Rede von: Unbekanntinfo_outline
Bei den Personen, die unter den Art. 131 fallen, handelt es sich um Menschen, denen auch ich in vollem Maße zubillige, daß sie ein Leben der Pflichterfüllung im öffentlichen Dienst geführt haben. Weder den Beamten noch den Angehörigen der Wehrmacht wird dies seitens der Bundesregierung abgesprochen. Die Bundesregierung war und ist daher bestrebt, diesen Personen nach besten Kräften zu helfen und ihnen zuzuwenden, was ihnen nur zugewendet werden kann.
Um so mehr bedaure ich, hier einmal davon sprechen zu müssen, daß die Kampfesweise derer, die die Interessen von Personen aus Art. 131 vertreten, nachgerade eine tief betrübliche geworden ist.
Wenn ich das tue, so bin ich mir bewußt, daß ich
als ein gesunder Mensch mit Existenz — nicht
zwar mit einer unbedingt gesicherten Existenz —
zu einem erhöhten Maß von Nachsicht gegenüber dieser Kampfesweise verpflichtet bin. Aber darf ich nicht doch einmal fragen, ob es nicht zu weit geht, wenn verantwortliche Sprecher die Vorlage, um die es hier geht, schlechthin als einen Verfassungsbruch bezeichnen, als ein schändliches Machwerk, als ein frivoles Spiel mit der Ehre der Personen aus Art. 131? Wenn den Sachbearbeitern in den Ministerien und einzelnen Mitgliedern der Bundesregierung nachgesagt wird, sie verleugneten und schändeten die deutsche Geschichte mit dem, was hier getan wird, ja wenn sogar gesagt wird, mit dieser Vorlage werde den Unmenschlichkeiten des Ostens hier im Westen die Krone aufgesetzt,
so meine ich wirklich, daß diese Kampfesweise nicht mehr angeht.
— Jawohl, das sind sehr prominente Sprecher der verdrängten Beamten und der Wehrmachtsangehörigen.
Meine Damen und Herren, was sind wir als Bundesregierung hier anderes als Konkursverwalter, die sich mühen, das wieder in Ordnung( zu bringen, was doch wahrlich nicht von der heutigen Bundesregierung so abgrundtief verfahren worden ist!
Wenn man seinen Unmut auslassen will — und ich sage noch einmal: ich habe dafür angesichts der Not, die in diesen Kreisen umgeht, viel Verständnis —, so möge man diesen Unmut an dem Verantwortlichen auslassen, und das ist nach wie vor Adolf Hitler.
Wenn einer deutsche Geschichte geschändet hat, so ist er es gewesen,
und wenn einer ein frivoles Spiel mit der Ehre getrieben hat, so ist er es gewesen und nicht die Bundesregierung!
Auch wir in der Bundesregierung haben Ehre und Pflichtbewußtsein. Es berührt eigenartig, daß Männer, die so leichtfertig mit der Ehre der Bundesregierung umgehen, ihre Ehrenkränkung besonders darin erblicken, daß diese Vorlage nur zwei ihrer Beförderungen im Dritten Reich zu Lasten unseres bankrotten Volkes anerkennen und honorieren will, aber nicht auch dreifache, vierfache und fünffache Beförderungen durch Hitler. Wenn dies ein Dreh- und Angelpunkt der Ehre sein soll, so kann ich das nur tief bedauern.
Aber, meine Damen und Herren, ich möchte dies
Kapitel der Auseinandersetzungen um Art. 131
nicht weiter vertiefen, sondern wirklich dabei
stehenbleiben, daß wir diesen Personen die allergrößte Nachsicht schuldig sind.
Die Hauptsache ist, daß diese Vorlage jetzt endlich hier im Bundestag in die entscheidende und verbindliche Behandlung eintritt. Es ist bemängelt worden, daß diese Vorlage soviel Zeit gebraucht hat, um bis in den Bundestag zu kommen. Darf ich in solchem Zusammenhang einmal mit ein paar Worten daran erinnern, daß das Bundesministerium des Innern, als es vor nunmehr Jahresfrist hier in Bonn ins Leben gerufen wurde, aus einem völlig leeren Gebäude ohne Menschen und Möbel bestanden hat? Dieses Bundesministerium mußte selbst erst einmal eingerichtet werden, ehe es mit der sachlichen Arbeit beginnen konnte; und zu der sachlichen Arbeit hat vom ersten Augenblick an die Behandlung des Gesetzes zu Art. 131 gehört. Aber, meine Damen und Herren, es hat sich alsbald herausgestellt, daß 41/2 Jahre lang nach dem Zusammenbruch in Deutschland keine zentrale Regierungsgewalt bestanden hat, d. h. daß über ganz wesentliche Fakten und Vorgänge gar keine Unterlagen da waren. In der Zwischenzeit der 41/2 Jahre haben sich wohl einzelne Landesregierungen, Verbände und dergleichen mit Teilproblemen beschäftigt, und sie haben auch Teilerhebungen über das, was unter Art. 131 fällt, angestellt; aber es gab bis zum vergangenen Jahre im Gebiet der Bundesrepublik keine Stelle, die einmal dieses gesamte Objekt angefaßt hätte. Es war daher nötig — und das hat leider Zeit gedauert —, zur Feststellung des ganzen Umfanges Erhebungen in Form der Fragebogen anzustellen, die dann von den Statistischen Ämtern ausgewertet worden sind, bis wir damit im April und Mai überhaupt erst brauchbare Unterlagen bekamen.
Dann trat die Behandlung dieser Materie in das zweite Stadium, nämlich der Suche nach einer Plattform für die Regelung, nach einer finanziellen Plattform sowohl wie nach einer politischen; denn die finanzielle Ausstattung, die der Bundesfinanzminister zur Bewältigung dieses Problems geben konnte, war von Anfang an im Vergleich mit den Ansprüchen, um die es geht, unzureichend. Zahllose Verhandlungen und Beratungen innerhalb der Ressorts und mit den Interessenten und nicht zuletzt auch im Kabinett haben stattgefunden, um diese Plattform zu finden, und als schließlich eine Vorlage von der Bundesregierung gebilligt war, wurde sie durch die Bundesregierung um fast einen Monat zurückgestellt, damit die andere Vorlage über die Versorgung der Kriegsopfer und nach Möglichkeit auch die Vorlage über den Lastenausgleich Tritt fassen könnten, weil es sich hierbei um Dinge handelt, die in einem Gesamtzusammenhang stehen. Das ist leider nur hinsichtlich der Vorlage über die Kriegsopferversorgung gelungen. Sie wird ja heute nachmittag hier noch zur Verhandlung stehen. Dagegen ist der zeitliche Zusammenhang mit dem Lastenausgleichsgesetz nicht herzustellen gewesen, weil diese Vorlage noch einige Zeit der Vorbereitung benötigt.
Nun also ist diese Vorlage bis in den Bundestag vorgedrungen. Niemand ist glücklich über diese Vorlage. Am allerwenigsten sind es diejenigen, die unter Art. 131 fallen, also die verdrängten Beamten und die früheren Wehrmachtangehörigen. Aber, meine Damen und Herren, ich habe den Eindruck, daß auch im Bereich der politischen Parteien und sogar im Bereich des Kabinetts niemand über diese Vorlage glücklich ist. Wenn ich zum Beispiel in der Korrespondenz einer der Koalitionsparteien lese, daß ihre sämtlichen Kabinettsmitglieder dieser Vorlage dem Inhalt nach nicht zugestimmt hätten
und daß andere Kollegen aus dem Kabinett sich auch mehr oder weniger deutlich von dieser Vorlage distanzieren, so werde ich also schließlich der einzige sein, der als der Autokrat in der Bundesregierung diese Vorlage präsentiert.
Daß das eine schlechte Rolle für mich ist, brauche ich wohl nicht sonderlich zu unterstreichen.
Meine Damen und Herren! Ich möchte Ihnen nun zunächst darlegen, wie die Bundesregierung den Art. 131 ansieht, mit anderen Worten, welchen Auftrag er für uns alle beinhaltet. Wir sind der Meinung, daß der Parlamentarische Rat die Ansprüche der verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen nicht materiell geregelt hat. Er hat diese Ansprüche weder aberkannt noch anerkannt; er hat vielmehr, wie die unter uns anwesenden Mitglieder des Parlamentarischen Rates bestätigen, diese Aufgabe auf die Zukunft verschoben, d. h. er hat sie zu einem Auftrag an den Bundesgesetzgeber gemacht. Der Bundesgesetzgeber hat also die Ansprüche der verdrängten Beamten und der Wehrmachtangehörigen konstitutiv zu regeln, er hat sie neu zu gestalten.
Nun wird geltend gemacht, daß der Bund der Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches sei und einfach „erfüllen müsse". Wäre es so einfach, so müßte der Bund sehr vieles erfüllen,
nicht nur Ansprüche von verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen. Ich möchte zu der Rechtsfrage, ob der Bund Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches ist, hier gar nichts Abschließendes sagen, weil die Klärung dieser Frage uns nicht sehr viel weiterführen könnte, und zwar aus zwei Gründen, die meines Erachtens wirklich durchschlagend sind. Einmal müßte die ganz wesentliche Veränderung der tatsächlichen Umstände beachtet werden, die z. B. darin besteht, daß wesentliche Teile des früheren Reichsvermögens heute in der russischen oder in der polnischen Zone oder im Ausland liegen und damit für die Bundesrepublik überhaupt nicht greifbar sind, daß auch diejenigen Teile des Reichsvermögens, die an sich im Bundesgebiet liegen, überwiegend in der Hand der Bundesländer sind. daß die Steuerkraft der Bundesrepublik nur auf einer Einwohnerzahl von 48 Millionen und nicht auf einer Zahl von 70 Millionen Menschen, wie sie dem Deutschen Reich eigneten, basiert. Zudem stehen neben denjenigen, die aus Art. 131 Ansprüche an die Bundesrepublik stellen, noch sehr viele andere Gruppen von Gläubigern: die Kriegsversehrten, die Bombengeschädigten, die Altsparer, die Verfolgten des Naziregimes,
die verschleppten Personen, Demontagegeschädigten, Anleihegläubiger und Lieferanten des Reichs und schließlich die große Zahl der Ostvertriebenen schlechthin.
Dies alles erfordert einfach eine gestaltende Regelung, wenn man der Sache Herr werden will.
Der andere Grund ist der, daß keineswegs alle Personen, die unter Art. 131 fallen, in einem Rechtsverhältnis zum Deutschen Reich gestand en haben.
Von den verdrängten Beamten waren nur rund 50% unmittelbare Reichsbeamte;
die anderen waren Beamte des Landes Preußen,
sie waren Beamte der Vielzahl von Gemeinden in
den russisch und polnisch besetzten Gebieten, sie
waren Beamte irgendwelcher sonstiger öffentlicher
Körperschaften. In den Vorverhandlungen hat als
Beispiel immer der Stadtinspektor aus Breslau
eine Rolle gespielt. Der Stadtinspektor von Breslau
und alle anderen kommunalen Beamten haben nur
zu ihrer Gemeinde und niemals zum Deutschen
Reich in einem Rechtsverhältnis gestanden und
können infolgedessen auch in gar keiner Weise den
Bund als Rechtsnachfolger in Anspruch nehmen.
Es treten im Bereich des Art. 131 viele Beamte auf, die bei einer Gemeinde in der russisch besetzten Zone tätig gewesen sind, sagen wir also z. B.: ein Stadtinspektor aus Magdeburg. Wenn man ihn an den Partner seines Rechtsverhältnisses verweisen wollte, müßte man ihm sagen: „Gehe nach Magdeburg; die Stadt Magdeburg ist ja noch da, sie könnte dich ja anstellen oder könnte dich pensionieren oder, was weiß ich, sonst tun; aber du hast doch gegen das Deutsche Reich bzw. gegen den Bund keinen Rechtstitel."
Im Umkreis dieser Vorlage spielt vollends auch die volksdeutsche Beamtenschaft aus nichtdeutschen Teilen Europas, also etwa der volksdeutsche Richter aus dem rumänischen Staatsdienst, eine Rolle. Ja, meine Damen und Herren, daß dieser Richter keinen Rechtstitel gegen das Reich und damit auch gegen den Bund hat, dürfte füglich auf der Hand liegen. Es gibt also einen großen Teil von Personen, die wir in den Art. 131 einschließen wollen, die aber in gar keiner Weise Rechtstitel gegen das Reich gehabt haben und infolgedessen auch mit einer Rechtsnachfolge des Bundes nicht weiterkommen würden.
Auf der anderen Seite ist anzuerkennen, daß Offiziere und Wehrmachtbeamte im Reichsdienst gestanden sind. Aber hat nicht das Kontrollratsgesetz Nr. 34 vom 20. August 1946 einen Strich durch ihre Ansprüche gemacht?
Im Dezember 1949 haben die Hohen Kommissare dieses Gesetz Nr. 34 für das Bundesgebiet seiner Wirkung entkleidet. Es bleibt aber die Frage stehen, welche Rechtswirkung das Gesetz Nr. 34 angerichtet hat. Offiziere und Wehrmachtbeamte wehren sich leidenschaftlich dagegen, daß irgendwelche rechtliche Nachwirkungen aus diesem Kontrollratsgesetz Nr. 34 bestehen sollen. Das ist verständlich. Erwiesen ist es aber nicht, und es gehört zu einer pflichtgemäßen Darstellung dieser Materie vor dem Bundestag, daß ich auch das hier ausspreche.
Ich möchte mich mit alledem auf keinerlei Einzelheiten versteifen, sondern ich sage: nur mit einer gestaltenden Regelung kommen wir der Sache überhaupt bei. Dafür sprechen, um es kurz zusammenzufassen, die Absichten des Parlamentarischen Rats, der diese Materie auf die Zukunft verschob, die grundlegende Veränderung der Verhältnisse, die ich kurz skizzierte, und schließlich, daß gewisse Gruppen von 131ern überhaupt niemals in rechtlichen Beziehungen zum Reich gestanden haben und auch heute zum Bund nicht stehen, so daß nur eine Neuschöpfung, eine gestaltende Schöpfung ihnen zu Ansprüchen verlielfen kann.
Ich glaube also, daß dieses wirklich die Grundlage für die Aussprache im Bundestag bilden müßte, daß wir alle miteinander aus dem Art. 131 die Aufgabe und die Vollmacht entnehmen, hier rechtsgestaltend zu handeln. Jedenfalls ist das die Grundlage der Vorlage, die die Bundesregierung Ihnen unterbreitet.
Zu dieser Vorlage und ihrem Inhalt möchte ich noch mit einigen Erläuterungen wie folgt Stellung nehmen. Wenn die Vorlage, so wie Sie sie jetzt in den Händen haben, Gesetz werden würde, so würden damit 265 000 Personen im Bundesgebiet Ansprüche erhalten, und zwar 194 000 Personen einen Anspruch auf Alters- und Hinterbliebenenversorgung und 71 000 Personen auf Unterhalt. Zwei Drittel dieser Gesamtpersonenzahl sind Beamte, ein Drittel sind Wehrmachtangehörige. Mit diesen 265 000 Personen steht nicht der ganze Kreis der Menschen vor uns. die unter Art. 131 fallen. Es sind eine ganz große Zahl von Personen aus dieser Regelung herausgelassen; entscheidend dafür war die unzulängliche finanzielle Basis. Der Bundesfinanzminister hat zu wiederholten Malen erklärt, daß er aus den Bundesmitteln keinen größeren Betrag als 350 Millionen DM jährlich für diese Zwecke zur Verfügung stellen kann.
Wir standen also vor der Frage: Was machen wir damit? Und damit verband sich alsbald auch die Frage, ob nicht auf eine andere Weise eine Erhöhung der Mittel zu finden war, um höhere oder weitergreifende Ansprüche zu geben. Aus dieser Überlegung heraus, meine Damen und Herren, beinhaltet die Vorlage auch den Vorschlag, daß die sogenannten Westbeamten und Westpensionäre mit 3°/o ihres Einkommens gekürzt werden sollen. Die Bundesregierung macht diesen Vorschlag wahrlich schweren Herzens. Denn es muß hier vor der ganzen deutschen Öffentlichkeit einmal unterstrichen werden, daß die Beamten und öffentlichen Bediensteten bis zu dieser Stunde auf den Einkommensbezügen des Jahres 1927 stehen.
Sie haben damit ein ungeheures Maß an Opfern für die Wiedererrichtung geordneter Verhältnisse beigetragen, das nur mit höchstem Respekt immer wieder vor der Öffentlichkeit dargestellt werden kann.
Wenn wir dennoch den Vorschlag machen und den Bundestag bitten, es zu prüfen, ob hier eine dreiprozentige Kürzung Platz greifen kann, so tun wir es um deswillen, weil wir den Personen, die unter Art. 131 fallen, den verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen, eben nach Kräften mehr Mittel zuwenden wollen als die aus dem Bundesetat allein verfügbaren 350 Millionen. Die dreiprozentige Kürzung würde nämlich den Spielraum um weitere 120 Millionen DM verbessern. Aber auch von dieser Verbesserung aus, von der Sie zu entscheiden haben, ob Sie sie Platz greifen lassen wollen, wird es nicht möglich, den ganzen Personenkreis der 131er zu bedenken.
Es war also weiterhin nötig, diesen Personenkreis einzuengen und seine Ansprüche herab-
zudrücken. Zur Einschränkung des Personenkreises
dient einmal die Wiederherstellung einer zehnjährigen Wartezeit, bevor jemand Versorgungsansprüche erwirbt, mit anderen Worten die Wiederherstellung desjenigen Beamtenrechts, das bis 1937 gegolten hat. Im Jahre 1937 wurde unter dem nationalsozialistischen Regime das Beamtenrecht so geändert, daß derjenige, der in das Beamtenverhältnis eintrat, vom ersten Tag seiner Bestallung an unter Umständen pensionsberechtigt sein konnte. Das diente den braunen Parteibuchbeamten. Es dreht sich also, wenn wir die zehnjährige Frist wiederherstellen, um gar nichts anderes als um eine Entnazifizierung des Beamtenrechts, also um eine Rückkehr zu den altgewohnten Regeln, die vor 1933 in Geltung waren. Diese Wiedereinführung der zehnjährigen Wartezeit würde im besonderen Maße die Wehrmacht-angehörigen treffen und deren zahlenmäßigen Anteil an dieser Regelung beschränken. Es würden nämlich alle diejenigen keine Versorgungsansprüche erheben können, die nach dem 8. Mai 1935 berufsmäßige Angehörige der Wehrmacht geworden sind.
Zu den Einengungen des Personenkreises gehört des weiteren, daß wir den Angehörigen des früheren Reichsarbeitsdienstes wohl diejenigen Ansprüche erhalten wissen wollen, die sie vor dem Eintritt in den Reichsarbeitsdienst aus Beamtenoder Wehrmachtverhältnis hatten, daß wir ihnen aber aus dem Reichsarbeitsdienst als solchem keine neuen oder zusätzlichen Ansprüche geben wollen.
Zu der Einschränkung des Personenkreises gehört endlich, daß als Unterhaltsberechtigte — das
sind also arbeitsfähige Personen aus dem Umkreis von Art. 131 — nur solche anerkannt werden sollen, die das 50. Lebensjahr erreicht oder überschritten haben. Die jüngeren sollen zurückstehen, damit für die anderen wenigstens eine einigermaßen tragbare Regelung zustandekommt. Würde man bei dem Unterhaltsgeld keinerlei Altersgrenze einführen, so kämen weitere 88 000 Personen in den Versorgungskreis hinein, und der Aufwand würde sich allein aus diesem Grunde um weitere 115 Millionen DM jährlich erhöhen.
Daneben geht einher eine Einschränkung der
Ansprüche. Mit der Wiederherstellung der zehnjährigen Wartezeit ist auch eine Kürzung der
Pensionen verbunden, weil die Pensionsskala nun
erst nach zehnjähriger Dienstzeit sich zu entwickeln beginnt. Eine Einschränkung der Ansprüche ergibt sich sodann aus unserem Vorschlag,
daß für Beamte und Wehrmachtangehörige nur
zwei Beförderungen in der Zeit zwischen 1933 und
1945 anerkannt werden sollen. Wir stehen auf dem
Standpunkt, daß die ungeheure Aufblähung des
Staatsapparates und vor allen Dingen der Wehrmacht in jenen Jahren Beförderungen ermöglicht
hat, die außerhalb des normalen Werdeganges
liegen, und daß wir als bankrottes Volk nicht in
der Lage sind, alles das zu honorieren, was bei
diesen Ausweitungen und dieser Aufblähung über
halb Europa hin damals zustande gekommen ist.
Zu der Einschränkung der Ansprüche gehört ferner der Vorschlag, daß Privateinkommen von mehr als 50 Mark monatlich anrechnungspflichtig wird, und gehört vor allen Dingen, meine Damen und Herren — das muß natürlich ganz offen gesagt werden — der Vorschlag, den Versorgungsberechtigten im Mittel nur 74 % ihrer rechne-f rischen Ansprüche und den Unterhaltsempfängern nur 52 "lo des erdienten Ruhegehalts zu geben.
Das sind natürlich die allerfundamentalsten Kürzungen. Von einer Gleichstellung mit den Westbeamten oder Westpensionären kann demnach in der Tat keine Rede sein. Da liegt aber der ganze Schwerpunkt der Forderungen der früheren Wehr-machtangehörigen und verdrängten Beamten. Aber, meine Damen und Herren, Sie als Bundestag werden ja nun genau so wie bisher wir als Bundesregierung ganz einfach vor der Frage stehen: Wo schaffen Sie mehr Mittel her, als bis jetzt hier disponiert worden sind, oder wie verteilen Sie die verfügbaren Mittel anders? Sie können nur dann an einer Stelle etwas zulegen, wenn Sie zuvor bei einer anderen Stelle etwas weggenommen haben. Also diese ganze Bedrängnis, die bis jetzt monatelang die Ressorts und die Bundesregierung erfüllt hat, wird sich nun auf Sie verlagern.
Das ist durchaus kein billiger Trost meinerseits. Aber ich darf noch einmal unterstreichen, daß alle Vorarbeit hier wirklich mit ganzem Einsatz von Kraft und mit äußerstem Wohlwollen gegenüber den in Not geratenen Personen, um die es hier geht, geleistet worden ist.
Meine Damen und Herren, lassen Sie mich bitte zu dem guten und richtigen Verständnis dieser Vorlage aber auch noch folgendes sagen. Die Vorlage vermeidet es, die Ansprüche der verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen aus ihrer früheren Position zu annullieren. Sie geht von den individuellen Ansprüchen aus, von der individuellen Position, die jeder einzelne gehabt hat. Wenn Sie z. B. jetzt einmal einen Blick in den § 31 der Vorlage werfen, der von der Errechnung des Ruhegehalts handelt, so werden Sie da finden, daß für jede der 265 000 Personen, von denen ich sprach, von der eigenen, individuellen Rechtsposition früherer Zeit ausgegangen wird. Es wird errechnet, was jedem zusteht, und dann wird gesagt, daß darauf zur Zeit 100 Mark voll, zwischen 200 und 300 Mark zwei Drittel und über 300 Mark ein Drittel gezahlt werden. Es wird darauf vertröstet, daß das Fehlende durch das Haushaltsgesetz späterer Jahre zugelegt wird — das steht in dem letzten Absatz dieses zitierten Paragraphen -, und vor allen Dingen auf die Bindung der 350 Millionen Mark, die der Bundesfinanzminister für diese Zwecke disponibel gemacht hat, an die Ansprüche dieses unter Art. 131 fallenden Personenkreises. Bitte, schlagen Sie den § 79 der Vorlage auf, in welchem ausdrücklich gesagt ist, daß dieser Betrag von 350 Millionen Mark immer für die Ansprüche der verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen wird eingesetzt werden müssen, auch wenn dieser Personenkreis aus irgendwelchen Gründen zusammenschmilzt oder was sonst auch eintreten möchte. Daraus wollen Sie bitte entnehmen, daß hinter dieser Vorlage der ernste Wille steht, den verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen das zu geben, was sie unter der vollen Gleichstellung verstehen und von ihr erwarten. Es soll ihnen gegeben werden mit der fortschreitenden Zeit, sobald die Umstände es erlauben.
Von den Sprechern der verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen ist gesagt worden, wir möchten doch ihre Ansprüche heute zu 100% an-
erkennen und dann eine Kürzung, eine Quotierung eintreten lassen; das entspräche mehr ihrem Gefühl der Würde und der Geltung, das ja auch in diesen Dingen mitschwingt. Aber, meine Damen und Herren, dieser Weg ist nicht gangbar. Man kann nicht ein Recht zu 100% anerkennen, es aber nur teilweise auszahlen wollen. Es muß der umgekehrte Weg gegangen werden, daß ein Rechtsanspruch nur in der Höhe gegeben wird, wie ihn die Bundesrepublik jetzt auch erfüllen wird, und daß die Bundesrepublik darüber hinaus sagt, sie werde sich bemühen, diesen Rechtsanspruch von Jahr zu Jahr zu steigern, und zwar aus den beiden von mir genannten Ansätzen.
Schließlich möchte ich noch mit einem kurzen Hinweis auf die Unterbringung zu sprechen kommen, die ja auch in der Vorlage enthalten ist. Meine Damen und Herren, es wäre wahrlich das Gesündeste, das Beste und das Schönste, wenn wir den verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen dadurch wieder zu einer Existenz verhelfen könnten, daß sie irgendwo wieder in den öffentlichen Dienst übernommen würden. Die Vorlage bemüht sich, das zu bewerkstelligen, indem sie den öffentlichen Dienstgebern eine Unterbringungspflicht auferlegt. Diese Unterbringungspflicht begegnet einem großen Widerstand. Es ist auch nichts anderes zu erwarten, als daß hier ein lebhafter Widerstand einsetzt angesichts der Übersetzung der öffentlichen Verwaltungen verschiedenster Art, so daß an vielen Stellen eher ein Abbau als eine weitere Aufblähung geboten wäre. Bei der praktischen Durchführung dieser Unterbringung werden sich also ganz gewiß erhebliche Schwierigkeiten und Widerstände ergeben. Die Unterbringungsfrage kann letzten Endes in einer guten Weise nur gelöst werden, wenn alle Beteiligten mit gutem Willen an die Sache herangehen, wenn also etwa solche Gemeinden in der Bundesrepublik, die bis heute nur 1 oder 2 % ihrer ganzen Beamtenschaft aus den Flüchtlingen entnommen haben, während andere das zu 20 und 30% getan haben, sich diese letzteren Gemeinden einmal zum Vorbild nehmen würden.
Damit kann ich meine einleitenden Ausführungen abschließen. Ich hoffe und wünsche den verdrängten Beamten und Wehrmachtangehörigen nichts sehnlicher, als daß es möglich sein würde, das noch zu verbessern, was Ihnen heute hier als Vorlage unterbreitet worden ist. Die Bundesregierung wird die weiteren Beratungen, die jetzt Ihre Sache sein werden, mit gleichbleibendem Interesse an der bestmöglichen Gestaltung dieser Dinge begleiten und nach wie vor das ihre dazu tun, daß die bestmögliche Lösung gefunden werde.