Gesamtes Protokol
Guten Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die
Sitzung ist eröffnet.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, müssen wir
einen Geschäftsordnungsantrag behandeln. Die Frak-
tion der FDP hat fristgerecht beantragt, die zweite Bera-
tung des Haushaltsgesetzes 2004 sowie die Beratung der
Beschlussempfehlung zum Finanzplan des Bundes 2003
bis 2007 von der heutigen Tagesordnung abzusetzen.
Das Wort hat zunächst Kollege Jürgen Koppelin,
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Warum die FDP-Fraktion die Aussetzung der Beratun-gen zum Haushalt 2004 beantragt, möchte ich Ihnen an-hand von acht Punkten darlegen:Erstens. Mit dem Bundeshaushalt 2004 ist erstmals inder Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einHaushalt des Bundes bereits vor der Verabschiedungnicht beschlussfähig.
Dieser Haushalt ist auch nicht beratungsfähig. Er war imskGblduDnmtDhdsddPtRedetEntwurf verfassungswidrig und ist es auch noch nachden Ausschussberatungen.
Zweitens. Das Ziel der Konsolidierung wird verfehlt.Die Höhe der geplanten Neuverschuldung überschreitetdie Höhe der Investitionsausgaben bei weitem. Die Be-stimmung aus Art. 115 Grundgesetz wird nach denJahren 2002 und 2003 nun zum dritten Mal bewusst ver-letzt.Drittens. Die Beratungen im Vermittlungsausschusskönnen noch haushaltswirksame Veränderungen in Mil-liardenhöhe ergeben. Es ist nicht abzusehen, welche fi-nanziellen Auswirkungen durch das Vermittlnis hinsichtlich des HaushaltsbegleitgeseGesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit,zes zur Gemeindefinanzreform, des Gesetzes
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6628 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003
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– Oh.
– Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition,ich bin schon etwas länger in diesem Geschäft. Wenn ichmich richtig erinnere, dann war Oskar Lafontaine derletzte Finanzminister, der so viel Beifall bekommen hat.Eine Woche später trat er zurück. Daran erinnere ichmich sehr gut.
Herr Bundesfinanzminister, mit Blick auf denHaushalt 2004 und den Stabilitäts- und Wachstumspaktappelliert die FDP an Sie: Nehmen Sie Vernunft an, set-zen Sie die Haushaltsberatung aus und kehren Sie zurückzu einem geordneten Haushalt, der entsprechend denHaushaltsgrundsätzen aufgestellt worden ist! Hören Sieendlich auf, vorsätzlich gegen gesetzliche Regelungenzu verstoßen und sie zu brechen!
Ich erteile Kollegen Joachim Poß, SPD-Fraktion, das
Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der An-trag der FDP, dem die Union beitritt, ist ein weitererVodurpssdmDgSSatmkfWDlidgAim1efw
Genauso wie die FDP heute, hat das die CDU/CSUchon in der Bereinigungssitzung des Haushaltsaus-chusses am 13. November 2004 versucht. Wir werdenen FDP-Antrag heute genauso zurückweisen wie da-als den Antrag von CDU/CSU.
ie Menschen in Deutschland wollen, dass wir zu Er-ebnissen kommen.
ie sind die taktischen Spielchen und Hängepartien, dieie veranstalten, leid.
Im Bundeshaushalt, der vom Haushaltsausschuss ver-bschiedet wurde, ist die Umsetzung aller vom Bundes-ag beschlossenen Reformgesetze enthalten, er gibt so-it eine umfassende und vor allem bis ins Detailonkrete Antwort auf die anstehenden wirtschafts- undinanzpolitischen Probleme.
o sind eigentliche Ihre konkreten Alternativen, meineamen und Herren von der Opposition?
Ihnen geht es in Wahrheit doch gar nicht um den vor-egenden Bundeshaushalt. Sie wollen vielmehr nicht,ass SPD und Grüne die vorgelegten dringend notwendi-en Strukturreformen und -maßnahmen durchsetzen.us parteitaktischen Gründen wollen Sie offensichtlichmer noch verhindern, dass Deutschland bereits zum. Januar des nächsten Jahres, also in wenigen Wochen,in gutes Stück vorankommt. Das ist Ihr Ziel.
Frau Merkel und Herr Gerhardt, deshalb stelle ichest: Ihr Verhalten ist politisch und ökonomisch verant-ortungslos.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003 6629
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Joachim PoßIhnen ist es offensichtlich egal, was Sie mit dieser Ver-weigerungshaltung anrichten. Wollen Sie das vielleichtsogar?
Auch beim europäischen Stabilitäts- und Wachstums-pakt agiert die Union gegen die deutschen Interessen.
Die heute gefasste Entscheidung des Rates der europäi-schen Finanzminister ist eine gute Entscheidung für diewirtschaftliche Entwicklung und die Arbeitsplätze in Eu-ropa und in Deutschland.
Es wäre ökonomisch absolut unsinnig, wie es leiderdie Herren Stoiber, Merz und Austermann auch heutescheinheilig fordern, über die erheblichen Konsolidie-rungsanstrengungen hinaus, die Bund, Länder und Kom-munen sowieso schon unternehmen, den sich abzeich-nenden Aufschwung kaputtzusparen. Auf der anderenSeite aber verweigern Sie sich jeder Einsparung. DiesesDoppelspiel muss entlarvt werden!
Wir alle hier haben dem Bundesfinanzminister HansEichel für das gute Ergebnis der Verhandlungen in Brüs-sel zu danken.
Das Vermittlungsverfahren ist kein Grund, die Beratun-gen zum Bundeshaushalt auszusetzen. Die dort zu be-handelnden Gesetze sind gute Gesetze, denen auchCDU/CSU und FDP zustimmen könnten, wenn sie end-lich von Parteitaktik, Blockade und Sonthofen-Strategieablassen würden.
Das Argument, ein Haushalt dürfe erst dann verab-schiedet werden, wenn über alles Klarheit bestehe, istunsinnig.
Zu Ende gedacht besteht Klarheit über die Position desEtats 2004 nämlich erst am 31. Dezember 2004.
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Deswegen appelliere ich an Sie: Hören Sie mit denerfahrensspielchen auf! Stellen Sie sich endlich derachdebatte, der Sie sich in den bisherigen Haushaltsbe-atungen entzogen haben.
on daher haben wir jeden Grund, den Antrag der FDPie auch alle sonstigen Störversuche der Opposition ab-ulehnen, so sie denn in dieser Woche noch kommenollten.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Der heutige Tag ist ein schlimmer Tag für dieffentlichen Finanzen in Deutschland; denn diese Bun-esregierung hat offenkundig das Ziel der Konsolidie-ung des Staatshaushalts endgültig aufgegeben.
Schulden statt Konsolidierung lautet die neue finanz-olitische Leitlinie der rot-grünen Bundesregierung.enn ich den Redebeitrag des Abgeordneten Poß Revueassieren lasse, möchte ich ergänzen: Beschimpfung derpposition als Ersatz für überzeugende Politik, meineieben Freunde.
Bei der Beurteilung des Geschäftsordnungsantrageser FDP-Fraktion lassen wir uns von folgenden Überle-ungen leiten: Der Haushaltsentwurf 2004 ist ein vor-ätzlicher Verfassungsbruch, da im Jahre 2004 die Aus-aben für Investitionen, anders als es das Grundgesetzerlangt, viel niedriger als die neuen Schulden sind. Ver-assungsbruch ist kein Kavaliersdelikt. Die Regeln dererfassung sollen die Bürger vor den Übergriffen durchen Staat schützen. Dass sich die Bundesregierung nichtm die Verfassung kümmert bzw. sich über sie hinweg-etzt, macht aus der Regierungsbank eher eine Anklage-ank. Der Dank an den Finanzminister ist eine deutlicheritik an dem umfassenden Versagen seiner Politik füreutschland.
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Steffen KampeterWir müssen weiter berücksichtigen, dass dieser Haus-haltsentwurf für das Jahr 2004 Deutschland an den Randdes Staatsbankrotts führt. Die Dämme, die unsere Bürge-rinnen und Bürger vor überzogener Staatsverschuldungbewahren sollen, werden niedergerissen. Durch das Auf-treten des Finanzministers im Ecofin-Rat ist das Verspre-chen, der Euro werde so stabil sein wie die Mark, un-glaubwürdiger geworden. An die Konsequenzen diesesleichtfertigen Verhaltens der Bundesregierung mögenwir gar nicht denken. Der Vertrag von Maastricht ist keinunverbindliches Geplauder, sondern die völkerrechtlichverbindliche Vo-raussetzung für die Einführung einergemeinsamen Währung. Die rot-grüne Politik versündigtsich durch ihre verantwortungslose Haltung am Erbe derDeutschen Mark.
Der Haushaltsentwurf 2004 basiert weiterhin auf völ-lig unsicheren Annahmen, da im Vermittlungsausschussnoch milliardenschwere Veränderungen vorgenommenwerden sollen. Selbst der Wetterbericht ist mittlerweilezuverlässiger als die Haushaltsplanungen dieser Regie-rung.
So hat diese Koalition allein in den letzten beiden Wo-chen der Haushaltsberatungen weitere 6 Milliarden Euroan Mehrausgaben beschlossen, trotz sinkender Steuer-einnahmen. Im Vermittlungsausschuss liegen Gesetzge-bungsvorhaben, die den Umfang dieses Haushaltes ummehr als 20 Milliarden Euro verändern könnten. Vor die-sem Hintergrund ist es unsolide und verstößt gegenHaushaltswahrheit und -klarheit, die Haushaltsberatun-gen zum gegenwärtigen Zeitpunkt fortzuführen. Siemüssen ausgesetzt werden, bis wir eine solide rechtlicheund finanzpolitische Grundlage für die Haushaltsbera-tungen haben.
Schließlich ist unter Hinweis auf die Geschäftsord-nung festzustellen, dass die Koalition mit dieser Formder unsoliden Haushaltsberatungen das Königsrecht desParlaments, das Budgetrecht, den politischen Opportuni-täten einer gescheiterten rot-grünen Regierungspolitikunterordnet. Der vorliegende Etat ist nicht beschlussreif.Das werden wir heute durch unser Votum zum Ge-schäftsordnungsantrag der FDP deutlich machen.
Diese Haushaltsberatungen sind ein unglaublicher,unsolider Vorgang, der in der Geschichte unseres Parla-mentes seinesgleichen sucht. Dieser Vorgang ist Aus-weis mangelnder Solidität und finanzpolitischer Charak-terlosigkeit der Regierung.
Der Versuch, das Budgetrecht auszuhöhlen, muss von ei-ner Mehrheit des Parlaments zurückgewiesen werden.
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nd sagen, der Haushalt sei nicht beratungsfähig undüsse heute von der Tagesordnung genommen werden.as ist genau die Blockadehaltung, die die Union auchm Haushaltsausschuss an den Tag legt.
Herr Kampeter, auf Sie mit Ihren vollen Backenomme ich gleich noch zu sprechen. –
ie machen jetzt also einen billigen Nachklapp, verlas-en Ihre bisherige konstruktive Verhandlungslinie undagen, dieser Haushalt sei nicht beratungsfähig. Wahr-cheinlich haben Sie Angst, dass Sie als kleine Parteiicht wahrgenommen werden,
nd müssen daher das große Plenum des Bundestagesür solch einen wirklich langweiligen Antrag benutzen.
Ich will aber auch hervorheben, was an diesem An-rag nicht nur billig, sondern richtig schlecht und opposi-onspolitisch schwach ist. Heute ist offensichtlich derag, an dem die Union und die Oppositionspolitiker einroßes Diskussionsbedürfnis haben und sich kritisch mitns darüber auseinander setzen wollen, wie die Finanz-olitik im Lande mit Blick auf die Maastricht-Kriteriennd den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktussieht. Wollen Sie uns hier ernsthaft glauben machen,ie wollten nicht mit uns darüber reden? Oder haben Sieo wenig zu sagen, dass Sie das lieber nicht in der Öf-
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Anja Hajdukfentlichkeit machen wollen? Es ist ein dummer Antrag,Herr Koppelin. Ich glaube, Sie haben das jetzt schon be-griffen.
Wir mussten uns mit dieser Diskussion schon einmalauseinander setzen, weil die CDU/CSU im Haushalts-ausschuss am Ende der Beratung einen ähnlichen Antraggestellt und geäußert hat, sie wolle sich von der Bera-tung zurückziehen, weil sie über den Haushalt nicht be-raten könne. Für mich war das eine Art Arbeitsverweige-rung.
Ich will etwas zu unserer Rolle und Verantwortung alsParlamentarier sagen. Herr Kampeter hat gerade dasBudgetrecht als das Königsrecht des Parlaments be-zeichnet. Ich möchte wissen, wie Sie als Parlamentariermorgens noch in den Spiegel schauen können, wenn Siesagen, Sie wollten das Budgetrecht nicht mehr wahrneh-men, sondern an den Vermittlungsausschuss abgeben.Das ist doch lächerlich.
Im Vermittlungsausschuss werden mehrere strittigeGesetze beraten, unter anderem das Haushaltsbegleitge-setz. Weiterhin wird bis Ende dieser Woche der Haus-haltsplan beraten. Wir werden Sie dazu drängen, sich mituns darüber zu streiten, was an diesem Haushaltsplanschlecht und was an ihm richtig ist. Deshalb werden wirden Geschäftsordnungsantrag ablehnen. Ein kleiner Hin-weis: In keinem Bundesland haben die Union und dieFDP beantragt, die Haushaltsberatungen abzubrechen.Auch ihre Mitglieder sitzen im Vermittlungsausschuss.Das ist alles ein Spektakel an einem eher ernsten Tag,ein ziemlich schlechtes Spektakel. Es findet gleich seinEnde.
– An einem schwierigen Tag. Ich sehe schon, HerrRexrodt will mit uns diskutieren. Er darf wahrscheinlichgleich reden. Herr Koppelin musste vorher reden.
Ich will noch etwas zu dem Argument sagen, demHaushaltsplan fehle die Wahrheit und die Klarheit. DerPunkt, über den wir nachher noch weiter diskutierenmüssen, betrifft die Klarheit und die Erwartungen, dieman an Haushaltszahlen stellt. Wir sind in einer Situa-tion in Deutschland – das hat der Kollege Poß sehr deut-lich gesagt –, in der wir große Veränderungen brauchen.Ein Beispiel sind die großen Strukturreformvorhaben,über die wir uns mit Ihnen streiten, ein weiteres betrifftdie Arbeitsmarktpolitik. Bezüglich der Rentenpolitiksind Sie ja nicht sortiert.
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hre Forderungen sind eine Unverschämtheit.
ie fordern weitere Auflagen für diesen Haushalt und dieegrenzung der Verschuldung. Ihre Auflagen erreichenine Größenordnung von bis zu 6 Milliarden Euro. Dasaben Sie gestern für den Haushalt 2004 beantragt.
Herr Kauder, Sie waren nicht dabei, aber Herr Merznd die anderen Kollegen im Haushaltsausschuss und iminanzausschuss. Sie verkünden vor den Mikrofonen, esüssten weitere Ausgaben gekürzt werden, aber im Ver-ittlungsausschuss lehnen Sie unsere Einsparvorschlägeb, ohne Alternativen anzubieten. Ich bin eher besorgtber das Ergebnis des Vermittlungsausschusses. Deswe-en sage ich: Wir brauchen diese Debatten, um ernst-afte Einsparvorschläge von Ihnen zu bekommen. Beins ist die Ernsthaftigkeit schon vorhanden. Wir strengenns an und sind für Verbesserungen offen. Eine Blockade-altung können Sie sich nicht leisten. Wir brauchen dieseage, um Ihnen diese Erkenntnis beizubringen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer stimmt für deneschäftsordnungsantrag der Fraktion der FDP? – Wertimmt dagegen? – Stimmenthaltungen? – Der Ge-chäftsordnungsantrag ist mit den Stimmen von SPDnd Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen vonDU/CSU und FDP abgelehnt.
Wegen des späteren Beginns der Plenarsitzung ist in-erfraktionell vereinbart worden, den für heute vorgese-enen Einzelplan 17 – Bundesministerium für Familie,enioren, Frauen und Jugend – sowie den Einzelplan 10 –undesministerium für Verbraucherschutz, Ernährungnd Landwirtschaft – auf Mittwoch im Anschluss an deninzelplan 23 zu verschieben. Sind Sie damit einverstan-en? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so be-chlossen.
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6632 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003
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Präsident Wolfgang ThierseIch rufe den Tagesordnungspunkt I auf:a) Zweite Beratung des von der Bundesregierungeingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über dieFeststellung des Bundeshaushaltsplans für dasHaushaltsjahr 2004
– Drucksache 15/1500, 15/1670 –
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-haltsausschusses zu der Unterrich-tung durch die BundesregierungFinanzplan des Bundes 2003 bis 2007– Drucksachen 15/1501, 15/1670, 15/1924 –Berichterstattung:Abgeordnete Dietrich AustermannWalter SchölerAntje HermenauDr. Günter RexrodtWir kommen zunächst zu den drei Einzelplänen, zudenen keine Aussprache vorgesehen ist.Ich rufe den Tagesordnungspunkt I. 1 auf:Einzelplan 01Bundespräsident und Bundespräsidialamt– Drucksache 15/1921 –Berichterstattung:Abgeordnete Herbert FrankenhauserKlaas HübnerFranziska Eichstädt-BohligJürgen KoppelinWer stimmt für den Einzelplan 01 in der Ausschuss-fassung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DerEinzelplan 01 ist einstimmig angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt I. 2 auf:Einzelplan 02Deutscher Bundestag– Drucksachen 15/1902, 15/1921 –Berichterstattung:Abgeordnete Johannes KahrsNorbert KönigshofenFranziska Eichstädt-BohligJürgen KoppelinWer stimmt für den Einzelplan 02 in der Ausschuss-fassung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – DerEinzelplan 02 ist damit einstimmig angenommen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt I. 3 auf:Einzelplan 03Bundesrat– Drucksachen 15/1903, 15/1921 –Berichterstattung:Abgeordnete Petra-Evelyne MerkelfE
gierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzesüber die Feststellung eines Nachtrags zum Bun-deshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2003
– Drucksachen 15/1925, 15/1990 –
Beschlussempfehlung und Bericht des Haushalts-ausschusses
– Drucksache 15/1926 –Berichterstattung:Abgeordnete Dietrich AustermannWalter SchölerAntje HermenauDr. Günter Rexrodtd) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Haushaltsausschusses
zu dem Antrag der Abgeordneten DietrichAustermann, Friedrich Merz, Volker Kauder,weiterer Abgeordneter und der Fraktion derCDU/CSUNachtragshaushalt umgehend vorlegen– Drucksachen 15/1218, 15/1838 –Berichterstattung:Abgeordnete Walter SchölerAntje HermenauJürgen KoppelinSteffen Kampeter
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003 6633
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Präsident Wolfgang ThierseNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache drei Stunden vorgesehen. – Ich höre kei-nen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile dem KollegenDietrich Austermann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Red-ner der Koalition haben bei der Geschäftsordnungsde-batte offenkundig gemacht, dass es einen kollektivenRealitätsverlust gibt
– vielleicht sollten wir erst einmal die Flucht vor derWahrheit ermöglichen –,
denn wir müssen feststellen, dass wir jetzt die Debatte überden schlechtesten Bundeshaushalt der Nachkriegszeit eröff-nen, einen Haushalt, der schon im Ansatz verfassungswid-rig ist, der gegen EU-Recht verstößt, der Rekordschuldenprogrammiert und zur niedrigsten Investitionsquote desBundes führt. So etwas habe ich in den letzten 21 Jahrenim Bundestag noch nicht erlebt. Dieser Haushalt ist dasPapier nicht wert, auf dem er gedruckt ist.
Er vermindert die Chancen der Bürger, egal, ob es eineSteuersenkung geben wird oder nicht. Wenn dieserHaushalt so beschlossen wird, wie Sie ihn vorgelegt ha-ben, wird es nachher allen schlechter gehen.Die rot-grüne Koalition hat in den Beratungen zuge-lassen, dass das wichtigste Recht des Parlaments, dasBudgetrecht, mit Füßen getreten wurde. Zu diesem Er-gebnis muss man jedenfalls kommen, wenn man sich an-sieht, was bei der Beratung vorgelegt wurde und was an-schließend herausgekommen ist.Meine Damen und Herren, ich fasse die Beschreibungder Staatsfinanzen in Deutschland wie folgt zusammen:Der Finanzminister schwächt die Währungsunion, derFinanzminister macht Deutschland Jahr für Jahr ärmer,der Finanzminister redet von Konsolidierung und machtimmer mehr Schulden, der Finanzminister redet vonNachhaltigkeit und zerstört die wirtschaftliche Basis die-ses Landes und der Bundeskanzler steht dabei Schmiere.
Herr Kollege Kampeter hat den Stabilitätspakt ange-sprochen. Wir Deutschen haben mit dem FinanzministerTheo Waigel den Stabilitätspakt durchgesetzt. Damalswurde vonseiten der Sozialdemokraten gesagt, das ganzeVorhaben sei zu wenig rigide, jetzt aber bricht ein SPD-Minister zum dritten Mal in Folge den europäischen Sta-bilitätspakt, und zwar nicht nur beim Defizitkriterium,sondern auch beim Schuldenstand: ein doppelter Rechts-bhwmzVWgZWGvnhDisDLecs–SwtiFDDDBdumsM–PdsvMdnmdgbEnE
Das ist keine böse Vorahnung, sondern eine sachlicherognose. Von Jahr zu Jahr sind die Schulden des Bun-es angestiegen. Wir gehen davon aus, dass die gesamt-taatliche Verschuldung in diesem Jahr ein Volumenon 90 Milliarden Euro haben wird; das sind nachaastricht-Kriterien 4,5 Prozent des Bruttoinlandspro-ukts. Wir gehen des Weiteren davon aus, dass es imächsten Jahr, bedingt durch die falsch gesetzten Rah-enbedingungen, nicht unwahrscheinlich sein wird, dassas Defizit allein beim Bund auf 50 Milliarden Euro undesamtstaatlich, also bei Bund, Ländern und Gemeinden,ei der gesamten öffentlichen Hand, auf 100 Milliardenuro anwachsen wird. Die öffentliche Hand ist alsoicht in der Lage, ausgeglichene Haushalte vorzulegen.s werden 100 Milliarden Euro mehr ausgegeben als
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6634 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003
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Dietrich Austermanneingenommen, Tendenz steigend. Es gibt keinen deutli-cheren Hinweis darauf, dass Sie das Land auf den Wegzum Staatsbankrott geführt haben; dies muss man so klarsagen. Unsere Alternative lautet „Schulden runter,Wachstum rauf“, und nicht, wie das bei Ihnen zurzeit derFall ist, „Schulden rauf, Wachstum runter“.
Man muss außerdem darauf hinweisen, dass geradedie jetzige Bundesregierung und die sie tragenden Koali-tionsfraktionen, die immer wieder das Wort Reform imMunde führen, das genaue Gegenteil von dem tun, wassie ankündigen. Nach dem SPD-Bundesparteitag ist er-kennbar, welche Wachstums- und welche Wirtschaftspo-litik Sie tatsächlich meinen. Wenn der Bundeskanzlersagt, er stehe für den demokratischen Sozialismus,dann kann man nur bestätigen, dass seine Politik damitdurchaus zu identifizieren ist. Professor Sinn formuliertdas etwas anders: Aus dem Programm der SPD und ausdem, was zurzeit geplant sei – Ausbildungsplatzabgabeund höhere Belastungen der Menschen, insbesonderedurch eine höhere Erbschaftsteuer –, folge angesichts ei-ner Staatsquote von bereits 57,2 Prozent, dass er schonheute dichter am Kommunismus als an der Marktwirt-schaft sei. Wenn jemand von demokratischem Sozialis-mus redet, dann glaube ich, dass man das nicht besserbeschreiben kann.
Der Abschluss der Beratungen hat folgendes Ergebnisgebracht: Sie haben die Ausgaben um 6,1 Milliarden Eurogesteigert. Sie haben über 7 Milliarden Euro zusätzlicheheimliche Kredite beschlossen. Sie haben 3,2 MilliardenEuro an globalen Minderausgaben eingestellt. Für unsbedeutet das, dass es keinen ordentlich finanziertenHaushalt gibt.Lassen Sie mich noch etwas zur Finanzierung desVorziehens der dritten Stufe der Steuerreform sagen.Hier geht es dauernd hin und her. Die Sachverständigenhaben darauf hingewiesen, es werde Zeit, dass wir vomSteuerchaos hin zu einer geordneten Finanzierung kom-men. Nach dem Haushaltsentwurf, den Sie jetzt vorge-legt haben, wird das Vorziehen der dritten Stufe derSteuerreform zu 100 Prozent durch Schulden finanziert.Angesichts dieser Sachlage fragt man sich wirklich, obes vernünftig ist, einen Weg zu beschreiten, der eine ein-malige Ausnahme darstellt und der einen zusätzlichen Im-puls hervorruft, dessen positive Wirkung auf das Wirt-schaftswachstum im nächsten Jahr geringer ist als diekalendarische, wohl wissend, dass im Jahr 2005 die Be-lastungen für Bürger und Betriebe in starkem Maße zu-nehmen werden.Auch Ihre Annahme, dass wir vor einem neuen Auf-schwung stehen, dass er praktisch schon vor der Türsteht, ist falsch. Bei einem Wachstum von 1 bis 2 Pro-zent muss man unterstellen, dass die Arbeitslosigkeit imnächsten Jahr weiter steigen wird und dass die Beschäfti-gung weiter sinken wird. Wenn beides eintritt, dann wer-den die Belastungen, die sich für den Bundeshaushalt undddunedAektSlcdgliGbdfgEwbindessDsEdbLHIhbvmmtimEine–mw
Wir lehnen es ab, über die inhaltlichen Details des vor-egenden Haushaltsentwurfs zu diskutieren, solange dessenrundlagen nicht der Realität entsprechen. Lassen Sie micheschreiben, was zurzeit noch offen ist und welche Risikener Haushaltsentwurf enthält. Wir definieren die Risikenür das kommende Jahr – zusätzlich zu der von Ihnen ange-ebenen Nettoneuverschuldung in Höhe von 29 Milliardenuro und einschließlich der heimlichen Krediterhöhung umeitere 6 Milliarden Euro – auf 20 Milliarden Euro. Dasedeutet, dass sich die Risiken der Kreditfinanzierung aufsgesamt 50 Milliarden Euro belaufen. Sie haben bereitsie Auswirkungen des Gesetzes zur Förderung der Steu-rehrlichkeit im Haushalt berücksichtigt. Dabei sind Sieich selber noch nicht einmal einig. Sie haben auchchon den Wegfall der Eigenheimzulage berücksichtigt.abei wissen Sie ganz genau, dass Sie das nicht durch-etzen können. Des Weiteren haben Sie die Kürzung derntfernungspauschale und den Subventionsabbau aufer Grundlage der Vorschläge von Koch und Steinbrückerücksichtigt. Sie gehen außerdem davon aus, dass dieänder dem Bund Einnahmen aus der Umsatzsteuer inöhe von 7 Prozentpunkten abtreten werden. Es ist einrrwitz, anzunehmen, dass das der Fall sein wird. Zudemaben Sie niedrigere Arbeitsmarktausgaben, eine glo-ale Minderausgabe von mehr als 3 Milliarden Euro Pri-atisierungserlöse und Einnahmen im Zusammenhangit der LKW-Maut eingestellt.Ich möchte anhand des Beispiels LKW-Maut deutlichachen, auf welch tönernen Füßen Ihre Finanzkonstruk-on steht: Der Haushaltsentwurf enthält einen Einnah-en- und Ausgabenansatz in Höhe von 2,7 Milliardenuro. Jeder hier und außerhalb dieses Hauses weiß abernzwischen, dass nicht davon auszugehen ist, dass imächsten Jahr durch die Maut wesentliche Einnahmenrzielt werden.
Sie haben einen Sperrvermerk bei den Ausgaben ge-acht, weil die entsprechenden Einnahmen nicht erzielterden. Das ist logisch. Sie müssen den Bürgern aber
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003 6635
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Dietrich Austermannauch sagen, dass die Verkehrsinvestitionen im nächstenJahr um etwa 2,2 Milliarden Euro geringer sein werden.Herr Stolpe rechnet vor, dass Verkehrsinvestitionen inHöhe von 1 Milliarde Euro zur Schaffung von 20 000 Ar-beitsplätzen führen. Das heißt, hier besteht ein Risiko für40 000 Arbeitsplätze im Tiefbau, weil Sie in Ihre Rech-nung nicht die weitere Entwicklung der Maut einbezo-gen haben. Eine einzige Pleite steht gewissermaßensymbolisch für Ihr gesamtes Haushaltsgebaren.
Man muss sich vor Augen halten, dass fast jede Aus-sage, die Sie zu Reformen machen, mit dem Attribut„historisch“ versehen wird. Das haben Sie auch bei derSteuerreform gemacht. Sie wurde dreimal hin und herverschoben. Am 1. Januar 2004 tritt die zweite Stufe inKraft, die eigentlich zum 1. Januar dieses Jahres in Krafttreten sollte. Sie sprachen von der „größten Arbeits-marktreform“ und von der „größten Rentenreform“.Mit Ihrer Rentenreform haben Sie ein sozialpolitisches„Montagsauto“ abgeliefert, das die meiste Zeit in der Werk-statt steht. Am Freitag wird beschlossen, dass 2 MilliardenEuro bei der Rente gekürzt werden; am Sonntag gilt dasnicht mehr. Soll das konsistente Politik sein? Wollen Siedamit Vertrauen schaffen? Ich glaube, das ist ziemlichabwegig. Sie können nicht erwarten, dass wir der Routefolgen, die Sie eingeschlagen haben.Ich habe darauf hingewiesen, dass dieser Haushaltverfassungswidrig ist. Er ist verfassungswidrig, weil dieInvestitionsausgaben deutlich geringer als die neuenSchulden sind. Die Investitionsquote wird die niedrigsteder Nachkriegszeit sein. Das allein ist ein Grund, denHaushalt abzulehnen. Es macht deutlich, dass Sie mitdiesem Haushalt die falsche Richtung einschlagen.Einen Teil dieses Haushalts wollen Sie mit so genann-ten Platzhaltergeschäften finanzieren: Aktien der Tele-kom und der Post werden an die KfW verkauft. Damitdie KfW in der Lage ist, diese Aktien zu kaufen, gibt derBund der KfW einen Kredit. Dies ist ein merkwürdigesGebaren. Es ändert nichts daran, dass die Höhe derSchulden, die gemacht werden, gegen das Haushalts-recht verstößt.Im Ergebnis führt das dazu, dass die Substanz, die ausdem Postvermögen eigentlich gewonnen werden sollte,um damit die Pensionen der ehemaligen Postbedienste-ten zu zahlen, geschmälert wird. Nicht einmal ein Zehn-tel dessen, was Sie in den nächsten Jahren für Pensionenaufbringen werden, kommt aus dieser Substanz. So sindSie mit dem Geld umgegangen! Das heißt, die Postbe-diensteten bekommen ihre Pensionen künftig auf Pumpbezahlt. Das ist ein Skandal für diejenigen, die es be-trifft, aber auch für alle Bürger.
Wir unterstreichen, dass dieser Haushalt gegen dieGrundsätze der Wahrheit, der Vollständigkeit und derEhrlichkeit verstößt. Er verschleiert die tatsächliche Fi-ngIklSd–8egsstvdffSgEsm1gfBtswTdb–Ps6Hwdsn
1,3 Millionen Euro erhält ein Medienberater der Bun-esanstalt für Arbeit. Eine ganz einfache Regel: Weresonders schlecht ist, braucht besonders viel Werbung.
Dass für Leistung Geld gefordert wird, ist nicht dasroblem. Das Problem besteht darin, dass die Bundesan-talt Steuergelder dafür ausgibt. Das bedeutet, dass00 Arbeitnehmer ihre Beiträge nur dafür zahlen, dasserr Gerster eine Imagekampagne machen kann.
Gespart wird nicht. Geld wird verschleudert. Konsumird zulasten der Investitionen ausgeweitet. Wenn Sieurch die Straßen gehen oder die Zeitung aufschlagen,ehen Sie, dass für Vorhaben geworben wird, die nochicht einmal beschlossen sind. „Steuern runter“ heißt es
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Dietrich Austermannzum Beispiel. Öffentlichkeitsarbeit: plus 12 Prozent oder10 Millionen Euro.Die Verfügungsmittel steigen. Die Flugbereitschaftder Bundeswehr wird von Bonusmeilennutzern sinnlosdurch die Luft gejagt: 27 000 Euro. Stellenkürzungenauf dem Papier werden durch Aushilfs-, Honorar- undWerkverträge kompensiert. Die Zahl der Mitarbeiterwird ständig ausgeweitet. Im nächsten Jahr wird es2 500 Mitarbeiter im Bundesdienst zusätzlich geben.Auch das spricht nicht gerade dafür, dass gespart wird.Zudem kritisiert der Rechnungshof die Kreditaufnahmeder Bundesregierung als unwirtschaftlich.Jetzt kommt der eigentliche Hammer, eine Ge-schichte, die meines Erachtens nicht nur die Grünen aufdie Palme bringen sollte. Im Rahmen einer Nacht-und-Nebel-Aktion wird beschlossen, zusätzlich 15,8 Milliar-den Euro – nicht Millionen! – Subventionen für dieKohle bereitzustellen. Da wird über Subventionsabbaugeredet. Da machen Koch und Steinbrück mit unszusammen – wir schließen uns dem ja an – Vorschlägefür den Subventionsabbau und dann geht man her undstellt für die Kohle 15,8 Milliarden Euro zusätzlich ausdem Bundeshaushalt bereit. Das ist wirklich ein Skandal.Erzählen Sie niemandem in Deutschland mehr, Sie wür-den sparen!
Jetzt zu der Frage, was wir denn anders gemacht hät-ten, wenn wir in den letzten Jahren an der Regierung ge-wesen wären. Ich will Ihnen ein paar konkrete Dingenennen. Dabei geht es auch um Einnahmen. Sie habenScheinprivatisierungen und Privatisierungen mit derBrechstange vorgenommen, die vermeidbar gewesenwären. Was haben Sie aus der Bundesdruckerei ge-macht? Über neue Steuern wird ständig diskutiert. Jahrfür Jahr wurden Steuern erhöht. Weitere Erhöhungensind für das Jahr 2004 beschlossen. Aber die Steuerre-form 2000 hat die Kapitalgesellschaften zwei Jahre vonSteuern freigestellt. 23 Milliarden Euro Einnahmen sindBund, Ländern und Gemeinden in den Jahren 2001 und2002 jeweils verloren gegangen, zusammen also 46 Mil-liarden Euro. Die Rückkehr von im Ausland gebunker-tem Geld wird durch Vertrauen hemmende Maßnahmenblockiert. Die Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs un-terbleibt. Zweistellige Milliardenbeträge hätten einge-nommen werden können, sagt der Rechnungshof.Die Bundesregierung hat durch eine falsche Steuerpo-litik auf Einnahmen in erheblichem Maß verzichtet. Siehat – jetzt komme ich zu dem, was ich vorhin zu demideologischen Ansatz, zu dem demokratischen Sozialis-mus gesagt habe – Kapitalgesellschaften, Versicherun-gen, Umsatzsteuerbetrüger geschont; Rentner und Ar-beitslose werden jetzt getroffen. So viel zum Themasoziale Gerechtigkeit.
Wir brauchen einen Politikwechsel für Deutschland.Umfassende Reformen des Arbeitsmarkts, Neubegrün-dung der sozialen Sicherungssysteme, eine umfassendeVereinfachung des Steuersystems und eine tief greifendeEntbürokratisierung sind Kernpunkte eines Politikwech-soGAHanHdgTilsgSGSonPnAdshdB–wkAsrlFrU
Zum Vorziehen der Steuerreform habe ich bereitstellung genommen.Ich möchte abschließend Folgendes sagen: Die Uni-nsfraktionen werden im Vermittlungsausschuss, abericht nur dort, darauf drängen, dass wir wieder zu einerolitik zurückkehren, der die Menschen vertrauen kön-en.
us jeder demoskopischen Erhebung ergibt sich ja, dassie Menschen in Deutschland vor allem beklagen, dassie nicht mehr wissen, was die Regierung will – sie se-en nur, was sie Schädliches anrichtet –, weil sich an je-em Tag in einer Woche die Pläne ändern. Es gibt keineeständigkeit mehr, aber Beständigkeit braucht mandabei ist es egal, ob nun die Steuerreform vorgezogenird oder nicht –, wenn man will, dass investiert undonsumiert wird. Sie erzeugen genau das Gegenteil:ngstsparen und Investitionsblockade.Deswegen kann es nur darum gehen, diese Politik sochnell wie möglich zu stoppen. Die Schulden müssenunter, das Wachstum muss rauf, damit es wieder besseräuft in unserem Land.
Ich erteile das Wort Kollegen Walter Schöler, SPD-
raktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en! Eine so heillos zerstrittene Opposition wie die dernion
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Walter Schöler– Sie können hier so viel schreien, wie Sie wollen – hatunser Land wirklich nicht verdient, das muss man ein-mal feststellen. Frau Merkel will, dass die Vorschlägeder von Altbundespräsident Herzog geleiteten Kommis-sion umgesetzt werden, Ministerpräsident Stoiber lehntdies ab. Der CDU-Generalsekretär Meyer wirft HerrnSeehofer unerträgliches Geschwafel vor. Die Steuerre-form vom Herrn Merz wird in den eigenen Reihen zer-pflückt; das haben wir alle miterlebt. Stoiber giftet Kochan, er solle sein Land Hessen in Ordnung bringen.
Koch pfeift Stratthaus zurück, der der vorgesehenen Fi-nanzierung für das Steuerreformpaket III zustimmenmöchte. Sie befassen sich mit den unsäglichen Äußerun-gen von Herrn Hohmann – wahrscheinlich zu Recht –,aber machen tagelang überhaupt keine Sachpolitik mehrund beteiligen sich nicht an den Haushaltsberatungen. Inder Union findet jetzt anstelle einer Debatte über die Zu-kunft Deutschlands eine Diskussion über Patriotismusstatt. Machen Sie nur weiter so! Zu diesem Gerangelpasst die Rede des Kollegen Austermann übrigens ge-nau: pure Schwarzmalerei.
Ich fand es übrigens interessant, wie Sie, Herr KollegeAustermann, den Kollegen Rexrodt gerade zwischen denZeilen angegangen sind.Diese schrille Vielstimmigkeit und Konzeptlosigkeitkönnten wir ja kopfschüttelnd und leicht belustigt zurKenntnis nehmen, wenn die Lage nicht viel zu ernstwäre. Wir müssen nämlich nach dem Einspruch desBundesrates gegen unsere Reformgesetze zu Kompro-missen mit dieser zerstrittenen Union im Vermittlungs-ausschuss kommen.
Fest steht: Wir wollen den Kompromiss, wenn auchnicht um jeden Preis. Es ist meine große Sorge, dass dieUnion wegen ihrer inneren Zerstrittenheit nicht kompro-missfähig ist und deshalb in einer Blockadehaltung ver-harren wird.Dabei braucht Deutschland dringend die Umsetzungunserer Reformgesetze. Das Land braucht sie, um Ge-sellschafts- und Wirtschaftsstrukturen besser für denglobalen Wettbewerb zu rüsten. Das Land braucht sieauch, um aus der Stagnation herauszukommen. DasLand braucht sie schließlich, um den beklemmend vielenMenschen, die Arbeit suchen, auch wieder Arbeitsmög-lichkeiten und Zukunftsperspektiven zu verschaffen.Deshalb, meine Damen und Herren, fordern wir Unionund FDP auf, sich an der Suche nach einem fairen Kom-promiss im Vermittlungsverfahren zu beteiligen.Meine Damen und Herren von der Opposition, wiehalten Sie es denn mit dem Vorziehen der Steuerentlas-tungen von 2005 auf 2004? Sagen Sie der Öffentlich-keit, was Sie wollen.
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Meine Damen und Herren, den Vorwurf der Opposi-tion, wir hätten den Nachtragshaushalt zu spät vorgelegt,weise ich nochmals entschieden zurück. Ich habe Ihnenschon in der ersten Lesung im November dargelegt, dasses rechtlich zulässig und politisch geboten war, zunächstdie Entwicklung der relevanten Rahmendaten abzuwar-ten. Wir wollten den Nachtragshaushalt auf einer ver-lässlichen Datenbasis aufbauen. Diese liegt jetzt mit derNovembersteuerschätzung sowie dem Herbstgutachtender Forschungsinstitute und den neuen gesamtwirt-schaftlichen Eckwerten der Bundesregierung vor.Der Bundeshaushalt 2004, auf den ich jetzt zurück-komme und der im Übrigen – damit nicht falsche Agen-turmeldungen um die Welt gehen – eine bedeutendniedrigere Nettokreditaufnahme aufweist als der Nach-tragshaushalt 2003, über den ich gerade gesprochenhabe, ist im doppelten Sinne ein Kraftakt, auf den dieKoalition stolz sein kann und auch stolz ist; denn die-ser Haushalt ist zum einen ein Konsolidierungs-kraftakt, wie Sie ihn in Ihrer 16-jährigen Regierungs-zeit nie geschafft haben.
Wir haben ein Einsparpotenzial von rund 14 Milliar-den Euro mobilisiert.gesnzDgt2ggUrdabDhlhtbgWSMudthSWBohndImUdgAsl
ir haben die Reformprojekte haushälterisch umgesetzt.ie sind mit Ihrer Verweigerungsstrategie gescheitert.
eine Damen und Herren, in völliger Fehleinschätzungnserer Kraft haben Sie geglaubt,
amit die Beratungen torpedieren zu können. Dabei hat-en die Unionshaushälter – das muss man sich einmal an-ören – Anfang September noch angekündigt, knallharteparvorschläge vorzulegen.
as ist gekommen? Nichts. Und dann haben Sie für dieereinigungssitzung 309 angebliche Anträge vorgelegt,hne Substanz, weil sie keine Änderungsvorschläge ent-ielten. Zigtausende von Seiten Papierverschwendung,utzlos vertane nächtliche Arbeitszeit für diejenigen, dieem Haushaltsausschuss zuarbeiten müssen – das warhre ganze Leistung. Ihre Pseudoanträge haben Sie dannorgens wieder einkassiert. Welche Blamage für diesenion als Opposition!
Meine Damen und Herren der Union, wie hätten Sieenn wohl getönt, wenn wir Ihrer Taktik auf den Leimegangen wären und die abschließenden Beratungen imusschuss, in der Bereinigungssitzung und auch in die-er Woche im Parlament verschoben hätten bis zur Vor-age eines Vermittlungsergebnisses? Hohn und Spott
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Walter Schölerwäre Ihre Antwort gewesen; Sie hätten gefragt: Waswollen Sie eigentlich? – Wir zeigen Ihnen mit diesemHaushalt, was wir wollen, nämlich auch die haushalts-mäßige Abstützung des gesamten Reformpaketes, daswir in den letzten Wochen und Monaten durch das Parla-ment gebracht haben.
Etatrecht ist Parlamentsrecht, nicht das Recht desBundesrates, nicht das Recht des Vermittlungsausschus-ses. Die Union wollte es den Herren Stoiber und Kochim Vermittlungsausschuss überlassen. Herr Merz hat dasnicht einmal den Herren Stoiber und Koch zugetraut,denn er hat ja gestern noch in der gemeinsamen Sitzungder Ausschüsse beantragt, es der Europäischen Union zuüberlassen. Ich kann Ihnen nur attestieren: Sie haben aufganzer Linie versagt.
Im Übrigen, Herr Kollege Austermann, ist der heutezu beratende Haushalt verfassungsfest. Der Basishaus-halt, also ohne das Vorziehen der Steuerentlastungs-stufe 3, hält die Verschuldungsregel gemäß Art. 115Grundgesetz ein. Die Neuverschuldung liegt unterhalbdes Investitionsvolumens. Rechnet man das Vorziehender dritten Stufe der Steuerreform ein, dann liegt dieNeuverschuldung bei 29,3 Milliarden Euro. Sie liegtdann zwar über dem Investitionsvolumen, aber sie stehtimmer noch im Einklang mit der Verfassung. DiesesÜberschreiten dient nämlich dem Abwenden einer dro-henden Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichge-wichts.
Drei Jahre dieser Stagnation haben allen öffentlichenHaushalten die Luft abgeschnürt. Was wir jetzt brau-chen, sind deutliche Wachstumsimpulse, nicht diesesZusatzsparen, das Sie seit gestern noch als letzten Ver-such, diese Haushaltsberatung zu verhindern, eingesetzthaben. Wir setzen diese Wachstumsimpulse mit demHaushalt 2004.Niemand von uns stellt im Übrigen das Recht der EU-Kommission infrage, die Verletzung der Defizitgrenzevon 3 Prozent zu rügen. Aber die von ihr damit zugleichfür 2004 geforderten zusätzlichen Einsparungen von4 bis 6 Milliarden Euro wären gerade in der gegenwärti-gen Situation kontraproduktiv.
Wachstum ist die Voraussetzung für dauerhafte Konsoli-dierung. Eine auf die schematische Einhaltung von Defi-zitgrenzen ausgerichtete Politik würde prozyklisch wir-ken und die sich abzeichnende Belebung gefährden.Dieser Auffassung hat sich heute die deutliche Mehrheitder Finanzminister der EU-Länder angeschlossen. Ichmöchte Herrn Finanzminister Hans Eichel ganz aus-drücklich dafür danken, dass er mit großem Einsatz undmit viel Überzeugungsarbeit Schaden von unserem Landabgewendet hat.
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Wir halten an dem europäischen Stabilitäts- undachstumspakt fest. Wir kümmern uns um ein wirt-chaftlich starkes Deutschland. Das – und nicht Ihretörversuche, die Sie starten – dient der europäischeninigung. Der Pakt steht für Stabilität und Wachstum.eides bedingt einander.Auch an unserer Rolle als Hauptfinanzier der EUird sich nichts ändern. Deutschland war bisher immerim Übrigen auch während Ihrer Regierungszeit – fürine Sonderleistung oder eine Sonderzahlung gut. Abers muss doch einmal möglich sein, öffentlich und gegen-ber der EU festzustellen, in welcher Höhe uns die fi-anziellen Folgen der deutschen Einheit im Haushaltelasten.
ein anderer europäischer Staat hat solche Lasten wieeutschland zu tragen.
hne diese Verpflichtungen würde unser Haushalt bei-pielhaft dastehen. Das weiß die EU-Kommission; daseiß auch die Opposition. Das sollten Sie von der Oppo-ition einmal einräumen und nicht der Bundesregierunguf europäischer Ebene mit öffentlichen Verhandlungs-atschlägen in den Rücken fallen.Was Herr Glos heute erklärt hat, ist übelste Polemik.r spricht beispielsweise von Leichenfledderei, vonrabräubern und von Totengräbern des europäischentabilitätspaktes.
ie wollen der Öffentlichkeit weismachen, dass es so sei.ch sage Ihnen dazu: Sie haben mit Herrn Glos jemandenn Ihren Reihen, der nicht nur eine üble Sprache spricht,
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Walter Schölersondern der auch die Mehrzahl der europäischen Finanz-minister mit seinen Äußerungen beleidigt.
Der Bundeshaushalt ist nicht nur Ausdruck einesKonsolidierungskraftaktes. Trotz aller Sparzwänge wur-den Positionen ausgebaut, die mehr Zukunftschancen fürDeutschland schaffen. Ich nenne die Bereiche Bildungund Forschung – darüber diskutieren wir heute Abendnoch –, den Investitionsbereich und die Familienförde-rung. Die Beiträge der Koalitionsredner in der folgendenDebatte werden dies sicherlich eindrucksvoll belegen.
Im Gegensatz zu Ihrer Auffassung, KollegeAustermann, haben wir es für richtig gehalten, die kon-junkturbedingten Steuermindereinnahmen – das warenfast 5 Milliarden Euro – nicht durch Ausgabenkürzun-gen, sondern durch zusätzliche Privatisierungseinnah-men aufzufangen. Entgegen der ursprünglichen Absichthaben wir deshalb die Ausgaben für die Postpensionennochmals aus dem Bereich der Postnachfolgeunterneh-men finanziert. Das ist übrigens – im Gegensatz zu IhrerDarstellung – völlig legitim, da dies im Gesetz für dieFinanzierung der Pensionszahlungen so vorgesehen war.Sollte die Regierung zur Privatisierung wieder das In-strument der Platzhalterverträge mit der KfW nutzen,würden wir dies ausdrücklich begrüßen. Denn durchdiese Zwischenlagerung ist ein erheblich flexibleres He-ranführen an die Börse möglich. Das hat im Übrigennoch im Sommer die vom Markt äußerst positiv aufge-nommene Telekom-Wandelanleihe gezeigt. Platzhalter-verträge haben auf der Zeitachse wegen ihrer flexiblenHandhabung erhebliche Vorteile, auch wenn der Rech-nungshof das anders gesehen hat.
Sie sind deshalb bei längerfristiger Betrachtung für denBund finanziell vorteilhaft.Der Bundeshaushalt verbindet die Notwendigkeit vonstrukturellen Reformen und Konsolidierung. Er setztdarüber hinaus dringend erforderliche Wachstumsim-pulse, unter anderem durch das Vorziehen der drittenStufe der Steuerreform. Jetzt kommt es darauf an, dassKoalition und Opposition im Vermittlungsverfahrenaufeinander zugehen, um die notwendigen Reformen zuvereinbaren. Die ökonomische und die politische Ver-nunft gebietet dies. Wir sind es, die diese notwendigenReformen eingeleitet haben. Damit wird die Koalitionihrer Verantwortung gerecht.Jetzt kommt für Sie die Stunde der Wahrheit; jetzt ha-ben Sie Ihre Vorstellungen auf den Tisch zu legen. Siekönnen das im Bundesrat tun; Sie können das Reformpa-ket mittragen; Sie können auch diesen Bundeshaushaltmittragen. Unser Land, Bund, Länder und Gemeinden,braucht diese Reformen, und zwar jetzt.
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Ich erteile das Wort Kollegen Günter Rexrodt, FDP-
raktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das unsorgelegte Zahlenwerk ist unfertig und realitätsfern.
as Zahlenwerk leidet unter einem strukturellen Pro-lem. Dieses strukturelle Problem ist so groß, dass esns jeden Freiraum, in diesem Lande eine gestalterischeolitik zu machen, nehmen wird, wenn wir das Rudericht herumwerfen.Man kann mit wenigen Worten und Zahlen umreißen und dies im Übrigen abseits parteipolitischerolemik –, um was es geht: Die Gesamtausgaben desundes stiegen zwischen 1998 und 2004 um 24 Milliar-en Euro bzw. um 11 Prozent. Das ist zwar zu viel; aberas lasse ich einmal dahingestellt. Entscheidend ist, dassn ebendiesen fünf Jahren, bezogen auf den Gesamthaus-alt, der Anteil der Arbeitsmarktausgaben um 2,5 Pro-ent und der Anteil der Zuweisungen an die Rentenkas-en um sage und schreibe 8,1 Prozent gestiegen ist undass der Anteil der Sozialausgaben jetzt nicht mehr bei9, sondern bei 49 Prozent liegt.
ies konnte nicht durch die äußerst kritische Reduzie-ung der Investitionsquote von 12 auf 10 Prozent unduch nicht durch die Kürzung der auf die Bundeswehrntfallenden Quote aufgefangen werden.Den Ausweg aus diesem Dilemma hat die rot-grüneoalition in der Ausweitung der Verschuldung gesucht.tatt des „close to balance“, des ausgeglichenen Haus-alts, im Jahre 2004 wurden im Jahre 2003 43,9 Milliar-en Euro neue Schulden gemacht. Im nächsten Jahrerden es zwischen 40 und 50 Milliarden Euro sein. Dasst der Ausweg, den die Koalition gegangen ist. Denann niemand akzeptieren.
Das ist ein Desaster. Das ist ohne jede Übertreibungit einem Scheitern rot-grüner Politik im Ganzenleichzusetzen. Das ist eine Täuschung der jüngeren Ge-eration. Das geht mit der Verletzung völkerrechtlicher
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Dr. Günter RexrodtVerträge einher und hat eine nachhaltige Schädigung desVertrauens in die Politik in diesem Lande zur Folge.
Auf die Folgen im Zusammenhang mit demMaastricht-Vertrag werde ich noch zu sprechen kom-men. Zunächst gilt es aber, sich mit dem auseinander zusetzen, was die Bundesregierung zur Erklärung oderauch zur Entschuldigung dieses Desasters vorgetragenhat. Das läuft mehr oder weniger auf die Aussage hi-naus: Wenn die wirtschaftliche Situation in unseremLande nicht so schlecht gewesen wäre, dann wäre das al-les nicht passiert. Meine Damen und Herren, Sie werdenes mir nicht glauben; aber diese Aussage ist im Kernrichtig. Wenn die wirtschaftliche Lage nicht so schlechtgewesen wäre, dann wäre das nicht passiert. Hinzukommt, dass die demographische Katastrophe ihreSchatten vorauswirft. Das Letztere kann Ihnen niemandvorwerfen, aber die schlechte Wirtschaftslage, die Sieals Entschuldigung heranziehen, kann man Ihnen in ganzentscheidendem Maße zurechnen.
Zweifellos ist es um die weltwirtschaftliche Lagenicht zum Besten bestellt.
Wer sich allerdings die Entwicklung der Außenwirt-schaftszahlen anschaut, kann nicht übersehen, dass vonder Weltwirtschaft eher expansive Impulse auf die deut-sche Wirtschaft ausgegangen sind. Das belegen unsereExportzahlen.Es mangelt vielmehr im Lande selbst an Investitionenund an der Bereitschaft zum Konsum. Deutschland be-wegt sich beim Wirtschaftswachstum am Ende des euro-päischen Geleitzuges. Das ist ein Novum in der Ge-schichte dieses Landes. Diese Tatsache, dass wir uns amEnde des Geleitzuges befinden, und die damit verbun-dene Krise sind hausgemacht. Diese wirtschaftlicheKrise ist Ausdruck der Krise des Vertrauens in die deut-sche Politik. Das gilt insbesondere für das Vertrauen dermittelständischen Wirtschaft in die Reformfähigkeit die-ses Landes.
Aus einem Land, das noch vor fünf Jahren eine wirt-schaftliche Orientierungsfunktion wahrgenommen hatte,aus einem Land, das zukunftsorientiert gewesen war, istein Land geworden, das mit sich selbst nicht im Reinenist und in dem Zögerlichkeit und Zukunftsangst weit ver-breitet sind.Ich will der Koalition zugute halten, dass es objektivschwierig ist, erfolgsverwöhnte Konsensgesellschaftenzu reformieren. Dass Sie aber wichtige Reformen der90er-Jahre blockiert haben, so zum Beispiel im Steuer-bereich,
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ondern bereits im Jahre 1995. Schauen Sie sich die Zah-en an. In der Zeit zwischen 1995 und 1998 sind die Aus-aben um 20 Milliarden Euro reduziert worden. Dazuam ein konsequenter Privatisierungskurs, der vom da-aligen hessischen Ministerpräsidenten entschieden be-ämpft wurde und der allein in den Jahren 1999 und000 etwa 10,2 Milliarden Euro in die Kassen des Herrnundesministers Eichel gespült hat. Das sind die Fakten.n denen kann keiner vorbei.Sie, Herr Eichel, haben die Ausgaben nicht weiter zu-ückgefahren, und zwar aus den Gründen, die ich Ihnenls prinzipielles Fehlverhalten vorwerfen muss: Vierahre fehlende oder weitgehend verpatzte Reformversu-he, vier Jahre Handeln nach dem Motto „linke Tasche,echte Tasche“. Es gab auf der einen Seite eine Entlas-ng bei den Ertragsteuern und auf der anderen Seite mit-lstandsfeindliche Erhöhungen bei den Energiesteuern,
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Dr. Günter Rexrodtder Tabaksteuer und den Versicherungsteuern. War esso? Oder war es so nicht? Ich sage Ihnen: Es war so.
Einer bürgerlichen Regierung wäre das nicht eingefallen.Wer in diesem Land eine Steuerpolitik betreibt, die denMittelstand, vor allem die Betriebe, die das Rad drehen,vergrätzt, der muss sich nicht wundern, wenn das Ver-trauen in diese Regierung verloren geht.Noch die Diskussionen der letzten Monate sind be-redte Beispiele dafür, wie man nicht vorgehen sollte. Hö-ren Sie von der SPD endlich auf, immer wieder die Ver-mögensteuer in die Diskussion zu bringen!
Jeder weiß, dass private und die betriebliche Vermögen-steuer nicht zu trennen sind. Eine solche Steuer bringtnichts. Das müssen auch endlich die Ideologen in IhrenReihen begreifen.Ähnliches gilt für die Erbschaftsteuer. Auch bei derErbschaftsteuer verunsichern Sie die Menschen. Ichhabe keinerlei Sympathie für Herrn Müller von Müller-milch. Aber Kapital ist ein flüchtiges Reh. Niemandkann die Grenzen schließen, auch Sie nicht. Die Erb-schaftsteuer muss kalkulierbarer gemacht und verein-facht werden. Sie muss überschaubarer werden. Sie darfnicht so gestaltet werden, dass die Menschen die Fluchtergreifen. Den Haushalt damit sanieren zu wollen ist oh-nehin Unsinn.Der Strategie der Verunsicherung wird mit der vonder SPD gewollten Einführung der Ausbildungsplatz-abgabe die Krone aufgesetzt. Eine Ausbildungsplatzab-gabe ist das verkehrteste Instrument, um die Ausbil-dungsbereitschaft in unserem Lande zu erhöhen.
Die Verdrossenheit wird weiter wachsen. Die unterneh-merische Wirtschaft, die davon betroffen ist, opponiert.Eine unglaubliche Bürokratie steht ins Haus. Am Endewird das duale System, einer der wenigen wirtschaftspo-litischen Standortvorteile, die dieses Land noch hat, da-ran kaputtgehen. Sie richten das duale System zugrunde,indem Sie die Ausbildungsplatzabgabe einführen. DiePolitik, die Sie betreiben, ist nicht nachvollziehbar. Wiekann man sich selbst nur so demontieren wie bei derAusbildungsplatzabgabe! Auf der einen Seite bewegenSie sich unter riesigen Schmerzen und Diskussionenzwischen den Reformern und den Linken ein Stück indie richtige Richtung; auf der anderen Seite kommen Siemit einer Erhöhung der Vermögensteuer und der Erb-schaftsteuer sowie der Erhebung einer Ausbildungs-platzabgabe an. Diese Logik müssen Sie den Menschenerklären.
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Die FDP hält das Vorziehen der dritten Stufe der Steu-rreform prinzipiell für richtig. Dem werden wir zustim-en, allerdings nur, wenn davon ein Signal ausgehenann. Dies geht nur, wenn Sie ein vertretbares Finanzie-ungskonzept vorlegen und sich in Bezug auf den Ar-eitsmarkt und ein weiteres, wirtschaftspolitisch enormichtiges Gebiet, nämlich das Arbeitsrecht bewegen.ort muss es Bewegung geben;
enn der Entlastungseffekt kann nur dann eintreten,enn der Arbeitsmarkt nicht so rigide bleibt, wie er ist.as muss verändert werden. Dann können wir über vie-es reden.Viel wirkungsvoller als das Herumbasteln im Systemer Steuervergünstigungen und Finanzhilfen, das wirlle in den letzten Jahrzehnten haben sprießen lassen,äre eine generelle Durchforstung. Am Ende werden ra-ikale Einschnitte unvermeidlich sein. Dazu hat meineartei am 13. Oktober 2003 unter anderem einen Geset-esentwurf vorgestellt, in dem wir unabhängig davon, obie als steuerliche Vorteile oder als Finanzhilfen gewährterden, eine zeitliche Begrenzung und degressive Aus-estaltung aller Subventionen vorsehen. Das Gesetz sollunächst für neue Subventionen gelten. Für bestehendeubventionen ist eine Überprüfung im Laufe von zehnahren anzustreben. Für den Fall, dass auch in Zukunftich sage: ausnahmsweise – Finanzhilfen gewährt wer-en müssen, fallen diese automatisch unter das Geboter zeitlichen Befristung und der Degression.Ein solches Gesetz wäre geeignet, um der öffentli-hen Hand die Finanzierungsinstrumente in die Hand zueben, die sie benötigt, um endlich eine große Steuerre-orm durchzuführen, eine Steuerreform, wie sie von mei-er Partei seit zehn Jahren vorgeschlagen und detailliertorgestellt wird.
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Dr. Günter RexrodtNeuerdings wird sie auch von der CDU, von HerrnMerz, vorgestellt.
Im Übrigen ist in der Politik – anders als in der Schule –das Abschreiben erlaubt. Deshalb sind wir froh und ma-chen weiter so.
Jetzt sage ich einmal etwas Freundliches zur SPD: Indiesem Zusammenhang begrüße ich die Bemühungenvon Koch und Steinbrück ausdrücklich, die durch ihreVorschläge eine wichtige Durchforstung des Subven-tionssystems eingeleitet haben. Die gewählte Systematikund die Bewertungsansätze sind nicht falsch. Das giltaber nicht für das Ausmaß der vorgeschlagenen Kürzun-gen: Jeweils 4 Prozent in den nächsten drei Jahren sindbei einem Gesamtvolumen von 80 Milliarden Euro, daszur Debatte steht, viel zu wenig; das ist zu zaghaft. Wirwollen mehr. Ich glaube auch, dass die von Koch undSteinbrück vorgelegte Liste der nicht zur Dispositionstehenden Subventionen nicht zum Tabu werden darf.
In dem Zusammenhang ist es nun kein besonders hilf-reicher und ermutigender Akt in der Subventionsdis-kussion, dass der Herr Bundeskanzler und der sonst soforsche Herr Bundeswirtschaftsminister die Steinkohle-beihilfen – gewissermaßen die Inkarnation einer über-lebten Erhaltungssubvention – über das Jahr 2006 hinausbis 2012 verlängern wollen. In diesen Wirtschaftszweigsollen noch einmal sage und schreibe 15,7 MilliardenEuro gepumpt werden. Herr Eichel, wenn Sie das nichttäten, hätten Sie in Brüssel sehr viel geringere Probleme.
Das ist keine in sich konsistente Politik. Das wissen Sieauch genau.
– Das alles wissen Sie. Sie haben ein schlechtes Gewis-sen. Das kam alles vor Ihrem Parteitag. Sie mussten einpaar Leuten aus einer bestimmten Region und Richtungnoch etwas geben. Wir wissen das alles doch. Sie betrei-ben hier keine gute Politik.
Ich komme nun zu der Tatsache, dass Sie die Stabili-tätskriterien von Maastricht vor den Augen unsererNachbarn und Partner überall in der Welt ganz vorsätz-lich verletzen. Hier bin ich immer wieder fassungslos.Der Stabilitätspakt ist von der Bundesrepublik Deutsch-land vorgeschlagen und letztlich auch durchgesetzt wor-den.Wir wollten in diesem Lande die über Jahrzehnte ge-wachsene Stabilitätskultur zum Maßstab europäischenHmWrwmrabDsrPmvrAugdzrE3gagDdVinusisHusdeu
ir wussten, dass die Europäische Zentralbank nicht dieigiden Instrumente besitzen kann, wie sie beispiels-eise die Deutsche Bundesbank hatte.Ich kann als Zeitzeuge – es sei mir nachgesehen – un-ittelbar aus den Gesprächen und Verhandlungen be-ichten, wie der Kollege Waigel und an vielen Stellenuch der Bundeswirtschaftsminister darum gerungen ha-en, dass der Stabilitätspakt kein zahnloser Tiger bleibt.
ie Sanktionsmechanismen mussten elementarer Be-tandteil dieses Vertrages sein. Andernfalls – dessen wa-en wir uns voll bewusst – ist der Pakt am Ende nicht dasapier wert, auf dem er gedruckt wird.Die von Deutschland und Frankreich betriebene De-ontage der europäischen Stabilitätskultur hat in derergangenen Nacht in Brüssel einen neuen Tiefpunkt er-eicht, Herr Eichel.
nstatt die von der Kommission verlangten Auflagennd Sanktionen zu akzeptieren, mobilisieren die beidenrößten Staaten eine Abwehrfront, um vom Scheiterner verfehlten Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik ab-ulenken. Damit wird nicht, wie Sie behaupten, Frei-aum für antizyklische Politik geschaffen. Im Gegenteil:ntscheidungsspielräume gibt es bis zur Freigrenze vonProzent. Wenn man darunter liegt, kann man überle-en, was man macht und wie man es macht. Wenn manber über dieser Grenze liegt, dann ist aktives Handelnefordert. So haben wir das gewollt.
azu gehört die Androhung und, wenn notwendig, auchas Verhängen von Sanktionen.
Die Beschlüsse des Ecofin-Rates sind geeignet, dasertrauen in die Stabilität des Euros zu untergraben. Wervestiert in einem Land, das Verträge nicht ernst nimmtnd von Prinzipien Abschied nimmt, die dieses Land sotark gemacht haben? Dies alles beim Namen zu nennent unvermeidbar.Lassen Sie mich zum Schluss sagen: Es bleibt dieoffnung, dass es angesichts des Desasters, in dem wirns befinden, mit Vernunft und einem Stück Gemein-amkeit doch noch gelingen mag, einen Ausweg zu fin-en. Dies ist den Menschen zu wünschen, die wieder ininem Land leben möchten, das optimistisch sein kannnd an seine Ziele glaubt.Herzlichen Dank.
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Ich erteile das Wort Kollegin Anja Hajduk, Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Ich möchte mit dem Thema beginnen, das HerrDr. Rexrodt zum Schluss angesprochen hat, dem europäi-schen Stabilitätspakt. Herr Minister Eichel, Sie könnenuns in Ihrem Beitrag sicherlich schildern, wie die Situa-tion einzuschätzen ist. Mich erfüllt es nämlich durchausmit Sorge und ich bedauere es, dass nicht das gelungenist, was Sie selbst gestern im Ausschuss – wenn ich Sierichtig verstanden habe – als Ziel genannt haben, näm-lich eine Lösung im Einvernehmen zu finden. Die jet-zige Situation kann, was die Dimension und die Aus-strahlung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes angeht,nicht zufrieden stellen; das möchte ich jedenfalls fürmich festhalten.Der erreichte Kompromiss ist leider ohne Einverneh-men der Kommission zustande gekommen. Dies sageich auch in Richtung der Opposition.
– Ich glaube, die Situation war schon verdammt kompli-ziert, Herr Kampeter. Die Konsolidierungsziele für dieJahre 2004 und 2005, die wir uns setzen, sind – das hatder Minister gestern noch einmal beschrieben – wirklichsehr ehrgeizig. Damit meine ich, dass es für uns sehrschwierig sein wird, dieses Ziel zu erreichen. Wir habenschon oft darüber gesprochen, dass wir dafür auch dasEinvernehmen von Ihrer Seite brauchen.Ich stimme Ihnen aus vollem Herzen zu, Herr Eichel:Es wird sehr anstrengend sein, die uns gestellten Vorga-ben zu erfüllen. Sicher war es Ihr Ziel, eine realistischeBasis zu finden, auf der wir aufbauen können. Dass dasdie Mehrheit Ihrer Finanzministerkollegen im Rat gefun-den hat, kann ich akzeptieren.Allerdings will ich ganz deutlich sagen: Ich bin davonüberzeugt, dass wir den Stabilitäts- und Wachstumspaktbrauchen und seine mäßigende Wirkung auf alle Finanz-akteure in Europa – wir wissen, wie leicht unverantwort-liche Wahlversprechen in der Politik kursieren können –anerkennen sollten.
Der Pakt ist in der Tat Basis für das Vertrauen in die ge-meinsame Währung. Er ist auch ein Versprechen an dieBürgerinnen und Bürger, dass wir eine solide Haushalts-politik machen und dass wir eine Grundlage für mehrWachstum und Beschäftigung schaffen wollen.
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Es ist ja auch gut, wenn wir einmal Einvernehmen ha-en; dann kommen wir einen Schritt weiter.
ch habe vorhin schon gesagt, Sie stehen zu viel auf derremse.
Ein wichtiger Punkt ist deswegen, dass wir im Nach-lang zu dem offenkundigen Dissens mit der Kommis-ion in Deutschland Einvernehmen darüber haben, dassir den Pakt weiterhin für wichtig halten und dass wirns nicht in einen Wettbewerb des Zerredens begebenollen. Auch da haben wir alle eine Verantwortung.
Angesichts der Probleme, die wir haben – dass wirrobleme haben, ist ja offenkundig; das leugnen wiruch nicht –, stellt sich die Frage: Was brauchen wirenn, um den Stabilitätspakt einhalten zu können? Es istlar, dass wir eine ganze Menge an Einsparungen brau-hen und dass wir unsere Haushalte konsolidieren müs-en. Dazu braucht man in einer Demokratie eigentlichuch den Ideenwettbewerb mit der Opposition.Jetzt komme ich zu Ihnen, meine Damen und Herrenon der Union.
ie verweigern sich diesem Ideenwettbewerb.
ie geben keine Antwort auf die Frage, welche Einspa-ungen wir in Deutschland brauchen. Sie haben sich die-em Ideenwettbewerb im Haushaltsausschuss formalerweigert und Sie haben sich ihm auch inhaltlich ver-eigert.
as ist schon bemerkenswert – bemerkenswert in einemehr, sehr negativen Sinne für eine große Oppositions-raktion, die eigentlich eine Alternative darstellenöchte.
Ich will ein Beispiel nennen, das die Ausgabenseiteetrifft – Sie sagen ja, dass wir nicht immer nur mit derinnnahmeseite und mit dem steuerlichen Subventions-
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003 6645
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Anja Hajdukabbau kommen sollen –: Wir haben Einvernehmen da-rüber, dass die Alterssicherung im Bundeshaushalt zu-sammen mit der Vorsorge – nicht nur die Rente – mit100 Milliarden von 250 Milliarden Euro einen drama-tisch hohen Anteil hat. Im Zusammenhang mit der Sta-bilisierung des Rentenbeitragssatzes haben wir vor ei-nigen Wochen ein Paket vorgelegt und Ihr Kommentardazu ist, dass Sie bei der Lösung kurzfristiger Problemenicht mitmachen werden. Sie blockieren damit einengroßen Anteil des Bereichs, in dem man Einsparungenund Begrenzungen vollziehen kann.
Dem von mir geschätzten Kollegen Austermann mussich sagen:
Es zeichnet Sie nicht gerade aus, wenn Sie in den Mittel-punkt Ihrer Haushaltsrede nicht etwa die großen Fragender Haushaltskonsolidierung stellen – die Aufgaben beider Alterssicherung habe ich gerade angesprochen –,sondern irgendwelche kleinen angeblichen Skandale zurÖffentlichkeitsarbeit, über die die Zeitungen berichten.
Die Presse ist frei und kann das machen; aber wenn Sieklein-klein das in den Mittelpunkt Ihrer Rede stellen, istdas bezeichnend für Ihr Niveau, vor allem wenn mansieht, wie groß unsere Probleme sind.
– Ich stelle ja nur fest, dass Sie sich an die kleinen Fra-gen gerade eben herantrauen, ansonsten aber die Bera-tung verweigern. Wenn es um die großen Fragen und umdie Perspektive bei der Rentenversicherung geht, blo-ckieren Sie kurzfristig und sind langfristig richtig orien-tierungslos.Aber das kann ja noch werden. Ich bin felsenfest davonüberzeugt, dass Sie die Entscheidungen, die wir zurRente treffen und getroffen haben, gar nicht durchge-standen hätten. Sie trauen sich gar nicht so viel zu.
– Nein, Herr Kauder, das ist ein Irrtum. Sie glaubenheute noch, Sie würden mit dem demographischenFhDhWenaSsgweSeT–rddAwrSiknnursmavr
a sind bei Ihnen richtiggehend sachliche Irrtümer vor-anden.
enn Sie uns einen Vorschlag zur Rente vorlegen, derine wirkliche Alternative ist – wir kommen darauf imächsten Frühjahr zurück –, dann sind wir gerne bereit,rgumentativ mit Ihnen zu streiten. Im Moment versagenie sich auf der sachlichen Ebene, weil Sie Angst haben.
Wir sind damit noch nicht am Ende, was Ihre Fanta-ielosigkeit angeht. Ich will ein Beispiel geben. Es isterade wortreich die Kohlefinanzierung angesprochenorden. Jetzt stellen Sie sich hin und prangern an, dassrst ein Tag vor Abschluss der Beratungen das Themateinkohle auf den Tisch gekommen ist. Sie haben sichiner detaillierten Auseinandersetzung mit diesemhema – auch im Haushaltsausschuss – nicht gestellt.
Ich weiß jetzt nicht, welche Demo Sie meinen.Sie kümmern sich nicht um die Details, Sie diskutie-en auch bei der Kohlefinanzierung die Probleme nichturch. Deswegen finde ich Ihr Vorgehen höchst fragwür-ig. Sie machen es sich wirklich zu einfach.
nstatt in einen Wettstreit mit uns darüber einzutreten, inelchem Ausmaß wir die Steinkohlesubventionierungeduzieren können – Sie wissen, dass wir die mit einemperrvermerk versehen haben –, sagen Sie einfach: Dasst ein großer Fehler! – Dies ist wirklich zu billig. Wirommen nicht so schnell aus der Steinkohlesubventio-ierung heraus, wie wir es uns wünschen, aber wir unter-ehmen wenigstens Schritte in diese Richtung. Das istnser Ehrgeiz. Ich leugne nicht, dass SPD und Grüne da-über harte Auseinandersetzungen führen. Sie dagegentellen sich dieser Auseinandersetzung erst gar nicht. Ichache Ihnen zum Vorwurf, dass Sie sich im Haushalts-usschuss einer intensiven Beratung über diesen Punkterweigert haben. Dafür ist dieses Thema viel zu schwie-ig und wird uns noch viel zu lang beschäftigen.
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6646 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003
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– Wir haben in dieser halben Stunde das Geld noch nichtausgegeben.
Die Mittel sind von 2006 bis 2008 mit einem Sperrver-merk eingestellt. Sie haben doch kaum mitbekommen,was wir gemacht haben, weil Sie nämlich nicht mitbera-ten haben. Das ist Ihr Problem.
Ich möchte noch ein bisschen näher darauf eingehen,was wir brauchen. Wir brauchen
einen Ideenwettbewerb, was die Einsparmöglichkeitenbei den Ausgaben angeht, und Mut beim Subventions-abbau.
Ich komme noch einmal auf die Union zu sprechen;das kann ich Ihnen nicht ersparen. Sie machen es sichwieder zu einfach, wenn Sie sich jetzt konsequent hinterHerrn Koch und Herrn Steinbrück verstecken.
– Damit hat das ganz viel zu tun. Über einen entschiede-nen Subventionsabbau lassen sich Perspektiven für dieKonsolidierung des Haushalts eröffnen. Ich weiß, HerrRexrodt, dass Sie viel stärker als die Union bereit sind,daran mitzuwirken. Deshalb wende ich mich jetzt wiederan die Union.
Sie können sich nicht allen Ernstes hinter Koch/Steinbrück verstecken. Wenn wir auf Dauer nur in 4-Pro-zent-Schritten vorgehen, werden wir – denken Sie nurwieder an die Steinkohlesubventionen – nicht in derWeise innovationsfähig, wie es meiner Meinung nach auflange Sicht erforderlich ist. Auch bei Entfernungspau-schale und Eigenheimzulage ist es nicht damit getan, in4-Prozent-Schritten kürzen.
Die Unionsfraktion im Bundestag sagt, dass Subven-tionsabbau an bestimmten Stellen mit ihr nicht zu ma-chen sei; die Ländervertreter von der Union haben eineandere Linie. Selbst im Vermittlungsausschuss – amliebsten würden Sie den Haushalt ja ausschließlich dortberaten – haben Sie keine einheitliche Linie. Sie habenkeine einheitliche Linie und keine Strategie, den Haus-halt zu konsolidieren. Ich finde es allerhand, dass Sieweiterhin Gegenfinanzierungen für diesen schwierigenHdWzdIBLnUgew–g–bucmdSk–wzDHszDdlidg–l
enn Sie sich tatsächlich entschließen werden, das Vor-iehen der nächsten Stufe der Steuerreform mitzutragen,ann werden Sie diesen Widerspruch zu lösen haben undhr Vorgehen erklären müssen. Ich hoffe, dass Sie eineneitrag dazu leisten, die weitere Verschuldung diesesandes zu begrenzen. Denn eine Neuverschuldung in ei-em hohen Maße wird leider notwendig sein.Es reicht nicht, meine Damen und Herren von dernion, wenn Sie sich in Sonntagsreden für Veränderun-en stark machen und radikale Schnitte in diesem Landinfordern. Wir haben in Sachen Subventionsabbauirklich etwas auf den Tisch gelegt.
Hinsichtlich dieser Vorschläge bin ich mit den Kolle-en auf der Regierungsseite einig.
Mit Ausnahme der Kohle; das habe ich auch zugege-en. Das macht doch nichts.
Sie sind aufgefordert, diese Chance zu ergreifen undnseren Weg mitzugehen. Denn wenn Sie eine zusätzli-he Neuverschuldung im nächsten Jahr verantwortenüssen, werden wir darüber zu reden haben. Das wür-en wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Dessen könnenie sicher sein.Ich möchte nun noch auf die Perspektiven zu sprechenommen, die wir zu meistern haben. Dieser Haushalt ist das gebe ich zu – mit größeren Risiken behaftet, als esünschenswert wäre; die globale Minderausgabe ist vielu groß.
as liegt aber auch an den Vorschlägen, über die sich dieerren Koch und Steinbrück geeinigt haben; diese müs-en noch in den Haushalt eingearbeitet werden. Ich gebeu, dass damit noch eine schwere Arbeit vor uns liegt.eswegen wird der Haushalt 2004 nach der abschließen-en Beratung im Parlament in dieser Woche nicht acht-os beiseite gelegt werden. Vielmehr werden wir schonm Januar über die mindestens 600 Millionen Euro zu re-en haben, die nach Koch/Steinbrück noch auf der Auf-abenseite zu erbringen sein werden.
Nein, wir dürfen uns dem nicht entziehen, nur weil al-es so schwierig ist,
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sondern müssen mit den Strukturreformen fortfahren.Das ist notwendig, weil die bisher vorgenommenenStrukturreformen im Rentensystem und auf dem Ar-beitsmarkt noch nicht ausreichen.Ich bin davon überzeugt – darin schließe ich mich denAusführungen von Herrn Rexrodt an –, dass wir immernoch zu sehr im Status quo verharren. Wir brauchenmehr Freiraum für Investitionen und Bildung.
– Auch in diesem Haushalt! Aber die früheren Haushalteunter Ihnen waren noch schrecklicher.Ich möchte abschließend noch auf die Frage eingehen,welche Maßnahmen notwendig sind, um einen Schrittweiterzukommen. Ich will in diesem Zusammenhang aufein großes Thema eingehen, das gegenwärtig von allge-meinem Interesse ist, nämlich die Steuerpolitik. Zurzeitbesteht eine große Chance, in der Steuerpolitik einenSchritt voranzukommen, und zwar wahrscheinlich überdas Vorziehen der nächsten Stufe der Steuerreform 2005hinaus. Die große Chance liegt meiner Ansicht nach nichtin dem Wettbewerb um den niedrigsten Spitzensteuersatz– darüber kann man reden –, sondern darin, dass es mög-lich ist, einen großen Schritt zu tun in Richtung eines ein-facheren, transparenteren und gerechteren Steuersys-tems.Ich betone ausdrücklich – auch mit Blick auf Diskus-sionen in meiner Partei –: Ich halte nichts davon, inSteuerfragen eine Symbolpolitik in den Vordergrund zustellen, mit der – zum Beispiel in der Diskussion um eineVermögensteuer – möglicherweise wieder sehr kompli-zierte Verfahren eingeführt werden. Wir sollten vielmehrim nächsten Jahr mit einer Steuerreform einen weiterenSchritt hin zur Vereinfachung und Transparenz tun, aberauch zu einer gerechten Besteuerung von Kapitalerträ-gen.
Ich weiß, dass Sie sich dazu durchringen wollen. DerVorschlag von Herrn Merz geht in Teilen weiter, als esgegenwärtig der Fall ist. Das werden wir von Rot-Grünaufgreifen. Wir wollen in der Steuerfrage keinen Wettbe-werb nach unten und werden keinen Wettlauf um dieNettoentlastung zulassen; dafür stellen die Sozialrefor-men an uns viel zu wichtige Aufgaben. Aber ein gerech-teres und transparenteres System halte ich für wün-schenswert.
Kollegin Hajduk, Sie müssen bitte zum Ende kom-
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Ich erteile Hans Michelbach, CDU/CSU-Fraktion,
as Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Her-en! In gewisser Weise kann sich Deutschland nicht da-über beschweren, dass Herr Eichel keine verlässlicheolitik vertrete. Verlässlichkeit ist gegeben: stets einöchstmaß an Staatsverschuldung, an Steuererhöhungennd an Wachstumsvernichtung. Das wird kontinuierlichingehalten; darauf ist seit vielen Jahren wirklich Ver-ass.
elbst Frau Hajduk hat in ihrer Rede Herrn Eichel deut-ich kritisiert. Frau Hajduk, dies kam allerdings sehrpät, nämlich erst, als Sie alles abgenickt hatten, wasier an Falschem eingebracht worden war.
Systematisch haben Sie, Herr Eichel, die finanzpoliti-chen Grundlagen von Bund, Ländern und Kommunenerstört. Heute steckt Deutschland in einer Wachstums-,eschäftigungs- und Haushaltsfalle. Sie haben die Bür-er, die Wirtschaft, die deutsche Öffentlichkeit und jetzteider auch noch die EU-Kommission mit Ihren unsägli-hen Durchhalteparolen geradezu vorgeführt. Immerieder formulieren Sie vollmundig große Ziele, die aberon Ihnen nie eingehalten werden. Ich bin sicher, dassie sich auch heute wieder treu bleiben und uns erneutiele Zielmarken vorstellen werden, die dann aber wie-erum nur Schall und Rauch sein werden.Meine Damen und Herren, das nennt man Glaubwür-igkeits- und Vertrauensverlust auf allen Ebenen. Dieserertrauensverlust ist die Ursache unserer wirtschaftlich
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Hans Michelbachschlechten Entwicklung und unserer Konjunkturpro-bleme: Niemand investiert in Deutschland, weil die Men-schen zu dieser Bundesregierung kein Vertrauen habenkönnen.
Sehen wir uns die Entwicklung der Finanzpolitik ein-mal an: Die Grundsätze einer soliden, generationenge-rechten und nachhaltigen Finanzpolitik werden völligaußer Kraft gesetzt. Der Haushalt ist verfassungswidrig,die Neuverschuldung übersteigt die Investitionsausga-ben, der Haushalt ist europarechtswidrig und verstößtvorsätzlich gegen den europäischen Stabilitäts- undWachstumspakt. Der Haushalt gibt keine genügendenWachstumsimpulse und weist zugleich Risiken von über20 Milliarden Euro auf. Er sieht mit dem Haushaltsbe-gleitgesetz neue Steuerbelastungen und gleichzeitig ei-nen Rückgang der Investitionen der öffentlichen Handvor. Woher sollen dann in unserem Land Impulse für einwirtschaftliches Wachstum kommen?
Dieser Haushalt ist ohne jegliche Zukunftsperspektive,meine Damen und Herren.
Was sagt der Bundesfinanzminister zu diesem Desas-ter? Herr Eichel, Sie haben in dieser Woche in der Aus-schusssitzung, von der Sie die Öffentlichkeit ausge-schlossen haben, erklärt, die böse Opposition sei schuld,weil sie das Steuervergünstigungsabbaugesetz nicht ak-zeptiert habe. Das ist der blanke ökonomische Wahn-sinn: Bei diesem Steuervergünstigungsabbaugesetz han-delt es sich doch um nichts anderes als um weitereSteuererhöhungen, die uns noch mehr in die Wachstums-und Haushaltsfalle führen.
Zu Recht haben wir, meine Damen und Herren, gesagt,dies sei keine Wachstumspolitik und insofern nicht ziel-führend, dabei könnten wir nicht mitmachen. Aber öko-nomische Vernunft ist bei Ihnen scheinbar ein Fremd-wort.Jahr für Jahr hat es bei Ihnen Steuermehrbelastun-gen gegeben, die sich auf 40 Milliarden Euro summierthaben. Damit wurden Wachstum und Beschäftigung ge-radezu systematisch vernichtet. Man muss sich alsonicht wundern, dass die Konjunktur so schlecht ist.Nun sollen in Verbindung mit dem Haushalt 2004neue Steuererhöhungen vorgenommen werden. Darübermüssen wir reden. Die Frage, die unsere Bürger und Be-triebe interessiert, lautet nämlich: Wie sieht es aus mitder Mindestbesteuerung, mit der Substanzbesteuerungim Rahmen der Gewerbesteuer, mit der Tabaksteuerer-höhung, mit der Abschaffung der Eigenheimzulage, mitder Einschränkung der Entfernungspauschale, mit derVerschlechterung der Abschreibungsbedingungen undmit der Erhöhung des Steuersatzes auf Agrardiesel?Das alles ist nichts anderes als ein neues Steuerer-höhungspaket. Das ist für die Bürger und die Betriebe,inBedgEdseSegnbAAlwlagKliarmdavlidSbcdWBHduuddjeWfwnebeGHocisa
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Diese Entwicklung ist wirklich ein Debakel für Europaund den Euro; es handelt sich um eine Verständigung ge-gen das Erbe der Deutschen Mark.Durch das Zurechtbiegen des Paktes tut sich, was dieHöchstverschuldung in Europa angeht, für die Zukunftein offenes Scheunentor auf. Die Haushaltspolitiken derMitgliedstaaten werden immer weiter auseinander drif-ten. Die höheren Defizite werden zum allererstenWachstumsvernichter in Europa werden, und zwar mitallen Folgen für den Binnenmarkt.
Die Verschuldungspolitik wird langfristig erheblicheAuswirkungen auf das Zinsniveau und die Währungssta-bilität haben. All diese Folgen haben Sie zu verantwor-ten.
So etwas gegen den einstimmigen Willen der EU-Kommission durchzudrücken kann nur ein Pyrrhussiegsein. Herr Eichel, Ihnen fällt nicht einmal die Wider-sprüchlichkeit Ihrer Argumentation auf: In Deutschlandsagen Sie, die Sparvorgaben der EU würden den begin-nenden Aufschwung abbremsen; in Brüssel sagen Sie,die Sparvorgaben müssten zurückgewiesen werden, weiles in Deutschland Stagnation gebe. Was denn nun, HerrEichel: Aufschwung oder Stagnation? Wahrscheinlichwissen Sie selbst nicht, was Sache ist. Sie reden in Brüs-sel und in Berlin unterschiedlich. Man kann zwischenBrüssel und Berlin schnell sein Hemd wechseln, abernicht seine Meinung ändern. Ihre Haltung ist wider-sprüchlich und sie wird zu einem weiteren Vertrauens-verlust führen.Notwendig wäre, die EU-Einsparvorschläge in Demutanzunehmen und wirklich zu sparen. Es ist doch eineTatsache, dass Sie im Jahre 2003 4 Milliarden Euromehr für Subventionen als 2002 ausgeben. Wo bleibt derkonkrete Subventionsabbau – Wo bleibt die Kürzungder Verwaltungsausgaben des Bundes? Sie sehen zu,wenn der Kanzler eine neue Steinkohlenförderung von16 Milliarden Euro verspricht.
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Das Wort hat jetzt der Herr Bundesminister der Finan-
en, Hans Eichel.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Ich will zunächst über den Ausgang und überämtliche Ergebnisse des Defizitverfahrens im Ecofinerichten. Auf die Diskussion in der Eurogroup will ichm Einzelnen nicht eingehen, weil dort Vertraulichkeitereinbart ist.
aran halte ich mich selbstverständlich.Ich sage ausdrücklich: Gestern und heute haben wirm Ecofin im Hinblick auf ein Defizitverfahren gegenrankreich und Deutschland eine vernünftige Lösungefunden.
iese Lösung ist vernünftig, weil wir das Thema Konso-dierung und das Thema Wachstum sehr ausgewogenehandelt haben. Wer sich in der Welt umsieht, der stelltest: In allen Weltregionen ist das Wachstum höher als inuropa.
Als in Europa, aber auch als in Deutschland, Herrampeter; das ist völlig richtig.
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Bundesminister Hans EichelDeswegen ist die Frage zu stellen – sie wird uns beiden Tagungen von G 7 und G 20 sowie des Internationa-len Währungsfonds auch gestellt –: Was ist eigentlicheuer europäischer Beitrag? – Deswegen gibt es die Lis-sabon-Strategie. Deswegen müssen wir auch darauf ach-ten, dass wir in einer Phase der Stagnation nicht eine Po-litik betreiben, die geeignet ist, die Stagnation zuverlängern, etwa eine kontraktive Finanzpolitik.
Das heißt im Umkehrschluss, dass in Zeiten, in denen esWachstum gibt, in denen es einen Aufschwung gibt,umso härter konsolidiert werden muss, was Sie geradenicht gemacht haben. Das sind nämlich die richtigenZeiten für ein intensives Zurückführen von Neuverschul-dung.
Ich sage also ausdrücklich: Wir haben ein ausgewoge-nes Verhältnis von Konsolidierung und Wachstum er-reicht.
Das heißt, der Stabilitätspakt funktioniert in seinem In-halt.Er funktioniert auch in den Gremien. Das zuständigeGremium ist der Ecofin. Der Ecofin hat eine Entschei-dung getroffen, und zwar mit großer Mehrheit, mitZweidrittelmehrheit.In diesem Zusammenhang will ich gleich eine Bemer-kung zur Kommission machen. Die Kommission hat dasgetan, was sie für richtig hielt – das will ich auch über-haupt nicht kritisieren, obwohl ich eine andere Meinungzu dem Inhalt habe –;
die Kommission hat Empfehlungen beschlossen, die inihrer Wirkung eher kontraktiv wären und im Übrigenvon Deutschland hinsichtlich des Defizitverfahrens nichtakzeptiert werden könnten, weil sie juristisch fragwürdigsind.
Die Kommission hatte nun so entschieden. Ich sageausdrücklich: Nachdem sie wusste, dass sie mit ihrenEdhnCEzzKKnzVEaduEduddisAags
ätte sie während der letzten vier Wochen eigentlich eineeue Empfehlung vorlegen müssen, mit der sie einehance haben würde – das war ja auch die Bitte descofin an die Kommission –, im Rat eine Mehrheit, undwar möglichst eine große Mehrheit, zu finden.Ich habe gestern im Ausschuss gesagt: Meine Zielset-ung ist, zu einer gemeinsamen Lösung von Ecofin undommission zu kommen. Das setzt aber voraus, dass dieommission, wenn sie weiß, dass sie für ihren Vorschlagicht die notwendige Mehrheit hat – sie wusste es –, dasur Kenntnis nimmt und dann bereit ist, einen neuenorschlag vorzulegen, mit dem sie eine Mehrheit imcofin finden kann. Das war nicht so. Das bedauere ichusdrücklich;
enn hier mangelt es an der notwendigen Führungskraftnd an der notwendigen Kompromissbereitschaft. Dercofin dagegen war sehr wohl bereit und in der Lage,iese zu zeigen.
Wir wollen Folgendes festhalten: Die Wirtschafts-nd Finanzpolitik liegt nach der Verfassung, wie sie iner Europäischen Union heute gilt, in der Zuständigkeiter Nationalstaaten. Das heißt, in diesem Haus hier undm Parlament eines jeden Mitgliedstaates fallen die Ent-cheidungen,
ber sie werden im Ecofin koordiniert; denn der Ecofinls der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der Mit-liedstaaten ist das zuständige Gremium. Die Kommis-ion macht dazu Vorschläge. So ist die Rechtslage.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003 6651
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Bundesminister Hans EichelUm das genau festzuhalten: Die Kommission ist mit-nichten gezwungen, einem bestimmten Verfahren zu fol-gen, das mechanistisch von Stufe zu Stufe läuft, und esist falsch, dass sie keine Entscheidungsfreiheit hat. Ichkritisiere nicht, dass die Kommission einen solchen Weg– ich halte ihn für falsch – gegangen hat,
aber ich kritisiere, dass sie behauptet, er sei der einzigeWeg. Der juristische Dienst des Rates hat in der Analyseder vorhandenen Verträge etwas ganz anderes dargelegt,
nämlich dass die Kommission Entscheidungsfreiheit hat.
Von der Entscheidungsfreiheit hätte sie auch Gebrauchmachen sollen. Das jedenfalls war die Bitte der großenMehrheit des Ecofin.
So ist es dann passiert, dass die Kommission mit ih-rem Vorschlag, auf den ich gleich im Einzelnen zu spre-chen komme – wir müssen wissen, was er für Deutsch-land bedeutet, und Sie müssen sich entscheiden, wie Siemit den Interessen unseres Landes umgehen –,
bei einer weitaus größeren Gruppe von Ländern als ur-sprünglich erwartet auf Ablehnung gestoßen ist. Da kannich Ihnen nur sagen: Seien Sie ganz vorsichtig, wenn Sieden deutschen Finanzminister angreifen. Das können Siezwar machen, aber Sie müssen dann auch wissen, wenSie noch alles treffen.
Das sind fast ausschließlich Finanzminister Ihrer Cou-leur.
Nehmen Sie die Finanzminister aus Frankreich, Italien
oder Luxemburg.
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r sagt exakt das Gleiche, was auch ich dazu sage. Sieönnen ihn ja zu Ihrem Parteitag einladen.Als Gewährsleute können Sie auch die Finanzminis-erin von Portugal oder den Finanzminister von Irlandehmen. Sie gehören alle zum liberal-konservativenpektrum und vertreten doch dieselbe Position wie dereutsche Finanzminister. Sie müssen sich also schonberlegen, mit wem Sie sich anlegen. Es stimmt nämlichicht, dass Sie mit Ihren Angriffen nur den deutschen Fi-anzminister treffen.
Ich bedauere, dass die Kommission, nachdem sie zurenntnis nehmen musste, dass es keine Mehrheit fürhre Empfehlung gibt – das wusste sie auch schon langeorher –, keine andere vorgelegt hat.
eil sie es nicht getan hat, blieb dem Ecofin nichts an-eres übrig, als selber zu handeln. Es kann doch nichtein, dass die europäischen Gremien, nachdem ein Kom-issionsvorschlag abgelehnt wird, handlungsunfähigerden. Der Ecofin hat dann eine Empfehlung erarbei-et,
ie mit Zweidrittelmehrheit beschlossen wurde und au-erordentlich vernünftig ist.
Darauf komme ich gleich. – Ich kann der Kommissionur raten, so schnell wie möglich aus der Schmollecke,n die sie sich zurückgezogen hat, wohin sie aber nichtätte gehen müssen, wieder herauszukommen, weil wirin funktionierendes Zusammenwirken von Kommissionnd Rat brauchen
nd auch die Übereinstimmung mit der Kommission su-hen. Das sage ich ganz ausdrücklich.
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6652 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003
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Bundesminister Hans EichelDeswegen, meine Damen und Herren, halte ich fest:Der Pakt hat in einer vernünftigen Weise in dieser Phasefunktioniert. Er ist
den Notwendigkeiten gerecht geworden, die Europa inder gegenwärtigen weltwirtschaftlichen Situationbraucht.Lassen Sie mich einmal jemanden zitieren – ich sageIhnen noch nicht, wen, aber das werden Sie schon nochmerken –:Die Substanz des Pakts ist und muss bleiben, dassder einheitlichen Geldpolitik in Europa ein Koordi-nierungs- und Disziplinierungsrahmen für die de-zentralen Finanzpolitiken
– ich merke, das beunruhigt Sie –gegenübersteht. … Andererseits will ich auch gernmitteilen, dass ich mir als Unterhändler zumMaastrichter Vertrag 1991 keine konkrete Vorstel-lung über die wirtschaftspolitische Problemkonstel-lation von heute gemacht habe: nämlich Stagnationüber drei Jahre bei gleichzeitig massiven Ungleich-gewichten in der Weltwirtschaft. Als Geschäftsfüh-render– nun können Sie ihn identifizieren –Direktor des IWF
rate ich deshalb dazu, die Drei-Prozent-Grenze inder jetzigen Situation nicht zu verabsolutieren unddie Substanz des Pakts vor allem durch kraftvolle,mittelfristig angelegte Strukturreformen
unter Beweis zu stellen.So Horst Köhler,
der Geschäftsführende Direktor des InternationalenWährungsfonds, einer der Väter des Maastrichter Vertra-ges und einer derjenigen, die Sie gelegentlich einmal zuRate ziehen sollten, meine sehr verehrten Damen undHerren. Recht hat er.
Genau die von ihm eingeforderten Strukturreformen lie-gen nämlich hier auf dem Tisch. Genau diese bezeichnetHorst Köhler als eine außerordentlich mutige Tat. DemkfWelNIhihh–lDbssk
Da Sie sich nun zu Wächtern des Stabilitäts- undachstumspaktes aufspielen, möchte ich Sie zuerstinmal fragen, ob denn Ihre Versprechungen vor deretzten Bundestagswahl damit vereinbar gewesen wären.ichts dergleichen hat es von unserer Seite gegeben.
hnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Sieeute behaupten, ich oder die Regierung oder wer auchmmer seien die Totengräber des Stabilitätspaktes,
alte ich etwas anderes vor. In einer heutigen Nachrichteißt es:
Sie sind aber sehr beunruhigt. –
Nach Ansicht von Ex-Bundesfinanzminister TheoWaigel behält der EU-Stabilitätspakt weiter-hin seine Geltung. „Der Pakt ist natürlich nicht tot“,
sagte Waigel der Münchner Zeitung „tz“ … Esbleibe der Druck, Stabilität herbeizuführen.Waigel warnte aber vor einer unguten Stimmung inEuropa, wenn die großen EU-Länder sich in einerunheiligen Allianz zusammenschlössen
und die kleinen Länder sich um die Früchte ihrerKonsolidierung geprellt fühlten.
Meine Damen und Herren, Recht hat er! Das trifft al-erdings nicht auf den letzten Teil seiner Äußerung zu:ie Mehrheit der kleinen Länder – angeführt vom luxem-urgischen Ministerpräsidenten Jean-Claude Juncker –,ehr verehrter Herr Austermann, war heute bei der Ent-cheidung im Ecofin auf der Seite der Großen. Also:eine Konfrontation zwischen Groß und Klein.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003 6653
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Eine solche wollen auch wir ausdrücklich nicht. DerHinweis von Theo Waigel ist völlig richtig: Man mussimmer darauf achten, dass die Regeln für alle gelten; daskann überhaupt nicht streitig sein. Genau das haben wirsehr sorgfältig beachtet.Die nächste Mär: Das, was wir entschieden haben, ge-fährde die Stabilität des Euro. Wie war es denn, als dieDefizite in Europa 2000 und 2001 niedrig waren, als wirin Deutschland – darauf komme ich gleich noch zu spre-chen – das niedrigste Defizit seit der Wiedervereinigunghatten? – Das war im Übrigen nicht in Ihrer Amtszeit. –Wenn ich mich richtig erinnere, war zu dieser Zeit derAußenwert des Euro am niedrigsten. Was haben Sie da-mals gezetert!Im Moment haben wir in Europa, und zwar überall,hohe, viel zu hohe Staatsdefizite – einverstanden –, aberder Außenwert des Euro ist so hoch, wie er noch nie war.
– Richtig, Herr Rexrodt. Jawohl: Der Euro hat im Ver-hältnis zum Dollar gewaltig gewonnen, weil der Dollarnicht mehr so ernst genommen wird.
Ich will das gar nicht weiter ausführen, weil ich weitereVerunsicherung an dieser Stelle überhaupt nicht will.Also dazu kein Wort mehr; das betrifft den Außenwertdes Euro.Aber der ist ja gar nicht gemeint, wenn wir von derStabilität unserer Währung reden,
sondern gemeint ist die Kaufkraft unserer Währung, ge-meint ist die Preisstabilität. Da ist Deutschland der Sta-bilitätsanker in der Europäischen Union,
bei den Preisen genauso wie bei der Lohnentwicklung.Das ist die schlichte Wahrheit.
Bei den Staatsschulden haben wir große Probleme.Das bestreite ich gar nicht.
– Sind Sie vielleicht unruhig! Das passt Ihnen nicht, daskann ich ja verstehen.–kzdwSddSvrDMkSgb–SDmttaS
Ganz vorsichtig, Herr Austermann! Erstens gibt es daeinen Verfassungsbruch,
weitens will ich Ihnen einmal Folgendes sagen: Wer hierarüber redet – das ist hier ungefähr der Sachverhalt –, dassir in den Jahren 1999 bis 2003 rund 140 Milliarden Eurochulden gemacht haben – das ist zu viel; ich habe dabeiie UMTS-Milliarden außen vor gelassen –, der sollte eherarüber nachdenken, dass von den 800 Milliarden Eurochulden, die wir bei unserer Regierungsübernahmeorgefunden haben, alleine 650 Milliarden Euro aus Ih-er Regierungszeit stammten.
ie müssen wir noch lange abzahlen, noch sehr lange.Deswegen sage ich Ihnen nur: So vergesslich sind dieenschen in diesem Lande nicht, dass Sie glaubenönnten, Sie könnten über dieses Thema so reden, wieie das gegenwärtig tun.Aus diesem Grunde wollen wir mit aller Klarheit sa-en: Die Grundposition – raus aus der Schuldenfalle –leibt und ist auch völlig richtig.
Wissen Sie was? Es ist ein provinzielles Theater, dasie hier veranstalten!
as Einzige, was vielleicht tröstet, ist, dass jeder Finanz-inister sagt – ich sage das ohne Anspielung auf die par-eipolitische Couleur –: Bei mir zu Hause ist die Opposi-ion genauso.
Wir haben seit drei Jahren Stagnation. Schauen Sieuch nicht ausschließlich die europäischen Haushalte an!chauen Sie ein bisschen weiter, dann werden Sie
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6654 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003
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Bundesminister Hans Eichelfeststellen: Es ist auch eine Wirkung des Stabilitätspak-tes, dass die Schulden in Europa nicht so explodiert sind
wie in anderen Weltregionen, vor allem bei einer großenMacht, bei der wir die Wechselkursrelationen mit Sorgebetrachten. Deswegen ist klar: Wir müssen aus derSchuldenfalle raus. Deswegen gibt es auch überhauptkeinen Streit – da kann ich Frau Hajduk beruhigen –:
Der Stabilitäts- und Wachstumspakt muss so bleiben,wie er ist. Das ist überhaupt keine Frage. Aber die ent-scheidende Frage ist – damit komme ich zu den Empfeh-lungen der Kommission an uns –, wie wir denn genau inwelcher Situation mit dem Stabilitätspakt umgehen undwelche Wirkung wir damit erreichen.
Deswegen sage ich Ihnen – ich habe das schon ges-tern vorgetragen –: Die Vorschläge, die die Kommissionzu diesem Punkt gemacht hat, waren inhaltlich und pro-zedural so nicht akzeptabel. Da darf man übrigens,denke ich, auf der gemeinsamen Basis des Stabilitäts-und Wachstumspaktes auch zu einer unterschiedlichenAuffassung darüber kommen, was die gegenwärtig ange-messene Politik und die gegenwärtig angemessenen Pro-zeduren sind.Deswegen sage ich mit Nachdruck: Eines ist nichtokay, ich nehme das nicht hin und ich rate auch nieman-dem, das zu tun. Der gesamte Ecofin, alle FinanzministerEuropas, stehen gemeinsam auf der Basis des Stabilitäts-und Wachstumspaktes und haben auch ein Rieseninte-resse daran.
Aber es gibt unterschiedliche Meinungen zu der Frage,ob ich in einer Schwächephase ersatzlos Geld aus demKreislauf herausnehme sollte oder ob es nicht richtigerist, das in einer Wachstumsphase zu tun.
In der Schwächephase mache ich keine kontraktive Fi-nanzpolitik. – Da gibt es Unterschiede.
Das sind exakt die Unterschiede, meine Damen und Her-ren, die sich zum Beispiel auch in dem widerspiegeln,was der Internationale Währungsfonds in seiner Verant-wortung für die Weltwirtschaft sagt und was er dazusagt, wie sich Europa in die Weltwirtschaft einpasst.
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Wer war es denn – ich glaube, es war der Kollegeichelbach –, der eben gesagt hat, bei den Reformeneien wir auf halber Strecke stehen geblieben? Redenir doch einmal über die Gesundheitsreform. Warumind denn auf der Anbieterseite so wenig Maßnahmenetroffen worden, Herr Michelbach?
eil Sie auf der rechten Seite des Hauses sich schützendor Ihre Klientel gestellt und die notwendigen Struktur-eformen nicht gemacht haben. Das ist doch die Wahr-eit. Das ist auch bemerkt worden.
Wie Sie es fertig bringen, sich als Marktwirtschaftleru gerieren, selber aber im Gesundheitswesen über Jahr-ehnte ein System staatlicher Planwirtschaft zu verant-orten, das müssen Sie schon selber erklären.
Ja, das ist unglaublich. Da haben Sie Recht. Wir woll-en weiter; das ist der Unterschied zu Ihnen.
Meine Damen und Herren, das Erste sind ambitioniertetrukturreformen, das Zweite ist Haushaltskonsolidierung,nd zwar eingeleitet 1999, als mir Herr Rexrodt – ich er-nere das wie heute – erzählt hat: Die 30 Milliarden DMriegen Sie doch nie; da sind doch höchstens 15 Milliar-en zu holen. – Es waren dann – sehr verehrter Herrexrodt, es mag sein, dass Sie das jetzt nicht gerne hören –7 Milliarden DM. Das schreibt sich fort und erhöht sichnd wir hätten allein in diesem Jahr 20 Milliarden Euroöhere Schulden, wenn wir damals den Konsolidie-ungskurs nicht eingeleitet hätten.
ir toppen das im nächsten Jahr mit zusätzlichen bein-arten Haushaltskonsolidierungen.
an darf schon fragen, ob man – in der Kombinationon Strukturreformen und Haushaltskonsolidierung – in
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003 6655
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Bundesminister Hans Eicheldieser Phase die ohnehin vorgesehene Steuersenkungvon 2005 auf das Jahr 2004 und damit die dritte Stufeder Steuerreformen nicht doch vorziehen sollte, damitwir endlich aus der Wachstumsschwäche herauskom-men, ein Jahr, in das wir sehr schwach starten werdenund in dem wir nicht noch eine kontraktive Finanzpolitikmachen sollten.
Das ist hochvernünftig und das wird auch von den meis-ten genauso gesehen.
Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Thiele?
Am Schluss gern. Ich will erst einmal diesen Gedan-kengang zu Ende bringen.
Meine Damen und Herren, in dieser Situation ist dieFrage: Sind die Auflagen der Kommission berechtigt,wenn wir hier solche Anstrengungen bis an die Grenze
der Belastungsfähigkeit unserer Menschen und bis anden Punkt unternehmen, an dem ein Regierungschef seinAmt damit verbindet, dass er diese Reformen durch-setzt?
Ist es dann noch hilfreich, wenn eine Kommission meint,an dieser Stelle müsse sie jetzt mit einem zusätzlichenKnüppel kommen? Ich glaube nicht, dass das die rich-tige Antwort ist.
Das ist auch ökonomisch nicht richtig. Genau das ha-ben die Finanzminister mit großer Mehrheit heute so ent-schieden. Ich denke, das ist richtig. Sie können sich jaalle selber überlegen, wie Sie das halten.
Hinzu kommt eine weitere Frage, meine sehr verehrtenDamen und Herren: Ist Deutschland in ein Sanktionierungs-verfahren, ein Verfahren nahe an die Sanktionen heran,einzubeziehen, ja oder nein? Die Antwort ist aus meinerSicht klar und jeder muss die Interessen seines Landesauf der Basis geltenden europäischen Rechts wahren.WubggnRbie–FnSzlAdbdnjrMdaVkDdlgH
ir haben alle Empfehlungen, die uns die Kommissionnd die der Ecofin im Januar dieses Jahres gegeben ha-en, erfüllt. Dies hat die Kommission am 21. Mai aus ei-enem Antrieb detailliert begründet festgestellt.
Das Problem ist – das können Sie sich selbst überle-en –, dass die Ergebnisse am Jahresende und für dasächste Jahr nicht so sind, wie wir – also Kommission,at und die Bundesregierung – uns das vorgestellt ha-en. Warum? Weil das Wirtschaftswachstum nicht sost, wie es von der Kommission, vom Rat und von unsrwartet wurde.
Lieber Herr Rexrodt, dies ist doch nicht nur bei uns derall. Sie müssen einmal zur Kenntnis nehmen, dass ei-ige andere Länder in einer schwierigeren Lage sind.
chauen Sie einmal ein wenig über den eigenen Garten-aun!
Ich sage ausdrücklich: Deutschland hat die Empfeh-ungen umgesetzt.
ber die erwartete Erholung ist nicht eingetreten, weil esas dazu notwendige Wirtschaftswachstum nicht gab. Esesteht daher kein Grund, Deutschland in ein Verfahren,as in Richtung Sanktionen führt, einzubeziehen. Das isticht nur die Position der Bundesregierung und unseresuristischen Dienstes, sondern auch die Position des ju-istischen Dienstes des Rates. Genau so sieht es dieehrheit der europäischen Finanzminister.
Ich würde meinen Amtseid verletzen, wenn ich vorem Hintergrund, dass wir alles getan haben, wozu wirufgefordert wurden, zulasse, dass Deutschland in einerfahren einbezogen wird, das mit Sanktionen endenann.
enn wenn sich die Interpretation der Kommissionurchsetzt, dass es nicht darauf ankommt, die Empfeh-ungen umzusetzen, sondern darauf, am Schluss die an-estrebte Zahl zu erreichen, dann sind wir völlig in derand der Weltwirtschaft. Dann wäre nämlich die Lage
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Bundesminister Hans Eichelder Weltwirtschaft entscheidend dafür, ob wir mit Sank-tionen belegt werden oder nicht. Dies ist nicht die Inter-pretation der Mehrheit der europäischen Finanzministerin Bezug auf diesen Vertrag. Nach meiner Meinung ha-ben sie Recht, dass dies nicht die geltende Interpretationsein kann.Sie müssen sich überlegen, wie man in einer solchenSituation deutsche Interessen vertritt. Unsere Positionbedeutet kein Abweichen.
Sie bedeutet etwas ganz anderes. Alle fürchten sich da-vor, auch nur annähernd in die Gefahr zu kommen, mitSanktionen belegt zu werden. Das mindert doch nichtdie Wirkung des Vertrages.
Ganz im Gegenteil: Die Franzosen tun endlich eineganze Menge. Auch das ist eine Folge des Vertrages unddas Ergebnis unserer Zusammenarbeit. Ich kann das nurbegrüßen.
Im Übrigen ist nicht nur die Haushaltsautonomiedes Bundes, sondern auch – das muss man wissen – dieder Länder in Gefahr. Die Veranstaltung kann doch nichtso laufen, dass bei einem Defizit von Bund, Ländern,Gemeinden und der sozialen Sicherungssysteme alle im-mer nur auf den Bundesfinanzminister zeigen. Die Län-derfinanzminister und die Länderparlamente sind ge-nauso betroffen.
Wir nähern uns langsam der Verantwortung des Organs– Sie merken das schon –, in dem Sie die Mehrheit ha-ben.Wenn ich lese, dass Herr Merz uns auffordert, wirsollten die Sparauflage von 5 bis 6 Milliarden Euro ak-zeptieren, dann muss ich dazu sagen: Wir haben uns ver-pflichtet, das strukturelle Defizit nächstes Jahr um0,6 Prozentpunkte und im Jahr darauf um 0,5 Prozent-punkte abzubauen. Im Jahre 2005 wollen wir unter derGrenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes lie-gen. Das wird uns mit 2,7 Prozent im Jahr 2005 gelin-gen, wenn die Wachstumsannahmen der Kommission,die niedriger sind als unsere, eintreten.
Es wäre doch wunderschön, wenn das, was wir inBrüssel verabredet haben und wofür ich gekämpft habe,die gemeinsame Linie wird und die entsprechendenMaßnahmen umgesetzt werden.
BidgwwgBnBLSssMmdnisdtvVnPuHkNd
Sie sind nicht in der Lage, auch nur zu einem einzigenirklichen Sparvorschlag halbwegs verbindlich Ja zu sa-en.
ei allem, wo es richtig zur Sache geht, höre ich von Ih-en immer: Es geht nicht.
ei Herrn Michelbach war das eben wieder die alteeier. Sehr verehrter Herr Michelbach, diese Rede hättenie vor einem Jahr halten können, aber doch nicht ange-ichts der Vorschläge von Koch/Steinbrück.
Es gibt im Übrigen einen bemerkenswerten Riss zwi-chen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und den CDU-inisterpräsidenten, die das auch zugeben. Sie werdenit Ihrer Linie nicht durchkommen, weil auch den Län-ern das Wasser bis zum Halse steht. Die Länder undicht die CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden sich mithren Interessen durchsetzen.
Ich kann nicht erkennen, dass Sie sich auf unsere Vor-chläge halbwegs einlassen – ich hoffe, bei der FDP istas anders – und dass Sie diesen Subventionsabbau mit-ragen. Sie können doch nicht einerseits eine Einsparungon 5 bis 6 Milliarden Euro fordern und andererseitsorschläge schuldig bleiben, die notwendig sind, um ei-en Beitrag zum Schuldenabbau zu leisten.
Nun zum Haushalt 2004; damit komme ich zumunkt. Wir senken die Nettokreditaufnahme,
nd zwar vor Vorziehen der Steuerreform, unter dieöhe der Ausgaben für Investitionen. Hiervor kann sicheiner drücken:
ur wenn die Steuerreform vorgezogen wird, wird Art. 115es Grundgesetzes gezogen.
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Bundesminister Hans EichelDas ist die Maßnahme, mit der wir fiskalisch gegen dieStörung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichtsvorgehen; andere Maßnahmen sind Strukturreformenund die Haushaltskonsolidierung.
Dies gilt nur für diesen Fall; das muss jeder wissen. Sichvorbeizudrücken
nach dem Motto „Der Bund zieht Art. 115“, aber in Be-zug auf die Haushaltskonsolidierung nicht die Hausauf-gaben zu machen und die Steuerreform nicht vorzuzie-hen wird im Vermittlungsausschuss nicht gehen. Dasmuss klar sein.
Wenn wir aber die Steuerreform vorziehen, ist dies rich-tig und dann muss man es auch tun.Damit sind wir übrigens wieder beim selben Punkt.Ich habe mich amüsiert: Es gab im WochenrhythmusVorschläge zur Gegenfinanzierung. Sie haben gemerkt,dass Sie damit nicht weiterkommen. Ihr letzter Vor-schlag war, bei ABM zu kürzen. Da sind Ihnen sofort dieOstministerpräsidenten Ihrer Couleur in den Arm gefal-len. Sie haben gemerkt: Es war wieder Essig. Das hätteman zwar in Bayern tun können, aber nicht in Branden-burg, Sachsen oder in Sachsen-Anhalt – das wissen Sieganz genau –, obwohl wir in diesem Bereich ein ganzesStück abgebaut haben.
Sie sind ausgewichen; das halten Sie nicht durch. Sieverbinden das Vorziehen der Steuerreform völlig sach-widrig mit Maßnahmen beim Kündigungsschutz oderim Tarifvertragsrecht.
Das halten Sie nicht durch; darauf gebe ich Ihnen Briefund Siegel.
Die Öffentlichkeit bzw. die Bürger dieses Landes unddie Wirtschaft dieses Landes nehmen Ihnen das nicht ab.
Je schneller Sie begreifen, dass es wirtschaftlich gebotenist
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ie sollten an diesem Abend noch einmal ein bisschenarüber nachdenken.
Nun zur Ausgabenseite. Herr Rexrodt, es ist wunder-chön, dass Sie gesagt haben, es sei in den Jahren 1995is 1998 – nein, das war nicht Herr Rexrodt –
n Höhe von 20 Milliarden Euro konsolidiert worden.issen Sie, was damals passiert ist? Sie haben das Kin-ergeld nicht auf der Ausgabenseite, sondern auf derinnahmeseite als Einnahmeausfall gebucht. Das warhre Haushaltskonsolidierung.
Wir haben Folgendes getan – das können Sie nach-ollziehen –: Der Haushalt hat heute ein Ausgabevolu-en, das, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt, umProzent niedriger liegt, als es zu der Zeit war, als wirie Regierung übernommen haben. Das ist eine ausga-enseitige Konsolidierung, übrigens auch bei den Fi-anzhilfen.
Herr Rexrodt, als Sie den Kohlekompromiss unter-eichnet haben – Sie waren ja damals Wirtschaftsminis-er –, ging es um 5 Milliarden Euro.
err Rexrodt, es amüsiert mich. Das sollte Sie beunruhi-en. Eine Förderung von 5 Milliarden Euro haben Sienterschrieben. Wissen Sie, wo wir jetzt sind? – Beitwa 2,5 Milliarden Euro Hilfen vom Bund.
as haben wir ein ganzes Stück heruntergedrückt. Derundeskanzler hat über eine weitere Degression der
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Bundesminister Hans EichelKohlehilfe verhandelt. Das ist hier passiert. Wenn Sienur ansatzweise jemals etwas Ähnliches bei den Agrar-ausgaben zuwege gebracht hätten, ginge es diesemLande finanziell weitaus besser.
Herr Minister, darf ich Sie einmal kurz unterbrechen?
– Herr Kollege Rexrodt, wenn Sie etwas zuzurufen haben,
dann sollten Sie das in Richtung des Redners tun. Diskus-
sionen mit der Regierungsbank sind nicht erlaubt und die
Regierung darf auch nicht antworten; das wissen Sie.
Herr Austermann, es wurde gesagt, die Zahl der Mit-arbeiter sei ständig ausgeweitet worden. Im Jahre 1992wurde die Höchstzahl von etwas mehr als 380 000 Mit-arbeitern beim Bund erreicht. Jetzt haben wir eine Zahlvon knapp unter 290 000. Sie ist also um circa ein Vier-tel gesunken. Das ist heute im wiedervereinigtenDeutschland weniger als in der alten, kleineren west-deutschen Bundesrepublik im Jahre 1970. Das sage ich,damit auch dieser Sachverhalt klar wird.
Sehen Sie sich auch einmal die Einschnitte bei der Be-zahlung an.Übrigens, Herr Austermann, was Sie den Versiche-rungsunternehmen erzählen, halte ich für ziemlichdreist.
Der Sachverhalt ist nämlich Folgender: Bei den erhebli-chen Schwierigkeiten, die viele Unternehmen haben,handelt es sich – ich will das ganz vorsichtig sagen – umein Branchenproblem
– hören Sie mal – aufgrund der Tatsache, dass die Unter-nehmen die von uns angebotene Steuerregelung nichtgewollt haben.
Das ist die Situation des Jahres 2000.
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un lösen wir das Problem, weil es anderenfalls nichtei einem Problem lediglich einzelner Unternehmenleibt. Mehr will ich gar nicht sagen.
Wir doch nicht! Das ist ja abenteuerlich.Und was passiert, verehrter Herr Austermann? Die B-änder – ich bitte Sie, ganz genau hinzusehen – sagen:ie Reform reicht uns nicht. Wir wollen das nicht nurür das Jahr 2003, sondern auch rückwirkend für dieahre 2002 und 2001, damit die Unternehmen, die da-als noch nicht wirklich Probleme hatten, ihre Bilanzenückwirkend schönen können. Sie müssen schauen, wasie B-Länder machen, oder haben Sie teil an der Kumpa-ei? Das ist die Frage, die sich stellt.
Also: Ich sage Ja zum Abbau von Subventionen undum Abbau von Finanzhilfen. Ich begrüße, dass Sie,err Merz, dazu einen radikalen Vorschlag gemacht ha-en. Das ist in Ordnung. Wenn er wirklich gelten würde,üssten wir nicht mehr lange über den Wegfall der Ei-enheimzulage, über die Einschränkung der Pendlerpau-chale und anderes reden.
Sehen Sie, Herr Merz, da kommt der komplette Wider-pruch:
ür die Feuilletons – so sage ich fast – den Visionär spie-n, aber dann, wenn es konkret wird, das genaue Gegen-il tun. So kommen Sie nicht mehr durch. Diesen Win-r nicht.
Die Entscheidungen sind jetzt zu treffen. Das Ge-amtpaket liegt auf dem Tisch. Alles, was der Bundes-anzler am 14. März dieses Jahres in diesem Hause an-ekündigt hat, liegt auf dem Tisch:
eschlossen von der Bundesregierung und beschlossenom Deutschen Bundestag ist es jetzt im Vermittlungs-
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Bundesminister Hans Eichelverfahren. Spätestens jetzt können Sie sich nicht mehrdrücken.Der Haushalt muss verabschiedet werden.
Das hat einen guten Grund: Wenn im Vermittlungsver-fahren etwas anderes herauskommt, muss klar werden,wer gemauert hat und wer für welche Etatlücke zustän-dig ist.
So läuft es nicht weiter, dass Sie alles dem Bundesfi-nanzminister anhängen,
obwohl Sie klammheimlich überall blockiert haben. Soläuft es nicht. Diese Doppelzüngigkeit ist zu Ende.
Da wir hier über Haushalte reden: Gehen Sie einmalnach Hessen. Im Haushalt des Landes Hessen stehenEinnahmen in Höhe von 390 Millionen Euro aufgrundvon Änderungen in Bundessteuergesetzen in diesemJahr.
Die Herren Koch und Steinbrück kommen mit ihren Vor-schlägen auf nicht einmal 5 Prozent davon.
Sie können sich ausrechnen, was der Herr Koch in Wirk-lichkeit im Vermittlungsausschuss machen muss, damiter seinen Haushalt in Ordnung kriegt.
Und das ist das Gegenteil dessen, was Herr Meister, derauch aus Hessen kommt, erzählt.
Das Ende der Doppelzüngigkeit ist angesagt.
Sie halten das nicht mehr durch. Sie sind jetzt an derStelle, an der Sie entscheiden müssen
und an der Sie bei Ihren Entscheidungen auch entspre-chend erwischt werden. Da kommen Sie nicht mehr raus.Ich habe aufgrund vieler Gespräche die große Hoff-nung,dgHeHfdwlizlTWEdaegSvmtfSihMn
ass wir im Vermittlungsverfahren zu einem vernünfti-en Ergebnis kommen. Das setzt aber eine ganz anderealtung als die voraus, die zum Beispiel Herr Meisterben an diesem Pult an den Tag gelegt hat.
Wir haben in dem Dreiklang von Strukturreformen,aushaltskonsolidierung und Vorziehen der Steuerre-orm in einer Phase, in der jetzt die Signale – ich sageas bewusst vorsichtig – auf Aufschwung stehen,
ir aber noch einiges dazu tun müssen, damit es wirk-ch dazu kommt, eine Chance, aus der Talsohle heraus-ukommen. Die Verantwortung dafür, dass das gelingt,iegt genauso bei Ihnen wie bei uns. Tragen Sie Ihreneil!
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Matthias
issmann.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als Herrichel vor einigen Jahren von Herrn Lafontaine das Amtes Bundesfinanzministers übernommen hat, waren wirm Anfang überrascht, dass es in Sachen Konsolidierunginige richtige neue Töne in einer sozialdemokratischeführten Regierung zu geben schien.
pätestens mit dem heutigen Tag merkt jeder – hinterorgehaltener Hand sagt einem das auch jeder Sozialde-okrat und jeder Grüne –: Herr Eichel, Sie sind zu einerragischen Figur dieser Regierung geworden. Aller Bei-all kann das nicht beiseite wischen.
ie haben mit Ihrer Politik die Finanzen Deutschlandsn die schwerste Krise der Nachkriegszeit geführt. Wiraben eine Rekordverschuldung. Sie werden das dritteal den Stabilitätspakt verletzen und dessen Kriterienicht erfüllen. Sie haben mit der Entscheidung in der
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Matthias WissmannEurogroup der Finanzminister auch die europäischeWährungsunion in eine schwere Krise geführt.Aus den Fehlern von vor zwei Jahren haben Sie nichtsgelernt. Damals haben Sie mit allen Tricks und Finessenmit demselben Bündnispartner wie heute den BlauenBrief aus Brüssel abgewehrt. Damit haben Sie zu demZeitpunkt vielleicht machtpolitisch und taktisch gepunk-tet, haben aber einen schwerwiegenden strategischenFehler gemacht, der langfristig wirkt: Anstatt die Stabili-tätshüter Europas zu Ihren Bündnisgenossen zu machenund sie als Unterstützung für die Durchsetzung derschwierigen Konsolidierungsaufgabe im Inland zu nut-zen, haben Sie sich diese zu Gegnern gemacht. Damalshaben Sie begonnen, die Schleuse für mehr Neuver-schuldung zu öffnen. Wir alle, die Bürger, die Steuer-zahler, zahlen angesichts der Rekordverschuldung, derhöchsten Neuverschuldung der Nachkriegszeit jetzt dieZeche. Damals haben Sie falsch gehandelt und handelnauch heute noch falsch.
Bei staatlichen Gesamtausgaben aller Ebenen von1 000 Milliarden Euro traut sich diese Regierung nichtzu, entsprechend dem Vorschlag der Kommission 5 bis6 Milliarden Euro an zusätzlicher Sparleistung zu erbrin-gen.
Es fehlt jeder Wille zur Stabilisierung der Staatsfinan-zen. Es mangelt darüber hinaus an jeglicher Verantwor-tung für Europa. Herr Eichel, tief in Ihrem Herzen wis-sen Sie: In der Sache haben Sie bereits aufgegeben.Meine Vermutung ist: Sie werden bald auch persönlichaufgeben.
So kann es mit Deutschlands Finanzen nicht weiterge-hen. Das fragwürdige wirtschaftspolitische Argument– es ist ein Scheinargument –, man handele mit zusätzli-chen Sparmaßnahmen kontraktiv, hat Ihnen spätestensder Sachverständigenrat aus der Hand geschlagen. DasGegenteil ist wahr: Eine vernünftige Fortsetzung derKonsolidierung stärkt Vertrauen. Vertrauen ist das Gut,das uns in Deutschland zurzeit am meisten fehlt:
Diejenigen Bürger, die Geld zur Verfügung haben, kon-sumieren nicht, weil ihnen Vertrauen fehlt. Auch dieUnternehmer, die investieren könnten, investieren nicht,weil ihnen Vertrauen fehlt. Dieses leider verloren gegan-gene Gut Vertrauen entsteht erst wieder, indem man kon-solidiert, und nicht, indem man auf Schulden setzt. Inso-fern hat der Sachverständigenrat Recht: Eine sinnvolleKonsolidierungspolitik stärkt Wachstumskräfte undschwächt sie nicht. Diesen Eindruck versuchen Sie aberzu erwecken.
Sehen wir uns einmal in Europa um.
EKtiSsSaUesnrzkidlgItMutmsaDG–
eitdem hat Spanien das höchste Wirtschaftswachstumller großen Flächenländer Europas.
mgekehrt, also anders als in Ihrer Argumentation, wirdin Schuh daraus: Nicht derjenige, der auf Schuldenetzt, schafft Wachstum, sondern derjenige, der eine ver-ünftige und mit Augenmaß betriebene Konsolidie-ungspolitik durchsetzt. 6 Milliarden Euro im Verhältnisu den Gesamtausgaben von 1 000 Milliarden Euro sindeine Überforderung für eine vernünftige Finanzpolitikn Deutschland.
Klar ist – das kann man offen aussprechen –: Die bei-en größten Sünder in der Finanzpolitik in Europa, näm-ich Frankreich und Deutschland, haben sich zusammen-etan. Sie spielen sich die Bälle zu.
ch sage Ihnen ganz offen: Dabei interessieren mich Par-eifarben überhaupt nicht.
ich interessiert die Frage, was für ein Umgang das mitnseren Finanzen und mit Europa ist. Sie stellen den Hü-er der Stabilität, die Kommission, infrage und führenit ihr einen solchen Streit.
Herr Kollege, ich möchte Sie fragen, ob Sie eine Zwi-
chenfrage der Abgeordneten Künast zulassen.
Ich möchte den Gedanken gerne im Zusammenhangusführen. Später gerne.
Meine Damen und Herren, man muss kein christlicheremokrat sein, um so zu formulieren.
estern hat die „Süddeutsche Zeitung“ zu Recht gesagt:Dieser überflüssige Streit gemeint war der mit der Kommission –
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Matthias Wissmanndroht die Stabilitätskultur wegzuspülen, die dasFundament für Europas fragile Gemeinschaftswäh-rung bildet.Warum lassen Sie sich auf diesen Streit ein? Warumversuchen Sie, im Ecofin-Rat in einem Teppichhandelohnegleichen eine Mehrheit zusammenzuzimmern?
Ich gehe noch einen Schritt weiter: Warum haben Siekürzlich mitgemacht, als der Ecofin-Rat – wiederum miteiner Mehrheit – Vorschläge mit zwei fragwürdigen ent-scheidenden Punkten erarbeitet hat? Erstens. Die Kom-mission soll in ihrer Rolle als Hüterin des Stabilitäts-pakts weiter geschwächt werden.
Zweitens – das sage ich jetzt auch den sozialdemokrati-schen und grünen Kollegen – macht der Ecofin-Rat denVorschlag, die ohnehin schon geringen Budgetrechte desEuropäischen Parlaments weiter einzuschränken.Welche Vorstellung von Stabilität und von Europasteckt eigentlich hinter Ihren Überlegungen und IhremHandeln? Man muss es offen sagen: Frankreich undDeutschland haben sich in der vergangenen Nacht inBrüssel nicht als Motoren der EU, sondern als Brems-klötze der europäischen Stabilitätspolitik erwiesen. Si-cherlich hatten Sie am Ende ein paar der kleineren Län-der auf Ihrer Seite.
Aber denken Sie einmal an die Positionen Finnlands,Österreichs, Spaniens und einiger anderer. Sie haben Ih-nen ins Stammbuch geschrieben, was man von Ihrer Sta-bilitätspolitik in Europa heute halten muss. Hören Siedoch auf die europäischen Stimmen aus allen Lagern,aus Wirtschaft und Gesellschaft und von den Kapital-märkten.
Im Interesse einer langfristigen Stabilität von Währungund Preisen kann diesen Anschlag auf den europäischenStabilitätspakt niemand für gut befinden.Sie haben einen gefährlichen Weg eingeschlagen.Wenn die Starken ohne Ende sündigen können, dann istdas ein schlechtes Beispiel für die Schwächeren. Die Eu-ropäische Union nimmt bald zehn neue Länder auf. Wasist das für ein Signal?
Frankreich und Deutschland machen munter weiter, dieWährung wird langfristig geschwächt und die Preisstei-gerungsrate wird bei Fortsetzung einer solchen Politikauf Dauer nach oben gehen. Schlechte Beispiele ziehenNachahmer nach sich.Als sich die Kollegin von den Grünen vorhin deutlichdistanziert und die Frage gestellt hat, warum Sie eigent-lsItbtSdBKlodlUlncdv1lv5AnkinsGzRBzbWjm
ch frage auch die Grünen und den Bundesaußenminis-er: Was halten Sie von einer „Sparpolitik“,
ei der der Bundeskanzler auf dem Steinkohletag mit-eilt, dass bis zum Jahr 2012 15,8 Milliarden Euro anteinkohlesubventionen zur Verfügung gestellt wer-en?
edeutet das, dass sich der Kanzler als Kumpel derumpel mit Blick auf die nordrhein-westfälischen Wah-en profilieren will? Wenn er irgendwann einmal einenrdnungspolitischen Grundsatz gehabt hat,
ann hätte er auch diesen über Bord geworfen.Was müssen eigentlich die Grünen davon halten? Ichese in der gestrigen Entschließung des Arbeitskreisesmwelt und Energie den Satz: Es ist angesichts der feh-enden Mittel in den Bereichen Bildung und Forschungicht zu rechtfertigen, einen dauerhaften Steinkohleso-kel zu finanzieren.Die nordrhein-westfälische CDU war – anders als an-ere – so mutig,
orzuschlagen, dass man bereits 2010 die Förderung auf3 Millionen Tonnen reduzieren solle. Der Bundeskanz-er hingegen spricht für 2012 noch von einer Förderungon 16 Millionen Tonnen. Wir reden hier überMilliarden Euro Unterschied in der Unterstützung desbbaus der Kohleförderung. Aber müssen sich die Grü-en nicht vorgeführt vorkommen, wenn der Bundes-anzler ohne Absprache eine solche Subventionssummen den Raum stellt? Wie können Sie, Herr Eichel, hieroch von Subventionsabbau reden, wenn Sie diese Ent-cheidung des Bundeskanzlers querzeichnen? Das ist dasegenteil von Sparpolitik. Das ist keine vernünftige undukunftsorientierte Stabilitätspolitik.
Sie sagen zu Recht ein paar freundliche Worte inichtung der weit gehenden Vorschläge der CDU/CSU-undestagsfraktion bzw. des Kollegen Friedrich Merzur Steuerreform und zur Steuervereinfachung. Aberisher tun Sie doch nichts Konkretes, um einen solcheneg zu befördern. Wie dringend notwendig er ist, weißeder hier in diesem Haus, der irgendwann einmal einittelständisches Unternehmen von innen gesehen hat.
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6662 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003
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Matthias WissmannIch will Ihnen von einem Beispiel aus diesen Tagenberichten. Es geht um einen großen mittelständischenMaschinenbauer mit Betrieben in der Schweiz und derZentrale – Gott sei Dank in Baden-Württemberg – inDeutschland. Dieser sagte mir: Das Steuerrecht inDeutschland ist inzwischen so kompliziert, dass dieSteuerprüfung in der Konzernzentrale in Deutschlandein Jahr und drei Monate, die Steuerprüfung in seinenebenfalls sehr großen Betrieben in der Schweiz wenigeStunden gedauert hat.
Das Steuerrecht in Deutschland umfasst95 000 Verwaltungsvorschriften und 100 Gesetze. Dereinzig mögliche Weg für jemanden, der das Wort Re-form zu Recht im Munde führt, ist der große Befreiungs-schlag. Sagen Sie doch Ja zu den Vorschlägen vonFriedrich Merz und taktieren Sie nicht weiter herum!Das ist der einzige Weg für einen stärkeren Wachstums-impuls und ein neues Steuerrecht in Deutschland in derZukunft.
Nehmen Sie doch unsere Vorschläge zur Arbeits-marktreform auf. Sie liegen als Gesetzentwurf vor. Be-kennen Sie sich zu der Gestaltungsfreiheit betrieblicherBündnisse für Arbeit. Bekennen Sie sich zu einer Flexi-bilisierung im Kündigungsschutz. Solche wirtschaftspo-litischen Reformen sind dringend geboten.
Bekennen Sie sich auch zu einer Flexibilisierung derArbeitszeiten, was Veränderungen im Tarifvertragsrechtbedeutet.
Schauen wir uns doch in Europa um, wie die Jahresar-beitszeiten in den Betrieben aussehen. Gehen Sie in ei-nen mittelständischen Betrieb und vergleichen Sie zweisozial entwickelte Länder wie die Schweiz und Deutsch-land.
Die durchschnittliche Jahresarbeitszeit in der Schweizliegt heute bei 1 800 bis 1 850 Stunden, in Deutschlandbei 1 500 bis 1 550 Stunden.
Ich sage nicht, dass der Durchschnitt in allen Länderngleich hoch sein muss. Aber eines muss doch jeder ka-pieren, der ökonomischen Verstand hat: Ohne mehr Fle-xibilität, die auch Mehrarbeit ermöglicht und die auchetwas weniger Urlaub ermöglicht, kommen wir nicht aufeinen grünen Zweig. Solche Reformen sind dringend nö-tig, wenn wir in Deutschland wirtschaftspolitisch voran-kommen und wieder Wachstum schaffen wollen.
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eswegen prognostiziere ich Ihnen eines: Sie werden imahre 2004 genauso bittere Wahlniederlagen erleben wiem Jahre 2003, weil den Bürgern nichts mehr vorge-acht werden kann. Der Rekordverschuldungsministerteht für die Politik der ganzen Regierung. Dieser Minis-er Eichel, der die europäische Stabilitätskultur verletzt,teht – leider – für die europaskeptische Politik auch desundeskanzlers. Beides hat keine Zukunft. Ändern Sietwas, solange Sie noch Zeit haben!
Das Wort hat jetzt die Kollegin Antje Hermenau,
ündnis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kolle-en! Herr Wissmann, mit der Frage der Steuerreformaben Sie ein gutes Thema aufgerissen. Sie hätten einechte Steuerreform haben können. Eine Steuervereinfa-hung besteht zum Beispiel darin, dass man bestimmteergünstigungen streicht. Die Debatte darüber haben wirm Januar dieses Jahres angestrengt. Wir haben ein gan-es Jahr verloren, bis Herr Merz Ihren Fehler wiederusgebügelt hat, indem er selber einen Vorschlag unter-reitet hat, Steuervergünstigungen abzubauen – undwar restlos. Wenn Sie selber sagen, Steuervereinfa-hung wäre das Wichtigste, was jetzt geschehen soll,ann hätten Sie, die CDU/CSU, uns im Januar unterstüt-en können. Diese Möglichkeit hatten Sie; Sie haben sieerstreichen lassen.
it den Vorschlägen von Koch und Steinbrück habenie statt des Rasenmähers jetzt die Nagelschere imschungel der Subventionen angeboten. Sie haben jedeinzelne Subvention stehen lassen – die Subventionenüllen einen dicken Hefter – und nehmen von jeder Sub-ention 4 Prozent herunter. Das bringt Sie natürlich auchicht voran, wenn Sie wirklich Steuervereinfachung zumiel haben.
teuervereinfachung haben Sie aber offensichtlichicht zum Ziel, sonst hätten Sie ganz andere Vorschlägeemacht. Aber wir haben ja im Vermittlungsausschussoch Möglichkeit und Zeit, über diese Fragen zu disku-ieren.
Eine Frage ist heute ganz wichtig – sie ist mit deraushaltsdebatte schicksalhaft verbunden, da gebe ich
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Antje Hermenauzum Beispiel Herrn Rexrodt Recht –: Was haben wirbzw. was hat Herr Eichel eigentlich gestern und heute er-reicht, auch für Deutschland? Diese Frage versuchen wirhier gemeinsam zu bewerten und zu beantworten. Ichteile die Auffassung, dass wir vielleicht einen hohenPreis zahlen müssen – da soll man sich nicht vertun. Derhohe Preis wird sein, dass in den nächsten Jahren – un-abhängig davon, ob irgendwelche Wahlen stattfindenoder nicht – weitere Reformpakete und Sparpakete ge-schnürt werden müssen;
denn es ist ganz offensichtlich, dass der Reformprozessinzwischen unumkehrbar geworden ist. Wäre dem nichtso, dann hätten es die anderen europäischen Finanzmi-nister Herrn Eichel und Herrn Francis Mer nicht durch-gehen lassen, zu sagen: Gebt uns noch einmal einen Auf-schub. Mehr als ein Aufschub ist es nicht. In einemhalben Jahr kann neu entschieden werden; das weiß auchjeder. Wir haben die Möglichkeit, unseren Reformeneine Chance zu geben. Das sollten Sie ernst nehmen.Wenn Finanzminister aus anderen Ländern, die ihre ei-genen Erfahrungen damit haben, wie Reformen funktio-nieren oder nicht funktionieren, mehrheitlich der Mei-nung sind, dass man den Reformen der BundesrepublikDeutschland eine Chance geben sollte, weil sie wahr-scheinlich zielführend sind, dann sollten Sie sich hiernicht als die Hüter einer theoretischen Idee aufführen.Sie sollten vielmehr versuchen, den Praxistest mit unsgemeinsam zu bestehen. Auch dazu haben Sie im Ver-mittlungsverfahren die Möglichkeit.
Es ist interessant, dass in den Ecofin-Vorlagen steht – daskann man nachlesen –, dass das größte Haushaltsrisikodarin besteht, dass man das Ergebnis des Vermittlungs-verfahrens noch nicht einschätzen könne, da es noch inder Diskussion sei und noch vom Bundesrat abhänge.Sie müssten zumindest dem Volumen – wenn Sie miteinzelnen Maßnahmen nicht einverstanden sind, könnenSie andere Vorschläge bringen – des Reform- und Spar-pakets der Bundesregierung zustimmen. Das ist dasMindeste, was kommen muss. Aber Sie wollen eigent-lich gar nicht, dass wir mit dem Bundeshaushalt unsereVorschläge im Detail öffentlich bekannt machen. Siewollen gleich in das Vermittlungsverfahren abtauchenund alles klammheimlich hinter verschlossenen Türenberaten, damit am Ende keiner als derjenige dingfest ge-macht werden kann, der für einen bestimmten Vorschlagsteht, der im Kompromiss zutage tritt. Es ist klar, dassSie nicht erwischt werden wollen, wenn Ihre Vorschlägezum Beispiel darin bestehen, alle ABM zu streichen.
Das kann ich gut verstehen, aber Abtauchen gilt nicht.
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Das werden wir sehen.Ich gehe davon aus, dass Sie in den letzten4 Stunden einen Strategiewechsel vollzogen haben.ie haben bis gestern einen Konfrontationskurs verfolgt,eil Sie darauf hofften, dass Brüssel der Koalition beiiesem Bundeshaushalt gravierende Steine in den Weggen würde.
iese Strategie ist gestern geplatzt. Jetzt kommt Plan B.etzt werden diejenigen in der CDU/CSU nach vorne tre-n, die schon immer gesagt haben, die Union müsse einisschen mehr kooperieren. Genau das wird ab morgeneginnen. Wir werden die Elefantenrunde erleben, wirerden weitere Ergebnisse im Vermittlungsausschussehen und dann müssen Sie doch die Eigenheimzulageanz opfern. Wahrscheinlich wird das so sein.
Sie können sich doch nicht als Hüter des Stabilitäts-aktes aufspielen,
ind aber nicht einmal in der Lage, Vorschläge zu ma-hen, die dieselbe Summe ergeben, die unsere Vor-chläge erbracht haben. Wenn Sie das nicht können,ann sollten Sie den Mund nicht so weit aufsperren.
Inzwischen haben wir in Deutschland die Phase er-eicht, in der die konkreten Vorschläge auf den Tisch ge-gt werden müssen, weil die Lernprozesse in den Par-ien stattgefunden haben. Wenn ein solcher Lernprozessei Ihnen nicht stattgefunden hat und das Ihre taktischenruhe begründet, dann ist das Ihr Problem. Wenn eroch stattgefunden hat, dann ist es an der Zeit, dass Sieorschläge liefern. Ihre Taktik ist nicht aufgegangen.
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Antje HermenauSchauen Sie sich doch Europa an. Jean-ClaudeJuncker steht wirklich nicht in Verdacht, Rot-Grün nachdem Munde zu reden. Dasselbe gilt für die französischeRegierung. Auch die gehört nicht zum rot-grünen Mi-lieu. Das wissen wir alles. Herr von Weizsäcker, der zu-mindest theoretisch Ihrer Partei angehört, hat heute deut-lich im Fernsehen gesagt, es wäre ihm wichtig, dass ganzmutige Entscheidungen für Reformschritte getroffenwerden. Machen Sie doch endlich einmal! Wollen Sie imPrinzip Recht behalten oder wollen Sie in der Sache er-folgreich sein?
Die Börse war heute unbeeindruckt, der Eurokurs hatauch nicht großartig nachgegeben. Das Einzige, was miteinem gewissen nationalen Tremolo in der Stimme überdas Fernsehen waberte, waren irgendwelche Unionspoli-tiker, die meinten, das Abendland gehe zugrunde. Offen-sichtlich hat das die Börse nicht gehört. Herr Tremonti,der Finanzminister Italiens, ist jetzt mit seinem, wie ichfinde, irrwitzigen Versuch unterwegs, den Investitions-begriff neu zu definieren, einige Sachen herauszurech-nen und damit eine kreative Haushaltsführung zu ma-chen.
Es ist ein Erfolg von Hans Eichel, dass er es geschaffthat, Francis Mer, den französischen Finanzminister, da-von zu überzeugen, das Verfahren jetzt nur einzufrierenund nicht zu versuchen, an den Regeln herumzufum-meln. Ich halte das für einen Erfolg. Die Gefahr lag dochganz woanders.
Heute ist schon einmal Herr Köhler vom Internationa-len Währungsfonds bemüht worden. Man sollte sich derDebatte stellen, ob man wirklich nur rein quantitativkonsolidieren, also nur die Summen reduzieren will,oder ob man nicht qualitativ konsolidieren, also Struktu-ren verändern will. Die beste Garantie, dass es auf Dauerein Abschmelzen der Ausgaben gibt, ist der Subven-tionsabbau, weil die Wirkungen über Jahre hinweg ein-treten,
und zwar mit jedem Jahr stärker. Das hat wirklich nach-haltige Effekte. Sie sind herzlich eingeladen, sich amSubventionsabbau stärker als bisher zu beteiligen. Überdie Nagelschere aus dem Koch/Steinbrück-Konzepthabe ich mich schon ausgelassen. Es ist nach unsererAuffassung wirklich zu wenig, was dort vorgeschlagenworden ist.
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eswegen ist einer gewissen Ratlosigkeit in der Frage,as aus der Situation der vergangenen zwei Jahre für dasirtschaftswachstum der Europäischen Union zu lernenst, für einige Monate ein Abwarten gefolgt, um zu er-ennen, ob die für Deutschland vorgeschlagenen Refor-en Hand und Fuß haben. Ich gehe davon aus, dass daser Fall ist. Denn es hat durchaus ein Sinneswandel statt-efunden.Die Akzeptanz der Strukturreformen als vernünftigesnstrument der Haushaltskonsolidierung, das über Jahreinweg funktioniert, ist im rot-grünen Milieu vorhanden.nderenfalls wäre es nicht zu den Entscheidungen ge-ommen, die in den vergangenen Wochen mit rot-grünerehrheit getroffen worden sind.
as heißt für mich, das Hans Eichel Recht hatte, sichicht dem Defizitverfahren und dem Zwang aus Brüsselu unterwerfen, sondern dafür zu sorgen, dass jede Partein diesem Land zu ihrer Verantwortung steht.
An der Begrenzung der Risiken müssen wir gemein-am arbeiten, Herr Austermann. Aber dazu werden Sieicherlich irgendwann einmal die von Ihnen schon soange versprochenen knallharten Sparvorschläge vorle-en.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Michael
eister.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich darfus dem Gutachten der fünf Weisen zitieren:Im Bereich der Steuerpolitik bestehen gegenwärtigerhebliche Defizite. Zurzeit regiert nicht die Union! –Das deutsche Einkommensteuerrecht wird zuneh-mend als chaotisch wahrgenommen.
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Dr. Michael MeisterSteuerpolitische Einzelmaßnahmen fügen sich nichtin eine erkennbare Systematik ein.Frau Hermenau, das ist die Antwort auf die von Ihnengestellte Frage. Sie haben zu Jahresbeginn ein Steuerver-günstigungsabbaugesetz vorgelegt, das keinerlei steuer-systematischen Ansatz aufgewiesen
und ein reines Chaos produziert hat.
Dass es in Deutschland kein Wachstum gibt, liegtdoch daran, dass sich kein Investor in Deutschland aufverlässliche Rahmenbedingungen verlassen kann.
Wenn Sie heute in Deutschland einen potenziellen Inves-tor fragen, welche Rahmenbedingungen im Jahr 2004gelten werden, dann stellen Sie fest, dass Ihnen das bishin zum Bundesfinanzminister kein Mensch beantwor-ten kann.
– Nein, nicht weil wir blockieren, sondern weil der Bun-desfinanzminister über kein steuerpolitisches Leitbildverfügt. Er hat jeden Tag eine neue Idee, verfolgt jedenTag einen neuen Ansatz und erzeugt damit ein völligesChaos.
– Lieber Herr Schöler, das ist der Unterschied, den Sieansprechen. Was die von Ihnen eingeforderten Vor-schläge angeht,
kann ich Ihnen versichern: Wir haben entsprechendeVorschläge und wir haben ein Leitbild.
Vor kurzem hat der Kollege Merz zehn Thesen zurSteuerpolitik vorgelegt, die deutlich machen, wie einmodernes Einkommensteuerrecht einfach, transparentund verlässlich gestaltet werden kann.
Mit einem solchen Konzept können wir am StandortDeutschland wieder Vertrauen und Investitionssicherheitschaffen.Sie können gerne nach dem Konzept verlangen. Esliegt bereits vor. Ich biete Ihnen an, dieses Konzept an-zunehmen. Machen Sie mit und realisieren Sie es! Danngibt es in der deutschen Steuerpolitik endlich wiedereine Orientierung!
Die Tragik des Bundesfinanzministers, die der Kol-lege Wissmann eben angesprochen hat, liegt nicht darin,dZdNGSnhlnRKndmrtdwdzdaMidtausdidildfgvSKtSAdl
ls Beispiele nenne ich das Dosenpfand und die Ausbil-ungsplatzabgabe, Frau Eichstädt-Bohlig. Oder die Koa-ition schlägt vor, Steuern und Abgaben zu erhöhen; als
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Dr. Michael MeisterBeispiele nenne ich hier die Versicherungsteuer und dieTabaksteuer. Mit einem solchen Ansatz bekommen Siebei uns kein fundiertes Wachstum zustande.
Es zerstört Wachstum, wenn die Menschen wissen, dasssie, egal was sie tun, höher besteuert und mit höherenAbgaben belastet werden.
Im Gutachten der fünf Wirtschaftsweisen können Sieauf Seite 477 lesen:Tatsache ist, dass der Standort Deutschland steuer-lich im Jahr 2003 unattraktiver ist als 2001.Zwischen 2001 und 2003 war Herr Eichel Bundesfinanz-minister; er hat mit seiner Politik dafür gesorgt, dass derStandort Deutschland unattraktiver geworden ist.
Ich habe eben die Gemeindefinanzreform angespro-chen; dazu mache ich noch einige weitere Bemerkungen.Realisierten wir Ihre glorreichen Gesetze, die jetzt imVermittlungsausschuss beraten werden, dann hätten dieGemeinden – so wird angekündigt – im nächsten Jahr2 Milliarden Euro mehr in der Kasse. Wenn sie aber ein-mal durchrechnen, was tatsächlich herauskäme, wenn alldiese Gesetze realisiert würden, dann werden dieGemeinden feststellen, dass sie im Januar 20042,2 Milliarden Euro weniger in der Kasse hätten. Auchdies ist ein Kennzeichen Ihrer Politik: Die Etikette derPakete, die Sie verschicken, stimmen nicht mit dem In-halt überein.
– Herr Schöler, deshalb glaubt Ihnen niemand mehr undes ist kein Vertrauen vorhanden. – Wenn Sie den Ge-meinden weiter in die Kasse greifen und ihnen im nächs-ten Jahr noch einmal 2 Milliarden Euro wegnehmen,dann wird auch dort nichts in die kommunale Infrastruk-tur investiert. Dafür tragen Sie mit Ihrer Politik Verant-wortung. Sie entziehen den Kommunen das Geld, das siezur Finanzierung der notwendigen Infrastrukturmaßnah-men brauchen.
Meine Damen und Herren, wir haben einen Ansatzaufgezeigt, der nicht nur – Sie haben es angesprochen –den Weg über die Verbesserung der Einnahmenseitegeht.
– Die Union, Herr Kollege Tauss. Hören Sie zu, Sie wer-den schlau dabei!
In unserem Sofortprogramm haben wir angeboten,auch die Ausgabenseite zu betrachten. Deswegen führenwtuUaEmMazohsdmdwSdzehwldSShIHstewHDgdKznbins5g
Sie loben sich ständig für Ihre Konsolidierungsbemü-ungen. Aber Sie blenden dabei aus, dass es zwischenhrer Regierungsübernahme und dem Amtsantritt vonans Eichel noch eine kleine Zeitdifferenz gab. In die-em Zeitraum wurden die Ausgaben des Bundeshaushal-es um 25 Milliarden DM angehoben, und zwar nichtinmalig, sondern Jahr für Jahr. Die Probleme, mit denenir heute kämpfen, hat Rot-Grün also nicht erst unterans Eichel, sondern schon unter Lafontaine verursacht.arunter leiden wir heute, wenn es um Konsolidierungeht.
Nun reden Sie über Subventionsabbau. Auch wir tunas. Wir wollen, wie gesagt, mit dem Koch/Steinbrück-onzept konstruktiv umgehen. Aber wir werden nichtum Ziel kommen, wenn wir in Deutschland schnellereue Subventionstatbestände schaffen, als wir alte ab-auen. Der Bundeskanzler hat zugesagt – dieses Themast schon erörtert worden –, für die Steinkohlesubventio-ierung 5 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Wiechwer ist es, Subventionen in einer Größenordnung von Milliarden Euro abzubauen, die hier mit einem einzi-en Federstrich zugestanden worden sind! Ein weiteres
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Dr. Michael MeisterBeispiel ist die Förderung der erneuerbaren Energien,über die gerade diskutiert wird. Die entsprechenden Mit-tel sind zwar nicht im Bundeshaushalt eingestellt. Aberden Menschen in unserem Land wird eine Förderungüber Subventionen zugemutet. All das verkaufen Sieaber als Subventionsabbau. Wo sind wir denn? ZiehenSie sich lieber zu Beratungen zurück und denken Siedarüber nach, was Sie tun wollen. Dann können wir wei-ter diskutieren.Ich komme noch einmal zurück auf das Thema Stein-kohlesubventionen. Herr Finanzminister, Sie haben vor-hin gelobt, dass die Steinkohlesubventionen zurückge-führt werden. Aber warum werden die Subventionenzurückgeführt? Sie werden zurückgeführt, weil es unterder Regierung Kohl einen Kompromiss gab, der die De-gression der Steinkohlesubventionen festgelegt hat. Da-von profitieren Sie noch heute. Übrigens, der damaligeVorsitzende der SPD, Oskar Lafontaine, hat die Kumpelauf die Straße geführt, um gegen den Steinkohlesubven-tionsabbau zu demonstrieren. 200 000 Kumpel warendamals in Bonn, um gegen eine Politik zu demonstrie-ren, für die Sie sich nun loben lassen. Wir haben diesenKompromiss durchgesetzt und Sie wollen das Lob dafüreinheimsen, obwohl Sie damals versucht haben, das Zu-standekommen dieses Kompromisses zu verhindern.
– Lieber Herr Schöler, ich habe bei den damaligen De-monstrationen in Bonn selber erlebt, wie Herr Lafontaineaus rein parteipolitischem Interesse die Kumpel ange-heizt und Stimmung gegen das Ziel gemacht hat, denStaatshaushalt durch den Abbau von Subventionen zukonsolidieren. Dass der Subventionsabbau gelungen ist,können Sie nicht als Erfolg für sich in Anspruch neh-men.Ich möchte noch eine Bemerkung zum MaastrichterVertrag machen. Ich hätte mich gefreut, wenn der Bun-desfinanzminister heute gesagt hätte: Ich habe in Brüsselglaubwürdig vermittelt, dass wir die Auflagen der EU-Kommission erfüllen werden, und wir sollten im Rah-men der Beratungen über den Haushaltsentwurf 2004darüber nachdenken, wie wir die zusätzlichen Sparmaß-nahmen im Bundeshaushalt realisieren können. Das wä-ren zwei Botschaften gewesen – Akzeptanz der Sparauf-lagen aus Brüssel und des Maastricht-Vertrages sowieeine gemeinsame Anstrengung, um den Auflagen ge-recht zu werden –, über die ich mich gefreut hätte.
Leider ist es so nicht gekommen. Wir haben einenenttäuschenden Bericht aus Brüssel bekommen. Ichmöchte nur daran erinnern, dass Herr Eichel bei seinemAmtsantritt einen ausgeglichenen Haushalt für 2004angekündigt hat. Nun wird stattdessen die Diskussiondarüber begonnen, dass eine Nettoneuverschuldung von3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht ausreicht. Wiegesagt, eigentlich hätte Herr Eichel dafür sorgen müssen,dass das Defizit 2004 bei null liegt, und zwar nicht nachudbkeimntavbEtAusKskgE2v–sdgGznKAdDmagteFFEwwcgtv
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Frau Hermenau hat gefragt, warum wir im Vermittlungs-ausschuss bei der Konsolidierung in solch einer Zeitnotsind. Frau Hermenau, ich will Ihnen darauf eine Antwortgeben: Nach der Bundestagswahl im letzten Jahr habenwir erlebt, dass die Bundesregierung neun Monate langnichts getan hat. Sie mussten erst einmal Ihre Positionenklären und den Parteitag der SPD im Juni sowie den Par-teitag der Grünen im Juni abwarten, weil Sie vorhernicht handlungsfähig waren.
Deswegen sind bis September dieses Jahres überhauptkeine Reforminitiativen auf den Tisch gekommen. Wirreden erst seit zwei Monaten über Reforminitiativen. Esist Ihr Versäumnis, dass Sie neun Monate nichts getanhaben. Sie können diesen Fehler jetzt nicht der Opposi-tion anlasten. Diesen Schuh müssen Sie sich anziehen.
Ich hoffe, dass in dieser Debatte ein bisschen zuge-hört wird, dass Sie die eine oder andere Äußerung zumNachdenken bringt und dass wir vielleicht doch noch dasZiel erreichen, das, was schon beschädigt worden ist, zureparieren. Wir müssen zum Geist von Maastricht zu-rückkehren und die Wertigkeit unserer Verfassung in Zu-kunft vielleicht doch etwas mehr in den Vordergrundstellen, als es gegenwärtig der Fall ist.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Jörg-Otto Spiller.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Der Europäische Ministerrat hat heute einesachgerechte, ökonomisch vernünftige und vertragskon-forme Entscheidung getroffen.
Herr Minister Eichel, ich möchte Ihnen dafür danken;denn Sie haben einen großen Anteil an dieser guten Ent-scheidung.Einige Kollegen aus der Unionsfraktion hielten es fürangemessen, das Budgetrecht des Deutschen Bundestagsdurch öffentliche Erklärungen von gestern und heute umeiner billigen Schlagzeile willen einzuschränken. DaswstadgvehHeDdDg2hDüdüshMDudDMdsSrm
Warum war diese Entscheidung des Ministerrats sach-emäß und vertragskonform? Art. 104 des EG-Vertrageserpflichtet den Rat, nach Prüfung der Gesamtlage zuntscheiden. Das hat er getan. Prüfung der Gesamtlageeißt: Der Rat muss das ökonomische Gesamtbild, denintergrund, würdigen.Dabei muss man als Erstes feststellen: Der Euro istine Erfolgswährung.
er Euro ist eine der härtesten Währungen überhaupt inieser Welt.
ie durchschnittliche Preissteigerungsrate aller Mit-liedsländer der Europäischen Währungsunion liegt bei Prozent. Die niedrigste Preissteigerungsrate überhauptat Deutschland mit 1 Prozent.
er Außenwert des Euro, Herr Rexrodt, ist nicht nur gegen-ber dem Dollar hoch, weil der Dollar derzeit schwach ist;er Euro – das muss man genauso sehen – ist auch gegen-ber dem britischen Pfund und dem Schweizer Frankentabil.Hier wurde über Inflationsgefahren im Zusammen-ang mit dem Euro und mit der Entscheidung des EU-inisterrats gesprochen, eben zum Beispiel von Herrnr. Meister. Das ist unsachgemäß, unverantwortlich undnredlich. Sie wissen es besser, Herr Dr. Meister; Sie re-en wider besseres Wissen.
ie Währung ist stabil. Die Stabilität ist nicht gefährdet.Wenn es in Deutschland und in Europa insgesamt einanko gibt, dann ist das
ie Wachstumsschwäche, die wir in Deutschland
eit zehn Jahren zu beklagen haben, Herr Rexrodt.
eit 1993 ist die Wachstumsrate in Deutschland im unte-en Drittel der Wachstumsraten in der Europäischen Ge-einschaft.
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Jörg-Otto SpillerIch sage ja nicht, dass das damit zusammenhängt, dassSie 1993 Bundeswirtschaftsminister geworden sind.
Das war nicht Ihnen anzulasten.
Es ist eine strukturelle Schwäche, die wir überwindenmüssen. Wir gehen daran, und zwar mit den Entschei-dungen, die der Deutsche Bundestag bereits zur Agenda2010 getroffen hat: Abbau von Verkrustungen, Reduzie-rung insbesondere der Lohnnebenkosten, mehr Dynamikfür unsere Volkswirtschaft.Wir täten uns und auch unseren Nachbarn in Europakeinen Gefallen, wenn wir den keimenden Aufschwungmit einer Haushaltspolitik kaputtsparen wollten, die einÜbermaß von Restriktion zum Inhalt hat. Es mag ja sein,dass der eine oder andere von Ihnen den Aufschwungnicht will, weil er Ihnen politisch nicht passt – leider hatman den Eindruck –,
aber wir sind in der Verantwortung, wir werben dafürund werden unsere Kraft dafür einsetzen, dass die deut-sche Volkswirtschaft wieder zu Dynamik und Vollbe-schäftigung zurückfindet.
Es entspricht im Übrigen auch dem nationalen Recht,dass wir die Haushaltspolitik von Bund und Ländern amgesamten magischen Viereck und nicht ausschließlich andem zurzeit überhaupt nicht gefährdeten Ziel der Preis-stabilität ausrichten.Bund und Länder sind gefordert. Bund und Länder sindübrigens auch gegenüber Europa gefordert. Die Orientie-rung „nicht mehr als 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktsals Defizit der öffentlichen Haushalte“ bezieht sich auf denGesamtstaat, nicht allein auf den Bund. 3 Prozent sind beieinem Bruttoinlandsprodukt in Deutschland von rund2 100 Milliarden Euro gut 60 Milliarden Euro. Der Bundhat in diesem Jahr – leider – ein Haushaltsdefizit von rund43 Milliarden Euro. Das ist viel; wir beklagen das.
Das sind 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.
Die Länder haben bisher – Stand: September – ein De-fizit von 26 Milliarden Euro. Es ist so gut wie sicher, dasssie am Ende dieses Jahres ein Gesamtdefizit von mehr als30 Milliarden Euro haben werden. Das sind 1,5 Prozentvom Bruttoinlandsprodukt. Reden Sie also nicht nurüber den Bund, sondern reden Sie über den Gesamtstaat!
azu gehören auch die Länder. Die dürfen sich nicht aushrer Verantwortung stehlen. Gefragt ist hier der Ge-amtstaat, unser föderatives Gemeinwesen.
Wir entfachen kein Strohfeuer.
ir gehen an die strukturellen Ursachen heran, aber wirerden nicht in den keimenden Aufschwung hinein eineestriktive Haushaltspolitik betreiben.
Es wäre natürlich viel logischer gewesen, Herr Kol-ege Michelbach, wenn Sie im Laufe der letzten Monateenigstens ab und an einen Beitrag zur Konsolidierunges Haushalts mitgetragen hätten, beispielsweise indemie sich am Abbau von Subventionen und Steuerver-ünstigungen beteiligt hätten.
ir, Bund, Länder und Gemeinden, könnten heute bes-er dastehen. Sie haben sich dem verweigert.
er Kollege Merz arbeitet jetzt mit irgendwelchen An-ündigungen, aber es geht nicht darum, irgendwann einentlastung für die Bürgerinnen und Bürger dieses Lan-es und die mittelständischen Unternehmen vorzuneh-en, sondern sie muss jetzt kommen.Das Kernstück des Haushaltsbegleitgesetzes, das derundestag schon verabschiedet hat, ist die Senkung desohn- und Einkommensteuertarifs ab 1. Januar 2004.in lediger Arbeitnehmer mit einem Jahreseinkommenon 30 000 Euro brutto
ird nach diesem Tarif im nächsten Jahr 650 Euro weni-er Steuern zahlen als in diesem Jahr und sogar300 Euro weniger als 1998. Eine Familie mit eineminkommen von 37 000 Euro brutto wird im nächstenahr überhaupt keine Steuern mehr zahlen, wenn manas Kindergeld mit einbezieht. Das ist übrigens viel bes-er als das, was Herr Merz Ihnen ankündigt. Besagte Fa-ilie würde schlechter dastehen, wenn Herr Merz sichit seinen Vorschlägen durchsetzen könnte.
Ich erinnere daran: Als Sie noch regiert haben, betruger Spitzensteuersatz 53 Prozent und der Eingangssteuer-atz 26 Prozent.
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Jörg-Otto SpillerDer Eingangssteuersatz wird im nächsten Jahr 15 Prozentund der Spitzensteuersatz 42 Prozent betragen.
Das heißt, auch die mittelständische Unternehmerschafthat Kraft zu Investitionen.
Letzte Bemerkung: Herr Michelbach, ich muss Ihnendennoch ein Kompliment machen.
Aber Herr Kollege, Ihre Redezeit ist schon überschrit-
ten. Ein Satz noch.
Der letzte Satz richtet sich an Herrn Michelbach: Sie
haben in Ihrem Beitrag das Kunststück fertig gebracht,
eine Kampfrede sowohl gegen Herrn Merz als auch ge-
gen Herrn Koch und Herrn Stoiber zu halten, obwohl
doch jeder dieser drei Herren etwas anderes erzählt.
Herzlichen Glückwunsch!
Herr Kollege!
Ich wünsche mir trotzdem, dass die Union noch zu ei-
ner Linie findet, deren kleinster gemeinsamer Nenner
nicht bloß Blockade lautet.
Das Wort hat die Abgeordnete Gesine Lötzsch.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich binAbgeordnete der PDS – auf diesen Satz warten Sie jaimmer, also soll er auch heute nicht fehlen.Ich möchte Finanzminister Eichel in Schutz nehmen.
– Abwarten.
Er hat sich einem ökonomisch fragwürdigen Pakt wider-setzt, und das war richtig. Dass sich Herr Waigel, CSU,als Finanzminister der Regierung Kohl diese starren Re-geln hatte einfallen lassen, sagt ja schon viel über seinenunzureichenden ökonomischen Sachverstand aus.
Ich bin schon erstaunt, dass ich als Sozialistin Ihnen dieMarktwirtschaft erklären muss.DSÜAEhEdessIintfzEu2HSSfS–essshresgdHdMru
ieser Pakt war nämlich nicht Ergebnis ökonomischenachverstandes, sondern Ausdruck von Arroganz undberheblichkeit der CDU/CSU-FDP-Regierung, diengst hatte, die starke D-Mark gegen einen weichenuro einzutauschen. In all Ihren Reden haben Sie jaeute fast in Form einer stehenden Redewendung dasrbe der D-Mark beschworen.Nun müssen Sie sich, meine Damen und Herren voner CDU/CSU, schon die Mühe machen, den Bürgern zurklären, warum Ihre alte Argumentation – hohe Ver-chuldung gleich schwacher Euro – offensichtlich nichttimmt.
ch glaube, es ist klar geworden, dass der Stabilitätspaktn der Form, in der er bestand, tot ist und dass über eineneuen Pakt verhandelt werden muss. Das 3-Prozent-Kri-erium – das wissen Sie alle – war ja willkürlich gegrif-en. Es hätte genauso ein 2,5-Prozent- oder ein 4,5-Pro-ent-Kriterium geben können.
Meine Damen und Herren, ich will das Lob für Herrnichel nicht übertreiben
nd möchte Ihnen begründen, warum wir den Haushalt004 ablehnen. Das wichtigste Argument lautet: Deraushalt der rot-grünen Regierung ist sozial ungerecht.ie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, wollen dieteuern für die Reichen senken und sich die Steueraus-älle über Sparmaßnahmen bei den Arbeitslosen undozialhilfeempfängern wieder hereinholen.
Danke schön, Kollege Fricke, auch das gehört dazu,benso die Rentensenkung.Die Kürzungen beim Arbeitslosengeld und die Zu-ammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfeollen etwa 4,5 Milliarden Euro einbringen. Das ent-pricht in etwa dem Betrag, der den öffentlichen Haus-alten durch die Senkung des Spitzensteuersatzes verlo-en geht. Die Arbeitslosen sollen also – um das nochinmal klar zu formulieren – die Senkung des Spitzen-teuersatzes bezahlen, und das unter Rot-Grün.Meine Damen und Herren, der zweite Ablehnungs-rund ist für uns der Umgang der Bundesregierung under Regierungskoalition mit Ostdeutschland. Deraushalt 2004 ist auch ein Dokument zum Stand dereutschen Einheit. Ich darf Sie nur an die Kürzung derittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung deregionalen Wirtschaftsstruktur“ erinnern. In einer Nacht-nd-Nebel-Aktion wurden den ostdeutschen Ländern im
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Dr. Gesine LötzschHaushaltsausschuss 100 Millionen Euro für die Gemein-schaftsaufgabe gestrichen
und es war kein Protest der Ostabgeordneten von CDU,SPD, FDP und Grünen zu hören.
Wir haben, wie Sie wissen, im Osten die erschre-ckende Situation, dass die Länder gar nicht mehr in derLage sind, die Kofinanzierung für die Gemeinschafts-aufgabe aufzubringen.
Die Hilfe des Bundes kann gar nicht mehr ausgeschöpftwerden, weil die neuen Länder finanziell ausgeblutetsind. Das heißt, nicht einmal die Hilfe zur Selbsthilfefunktioniert noch.Noch schlimmer trifft den Osten die Kürzung von3 Milliarden Euro für Arbeitsbeschaffungsmaßnah-men durch die Bundesanstalt für Arbeit. Herr Gerster istder Meinung, dass es keinen Sinn mache, einer „verlore-nen Generation“ das Geld hinterherzuwerfen. Mit „ver-lorener Generation“ meint er die jetzt über 50-jährigenOstdeutschen. Das ist ein himmelschreiender Zynismus,der hier gegeißelt gehört.
Wie wir nun erfahren haben, ist Herr Gerster abersehr gern bereit, das Geld einem Medienberater hinter-herzuwerfen, Herrn Schiphorst. Ich kenne HerrnSchiphorst schon als Medienbeauftragten von HerrnDiepgen, CDU, damals Regierender Bürgermeister vonBerlin. Nach Diepgens Abgang war er leider eine Zeitlang auch noch Medienbeauftragter von Herrn Wowe-reit.
Er arbeitete in Berlin als One-Dollar-Man. Es war nichteinfach, ihn loszuwerden, aber letztendlich hatte man esgeschafft, Herr Austermann. Ich habe mir damals imMedienausschuss des Abgeordnetenhauses sehr genaudie so genannte Konzeption von Herrn Schiphorst ange-hört und war sofort der Auffassung, dass diese Konzep-tion wirklich keinen Dollar und auch keinen Euro wertist. Wie man hört, ist die Konzeption, die er für die Bun-desanstalt für Arbeit vorgelegt hat, ähnlich.Jetzt ist also Herr Schiphorst bei Herrn Gerster gelan-det und kassiert richtig viel Geld. Ich erwarte, dass HerrGerster den Vertrag mit Herrn Schiphorst im Haushalts-ausschuss offen legt und uns die Konzeption vorstellt,die über 1 Million Euro wert sein soll. Der Wirtschafts-ausschuss scheint dafür aus nun bekannt gewordenenGründen nicht geeignet, war doch der Vorsitzende, HerrRainer Wend von der SPD, bis heute – heute ist er zu-rückgetreten – im Aufsichtsrat der WMPAG, der Firma,die Herrn Schiphorst angeheuert hat.
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Natürlich, da haben Sie Recht, auch Herr Rexrodt ista drin. Das ist alles ein Filz quer durch die Fraktionenes Hauses. Das war ein guter Einwurf von Ihnen. Daranann man sehen, dass Sie alle sich da nicht viel nehmen.
Von den Grünen ist augenscheinlich keiner in diesemufsichtsrat.
Hier wird gerufen: „kommt noch“; aber – Herrtröbele, ich nehme Ihren Zuruf gerne auf – Sie möchten diesem einen Fall Ihre Hände gern in Unschuld wa-chen. Was den Aufsichtsrat betrifft, haben Sie vielleichtecht; aber auch Sie haben nicht verhindert, dass derar-ge Verträge abgeschlossen werden können.Meine Damen und Herren, es ist nicht hinnehmbar,ass in diesem Haushalt auf der einen Seite bei den Ar-en weiter gekürzt wird, aber auf der anderen Seite daseld mit vollen Händen hinausgeschmissen wird. Auchit Ihren Zwischenrufen hier haben Sie wenig Einsichtezeigt. Deshalb werden wir diesen Haushalt ablehnen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Bernhard
rinkmann.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Herr Austermann, Ihre Sternstunde ist schon langeorbei. Und wenn man zum Schluss der heutigen De-atte drankommt, kann man das eine oder andere weg-assen oder das eine oder andere noch abräumen.
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6672 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003
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Bernhard Brinkmann
Ich will einmal meine Aussage aus einem Debattenbei-trag im Frühjahr dieses Jahres wiederholen: Wer alshaushaltspolitischer und finanzpolitischer Berater desSpitzenkandidaten Steffel so wie Sie hier in Berlin ge-scheitert ist, sollte den Mund in der Frage nicht so vollnehmen.
Wenn man so wie Sie vorgeht, dann muss man auch da-mit leben, dass das ab und zu, wie man im Tennis sagt,retourniert wird.
Leider ist der Kollege Rexrodt nicht mehr da. Er hatin seinem Redebeitrag von diesem Platz aus wiederholtausgeführt: „ein finanzpolitisches Desaster“. Ich habewährend dieser Rede aufmerksam zugehört und darübernachgedacht, dass ja zumindest die Frage erlaubt seinmuss: Wann ist der Grundstein für dieses finanzpoliti-sche Desaster gelegt worden?
Ich glaube, dass zumindest der Kollege Rexrodt oder dieFDP – das Wort „Sie“ also klein und groß geschrieben –über Jahrzehnte hinweg eigentlich immer dabei war, alsder Grundstein für dieses finanzpolitische Desaster ge-legt wurde.
Man darf bei der gesamten Debatte auch eines nichtvergessen: Die von Ihnen zu verantwortende falscheFinanzierung der Kosten der deutschen Einheit hatdazu geführt, dass wir bei Regierungsantritt im Jahre1998 eine Rekordverschuldung von 1,5 Billionen DMübernommen haben, für die wir auch heute noch die ent-sprechenden Zins- und Tilgungslasten zu tragen haben.
Wenn der Kollege Michelbach von Steuererhöhungenspricht – das hat er auch im Frühjahr bei der Debatteüber den Haushalt 2003 getan –, dann muss er sich schonentscheiden, ob er für den Abbau von Steuervergünsti-gungen und letztendlich auch für das Streichen vonSubventionen ist,
wie das auch Herr Merz vorgeschlagen hat und wie dasauch Herr Koch gemeinsam mit dem Ministerpräsiden-tenkollegen Steinbrück vorgeschlagen hat. Es stellt sichdie Frage, ob er diese Rede nicht, wie es der Finanzmi-nister gesagt hat, vor einem Jahr hätte halten sollen.SwdIVlgwEDIwr–bbwDmhSd3gdlis–basz1dD
ie müssen sich schon entscheiden, ob Sie mit dabei seinollen, wenn es konkret wird. Hier im Deutschen Bun-estag haben Sie das jedenfalls nicht ausgeführt.
ch bin gespannt auf das Ergebnis der Verhandlungen imermittlungsausschuss.Ich will nun nicht all die Steuererhöhungen wiederho-en, die Sie während Ihrer Regierungszeit auf die Reiseeschickt haben,
eil Sie nämlich mit Ihren Versprechungen, die deutscheinheit aus der Portokasse zu finanzieren, wirklich einesaster angerichtet hatten.
ch nenne nur 50 Pfennig Mineralölsteuer, ohne dass et-as über gesunkene Rentenversicherungsbeiträge zu-ückgeflossen ist.
Richtig. Dann machen Sie doch jetzt auch einmal mitei dem Subventionsabbau, den wir vorgeschlagen ha-en. Machen Sie doch auch einmal mit und sagen Sie,as Sie denn gern möchten.
ann haben Sie uns ganz dicht an Ihrer Seite. Sie neh-en, Herr Kollege Feibel, an den Beratungen im Haus-altsausschuss einfach nicht teil, Sie ziehen sich inschneckenhaus zurück und irgendwann präsentieren Sieann in einer Bereinigungssitzung über Nacht etwa00 Anträge ohne jeglichen finanzpolitischen Hinter-rund, nur mit der Formulierung „Erörterungsbedarf“,ie auf jedem Blatt deutlich ausgedruckt ist. Die Mög-ichkeit zur Erörterung hatten Sie über mehrere Wochenn den Sitzungen des Haushaltsausschusses, Sie habenie als Opposition nicht wahrgenommen.
Die FDP, Herr Kollege Fricke, nehme ich dabei ganzewusst aus. Vielen Dank für den Zwischenruf. Ich hätteber auch noch gesagt, dass Sie konkrete Einsparvor-chläge in den Haushaltsberatungen unterbreitet haben.
Übrigens will ich in aller Deutlichkeit noch etwasum Versicherungssteuersatz sagen: Geerbt haben Sie982 einen Satz von 5 Prozent, hinterlassen haben Sieer neuen Bundesregierung einen Satz von 15 Prozent.er Satz wurde also verdreifacht. Auch das war eine
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003 6673
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Bernhard Brinkmann
massive Steuererhöhung, die Sie vornehmen mussten,um die Kosten der deutschen Einheit zu finanzieren.
Über die Höhe des Eingangssteuersatzes und des Spit-zensteuersatzes, Herr Kollege Feibel, hat mein KollegeSpiller bereits entsprechende Ausführungen gemacht.
Ich will auch noch einmal zurückkommen auf dieVerhandlungen der letzten Nacht in Brüssel. Dass Ihnendas Ergebnis nicht schmeckt, weil Sie mit einer anderenSchlagzeile gerechnet haben, ähnlich wie seinerzeit beianderen Reformen, wo man sich dann zumindest bei Ge-sundheit in einer großen Koalition auf entsprechendeEntscheidungen und schmerzliche Eingriffe verständigthat, das verstehe ich ja. Ich bin aber unserem Finanzmi-nister dankbar, dass er dieses Ergebnis erzielt hat. Esführt nämlich dazu, dass sich der leise beginnende Auf-schwung fortsetzen kann. Dazu ist aber auch zwingenderforderlich, dass Sie dem Vorziehen der Steuerreformzustimmen.Herr Kollege Austermann, wer so wie Sie am SchlussIhrer Rede bemängelt, dass Stellen ausgeweitet wordensind – ich beziehe mich auf den Einzelplan 08 des Bun-deshaushalts –, der sollte auch darauf hinweisen, warumes diese Stellenausweitung geben muss. Es geht dabeinämlich um die aktive Bekämpfung der Schwarzarbeitin Deutschland. Ich glaube, wir sind uns darin einig, dassdas sinnvoll ist. Wenn Sie Tag für Tag landauf, landab inder Öffentlichkeit für dieses Ziel eintreten, dann solltenSie hier diese Stellenausweitung nicht dazu missbrau-chen, davon abzulenken, dass Sie bis heute keinen kon-kreten Vorschlag zum Sparen vorgelegt haben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, die De-batte, die heute zum Einzelplan 08 „Finanzen“ und darü-ber hinaus zur Finanzpolitik insgesamt geführt wordenist, macht deutlich, dass der Ball in Ihrem Spielfeld liegt.Sie müssen nun konkrete Vorschläge unterbreiten re-spektive das unterstützen und mitbeschließen, was wirIhnen vorgeschlagen haben. Ich fordere Sie auf, das zutun. Stimmen Sie diesem Haushalt zu! Dann wäre es einguter Abend für Deutschland.Schönen Dank.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Norbert
Königshofen.
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err Eichel, die überwältigende Mehrheit hält Ihreaushalts-, Finanz- und Steuerpolitik für unseriös.
as hat zwei Gründe. Zum einen haben die Bürger Ihrnvermögen erkannt. Ihre Haushalts- und Finanzpolitikesteht für sie nur noch aus dem notdürftigen Stopfenerade auftretender Finanzlöcher. Eine durchdachte Stra-egie zur Lösung der Haushaltskrise kann man nichtrkennen.
um anderen glauben die Menschen Ihren leeren Ver-prechungen nicht mehr.
Zum dritten Mal in Folge – das ist hier schon mehr-ach angeklungen – wird Deutschland das Defizitkrite-ium des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspak-es nicht einhalten. Noch im Finanzbericht 2003 hat Herrichel den Bürgern versprochen, 2006 einen ausgegli-henen Haushalt zu präsentieren. Davon muss er be-anntlich Abschied nehmen. Jetzt ist Herr Eichel stolz,enn er für 2004 mit seiner Nettokreditaufnahmenapp unter 30 Milliarden Euro bleibt.Herr Bundesfinanzminister, ich habe mir vorhin Ihrenuftritt angeschaut. Eigentlich müssten Sie in Sack undsche gehen,
nstatt Ihre marode Politik in dieser dreisten Form zuerteidigen. Mich jedenfalls wundert es nicht, dass deregierung niemand mehr glaubt, wie überhaupt das Ver-rauen in die Regierung Schröder weiter zurückgeht. DiePD als größte Regierungspartei liegt bei 25 Prozent,endenz weiter fallend.
Es geht aber nicht nur um das Ansehen der Regierungchröder in Deutschland. Es geht auch um das Anseheneutschlands in Europa und der Welt.
is 1998, Herr Poß, galt Deutschland international als ver-sslicher Partner. Deutschland wurde gerade wegen seinereriösen Haushalts- und Finanzpolitik im Ausland bewun-ert. Wir Deutsche waren es, die bei den Verhandlungenum europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt auftrenge Kriterien gedrängt haben.
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Norbert KönigshofenWir wussten: Nur mit Haushaltsdisziplin kann man aufDauer Wachstum sichern. Damals wollten wir uns vorallem vor der laschen Haushaltspolitik unserer südeuro-päischen Partnerländer schützen.Mittlerweile sind die Verhältnisse umgekehrt. Heutesind wir diejenigen, die die Kriterien verletzen. Heutemüssen wir uns von unseren Partnern und der Europäi-schen Kommission mahnen lassen. Es gelingt nur mitgroßen Tricks, Schlimmeres abzuwenden. Rot-Grün hates innerhalb von fünf Jahren geschafft, Deutschland vomersten auf den letzten Platz in Europa zu führen, sozusa-gen von der Tabellenspitze in die Abstiegszone.
– So ist es. – Das ist nicht nur für Deutschland eineschlimme Sache. Als die größte und wichtigste Volks-wirtschaft in Europa tragen wir über Deutschland hinausVerantwortung. Da hilft auch kein Verweis auf Frank-reich. Wer soll sich denn in Zukunft an die Vorgaben deseuropäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes halten,wenn wir es nicht tun?
Ich kann daher nur unterstreichen, was die Wirt-schaftsweisen in ihrem Gutachten 2003 zum Stabilitäts-pakt festgestellt haben – ich hoffe, dass Sie zumindestdiesen Herren glauben –:Wenn die Staaten des Euroraumes verkennen, dassein solides Haushaltsgebaren nach den Regeln desPaktes im gegenseitigen Interesse aller Beteiligtenliegt, dann wird er– das heißt, der Pakt –langfristig nicht überleben, mit bedenklichen Fol-gen für die Stabilität der gemeinsamen Währung.Sie verweisen im Augenblick auf den stabilen Euro.Dazu sage ich: Wir werden in ein oder zwei Jahren wie-der über dieses Thema sprechen, wenn Sie Ihre Politiknicht ändern.Nun wird in dieser Debatte von Ihnen immer behaup-tet, dass wir keine Einsparungsvorschläge machen. Sieund ich wissen, dass das nicht stimmt. Abgesehen davonverkennen Sie, dass uns die Wähler verschiedene Aufga-ben zugewiesen haben. Sie haben bei der Bundestags-wahl 2002 erneut den Regierungsauftrag erhalten.
Das ist sehr bedauerlich; aber es ist nun einmal so. Dasheißt, dass Sie einen ordentlichen Haushalt vorlegenmüssen. Das heißt, dass Sie entsprechende Sparvor-schläge machen müssen.
Wenn Sie dazu nicht in der Lage sind und wenn Siekeine Mehrheit dafür finden, dann sollten Sie nicht laut-htEmvtEkmEneHzAds1mAaccfSbMBzrsspssdD
s ist schon darauf hingewiesen worden, dass Bundes-anzler Schröder vor 14 Tagen auf dem Steinkohletagal soeben eine Förderung in Höhe von 16 Milliardenuro versprochen hat. Durch Ihr politisches Missma-agement fehlen uns im nächsten Jahr, wenn man nur diersten sechs Monate heranzieht, Mauteinnahmen inöhe von mindestens 1 Milliarde Euro. Das haben Sieu vertreten, doch nicht die Opposition.
uch in diesem Jahr fehlen schon 624 Millionen Euro;arüber wird immer sehr leicht hinweggegangen. Sieollten einmal zusammenrechnen; das sind mehr als,5 Milliarden Euro. Herr Poß, in Gelsenkirchen würdean sagen: Da muss eine alte Frau lange für stricken.
ngesichts solcher Tatsachen ist es schon dreist, unsufzufordern, die von Ihnen verursachten Haushaltslö-her zu stopfen. Sie wollen damit – das ist der tatsächli-he Grund – doch nur von Ihrem Versagen ablenken.
Das Kernproblem aber ist, dass Sie es nicht schaffen,ür ein ausreichendes Wirtschaftswachstum zu sorgen.ie schaffen es auch 2004 nicht, die Wirtschaft anzukur-eln. In Deutschland werden wieder rund 4 Millionenenschen arbeitslos sein. Sie wissen doch: Nur 100 000eschäftigte mehr bringen in Bezug auf Steuern und So-ialversicherungsbeiträge Mehreinnahmen in Höhe vonund 2 Milliarden Euro; ganz zu schweigen von den Ein-parungen beim Arbeitslosengeld und bei der Arbeitslo-enhilfe. Machen Sie also eine vernünftige Wirtschafts-olitik! Dann wird sich ein Großteil Ihrer Sorgen vonelbst erledigen. Ohne vernünftige Wirtschaftspolitikind keine soliden Staatsfinanzen zu garantieren. Ich habeen Eindruck, es gelingt Ihnen nicht. Sie können es nicht.eswegen bleibt auch Ihr Haushaltsentwurf Makulatur.
Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klaas Hübner.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! In schwierigen Zeiten – und wer wollte ange-sichts von drei Jahren Stagnation und der anhaltendendemographischen Probleme unseres Landes leugnen,dass es schwierige Zeiten sind – zeigt sich normaler-weise der wahre Charakter von handelnden Personen.
Vor diesem Hintergrund möchte ich das Prozedere derHaushaltsberatungen nachzeichnen. Jeder Einzelplan,also jedes einzelne Budget, wird im Vorfeld der Haus-haltswoche ausführlichst im Haushaltsausschuss bera-ten. Dies sind der Ort und der Zeitpunkt, seine eigenenÄnderungsvorschläge, seine Verbesserungsvorschlägeeinzubringen, zu debattieren und abschließend abzustim-men.
Die Koalitionsfraktionen und auch die FDP habendieses Königsrecht des Parlamentes im Ausschuss ent-sprechend in Anspruch genommen, nicht dagegen dieCDU/CSU-Fraktion. Sie haben nicht einen einzigen An-trag eingebracht, was schon allein für eine gewisse Fan-tasielosigkeit spricht. Sie haben es nicht einmal ge-schafft, sich im Rahmen der Abstimmungen über dievon uns und der FDP eingebrachten Anträge ein eigenesVotum zu bilden. Im weiteren Verlauf des Verfahrens ha-ben Sie jedoch in Aussicht gestellt, in der Bereinigungs-sitzung mit großen, massiven Sparvorschlägen aufzu-warten.In der Tat haben Sie am Vorabend der Bereinigungs-sitzung 300 so genannte Änderungsanträge einge-bracht. Wir waren sehr gespannt. Kein einziger Antragwar dann mit Zahlen hinterlegt. Ich habe einmal wahl-los vier Anträge herausgegriffen, um das öffentlich zubelegen. Sie haben zum Beispiel Erörterungsbedarf zumEinzelplan 01, Geschäftsbereich des Bundespräsiden-ten und des Bundespräsidialamtes, zum Titel „Einnah-men aus Sponsoring, Spenden und ähnlichen freiwilli-gen Geldleistungen“ angemeldet. Wir haben diesenTitel mit Null eingestellt, was ich auch für angemessenhalte. Wollen Sie ernsthaft den Bundespräsidenten mitdem Hut in der Hand durch die Gegend schicken, da-mit er Geld einsammelt?
Des Weiteren haben Sie in einigen Anträgen völligdarauf verzichtet, Einzeltitel zu nennen. Auf den Druck-sachen 15/1456 und 15/1149 haben Sie zur Bundeswert-papierverwaltung und zum Bundessozialgericht ganz all-gemein Erörterungsbedarf angemeldet. Sie können dochnicht ernsthaft diese Institutionen allgemein einem Erör-terungsbedarf unterziehen. Das ist keine solide Haus-haltspolitik. Sie haben wahllos Anträge zusammenge-schustert, um einen Tätigkeitsnachweis für sich undandere zu erbringen.
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Dass Sie sich angesichts dieser Kraftanstrengung be-üglich der Anträge nicht mehr in der Lage sahen, we-igstens bei den Abstimmungen Ihr Votum abzugeben,st nur noch eine Petitesse. Hier zeigt sich – damitomme ich zurück auf meine Eingangsbemerkung – dieilflosigkeit der CDU/CSU in Haushaltsangelegenhei-en. Sie haben damit dem Parlamentarismus insgesamtinen Bärendienst erwiesen.Wir haben uns in Oppositionszeiten immer als eineegierung im Wartestand verstanden. Angesichts dieseraushaltsberatungen muss man sagen: Sie sind eine Op-osition in einem lethargischen Ruhestand.
Der Bundeshaushalt 2004 muss zwei großen Anfor-erungen gerecht werden.
r muss auf der einen Seite die Konsolidierung fortset-en, er muss auf der anderen Seite aber auch alles dafürun, Konjunktur und Wachstum wieder in Gang zuringen. Insbesondere das Vorziehen der Steuerreformoll den aufkeimenden Aufschwung stabilisieren undlle Bürger unseres Landes und insbesondere die Fami-ien nennenswert entlasten.
Selbst Sie bestreiten nicht, dass das Vorziehen derteuerreform einen positiven konjunkturellen Effektätte. Sie halten ihn nur für relativ gering.
ber wann denn, wenn nicht jetzt, bei all den Anzeichenines aufkeimenden Aufschwungs, sollen wir Maßnah-en ergreifen, die dazu dienen, diesen Aufschwung zutabilisieren? Geben Sie in den Verhandlungen im Ver-ittlungsausschuss Ihrem Herzen einen Stoß und stim-en Sie dem Vorziehen der Steuerreform zu.
Wir haben bei der Aufstellung des Haushalts natürlichie im Rahmen der Agenda 2010 geplanten Gesetzesvor-aben berücksichtigt. Wir haben so gehandelt wie jederolide Unternehmer, der bei einer Vorausschau sein Un-ernehmen betreffend die Maßnahmen, die er eingeleitetat, um bessere Ergebnisse zu erzielen, in seine Zahlenit einfließen lässt. Im Etat 2004 wird daher deutlich,ass mit der Durchsetzung der Strukturreformen der
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Klaas HübnerAgenda 2010 bis zum Jahresende insbesondere die Be-reiche Bildung, Innovation und Familie in den Mittel-punkt unseres politischen Handelns treten.Als Beispiele einige wenige Fakten: Wir haben dafür ge-sorgt, dass wir keine Abstriche beim Investitionsprogrammzum Ausbau der Ganztagsschulbetreuung machen.Das ist ein ganz wesentlicher Aspekt in der Familienpo-litik.
Wir haben eine Erhöhung der Mittel für die großen For-schungseinrichtungen in Höhe von drei Prozent vorgese-hen.
Wir haben die Erfolgsgeschichte der BAföG-Reformund des Meister-BAföGs durch eine entsprechende An-satzerhöhung von 61 Millionen Euro im Haushalt trotzschwieriger Haushaltslage abgerundet.
Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.
Ja, Herr Präsident. – Wir haben durch das Vorziehen
der Steuerreform für eine nennenswerte steuerliche Ent-
lastung gerade auch der Familien gesorgt.
Das Fazit der Haushaltsberatungen kann daher nur
lauten: Wir von der Regierungsseite wollen und können
gestalten. Die CDU/CSU dagegen will nicht gestalten.
Daher ist es gut, dass Sie, da Sie im Bundestag keine
Mehrheit haben, auch nicht gestalten können.
Vielen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zu-
nächst zur Abstimmung über den Einzelplan 08 – Bun-
desministerium der Finanzen – in der Ausschussfassung.
Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Einzelplan 08 ist mit den Stimmen der Koa-
litionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und
FDP angenommen.
Abstimmung über den Einzelplan 20 – Bundesrechnungs-
hof – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer
stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan
20 ist einstimmig angenommen.
Abstimmung über den von der Bundesregierung ein-
gebrachten Gesetzentwurf über die Feststellung eines
Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushalts-
jahr 2003, Drucksachen 15/1925 und 15/1990. Der
Haushaltsausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/1926,
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Klaus-Peter WillschNichts anderes ist der Nachtragshaushalt für 2003: eineDemonstration und der Beweis, dass die Bundesregie-rung es einfach nicht kann. Falsche Signale, falsche Wei-chenstellungen, falsche Schlüsse und falsche Entschei-dungen – dies prägt die rot-grüne Politik.Damit haben Sie unser Land in die schwerste haushalts-politische Krise seit dem 2. Weltkrieg geführt. Man kannes auf eine einfache Formel bringen: Rot-grünes Durch-einander plus ein total überforderter Bundesschuldenmi-nister Eichel ergibt den Nachtragshaushalt 2003. Oderwie wollen Sie eine Steigerung von 130 Prozent, also – inZahlen – von 18,9 auf 43,4 Milliarden Euro, sonst nen-nen?
Wenn Sie aus Ihren Fehlern wenigstens lernen wür-den. Aber auch für den Haushalt 2004 gilt: Wunschvor-stellungen als Schätzgrundlage, Gesundbeten statt präzi-ser Diagnose und anschließend richtiger Therapie,Ausblenden der Wirklichkeit und Beschimpfung der Op-position. Das ist alles, was Rot-Grün einfällt.
Mit Parteitagsbeschlüssen, die Sie fassen lassen, umMehrheiten für Ihren Bundesgeschäftsführer und IhrenGeneralsekretär zu sichern und den linken Flügel ein we-nig zu befriedigen, verunsichern Sie zusätzlich. Sie erhö-hen die Erbschaftsteuer, Sie beschließen die Bürgerver-sicherung und eine Ausbildungsplatzabgabe und Sieverunsichern diejenigen systematisch, die in unseremLand investieren könnten, wodurch Sie die Lage in die-sem Land noch weiter verschlechtern.Aufgrund Ihrer hartnäckigen Weigerung, die Wirklich-keit in unserem Lande wahrzunehmen, und aufgrund desvon Ihnen vorgelegten Märchenbuches – ein solches ist dervon Ihnen vorgelegte Haushaltsplanentwurf 2004 – würdees sich eigentlich verbieten, ihn zu beraten. Sie beharrendarauf. Deshalb müssen wir uns dem natürlich auch stel-len.
Wir werden uns zu diesem Thema in Kürze aber wieder-sehen, dann nämlich, wenn der Vermittlungsausschussseine Ergebnisse vorlegt. Es ist ja nun nicht so, wie esHerr Poß heute gesagt hat, dass dort nur über ein paarPetitessen geredet würde. Wir reden über 10 Prozent desHaushaltsvolumens.
Das sind keine Kleinigkeiten, das ist eine fundamentaleGröße für diesen Haushalt. Es wäre der richtige Weg ge-wesen, das Ergebnis abzuwarten und das Verfahren so-lange auszusetzen.
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Sie wissen das wahrscheinlich noch besser als ich, ichermute es nur.Sie tricksen herum und reden das kümmerliche Werk,as Sie vorlegen, noch schön. Sie täuschen ein Wachsenes Haushaltsansatzes vor, indem Sie die Mittel für dieinrichtung von Ganztagsschulen, die eine vorüberge-ende Finanzhilfe für die Länder darstellen, systemwid-ig einrechnen. Sie sind im Einzelplan 60 veranschlagt.
ie wissen genau, dass das Budget für Bildung und For-chung in Ihrem Entwurf sinkt, wenn Sie diese Kompo-enten nicht einrechnen. Um Ihren Einzelplan in der
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Klaus-Peter Willschweiteren Argumentation historisch schönzurechnen, be-rücksichtigen Sie die Sondereffekte aus den UMTS-Er-lösen nicht, damit nicht deutlich wird, dass die Mittelnicht mehr, sondern weniger werden.Frau Bulmahn, Sie machen mit dieser Blenderei demKanzler Konkurrenz. Wenn wir redlich miteinander diskutie-ren, werden Sie zugeben müssen, dass die Projektförde-rung um circa 8 Prozent gekürzt wird. Da der Kanzlernicht zweimal hintereinander sein Wort brechen wollte,hat die institutionelle Förderung in diesem Jahr den zu-gesagten Aufwuchs erhalten. Sie wissen aber, dass esnicht gut ist, wenn sich das Verhältnis zwischen Projekt-förderung, deren Mittel prozentual gekürzt werden, undder institutionellen Förderung, deren Mittelansatz erhöhtwird, verschiebt. Die Mittel müssen in beiden Bereichenaufgestockt werden.Sie rechnen Ihren Einzelplan mit den 4 Milliarden Eurofür die Ganztagsbetreuung schön. Nun sehen wir, wiebegeistert dieses Programm im Lande aufgenommenwird.
Obwohl alles in trockenen Tüchern ist, legen Sie großePR-Programme auf. Mit den Ländern ist besprochen,wie die Mittel eingesetzt werden sollen. Es ist zwarschön, wenn Betreuungsmöglichkeiten an Schulen ge-schaffen werden, aber das ist nicht Ihre Aufgabe, dafürsind Sie nicht zuständig. Das erklärt Ihren Kunstgriffmit dem Einzelplan 60, weil diese Mittel in Ihrem Etatüberhaupt nichts verloren haben. Gleichwohl rechnenSie sie immer mit ein, um nachzuweisen, wie sehr Siesich in diesem Lande um Bildung und Forschung bemü-hen. Sie sind Forschungsministerin, nicht Suppenkü-chenministerin in Deutschland, das muss endlich wiederdeutlich werden.
Als Haushälter kann ich nur anmerken: Die nächsteSperre kommt bestimmt. Unzählige Risiken kommengerade mit diesem Makulaturhaushalt auf uns zu. Diesesind bei Ihnen schon System geworden; denn durch denEingriff in den Haushaltsvollzug korrigieren Sie das,was zunächst wegen mangelndem Sachverstand oderwegen Schönfärberei bewusst falsch veranschlagtwurde. Sie treten damit das Budgetrecht dieses Parla-ments mit Füßen. Was hat denn eine Beratung im Haus-haltsausschuss oder im Parlament noch für einen Wert,
wenn Sie im Anschluss nach Gutdünken all das zusammen-wursteln, was Sie sich zusammenphantasiert haben – eswird jedoch wie ein Kartenhaus zusammenbrechen –, daskündigen wir Ihnen schon heute an –, nur um am Endemit irgendeiner Zahl aufzuwarten? Sie wissen, dass dasnicht gut ist. Sie wissen, dass dies eine Missachtung desParlaments ist. Aber Sie gehen diesen Weg weiter.
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ie Kinder bekommen wegen Ihrer miesen Politik kei-en Ausbildungsplatz und drehen noch eine Runde iner Schule. Deshalb gehen die Zahlen so nach oben.
Frau Bulmahn, auf der anderen Seite kürzen Sie dentat für das Sonderprogramm zur Schaffung zusätzli-her Ausbildungsplätze in den neuen Ländern, weil dieituation dort so rosig ist, um 6 Millionen Euro. Auchas verstehe, wer will. Ich glaube, Sie müssen sich wirk-ich ernsthaft mit den Themen beschäftigen, die auf derand liegen. Wir wollen von Ihnen als Bundesfor-chungsministerin wissen: Womit werden wir denn ineutschland in zehn oder zwanzig Jahren unser Gelderdienen? Sie sollten daher entsprechende Projekte för-ern.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003 6679
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Klaus-Peter WillschWir wollen von Ihnen wissen, ob wir in zehn oder in 20Jahren im Schlagschatten von Windmühlen im Kreislaufen und Weltmeister im Gender Mainstreaming sindoder ob wir neue Verfahren und neue Produkte entwi-ckeln, die wir auf den Markt bringen und mit denen wirin Deutschland Geld verdienen können.
Ich zitiere aus der „Welt“: „Europa drängt stärker insAll“. Wie wollen Sie denn mithalten, Frau Ministerin,wenn im Ministerrat besprochen wird, dass man sich indem Bereich stärker engagieren will? Sie haben für dasnationale Programm jetzt eine Dotierung vorgesehen, dieJahr für Jahr abgeschmolzen wird. Sie wissen genau,dass durch zurückgehende Förderung in diesem BereichArbeitsplätze zerschlagen werden. Jeder Euro, den Sienicht investieren, kostet bei uns unmittelbar Arbeits-plätze, weil es keinen anderen Auftraggeber in diesemBereich gibt. Auf der anderen Seite legen Sie „Brain-drain-Programme“ auf, mit denen Sie versuchen, jungeMenschen, die hier keine Perspektive mehr sehen – weilSie so handeln, wie Sie handeln –, mühsam wieder ausdem Ausland zurückzuholen. Das passt nicht zusammen,wie alles in der rot-grünen Politik.
Das ist von vorne bis hinten ein Krampf.Sie könnten diesem Land – ich sehe, dass es hierblinkt und ich langsam aufhören müsste – einen großenGefallen tun, wenn Sie – nach dem, was wir heute erlebthaben und was Herr Eichel mit dem Stabilitätspakt ange-richtet hat – –
Herr Kollege, Sie haben selbst gesagt, dass Sie sehen,
dass es blinkt. Kommen Sie also bitte auch zum Schluss.
Wenn ich sehe, was Sie mit der Forschungslandschaft
in Deutschland anrichten, dann stelle ich fest, dass es ein
Segen für dieses Land wäre, wenn Sie endlich abtreten
würden.
Ein besseres Beschäftigungsprogramm für Deutschland
gäbe es nicht.
Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Carsten Schneider von der
SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! LiebeKolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Willsch hat jaafddtsvdSadhBhibeWggEudOmsdIsIsdVaRUtPWgdsn
ie haben sich groß und breit über die Generalpolitikusgelassen, die Sie durch Ihre Politik im Bundesrat lei-er mit zu verantworten haben und die sich im Bundes-aushalt niederschlägt.Deswegen will ich ganz kurz einige grundsätzlicheemerkungen zu dem machen, was Sie angesprochenaben. Auch der Haushalt für Bildung und Forschung istn die Konsolidierungsbemühungen des Bundes einge-unden. Auch wir sind in der Verantwortung, nicht nurinen soliden Haushalt aufzustellen, sondern auchachstumsimpulse zu geben, die wir dringend benöti-en und ohne die es – das haben die letzten drei Jahreezeigt – keine dauerhafte Konsolidierung gibt. Dieserkenntnis haben der Rat der europäischen Wirtschafts-nd Finanzminister, der IWF, die Bundesregierung undie sie tragenden Fraktionen. Wer sie nicht hat, ist diepposition.Was Sie machen, ist töricht. Sie werfen dem Finanz-inister auf der einen Seite vor, nicht ausreichend zuparen, sind aber auf der anderen Seite diejenigen, dieas Sparen verhindern.
ch erinnere mich an das Steuervergünstigungsabbauge-etz. Sie haben damals das Scheitern dieses Gesetzes alshren Erfolg verkauft, merken aber jetzt, wie negativich das auf die Konsolidierungsbemühungen der Lan-eshaushalte und des Bundeshaushalts auswirkt.
Sie haben auch im Vermittlungsausschuss eine großeerantwortung. Ich kann nur hoffen, dass Sie dieser Ver-ntwortung gerecht werden, denn eine Ablehnung dereformgesetze im Vermittlungsausschuss würde dienion als eine Partei erscheinen lassen, die über Patrio-ismus diskutieren muss, weil sie nicht mehr weiß, wasatriotismus ist.
arum sonst stellen Sie sich nicht Ihrer Verantwortung,erade wenn es um die Staatsfinanzen geht? Das müssteoch Ihnen als staatstragender Partei ein Grundanliegenein. Nein, Sie betreiben Blockadepolitik und Ableh-ung.Ich komme zum Haushalt für Bildung und Forschung.
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Carsten SchneiderIch wiederhole mich an dieser Stelle nur ungern. Ichhabe in der ersten Lesung gesagt, dass der Haushalt fürBildung und Forschung im Jahr 2004 wieder einRekordhaushalt sein wird. Das ist so.
Die Koalitionsfraktionen haben den Haushalt noch ein-mal gesteigert. Insgesamt stehen 9,7 Milliarden Euro fürBildung und Forschung zur Verfügung. Das ist ein Plusvon 6,6 Prozent gegenüber 2003. Es ist fast ein Drittelmehr als 1998,
und das unter den schwierigen haushaltspolitischen Be-dingungen.
Wahr ist, dass zu diesem Aufwuchs zum großen Teil dasGanztagsschulprogramm beigetragen hat, dessen An-satz im Jahr 2003 von 300 Millionen Euro auf jetzt1 Milliarde Euro gestiegen ist.Ich erinnere mich an die Debatten, die wir hier imFrühsommer vorigen Jahres geführt haben. Waren esnicht gerade Sie gewesen, die die Notwendigkeit fürmehr Investitionen in Bildung und schulische Ausbil-dung immer wieder in den Vordergrund gerückt haben?Waren es nicht Sie, die die Verantwortung auch des Bun-des eingefordert haben? Wer ist es denn, der die natio-nale Bildungsplanung in der Kultusministerkonferenzabgelehnt hat? Das sind die unionsregierten Länder ge-wesen. Es gibt eine Anstrengung des Bundes. Wir geben1 Milliarde Euro mehr für Ganztagsschulen, die sehr gutim Lande ankommen.
Selbst in Thüringen – das ist kein sozialdemokratisch re-giertes Land – nehmen alle Städte und Kommunen, alleTräger der Schulen das Geld sehr gern an und bemühensich mit der Elternschaft sehr aktiv, gemeinsame Kon-zepte zu entwickeln. Das ist ein großer Erfolg.
Sie haben das Bild vom Haushaltsvorstand gebracht.Das scheint aus dem vorigen Jahrhundert zu stammen.Ich hoffe, dass es auch für die Kinder in Hessen nichtganz so schlimm ist und Sie sich aktiv an dieser Politikbeteiligen werden.Dass so ein Kraftakt nicht ohne Einsparungen mög-lich ist, dürfte auch Ihnen klar sein. Aus diesem Grundkonnte auch der Haushalt für Bildung und Forschungnicht gänzlich von Einsparungen verschont bleiben.
Sie müssen aber auch sehen, dass die Mittel für dasZukunftsinvestitionsprogramm – Sie hätten die Ein-nttlhefiHMrddmaEhnagamdtO1mIgnSsgesISgBhtDEu
st meines Erachtens vertretbar; denn es kann für jedenaushälter durchaus eine Zier sein, sparsam mit denitteln umzugehen. Werfen Sie einen Blick in den Be-icht des Bundesrechnungshofes! Der Präsident des Bun-esrechnungshofes hat einige Punkte angesprochen, inenen wir alle in der Verantwortung sind, noch sparsa-er mit den Mitteln umzugehen. Das kann sehr wohluch den Haushalt für Bildung und Forschung und dieinrichtungen in diesem Bereich betreffen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ichabe das Gefühl, Sie wollen sich waschen, ohne sichass zu machen. Wie sonst ist es zu verstehen, dass Sieuf der einen Seite den Abbau von Steuervergünstigun-en und Subventionen blockieren, auf der anderen Seiteber Mehrausgaben verlangen? Glauben Sie mir: Manuss kein großer Prophet sein, um deutlich zu machen,ass das nicht funktioniert. Das ist einer großen Opposi-ion meines Erachtens nicht würdig. Sie bekommen alspposition im Bundestag einen Sonderzuschlag von5 Prozent – das sind jährlich 2,2 Millionen Euro und er-öglicht Ihnen eine bessere personelle Ausstattung – fürhre Fraktionsarbeit. Das habe ich bisher auch immer fürerechtfertigt gehalten.
In den Beratungen im Haushaltsausschuss haben Sieicht einen einzigen Vorschlag gemacht. Frau Reiche,ie haben kritisiert, dass die Mittel für die Gemein-chaftsaufgabe Hochschulbau zu niedrig seien. Erkundi-en Sie sich bei Ihren Kollegen: Sie haben nicht einmalinen Antrag zur Erhöhung der Mittel vorgelegt. Wieoll ich Sie ernst nehmen? Ein sinnvoller Sparvorschlaghrerseits – ich nehme die FDP davon aus – wäre dietreichung der Zulage in Höhe von 2,2 Millionen Euroewesen.
Lassen Sie mich noch auf einige Details aus deneratungen der Einzelpläne zu sprechen kommen. Ichabe mit meinem Kollegen Bonde das Ressort sehr in-ensiv durchforstet und wir haben Schwerpunkte gesetzt.as Wichtigste vorweg: Das Budget für deninzelplan 30 wird gegenüber dem Regierungsentwurfm 52 Millionen Euro erhöht.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003 6681
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Carsten Schneider– Natürlich wegen des BAföGs, Herr Kollege Willsch.Es ist doch ein Erfolg unserer Politik, dass in den ver-gangenen zwei Jahren 100 000 junge Menschen – Schü-lerinnen, Schüler und Studierende – wieder mehr BAföGbekommen haben.
Ich kann Ihre Kritik nicht verstehen. Chancengleich-heit hat bei Rot-Grün wieder Vorrang bekommen
und die Studierenden haben unabhängig davon, wie esim Geldbeutel ihrer Eltern aussieht, die Chance, ein Stu-dium aufzunehmen.
Gleichzeitig ist es uns gelungen, das Versprechen desBundeskanzlers aus der Agenda 2010 umzusetzen: DasBudget der Forschungseinrichtungen wird um 3 Prozenterhöht. Das ist in Zeiten knapper Kassen besonders zuwürdigen. Wir haben die Ansätze der Forschungsorgani-sationen seit 1998 um 18 Prozent gesteigert.
Das ist eine Politik für Innovation und Wachstum, dieDeutschland voranbringt!
Ich komme jetzt zum Hochschulbau. Ich gehe davonaus, dass er auch in Ihren nachfolgenden Beiträgen nocheine Rolle spielen wird. Der Ansatz für den Hochschul-bau liegt bei 925 Millionen Euro.
Das sind immer noch 5 Millionen Euro mehr, als Sie1998 eingestellt haben. Angesichts der Politik Ihrer Lan-despolitiker – der Bildungs- und Finanzminister – imHochschulbereich bin ich der Ansicht, dass dieser An-satz durchaus gerechtfertigt ist.
Denn nur der Hochschulbau ist eine gemeinsame Auf-gabe von Bund und Ländern. Die Hochschulplanung und-ausstattung liegt in der Zuständigkeit der Länder.Ein Blick auf die Länder zeigt aber, dass am3. November in Bayern 30 000 und in Niedersachsen20 000 Studierende demonstriert haben. Die größte Stu-dentendemonstration kam in Sachsen-Anhalt zustande.Ferner kam es zu Streiks in Baden-Württemberg. Dassind doch Ihre Länder! Wenn in diesen Ländern unter Ih-rer Verantwortung die Studienplätze reduziert werden,weil immer weniger Professoren zur Verfügung stehenund die Ausfallzeiten zunehmen, dann müssen wir dieAbdRnhetbzzwwEDDGRrarswhRbssdanatlbtWltsRkdmifHA
Etwas geringer als 2003 ist der Ansatz für das Natio-ale Weltraumprogramm mit 145 Millionen Euro. Wiraben diesen Ansatz so belassen, wie er im Regierungs-ntwurf vorgesehen war. Wir haben aber der Frau Minis-erin einen Entschließungsantrag mit auf den Weg gege-en, in dem zum Ausdruck gebracht wird, dass wir bisum Sommer des nächsten Jahres die Schwerpunktset-ung bei der Weltraumforschung unter die Lupe nehmenerden, weshalb 20 Millionen Euro qualifiziert gesperrturden.Der Frau Ministerin ist dafür zu danken, dass über dieSA Aufträge in Höhe von 100 Millionen Euro nacheutschland geholt werden konnten.
a in der EU über eine halbe Milliarde Euro auf diesemebiet investiert werden, müssen wir die deutscheaumfahrtpolitik daraufhin überprüfen, in welchen Be-eichen wir exzellent sein wollen, und diese Bereicheuch schwerpunktmäßig fördern. Dies muss mit dem ge-ade erschienenen Weißbuch der Europäischen Kommis-ion übereinstimmen. Insofern bin ich darauf gespannt,ie die Beratungen im Ausschuss verlaufen werden.Ich habe den Bericht des Bundesrechnungshofs voneute schon angesprochen. In ihm kommt auch dasobert-Koch-Institut vor, das für 750 000 Euro umge-aut wird. Nach meiner Auffassung müssen wir die ge-amte Ressortforschung in Deutschland auf neue Füßetellen. Aus diesem Grunde hat der Haushaltsausschussen Wissenschaftsrat beauftragt, die Ressortforschungufgabenkritisch zu überprüfen. Wir wollen nicht wie Sieur eine Evaluierung in den nächsten vier, fünf Jahrennstreben, sondern in den nächsten ein, zwei Jahren Fak-en schaffen. Die Ressortforschung, für die fast 2,5 Mil-iarden Euro ausgegeben werden, ließe sich viel besseründeln, wenn wir wettbewerbliche Strukturen einführ-en und sie aus der institutionellen Förderung befreiten.enn sie auf diese Weise besser würde – selbstverständ-ich gibt es schon heute sehr gute Einrichtungen –, könn-en wir ihr auch die nötige Anerkennung zukommen las-en. Zusammen mit meinen Kollegen Tauss undeimann werde ich in den nächsten Wochen einen flan-ierenden Antrag im Bundestag einbringen. Hier ist nichtie Forderung nach mehr Geld das Allheilmittel; viel-ehr muss man die Strukturen im Hochschulwesen undm Forschungsbereich überprüfen.Meine Damen und Herren, unter dem Strich lässt sicheststellen, dass Bildung und Forschung mit diesemaushalt auf Wachstumskurs bleiben. 33 Prozent mehrusgaben – mit diesem Pfund lässt sich wuchern. Aus
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Carsten Schneiderdiesem Grunde fällt es mir sehr leicht, Sie zu bitten, demEinzelplan 30 in der Ausschussfassung zuzustimmen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Cornelia Pieper von
der FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! HerrSchneider, da Sie von Wachstumsimpulsen sprachen, dievon Bildung und Forschung ausgehen, schreibe ich Ih-nen ein Zitat vom Kieler Institut für Weltwirtschaft
ins Stammbuch:Der höchste Wachstumsbeitrag geht von der Quali-tät des Bildungssystems aus. Daher stellt eine quali-tätsorientierte Bildungspolitik gleichzeitig Wachs-tums-, Beschäftigungs- und Standortpolitik dar.Das ist eine richtige These. Allerdings ist das, was Sie,meine Damen und Herren von der Regierungskoalition,uns mit dem Haushalt vorgelegt haben, eine Mogelpa-ckung.
Das ist keine Wachstumspolitik, da Sie in diesem Haus-halt eine vollkommen falsche Prioritätensetzung vor-genommen haben. Ich stelle dies ganz kurz unter Be-weis:Im Grunde genommen haben Sie in den BereichenBildung, Wissenschaft und Forschung Kürzungen be-schlossen. Fakt ist, dass Ihr Haushalt im Vergleich zumVorjahr nicht wächst, sondern um 29 Millionen Eurosinkt, wenn man einmal von Ihrem Ganztagsschulpro-gramm absieht, das nicht in diesen Haushaltsplan, son-dern in den Einzelplan 60 eingestellt ist. Fakt ist auch,dass Rot-Grün und insbesondere Frau BundesministerinBulmahn mit der Erklärung angetreten sind, sie wolltendie Zukunftsinvestitionen in Bildung und Forschung ver-doppeln und diese Bereiche von den Konsolidierungs-maßnahmen ausnehmen. Dies aber gelingt Ihnen imHaushalt für 2004 nicht, meine Damen und Herren.
Zur ganzen Wahrheit gehört auch, Herr Schneider,dass Sie einfach die globalen Minderausgaben um wei-tere 84 Millionen Euro auf sage und schreibe 229 Millio-nen Euro erhöhen. Das bedeutet, dass Sie weitere Ein-sparungen im Bildungs- und Forschungshaushalterbringen müssen. Das Ende der Fahnenstange ist alsonoch gar nicht erreicht.Herr Schneider, wenn Sie die Steigerung der BAföG-Mittel loben, dann kann ich nur sagen: Wenn Sie28 Millionen Euro mehr für das Schüler- und 28 Millio-nen Euro mehr für das Studenten-BAföG aufbringen,dttAgaARtHkJ8hmcgDktfndiDnghwNactHcgWntrtsfi
2004 – das wurde schon erwähnt – werden die Mittelür den Hochschulbau um 12 Prozent, um 135 Millio-en Euro gekürzt. Das ist erschreckend, wenn man weiß,ass die Studentenzahl – erfreulicherweise – gestiegenst. Die Hochschulen platzen aus allen Nähten, meineamen und Herren von der Koalition. Daher darf hiericht gekürzt werden, sondern müssen Prioritäten zu-unsten des Hochschulbaus gesetzt werden. Der Haus-altsansatz weist 925 Millionen Euro aus. Gebrauchtürden aber allein im nächsten Jahr 1,4 Milliarden Euro.ur noch 63 Prozent der notwendigen Ausgaben werdenlso vom Haushalt gedeckt. Das ist eine falsche Wei-henstellung für die Zukunft Deutschlands.
Als wir über die Verwendung der UMTS-Erlöse bera-en haben, haben wir Sie daran erinnert, dass wir einochschul- und ein Bibliothekensonderprogramm brau-hen, und aufgefordert, mit den Erlösen aus der Verstei-erung der UMTS-Lizenzen diese Programme auf deneg zu bringen. Sie haben unseren damaligen Anträgenicht zugestimmt. Heute erweist sich aber, dass es rich-ig gewesen wäre, wenn wir diesen Weg gegangen wä-en.
Die Prognos AG Basel hat in ihrem neuesten Gutach-en „Bildung neu denken“, das sie im Auftrag der bayeri-chen Wirtschaft erstellt hat, völlig zu Recht eine „kurz-ristige Sicherung der Hochschulfinanzierung aufnternationalem Niveau durch eine radikale Prioritäten-
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Cornelia Piepersetzung bei den öffentlichen Mitteln“ gefordert. DieBundesregierung macht das Gegenteil. Sie kürzt dieHochschulausgaben und die Forschungsausgaben, undzwar nicht nur im Einzelplan 30, sondern auch in derRessortforschung. Dafür schreiben Sie, meine Damenund Herren von der Koalition, die unsinnigen Steinkoh-lesubventionen in Höhe von fast 16 Milliarden Eurofort. Inzwischen wird ein Arbeitsplatz im Steinkohle-bergbau jährlich mit 90 000 Euro durch den Steuerzahlersubventioniert. Sie investieren lieber in die Vergangen-heit als in die Köpfe junger Menschen und damit in dieZukunft unseres Landes. Das ist eine falsche Weichen-stellung.
– Herr Fell, gut, dass Sie klatschen; denn ich wollte Siegerade zitieren.Das löst selbst in der eigenen Koalition ein Grum-meln aus. Ich habe heute in einer bekannten Tageszei-tung gelesen, dass die Grünen aus dem Arbeitskreis 2 einPositionspapier vorgelegt haben, in dem es heißt: Es istangesichts der fehlenden Mittel in den Bereichen Bil-dung, Forschung und Innovation nicht zu rechtfertigen,einen Steinkohlesockel dauerhaft zu finanzieren. Hierstimmen wir eigentlich überein. Aber Sie kürzen dieSteinkohlesubventionen nicht.
Im Grunde genommen stimmen Sie so der falschen Bil-dungs- und Forschungspolitik zu.
Bei der Berufsausbildung machen die Bundesregie-rung und insbesondere Sie, Frau Ministerin, ebenfallseine Rolle rückwärts. Spätestens seit dem Bundespartei-tag ist klar: Die Regierung wird im nächsten Jahr nichtfür mehr, sondern für weniger Ausbildungsplätze sorgen.Sie droht nach jahrelangen Erhöhungen der Steuern fürden Mittelstand mit einer weiteren Steuer, nämlich miteiner komplizierten Ausbildungsabgabe.
Bereits heute, Herr Tauss, werden die kleinen undmittleren Unternehmen mit 37 Prozent Ausbildungskos-ten belastet. Eine Abgabe führt – die Entwicklung beiden Behindertenarbeitsplätzen war ähnlich – zu einemFreikauf von Ausbildungsplätzen und nicht zu mehrAusbildungsplätzen.
Diese Erfahrung haben wir doch mittlerweile schon ge-macht.
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Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Ko-lition, Deutschland hält nun auch in der Forschung in-ernational nicht mehr Schritt. Ob wir es wollen odericht: Deutschland steht im unmittelbaren Wettbewerbit den USA und mit den europäischen Nachbarn. Derlick in den Bericht der Deutschen Bundesbank zuen technologischen Dienstleistungen zeigt uns, wieravierend sich der Saldo Deutschlands in der Zahlungs-ilanz seit der Regierungsübernahme von Rot-Grün imahr 1998 entwickelt hat: Wir geben heute wesentlichehr für den Kauf von Patenten und Lizenzen, für Er-ebnisse aus Forschung und Entwicklung, für EDV-eistungen und Ingenieurleistungen aus, als wir an dasusland verkaufen. Der Negativsaldo betrug 1998 nochund 2,5 Milliarden Euro. Im Jahr 2001 betrug das Defi-it bereits fast 7,5 Milliarden Euro. Das ist die Bilanz Ih-er Forschungspolitik, meine Damen und Herren von deregierungskoalition.
Frau Ministerin, Sie rühmen sich, dass Sie bei denußeruniversitären Forschungseinrichtungen Zu-ächse in Höhe von 3 Prozent erreichen können. Be-errscht man das Einmaleins nach Adam Riese, so stelltan fest: Der Umfang sämtlicher Kürzungen durch dras-ische Einschnitte in die programmorientierte Forschungst größer als die Zuwächse in Höhe von 3 Prozent. Sieürzen bei der Mikrosystemtechnik, bei der Nanoelektro-ik, bei den Nanomaterialien und bei den neuen Werk-toffen. Herr Schneider, die von Ihnen hier beschriebenenuwächse finden sich im Forschungsbereich diesesaushalts nicht wieder.
Frau Pieper, kommen Sie bitte zum Schluss.
Leider bleibt der oppositionellen FDP-Fraktion im-er zu wenig Zeit,
m darzustellen, was notwendig ist, um die im Hinblickuf Zukunftsinvestitionen in Deutschland wirklich weg-eisenden Konzepte vorzustellen.
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Cornelia PieperLassen Sie mich zum Schluss sagen: Sie sind auf demfalschen Weg! Deutschland sitzt in vielen Bereichen derBildung und der Forschung längst nicht mehr in der Lo-komotive, sondern im Schlafwagen. Wachen Sie endlichauf!
– Wir sitzen im ICE.
Als nächstem Redner gebe ich dem Kollegen
Alexander Bonde vom Bündnis 90/Die Grünen das
Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wasden Bereich Bildung angeht, konnte man heute in derZeitung zumindest eine positive Nachricht lesen: DieAbgeordneten des Bundestages sind überdurchschnitt-lich gebildet. Ich muss Ihnen allerdings sagen: Nichtjede der heutigen Reden hat diesen Befund belegt.
Ich möchte der von Ihnen hier im Bereich Bildungund Forschung praktizierten Schwarzseherei und vor al-lem Schwarzmalerei einfach die nackten Zahlen entge-genstellen: Im Jahr 2004 fließen in die Bereiche Bildungund Forschung – dazu gehören BAföG und Ganztags-schulprogramme –, Einzelplan 30, 9 706 000 000 Euro.Gegenüber dem Jahr 2003 bedeutet das einen Aufwuchsum 6,7 Prozent. Im Vergleich zu 1998 fließen dorthin2,5 Milliarden Euro mehr. Das entspricht einem Auf-wuchs um 25 Prozent. Das ist die Zahlenbasis, über diewir hier diskutieren.Wir diskutieren in einer schwierigen Haushaltslagedarüber. Wir haben heute eine lange Diskussion geführt.Sie von der CDU/CSU haben sich hier als große Konso-lidierer gebärdet. Unsere tatsächliche Erfahrung im Aus-schuss ist eine andere. Bildungspolitisch diskutieren wirbundesweit im Moment über die Frage: Wie gehen wirmit Schulschwänzern und mit Schulverweigerern um?Hier im Bundestag müssen wir angesichts dessen, wasuns die CDU/CSU das letzte halbe Jahr im Haushalts-ausschuss geboten hat, über die Frage diskutieren: Wiegehen wir mit Beratungsschwänzern und mit Arbeitsver-weigerern um?
Jawohl, es ist eine schwierige Haushaltslage und dakann auch der Bereich Bildung und Forschung nicht un-geschoren bleiben.
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at natürlich dazu geführt, dass die restlichen Einzel-läne belastet werden, um die Lücke bei der Rentenver-icherung zu füllen. Das hat den Bereich Bildung undorschung mit einer zusätzlichen globalen Minderaus-abe von 84 Millionen Euro getroffen. Das schmecktns nicht, aber es geht ja darum, den Haushalt im Ge-amtzusammenhang zu betrachten. Natürlich habentrukturelle Schwierigkeiten, an deren Zustandekommenlle in diesem Hause beteiligt sind, Auswirkungen aufie Spielräume für Bildung und Forschung. Es schmecktns nicht, wie gesagt, dass der Bereich Bildung und For-chung mit 84 Millionen Euro betroffen wurde,
ber wir als Koalition haben es geschafft, beim BAföG6 Millionen Euro obendrauf zu legen. Was an Ge-amtaufwuchs vorhanden ist, habe ich bereits genanntnd hat auch der Kollege Schneider genannt.
iese Zahlen zu hören werden wir Ihnen auch im Rester Debatte nicht ersparen.Wenn wir darüber reden, wohin die Reise bei Bildungnd Forschung geht, dann müssen wir über das reden,ber das wir heute Morgen hätten sprechen sollen undeute Nachmittag gesprochen haben, nämlich die Frageer Strukturreformen und die Frage des Subventions-bbaus. Sie müssen uns erklären, warum Sie genau dammer auf die Bremse treten und blockieren.
ir als Koalition haben unter anderem mit der Agenda010 sehr schmerzhafte Reformprozesse in Gang gesetztnd dabei wurden wir durch die Opposition nicht unter-tützt,
bwohl Sie von der Opposition das Schaffen von großenpielräumen für Bildung und Forschung fordern. Ohnetrukturreformen, ohne Subventionsabbau können wirber keine Spielräume für zukünftige Generationenchaffen.Wir haben Vorschläge vorgelegt. Die CDU/CSU-raktion hat während des gesamten Haushaltsverfahrensicht einen Vorschlag vorgelegt, weder zur Schwer-unktsetzung in Bildung und Forschung noch zu derrage, woher die Masse dessen kommen soll, womit wirukunftschancen ermöglichen wollen. Hier stellt sich
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Alexander Bondeschon die Frage: Wer kämpft für die Spielräume für zu-künftige Generationen?
Welche Forderung nach Konsolidierung und welche For-derung nach einer fortschrittlichen Bildungs- und Zu-kunftspolitik sind in dieser Debatte glaubwürdig?
Auch innerhalb des Einzelplans haben wir Prioritä-ten gesetzt – der Kollege Schneider hat bereits daraufverwiesen –, mehr im Kleinen und nicht ganz so, wie wires uns gewünscht hätten, aber im Rahmen dessen, wasuns an Spielräumen zur Verfügung stand. Wir haben zu-gunsten der Erforschung erneuerbarer Energien draufge-sattelt.
Wir stärken die Erforschung neuer Antriebstechnolo-gien. Wir setzen einen Akzent in der Friedensforschung.Wir unterstützen die Erforschung von Alternativen zuTierversuchen. Auch in vielen weiteren kleinen Punktenhaben wir in der Bildungs- und Forschungspolitik deut-lich Profil gezeigt.
Wir müssen damit aufhören, finde ich, in dieser Repu-blik alles schlecht zu reden. Wir müssen klar sagen, wopolitische Prioritäten gesetzt werden können und welcheRot-Grün gesetzt hat.
Wenn Sie größere Prioritäten setzen wollen, dann tun Siees! Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht! Der Ver-mittlungsausschuss wird in der Frage, ob wir in dennächsten Jahren und Jahrzehnten Spielräume für die zu-künftigen Generationen haben, eine entscheidende Rollespielen.
Die Verweigerungshaltung der Opposition und die Unei-nigkeit der Opposition bringt genau diese Spielräume inGefahr. Ich kann Sie also nur bitten: Lassen Sie IhrenReden im Vermittlungsausschuss auch Taten folgen! Ichbin gespannt.Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Professor Maria
Böhmer von der CDU/CSU-Fraktion.
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as sehe ich? Wir sind mit globalen Minderausgabenon 84 Millionen Euro konfrontiert, nachdem der For-chungshaushalt vorher bereits drastische Kürzungen er-ahren hat. In Hochglanzanzeigen behauptet die SPD, esürden keine Kürzungen stattfinden, weil das töricht sei.ch halte es für unerhört,
ie man versucht, den Bürgerinnen und Bürgern Sand inie Augen zu streuen.
Die Bürgerinnen und Bürger wissen sehr wohl, wasier geschieht. Wenn Sie als Motto propagieren: „Dasichtige tun“, dann kann ich Ihnen darauf, Frauulmahn, nur antworten: Sie tun nicht das Wichtige, Sieun auch leider nicht das Richtige. Sie tun das Falsche.as ist das Schlimme an Ihrer Politik.
Wenn Sie bei der Debatte am 7. November erklären,ie müssten jetzt kürzen, um damit einen Beitrag zuricherung der sozialen Sicherungssysteme zu leisten,o heißt das im Klartext: Die Wissenschaft zahlt einenohen Preis für eine verfehlte Rentenpolitik dieser Bun-esregierung.
as kann nicht sein. Wir müssen „Vergangenheitssubven-ionen in Zukunftsinvestitionen umschichten“ – das sagter Bundeskanzler. Sie aber tun genau das Gegenteil.Bildung, glaube ich, ist die soziale Frage des21. Jahrhunderts. Bildung ist nicht nur ein Gebotder Chancengerechtigkeit, sondern – wenn dennPathos erwünscht ist – buchstäblich eine Überle-bensfrage unserer Gesellschaft …o auch wieder der Bundeskanzler. Was aber geschieht?tatt diese Maxime zu befolgen, kürzen Sie die Mittelür Bildung und Forschung.
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Dr. Maria Böhmer
Ich will Ihnen noch einmal in aller Deutlichkeit sa-gen, dass die immer wiederkehrenden Verweise auf dasJahr 1998 – in keiner Ihrer Reden übergehen Sie diesenBezug –
nach fünf Jahren als Argument nicht mehr tragen. Mitdiesen Ausflüchten können Sie hier nicht punkten.
Vielmehr müssen Sie sich an Ihren eigenen Versprechenund Zielen sowie den Anforderungen von Gegenwartund Zukunft messen lassen.Versprochen haben Sie, Mittel für Forschung und Ent-wicklung in Höhe von 3 Prozent des Bruttoinlandspro-duktes sicherzustellen.
Sie liegen deutlich darunter. Wenn Sie die 3-Prozent-Marke bis zum Jahr 2010 noch erreichen wollen, bräuch-ten Sie ab 2005 Steigerungsraten von 7 bis 8 Prozent.Das halte ich angesichts Ihrer desaströsen Wirtschafts-und Finanzpolitik schlichtweg für utopisch.
In einer Volkswirtschaft wie unserer, in der es nurum Innovation geht, darf es keinen Einbruch bei derForschung geben.So hat sich vor wenigen Tagen Professor Winnacker im„Handelsblatt“ geäußert.
Es gab erneut einen Brandbrief der Wissenschaftsorga-nisationen an den Bundeskanzler.Wenn Sie jetzt verkünden, Sie hätten die Ausgabenum 3 Prozent erhöht, dann müssen Sie aber auch dazusagen, dass Sie sie im letzten Jahr abrupt gekürzt habenund die Wissenschaftsorganisationen damit vor eine Si-tuation gestellt haben, die kaum zu bewältigen war.
– Ja, Herr Tauss, Sie umschreiben das immer so freund-lich mit Nullrunde. Jetzt überspielen Sie doch nicht das,was Sie hier tun. Sie fügen der Forschung und der Wis-senschaft in diesem Land großen Schaden zu.
Sie entziehen zugleich Projektmittel in Höhe von80 Millionen Euro. Damit haben Sie im Wissenschafts-bkfdIkAFwNrgGzdtWS––sedbFsFgmWinskgtrWin
Herr Tauss, Sie sagen doch selbst, das wäre das völligalsche Signal zur falschen Zeit. Sigmar Gabriel aus Nie-ersachsen erklärt: „Wir können nicht beim Parteitag diennovationsförderung hochhalten, sie im Alltag kleinürzen.“ Das ist richtig. Handeln Sie danach.Ich nehme einmal den Bereich des Hochschulbaus.uch dieser ist von massiven Kürzungen betroffen. Dieolgen sind nicht nur, dass vielleicht an einer Stelle et-as Farbe und an einer anderen ein Sack Zement fehlt.ein, Hochschulbauförderung bedeutet auch Förde-ung von Forschung; denn darunter fallen auch die Groß-eräte, die anzuschaffen sind. Wenn die Mittel für neueroßgeräte, die man bräuchte, um aktuell und innovativu forschen, nicht zur Verfügung stehen, dann stagniertie Forschung, dann werden wissenschaftliche Einrich-ungen zu Museen für alte Geräte.
Ich nenne Ihnen ein anderes Beispiel: In Baden-ürttemberg, in Biberach, an einem der hervorragendentandorte für Biotechnologie in unserem Land
Herr Tauss, Sie freuen sich schon darauf –
da warten wir einmal ab –,
ollte ein neuer Studiengang an der Fachhochschulentstehen. Was passiert? Mangels Beteiligung seitenses Bundes droht hier ein einmaliges innovatives Aus-ildungskonzept infrage zu stehen. Wir brauchen aberachkräfte in unserem Land. Dafür muss der enge Zu-ammenhang zwischen Hochschulbauförderung undorschungsförderung beachtet werden. Sie aber kündi-en die Förderung einseitig auf. Das werden wir nichtitmachen.
Ich will den Punkt Fachkräftemangel kurz vertiefen.ir sind immer wieder – das ist schier ein Dauerthema diesem Haus – mit der Abwanderung von wissen-chaftlichem Nachwuchs und Spitzenwissenschaftlernonfrontiert. Da muss man die Frage stellen: Warum ei-entlich? Weil die Arbeitsbedingungen hier nicht so at-aktiv sind wie etwa in den USA.
ir brauchen internationalen Austausch, wir brauchenternationale Erfahrung,
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Dr. Maria Böhmergerade in der Zeit der Globalisierung. Aber wir brauchenvor allen Dingen eine Schubumkehr in der Form, dassdiejenigen, die unser Land verlassen haben, um wissen-schaftliche Erfahrungen zu sammeln, wieder zurückkeh-ren. Dafür müssen sie einen Forschungs- und Hoch-schulstandort Deutschland vorfinden, an dem es für sieattraktiv ist, zu forschen und zu arbeiten.
Was könnte Forscher dazu bewegen, wieder hierherzu kommen? Wir müssen in unserem Land mehr Mut zurFörderung von Eliten haben. Wir müssen Exzellenzfördern. Dabei müssen wir vier Punkte berücksichtigen:Erstens. Wir brauchen eine schärfere Profilbildung anden Hochschulen. Zweitens. Wir brauchen mehr Wettbe-werb durch Evaluation und Hochschulranking. Drittens.Wir müssen Bürokratie abbauen und für mehr Autono-mie sorgen. Viertens. Wir brauchen eine flexiblere Ver-wendung von Forschungsgeldern und Anreize für dasEinwerben von Forschungsmitteln. In der Debatte am7. November haben wir einen Antrag eingebracht – derKollege Kretschmer hat ihn begründet –, in dem wir eineForschungsprämie vorgeschlagen haben. Das sind dieWege, die man gehen muss. Unsere Konzepte und Vor-schläge liegen auf dem Tisch. Greifen Sie sie auf; dashilft unserem Standort!
Deutschland ist aber auch zu wenig attraktiv für aus-ländische Studierende und Wissenschaftler. Das mussuns umtreiben.
– Herr Tauss, im Vergleich mit den USA können Sie un-sere Steigerungsraten vergessen. In den USA stammt dieHälfte der ausländischen Studierenden aus Asien, beiuns ist es nur gut ein Viertel. Das heißt, zukünftig wer-den auch die Wirtschaftskontakte eher zwischen Asienund den USA und weniger zwischen uns und Asien be-fördert. Bereits in den Hochschulen werden die Gewich-tungen entschieden. Deshalb ist es ein eklatanter Man-gel, wenn unser Land für ausländische Studierende nichtgenügend attraktiv ist. Das muss dringend geändert wer-den.
In diesem Zusammenhang ist ein weiterer Punkt vonBedeutung, nämlich der Braindrain nach innen – nichtnur nach außen –, das heißt innere Emigration. WennForscher feststellen, dass sie eingeengt, eingeschnürtwerden, dass sie keine Freiheiten in ihrem Denken undkreativen Handeln mehr haben, dann ziehen sie sich zu-rück.Deshalb sage ich: Wir müssen Hochschule und Wis-senschaft wieder mehr Freiheit geben.
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as Verbot muss aufgehoben werden, damit Hochschu-en wieder autonom handeln können, damit sie über fi-anzielle Mittel verfügen, damit die Motivation von Stu-ierenden befördert wird.Sie behaupten immer, damit würden sozial Schwacheehindert, an den Hochschulen zu studieren.
as eigentlich unsozial ist und was Sie Tag für Tag undacht für Nacht umtreiben müsste, ist, dass die Verkäu-erin heute das Studium der Arzttochter finanziert. Dasenne ich unsozial und das muss geändert werden.
as können Studiengebühren bewirken? In Baden-ürttemberg sind Langzeitstudiengebühren eingeführtorden. Ich will Ihnen drei Vorteile nennen.
er erste Vorteil ist, Herr Tauss, dass endlich die Zahler Langzeitstudierenden zurückgegangen ist. Sie isteutlich auf etwa 40 Prozent des früheren Niveaus ge-unken. Das heißt, diejenigen, die gar keinen Abschlussachen und nur soziale Vergünstigungen haben wollten,ind aus der Hochschule ausgeschieden. Die Zahl derrüfungen und der Absolventen ist sprunghaft gestiegen.s hat keine negativen Auswirkungen gegeben, denn dieahl der Erstimmatrikulierten ist angestiegen.Der zweite Punkt: Die Einnahmen kommen denochschulen zugute.
as wollen wir. Das muss so sein. Anders machen Stu-iengebühren auch keinen Sinn.Zum dritten Punkt sage ich Ihnen etwas aus eigenerrfahrung, denn ich lehre nach wie vor:
tudiengebühren können das Verhältnis von Professorennd Studierenden deutlich verbessern. Die Erfahrungenus Großbritannien und in den USA zeigen: Es stellt sichin tragfähigeres, ein verantwortungsvolles Verhältniswischen Studierenden und Professoren ein. Wir müssenei Studiengebühren von der reinen Finanzdiskussionegkommen. Wir müssen die Vorteile für eine bessereotivation und höhere Verantwortung im Hochschulbe-eich bedenken.
Kommen Sie bitte zum Schluss, Frau Kollegin.
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Es gilt umzusteuern: Die Sozialausgaben in unserem
Land sind sechsmal höher als die Bildungsausgaben.
Damit wird nicht der dringend notwendigen Zukunfts-
orientierung und der Forschung Rechnung getragen.
Vielmehr haben wir es hier mit einer eklatanten Gerech-
tigkeitslücke zu tun. Was wir jetzt brauchen, ist klare
Vorfahrt für Forschung und Innovation.
Herzlichen Dank.
Das Wort hat jetzt die Bundesministerin EdelgardBulmahn.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildungund Forschung:Meine sehr geehrten Herren und Damen! Sehr geehr-ter Herr Präsident! Wir reden hier und jetzt über die Ge-staltung der Zukunft.
Auch wenn ich offen sagen muss: Bei den Rednern derOpposition war nicht viel davon zu spüren.
Wir reden über die Gestaltung der Zukunft. Wir redenüber die Weichen, die wir heute stellen müssen, um mor-gen im internationalen Kompetenzwettbewerb die Nasevorn zu haben. Bildung und Forschung sind genau dafürdie zentralen Triebfedern. Sie sind die zentralen Triebfe-dern für wirtschaftliche Entwicklung genauso wie fürgesellschaftliche Entwicklung. Nur mit Investitionen inWissen und in Kompetenzen schaffen wir auch Wachs-tum und Beschäftigung und nur dann können wir ebenauch den Wohlstand, die Teilhabe und die soziale Ge-rechtigkeit in unserem Land erhalten.Genau diese Ziele stehen im Mittelpunkt der Agenda2010. Wir stabilisieren mit dieser Politik, mit der wirganz klar auf Innovation, auf Bildung und Forschungsetzen, die Grundpfeiler unseres Sozialstaates und wirstabilisieren gleichzeitig das Fundament für unsere Zu-kunft.
Wir schaffen damit drittens die notwendigen Spielräume– auch die notwendigen finanziellen Spielräume –, umdas konsequent fortzusetzen, was wir 1998 begonnen ha-ben, nämlich eine ganz klare Politik für Bildung undForschung.
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er Anteil am Bruttoinlandsprodukt, der für Forschung undntwicklung aufgewendet wird, liegt jetzt bei 2,5 Prozent.uch wenn es Sie schmerzt, Frau Böhmer, muss ich Siearan erinnern: 1998 lag er gerade einmal bei 2,29 Pro-ent.
Ich muss Sie außerdem daran erinnern, dass unter Ih-er Regierungsverantwortung der Haushalt um rund00 Millionen Euro gekürzt worden ist. Wenn ich mirinmal die Entwicklung dieses Haushaltes genau an-chaue – ich gehe davon aus, dass die Mitglieder deseutschen Bundestages rechnen können, zumindest bisu bestimmten Größenordnungen –,
ann stelle ich fest, dass der Haushalt seit 1998 jedesahr gestiegen ist.
m Einzelplan 30 wenden wir für Bildung und For-chung 8,2 Milliarden Euro auf. Parallel dazu investierenir 1 Milliarde Euro in Bildung.
Herr Willsch, lassen Sie mich eines sagen: Wenn Sieicht begreifen, dass es ein gesellschaftspolitischerkandal ist, dass in unserem Land 25 Prozent der Kinderie Schule verlassen, ohne dass sie Grundkenntnisse inechnen und Schreiben haben,
enn Sie nicht begreifen, dass es ein gesellschaftspoliti-cher Skandal ist, dass in unserem Land wie in keinemnderen europäischen Land die Bildungschancen voner sozialen Herkunft abhängen,
ann stellen Sie sich ein Armutszeugnis sondergleichenus.
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Bundesministerin Edelgard BulmahnDas allein sagt viel über die Art und Weise aus, wie Siedenken.Da allerdings unterscheidet sich diese Bundesregie-rung von Ihnen: Uns ist es nicht egal, welche ChancenKinder und Jugendliche in fünf, zehn oder 20 Jahren ha-ben. Deshalb haben wir diese Entscheidung getroffen.
Das ist meinen Kolleginnen und Kollegen und den Parla-mentariern nicht leicht gefallen. Aber weil uns die Bil-dungschancen der Kinder und Jugendlichen nicht egalsind, setzen wir 4 Milliarden Euro für die Verbesserungvon Bildungschancen ein.
Wenn Sie Ihre Verantwortung ernst nehmen und nichtso in verächtlicher Weise über Bildungschancen redenwürden,
dann würden Sie in Ihren Ländern alles dafür tun, dassdiese 4 Milliarden Euro im Interesse der Kinder sachge-recht eingesetzt werden. Das erwarte ich auch von denKolleginnen und Kollegen der Opposition.
Frau Ministerin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des
Kollegen Bergner?
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:
Ja.
Bitte schön, Herr Bergner.
Frau Minister, da Sie mit so viel Nachdruck und mitso viel Engagement die Ganztagsschulen und den Ein-griff des Bundesministeriums in Länderzuständigkeiten,der mit diesem Programm verbunden ist, verteidigen,
möchte ich folgende Frage stellen: Können Sie bestäti-gen, was Sie im Ausschuss einmal gesagt haben, dass esfür die Wirkung der Ganztagsschulen auf die Bildung imGrunde genommen Belege weder durch Schulversuchenoch durch irgendwelche Forschungsergebnisse gibt?
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Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildungnd Forschung:In Deutschland gibt es völlig unzureichende wissen-chaftliche Kenntnisse über den Erfolg von und über dieildung in Ganztagsschulen. In anderen Ländern gibt esehr wohl wissenschaftliche Kenntnisse darüber.
Es gibt wissenschaftliche Erkenntnisse über skandina-ische Ganztagsschulen, aber auch über Ganztagsschu-en und Ganztagsbetreuung in Großbritannien undrankreich. – Deshalb sage ich: Es gibt zwar wissen-chaftliche Erkenntnisse, aber viel zu wenige über dieituation in Deutschland.Daher, Herr Bergner, habe ich angekündigt, dass wirin Begleitprogramm durchführen. Dies ist auf Ihrereite auf große Kritik gestoßen. Wir verfolgen dabeiwei Zielsetzungen. Wir wollen durch wissenschaftlicheegleitung und Unterstützung auf der einen Seite eineualitativ gute Bildung in Ganztagsschulen sicherstellen.enn ich sage immer: Bildung benötigt gute Qualität.enau das bieten Ganztagsschulen. Sie bieten mehrreiräume und eine bessere Qualität des Unterrichts. Siermöglichen mehr Zeit für ein gemeinsames Lernen undafür, dass sich die Lehrerinnen und Lehrer wirklich umie Schülerinnen und Schüler kümmern können. – Dasst die eine Zielsetzung.
Zum anderen wollen wir damit sicherstellen, dass dieänder endlich ihre Verantwortung wahrnehmen
nd dafür Sorge tragen, dass für die Ganztagsschule einutes pädagogisches Konzept vorliegt. Das ist von Ihrereite als Eingriff in die Kompetenzen der Länder dis-reditiert worden. Jetzt fragen Sie: Wie sollen sie dennafür Sorge tragen?
ie sollten sich entscheiden, was Sie wollen.
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Bundesministerin Edelgard BulmahnMir war es wichtig, in der entsprechenden Vereinba-rung klipp und klar festzulegen – deshalb steht dies dortauch –, dass die Länder die Verantwortung dafür über-nehmen, dass ein gutes pädagogisches Konzept für denGanztagsschulbetrieb erarbeitet und natürlich auch ange-wandt wird. Deshalb meine Bitte – ich freue mich, wennSie genauso wie ich die Notwendigkeit sehen, unsereBildungseinrichtungen und Schulen wirklich zu verbes-sern –,
dass Sie das Ihrige dafür tun, damit die Ganztagsschulenin Ihrem Land genau diesen Ansprüchen genügen.
Deutschland ist heute der zweitgrößte Technologieex-porteur der Welt. 14 Prozent unseres Bruttoinlandspro-duktes erwirtschaften wir mit forschungsintensivenTechnologiegütern. Auf zentralen Technologiefeldernwie in der Bio- und der Nanotechnologie nehmen wirheute eine internationale Spitzenposition ein. Geradediese Querschnittstechnologien stärken als branchen-übergreifende Motoren des technologischen Wandels dieInnovationskraft unserer gesamten Wirtschaft. DiesenWeg, der für die Entwicklung unseres Landes höchsteBedeutung hat, gehen wir entschlossen weiter.Dafür haben wir klare Ziele. Wir setzen auf die Krea-tivität und die Leistungsfähigkeit unserer Menschen. Wirschaffen innovationsfreundliche Rahmenbedingungenund verhelfen den Zukunftstechnologien zum Durch-bruch. Dafür werden im nächsten Jahr im Haushalt fürBildung und Forschung insgesamt rund 9,7 MilliardenEuro zur Verfügung gestellt. Damit liegen wir um2,4 Milliarden Euro bzw. um rund 34 Prozent über demHaushaltsansatz des Jahres 1998 – und das trotz der allenbekannten schwierigen Haushaltslage.Projektförderung schafft Wettbewerb unter den For-schern und kurbelt die Leistungsfähigkeit an. Sieschweißt Wissenschaft und Wirtschaft zusammen und si-chert so den Kompetenzvorsprung der deutschen Wirt-schaft. Wir haben deshalb seit 1998 die Projektförder-mittel um 32 Prozent erhöht und dort konzentriert, woeinerseits die größte Hebelwirkung auf das wirtschaftli-che Wachstum und damit auch auf die Beschäftigung zuerwarten ist und andererseits dringender gesellschaftli-cher Handlungsbedarf besteht.Die Ergebnisse dieser Politik sprechen im Übrigeneine deutliche Sprache. In der Nanotechnologie habenwir die Projektförderung seit 1998 vervierfacht. Damithaben wir im internationalen Vergleich Weltspitze er-reicht. Deutschland ist in der Weltspitze präsent. Wirsind in der Nanotechnologie weltweit mit führend. Wirwollen den Kompetenzvorsprung, den wir haben, aus-bauen. Ich werde in Kürze ein neues Rahmenkonzept zurNanotechnologie vorlegen, mit dem wir unsere nationa-len Aktivitäten in diesem Bereich bündeln und strate-gisch ausrichten.kPejimhdsRdewWkhzgdiniDSntddgDpbKwrWsd
Der Gesundheitsmarkt ist einer der größten Zu-unftsmärkte. Leider haben Sie durch Ihre halbherzigeolitik verhindert, dass wir in dem Gesundheitsmarktine noch bessere Qualität und mehr Wettbewerb, als wiretzt vereinbart haben, sicherstellen konnten. Trotzdemst der Gesundheitsmarkt einer der größten Zukunfts-ärkte. Die modernen Lebenswissenschaften sind des-alb ein zentraler Innovationsmotor des 21. Jahrhun-erts. Wir haben die Projektförderung in diesem Bereicheit 1998 um 50 Prozent erhöht.
esultat: Deutschland steht trotz der aktuellen Konsoli-ierungsphase mit 360 Biotechnologiefirmen auf Platzins in Europa.
Mit dem Nationalen Genomforschungsnetz verfügenir über ein weltweit einzigartiges Programm, in demissenschaft und Wirtschaft interdisziplinär an der Auf-lärung und Bekämpfung der wichtigsten Volkskrank-eiten arbeiten. Es geht mit 135 Millionen Euro in eineweite Förderphase.Mit dem Programm „BioChancePLUS“ setzen wirerade für innovative kleine und mittlere Unternehmenie notwendigen Impulse, die über dieses Programm mitnsgesamt 100 Millionen Euro unterstützt werden.Unsere Förderung der Informations- und Kommu-ikationstechnologien zahlt sich aus. Deutschland zähltnzwischen zu den modernsten IT-Standorten der Welt.as zieht hochkarätige Investoren in unser Land.
o hat sich der US-Halbleiterkonzern AMD entschieden,och einmal 2,4 Milliarden Euro am bereits heute größ-en Elektronikstandort Europas zu investieren. Erst iner letzten Woche war ich in Dresden. Wir haben dorten Grundstein für eine hochmoderne 300-mm-Fabrikelegt.
amit entstehen zusätzlich weit über 1 000 Arbeits-lätze für hoch qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitar-eiter. Dresden hat sich damit gegen eine sehr harteonkurrenz aus dem Staate New York durchgesetzt. Dasar kein Selbstläufer, sondern das ist das Ergebnis unse-er gezielten Forschungs- und Innovationspolitik.
ir haben hierüber seit Jahren verhandelt und haben un-ere Forschungspolitik strategisch so ausgerichtet, dassiese Fabrik jetzt dort gebaut wird.
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Bundesministerin Edelgard BulmahnIch möchte an dieser Stelle noch einmal unterstrei-chen: Die Projektförderung ist für uns ein zentrales In-strument für flexible und leistungsfähige Forschungsför-derung. Dass die Mittel dafür im Vergleich zum Vorjahrsinken, ist eine Folge des Auslaufens der UMTS-Gelder.Alle Kolleginnen und Kollegen wissen, dass ich immerdarauf hinweise und klar und deutlich sage, dass wir inden kommenden Jahren hier wieder Zuwächse habenmüssen, um diese Zielsetzungen sicher erreichen zu kön-nen.
Wir haben unseren Kurs mit dem Zuwachs um34 Prozent seit 1998 durchgesetzt und wir werden diesenKurs fortsetzen.
Wir haben die Fortführung besonders erfolgreicher Pro-jekte sichergestellt und dabei in wichtigen Bereichen dienotwendigen Schwerpunkte gesetzt.
Einen weiteren Schwerpunkt nenne ich am Beispielder neuen Länder: Führende Wirtschaftsinstitute habenbestätigt, dass unsere Strategie richtig, erfolgreich undweiter notwendig ist. Daher investieren wir im kommen-den Jahr 98 Millionen Euro in die Inno-Regio-Förder-programme. Das ist mehr als doppelt so viel wie vorzwei Jahren. 1998 war hier noch Fehlanzeige. Ein sol-ches, speziell für die neuen Bundesländer eingesetztesFörderinstrument gab es überhaupt nicht.
Auch daran zeigt sich: Wir hatten und haben Erfolg.Von den 23 Regionen sei hier stellvertretend dasNetzwerk „MAHREG-Automotive“ genannt, der Inno-Regio-Verbund der Automobilzulieferer in Sachsen-An-halt. Hier sind seit 1999 neun neue Unternehmen undüber 3 000 zusätzliche Arbeitsplätze entstanden. Insge-samt stehen rund 50 Unternehmensgründungen aus denInno-Regios zu Buche. Gerade in wirtschaftlich schwie-rigen Zeiten zählen derartige Erfolge doppelt.Innovationen brauchen eine exzellente Forschungsba-sis. Deshalb haben wir die Etats der großen Forschungs-organisationen in 2004 wieder um 3 Prozent erhöht.
Gleichzeitig stärken wir die Forschung, indem wirStrukturen erneuern und unsere Forschungseinrichtun-gen noch durchlässiger, flexibler und wettbewerbsfähi-ger gestalten.Diese Bundesregierung
hat nicht nur darüber geredet, sondern sie hat es getan:Wir haben die Forschungsförderung der Helmholtz-Ge-meinschaft aus der institutionellen Form herausgelöstuzhlBglDu5ZsswrnwsgdmbVsubgwmttJvvKCbmLsHsfed1C
ie Mittel für die DFG sind in unserer Regierungszeitm 32,9 Prozent gestiegen, und zwar konkret von62 Millionen Euro auf 747 Millionen Euro. Mit diesenahlen möchte ich deutlich machen, wie die For-chungsorganisationen in ihren Handlungs- und For-chungsmöglichkeiten durch diese Regierung gestärktorden sind.Auch Technologieausgründungen – das ist ein weite-es Stichwort – sind für uns wichtig. Forschungsergeb-isse können schließlich nur dann Wirkung entfalten,enn sie angewendet werden. In diesem Zusammenhangpielen dann Technologieausgründungen und Existenz-ründungen eine große Rolle. Deshalb stellen wir mitem neuen Dachfonds für Wagniskapital gemeinsamit privaten Beteiligungsgebern in den nächsten Jahrenis zu 1,7 Milliarden Euro für innovative Firmen zurerfügung. So unterstützen wir den Transfer von For-chungsergebnissen in Produktion und Dienstleistungennd tragen damit auch dazu bei, dass zusätzliche Ar-eitsplätze entstehen.Parallel arbeiten wir daran, dass Hochschulerfindun-en noch professioneller verwertet werden. Dazu habenir bereits vor zwei Jahren die Reform des Arbeitneh-ererfindungsgesetzes durchgeführt und haben eine Pa-entierungs- und Verwertungsoffensive gestartet. Wir un-erstützen Hochschulen dabei, dass sie in den nächstenahren das notwendige Know-how dafür schaffen.
Für die Entwicklung von Innovationen brauchen wiror allen Dingen gut ausgebildete, kreative und moti-ierte Menschen; denn Innovationen entstehen in denöpfen. Gute Bildung ist also nicht nur ein Gebot derhancengleichheit, sondern buchstäblich eine Überle-ensfrage unserer Gesellschaft. Deshalb unterstützen wirit unserem so wichtigen Ganztagsschulprogramm dieänder dabei, dass sie die schulische Bildung verbes-ern. Gleichzeitig haben wir die Bedingungen für dieochschulen deutlich verbessert. Wenn man genau hin-ieht, zeigt sich, dass diese Bundesregierung die Gelderür die Hochschulen in den letzten Jahren um 23 Prozentrhöht hat,
ie Länder im gleichen Zeitrum dagegen leider nur um2,5 Prozent. Wir geben den jungen Menschen einehance. Das ist eines unserer wichtigen Anliegen, dieses
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Bundesministerin Edelgard BulmahnZiel verfolgen wir mit allen Kräften. Eine gute Ausbil-dung gehört dazu und ist eine wichtige Voraussetzung.Es besteht zwischen den Oppositions- und den Regie-rungsparteien ein wesentlicher Unterschied:
Wir wollen nicht, dass ein junger Mensch auf das Stu-dium verzichten muss, weil er es sich nicht leisten kann.
Aus diesem Grund haben wir das BAföG reformiert,weswegen wir nun auch mehr Mittel dafür einsetzenmüssen. Aber das wollen wir auch. Wir haben im Gesetzabgesichert, dass das Erststudium gebührenfrei bleibt.
Frau Böhmer, ich sage Ihnen ausdrücklich: Sie habenzum Thema der Langzeitstudierenden gesprochen. Indiesem Punkt gibt es keinen Dissens. Es steht seit zweiJahren im Gesetz, dass von Langzeitstudierenden Ge-bühren erhoben werden können. In der Zeit hätten Siedas schon mitbekommen können.
Frau Ministerin, ich muss Sie für einen Moment un-
terbrechen. Sie dürfen als Mitglied der Bundesregierung
natürlich weiterreden. Das geht aber auf Kosten der Re-
dezeit Ihres Kollegen Jörg Tauss. Darauf muss ich Sie
hinweisen.
Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung
und Forschung:
Das will ich natürlich nicht. Deshalb komme ich nun
zum Schluss und sage kurz und knapp: Wir haben die Fi-
nanzierung für die Hochschulen in den letzten Jahren
deutlich verbessert und werden diesen Kurs in den kom-
menden Jahren fortsetzen.
Gleichzeitig tragen wir dafür Sorge, dass kein Ju-
gendlicher, der von der Schule kommt, in die Arbeitslo-
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Wir wollen, dass Kinder und Jugendliche eine Zu-
unftschance haben. Nur so hat auch dieses Land eine
ukunftschance. Wir wollen eine Situation schaffen,
ass Innovationen in unserem Land wirklich möglich
erden.
afür brauchen wir auch weiterhin diese Bundesregie-
ung. Das hat die Debatte deutlich gezeigt.
Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt die Kollegin Katherina Reiche von
er CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-en!Das Land muss sich anstrengen. Wir haben großeDefizite bei der technologischen Innovation, beiBildung und Qualifizierung. Wir bilden viel zu we-nig Naturwissenschaftler, Ingenieure und Mathe-matiker aus. Uns fehlen schon heute 70 000 Inge-nieure. … Wenn wir so weitermachen, ist Deutsch-land nicht zukunftsfähig.
Sie müssen mich dafür nicht abstrafen. Das hat Ihrraktionschef Franz Müntefering am 6. September 2003er „Berliner Zeitung“ gesagt.
as ist eine richtige Erkenntnis. Die Verantwortung da-ür trägt die Bundesregierung selbst.
Zentralismus, Bevormundung, Pessimismus und Bü-okratie sind die roten Fäden der rot-grünen Bildungs-nd Forschungspolitik.
ie pflegen Skepsis und Krisenszenarien. Forschungs-ptimismus, Forschungsfreiheit und Selbstbewusstseinall das war aus Ihrer Rede nicht herauszuhören. Für004 gibt es keine Initialzündung, keinen neuen Impuls,
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Katherina Reichedurch den der Bildungs- und Forschungsstandort wiederan Fahrt gewinnen könnte.
In diesem Herbst ist die Lage hier in Deutschland sehrernst. Nicht nur der diesjährige Bericht zur technologi-schen Leistungsfähigkeit, sondern auch unsere Anhö-rung zu Schlüsseltechnologien hat ein eindeutiges Er-gebnis gebracht: Im internationalen Vergleich fälltDeutschland in der Attraktivität ab. Nur noch in derGrob- und höherwertigen Technologie sind wir gut. Wirbauen zwar noch hervorragende Autos, aber das reichtfür die Zukunft nicht.
In den zukunftsweisenden Branchen Informations-und Telekommunikationstechnologie spielt die Musikwoanders. Die deutschen Biotech-Unternehmen sind ineiner Krise. In Großbritannien erwirtschaften wenigerFirmen den vierfachen Umsatz. Ingenieure und Natur-wissenschaftler fehlen und der Braindrain hält an. AlsAntwort kürzt Rot-Grün nun bei den Basistechnologienund den Anwendungen für IuK um 3 Millionen Euround bei der Softwaretechnik um weitere 3 MillionenEuro. Bereits im laufenden Jahr 2003 gibt es für die Bio-technologie 5 Millionen Euro weniger.Frau Bulmahn, andere Länder tun sehr viel mehr.Schweden hat seine Ausgaben für die Forschung inner-halb von zwei Jahren um 30 Prozent erhöht. Kanadawird in den nächsten fünf Jahren 2 000 zusätzliche Lehr-stühle einrichten. Sogar China hat uns überholt. Von denUSA ganz zu schweigen: Dort werden neue Forschungs-zentren aufgebaut, die sich zu internationalen Anzie-hungspunkten entwickeln. Allein Harvard investiert der-zeit 3 Milliarden Dollar. Das ist mehr als das Doppelteeines Haushaltes der Max-Planck-Gesellschaft hier inDeutschland.Bildung und Forschung müssen wieder Priorität er-halten. Dazu reicht kein Plädoyer auf dem SPD-Partei-tag. Wer Wachstum will, der braucht Innovationsfelderund wer jungen Menschen eine Chance geben will, dermuss sich auf Zukunftsweisendes konzentrieren.
Wissenschaft braucht langfristiges Denken. Das könnenSie nicht. Sie entfachen kurzfristige Strohfeuer und be-treiben Propaganda.Die „Zeit“ schreibt:Die Bundesregierung dreht einen ganz neuen Spin:Gerhard Schröder, der Innovationskanzler.Das Jahr 2004 soll nun gar zum Jahr der Technik ausge-rufen werden. Schon seit Monaten propagieren Sie einenHightechmasterplan. Nichts kommt.
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Die bittere Wahrheit ist: Der Haushalt schrumpft um00 Millionen Euro und das Risikovolumen beträgtchon jetzt 150 Millionen Euro.Zusätzlich füllen Sie nun die Rentenkasse aus For-chungsmitteln. Das ist programmierter Stillstand. Über0 Millionen Euro sollen im Einzelplan 30 „erwirtschaf-et“ werden. Sie sägen an dem Ast, auf dem wir sitzen.s war schon ein Stück aus dem Tollhaus, als Sie uns am. November dieses Jahres erklärten, dass die Plünde-ung Ihres Haushaltes Zukunftsinvestitionen schaffenürde. Wie das zu schaffen ist, bleibt wohl Ihr Geheim-is.Ich fordere Sie auf: Setzen Sie sich durch – für For-chung und für die Zukunft unseres Landes. Sie müssenich auf Ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Dieernkompetenzen sind berufliche Bildung, Hochschulennd Forschung.
ie fischen in fremden Gewässern, zum Beispiel bei derchulpolitik. Von den 300 Millionen Euro, die 2003 fürhr Ganztagsschulprogramm zur Verfügung standen,ind derzeit 10 Prozent abgeflossen.
ie wollten 10 000 Ganztagsschulen bauen. Intern heißts jetzt, von dieser Zahl hätten Sie sich verabschiedet,ie würde nicht mehr kommuniziert. Ich kann Ihnen nuragen: Ihre Wahlkampfseifenblase ist geplatzt.
Erstens. Gestalten Sie dort, wo es nötig ist, zum Bei-piel bei der beruflichen Bildung. Die Lehrstellenlückem September war ein trauriger Nachkriegsrekord, denie zu verantworten haben.
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Katherina ReicheSchuld haben natürlich die Unternehmer, so findet je-denfalls Rot-Grün, nicht etwa eine desaströse Wirt-schafts- und Finanzpolitik. Nun bekommt die Linke das,was sie sich seit 20 Jahren wünscht, nämlich eineZwangsabgabe. Ich kann Ihnen nur raten: Lassen Sie dieFinger davon. Novellieren Sie das Berufsbildungsgesetz.Stärken Sie die Berufsausbildung durch modulare Be-rufsbilder! Wir haben detaillierte Eckpunkte vorgelegt.Sie brauchen sie nur noch umzusetzen.
Zweitens. Stecken Sie das Geld in die Hochschulen.Dafür sind Sie zuständig. Sie kürzen in diesem Jahr135 Millionen Euro beim Hochschulbau. Damit grei-fen Sie in unzulässiger Weise der Föderalismusreformvor.
Ich sage Ihnen: Wer an den Hochschulen spart, der spartan der Zukunft dieses Landes. Damit treffen Sie vor al-l
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Der Aufholprozess in denneuen Ländern ist noch längst nicht abgeschlossen. Ins-besondere die Hochschulen tragen eine große Verant-wortung.Würgen Sie diesen Prozess doch nicht ab! Es klingtwie Hohn, dass Sie 40 Prozent eines Abiturjahrgangesan die Hochschulen schicken wollen. Ich frage mich, obdiese in zugigen Rohbauten studieren sollen. Lassen Siedie Hochschulen von Ihrer Gängelrute, zum Beispieldurch die Selbstauswahl der Studenten. Aber auf demOhr Eigenverantwortung, Wettbewerb, Freiheit von For-schung und Lehre hört Frau Bulmahn schwer. Geben SieIhre Denkblockade auf. Verschlanken Sie das Hoch-schulrahmenrecht!
Auch Studienbeiträge haben Sie zum Tabu erklärt,weil nicht sein kann, was nicht in Ihr Weltbild passt.Vielleicht sollten Sie einmal Ihren Staatssekretär dazubefragen. Auch Tony Blair führt in England Studienge-bühren ein und begründet dies mit sozialen Gesichts-punkten. Sie lernen doch sonst so gerne vom britischenPremier. Warum nicht auch hier?
Drittens. Stecken Sie das Geld in die Forschung;denn Forschung ist und bleibt die beste Zukunftsinvesti-tion. Hans-Jürgen Klockner vom VCI mahnt: Die Gefahrwächst, dass sich bei der Grundlagenforschung dieSchere zwischen den USA und Deutschland immer wei-ter öffnet. Deutschland wird immer weniger wettbe-werbsfähig.
Als Bundeskanzler Schröder im März den For-schungsorganisationen für dieses Jahr einen dreiprozen-tigen Aufwuchs offerierte, hätten sich diese wohl nichtträumen lassen, dass sie dies mit der Mittelkürzung ind8nlsewFiDlJlcgbRdFBEgsUudbsnSWkwISfIVa
rau Künast will Richtung Pusteblume und der Kanzlern Richtung Technik. Beides passt nicht zusammen.
ie Anwendung der grünen Gentechnik wird mit al-en Mitteln blockiert, obwohl man weiß, dass imahr 2020 die Hälfte aller Innovationen ohne biotechno-ogische Verfahren nicht möglich sein werden. Wir brau-hen eine nationale Biotechnologiestrategie. Sie kündi-en sie gelegentlich an. Wir aber haben eine, Sierauchen sie nur noch umzusetzen.Die Gentechnik ist symptomatisch für das, was sichot-Grün unter Forschungsfreiheit vorstellt, nämlichen Plan zu verwirklichen, dass irgendwann alle großenorschungsorganisationen in die Alleinzuständigkeit desundes geraten. Nur in einem Klima von Freiheit undigenverantwortung kann Wissenschaft gedeihen. Eseht nicht nur um die Weitergabe von bestehendem Wis-en, es geht um die Freiheit der Suche nach Neuem, nachnbekanntem und Faszinierendem. Die akademischend die Forschungsfreiheit ist ein Beweis des Vertrauenser Gesellschaft gegenüber einer geistigen Elite. Wir ha-en sowohl an den Hochschulen als auch in den For-chungseinrichtungen zu viele Reglementierungen. Ih-en fehlt der Mut, tatsächlich Wettbewerb zuzulassen.ie sind zögerlich gegenüber neuen Erkenntnissen inissenschaft und Forschung. Sie sehen lieber die Risi-en als die Chancen.
Lieber Herr Bonde, Sie beantworten nicht die Frage,omit Sie in Zukunft Geld verdienen wollen. Ich sagehnen: Mit der Friedens- und Konfliktforschung werdenie kein Geld verdienen.
Frau Bulmahn, es ist Ihre Aufgabe, hier Antworten zuinden. Ergreifen Sie endlich die Initiative. Wir habenhnen Konzepte auf den Tisch gelegt. Nehmen Sie Ihreerantwortung endlich wahr und machen Sie Ihre Haus-ufgaben!Vielen Dank.
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Das Wort hat jetzt der Kollege Hans-Josef Fell von
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Die Konzepte, die Sie auf den Tisch ge-legt haben, Frau Reiche, hätten wir gerne in den Aus-schussberatungen gesehen, um darüber befinden zu kön-nen, ob sie gut sind. Alle Redner hier haben fasteinmütig erzählt, dass Sie gar keine Konzepte auf denTisch gelegt haben. Wo sind Ihre Konzepte? Wir wartennoch darauf.
Fakt ist, dass Rot-Grün auch im Jahr 2004 Bildungund Forschung einen hohen Stellenwert beimessen. Ins-gesamt stehen für Bildung und Forschung 9,7 MilliardenEuro zur Verfügung – ein erfreuliches Rekordergebnis,das die Bundesrepublik Deutschland so noch nie gese-hen hat.
Dazu einige Details. In letzter Zeit wurde gelegentlichverbreitet, die Bundesländer riefen die Mittel für Ganz-tagsschulen nur zögerlich ab. Das ist falsch. Wir haltenes für ein gutes Zeichen für unsere Schülerinnen undSchüler, dass bereits acht Bundesländer Vorhaben ange-meldet haben. Das beweist den großen Bedarf.Ein schöner Erfolg ist auch, dass wir nicht nur imBAföG, sondern auch im so genannten Meister-BAföGgroßen Zuspruch sehen.
Fast 90 000 Menschen haben im letzten Jahr gezeigt,dass sie bereit sind, in ihre berufliche Weiterbildung zuinvestieren.Einige kleine, aber wichtige Schritte im Sinne dernachhaltigen Verbesserung von Forschungsbedingungensehen wir zum Beispiel in der Stärkung der Forschungzu Ersatzmethoden zum Tierversuch, in der Erhöhungdes Vernetzungsfonds Erneuerbare Energien oder in derAufstockung der Mittel für die Friedensforschung.
Was uns auch freut, sind die 3 Prozent Zuwachs fürdie Forschungsgemeinschaften. Wir wissen allerdings,dass die gesamte Forschungslandschaft diesen Zuwachsmit einem weinenden Auge sieht; denn diese Mittel feh-len an anderer Stelle, zum Beispiel bei den wichtigenProjektforschungsmitteln oder im Hochschulbau.Die Haushaltszwänge machen uns schwer zu schaf-fen. Sie belasten vor allem die Projektmittel. Dies trifftnicht nur den hier zur Abstimmung stehenden Haushaltdes BMBF, sondern auch die anderen Einzelpläne. AuchdfWFPwdsfüRdBDsdsZBdDgdKpfileuAsruadduwzdnuVDB
ir wissen, dass wir die Infrastruktur für Lehre undorschung in unserem Land verbessern müssen. Ihrrotest, meine Damen und Herren von Union und FDP,äre aber glaubwürdiger, wenn Sie in den Ländern, inenen Sie die Verantwortung tragen, Bildung und For-chung den Stellenwert geben würden, den Sie hier ein-ordern.
Bildung und Forschung haben Priorität. Das ist partei-bergreifend Konsens, aber nicht parteiübergreifendealität. Die Realität lautet: Kürzungen. Ich gebe zu,ass dies teilweise auch auf Bundesebene so ist, zumeispiel bei der erwähnten Projektforschungsförderung.as heißt aber auch: drastische Kürzungen bei den Wis-enschaftsmitteln in den schwarz-gelb regierten Län-ern, zum Beispiel 10 Prozent Kürzungen nach der Ra-enmähermethode in Bayern. Erst letzte Woche gingenehntausende wütende Studenten und Professoren inayern auf die Straße. Das ist Ihre Forschungs- und Bil-ungspolitik.
as sehen wir auch in anderen Ländern. Hessen kürzt so-ar bei renommierten außeruniversitären Instituten wieem Institut für solare Energietechnik an der Universitätassel, und das um gleich 20 Prozent. Wir Forschungs-olitiker stehen in Bund und Ländern fraktionsübergrei-end vor einem Dilemma. Unsere Überzeugungsarbeit hatn allen Papieren und Sonntagsreden gefruchtet. Alle wol-n das Ziel erreichen, bis 2010 den Anteil der Forschungs-nd Entwicklungsmittel auf 3 Prozent anzuheben.
ber wenn es dann um Prioritätensetzung geht, sehenich die Forschungspolitiker plötzlich alleine den Inte-essen der anderen Fachpolitiker, der Haushaltspolitikernd der anderen Ministerien gegenüber. Frau Böhmer,uch in den von der Union regierten Bundesländern istas so.Klar ist: Mehr Mittel für Forschung und Bildung be-eutet bei leeren Kassen weniger für andere Ausgabennd das heißt tatsächlich Schwerpunktsetzung. Wo,enn nicht hier, macht das Wort von der Prioritätenset-ung Sinn? Wir müssen neue Prioritäten setzen. So gibtie Bundesregierung zum Beispiel für Kohlesubventio-en mehr aus, als das Bundesministerium für Bildungnd Forschung für seine gesamte Projektförderung zurerfügung hat.
ie Kohlesubventionen sind nicht zeitgemäß und raubenildung und Forschung die dringend benötigten Mittel.
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Hans-Josef FellDas heißt, die Schlüsseltechnologien zur Lösung unsererProbleme werden vernachlässigt. Stattdessen geben wirGeld für fragwürdige Zukunftstechnologien aus. DerTransrapid kostet die öffentliche Hand mehr als die ge-samte Forschungsförderung im Bereich der Nanotechno-logie, deren Potenzial uns das Büro für Technikfolgen-abschätzung kürzlich erst wieder vor Augen führte.Über dem Einzelplan 30 schwebt die Sparvorgabe derglobalen Minderausgabe von 84 Millionen Euro. Ren-tensubventionen aus dem Haushalt für Bildung und For-schung bedeuten, dass Mittel wohl doch nicht für die Zu-kunft, sondern für die Alten ausgegeben werden.
Ich bin überzeugt, dass das auf Dauer niemandem hilft.Für die Bildung gilt: Wir müssen uns intelligente Wegeder Bildungsfinanzierung überlegen, die wir zum Bei-spiel mit der Altersvorsorge verknüpfen können. Für dieForschung gilt: Wir von Bündnis 90/Die Grünen sehen,dass die Wirtschaft für das Erreichen des 3-Prozent-ZielsHilfe braucht, und werden das angehen, indem wir neueSchwerpunkte in der Förderpolitik setzen, zum Beispielauch die steuerlichen Rahmenbedingungen verbessernund unter anderem die vom BDI vorgeschlagene For-schungsprämie prüfen.Es bleibt festzuhalten: Das Problem ist erkannt. Aberdas reicht nicht. Erst dann, wenn wir beim Bund und inden Ländern gemeinsam die Priorität für Forschung undBildung zur Realität machen, hat dieses Land wiedereine Chance auf Zukunft. Falls nicht, bleiben wir alle Pa-piertiger und die Zukunft gehört anderen Staaten.Ich danke Ihnen für das Zuhören.
Als letztem Redner zu diesem Tagesordnungspunkt
erteile ich dem Kollegen Jörg Tauss von der SPD-Frak-
tion das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Es ist nicht so furchtbar schlimm, dass ich ein bisschenZeit verloren habe, Frau Ministerin. Ich wollte heuteAbend auf Argumente eingehen, aber da wir keine ge-hört haben, kann ich mir die Zeit sparen.
Was wir gehört haben, waren Diffamierungen und fal-sche Behauptungen. Das Schlimmste war, was Sie, FrauReiche, zur Friedensforschung gesagt haben. Ich haltediesen Satz für unerträglich.
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ielleicht informieren Sie sich einmal bei Ihrem Kolle-en Beck, einem anständigen Konservativen, der imtiftungsrat der Deutschen Stiftung Friedensforschungitzt, über die Arbeit, die dort geleistet wird, wenn Sieeine Ahnung haben. Ich halte es für unerträglich, wasie hier vorgetragen haben. Das will ich an dieser Stelleagen.
Noch einige andere Dinge waren schwer erträglich:rstens Ihre Behauptungen, die sich auf den Bund bezo-en haben. Wir tun uns im Moment – Herr Kollege Fellat es angesprochen – als Bildungs- und Forschungspoli-iker bundesweit schwer. Aber ich hätte schon die Bitte,ass Sie sich einige Länder anschauen, die von Ihnen re-iert werden. Dann sehen Sie, wie dort unmittelbar nachiner Landtagswahl mit Bildung und Forschung umge-angen wird.
hre Kritik, die Sie am Bund geübt haben, wäre dort aner richtigen Adresse.Es waren schon putzige Beispiele, liebe Frau Böhmer,ie Sie gebracht haben. Sie erzählen, dass die Fachhoch-chule in Biberach verspätet gebaut wird. In Niedersach-en werden Fachhochschulen geschlossen.
er Kollege Fischer – leider beehrt er uns jetzt nichtehr – war dabei, als sein Vater, der Rektor der Fach-ochschule in Karlsruhe, gesagt hat, dass den Fachhoch-chulen in Baden-Württemberg das finanzielle Funda-ent entzogen werde.Der Vertreter der Landesregierung hat ausgeführt, imereich Bildung und Forschung müsse nach der Rasen-ähermethode gekürzt werden. Das sei notwendig, weiluch in diesem Bereich ein Strukturwandel erforderlichei. Entschuldigung, aber man muss schon einen gewis-en Wirklichkeitsverlust erlitten haben, um so vorzuge-en.
Ich kann Ihnen die Zahlen nennen: In Niedersachsenird der Hochschuletat 2004 um 50 Millionen Euro ge-ürzt. In Hessen betragen die Kürzungen 43,42 Millio-en Euro. In Bayern werden Einsparungen in Höhe von0 Prozent angestrebt.
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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003 6697
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Jörg Tauss– In Berlin sieht es nicht viel besser aus. Die Kürzungenziehen sich bundesweit durch das Land. Aus diesemGrunde ist es doch so fatal, dass Sie Ihre Schwarzer-Peter-Spielchen treiben.
Sie versuchen, die Schuldzuweisungen in eine Rich-tung zu lenken und konzentrieren sich dabei ausgerech-net auf denjenigen, der noch am meisten unternimmt. Inden vergangenen Jahren war das der Bund. Das will ichin diesem Zusammenhang festhalten.
Sie reden über Studiengebühren. Ich bin zwar bereit,über die Finanzierung von Bildung zu sprechen, aber siedarf nicht auf Kosten derjenigen gehen, denen wir aufer-legen, als nächste Generation die Rentenprobleme und dieökologischen Probleme zu tragen und auszubaden, waswir an Schulden – das sind vor allem Ihre Schulden – hin-terlassen. Auch darüber sollten wir diskutieren.Außerdem: Von den Gebühren für Langzeitstudie-rende, die in Baden-Württemberg erhoben wurden– Frau Böhmer ist leider nicht mehr anwesend –,
ist kein Cent bei den Fachhochschulen und nur ein gerin-ger Betrag bei den Universitäten angekommen. Ähnlichist es mit den Verwaltungsgebühren. Über diesen Punktmüssen wir diskutieren: Studiengebühren haben zum ge-genwärtigen Zeitpunkt zur Folge, dass sie an den klebri-gen Fingern der Finanzminister hängenbleiben, statt denHochschulen zugute zu kommen.
Aus diesem Grund sind die Debatten, die in diesemLande geführt werden, albern.In den USA wird zurzeit ein Gesetz vorbereitet, daseine Begrenzung der Studiengebühren vorsieht, weil im-mer weniger Menschen aus sozial schwachen Familienund aus Mittelstandsfamilien studieren können und weildiejenigen, die studiert haben, unglaublich hoch ver-schuldet sind. Deswegen ist die Akademikerverschul-dung in den USA zurzeit ein Thema. Ich habe insoferndie herzliche Bitte, Frau Reiche: Wenn Sie schon in dieUSA blicken, dann nehmen Sie auch dies zur Kenntnis!
Erst kürzlich ist uns in der Anhörung doch bestätigtworden: In den USA bemüht man sich, die weltweit bes-ten Köpfe anzuwerben. Das ist zwar in der Tat proble-matisch – und zwar auch für die Länder, in denen ange-worben wird –, aber entscheidend ist: Wir könnten dasgar nicht, weil der Versuch, ausländische Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftler für Deutschland zu gewin-nen, durch Ihre Blockade des Zuwanderungsgesetzes imBundesrat zum Scheitern verurteilt ist. Sie wollen offen-smCclwSutsdkvgsmwszvHtdwPBweIamkdwDInn
Im Übrigen ist es schon interessant, dass der CDU/SU zum Thema Schule nichts anderes als „Suppenkü-he“ einfällt. Das mag an Ihrer Figur liegen, lieber Kol-ege Willsch; wir unterscheiden uns da nicht sehr. Aberenn ich über Bildung rede, dann geht es nicht nur umuppe.
Ich bitte insofern darum, die Kirche im Dorf zu lassennd die Kinder nicht mit dem Bade auszuschütten. Ers-ens können wir die Kinder, die eine Ganztagsschule be-uchen, nicht verhungern lassen. Ich hoffe, wir sind unsarin einig, dass sie auch tagsüber etwas zu essen be-ommen müssen. Zweitens entscheiden über diese In-estitionen die Länder. Wenn Sie in den von Ihnen re-ierten Ländern keine Suppenküchen einrichten,ondern Computer an die Schulen bringen wollen, dannachen Sie das ruhig. Aber trotzdem stellt sich irgend-ann die Frage nach der Suppe. Die Kinder können jachlecht vom Computer abbeißen oder die Maus essen.
Ich könnte noch viele Punkte ansprechen. Was mirurzeit Sorgen macht, ist die Föderalismusdebatte. Sieergießen Krokodilstränen über die Finanzierung desochschulbaus. Es waren doch die 16 Ministerpräsiden-innen und Ministerpräsidenten – traurigerweise wurdeie Mehrheit von Ihnen gestellt; das wird sich sicherlichieder umkehren, wenn die Leute merken, wohin Ihreolitik führt –, die nicht mehr wollten, dass sich derund um die Hochschulbaufinanzierung kümmert. Jetztundern Sie sich darüber, dass der Finanzminister darinin Einsparpotenzial sieht.Herr Präsident, Sie leuchten auf.
ch hätte gern noch etwas zur Ausbildungsplatzumlageusgeführt. Auch das ist ein Punkt, zu dem Sie nur pole-isieren. Uns interessiert die Abgabe nicht. Wir wolleneine Abgabe; wir wollen vielmehr eine Umlage, umen anständigen Betrieben, die Ausbildung betreiben, et-as zugute kommen zu lassen.
as werden Sie auch noch verstehen. Wir erläutern eshnen. Wenn der Gesetzentwurf vorliegt, dann haben wiroch Gelegenheit zu diskutieren.Ich wünsche einen angenehmen Abend und danke Ih-en.
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6698 Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77. Sitzung. Berlin, Dienstag, den 25. November 2003
(C)
(D)
Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 30
– Bundesministerium für Bildung und Forschung – in der
Ausschussfassung.
Es liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten
Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor, über den wir zu-
erst abstimmen.
– Wir müssen unabhängig davon abstimmen, ob sie an-
wesend sind oder nicht.
Wer stimmt für den Änderungsantrag auf
Drucksache 15/2076? – Offenkundig niemand. – Wer
stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Keine. Der Ände-
rungsantrag ist damit einstimmig abgelehnt.
Wir stimmen jetzt über den Einzelplan 30 in der Aus-
schussfassung ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 30 ist mit
den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stim-
men von CDU/CSU und FDP angenommen.
Wir sind damit am Schluss der heutigen Tagesord-
nung. Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen
Bundestages auf morgen, Mittwoch, den 26. November
2003, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.