Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Über die Personenkreise des Art. 131 sind viele staats- und sogar völkerrechtliche Ausführungen gemacht worden. Mindestens ebenso überzeugend sind aber zwei Vorgänge, die wir alle erlebt haben. Der eine ist die Unterbringung der 1918 aus Elsaß-Lothringen und aus Oberschlesien zurückströmenden Beamten und Wehrmachtangehörigen. Die Aufgabe konnte damals im Verhältnis zu unserer Aufgabe spielend gelöst werden. Ebenfalls vergleichbar ist der Vorgang, der nach 1918 in Österreich eintrat, als aus allen Nachfolgestaaten die Beamten und Wehr-machtangehörigen zurückströmten und als nach der Stabilisierung der Währung die große Aufgabe unternommen wurde, den sozialen Verhältnissen einigermaßen Rechnung zu tragen. Damals wurde die Frage der Nachfolgerschaft des Reiches und Österreichs in keiner Weise aufgeworfen; damals wurden die Aufgaben als politische, als nationale Aufgaben erfüllt.
Der Art. 131 umreißt nun Flüchtlingsbeamte, Wehrmachtangehörige und einheimische Beamte, die aus nicht beamten- oder tarifrechtlichen Gründen aus ihrer Stellung gekommen sind; er betrifft weiterhin die Angestellten und die Arbeiter. Wir bekennen uns zur Lösung für alle Gruppen nicht nur aus rechtlicher, sondern auch aus sozialer Verpflichtung. Wir wollen insgesamt — was sich ja heute ergeben hat — auch für die Wehrmacht eintreten. Ich sehe darin auch ein Bekenntnis dazu, daß die Wehrmacht — mit den Ausnahmen, die ich nicht zu erwähnen brauche — ihre Pflicht getan hat und daß die Zeit der Diffamierung vorüber ist. Ich darf hervorheben, daß die Anerkennung der Beamtenschaft, die heute durch die Ausführungen aller Redner hindurchgegangen ist, doch eine Wandlung in der Beurteilung gegenüber etwa dem Jahre 1945 erkennen läßt.
Nun wurde von Herrn Kollegen Menzel schon hervorgehoben, daß wir auch die Beamtenschaft in Berlin und alle die Gruppen in Berlin, die unter Art. 131 fallen, nicht vergessen dürfen. Das ist um so selbstverständlicher, als alle diejenigen, die aus Berlin evakuiert sind, schon unter dieses neue Gesetz fallen werden. Wir müssen infolgedessen auch für alle diejenigen die Konsequenz ziehen, die sich noch in Westberlin befinden, trotz aller verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten, die zur Zeit noch bestehen, die aber wohl überwunden werden können.
Im Mittelpunkt steht nun die, Frage der Rechtsgrundlage, wie ja überall hervorgehoben worden ist. Wenn man den Gesetzentwurf und seine Begründung objektiv beurteilt, dann ist die Fortdauer des Beamtenverhältnisses anerkannt. Andernfalls, wenn das Dienstverhältnis nicht als fortbestehend anerkannt werden würde, könnte ja nicht von einer Außerdienststellung gesprochen werden.
Nun ist allerdings gesagt worden — und es wird heute noch weiter gesagt werden —: volle Anerkennung der Rechtsverhältnisse ohne Rücksicht darauf, wie die Erfüllung erfolgen kann. Es ist auch früher schon hervorgehoben worden und wird vielleicht heute noch hervorgehoben werden: auch der Richter spricht Recht über Rechtsverhältnisse, und die Frage der Erfüllung des Urteils ist eine spätere Angelegenheit. Nun, mit dieser Argumentation ist diesen Kreisen nicht gedient; denn es handelt sich für sie nicht nur um die Anerkennung des Rechts, sondern auch um die Möglichkeit der Leistung. Es kommt auf die Leistung ebenso an wie auf die Anerkennung des Rechts. Sie muß sich natürlich auch nach den finanziellen Verhältnissen richten. Das möchte ich gegenüber den Ausführungen, die von der finanziellen Folge vollkommen absehen, hervorheben.
Im Mittelpunkt des Gesetzentwurfs steht zweitens die Frage der Unterbringung. Alle in Frage kommenden Kreise haben immer wieder hervorgehoben: Wir wollen nicht Unterhaltsgelder, wir wollen in unserem Beruf wieder verwendet werden. Die Regelung des Gesetzentwurfs bringt nun System und Ordnung in die Wiederverwendung, während in den Jahren 1945 und 1946 doch der Zufall ausschlaggebend gewesen ist und derjenige eine Anstellung bekommen hat, der gerade vor der Tür der Verwaltung gestanden ist, die neue Kräfte gebraucht hat. An eine Verdrängung derjenigen, die im Jahre 1945 eingetreten sind, denkt natürlich niemand. Die Freimachung von Stellen durch Pensionierungen, durch anderweitiges Ausscheiden,
durch Übergang von Angestellten, namentlich der allertüchtigsten, die aus der Wirtschaft und Technik stammen, in den freien Beruf, was wiederholt beobachtet wird, wird die Verhältnisse erleichtern.
Nun wird darauf hingewiesen, daß dadurch zwei Gruppen entstehen, einmal diejenigen, die unter Art. 131 fallen, und zum andern diejenigen, die im Dienste stehen. Wir würden es begrüßen, wenn die Gleichberechtigung, die heute wieder betont worden ist, erreicht werden könnte. Wenn die Herren, die das heute so stark betont haben, uns auch in der Beschaffung der Mittel unterstützen, werden wir gern den Weg gehen, der die volle Gleichberechtigung bringt. Diese Voraussetzung muß allerdings geschaffen werden.
Weiter wird eingewendet, daß der Gesetzentwurf eine neue Entnazifizierung bedeute. Das ist zweifellos nicht der Fall. Denn wenn in dem Entwurf steht, daß Ernennungen und Beförderungen nicht anerkannt werden, die ausschließlich mit Beziehung zum Nationalsozialismus erfolgt oder überwiegend durch ihn bedingt sind, so ist das nicht der Wiederbeginn einer Entnazifizierung, sondern nur die Beseitigung der Folgen des Mißbrauchs eines politischen Einflusses und eines Mißbrauchs des Beamtenrechtes, die wohl allgemeine Billigung finden wird, außer von seiten derjenigen, die hiervon betroffen werden.
Über Einzelfragen, über Stichtage, Besoldungsdienstalter und viele andere Dinge wird im Ausschuß sehr viel zu reden sein. Aber daß wir den Entwurf zur Grundlage unserer Beratung machen, um zu einem möglichst guten Erfolg zu kommen, das ist doch der Wille aller, die sich heute zu dieser Arbeit bekannt haben.
Ich darf nur noch einen Punkt hervorheben. Wir müssen natürlich auch diese Frage wie die kommende und vom Standpunkt der sozialen Verhältnisse noch wichtigere Versorgung der Kriegsopfer im Rahmen unserer Gesamtaufgaben und im Rahmen unseres Gesamtkönnens beurteilen. Wir verstehen auch, wenn von seiten der Leute, die nun fünf Jahre lang auf eine erlösende Maßnahme gewartet haben, Kritik geübt wird und wenn auch temperamentvolle Worte gefallen sind. Wenn aber von Empörung gesprochen wird, dann muß ich sagen: sie muß sich gegen diejenigen richten, die diesen Zustand herbeigeführt haben.
So schwierig die Aufgabe ist, insbesondere in finanzieller Beziehung, so müssen wir doch sehen, wie wir sie irgendwie zu meistern imstande sind und wie wir alles versuchen, um die dreiprozentige Steuer auf die Beamtengehälter usw. zu vermeiden. Ich bitte noch einmal alle die Herren, die sich heute so temperamentvoll für die Gleichberechtigung ausgesprochen haben, uns auch in der finanziellen Frage entsprechend zu unterstützen.
Wir werden gern mit allen Mitteln die Herbeiführung des Rechtes und der Gerechtigkeit in diesem Entwurf zu verwirklichen suchen. Es ist möglich, daß wir die Frage der Unterbringung vorweg behandeln, um damit auch die finanzielle Frage zu erleichtern. Dieser Weg ist in früheren Monaten schon besprochen worden, und er liegt auch dem Antrag der FDP zugrunde. Er bietet eine Möglichkeit, die zweite Frage — die Versorgungsfrage, die finanzielle Frage — zu entlasten. Schließlich bietet der Entwurf ja die Möglichkeit, eine Revision, eine Aufbesserung nach Lage der Verhältnisse zu versuchen. Bei der Vielgestaltigkeit der Schicksale aller unter Art. 131 fallenden Kreise
wird es vielleicht notwendig sein, nach 1 oder 2 Jahren eine Revision zu versuchen, um das zu erreichen, was zur Stunde nicht voll erreicht werden kann.