere Anregung geht dahin, daß die Arbeitslosenversicherungsbeträge als Arbeitseinkommen in bezug auf die Ausgleichsrente zu werten sind.
    Ein Kernstück ist bei dem vorliegenden Gesetzentwurf die Versorgung der Hinterbliebenen. Das neue Gesetz stellt in der Versorgung unserer Witwen und Waisenkinder gegenüber den bisher geltenden gesetzlichen Bestimmungen eine wesentliche Verbesserung dar. Die veränderte Rechtsgrundlage des neuen Gesetzes beseitigt einerseits die schweren Härten, von denen ich eingangs bereits gesprochen habe. Andererseits bringt sie durch die Anerkennung der Unterhaltspflicht des Staates der Witwe wie auch der Familie des Kriegsbeschädigten und des Gefallenen Wesentliche Verbesserungen im Vergleich zum KBLG und zur SVD 27. Das große Opfer der Frau, die ihren Ernährer und den Vater ihrer Kinder verloren hat, findet im neuen Bundesversorgungsgesetz eine entsprechende Würdigung. Alle Witwen, auch die kinderlosen, sind in die Versorgung einbezogen. Die Ruhensbestimmungen in bezug auf die Grundrente der kinderlosen Witwen unter 40 Jahren halten wir aus den dargelegten grundsätzlichen Erwägungen für nicht vertretbar. Wir werden bei den Verhandlungen im Ausschuß auf diese Frage mit entsprechenden Anträgen zurückkommen. Wir begrüßen es, daß der Regierungsentwurf der Witwe, deren jüngstes Kind aus
    der Versorgung ausgeschieden ist, den vollen Rentenanspruch gewährleistet, und zwar auch dann, wenn sie noch nicht das 50. Lebensjahr vollendet hat. Daß in Zukunft jedes Kind einer Witwe unabhängig von der Kinderzahl 31 DM Waisengeld erhält, habe ich bereits dargelegt, wobei ich ausdrücklich betonen möchte, daß die Lehrlingsvergütung der Waisenkinder mindestens in Höhe von 40,—DM keine Anrechnung auf die Ausgleichsrente finden darf. Wir stimmen dem Grundsatz voll und ganz zu, daß die Vollwaisen eine Gesamtrente in solcher Höhe erhalten, daß dadurch der Lebensunterhalt bei Aufnahme in eine Familie oder ein Heim gesichert ist.
    Bei den Waisenrenten im allgemeinen ist die Gewährleistung einer ausreichenden Berufsausbildung ein wesentlicher Gesichtspunkt, wobei in dem neuen Gesetz neben der Rentenversorgung — unter Berücksichtigung ausreichender Freibeträge für das Lehrlingsgeld—der Berufsfürsorge eine besondere Aufgabe zufällt. Wir begrüßen es, daß die Gewährung der Waisengelder auf das 24. Lebensjahr ausgedehnt worden ist, und zwar für den Fall, daß das Kind noch in Berufsausbildung steht. Es ist für den demokratischen Staat von außerordentlicher Bedeutung, in welchen Verhältnissen diese 1 330 000 Kriegerwaisen aufwachsen, als junge Menschen, die den demokratischen Staat aus dem Erlebnis der gerechten Betreuung bejahen, oder ob hier der tiefe Groll eines hungernden und enttäuschten Kindes, dem eine ausreichende Ausbildung vorenthalten wurde, dazu führt, daß es sich abwendet und staatsverneinend heranwächst. Diesem ernsten Problem kann nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt werden.
    Ein besonders schwieriges Kapitel jeglicher Versorgungsgesetzgebung ist die Frage der Elternrente. Die Fassung des vorliegenden Gesetzentwurfs entspricht einer Lösung, die von den besten Kennern des Versorgungsrechts vorgeschlagen und vertreten wird. Indessen ist es nach unserer Auffassung notwendig, die vorgesehenen Einkommensgrenzen zu erhöhen.
    Zur Frage der Heilbehandlung darf ich mich in dieser Grundsatzdebatte auf die Anmeldung der Forderung beschränken, Heilbehandlung für Gesundheitsstörungen, die nicht Folge eines DB-Leidens sind, bei solchen Kriegsbeschädigten, die nicht pflichtversicherungsfähig sind, zu gewähren und sie auf die Familienangehörigen dieses Personenkreises auszudehnen. Da dieser Personenkreis von keiner Krankenkasse aufgenommen wird, entspricht diese Forderung dem Grundsatz einer ausreichenden Versorgung.
    In die Krankenversicherung der Hinterbliebenen, deren Gewährung im Regierungsentwurf wir sehr begrüßen, möchten wir aber auch die Witwen zwischen 40 und 50 Jahren, die keine Ausgleichsrente beziehen, einbezogen wissen. Unter die besonders von der sozialen Fürsorge zu Betreuenden sind neben den besonders genannten Kriegsblinden und Hirnverletzten auch die schwerbetrofffenen Gruppen der Ohnhänder und Querschnittgelähmten einzubeziehen.
    Die Frage der Kapitalisierung der Renten, die ja auch der Bundesarbeitsminister behandelt hat, muß im Hinblick auf die Zinshöhe überprüft werden, wobei überhöhte Zinsen vermieden werden müssen. Eine Angleichung der Zinssätze an die staatlichen Baudarlehen wäre zu begrüßen. Kapitalabfindung auch für die Witwe mit Kind ist ein besonderes Anliegen.


    (Frau Dr. Probst)

    Einer besonderen Regelung bedarf aber die Überleitung zu der neuen Gesetzgebung in den Ländern der französischen Zone, wo zum Teil noch die Sätze der alten Reichsversorgungsgesetzgebung und des Wehrmachtsversorgungsgesetzes in Kraft sind. Diese Frage muß in einem Sonderausschuß, den wir beantragen werden, eingehend überprüft werden mit dem Ziel, sie einer befriedigenden Lösung zuzuführen.
    Abschließend, meine Herren und Damen, darf gesagt werden, daß in dem neuen Bundesversorgungsgesetz ein Fundament gelegt wurde, das in seinen rechtlichen Grundlagen richtig verankert und so angelegt ist, daß es jederzeit ausweitungsfähig ist und einen entsprechenden gesetzlichen Aufbau ermöglicht. In diesem Sinne darf ich mit den Worten schließen, die der Herr Kollege Bazille von der SPD in einer Rundfunkansprache, die er Ende Juli kurz nach dem ersten Bekanntwerden des neuen Versorgungsgesetzes hielt, gesprochen hat:
    Wir haben etwas geschaffen,
    — so sagte Abgeordneter Bazille —
    auf das wir stolz sein können. Wir haben ein Gesetz erreicht, das auf dem Gebiete der Sozialpolitik vorbildlich ist und beweist, daß der gute Wille aller Beteiligten auch in einer schweren und in einer ernsten Zeit dazu führen kann, brauchbare Lösungen zu finden.
    Ich beantrage Überweisung des Gesetzentwurfs an
    den Ausschuß.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU.)