Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 265. Sitzung des Deutschen Bundestages. Ich bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Der Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Morgenthaler, Struve, Frau Niggemeyer, Dr. Edert, Segitz, Frau Dr. Rehling, Goetzendorff, Pelster, Dr. von Brentano, Dr. Blank , Dr. Schöne, Dr. Semler, Neuburger, Wehner, Dr. Kreyssig, Kalbitzer, Gockeln, Bauereisen, Dr. von Merkatz, Mensing, Dr. Luchtenberg, Dr. Kopf, Dirscherl, Lausen, ' Kalbfell, Dr. Will, Freitag, Dr. Preusker, Frau Thiele, Harig, Paul (Düsseldorf), Reimann, Rische und Müller (Frankfurt).
Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Wittmann, Dr. Reif, Frau Dr. Gröwel, Pannenbecker, Dr. Koch, Kahn, Dr. Dresbach, Dr. Veit, Lemmer, Dr. Hammer, Kuhlemann, Dr. Hasemann, Dr. Henle, Lampl, Dr. Atzenroth, Dr. Baur , Mertins, Onnen.
Meine Damen und Herren, wir haben uns nach den eingegangenen Entschuldigungszetteln gerichtet. Wir haben leider nicht die Möglichkeit, jeweils bei den Abgeordneten einzeln festzustellen, ob sie auch wirklich fehlen. Aber es ist aus Kostengründen schon besser, jemand ist einmal vergeblich als entschuldigt gemeldet als gar nicht.
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Kuntscher für drei Wochen wegen Krankheit und Tichi für acht Wochen wegen Krankheit. - Ich darf annehmen, daß Sie mit der Urlaubserteilung einverstanden sind.
Ich habe Glückwünsche zum Geburtstag auszusprechen, und zwar feiern zwei Abgeordnete dieses Hauses heute Geburtstag: Herr Abgeordneter Dr. Brönner den 69. Geburtstag
und der, wenn ich recht sehe, nicht im Saal befindliche Herr Abgeordnete des Bundeswahlkreises Passau, Herr Schäffer, den 65. Geburtstag.
Ich spreche beiden Herren, dem Herrn Abgeordneten Brönner und dem Herrn Bundesfinanzminister, herzliche Glückwünsche aus.
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung ins Stenographische Protokoll auf genommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 8. Mai den nachfolgenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes nicht gestellt:
Drittes Gesetz zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes;
Gesetz zur Änderung der Verordnung über Zolländerungen vom 15. September 1938 ;
Gesetz über die Umstellung von knappschaftlichen Renten auf das nach dem 31. Dezember 1952 geltende Recht der knappschaftlichen Rentenversicherung;
Gesetz zur Änderung des Knappschaftsversicherungs-Anpassungsgesetzes;
Gesetz zur Änderung des Sozialversicherungs-
Anpassungsgesetzes.
In der gleichen Sitzung hat er hinsichtlich des Gesetzes über die Anrechnung von Renten in der Arbeitslosenfürsorge verlangt, daß der Vermittlungsausschuß gemäß Art. 77 Abs. 2 des Grundgesetzes einberufen wird.
Der Stellvertreter des Bundeskanzlers hat unter dem 8. Mai 1953 den Entwurf einer Dritten Verordnung zur Verlängerung der Geltungsdauer von auf Grund des Gesetzes für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft erlassenen Verordnungen übersandt mit der Bitte, ihn gemäß § 4 Abs. 2 des Gesetzes für Sicherungsmaßnahmen auf einzelnen Gebieten der gewerblichen Wirtschaft dem Bundestag bekanntzugeben. Der Verordnungsentwurf liegt im Archiv zur Einsichtnahme auf.
Wegen der heutigen Tagesordnung sind folgende Veränderungen im Ältestenrat vereinbart worden.
Im Zusammenhang mit den Beratungen zu Punkt 1 wird die erste Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Bank deutscher Länder vorgenommen werden.
Im Zusammenhang mit Punkt 3 wird die erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Kather, Wackerzapp, Dr. von Golitschek, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes und des Feststellungsgesetzes, Nr. 4324 der Drucksachen, behandelt.
Bei Punkt 6 der Tagesordnung, Gesetz zur Ergänzung des Selbstverwaltungsgesetzes, sollen auch die zweite und dritte Beratung des Gesetzentwurfs erfolgen, also alle drei Beratungen an einem Tag.
Bei Punkt 7 ist vorgesehen, die dritte Beratung des Entwurfs eines Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes erst in der ersten Juniwoche durchzuführen.
Der Punkt 9 der Tagesordnung betreffend Pflege der Kenntnisse über die deutschen Ostgebiete, Osteuropa und Südosteuropa soll heute von der Tagesordnung abgesetzt werden, da der Herr Bundeskanzler und der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts sich zu Besprechungen in Paris und London aufhalten.
Es wird weiter in die Tagesordnung aufgenommen die Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes über den Entwurf eines Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdenden Schrifttums. Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Schneider. Ich schlage Ihnen vor, die Abstimmung über diesen Punkt etwa um 15 Uhr stattfinden zu lassen.
Weiterhin wird in die Tagesordnung aufgenommen der Antrag sämtlicher Fraktionen des Hauses — Drucksache Nr. 4328 — betreffend berufliche und gesellschaftliche Eingliederung der aus der Sowjetzone geflüchteten Jugend und der Mündliche Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und
Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Jacobi gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 22. Juni 1951, Drucksache Nr. 4344. — Das Haus ist mit diesen Änderungen der Tagesordnung einverstanden.
Ich rufe zunächst auf die Punkte 1 a:
Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Dr. Blank und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Gewährung von Ausgleichsforderungen an die Bank deutscher Länder (Nr. 4273 der Drucksachen);
und lb:
Erste Beratung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Errichtung der Bank deutscher Länder .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Begründungszeit von 15 Minuten und eine Aussprachezeit von höchstens 60 Minuten vor. Zur Begründung des Gesetzentwurfs Herr Abgeordneter Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, bitte schön!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Meine Freunde hatten Ihnen bereits am 13. Juni 1950 als Drucksache Nr. 1040 einen Antrag vorgelegt, der sich mit den Ausgleichsforderungen der Bank deutscher Länder beschäftigte. Der Sinn unseres damaligen Antrags war, den Herrn Bundesfinanzminister bei seinen Bemühungen zu unterstützen, von der Bank deutscher Länder eine Gewinnausschüttung zu erreichen. Das ist dann auch geschehen. Der Bundestag hat das bekannte Gesetz über die Gewinnverteilung der Bank deutscher Länder angenommen. Damals bestand die Hoffnung, daß die Angelegenheit nunmehr bis zur Verabschiedung eines endgültigen Bundesnotenbankgesetzes ruhen könnte. Inzwischen haben sich aber Entwicklungen ergeben, die es sowohl dem Herrn Bundesfinanzminister wie zahlreichen Freunden meiner Fraktion wünschenswert erscheinen lassen, die Frage der Ausgleichsforderungen zu einer erneuten, und zwar möglichst schnellen Entscheidung zu bringen.
Veranlassung dazu gab vor allen Dingen die Tatsache, daß der Entwurf des Bundeshaushalts 1953 im Haushalt der allgemeinen Finanzverwaltung nur noch eine Gewinnausschüttung der Bank deutscher Länder von 80 Millionen DM vorsieht gegenüber 118,4 Millionen DM im vorhergehenden Jahr. Das heißt also, daß rund 39 Millionen DM weniger vereinnahmt würden, was für den Bundeshaushalt sehr schmerzlich ist.
Als weiteres Moment kommt die Lage der Post und Eisenbahn hinzu. Sie wissen alle, daß wir bisher im Haushaltsgesetz eine Bestimmung hatten, die Post und Eisenbahn verpflichtete, ein Drittel der Zinsverpflichtungen für diese Ausgleichsforderungen von sich aus aufzubringen. Das macht bei der Post einen Betrag von 21,8 Millionen DM pro Jahr und bei der Eisenbahn einen solchen von 32,7 Millionen DM aus, also insgesamt rund 54,5 Millionen DM.
Nun geht ja eines nicht: wir können nicht immer Ausgaben beschließen und zusätzliche Leistungen fordern, wenn wir auf der anderen Seite nicht auch dafür sorgen, daß eine entsprechende Deckung geschaffen wird.
Wir haben verlangt, daß auch bei Post und Eisenbahn die 20%ige Gehaltserhöhung durchgeführt wird. Wenn man die Finanzlage bei diesen beiden großen Verkehrsverwaltungen prüft, so stellt man fest, daß sie außerordentlich angespannt ist und daß hier unbedingt eine Entlastung durchgeführt werden muß.
Natürlich liegt zunächst die Frage nahe: Weshalb dann nicht einfach die Belastung von Post und Eisenbahn streichen und den Bund in voller Höhe für die Ausgleichsforderungen belasten? Das geht leider nicht, weil wir dann im Bundeshaushalt ein weiteres Loch in Höhe dieser 55 Millionen DM haben würden und nicht ersichtlich ist, wie ein solcher Betrag in dem schon übermäßig beanspruchten Bundeshaushalt gedeckt werden könnte. Dieser Weg ist also nicht gangbar.
Wir müssen deswegen prüfen, ob die Bank deutscher Länder zur Erhaltung ihrer Leistungsfähigkeit tatsächlich noch darauf angewiesen ist, daß die Ausgleichsforderungen im bisherigen Umfang verzinst werden und sie dann von diesen Ausgleichsforderungen nur einen kleineren Teilbetrag als Gewinn an den Bund abführt. Dabei entsteht aber eben das Problem, daß Post und Eisenbahn trotzdem belastet bleiben, weil ja die Einnahmen, die der Herr Bundesfinanzminister bekommt, auf seinen Zinsanteil angerechnet werden, aber Post und Eisenbahn dabei leer ausgehen.
Nun hat sich ein sehr unerfreulicher Zustand herausgebildet. Die Bundesbahn ist seit Jahren nicht mehr in der Lage, ihre Zinsverpflichtungen tatsächlich zu erfüllen. Wir haben augenblicklich einen Zinsrückstand der Bundesbahn bei der Bank deutscher Länder von rund 125 Millionen DM. Das
ist im Interesse der Festigung des öffentlichen Kredits alles eher denn wünschenswert. Wir stehen hier doch wohl alle auf dem Standpunkt, daß die alte Regel die richtige ist, daß Schulden, die einmal da sind, auch bezahlt werden müssen. Wenn man zu dem Ergebnis kommt, daß die Bundesbahn diesen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann, dann dürfte es im Interesse der Förderung des öffentlichen Kredits liegen, entsprechende Maßnahmen zur Änderung dieses unhaltbaren Zustandes zu ergreifen.
Wir haben zusammen mit der Haushaltsabteilung des Bundesfinanzministeriums sehr eingehend die Frage geprüft, ob durch eine Aufhebung der Verzinsungspflicht der Ausgleichsforderungen irgendwie eine Schwächung der Bank deutscher Länder eintreten und ob darin irgendeine Gefährdung der Aufgaben der Bank deutscher Länder zu erblicken wäre, den variablen Geldbedarf unserer Volkswirtschaft zu decken. Über diese Frage hat sich ja eine sehr lebhafte literarische Kontroverse entsponnen. Von einem so versierten und angesehenen Wirtschaftsjournalisten wie Herrn Dr. Muthesius ist die Ansicht geäußert worden, bei Fortfall der Verzinsung der Ausgleichsforderungen entstünde in ihren Bilanzen ein entsetzliches Loch von 5,4 Milliarden DM, das sei doch unmöglich. Nun, meine Damen und Herren, ich brauche demgegenüber nicht nur auf meinen eigenen Aufsatz in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung", „Das nicht vorhandene Loch", zu verweisen. Ich kann mich hier auf die sehr interessanten Ausführungen in der letzten Nummer des „Volkswirt" stützen wo dies Problem ebenfalls zutreffend behandelt worden ist, und zwar unter der bezeichnenden Überschrift „Eingebildete Bilanzlöcher". Ich darf insbesondere auch darauf hinweisen, daß ja zur Durchführung der Berliner Geldversorgung auch Ausgleichsforderungen in Höhe von 620 Millionen DM geschaffen wurden, die von Anfang an zinslos waren und auch nicht getilgt werden. Es ist der Bank deutscher Länder oder irgendeinem anderen ernst zu nehmenden Geld- und Währungspolitiker bisher niemals eingefallen, in dieser Tatsache, daß da immerhin 620 Millionen DM zinslose Ausgleichsforderungen bestehen, irgendwelche Gefahren für die Notenbank zu erblicken. Ich wäre der letzte, der seine Hand zu einem Gesetzentwurf bieten würde, der irgendwie eine Gefährdung für unsere Währung oder für unsere Notenbank darstellt. Wir sind alle daran interessiert, daß unsere Notenbank leistungsfähig bleibt und unsere Währung intakt. Aber derartige Gefahren beinhaltet der vorliegende Entwurf bestimmt nicht. In den Presseverlautbarungen ist die Auffassung vertreten worden, hinsichtlich der Notwendigkeit der Reservenbildung wäre eine Notenbank nicht anders zu behandeln als irgendeine andere Bank. Das ist eine unhaltbare Auffassung; denn die Notenbank hat selbstverständlich aus ihren Kreditgeschäften nicht im entferntesten die Risiken, die irgendeine andere Bank läuft, weil sie ja nur Papiere von anderen Banken hereinnimmt. Sie kann sich also auf die Haftung der Vorgiranten stützen.
Und nun noch eine abschließende Bemerkung. In der öffentlichen Diskussion ist gelegentlich behauptet worden, der heute eingebrachte Entwurf widerspreche doch unserem Gesetzentwurf über die Bundesnotenbank, dem bekannten Erhardschen Entwurf, den dann meine Fraktionsfreunde als Drucksache 3929 eingebracht haben. Meine Damen und Herren, das ist tatsächlich nicht der Fall. Wir sehen uns schon unsere eigenen Vorlagen gründlich an. In § 24 dieses Entwurfes ist unter Ziffer 4 vorgesehen, daß die Aufwendungen für die Ausgleichsforderungen aus dem Reingewinn der Bank deutscher Länder an den Bund zurückzuerstatten sind, wobei allerdings die Schwierigkeit besteht, daß Post und Eisenbahn nicht ohne weiteres an dieser Rückvergütung partizipieren würden, was mir allerdings im Interesse der beiden Verkehrsverwaltungen unbedingt notwendig zu sein scheint. Es ist auch nicht richtig, wenn gesagt worden ist, der vorliegende Gesetzentwurf zerstöre die Aussicht, die gerade unser Bundesnotenbankgesetzentwurf in Ziffer 5 des § 24 eröffnet habe, daß nämlich aus dem nach Rückerstattung der Aufwendungen für die Verzinsung der Ausgleichsforderungen noch verbleibenden Reingewinn der Bank deutscher Länder. ein Sonderfonds zur Tilgung der Ausgleichsforderungen gebildet werden könnte, dazu bestimmt, die Ausgleichsforderungen der übrigen Banken, die ja durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht berührt werden, allmählich zu tilgen bzw. höher zu verzinsen. Meine Damen und Herren, eine solche Möglichkeit wäre praktisch wohl kaum gegeben! Es ist ein Widerspruch, wenn auf der einen Seite gesagt wird: Der vorliegende Gesetzentwurf zehrt den Reingewinn der Bank deutscher Länder auf, und wenn dann nachher behauptet wird: Aber obgleich die FDP in ihrem Bundesnotenbankgesetzentwurf diese 2 1/2 prozentige Zinsrückvergütung vorgesehen hat, bleibt dann doch immer noch soviel übrig, um einen solchen Tilgungsfonds zu bilden. — Wenn wirklich Überschüsse in derartiger Höhe erzielt werden, so verhindert dieser Gesetzentwurf keineswegs eine solche Verwendung des Überschusses zur
Bildung eines Tilgungsfonds. Das Nähere könnte später im Notenbankgesetz geregelt werden. Heute geht es vor allen Dingen darum: Wir brauchen für die Haushaltsaufstellung des Bundes klare Verhältnisse. Wir können uns nicht auf die Dauer damit abfinden, daß es letztlich die Präsidenten der Landeszentralbanken sind, die im Zentralbankrat darüber entscheiden, was als Gewinn ausgewiesen wird. In einem Zeitungsaufsatz glaubt der Verfasser, daß der Gewinn, der jeweils ausgewiesen wird, dem wirklichen Gewinn entspräche!! Der Verfasser weiß noch gar nicht,
— ja natürlich! —, daß das, was unten herauskommen soll, das ist, was der Zentralbankrat jeweils herauskommen lassen will und was er für richtig hält, als Reingewinn auszuweisen. Diese Technik wird ja nicht nur bei der Bank deutscher Länder, sondern bei allen Bilanzen heute praktiziert.
Meine Freunde beantragen, daß dieser Gesetzentwurf, der wegen unserer Haushaltsberatungen dringlich ist — wir kommen bei der Beratung des Haushaltsgesetzes zu der Frage, wie Post und Eisenbahn in Zukunft hinsichtlich der Verzinsungspflicht behandelt werden sollen —, federführend dem Haushaltsausschuß überwiesen wird — wie auch neulich das Gesetz über die Verteilung des Reingewinns der Bank deutscher Länder —, mitberichterstattend dann selbstverständlich der Ausschuß für Geld und Kredit. Eine Hinzuziehung der Ausschüsse für Verkehrswesen und für Post- und Fernmeldewesen dürfte nicht mehr notwendig sein, weil diese beiden Ausschüsse wohl grundsätzlich mit dem vorliegenden Gesetzentwurf einverstanden sein werden.
Ich bitte namens meiner Freunde, in diesem Sinne zu beschließen und unseren Gesetzentwurf den beiden Ausschüssen zur baldmöglichsten Berichterstattung zu überweisen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Gesetzentwurfs Drucksache Nr. 4273 gehört. Hinsichtlich des Gesetzentwurfs Drucksache Nr. 4323 verweist die Regierung auf die schriftliche Begründung.
Ich eröffne die Aussprache im Rahmen der Redezeit von 60 Minuten.
Das Wort hat der Abgeordnete Scharnberg.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Über den Gegenstand, der in dem Antrag des Kollegen Nöll von der Nahmer behandelt ist, ist in diesem Hause bereits Mitte 1950 diskutiert worden. Außerdem hat sich der Ausschuß für Geld und Kredit damals — wie auch jetzt wieder — sehr eingehend mit der Angelegenheit befaßt.
Die Absichten der Antragsteller müssen im Zusammenhang mit dem Gesetz über die Verteilung des erzielten Reingewinnes der Bank deutscher Länder und dem die Gewinnverteilung betreffenden Paragraphen des in der Ausschußberatung befindlichen Notenbankgesetzes betrachtet werden. Der Bundestag hat Mitte 1951 ein Gesetz beschlossen, das die Bank deutscher Länder verpflichtet, den nach Bildung gesetzlicher und sonstiger Rücklagen sowie nach Abzug einer Gewinnbeteiligung der Landeszentralbanken verbleibenden Reingewinn der Geschäftsjahre 1950 und 1951 an die Bundesrepublik Deutschland abzuführen. Die Gewinnbeteiligung der Landeszentralbanken wurde gleichzeitig für die beiden Geschäftsjahre auf 6 v. H. ihrer Kapitalanteile begrenzt. Ein Verlängerungsgesetz dieses Gesetzes ist kürzlich hier in erster Lesung dem Haushaltsausschuß und dem Ausschuß für Geld und Kredit überwiesen worden. Im Bundesnotenbankgesetz, das sich, wie erwähnt, ebenfalls in der Ausschußberatung befindet, ist eine grundsätzlich Bleichlautende Bestimmung seitens der Regierung vorgeschlagen.
Der Zusammenhang zwischen dem Antrag Nöll von der Nahmer einerseits und den eben erwähnten Gesetzen andererseits besteht nun darin, daß der Übergewinn, der nach den letztgenannten Gesetzen an den Bund abzuführen ist, im wesentlichen darauf beruht, daß die Ausgleichsforderungen verzinst werden. Wenn diese Verzinsung entsprechend dem Antrag Nöll von der Nahmer fortfällt, spart der Bund die Zinsen auf die Ausgleichsforderungen. Dafür bekommt er einen entsprechend geringeren Übergewinn, so daß ein haushaltsmäßiger Vorteil, Herr Kollege Nöll von der Nahmer, für den Bund per Saldo nicht eintritt.
Das hat auch nichts mit Bundespost und Bundesbahn zu tun. Wenn nämlich Bundespost und Bundesbahn ihren Zinsverpflichtungen nicht nachkommen, hat der Bund dafür einzutreten, oder der Übergewinn wird geringer.
Dagegen besteht aber bei Annahme des Antrags folgender Nachteil. Es ist unbedingt notwendig, daß die Notenbank nicht nur ihre Unkosten deckt, sondern darüber hinaus auch noch so viel herauswirtschaftet, daß sie die nötigen Rücklagen bilden und eine Dividende ausschütten kann. Darüber bedarf es, glaube ich, keiner weiteren Diskussion. Niedrigere Diskontsätze und ein verringerter Rückgriff der Banken auf die Notenbank im Rediskontgeschäft könnten nun dazu führen, daß bei Unverzinslichkeit der Ausgleichsforderungen die Einnahmen, die ja dann im wesentlichen nur aus dem Diskontgeschäft herrühren, nicht mehr für die erwähnten Zwecke ausreichen. Das darf natürlich nicht eintreten. Deshalb hätte eine solche Möglichkeit die Konsequenz, daß die Notenbank eine an sich mögliche und im Interesse der Volkswirtschaft bestimmt auch wünschenswerte Diskontermäßigung nicht vornehmen kann.
Auf Grund dieser Überlegungen hat sich der Ausschuß für Geld und Kredit bei seinen Beratungen dahin ausgesprochen, es bei der Verzinsung der Ausgleichsforderungen zu belassen.
Es kommt aber ein weiterer Gesichtspunkt hinzu, der in der Ausschußberatung erörtert worden ist. Der Ausschuß hat sich nämlich auf den Standpunkt gestellt, daß es unbedingt notwendig ist, das Problem der Tilgung der Ausgleichsforderungen zu behandeln. Dabei sind wir der Meinung, daß in erster Linie die Ausgleichsforderungen getilgt werden müssen. die seitens der Notenbank von liquidierenden Bankinstituten übernommen worden sind bzw. in Zukunft übernommen werden; denn es ist ja klar, daß die Übernahme derartiger Ausgleichsforderungen, die also nicht vorübergehend, sondern dauernd in den Besitz der Bank deutscher Länder kommen, ihr nicht zugemutet werden darf. Der Ausschuß beabsichtigt, den Vorschlag zu machen, in zweiter Linie mit einer Tilgung derjenigen Ausgleichsforderungen zu begin-
nen, die im Besitz der Lebensversicherungen, der Sparkassen, der Bausparkassen und der Geschäftsbanken sind. Da Haushaltsmittel für diese Zwecke zunächst wohl nicht zur Verfügung gestellt werden können, ist der Ausschuß von der Überlegung ausgegangen, daß es nicht mehr als recht und billig ist, wenn zumindest ein erheblicher Teil des Gewinns, der im Geschäftsbereich der Notenbank, also bei der Manipulierung der Währung, anfällt, dafür verwandt wird, den Schönheitsfehler, wenn ich ihn so nennen darf, zu beseitigen, der bei der Errichtung unserer D-Mark-Währung durch die Schaffung der Ausgleichsforderungen nun einmal gemacht worden ist.
Dementsprechend beabsichtigt der Ausschuß, dem Hohen Hause vorzuschlagen, im Bundesnotenbankgesetz vorzusehen, daß ein erheblicher Teil des Übergewinns einem Fonds zwecks Ankaufs oder Tilgung von Ausgleichsforderungen, die sich im Besitze der Kreditinstitute, Versicherungsunternehmen, Sparkassen und Bausparkassen befinden, zugeführt wird. Dieser Plan ließe sich bei Annahme des Antrags Nöll von der Nahmer praktisch nicht verwirklichen, weil dieser Antrag den ganzen Übergewinn absorbieren würde.
Da das Notenbankgesetz wahrscheinlich nicht mehr in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden kann, wird übrigens der Ausschuß für Geld und Kredit in einer Sitzung, die in der nächsten Woche stattfindet, auch darüber zu beraten haben, ob diese Vorschrift bereits in das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Verteilung des erzielten Reingewinns der Bank deutscher Länder in den Geschäftsjahren 1950 und 1951 — das ist die Drucksache Nr. 4239 — eingefügt werden soll.
Ich bitte Sie, meine sehr geehrten Damen und Herren, den Antrag Nöll von der Nahmer, da er, wie gesagt, schon sehr eingehend im Ausschuß für Geld und Kredit beraten worden ist, diesem Ausschuß federführend und dem Haushaltsausschuß zur Mitberatung zu überweisen. Die Federführung des Haushaltsausschusses, die Kollege Nöll von der Nahmer vorgeschlagen hat, bitte ich nicht zu beschließen.
Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist freilich richtig, daß in unserem Haushalt ein Ausgabeposten von rund 109 Millionen DM jährlich für Zinsen der Ausgleichsforderungen steht, die an die Bank deutscher Länder zu zahlen sind, und daß diese Zinsen einschließlich des Anteils von Post und Bahn insgesamt 160 Millionen DM im Jahr betragen. Auf der anderen Seite steht in unserem Haushalt ein Einnahmeposten „Abführung des Reingewinns der Bank deutscher Länder" von 80 Millionen DM. Das heißt klipp und klar, daß, abgesehen von den Zinszahlungen, unser Notenbanksystem bis jetzt noch einen Betriebsverlust hat. Wenn wir die beiden Zahlen, insbesondere die erste, strichen, müßten wir also statt dessen in die Ausgaben einen Posten „Deckung des Verlustes der Bank deutscher Länder" in Höhe von ungefähr 80 Millionen DM jährlich einsetzen. Das ist die Situation des Haushalts.
Was die Zinsen von Post und Bahn anlangt, so ist folgendes zu sagen. Die Post zahlt ihre Zinsen. Wenn sie sie nicht zahlen würde, wäre der Verlust, den wir zu decken haben, eben größer. Die Zinsen der Bahn sind ja seit Jahren zu Lasten des
Reingewinns des Bundes zurückgestellt, also praktische bisher auch vom Bund gezahlt worden. Ich weiß nicht, ob sich darüber der Herr Antragsteller Nöll von der Nahmer im klaren ist. Die Befreiung der Bahn von der Zinslast, die sie bisher auch nicht getragen hat, erfordert also keine zusätzlichen Bundesmittel. Es ist lediglich die endgültige Abrechnung zwischen Bund und Bundesbahn über diesen Posten aufrechterhalten.
Das ist ganz einfach die Situation. Es handelt sich zunächst um einen klaren Betriebsverlust des Notenbanksystems, der laufend irgendwie gedeckt werden muß.
Es ist die natürlichste Art und Weise, daß man in Form der Ausgleichsforderungszinsen einen bestimmten Betrag, über den dann im Wege der Reingewinn-Ausschüttung abzurechnen ist, jährlich zur Verfügung stellt. Es handelt sich gar nicht um Theorien über vorhandene oder nicht vorhandene Bilanzlöcher.
Nun mag man über die Rückstellungspolitik des Notenbanksystems in einigen Punkten manchmal oder in einigen Jahren verschiedener Meinung sein. Aber eines ist sicher — bei den Beratungen des Bundesbankgesetzes hatte ich schon die Ehre, das für meine Fraktion auszuführen —: Es gilt für uns als selbstverständlich, daß die Geschäftsführung des Notenbanksystems nicht danach ausgerichtet werden kann, welchen gewinn- oder verlustmäßigen Ertrag sie für den Haushalt hat. Das, glaube ich, gilt auch für alle anderen Leute im Grunde als selbstverständlich, und von diesem Grundsatz aussehend spreche ich mich genau so wie der Kollege Scharnberg gegen eine Federführung des Haushaltsausschusses aus, der über diese Dinge nun wirklich nicht von sich aus und nach Haushaltsgesichtspunkten befinden kann. Es haben sich — auch das hat Herr Kollege Scharnberg schon angedeutet — im Ausschuß für Geld und Kredit schon gewisse gemeinsame Vorstellungen über die Verwendung des Reingewinns der Bank deutscher Länder, z. B. zur Tilgung von Ausgleichsforderungen in Fällen, in denen das dringend notwendig ist, gebildet, und wir glauben, daß dieser Ausschuß Ihnen im Zusammenhang mit dem auch zur Beratung stehenden Gesetz über diesen Reingewinn Vorschläge unterbreiten wird.
Ich bitte jedenfalls, diesen Antrag dem Ausschuß für Geld und Kredit zuzuweisen, unter Mitbeteiligung des Haushaltsausschusses, wenn das sein muß.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Niebes.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die bisher hier geäußerten Meinungen haben wohl gezeigt, daß die eine Seite der Auffassung ist, der Bund könnte etwas dabei gewinnen, wenn der Antrag angenommen wird, während die andere Seite der Meinung Ist, er könnte etwas dabei verlieren. Offensichtlich also gehen die Meinungen so weit auseinander, daß es wohl nicht so ganz einfach ist, festzustellen, was hier der richtige Weg ist.
In diesem Zusammenhang erscheint uns eine ganz andere Frage von viel größerer Wichtigkeit zu sein als diejenigen, die hier aufgeworfen worden sind. Das ist die Frage nach der Sicherheit der Währung. Wenn durch die Ausgleichsforderungen oder durch die Schuldbuchforderungen auf
der einen oder anderen Seite eine Verbesserung der Sicherheit der Währung gegeben wäre, dann könnte man über die Sache sprechen. Aber das ist keineswegs der Fall. Jederman weiß — es genügt vollkommen, wenn er ein kleines Einkommen hat; vielleicht weiß er es dann noch viel besser als diejenigen, die ein großes Einkommen haben —, daß sein Geld im Vergleich zu der Währungsreform heute längst nicht mehr das wert ist, was es damals wert war. Wenn er heute für eine Mark etwas zu kaufen beabsichtigt, bekommt er wesentlich weniger, als er seinerzeit nach der Währungsreform bekommen hat. Wir können also feststellen, daß im Laufe der Zeit tatsächlich eine Entwertung der Währung stattgefunden hat. Diese Frage ist zweifellos viel wichtiger, und es dürfte viel nötiger sein, sich mit ihr zu befassen, als mit dem, was hier vorgetragen worden ist.
Wenn Sie noch bedenken, daß der Abfall der Mark damals bei einer aufsteigenden Konjunktur stattgefunden hat, was soll man dann sagen, wie sich das — wo in der gegenwärtigen Zeit beispielsweise der Export ganz beträchtlich zurückgegangen und die Produktion in einigen wichtigen Industrien ins Stocken geraten ist und wir immer noch mit einer über 1 Million hinausgehenden Arbeitslosenzahl zu rechnen haben — in Zukunft gestalten wird. Zweifellos sind die Aussichten dafür außerordentlich schlecht. Wir sind der Meinung, daß es eher notwendig wäre, sich eingehend über die Frage einer besseren Sicherung unserer Währung zu unterhalten als darüber, ob man die bis jetzt bestehende Ausgleichsforderung, die im Moment verzinslich ist, in eine unverzinsliche Schuldbuchforderung umwandeln sollte. Wir sind infolgedessen der Meinung, daß bei irgendeiner Ausschußberatung nicht sonderlich viel herauskommen dürfte, und unsere Auffassung geht dahin, daß man den Antrag ablehnen sollte.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Nöll von der Nahmer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Nur ganz kurz zu den Ausführungen der drei Herren Diskussionsredner! Ich darf dem Herrn Vertreter der kommunistischen Gruppe zunächst versichern, daß die Sicherheit unserer Währung von dem Problem, das hier behandelt wird, überhaupt nicht berührt wird.
— Das ist gar kein amerikanischer Rauch, sondern ein sehr solides und wichtiges Haushaltsproblem; das habe ich, glaube ich, hier sehr eingehend bei der Begründung auseinandergesetzt. Daß es Ihnen vielleicht nicht angenehm ist, wenn wir hier im Interesse des Bundeshaushaltes eine solche Maßnahme durchführen wollen, das mag eine andere Frage sein.
Nun darf ich auf die sachlichen Ausführungen der Herren Kollegen Scharnberg und Seuffert eingehen. Wenn die Dinge eben so laufen, wie Herr Kollege Scharnberg es uns dargelegt hat, daß ein Fonds für die Tilgung der übrigen Ausgleichsforderungen gebildet werden soll — die natürlich für unser Bankwesen eine gewisse Belastung darstellen, das ist gar kein Zweifel —, dann ist doch nicht zu leugnen, daß damit die Einnahmen des Bundeshaushalts unweigerlich verkürzt werden, daß also auf diese Weise ein Einnahmeausfall im Bundeshaushalt eintreten würde, den wir nach unserer Überzeugung im gegenwärtigen Zeitpunkt auf keinen Fall tragen können. Es ist auch nicht so, Herr Kollege Seuffert— das ist sehr eingehend bei den Vorbesprechungen geprüft worden —, daß etwa die Gefahr eines Fehlbetrags in der Gewinn- und Verlustrechnung der Bank deutscher Länder eintreten würde, wenn nach diesem Gesetzentwurf die Verzinsungspflicht der Ausgleichsforderungen wegfiele. Ich darf darauf hinweisen, daß schon im Jahre 1951 die Bank deutscher Länder allein eine Zinseinnahme von 284 Millionen DM hatte, wozu dann noch sonstige Erträge von 16 Millionen DM hinzukommen, also Gesamteinnahmen von rund 300 Millionen DM, denen auf der anderen Seite als eigentliche Verwaltungskosten ungefähr 20 Millionen DM gegenüberstehen. Inzwischen ist aber das Geschäftsvolumen der Bank, wie Sie alle wissen, — ich verweise nur auf die wachsende Notenausgabe — noch wesentlich gestiegen. Wenn irgendwelche Gefahr bestanden hätte, daß etwa durch den Wegfall der Verzinsungspflicht die Bank deutscher Länder die Gewinn- und Verlustrechnung nicht mehr ausgleichen könnte, dann wäre dieser Antrag bestimmt nicht gestellt worden.
Der finanzpolitische Schwerpunkt liegt doch in. folgendem: Wir müssen mit jedem Pfennig rechnen. Deshalb ist zu prüfen: Besteht noch ein volkswirtschaftlich dringendes Bedürfnis für eine weitere Fortsetzung der bisherigen Reservepolitik bei der Bank deutscher Länder? Oder ist jetzt nicht ein Punkt erreicht, wo man dieses Ziel zurücktreten lassen muß zugunsten einer entsprechenden Entlastung des Haushalts? Das ist das entscheidende Problem, das hier gelöst werden muß.
Meine Damen und Herren! Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung.
Es sind zwei Überweisungsanträge gestellt worden. Der erste wünschte Überweisung an den Haushaltsausschuß als federführenden Ausschuß. Die Herren Abgeordneten Scharnberg und Seuffert haben Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit als federführenden Ausschuß beantragt. Ich darf vielleicht im Interesse der Vereinfachung fragen: Wer ist für Überweisung an den Ausschuß für Geld und Kredit als federführenden Ausschuß? — Das ist die überwiegende Mehrheit des Hauses. Diese Überweisung ist hiermit erfolgt. An den Haushaltsausschuß werden die Vorlagen als reitberatenden Ausschuß überwiesen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung
Erste Beratung des Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Wertpapierbereinigungsgesetzes .
Die Regierung verweist auf die gedruckte Begründung. Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Aussprache in der ersten Beratung zu verzichten. — Das Haus ist damit einverstanden.
Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Geld und Kredit zu überweisen.
Sie sind damit einverstanden; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf die Punkte 3 a und 3 b der Tagesordnung:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes und des Feststellungsgesetzes ;
b) Erste Beratung des von den Abg. Dr. Kather, Wackerzapp, Dr. von Golitschek, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Lastenausgleichsgesetzes und des Feststellungsgesetzes .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, bei diesen Gesetzentwürfen auf eine Begründung und Aussprache zu verzichten. Ich schlage Ihnen vor, beide Gesetzentwürfe dem Ausschuß für den Lastenausgleich zu überweisen. — Die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Verordnung zum Schutze der Wirtschaft .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen auch hier vor, auf eine Begründung und Aussprache in der ersten Beratung zu verzichten. — Das Haus ist damit einverstanden. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen.
— Also Rechtsausschuß als federführender Ausschuß und Ausschuß für Wirtschaftspolitik. Sind Sie damit einverstanden?- — Das ist der Fall; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf Punkt 5 a und b:
a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung .
b) Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen je eine Begründungszeit von 10 Minuten und eine Aussprachezeit von 60 Minuten für beide Gesetzentwürfe vor.
Zur Begründung des von der SPD eingebrachten Gesetzentwurfs Herr Abgeordneter Odenthal, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! Mit der Drucksache Nr. 4301 legt die Fraktion der SPD dem Hause einen Antrag vor, der sich mit der Neufestsetzung und der Neuregelung der Unterstützungen in der versicherungsmäßigen Arbeitslosenfürsorge befaßt. Drei Forderungen enthält unser Antrag, und ich bin der Auffassung, daß das Haus, selbstverständlich nach der Prüfung der Vorlage im Ausschuß, diesen Forderungen zustimmen wird.
Erstens. Die Unterstützung aus der Arbeitslosenversicherung ist auf das Arbeitsentgelt während der Zeit abgestellt, die die Anwartschaft zur versicherungsmäßigen Arbeitslosenunterstützung begründet, also in der Regel auf das Entgelt aus der zuletzt ausgeübten Tätigkeit vor Eintritt der Arbeitslosigkeit. Das erscheint auf den ersten Blick richtig. Wir leben aber schon jahrelang in einer Umschichtung, und die Fälle sind sehr zahlreich, in denen z. B. Angestellte leider berufsfremde Arbeit, d. h. niedriger bezahlte Arbeit aufnehmen müssen, und in denen Handwerker und Facharbeiter, besonders Heimatvertriebene, ebenfalls außerhalb ihres Berufes Arbeit aufnehmen, um überhaupt Arbeit zu finden. Dann tritt im Falle der Arbeitslosigkeit das Arbeitsentgelt des zuletzt ausgeübten Berufes an die Stelle des sonst normalen Arbeitsentgeltes des gelernten Berufes, und dieses zuletzt erhaltene Arbeitsentgelt wird bei der Festsetzung der Unterstützung zugrunde gelegt. Das ist nicht nur unrecht, sondern es scheint mir auch unklug zu sein; denn durch diese Regelung werden alle Angestellten, alle Arbeiter und Handwerker dafür bestraft, daß sie überhaupt berufsfremde Arbeit, die niedriger bezahlt wird, aufnehmen. Würden Sie weiterhin Arbeitslosenunterstützung beziehen, dann blieben sie im Genuß der höheren Bezüge, die sich aus dem Entgelt ihres erlernten Berufes herleiten.
Ich glaube, Sie werden mir zustimmen, wenn wir fordern, daß die Unterstützung nach dem Einkommen aus dem gelernten oder aus dem überwiegend ausgeübten Beruf gewährt wird. Ob dann die Arbeitsämter hinsichtlich der Vermittlung oder zu statistischen Zwecken die Arbeitslosen nach einer gewissen Zeitdauer der Tätigkeit in fremden Berufen umschreiben, sollte bei der Bemessung der Unterstützung keine Rolle spielen.
Zweitens. Die Unterstützung in der versicherungsmäßigen Betreuung muß in ein besseres Verhältnis zum vorher bezogenen Arbeitsentgelt gebracht werden. Der Anteil der langfristig Arbeitslosen ist erschreckend hoch; aber auch die langfristig Arbeitslosen unterbrechen die Arbeitslosigkeit sehr oft wieder durch eine kurzfristige Beschäftigung. Dann verteilt sich die Bezugsdauer der Unterstützung sehr oft auf mehrere Jahre, d. h. ein Arbeitsloser bezieht seine Arbeitslosenunterstützung von 26 Wochen nicht ununterbrochen, sondern im Verlaufe mehrerer Jahre. Die Unterstützung ist in ihrer Höhe vom früher bezogenen Arbeitsentgelt abhängig. Während die Löhne und Gehälter wiederholt erhöht wurden, bleibt die vor Jahren festgesetzte Unterstützung an das damals bezogene Arbeitsentgelt gebunden und wird den gestiegenen Lebenshaltungskosten in keiner Weise gerecht.
Wir fordern deshalb, daß die Unterstützung von Amts wegen neu festgesetzt wird, wenn nach der ersten Festsetzung der Unterstützung eine Lohnerhöhung stattgefunden hat. Wir wünschen weiter, daß dies nicht nur von Amts wegen, sondern auch auf Antrag — auf Antrag des Arbeitslosen selbstverständlich — geschieht, wenn er nachweisen kann, daß eine solche Erhöhung tariflich stattgefunden hat. Ein Anfang dazu wurde bereits in der Arbeitslosenfürsorge gemacht; wir können aber auf die Ausdehnung dieser Regelung auf die Arbeitslosenversicherung nicht verzichten.
Ein drittes! Schließlich will unser Antrag auch die Unterstützungssätze der Tabelle erhöhen. Das
Mittel der Unterstützung in der Arbeitslosenversicherung liegt bei 27 °/o des Arbeitsentgelts. Wir wissen, daß eine Erhöhung beachtliche Forderungen an den Haushalt der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung stellen wird. Sie werden aber sicher nicht bestreiten, daß die Unterstützungssätze unzureichend sind. Auch das Beitragsaufkommen erlaubt die Erhöhung,
obschon sie im Jahresvolumen etwa 200 Millionen DM ausmachen wird. Darum fordern wir die Erhöhung der Unterstützungssätze in der Arbeitslosenversicherung auf ein Maß, das ein echtes und gesundes Verhältnis von Arbeitsentgelt und Unterstützung herstellen soll. Wir glauben, daß sich das Haus der berechtigten Forderung nicht verschließen wird. Ich darf Sie bitten, unseren Antrag dem Ausschuß für Arbeit zur beschleunigten Beratung zu überweisen.
Zur Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und DP Herr Abgeordneter Arndgen!
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im vergangenen Jahr ist auf Beschluß dieses Hauses ein sogenanntes Arbeitsbeschaffungsprogramm in Szene gesetzt worden, das aus Mitteln des Arbeitsstocks finanziert worden ist. Dieses Programm hat es ermöglicht, ungefähr 90 000 Aubeitsplätze zusätzlich zu schaffen. Für diesen Zweck standen im vergangenen Jahr 200 Millionen DM zur Verfügung, die, obwohl sie eingeplant waren, im vorigen
Jahr nicht voll wirksam werden konnten. Somit stehen aus dem Überhang in diesem Jahr noch rund 50 Millionen DM zur Verfügung. Wenn es möglich gemacht werden kann, zu diesen 50 Millionen in diesem Jahr noch rund 100 Millionen zusätzlich zur Verfügung zu stellen, könnte ungefähr der gleiche Effekt wie im vergangenen Jahr erzielt werden.
Der Ihnen vorliegende Entwurf soll nun die Möglichkeit schaffen, weitere Mittel aus dem Arbeitsstock oder jetzt von der Bundesanstalt für AVAV zur Verfügung zu stellen. Der Entwurf, der Ihnen vorliegt, bestimmt nicht die Höhe des Betrags, da wir der Meinung sind, daß die Bundesanstalt, nachdem wir auch für sie eine Selbstverwaltung geschaffen haben, bei der Zurverfügungstellung dieser Mittel mitwirken sollte. Dieses Gesetz will daher nur die Möglichkeit schaffen, in diesem Jahr das gleiche zu tun wie im vergangenen und dem Verwaltungsrat der Bundesanstalt notwendige gesetzliche Grundlagen zur Verfügung zu stellen.
Für die heutige Tagesordnung ist nur die erste Lesung dieses Gesetzes vorgesehen. Da wir fast das gleiche Gesetz, mit einigen Änderungen, im vergangenen Jahr verabschiedet haben und an demselben nicht viel herumgemodelt zu werden braucht, stelle ich den Antrag, dieses Gesetz heute in erster, zweiter und dritter Lesung zu verabschieden.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache über beide Gesetzentwürfe im Rahmen der Redezeit von 60 Minuten. Herr Abgeordneter Odenthal!
Herr Präsident! Meine Damen und meine Herren! So gerne ich dem Kollegen Arndgen folgen möchte, so muß ich doch widersprechen, den Gesetzentwurf der Fraktion der CDU/CSU heute abschließend zu behandeln, weil es einfach nicht möglich ist, die Frage unabhängig von unserem Antrag zu lösen, und Herr Arndgen hat doch sicher nicht beantragt und gewollt, daß auch unser Antrag in erster, zweiter und dritter Lesung bejaht und entschieden wird. Wenn er dazu ja sagt, können wir darüber reden.
Aber gestatten Sie mir zu der Frage der Notstandsarbeit ein grundsätzliches Wort. Wir haben damals, im Jahre 1951, mit Schmerzen zugesagt, aus den Mitteln der Bundesanstalt, also aus den Mitteln der Arbeitnehmer, 200 Millionen DM für ein Sofortprogramm bereitzustellen. Dieses Sofortprogramm sollte in drei Monaten ablaufen. Das war im Oktober 1951. Bis heute, also im Monat Mai 1953, sind diese 200 Millionen noch nicht verbraucht.
Sie sind allerdings verplant. Das Gesamtergebnis sieht so aus, daß niemals eine Zahl von mehr als 35 000 Arbeitslosen von durchschnittlich 1,5 Millionen beschäftigt werden konnte. Nichts gegen Notstandsarbeiten, wenn sie dazu dienen und dazu geeignet sind, den Bodenertrag zu heben, die Verkehrswege zu verbessern, Strom zu erschließen und zu verteilen, also immer dann, wenn sie vorbereitend mithelfen können, neue Arbeitsplätze, aber Dauerarbeitsplätze, zu schaffen. Denn am Anfang der Notstandsarbeit steht die Arbeitslosigkeit, und am Schluß der Notstandsarbeit steht wieder die Arbeitslosigkeit.
Das ist doch kein Mittel, um die Arbeitsnot zu beheben. Wir wollen ja sagen, wenn hier regional geholfen werden kann. Wir sind auch bereit, ja zu sagen, wenn durch große Maßnahmen zur Hebung des Bodenertrags, durch Straßenbauten — ich denke an den Autobahnbau Göttingen-Hamburg, der ja ein Bedürfnis ist, ich denke an den Donau-Main-Kanal — dazu mitgeholfen werden soll, neue Verkehrswege zu erschließen und Arbeitsmöglichkeiten auf die Dauer zu schaffen. Man soll es aber doch nicht einfach den Gemeinden und den Ländern, die wirtschaftlich dazu in der Lage sind, überlassen, Notstandsarbeiten zu finanzieren, während dies andere Bezirke, die durch Krieg und Zerstörungen geschwächt worden sind und die Notstandsarbeiten brauchen, nicht können.
Ein anderes, meine Damen und Herren. Seit 1948, seit der Währungsreform, haben wir in der Arbeitslosenversicherung und in der Arbeitslosenfürsorge sicherlich mehr als 8 Milliarden DM an Unterstützungen gezahlt. Wenn Sie nun die Kosten eines Arbeitsplatzes mit 8000 DM annehmen — das ist wirklich ein über dem Durchschnitt liegender Satz —, dann hätten wir aus diesen 8 Milliarden bei Vollfinanzierung sogar sicher 1 Million Dauerarbeitsplätze schaffen können. Das Wort steht in der Luft, und ich glaube, man sollte sich ernstlich damit befassen.
Wichtiger als Unterstützungen, wichtiger als Notstandsarbeiten, auch wichtiger als Auswanderungsbejahung erscheint uns die Erweiterung der Produktion und die Hebung des Sozialprodukts. Wir wollen gern an die Stelle der Unterstützungen und der Notstandsarbeiten echte Arbeitsmög-
lichkeiten gesetzt sehen. Darum haben wir schon mit Drucksache Nr. 3026 vom 26. Januar 1952 verlangt, daß in stärkerem Ausmaß an die Stelle der unterstützenden Fürsorge und auch an die Stelle wirtschaftlich nicht immer vertretbarer Notstandsarbeiten die Finanzierung von Dauerarbeitsplätzen tritt. Wir hatten ganz bestimmte Vorstellungen zur Erhöhung des Sozialprodukts, zur Minderung der Belastung, zur Strukturwandlung und zur wirtschaftlichen Eingliederung der Heimatvertriebenen, der Flüchtlinge und der Evakuierten sowie zur Beschaffung von Lehrstellen für Jugendliche entwickelt.
Wir haben in einem Arbeitskreis, der von den Ausschüssen des Bundestags gebildet wurde, den Nachweis erbracht, daß in der deutschen Wirtschaft nachweislich jährlich mehr als 2 Milliarden DM für Überstundenentgelte gezahlt werden. Wohlgemerkt, hierin sind nicht eingeschlossen die Überstundenentgelte im Bergbau, im öffentlichen Dienst, in der Landwirtschaft, im Handwerk und in alle Betrieben mit weniger als zehn Arbeitnehmern. Wer aber die Verhältnisse genau kennt, weiß, daß auch in diesen Sparten die Überstundenleistungen unerträglich hoch sind. Der Arbeitskreis hat erkannt, daß in der hohen Zahl der Überstundenleistungen echte Möglichkeiten zur Beschaffung von Dauerarbeitsplätzen in größerem Ausmaß verborgen liegen. Das hat der Herr Bundesarbeitsminister vor mehr als einem Jahr auch schon mal in einem Appell an die Öffentlichkeit betont. Mehrere Ministerien der Bundesregierung haben sich positiv zu unserer Forderung geäußert; nur der Vertreter des Herrn Bundesfinanzministers hat Bedenken vorgebracht, wahrscheinlich weil er aus statischen Betrachtungen seines Haushalts heraus eine Steuerminderung vermutet, wenn der Arbeitgeber zu einer Abgabe von Überstundenentgelten veranlaßt wird.
Daß die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen das Sozialprodukt vermehrt, die Kaufkraft hebt und damit neue Steuerquellen erschließt, das hat der Herr Bundesfinanzminister wahrscheinlich nicht gesehen. Es liegt leider allzu nahe, anzunehmen, daß der Herr Bundesfinanzminister unserem Vorschlag nicht zustimmt, weil er die Mittel der Sozialversicherung und der Arbeitslosenversicherung zur Deckung seiner Haushaltslücken verwenden will.
Die beabsichtigte Hergabe von Schuldverschreibungen ändert aber nichts an der Tatsache, daß hier auf dem Umweg über die Beitragsleistungen der Arbeitnehmer zur Sozialversicherung dem deutschen Arbeitnehmer eine zweite indirekte Lohnsteuer auferlegt werden soll, nur, um aus dieser Sondersteuer die Steuersenkungen für die höheren Einkommen zu ermöglichen. Wir warten leider bis heute auf die Stellungnahme der Bundesregierung zu dem Antrag der SPD vom 26. Januar 1952.
Alle Appelle, auch des Herrn Arbeitsministers, mehr Angestellte zu 'beschäftigen, mehr Schwerbeschädigte einzustellen, der steigenden wirtschaftlichen Entwicklung entsprechend die Zahl der Arbeitsplätze zu vermehren, hatten, so dankbar wir sie begrüßt haben, leider nicht den gewünschten Erfolg, und die Zahl der Überstundenleistungen steigt noch von Monat zu Monat.
Die Zahl der Arbeitslosen bleibt trotz steigender Wirtschaftskurve unvermindert hoch. Der Arbeitslose muß seine Arbeitskraft und seine Arbeitsbereitschaft durch ausreichende Ernährung erhalten können. Besonders der arbeitslose Angestellte muß seine Kleidung, wenn schon nicht erneuern, so doch wenigstens pfleglich behandeln können, um vorstellungsfähig zu bleiben. Eine Minderung der Arbeitsbereitschaft mindert ebenso die Vermittlungsfähigkeit des Arbeitslosen und die Vermittlungsmöglichkeiten durch das Arbeitsamt.
Wir haben wirklich lange zugewartet, daß die Bundesregierung unserem Verlangen entspricht, an Stelle der unterstützenden Fürsorge die positive Schaffung von Dauerarbeitsplätzen mehr als bisher zu ermöglichen. Manches ist geschehen, leider nicht genug, und weil es nicht genug war, glauben wir, nicht darauf verzichten zu können, zu fordern, daß nicht nur mit Notstandsarbeiten geholfen wird, sondern auch die unterstützende Fürsorge angemessen erhöht wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Kneipp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf die Ausführungen des Herrn Kollegen Odenthal möchte ich im einzelnen nicht eingehen. Ich möchte nur erwähnen: Als wir vor mehr als einem Jahr die Mittel der noch im Werden begriffenen Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung einspannen wollten, wurden gerade aus den Reihen Ihrer Freunde, insbesondere seitens des Kollegen Richter, allerschwerste Bedenken, geäußert, weil hier sozusagen im Vorgriff auf die Mittel der noch nicht geborenen Bundesanstalt gearbeitet werden sollte.
Ich möchte den Vorschlag machen, daß wir beide Anträge dem Ausschuß für Arbeit überweisen. Wenn ich auch der Tendenz der beiden Anträge durchaus zustimme und es ganz besonders begrüße, daß der Antrag der CDU/CSU und DP auf Drucksache Nr. 4302 gestellt worden ist, so halte ich es doch für ein unbedingtes Erfordernis, das gesamte Problem im Ausschuß für Arbeit zur Behandlung zu stellen. Ich beantrage hiermit die Überweisung beider Anträge an den Ausschuß für Arbeit.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege von. der Opposition hat schon recht, wenn er vermutete, daß ich nicht den Antrag stellen würde, auch die Drucksache Nr. 4302 in erster, zweiter und dritter Lesung anzunehmen. Denn diese Drucksache enthält so viel Fehlerquellen und ist so unlogisch aufgebaut, daß sie ohne ernstliche Überprüfung im Ausschuß für Arbeit nicht angenommen werden kann. Die Drucksache, so angenommen, würde die Bundesanstalt zunächst einmal 260 Millionen DM im Jahre kosten, und wenn automatisch die Alfu-Empfänger nachgezogen würden
— was bestimmt im Hintergrund beabsichtigt ist
—, dann würden aus Mitteln des Bundes noch einmal 300 Millionen DM im Jahr benötigt werden, um die in diesem Antrag niedergelegten Wünsche zu befriedigen.
Aber auch die Unterstützungstabelle, die die Rückseite dieser Drucksache ziert, kann in der Form nicht angenommen werden, weil die festge-
legten Unterstützungssätze nach dem Bruttoverdienst errechnet sind. Dadurch würden die Unterstützungen derart nahe an den tatsächlichen Arbeitsverdienst herankommen, daß kein Anreiz mehr für die Arbeit bestünde.
— Sehen Sie sich die Ziffern einmal an, meine Herren von der KPD! Jeder weiß doch, daß bei einem Bruttowochenverdienst von 116 DM nach Abzug der Steuern und Sozialbeiträge nur noch 85 bis 90 DM verbleiben. Wenn die Prozente in der Tabelle nach dem Bruttoeinkommen ausgerechnet sind, dann wird die Unterstützung so sein, daß ein Lediger, der bisher einen Wochenverdienst von 116 DM hatte, auf eine Unterstützung von etwa 70 % und ein Verheirateter mit dem gleichen Verdienst auf eine Unterstützung von etwa 74 % kommen wird. Ich glaube, daß eine solche Tabelle nicht unbesehen angenommen werden kann, und bin der Meinung, daß bei der Unklarheit dieses Antrages die Drucksache einer eingehenden Überprüfung im Ausschuß bedarf.
Anders liegen die Dinge bei dem Antrag, der von unserer Seite gestellt worden ist.
Es kann nicht bestritten werden, daß durch das Arbeitsbeschaffungsprogramm des vergangenen Jahres nicht nur Beschäftigungsverhältnisse für Notstandsarbeiten geschaffen wurden, sondern auch 90 000 Dauerarbeitsplätze, eine Leistung, die diesem Arbeitsbeschaffungsprogramm zu verdanken ist. Es ist auch, wie der Abgeordnete Odenthal von den Förderungsbeträgen verlangt, das Sozialprodukt gesteigert worden. Es sind zudem Versorgungsanlagen erstellt worden, die es ermöglichen, unserer Bevölkerung stärker als bisher Teile des Sozialprodukts zuzuführen. Nachdem aber auch von der FDP der Antrag gestellt worden ist, diesen von uns gestellten Antrag dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen, hat es keinen Zweck mehr, an dem von mir ursprünglich gestellten Antrag festzuhalten, weil ja dann doch die Mehrheit für die Überweisung an den Ausschuß für Arbeit sein wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Kohl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ende 1952 hat der Vertreter des Bundesarbeitsministers im Ausschuß für Arbeit die Erklärung abgegeben, daß in den ersten Monaten des Jahres 1953 dem Bundestag die Neuf assung des AVAVG vorgelegt werden sollte. Bis heute liegt der Entwurf dem Bundestag noch nicht vor, und die Folgen dieser Regierungspolitik haben die Arbeitslosen in unhaltbaren Verhältnissen und unter materiellen Lasten zu tragen. Wir haben uns statt dessen heute mit den zwei Anträgen zu beschäftigen, zu denen man grundsätzlich einiges sagen muß.
Zuerst einige Worte zu dem Antrag Drucksache Nr. 4302, den die CDU/CSU und die DP gestellt haben. Ich habe Verständnis für das Tempo des Herrn Kollegen Arndgen, der angesichts der kommenden Wahl versuchen will, einen Gesetzentwurf in erster, zweiter und dritter Lesung durchzubringen, der nach unserer Überzeugung einer sehr ernsthaften Prüfung bedarf. Herr Kollege Arndgen, auch Sie können nicht abstreiten, daß die Methode des Herrn Bundesfinanzministers, die Mittel der Arbeitslosenversicherung für seine
Rüstungsausgaben mit in Anspruch zu nehmen, draußen einigen Staub aufgewirbelt hat. Sie versuchen nun, diese ganze Politik in eine gesetzmäßige Form zu zwingen. Ihnen ist doch genau so gut wie uns bekannt, daß nach den letzten Mitteilungen beispielsweise die Mittel der Bundesanstalt in Höhe von weit über 660 Millionen DM im sozialen Wohnungsbau festgelegt sind und daß darüber hinaus, ebenfalls für angeblich fördernde Maßnahmen, der Bundesbank 50 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden sind. Sie wollen in Abs. 2 die Länder zwingen, Mittel in gleicher Höhe zur Verfügung zu stellen. Das heißt, Sie machen es sogar zu einer Bedingung für die Bewilligung der Mittel für die Notstandsarbeiten. Wie das bei der Inanspruchnahme der Länderfinanzen durch den Bund in der Praxis aussehen soll, bleibt allerdings Ihr Geheimnis. Die Mittel der Bundesanstalt, die nach diesem Gesetz für sogenannte, fördernde Maßnahmen ausgegeben werden sollen — und wir erkennen mit unserem gesunden Mißtrauen die Maßnahmen, für die diese Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen —, sind Überschüsse, die praktisch den Arbeitslosen bisher vorenthalten worden sind. Ein solches Gesetz kann unsere Zustimmung schon deshalb nicht finden, weil wir der Meinung sind, daß die zweckgebundenen Beitragsmittel in erster Linie für eine ausreichende Unterstützung verwendet werden sollten und jede Anhäufung dieser Mittel abgesehen von den notwendigen Rücklagen, zu einer Senkung der Beiträge führen sollte. Aber es geht Ihnen ja letzten Endes darum, meine Damen und Herren, jetzt angesichts der kommenden Wahlen Ihr gutes Herz unter Beweis zu stellen und den Arbeitslosen draußen zu erzählen, daß Sie etwas für sie tun wollen. In den Arbeitslosenversammlungen selbst erscheinen Sie trotz aller Einladungen niemals, um dort Ihre Politik zu rechtfertigen.
Aber noch etwas anderes. Ich stelle fest, daß wir bereits am 19. Februar 1951 einen Gesetzentwurf eingereicht haben, der eine Änderung der Bestimmungen des AVAVG vorsah, und zwar in fortschrittlichem Sinne. Dieser Gesetzentwurf schlummert heute noch im Ausschuß.
— Reden Sie doch keinen Unsinn, Herr Kollege Arndgen! — In diesem Gesetzentwurf haben wir auch zu § 139 Stellung genommen und eine Neufassung vorgeschlagen. Wir haben für öffentliche Notstandsarbeiten die Einschaltung der Gewerkschaften und die Zahlung der dafür vorgesehenen Tariflöhne gewünscht, eine Regelung, die in Ihrem Gesetzentwurf bewußt unterblieben ist. Sie hätten also nur dafür sorgen müssen, daß Ihr Bundesarbeitsminister energisch die Neuordnung der Arbeitslosenversicherung durchführte. Ihr Wahlantrag wird deshalb so verstanden werden, wie er wirklich gemeint ist.
Nur einige Worte zu dem sozialdemokratischen Antrag. Für ihn trifft praktisch dasselbe zu.
Wir haben in dem von mir bereits erwähnten Gesetzentwurf die Frage der Erhöhung der Arbeitslosenunterstützungssätze geregelt. Damals stand die Frage zur Diskussion, ab die Unterstützungssätze gemäß einem Vorschlag der Regierung um 10 % erhöht werden sollten. Ich habe von dieser Stelle aus eine Erhöhung der Unterstützungssätze
um 30 % verlangt. Die sozialdemokratische Fraktion hat sich damals bezeichnenderweise der Stimme enthalten und sich nicht für die Erhöhung der Unterstützungssätze um 30 % ausgesprochen.
Deswegen soll man — —
— Ich weiß, aber Ihr Antrag ist einfach, Herr Kollege Richter! Es ist alles einfach, wenn es von Ihnen kommt, nur ist es nicht einfach, wenn jemand anders etwas sagt.
Ich darf weiter noch darauf verweisen, daß wir am 19. Februar 1951 in demselben Gesetzentwurf vorgeschlagen haben, die Grundbeträge zur Berechnung der Unterstützungen um durchschnittlich zirka 15 % zu erhöhen. Sie hätten damit im Endeffekt praktisch bereits dasselbe erreicht, was Sie mit Ihrer ausführlich dargelegten Tabelle erreichen wollen. Wir haben in diesem Gesetzentwurf ebenfalls eine Erhöhung der Beträge für die Hauptberechtigten um 40 % und für jeden weiteren Angehörigen um 30 % verlangt. Sie sehen also, meine Damen und Herren, daß die vorgelegten Gesetzentwürfe wirklich nichts Neues darstellen, sondern in der Grundtendenz bereits in unserem Gesetzentwurf enthalten waren und bei einer notwendigen Inangriffnahme der Neuordnung der Arbeitslosenversicherung hätten hier mit behandelt werden können.
Aber wir sind der Überzeugung, daß auch diese Gesetzentwürfe, so wie Sie sie einbringen — und Sie werden zugeben, daß es nur ein gewisses, nun, sagen wir, notwendiges Flickwerk ist —, in ihrer
B) praktischen Durchführung nur Sinn haben, wenn Sie die ganze Problematik der Arbeitslosenversicherungsgesetzgebung und der Arbeitsvermittlung auf eine andere Grundlage stellen und den modernen Zeitverhältnissen anpassen. Das hat trotz aller schönen Reden draußen über die fortschrittliche Sozialpolitik dieser Bundesregierung diese Bundesregierung bisher versäumt. Wir sind der Überzeugung, daß sie auch in diesem Punkt draußen bei den Wahlen die notwendige Antwort erhalten wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meinem Kollegen Arndgen hat die Tabelle, die unserem Antrag auf Drucksache Nr. 4301 beigefügt ist, einige Sorgen gemacht. Er hat anscheinend große Rechnungen angestellt und ist dabei zu Ergebnissen gekommen, die für mich unverständlich sind. Tatsache ist doch, Kollege Arndgen, daß bei einem Einkommen von 116 DM — und das ist das höchste versicherungspflichtige Einkommen, das bei den Arbeitslosen aber nicht generell maßgebend ist, sondern leider nur die Ausnahme darstellt — ganze 31,50 DM pro Woche an Unterstützung gezahlt werden. Es ist doch niemand hier im Hause, der behaupten würde, daß dies zum Leben ausreichen kann. Das sind ungefähr 26 %, und Sie wissen, daß die Miete in der Regel 20 % bis 25 %, ja, in den Neubauten einen noch höheren Prozentsatz des Gehalts ausmacht.
Sie sagen nun: Warum kommt ihr jetzt erst mit diesem Antrag? Wir haben schon 1951 eine höhere Zulage zur Unterstützung gefordert. Aber so prozentual, wie der Kollege Kohl von der KPD glaubte, daß es gemacht werden könne und wie es dem damaligen Antrag der KPD auch entsprochen hätte, geht es einfach nicht, weil in den unteren Klassen ja schon 90 % des Einkommens an Unterstützung gezahlt wird, und niemand, auch nicht die KPD einschließlich des Kollegen Kohl, wird der grundsätzlichen Auffassung sein, daß eine höhere Unterstützung als das Nettoeinkommen gezahlt werden soll.
Deshalb mußten wir eine neue Tabelle ausrechnen, und dabei mußten wir wohlweislich alle arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitischen Gesichtspunkte beachten. Die haben wir beachtet. Wir sind in unserer Tabelle nicht über 50 % des Bruttoeinkommens als Grundbetrag hinausgegangen, und niemand kann behaupten, daß ein Arbeitsloser herrlich und in Freuden leben kann, wenn er nur noch 50 % seines früheren Einkommens an Unterstützung bekommt. Hat er mehrere Angehörige, so werden diese Sätze durch die Familienzuschläge etwas erhöht. Sie wissen aber auch ganz genau, was die Angehörigen, was die Kinder im Haushalt des Arbeiters, ja, in jedem Haushalt, auch in Ihrem, kosten, und deshalb, Kollege Arndgen, sollte man sich nicht hier hinstellen — zumal man vielleicht persönliche Erfahrungen auf diesem Gebiet in nicht allzu großem Umfang hat — und feststellen, daß diese Sätze zu hoch seien. Ich habe diese Erfahrung in den Jahren um 1933 als Arbeitsloser machen müssen, und ich weiß, was es heißt, seine Existenz mit derartigen Unterstützungssätzen fristen zu müssen.
Aber bitte, wir belasten ja den Bundeshaushalt mit unserem Antrag nicht! Laut einer Berechnung des Bundesministeriums der Finanzen hat die Bundesanstalt für Arbeitslosenversicherung im Rechnungsjahr 1952 einen Überschuß von 325 Millionen DM. Nach Ansicht des Herrn Arndgen soll unser Antrag 260 Millionen DM Mehrausgaben verursachen. Nach unseren Berechnungen — und die sind nicht über den Daumen gepeilt, es sind allerdings nicht die von der Bundesregierung und auch nicht die von der Bundesanstalt sanktionierten — werden unter den gegebenen Verhältnissen im Höchstfall 200 Millionen DM erforderlich sein, und die Bundesanstalt ist in der Lage, diese Summe zu zahlen. Sie wird dann natürlich nicht in der Lage sein, die Zwangsanleihe von 185 Millionen DM, die Schäffer und die Bundesregierung Adenauer und die Mehrheit dieses Hauses ihr aufoktroyieren wollen, zu leisten. Das müssen Sie dann zurückstellen, und das sollen Sie zurückstellen; denn die Arbeitslosenbeiträge sind zweckgebunden und werden für den Fall der Arbeitslosigkeit an Unterstützungen gewährt und für die sonstigen Aufgaben der Bundesanstalt gezahlt. Dièse Leistungen gehen dem Etat der Bundesregierung Adenauer vor, und deshalb kommt erst dieses Gesetz und noch lange nicht das Gesetz über die Zwangsanleihe, das wir mit aller Entschiedenheit ablehnen und bekämpfen.
Nun zu der Drucksache Nr. 4302. Bitte, seien Sie mir nicht böse, ich muß diesen Antrag den Antrag eines „schlechten Gewissens" nennen. Warum stellen Sie denn diesen Antrag? Sie stellen ihn, weil Sie selbst innerlich nicht damit einverstanden sind, daß die Mittel der Bundesanstalt für allgemeine Haushaltsaufgaben verwandt werden. Sie glauben aber, Sie können von dieser unglückseligen Gesetzesvorlage der Bundesregierung nicht Ab-
stand nehmen, und Sie wollen dann die überschießenden Mittel, die die Bundesanstalt noch hat, zur verstärkten Förderung von Notstandsarbeiten verwenden, ohne irgendwie auf die Arbeitslosen Rücksicht zu nehmen. Die Bundesanstalt ist auf Grund des § 139 AVAVG verpflichtet, grundsätzlich ersparte Unterstützung als Mittel für die Grundförderung zur Verfügung zu stellen. Die zusätzlichen Mittel haben aber der Bund und das Land aufzubringen. Der Verwaltungsrat der Bundesanstalt hat am 1. April dieses Jahres einmütig beschlossen, den Bundesarbeitsminister zu ersuchen, Mittel für die verstärkte Förderung von Notstandsarbeiten zur Verfügung zu stellen. Dann ist auch die Bundesanstalt bereit, entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen des § 139 des Arbeitslosenversicherungsgesetzes für diese wichtigen Aufgaben, die auch Herr Kollege Kneipp anerkannt hat und die von uns nicht bestritten werden, ihren Anteil beizusteuern. Sie aber wollen die Bundesanstalt über die gesetzlichen Pflichten hinaus noch zusätzlich belasten. Sie tun das mit einem Antrag, der eine so allgemeine, unkonkrete, nichtssagende und für die Praxis nichtsbedeutende Formulierung enthält, daß ich wirklich nicht umhin kann, zu sagen, er ist nicht wert, Gesetz zu werden. In dem Antrag heißt es, „die Bundesanstalt kann zur Verstärkung der Grundförderung Darlehen und Zinszuschüsse aus ihren verfügbaren Haushaltsmitteln bewilligen". Sie scheinen zu wissen, daß sie nach der Zwangsanleihe von Herrn Schäffer, unserem Bundesfinanzminister, keine Mittel mehr hat. Deshalb wählen Sie diese nichtssagende, nur für die Wahlpropaganda bestimmte Formulierung.
Das Wort hat der Abgeordnete Arndgen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Herrn Kollegen Richter ist in der vergangenen Woche schon einmal bestätigt worden, daß er eine schöne Wahlrede gehalten hat.
Ich fürchte, daß wir von dieser Seite nur noch Wahlreden zu hören bekommen.
Ich möchte dann feststellen: Bisher hat hier niemand davon gesprochen, daß die jetzige degressive Staffelung in der Arbeitslosenunterstützung nicht korrekturbedürftig sei.
Ich bin mit Ihnen der Meinung, daß die Staffelung korrigiert werden muß. Beim Bundesarbeitsministerium ist eine große Novelle zum AVAVG in Vorbereitung.
Dort werden die Zahlen nicht so oberflächlich berechnet, wie das hier in Ihrer Tabelle geschehen ist.
Der Herr Kollege Richter sprach weiter davon, daß die SPD nur 50 % der Verdienste als Unterstützung wolle. Man kann aber nicht von dem
Bruttoverdienst ausgehen, weil zwischen dem Bruttoverdienst und dem tatsächlichen Einkommen, das dem einzelnen zur Verfügung steht, ein großer Unterschied besteht. Die Sätze, die Sie in Ihrer Tabelle angeführt haben, liegen nicht hei 50 %, sondern in der höchsten Einkommensstufe liegen sie bei 70 % und bei den niedrigen Einkommen sogar bei 90 %.
Aus diesen Gründen halten wir es für notwendig, den Antrag genau durchzuberaten und die Staffelung genau durchzurechnen, wenn sie in irgendeiner Form Gesetz werden soll. Das kann man alles vortragen und begründen, ohne politische Wahlreden zu halten.
Meine Damen und Herren, keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung. Es ist beantragt worden, beide Gesetzentwürfe dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen. Ich darf unterstellen, daß das Haus mit dieser Überweisung einverstanden ist.
— Der Antrag, alle drei Lesungen durchzuführen, war zurückgezogen, Herr Abgeordneter Schröder. Im übrigen haben mehr als fünf Abgeordnete widersprochen, so daß keine Möglichkeit zur weiteren Beratung bestand.
Ich rufe auf die
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung des Selbstverwaltungsgesetzes .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Begründung und Aussprache in der ersten und dritten Beratung zu verzichten. Damit ist die erste Beratung beendet.
Ich rufe auf zur zweiten Beratung: § 1, — § 2, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und 'Herren, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Die aufgerufenen Bestimmungen sind einstimmig angenommen.
Ich rufe zur
dritten Beratung
auf. Eine allgemeine Aussprache entfällt, ebenso eine Einzelberatung. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Gesetz zur Ergänzung des Selbstverwaltungsgesetzes in der Schlußabstimmung zuzustimmen wünschen, sich von ihren Sitzen zu erheben. — Das Gesetz ist bei
— Stimmenthaltung der kommunistischen Gruppe angenommen.
Da es jetzt kurz vor drei Uhr ist, schlage ich Ihnen vor, daß wir zunächst den Mündlichen Bericht des Vermittlungsausschusses — ich suche nach dem Herrn Berichterstatter Abgeordneten Dr. Schneider; ja, er ist da — über den
Entwurf eines Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften
entgegennehmen.
Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Dr. Schneider.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich war heute etwas überrascht, als mir bei Betreten dieses Saales gesagt wurde, daß dieser Punkt schon auf der heutigen Tagesordnung steht. Ich werde mich aber doch der Pflicht der Berichterstattung unterziehen.
Der Gesetzentwurf, den wir hier haben, ist ein alter Bekannter. Wir haben uns in diesem Haus schon sehr oft damit befaßt. Wir sind gezwungen gewesen, uns im Vermittlungsausschuß zum zweiten Male damit zu befassen. Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, hatten den letzten Vermittlungsvorschlag, den der Vermittlungsausschuß erarbeitet hatte, angenommen. Das Gesetz war aber deshalb nicht zustande gekommen, weil im Bundesrat die erforderliche Mehrheit von 20 Stimmen nicht hatte aufgebracht werden können. Es handelt sich nämlich um ein Zustimmungsgesetz. Das Land Nordrhein-Westfalen hatte wegen der Regelung des Rechtsmittelzugs Bedenken und sich deshalb der Stimme enthalten. Die Regierung hat dann von der Möglichkeit, die Art. 77 Abs. 2 Satz 4 des Grundgesetzes in einem solchen Falle gibt, den Vermittlungsausschuß anzurufen, Gebrauch gemacht und hat, um die Bedenken von Nordrhein-Westfalen auszuräumen, von sich aus vorgeschlagen, den § 20, der damals der Stein des Anstoßes gewesen war, so zu fassen, wie er heute auf der Drucksache Nr. 4329 vorliegt. Gegen diese Fassung hatte der Vermittlungsausschuß keine Bedenken, er schloß sich ihr im Gegenteil einstimmig an.
Der materielle Inhalt ist der, daß gegen Entscheidungen der Bundesprüfstelle nicht nur eine richterliche Instanz, nämlich das Bundesverwaltungsgericht, zuständig ist, sondern daß der ganz normale Instanzenzug im Verwaltungsverfahren gegeben wird. Die Notwendigkeit des zweiten Satzes ergibt sich aus seinem Inhalt.
Ich bitte das Hohe Haus, dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses, den Sie auf Drucksache Nr. 4329 vor sich haben, zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort zur Erklärung wird nicht gewünscht. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Vermittlungsausschusses auf Drucksache Nr. 4329. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Vermittlungsausschusses zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Der Antrag des Vermittlungsausschusses ist angenommen.
Ich rufe auf:
Zweite Beratung des Entwurfs eines Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes ; Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 4250 der Drucksachen).
Berichterstatter ist wiederum Herr Abgeordneter Dr. Schneider. Ich bitte ihn, das Wort zu nehmen.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe die Ehre, namens des Rechtsausschusses den Mündlichen Bericht zu der Ihnen vorliegenden Drucksache Nr. 4250 betreffend den Entwurf eines Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes zu erstatten.
Der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs 1950 ist in seinen wesentlichen und vordringlichsten Teilen durch das Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. August 1951 — Bundesgesetzblatt Teil I Seite 739 — erledigt worden. Ein weiterer, besonders wichtig gewordener Einzelpunkt hat mit dem Zweiten Strafrechtsänderungsgesetz vom 6. März 1952 — Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 42 —, das dem Strafgesetzbuch einen neuen § 141 gegen die Anwerbung zum fremden Wehrdienst einfügte, seine Erledigung gefunden. Bevor der Rechtsausschuß in der Lage war, den Rest der Drucksache Nr. 1307 zu beraten, legte die Bundesregierung den Entwurf eines Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes vor, das schon nach seinem Arbeitstitel „Strafrechtsbereinigungsgesetz" im wesentlichen andere Ziele verfolgte als der Entwurf von 1950. Dieser sollte vor allem die durch Eingriffe des Kontrollrats entstandenen Lücken des politischen Strafrechts ausfüllen und darüber hinaus auf diesem Gebiet neues, der modernen politischen Entwicklung angepaßtes Recht schaffen. Gerade bei dieser Neuschöpfung ergaben sich schwierige Probleme, die zum Teil nicht in einem ersten Anlauf bewältigt werden konnten.
Der neue Entwurf hingegen stellt sich das bescheidenere, aber gerade für die gerichtliche Praxis wichtige Ziel einer Bereinigung des Strafgesetzbuches. Dabei ist zunächst eine rein technische Bereinigung gemeint, die z. B. Unrichtigkeiten, überholte oder überalterte Begriffe beseitigen und falsche Verweisungen richtigstellen möchte. Darüber hinaus ist aber eine sachliche Bereinigung des Strafgesetzbuches von Resten nationalsozialistischen Gedankenguts, eine Angleichung an das Grundgesetz, die Wiederherstellung der in einigen Punkten verlorengegangenen Rechtseinheit und eine Konzentration einiger in Nebengesetzen verstreuter Vorschriften beabsichtigt.
Von besonderer Bedeutung ist die Einführung der bedingten Strafaussetzung und der bedingten Entlassung durch den Richter; beides eine Lösung zur Entscheidung drängender Fragen, die auch insoweit eine Bereinigung darstellt, als sie der Entfremdung der Materie an ein sich immer mehr zersplitterndes Gnadenrecht in den Ländern ein Ende macht.
Mit der Behandlung dieser Fragen war zugleich ihre prozessuale Lösung erforderlich. Auf dem Gebiete des Strafprozeßrechts bringt der Entwurf außerdem eine Reihe von Neuerungen, die vor allem Stärkung der Rechtsstaatlichkeit und Vereinfachung des Verfahrens zum Ziele haben. Von besonderer Bedeutung ist die Neuregelung des Zeugnisverweigerungsrechts und der damit im Zusammenhang stehenden Beschlagnahmebeschränkungen.
Der Rechtsausschuß war der Meinung, daß der Entwurf des Strafrechtsbereinigungsgesetzes vordringlich zu beraten war. Die Bundesregierung hat mit Recht darauf hingewiesen, daß erst die Verabschiedung dieses Entwurfs den Weg für die von ihr geplante große Strafrechtsreform frei mache. Die Reform kann frühestens mit dem Ende der kom-
Deutscher Bundestag — 2(15. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 12. Mai 1953 12993
menden Legislaturperiode abgeschlossen werden. Ein dann verkündetes neues Strafgesetzbuch könne erst nach einem Jahr oder nach mehreren Jahren in Kraft treten. Bis dahin ist es aber unbedingt erforderlich, dem Richter ein brauchbares und in seiner Gültigkeit nicht mehr anzuzweifelndes Instrument für seine Arbeit in die Hand zu geben.
Der Rechtsausschuß ist daher den Weg gegangen, den Entwurf des Strafrechtsbereinigungsgesetzes durchzuberaten, ihm aber gleichzeitig Vorschriften aus dem Entwurf von 1950 anzuschließen, die besonders wichtig erscheinen und die sich zu einem guten Teil der Sache nach ebenfalls als Bereinigung im Sinne des neuen Entwurfs darstellen. Es handelt sich dabei um die beiden Komplexe der Wahldelikte und der Handlungen gegen andere Staaten sowie um die Anzeige drohender Verbrechen — § 139 nach der Vorlage, §§ 138 und 139 StGB —, um die Belohnung oder Billigung verübter Verbrechen — § 140 — und schließlich um den strafrechtlichen Schutz einer Bannmeile um das Bundesverfassungsgericht.
Der Ausschuß hat es darüber hinaus noch für erforderlich gehalten, zur Abrundung der Vorlage sowohl im materiellen wie im prozessualen Teil einige Vorschriften einzufügen, die in den Entwürfen nicht enthalten sind, aber wichtig und vordringlich erscheinen.
Damit ergibt sich eine neue Gesamtvorlage, welche die Bezeichnung „Drittes Strafrechtsänderungsgesetz" erhalten soll. Dabei sind die Vorschriften, die aus dem Entwurf von 1950 übernommen worden sind, in den Art. 2 der Drucksache Nr. 3713 eingearbeitet worden, soweit es sich urn materielles Recht handelt.
Wenn in der neuen Gesamtvorlage Teile des Restentwurfs von 1950 unberücksichtigt geblieben sind, so soll das nicht immer heißen, daß der Rechtsausschuß diese Vorschriften für überflüssig oder unwichtig hält. Er ist nur der Auffassung, daß sie nicht als so wichtig und vordringlich erscheinen, um schon jetzt mit der übrigen Vorlage verabschiedet werden zu müssen. Ihre Beratung hätte auch schon wegen der erheblichen Problematik einiger Vorschriften so viel Zeit in Anspruch genommen, daß ihre Einbeziehung die gesamte Vorlage gefährdet hätte.
Im einzelnen ist zu den Punkten, die der Rechtsausschuß neu aufgegriffen hat oder in denen er von der Regierungsvorlage abgewichen ist, folgendes zu sagen.
Artikel 1
Nr. 3. — Der Ausschuß hat nur eine sprachliche Verbesserung vorgenommen.
Nr. 13. — Entfällt, da der Ausschuß eine sachliche Änderung des § 42 f für notwendig hält, die in Art. 2 Nr. 5 a behandelt ist.
Nr. 19. — Die Bundesregierung steht auf dem Standpunkt, daß § 145 eine vom Kaiser über den Reichspräsidenten auf die Bundesregierung übergegangene Ermächtigung zum Erlaß seerechtlicher Verordnungen enthalte. Um das klarzustellen, sah der Regierungsentwurf die Einfügung der Worte vor „vom Reichspräsidenten oder von der Bundesregierung". Der Bundesrat vertritt demgegenüber die Auffassung, daß die Ermächtigung, die dem Reichspräsidenten noch zugestanden habe, nach Art. 129 Abs. 3 des Grundgesetzes erloschen sei und daß § 145 außerdem den Anforderungen des
Art. 80 des Grundgesetzes nicht genüge. Der Bundesrat will seine Auffassung dadurch klargestellt wissen, daß in § 145 lediglich die Worte „und vom Reichspräsidenten" eingefügt werden sollen. Die Bundesregierung wies demgegenüber darauf hin, daß die Möglichkeit, seerechtliche Verordnungen zu erlassen, nicht abgestritten werden dürfe, und schlug daher für den Fall, daß sich der Rechtsausschuß nicht die grundsätzliche Auffassung der Bundesregierung zu eigen machen könne, vor, § 145 unangetastet und damit die Streitfrage offen zu lassen. Der Ausschuß hat sich nach eingehender Beratung in diesem Sinne entschlossen und schlägt daher die Streichung der Nr. 19 vor.
Nr. 20. — Diese Nummer ist zu streichen, nachdem § 145 a durch das Kapitalverkehrsgesetz vom 15. Dezember 1952 aufgehoben worden ist.
Nr. 26 b. — Der Ausschuß ist der Auffassung, daß im Gegensatz zu dem überalterten Ausdruck „Frauensperson" der Ausdruck „männliche Person" im Strafgesetzbuch beibehalten werden kann. Nr. 26 b sollte daher gestrichen werden.
Nr. 28. — In § 248 c Abs. 1 ist, worauf schon der Bundesrat aufmerksam gemacht hat, das auf einen Druckfehler zurückgehende Wort ,,anzuzeigen" durch das Wort „zuzueignen" zu ersetzen.
Nr. 30. — In Buchstabe d hat der Ausschuß lediglich eine sprachliche Verbesserung nach dem Vorschlag des Bundesrats angebracht.
Nr. 37. — § 367 Abs. 1 Nr. 8 sollte nicht nur im Sinne der Regierungsvorlage sprachlich verbessert, sondern auch nach dem Vorschlag des Bundesrats sachlich dahin klargestellt werden, daß die rechtmäßige Jagdausübung nicht unter den Tatbestand fällt. Diese Klarstellung war früher in der nicht mehr geltenden Ausführungsverordnung zum Reichsjagdgesetz enthalten.
Artikel 2
Nr. 1. — Der Ausschuß ist der Auffassung, daß die Fassung des Abs. 2 Satz 2 in der Form der Regierungsvorlage, die sich mit der bis 1935 geltenden Fassung deckt, sprachlich klarer ist als die vom Bundesrat vorgeschlagene Fassung, die sich an den Entwurf von 1927 anlehnt.
Vor Nr. 2. — Der Bundesrat hat vorgeschlagen, den § 9 in der Fassung des Art. 16 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes „Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden." wiederherzustellen. Der Ausschuß glaubt, diesem Vorschlag nicht folgen zu sollen, und zwar vor allem deshalb, weil die Vorschrift systematisch nicht in das Strafgesetzbuch, sondern in das Auslieferungsgesetz gehört, dort aber mit Rücksicht auf Art. 16 des Grundgesetzes vorausgesetzt werden kann.
Nr. 3. — Unter Buchstabe a ist „§ 130 Abs. 1", was richtig „§ 130 a Abs. 1" heißen müßte, zu streichen, weil der Ausschuß die Aufhebung des § 130 a vorschlägt; vgl. Nr. 11 a.
Nr. 4. — Der Ausschuß hat die von der Bundesregierung vorgeschlagene Einführung der Strafaussetzung zur Bewährung und der bedingten Entlassung — §§ 23 bis 26 des Strafgesetzbuches — sachlich im vollen Umfange gebilligt. Er ist jedoch der Auffassung, daß die im wesentlichen redaktionellen Änderungsvorschläge des Bundesrats sowohl sprachlich als auch in der systematischen Gliede-
rung des Stoffes Verbesserungen enthalten. Er hat deshalb die §§ 23 bis 26 in der Fassung angenommen, die sich aus den Empfehlungen des Bundesrats ergibt. Darüber hinaus hat er nur in § 26 Abs. 3 eine geringfügige redaktionelle Änderung für notwendig gehalten, der keine sachliche Bedeutung zukommt.
Nr. 5 a. — Der Ausschuß ist der Auffassung, daß mit der Wiedereinführung des Arbeitshauses in den Ländern der US-Zone — Art. 5 — und mit der Ersetzung der höheren Vollzugsbehörden durch das Gericht in den §§ 42 f und 42 h eine sachliche Änderung mit dem Ziel verstärkter Rechtsstaatlichkeit verbunden werden sollte. Auch die wiederholte Unterbringung im Arbeitshaus oder in einem Asyl soll in Zukunft nicht mehr unbefristet, sondern an eine Höchstgrenze von vier Jahren gebunden sein. Außerdem soll die Überprüfung der Entlassungsreife, und zwar auch im Falle der ersten Unterbringung, obligatorisch in Abständen von sechs Monaten erfolgen. Diese Ziele erreicht die neue Fassung des § 42 f. Eine Übergangsregelung erscheint insoweit nicht erforderlich.
Nr. 6. — Der Ausschuß ist der Meinung, daß § 49 a bei der kommenden Reform vor allem hinsichtlich des Verhältnisses der Rücktrittsbestimmungen zu § 46 einer eingehenden Überprüfung bedarf, daß die Umformung der Vorschriften im Entwurf jedoch das erreicht, was im Rahmen einer Bereinigung möglich erscheint. Der Ausschuß gibt allerdings der Fassung des Bundesrats den Vorzug, die eine straffere Gliederung und eine wesentliche sprachliche Verbesserung der Vorschrift bringt. Auch die Einfügung in Abs. 4, die klarstellt, daß auch in diesem Fall nur freiwilliges Bemühen von Strafe befreit, erscheint erforderlich.
Nach Nr. 8. — Der Bundesrat hat vorgeschlagen, im Anschluß an die Aufhebung des § 66 Abs. 2 die Frist der Strafverfolgungsverjährung bei den Kapitalverbrechen von 20 auf 30 Jahre heraufzusetzen. Der Ausschuß ist der Meinung, daß das zu weit gehe. Außerdem handelt es sich bei der Überprüfung der Verjährungsfristen um eine Frage der Reform.
Nr. 8 a. — Der Ausschuß hält es im Rahmen der Gesamtvorlage für erforderlich, den durch das Strafrechtsänderungsgesetz vom 30. August 1951 geschaffenen § 93 zu erweitern. Die Vorschrift hat sich in der Praxis als viel zu eng erwiesen, da sie nur das in die Bundesrepublik eingeführte staatsgefährdende Propagandamaterial erfaßt, nicht aber das Material, das in der Bundesrepublik selbst hergestellt und verbreitet wird. Der Ausschuß hält eine entsprechende Erweiterung der Vorschrift für geboten. Bedenken, daß hierdurch die Gefahr einer zu sehr ausgedehnten Anwendung der Vorschrift entstehen könne, teilt der Ausschuß in seiner überwiegenden Mehrheit nicht.
Er glaubt auch auf den in diesem Zusammenhang gemachten Vorschlag der Bundesregierung auf Einfügung des Wortes „staatsfeindliche" vor dem Wort „Bestrebungen" nicht eingehen zu sollen, da das Wort „staatsfeindlich" keine sichere Abgrenzung ermöglicht und durch die mißbräuchliche Verwendung in der nationalsozialistischen Zeit einen falschen Klang erhalten hat.
Nr. 8 b. — Der Ausschuß hält es für erforderlich,
die durch Aufhebung der §§ 102 und 103 entstandene Lücke im Strafgesetzbuch wieder auszufüllen und die geltenden §§ 103 a und 104 zu bereinigen. Das war auch das Ziel der §§ 91 bis 93 und 102 bis 104 des Entwurfs des Strafrechtsänderungsgesetzes von 1950. Der Ausschuß ist jedoch der Meinung, daß diese Vorschriften zusammengehören und wieder den Vierten Abschnitt des Zweiten Teils bilden sollen, und zwar mit der Überschrift „Handlungen gegen ausländische Staaten". Der bisherige Ausdruck „befreundete Staaten" hatte infolge der ihm zuteil gewordenen Auslegung kaum noch einen abgrenzenden Sinn. Der darin liegende Gedanke wird jetzt durch die Ausgestaltung des § 104 a verwirklicht. Bei der Vorschrift des § 102 — Anschlag gegen ausländische Staatsmänner — schlägt der Ausschuß im wesentlichen die Übernahme des § 91 der Regierungsvorlage vor. Nur meint er, daß die Regelstrafe Gefängnis sein solle und nur in besonders schweren Fällen Zuchthaus am Platze sei.
§ 92 der Regierungsvorlage — Hochverrat gegen das Ausland — sollte nach Auffassung des Ausschusses gestrichen werden. Das frühere deutsche Recht hat zwar eine derartige Vorschrift gekannt, die auch in den Entwürfen vorgesehen war; es bestehen jetzt aber völlig andere politische und staatsrechtliche Verhältnisse, so daß eine solche Vorschrift trotz des vorgesehenen § 104 a zum Schutze von nicht schützenswerten Systemen führen könnte. Die Regelung dieser Frage in den ausländischen Rechten ist auch so uneinheitlich, daß eine Streichung des § 92 keinesfalls als Verlassen einer international üblichen Linie angesehen werden könnte.
Die Vorschrift betreffend die Beleidigung ausländischer Staatsorgane hat der Ausschuß gegenüber der Regierungsvorlage vereinfacht. Zur Tatbestandshandlung wurde wieder wie im geltenden Recht die Beleidigung in den Formen der §§ 185 ff. gemacht, so daß damit auch die Vorschriften über den Wahrheitsbeweis und über die Wahrnehmung berechtigter Interessen anwendbar werden. Auch genügt — wie im geltenden Recht — die nicht öffentliche Beleidigung. Die Frage, ob das ausländische Staatsoberhaupt auch dann gegen Beleidigung geschützt werden solle, wenn es sich nicht im Ausland aufhält, ist im Ausschuß nach eingehender Beratung im Anschluß an die Rechtslage in einer Reihe wichtiger Staaten des Auslandes bejaht worden.
Die Vorschriften über die Verunglimpfung ausländischer Staatssymbole — § 104 — hat der Ausschuß gegenüber der Regierungsvorlage — § 103 — konzentriert. Die Bestimmung sieht jetzt unter gewissen Voraussetzungen auch den Schutz ausländischer Flaggen vor, die von privater Seite öffentlich gezeigt werden. Der dem geltenden Recht entsprechende Tatbestand der Verübung beschimpfenden Unfugs an Flaggen oder Hoheitszeichen ist wieder aufgenommen worden.
Der Ausschuß hält es für richtig, die Strafverfolgungsvoraussetzungen bei sämtlichen Straftaten dieses Abschnitts einheitlich zu regeln und zweckmäßig in einer Vorschrift zusammenzufassen. Das geschieht in § 104 a. Dort werden — teilweise in Anlehnung an ausländische Regelungen — vier Voraussetzungen gefordert, die sämtlich vom Gericht nachzuprüfen sind: erstens das Bestehen diplomatischer Beziehungen zu dem andern Staat, zweitens die Verbürgung der Gegenseitigkeit, und
zwar sowohl zur Zeit der Tat als auch zur Zeit der Aburteilung, drittens ein Strafverlangen der ausländischen Regierung und schließlich viertens eine Ermächtigung der Bundesregierung, die zurückgenommen werden kann. Auf diese Weise ist nach Meinung des Ausschusses eine Regelung gefunden, die elastisch genug ist, um auch gegen-
über den komplizierten politischen Verhältnissen der Gegenwart zu befriedigenden Lösungen zu gelangen.
Die Vorschrift über Nebenstrafen und Nebenfolgen lehnt sich mit dem Regierungsentwurf weitgehend an die Regelung der §§ 85 und 86 in der Fassung des Strafrechtsänderungsgesetzes vom 30. August 1951 an.
Nr. 8 c. — Der Ausschuß zum Schutz der Verfassung sieht in § 16 des Entwurfs eines Versammlungsordnungsgesetzes, das von Ihnen inzwischen angenommen worden ist, auch einen Bannkreis um das Gebäude des Bundesverfassungsgerichts vor. Der Rechtsausschuß hält diese Erweiterung mit Rücksicht auf die besondere Stellung des Bundesverfassungsgerichts als eines Verfassungsorgans für angebracht. Folgerichtig muß auch das Bundesverfassungsgericht in der Strafvorschrift des § 106 a gegen Bannkreisverletzungen erwähnt werden.
Nr. 8 d. — Bei den Wahlvergehen hat der Ausschuß neben einer dem Ablauf des Wahlaktes folgenden systematischen Neugliederung auch eine Anzahl von sachlichen Änderungen für geboten erachtet. Das Delikt der generellen Behinderung einer Wahl — § 107 — sieht der Ausschuß als einen Angriff auf die Grundlagen der Demokratie an. Er hat deshalb vorgesehen, daß schwere Fälle mit Zuchthaus geahndet werden können.
In dem neuen § 107 a, der die Wahlfälschung betrifft, schlägt der Ausschuß entgegen der Regierungsvorlage vor, daß auch im Falle der unmittelbaren oder mittelbaren falschen Verkündung von Wahlergebnissen schon die versuchte Tat strafbar sein soll. Im übrigen war sich der Ausschuß darüber einig, daß hierbei unter einer „Verkündung" nur die amtlichen Verlautbarungen über die Wahlergebnisse zu verstehen sind.
Eine Reihe von Handlungen, die sich gegen die Ordnungsmäßigkeit der Wählerlisten und der Wahlvorschläge richten, war bisher nur in § 21 des Wahlgesetzes zum ersten Bundestag bundesgesetzlich geregelt. Diese Vorbereitungshandlungen zu einer Wahlfälschung sind recht gefährlich und erscheinen, wenn sie vorsätzlich begangen werden, durchaus als strafwürdige Vergehen. In dem neuen § 107 b haben sie nunmehr ihren systematisch richtigen Platz erhalten. Zugleich findet damit eine sachliche Ausdehnung auf alle Wahlen statt, für die die Wahlvorschriften des Strafgesetzbuchs gemäß dem noch zu erörternden § 109 a Geltung haben sollen.
Die dem Schutz der geheimen Wahl dienende Vorschrift des § 107 c hat noch eine sprachliche Verbesserung erfahren.
Die Strafvorschrift gegen die Wahlnötigung hatte nach der Regierungsvorlage nur einen subsidiären Charakter. Sie kam nur dann zum Zuge, wenn der allgemeine Nötigungstatbestand des § 240 StGB nicht vorlag. Der Ausschuß ist einen anderen Weg gegangen. Er hat den neuen § 108 als ein Spezialdelikt ausgestaltet, das sämtliche Nötigungsmittel abschließend aufführt. Hierbei wurde besonderer
Wert auf den Schutz der Wahlfreiheit gegen die Ausnutzung wirtschaftlicher Abhängigkeit gelegt. In der Strafdrohung ist die Vorschrift für die schweren Fälle dem Strafrahmen des § 240 StGB angepaßt worden.
Die Einwirkung auf die Willensentschließung eines Wahlberechtigten durch eine Täuschung erschien dem Ausschuß weniger strafwürdig als die Wahlnötigung. Deshalb ist im § 108 a die obere Grenze des Strafrahmens auf zwei Jahre Gefängnis herabgesetzt worden. Sodann ist die Vorschrift entsprechend einem Vorschlag des Bundesrats redaktionell geändert worden.
Der heue § 108 b ist das Ergebnis einer wesentlichen Umgestaltung des überladenen Tatbestandes des § 107 b der Regierungsvorlage. Er ist in zwei Absätze aufgegliedert worden. Abs. 1 regelt die aktive, Abs. 2 die passive Wahlbestechung. Die Formulierung lehnt sich weitgehend an die Bestimmungen über die Beamtenbestechung an. Sachlich ist hervorzuheben, daß der Ausschuß aus dem Stimmenkauf ausdrücklich den Fall ausgeklammert hat, in dem ein Entgelt nur dafür gewährt wird, daß der Wahlberechtigte seiner Wahlpflicht überhaupt genügt.
Der Ausschuß ist gegenüber der Regierungsvorlage der Auffassung, daß einschneidende Nebenstrafen nur in den Fällen der schweren Wahldelikte der §§ 107, 107 a, 108 und 108 b möglich sein sollten. Dann aber soll sich die Nebenstrafe nicht auf den Verlust des aktiven und passiven Wahlrechts und auf den Verlust von Mandaten beschränken, sondern sie soll im Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte schlechthin bestehen. Damit kommt zugleich zum Ausdruck, daß der Richter diese Nebenstrafe nur in den schwerwiegenden Fällen verhängen soll, in denen Ehrverlust schlechthin am Platze erscheint.
Die praktisch bedeutungsvollste Frage des Geltungsbereichs der Vorschriften über die Wahldelikte ist vom Ausschuß eingehend beraten worden. Der Ausschuß ist im Gegensatz zur Regierungsvorlage zu der Auffassung gekommen, daß der Geltungsbereich eng abzugrenzen ist und daß die Strafvorschriften nur bei den im Vordergrund des öffentlichen Interesses stehenden allgemeinen Wahlen und Abstimmungen angewendet werden sollen und daß solch schwierige Fragen wie die der Abgeordnetenbestechung nicht im Rahmen dieser Vorschriften gelöst werden können. Gerade diese letzte Frage bedarf einer besonderen ausdrücklichen Regelung.
Nr. 9. — Der Ausschuß ist mit der Regierungsvorlage der Auffassung, daß § 111 Abs. 2 der Ausgestaltung des § 49 a angepaßt werden muß, zieht aber die der Klarstellung dienende Fassung des Bundesrats vor.
Nr. 11 a. — Auf eine Anregung sowohl der katholischen wie der evangelischen Kirche hin ist der Ausschuß zu der Auffassung gekommen, daß der während des Kulturkampfes in das Strafgesetzbuch eingefügte § 130 a, der sogenannte Kanzelparagraph, der in der nationalsozialistischen Zeit im Kampf gegen die Kirchen mißbraucht wurde, als Fremdkörper innerhalb des Strafgesetzbuches aufgehoben werden sollte, und zwar bereits im Rahmen des Bereinigungsgesetzes.
Nr. 12 a. — § 132 a Abs. 1 Nr. 1 ist aus dem Gesetz über Titel, Orden und Ehrenzeichen in das Strafgesetzbuch übernommen worden. Dies war
schon deshalb notwendig, weil das erwähnte Gesetz zur Zeit in Bayern nicht gilt und die Rechtseinheit wiederhergestellt werden soll. Im übrigen ist der geltende § 132 a nur in seinem letzten Absatz auf den Wunsch der Kirchen etwas erweitert worden, weil die geltende Fassung nicht alle kirchlichen Vereinigungen umfaßt, deren Amtskleidung, Bezeichnung usw. eines strafrechtlichen Schutzes bedürfen.
Nrn. 12 b und 12 c. — Der Ausschuß hielt es für erforderlich, die schon im Entwurf des Strafrechtsänderungsgesetzes 1950 vorgesehene Bereinigung des § 139 im Rahmen der Gesamtvorlage durchzuführen. Gegenüber der letzten Fassung der Regierungsvorlage erscheinen jedoch folgende Änderungen am Platze. Die zu lang gewordene Vorschrift sollte auf zwei Paragraphen verteilt werden, was durch das Freiwerden des § 138 auf Grund von Art. 1 Nr. 18 leicht geschehen kann. In dem Katalog der anzeigepflichtigen Verbrechen wird eine Bezugnahme auf die entsprechenden Vorschriften des Strafrechtsänderungsgesetzes vom 30. August 1951 über Hochverrat, Landes- und Verfassungsverrat notwendig. Der Ausschuß hält auch die Einbeziehung der Vorbereitung des Hochverrats in die Begehungsform des § 81 Abs. 1 für erforderlich. Hingegen sollten die anzeigepflichtigen Tötungsverbrechen auf Mord und Totschlag beschränkt werden, so daß die Kindestötung des § 217 nicht mehr darunter fiele. Einzufügen sind jedoch nach Auffassung des Ausschusses die Verbrechen der räuberischen Erpressung, der erpresserischen Kindesentfühung und des Mädchenhandels. Der Fall der Unterlassung der Amtspflicht, den die Regierungsvorlage vorsah, gehört nach Auffassung des Ausschusses nicht in die Vorschrift, da sich der
3) zum Tätigwerden Verpflichtete bereits einer Teilnahme an dem geplanten Verbrechen mindestens dann schuldig macht, wenn es zum Versuch kommt. Bei den besonders schweren Fällen hält es der Ausschuß aus grundsätzlichen Erwägungen für erforderlich, die Zuchthausstrafe zwingend vorzuschreiben; denn andernfalls stände dem Richter nach seinem Ermessen ein Strafrahmen von einem Tag Gefängnis bis zu fünf Jahren Zuchthaus zur Verfügung, und eine echte Strafrahmenstufung wäre nicht erreicht. Im übrigen hat der Ausschuß nur einige sprachliche Verbesserungen sowie eine Anpassung an die Ausdrucksweise der §§ 300 und 53 des Strafgesetzbuches vorgenommen.
Nr. 12 d. — Die zum Entwurf des Strafrechtsänderungsgesetzes 1950 erfolgte Anregung des Bundesrats, einen § 140 gegen die Belohnung oder öffentliche Billigung der in § 139 bezeichneten Verbrechen nach ihrer Begehung zu schaffen, hält der Ausschuß für wichtig und vordringlich; es erscheinen aber folgende Änderungen und Ergänzungen am Platze.
In die Vorschriften sollten nicht nur die in § 138 Abs. 1 genannten Verbrechen, sondern auch die hier besonders wichtig erscheinenden schweren Verbrechen des Sprengstoffgesetzes einbezogen werden. Mit Rücksicht auf § 10 Abs. 2 des Sprengstoffgesetzes empfiehlt sich dann allerdings die Einführung der Subsidiaritätsklausel. Für die Erfüllung des Tatbestandes sollte schon genügen, wenn das Verbrechen versucht oder von einem Schuldfähigen begangen oder versucht worden ist. In besonders schweren Fällen hält der Ausschuß Zuchthausstrafe mit einer Begrenzung von fünf Jahren, wie in § 138, für erforderlich.
Nrn. 12 e und 13 a. — Wegen der Zusammengehörigkeit der §§ 138 bis 140 ist es notwendig, die §§ 139 a und 139 b zu §§ 142 und 143 werden zu lassen, nachdem § 141 durch das zweite Strafrechtsänderungsgesetz wieder ausgefüllt ist.
Nr. 14 a. — Wenn die Strafbarkeit des Versuchs der falschen uneidlichen Aussage und der falschen Versicherung an Eides Statt entfallen sollen, dürfen bloße Vorbereitungshandlungen zu diesen Vergehen nicht mehr unter Strafe gestellt werden, wie das jetzt in § 159 geschieht. Nur die Strafbarkeit einer erfolglosen Anstiftung, die von selbständiger Bedeutung erscheint, sollte aus kriminalpolitischen Gründen beibehalten werden. Schon vor der Neuregelung der §§ 153 ff. durch die Verordnungen vom 29. Mai 1943 und 20. Januar 1944 (RGBl. I S. 41) war deshalb in § 159 auch das Unternehmen der Verleitung zu falschen eidesstattlichen Versicherungen unter Strafe gestellt, obwohl der Versuch der falschen eidesstattlichen Versicherung damals ebenfalls straflos war. Der Meineid braucht in § 159 nicht erwähnt zu werden, da es sich um ein Verbrechen handelt, auf das § 49 a schon unmittelbar anzuwenden ist.
Nr. 16. — Der Ausschuß hat hier lediglich einen sprachlichen Verbesserungsvorschlag des Bundesrats übernommen und unter b) einen Druckfehler beseitigt.
Nr. 24. — Der Ausschuß schließt sich dem Vorschlag des Bundesrats an, die Vorschrift auf die Fälle zu beschränken, in denen der Täter — es handelt sich um das Delikt der Kindesentführung — auf ein Lösegeld ausgeht. Dann erscheint aber die schwerfällig wirkende Bezugnahme auf die Besorgnis der Aufsichtspflichtigen oder Angehörigen in der Regierungsvorlage entbehrlich, und die Vorschrift kann im Sinne des Ausschußbeschlusses vereinfacht werden. Die Erfassung von Fällen bloßen Streites um den Besitz des Kindes wird auch durch diese Fassung vermieden.
Nr. 25 b. — Der Ausschuß hat sich dem Vorschlag der Bundesregierung zur Neufassung des § 240 Abs. 2 nicht anschließen können. Durch die Vorschrift wird bestimmt, in welchen Fällen eine Nötigung als rechtswidrig anzusehen ist. Der in der Regierungsvorlage verwendete Begriff der guten Sitten ist nicht geeignet, eine für die Bedürfnisse des Strafrechts ausreichende Abgrenzung sicherzustellen. Es besteht die Gefahr, daß auch Verhaltensweisen erfaßt werden, die nicht strafwürdig erscheinen. Um diesen Bedenken zu begegnen, schlägt der Ausschuß vor, eine Nötigungshandlung nur dann als rechtswidrig zu bezeichnen, „wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist". Der Ausschuß ist der Meinung, daß dadurch eine Einengung der Tragweite des Tatbestandes erzielt wird.
Nr. 26. — Bei der Erpressung hat der Ausschuß die Vorschrift über die Rechtswidrigkeit — § 253 Abs. 2 StGB — dem Tatbestand der Nötigung angepaßt, da hier die Rechtslage nicht anders zu beurteilen ist. Durch Einfügung eines Abs. 3, der auch den Versuch der Erpressung mit Strafe bedroht, soll nur ein offensichtliches Versehen in der Regierungsvorlage richtiggestellt werden.
Nr. 29. — Die in der Regierungsvorlage vorgesehene Herabsetzung der Mindeststrafe von drei Monaten bei schwerer Wilderei auf einen Monat
erscheint nicht gerechtfertigt. Der Schutz des Wildes vor einem Jagdfrevel, der in den Formen übelster Tierquälerei begangen wird, verlangt weiterhin die in der geltenden Fassung angedrohten Strafen.
Nr. 31. — Der Ausschuß schließt sich hier zunächst den Änderungsvorschlägen des Bundesrats an, wonach die nur gelegentlich der Berufsausübung erlangte Kenntnis nicht unter die Schweigepflicht fällt, der zu enge Begriff des Heilpflegerberufs erweitert und eine sprachlich straffere Fassung erreicht wird.
Nun komme ich zu einem Problem, das ich über meinen schriftlich fixierten Bericht hinaus noch etwas eingehender behandeln muß, weil sich der Rechtsausschuß, obwohl er diese Frage schon einmal abschließend behandelt hatte, am letzten Freitag noch einmal damit befassen mußte. Es handelt sich um die Frage, ob man die Berufsgruppen der Wirtschaftsprüfer, Steuerberater usw. unter die Strafandrohung des § 300 StGB stellen und ihnen demzufolge auch das Aussageverweigerungsrecht des § 53 StPO angedeihen lassen sollte. Von draußen sind die verschiedensten Anliegen an uns herangetragen worden. Nach der Regierungsvorlage sollten die beiden Gruppen Wirtschaftsprüfer und Steuerberater den Gruppen in § 53 StPO gleichgestellt werden. Daraufhin wurden von anderen Berufen gleicher Art, namentlich von den vereidigten Bücherrevisoren, sofort größte Bedenken geäußert. Diese Gruppen sagten: Wenn die beiden anderen, die im wesentlichen das gleiche tun wie wir, in dieser Weise privilegiert werden sollen, dann bedeutet das für uns eine untragbare Diffamierung. Der Ausschuß hat sogar ausnahmsweise Sachverständige angehört und ist dann schließlich nach eingehender, zweimaliger Beratung zu dem Ergebnis gekommen, seinen ursprünglichen Beschluß, sowohl die Wirtschaftsprüfer als auch die Steuerberater draußen zu lassen, aufrechtzuerhalten. Zu diesem Entschluß hat ihn hauptsächlich auch die Überlegung geführt, daß das Berufsrecht aller dieser Gruppen noch nicht einheitlich geregelt ist und daß namentlich in der Gruppe der Wirtschaftsprüfer es solche gibt, die gleichzeitig auch Steuerberater sind. Letzteres bedeutet, daß eine Privilegierung nur der Wirtschaftsprüfer den anderen Berufskollegen, der zu 90 % das gleiche tut, diffamieren würde. Aus all diesen Gründen ist es dann bei dem Ausschußbeschluß, überhaupt keine Gruppe dieser Art aufzunehmen, sondern diese Frage erst dann aufzugreifen und zu ordnen, wenn eine bundeseinheitliche Berufsgesetzgebung für alle vorliegt, geblieben.
Artikel 3
Nr. 1. — Der Ausschuß stimmt der Regierungsvorlage mit der vom Bundesrat vorgeschlagenen technischen Änderung zu. Diese Änderung erscheint zweckmäßig, weil auch das Landgericht gegenüber dem Amtsgericht ein Gericht höherer Ordnung ist und hier eine nur beispielhafte Hervorhebung des in der Praxis wichtigsten Falles nicht notwendig ist.
Nr. 2. — Auch hier übernimmt der Ausschuß den Änderungsvorschlag des Bundesrats, da der Schöffe nicht schon mit der Aufnahme in die Schöffenliste, sondern erst mit seiner Auslosung zu bestimmten Sitzungen berufen ist. Mit dem Ausdruck „Wahlperiode" wird daher der gleiche Zweck wie durch die Regierungsvorlage erreicht, ohne daß Mißverständnisse entstehen können.
Nr. 2 a. — Im Anschluß an die Regierungsvorlage eines ersten Strafrechtsänderungsgesetzes 1950 — Bundesrats-Drucksache Nr. 1307 — hält es der Ausschuß für zweckmäßig, für den Tatbestand des Anschlags gegen ausländische Staatsmänner die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes zu begründen.
Nr. 3. — Der Ausschuß hält es im Interesse einer besseren Übersichtlichkeit und Klarheit für zweckmäßig, den für § 196 Abs. 3 vorgesehenen Satz 3 unverändert als Abs. 4 anzufügen.
Artikel 4
Vor Nr. 1. — § 7 Abs. 2 Satz 1 des geltenden Rechts beseitigt den sogenannten fliegenden Gerichtsstand der Presse und erklärt unter dem Gesichtspunkt des Gerichtsstandes des Tatorts das Gericht für zuständig, in dessen Bezirk die Druckschrift erschienen ist. Für den Fall, daß die Schrift in der Sowjetzone erschienen ist, ergibt sich hieraus die Folgerung, daß, von gewissen Ausnahmefällen abgesehen, die Zuständigkeit eines sowjetzonalen Gerichts begründet wird. Der Ausschuß schlägt vor, diese unerwünschte Folge dadurch zu beseitigen, daß in § 7 Abs. 2 Satz 1 die Worte „im Inland" durch die Worte „im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes" ersetzt werden.
Nr. 3. — Auf ähnlichen Erwägungen beruht die vom Ausschuß vorgeschlagene Ergänzung des § 13 a in der Fassung der Regierungsvorlage. Durch die empfohlene Einfügung „im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes" wird zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht, daß ein Gerichtsstand in der Sowjetzone dem Hilfsgerichtsstand des § 13 a nicht entgegensteht.
Nr. 11. - In § 97 Abs. 1 Nr. 3 folgt der Ausschuß dem Vorschlag des Bundesrats, soweit es sich um die sprachliche Verbesserung handelt. Im übrigen gibt der Ausschuß jedoch der Regierungsvorlage den Vorzug; denn durch die beispielhafte Nennung der ärztlichen Untersuchungsbefunde gewinnt cue Verständlichkeit der Vorschrift. Außerdem handelt es sich hierbei um den praktisch bedeutsamsten Anwendungsfall, auf dessen ausdrückliche Erwähnung gerade die Ärzteschaft besonderen Wert legt. Die Streichungen im Abs. 5 stellen nur eine technische Anpassung an den Wegfall des § 53 Abs. 1 Nr. 6 — Zeugnisverweigerungsrecht des Rundfunks — dar.
Nr. 16. — Nach dem Vorschlag des Bundesrats wird in einer kürzeren und besser verständlichen Fassung sachlich dasselbe erreicht wie durch die Regierungsvorlage. Der Ausschuß zieht daher die vom Bundesrat vorgeschlagene Fassung vor.
Nr. 18. — Nach Auffassung des Ausschusses kommt in der Regierungsvorlage nicht deutlich genug zum Ausdruck, daß nicht nur der Bundesgerichtshof, sondern auch die Oberlandesgerichte als Revisionsgerichte das Verfahren einstellen können. Der Ausschuß hält es ferner für unzweckmäßig, im Gesetz ausdrücklich zu sagen, daß der Oberbundesanwalt im Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof die Zustimmung zur Einstellung im
Einvernehmen mit der Landesstaatsanwaltschaft erteilt. Es handelt sich insoweit um eine Verwaltungsangelegenheit. Die Prüfungspflicht des Bundesgerichtshofs kann sich hierauf nicht erstrecken. Der Ausschuß empfiehlt daher, § 153 Abs. 3 erster Halbsatz und § 154 Abs. 2 entsprechend zu ändern. Der in der Regierungsvorlage vorgesehene Satz entfällt damit, ebenso auch die Ergänzung durch den Bundesrat.
Nr. 21. — In Übereinstimmung mit dem Vorschlag des Bundesrats hält es der Ausschuß für zweckmäßig, daß nur der Antragsteller zu belehren ist, dem nach § 172 auch das Beschwerderecht zusteht. Der Ausschuß folgt auch insoweit den Vorschlägen des Bundesrats, als dieser empfiehlt, in § 171 nur die Rechtsmittelbelehrung über die Beschwerde gegen den Bescheid der Staatsanwaltschaft zu regeln, nicht dagegen die Belehrung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, die besser in § 172 Abs. 2 vorgeschrieben wird.
Nr. 22. — Hier folgt der Ausschuß aus den zu Nr. 21 genannten Gründen dem Vorschlag des Bundesrats zu § 172 Abs. 2. Dagegen hält der Ausschuß bezüglich § 172 Abs. 3 an der Regierungsvorlage fest, die für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung das Armenrecht vorsieht. Der Ausschuß hält die Beibehaltung des Anwaltszwangs schon deshalb für erforderlich, weil durch einen vom Anwalt verfaßten formgerechten Antrag die Arbeit des Oberlandesgerichts erheblich erleichtert wird und ein solcher Antrag auch mehr Erfolg verspricht als der zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellte. Es kann nach den bisherigen Erfahrungen der Praxis auch angenommen werden, daß durch den Anwaltszwang häufig gerade Querulanten von der Antragstellung abgehalten werden, während mit einer Zunahme der Anträge und damit einer erhöhten Arbeitsbelastung der Oberlandesgerichte zu rechnen sein wird, wenn die Möglichkeit gegeben wird, Anträge zu Protokoll der Geschäftsstelle zu stellen. Wenn man aber den Anwaltszwang beibehält, dann muß dem armen Antragsteller aus Billigkeitsgründen das Armenrecht gewährt werden können. Eine merkliche finanzielle Belastung der Länder dürfte durch die Einführung des Armenrechts im Anklageerzwingungsverfahren nicht zu erwarten sein, zumal erfahrungsgemäß Anträge auf gerichtliche Entscheidung verhältnismäßig selten sind.
Nr. 22 a. — Der Ausschuß schließt sich dem Vorschlag des Bundesrats an, in Anpassung an die Zivilprozeßordnung — § 163 a/ZPO — die Protokollierung in Kurzschrift auch im Strafverfahren zuzulassen, da dies zu einer Verkürzung und Vereinfachung der Verhandlung beiträgt.
Nr. 28. — Der Ausschuß stimmt der Regierungsvorlage mit der Maßgabe zu, daß nach dem Vorschlag des Bundesrats in § 268 a Abs. 2 die Worte „die Anordnung der Strafvollstreckung" durch die Worte „den Widerruf der Aussetzung" ersetzt werden. Die Änderung ist eine notwendige Folge aus der entsprechenden Änderung des § 25 des Strafgesetzbuchs auf Grund der Bundesratsvorschläge.
Nr. 29. — Der Ausschuß hält es für geboten, gegen die Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung beziehen, in Abänderung der Regierungsvorlage außer im Falle der Rüge der Gesetzwidrigkeit einer Anordnung die Beschwerde auch dann zuzulassen, wenn die Anordnung einen einschneidenden unzumutbaren Eingriff in die Lebensführung des Beschwerdefüh-
rers darstellt. Diese Erweiterung der Beschwerdemöglichkeit erscheint notwendig, da dem Gericht durch § 24 des Strafgesetzbuchs ein sehr weiter Ermessensspielraum eingeräumt wird und es daher möglich ist, daß es in die Lebensführung des Verurteilten mit Auflagen eingreift, 'die zwar gesetzmäßig sind, aber doch einen so schweren Eingriff darstellen, daß die Nachprüfung im Rechtsmittelverfahren im Interesse des Verurteilten möglich sein muß. Der Ausschuß billigt im Grundsatz § 305 a Abs. 2 der Regierungsvorlage und hält es für zweckmäßig, daß das Revisionsgericht auch zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig ist, wenn gegen den Beschluß nach § 268 a Abs. 1 Beschwerde und gegen das Urteil Revision eingelegt wird. Diese Regelung muß nach Auffassung des Ausschusses jedoch auf die Fälle beschränkt werden, in denen eine zulässige Revision eingelegt worden ist. Der Ausschuß empfiehlt, dies durch eine klarstellende Ergänzung des § 305 a Abs. 2 zum Ausdruck zu bringen.
Nrn. 30 a, 31 a. — Der Ausschuß schließt sich insoweit den Vorschlägen des Bundesrates an. Die Vorschriften dienen der Verstärkung des Rechtsschutzes des Berufungs- bzw. Revisionsführers, indem sie die Belehrungspflicht des § 35 a über die Rechtsmittel auch auf die in den §§ 319 Abs. 2 und 346 Abs. 2 vorgesehene Rechtshilfe erstrecken. Im übrigen kann auf die Begründung der Regierungsvorlage zu § 35 a — Art. 4 Nr. 4 — verwiesen werden.
Nr. 31. — Der Ausschuß stimmt dem Fassungsvorschlag des Bundesrates zu, durch den klargestellt wird, daß die Teile der Urteilsbegründung nicht verlesen zu werden brauchen, die für das Berufungsverfahren ohne Bedeutung sind.
Nr. 35 a. — Mit Recht wurde von Stimmen aus der Praxis und den Betroffenen wiederholt darauf hingewiesen, daß das geltende Recht insofern unbefriedigend ist, als nahen Angehörigen eines durch eine strafbare Handlung Getöteten nicht der Anschluß als Nebenkläger im Strafverfahren gestattet ist. Die Möglichkeiten, sich als Nebenkläger anzuschließen, werden durch den Entwurf insofern noch weiter eingeschränkt, als § 195 des Strafgesetzbuchs gestrichen wird; vgl. Art. 2 Nr. 18 sowie die §§ 232 Abs. 3 des Strafgesetzbuchs, 374 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 2, 395 Abs. 1 der Strafprozeßordnung. Der Ausschuß schlägt daher vor, in Erweiterung des geltenden Rechts die Befugnis, sich als Nebenkläger dem Strafverfahren anzuschließen, auch den Eltern, Kindern, Geschwistern und dem Ehegatten eines durch eine mit Strafe bedrohte Handlung Getöteten einzuräumen. Die Aufnahme dieser Vorschrift erscheint auch aus prozeßökonomischen Gründen zweckmäßig; denn nicht selten folgt dem Strafverfahren ein bürgerlicher Rechtsstreit, bei dem sich mitunter auf Grund der Mitwirkung der durch die Tötung betroffenen Angehörigen ein anderer Sachverhalt ergibt. Ein solches abweichendes Ergebnis zweier gerichtlicher Verfahren, denen dasselbe historische Ereignis zugrunde liegt, ist auch dem Ansehen der Justiz abträglich.
Die Nr. 2 der Neufassung des § 395 Abs. 2 entspricht im wesentlichen dem geltenden Recht. Allerdings wurde der Nebensatz „wenn die strafbare Handlung gegen sein Leben, seine Gesundheit, seine Freiheit, seinen Personenstand oder seine Vermögensrechte gerichtet war" vom Ausschuß gestrichen, weil diese Einschränkung sachlich nicht gerechtfertigt und praktisch kaum bedeutsam ist.
Nr. 37 — Der Ausschuß stimmt der Regierungsvorlage mit der Maßgabe zu, daß vor den Worten „dem gesetzlichen Vertreter" das Wort „auch" eingefügt wird. Die Einfügung ist notwendig, weil nach dem Wortlaut der Regierungsvorlage der Eindruck erweckt wird, daß es sich bei der Zustellung des Strafbefehls an den gesetzlichen Vertreter um einen Regelfall handelt, während tatsächlich eine Ausnahme von dem Grundsatz der Zustellung nur an den Angeklagten selbst vorliegt.
Der Bundesrat hat unter dieser Nummer vorgeschlagen, die Landesregierungen zu ermächtigen, für die Zustellung gerichtlicher Strafverfügungen vereinfachte Formen zuzulassen. Der Ausschuß vermag sich diesem Vorschlag jedoch nicht anzuschließen. Er hält die formale Zustellung aus Gründen der Rechtssicherheit für geboten, da ohne sie keine genügende Feststellung über die Zulässigkeit des Einspruchs gegen eine Strafverfügung und deren Rechtskraft getroffen werden kann. Nach § 449, der auch für gerichtliche Strafverfügungen gilt — §§ 410, 413 Abs. 4 —, ist aber die Rechtskraft Voraussetzung der Vollstreckbarkeit. Ohne genauen Nachweis der Zustellung liegt auch die nach § 451 erforderliche urkundliche Grundlage der Vollstreckung nicht vor.
Nr. 40 a. — Der Ausschuß empfiehlt in Ergänzung der Regierungsvorlage, dem § 450 einen Abs. 2 anzufügen. Hiernach soll die Rechtskraft als zu Beginn des Tages der Beschlußfassung eingetreten gelten, wenn nach rechtzeitiger Einlegung eines Rechtsmittels ein Beschluß unmittelbar die Rechtskraft des Urteils herbeiführt.
Anlaß zu dieser Ergänzung der Regierungsvorlage geben die nach geltendem Recht bestehenden Zweifel über die Strafzeitberechnung in den zahlreichen Fällen, in denen die Revisionen von Verurteilten, die sich in Untersuchungshaft befinden, nach § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen sind. Diese Zweifel haben in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zu erheblichen Abweichungen geführt. So haben die Gerichte vielfach bei der Berechnung der Strafzeit die Rechtskraft nicht mit dem Tage der Beschlußfassung, sondern erst mit dem Tage der Zustellung des Beschlusses als eingetreten angesehen. Die zeitliche Differenz, während der der Verurteilte sich ohne Anrechnung auf die Strafzeit in Haft befunden hat, betrug in einzelnen Fällen über zwei Wochen. Die vorgeschlagene Ergänzung des § 450 gewährleistet nunmehr eine klare, dem Verurteilten günstige Berechnung der Strafzeit.
Nr. 41. — In Anpassung an den Entwurf des Jugendgerichtsgesetzes — § 27 Abs. 3 Satz 2 des Jugendgerichtsgesetzes in der Fassung des Ausschusses, die Ihnen noch nicht vorliegt; wir sind erst dabei, sie auszuarbeiten — empfiehlt der Ausschuß, dem § 453 Abs. 2 den Satz anzufügen:
Hat das Gericht, dem die nachträglichen Entscheidungen übertragen worden sind, gegen die Übernahme Bedenken, so entscheidet das gemeinschaftliche obere Gericht.
Hierdurch wird eine Lücke geschlossen.
Aus den schon zu Nr. 29 — § 305 a Abs. 1 — genannten Gründen, auf die verwiesen werden kann, hat der Ausschuß § 453 Abs. 3 in gleicher Weise wie § 305 a Abs. 1 ergänzt. Im übrigen schließt sich der Ausschuß den Vorschlägen des Bundesrates an, die lediglich eine sprachliche Verbesserung und infolge des Vorschlags zu § 25 Abs. 2
StGB eine Anpassung in der Ausdrucksweise bedeuten. An Stelle von „Anordnung der Strafvollstreckung" heißt es jetzt „Widerruf der Strafaussetzung".
Da der Ausschuß dem Vorschlag des Bundesrates auf Streichung des letzten Satzes von § 268 a Abs. 2 — Belehrung über die Strafaussetzung zur Bewährung — nicht gefolgt ist, wird auch die vom Bundesrat vorgeschlagene Streichung des § 453 a hinfällig.
Dem Regierungsvorschlag zu § 454 wird mit der vom Bundesrat vorgeschlagenen sprachlichen Änderung zu Abs. 3 — „übertragen" an Stelle von „anvertrauen" — zugestimmt.
Nun das letzte, meine sehr verehrten Damen und Herren; dann sind Sie erlöst. Nrn. 3 a und 3 b des Art. 6. Nach § 431 StPO in der Fassung des Entwurfs — Art. 4 Nr. 39 — kann im selbständigen Einziehungsverfahren, wenn von keiner Seite Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt wird, auch durch Beschluß entschieden werden. Gegen den Beschluß ist nach § 432 Abs. 2 — Art. 4 Nr. 40 — in der Fassung des Entwurfs sofortige Beschwerde zulässig. Für dieses Beschwerdeverfahren ist die Gebühr von 2 DM, die nach § 69 Abs. 1 in der Fassung des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet des Kostenrechts vom 7. August 1952
BGBl. I Seite 401 — für die Zurückweisung einer Beschwerde vorgesehen ist, jedoch nicht angemessen. Andererseits erscheint die Regelgebühr von 40 DM in § 67 des Gerichtskostengesetzes zu hoch, wenn im Beschlußwege entschieden wird. Der Ausschuß schlägt daher vor, § 67 des Gerichtskostengesetzes dahin zu ergänzen, daß die Gebühr 20 DM beträgt, wenn im. selbständigen Einziehungsverfahren durch Beschluß entschieden wird. Folgerichtig hat der Ausschuß § 69 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes technisch entsprechend angepaßt und damit für die Zurückweisung der Beschwerde im selbständigen Einziehungsverfahren die Regelgebühr von 20 DM vorgeschlagen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich bin am Schluß meines Berichts, den ich leider so lange gestalten mußte, damit festgelegt wird, aus welchen Motiven der Rechtsausschuß zu seinen Fassungen gekommen ist. Ich darf Sie namens des Rechtsausschusses bitten, dem Gesetzentwurf in der Fassung der Drucksache Nr. 4250 Ihre Zustimmung zu geben, habe jedoch noch eine Bitte des Bundesjustizministers vorzutragen, der eine sprachliche Änderung wünscht. Es ist also keine materielle Änderung. Es dreht sich um Art. 2 Ziffer 5 a. Da heißt es in Drucksache Nr. 4250 auf Seite 13 oben: „Die Dauer der Unterbringung in einem Arbeitshaus oder einem Asyl darf bei der ersten Unterbringung nicht länger als zwei Jahre, bei der wiederholten nicht länger als vier Jahre dauern." Es klingt sprachlich nicht schön, daß in diesem Satz „Dauer" und „dauern" vorkommen. Es wird dafür folgende Fassung vorschlagen:
Die erste Unterbringung in einem Arbeitshaus oder einem Asyl darf nicht länger als zwei Jahre, die wiederholte nicht länger als vier Jahre dauern.
Ich darf die gewünschte Formulierung des Herrn Bundesjustizministers schriftlich dem Herrn Präsidenten übergeben. Ich nehme an, daß das Hohe Haus damit einverstanden ist, wenn diese sprachliche Verbesserung stillschweigend an der betreffenden Stelle vorgenommen wird.
Meine Damen und Herren! Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine umfangreiche Arbeit, auch für das Tempo des Vortrags, das uns mindestens einige Minuten gespart hat. Ich darf aber ergebenst darauf aufmerksam machen, daß nach § 74 unserer Geschäftsordnung nicht ohne guten Grund schriftliche Berichterstattung bei umfangreicheren Berichten vorgeschrieben ist,
und zwar nach meiner Überzeugung nicht deswegen, um dem Haus das Anhören oder dem Berichterstatter das Vorlesen zu ersparen, sondern um den Mitgliedern des Hauses die Möglichkeit zu geben, sich gründlich in den Bericht einzuarbeiten.
Das ist bei einem derartig umfangreichen mündlichen Bericht nicht möglich. Ich bitte freundlichst, das für die zukünftigen Berichterstattungen in diesem Hause und für diese Legislaturperiode im Interesse der Beschleunigung und Konzentration unserer Arbeit zu beachten.
Ich unterstelle, daß die sprachliche Änderung, die zum Schluß vorgetragen wurde, als Antrag des Ausschusses an das Haus herangebracht wird.
Ich rufe auf: Entwurf eines Dritten Strafrechtsänderungsgesetzes , Art. 1, Ziffer 1, — Ziffer 2, — Ziffer 3, — Ziffer 4. — Dazu liegen keine Änderungsanträge vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Ziffern zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Sie sind angenommen.
Zu Ziffer 5 liegt der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 909 unter Ziffer 1 vor.
Abgeordneter Dr. Arndt, zur Begründung!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der § 11 des Strafgesetzbuches bezieht sich auf die Indemnität und Immunität der Landtagsabgeordneten, die sich grundsätzlich nach der Landesverfassung richten. Mit dem letzten Satz des § 11 in der Ausschußfassung haben wir bereits in die Landesverfassungen eingegriffen. Wir haben nämlich die Straflosigkeit von Äußerungen, die ein Landtagsabgeordneter im Landtag oder in einem Landtagsausschuß tut, begrenzt und sie nicht mehr für verleumderische Beleidigungen gewährt. Das ist in Übereinstimmung mit der Regelung im Grundgesetz geschehen. Es ist nicht einzusehen, warum die Straflosigkeit von Landtagsabgeordneten weitergehen soll als die von Bundestagsabgeordneten. Wir halten im Gegenteil ein möglichst einheitliches Immunitätsrecht für alle Abgeordneten für erforderlich und tragen deshalb auch kein Bedenken, mit diesem Bundesgesetz in einzelne Landesverfassungen, die den Landtagsabgeordneten eine weitergehende Straflosigkeit gewähren, einzugreifen.
Aber der gleiche Gesichtspunkt einer möglichst einheitlichen Immunität für alle Abgeordneten, mögen sie dem Bundestag oder mögen sie einem Landtag angehören, zwingt nach unserer Auffassung auch dazu, dem § 11 einen zweiten Absatz anzufügen. Ich darf, um dies zu erläutern, eine kurze geschichtliche Erinnerung wachrufen. Während in der Zeit der Bismarckschen Reichsverfassung sich zwar die Immunität der Reichstagsabgeordneten selbstverständlich auf das gesamte Gebiet
des Reiches bezog, beschränkte sich die Immunität der damaligen Landtagsabgeordneten auf das Territorium der einzelnen Länder. Die Weimarer Reichsverfassung hat jenen Zustand geändert und hat von Reichsverfassungs wegen den Landtagsabgeordneten Immunität für das gesamte Reichsgebiet gewährt. Das Grundgesetz hat aus Erwägungen, die mir nicht sehr eindeutig erscheinen, einen anderen Weg eingeschlagen und hat nur die Immunität der Bundestagsabgeordneten geregelt, also davon abgesehen, Landtagsabgeordneten von Bundes wegen Immunität für das gesamte Bundesgebiet zu verleihen.
Diese Regelung hat jetzt zu Schwierigkeiten geführt durch die Streitfrage, ob ein Landtagsabgeordneter auch immun ist gegenüber einer strafgerichtlichen Verfolgung seitens einer Bundesbehörde, wie es der Oberbundesanwalt ist, oder eines Bundesgerichts, wie es der Bundesgerichtshof in Karlsruhe darstellt. Der Herr Bundesminister der Justiz hat kürzlich hier in der Fragestunde, anscheinend in Übereinstimmung mit dem Herrn Oberbundesanwalt, den Standpunkt eingenommen, daß die in einer Landesverfassung einem Landtagsabgeordneten gewährte Immunität keine Geltung habe gegenüber strafrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen von Bundesgerichten und Bundesbehörden. Wir vermögen diesen Rechtsstandpunkt nicht zu teilen. Ich halte ihn für irrig. Aber ich glaube, es hat keinen Sinn, daß wir uns hier in eine rechtliche Erörterung einlassen, sondern bei Gelegenheit dieser Novelle zum Strafgesetzbuch sollten wir kurzerhand die Frage gleich gesetzgeberisch lösen, worum wir bereits einmal bemüht waren. Der 6 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung ist bei der Abfassung des Vereinheitlichungsgesetzes, der sogenannten kleinen Justizreform, auf meine eigene Anregung damals so gefaßt worden, daß wir im Ausschuß wenigstens glaubten, damit die Länder von Bundesrechts wegen zu einer Immunität mit voller Kraft ermächtigt zu haben. Anscheinend ist es uns damals nicht geglückt, den § 6 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung hinreichend klar zu fassen. Darum empfiehlt es sich, dieses Problem jetzt bei der Neuregelung des § 11 gesetzgeberisch zu lösen und dem § 11 einen zweiten Absatz hinzuzufügen, der, aus der Juristensprache kurz ins Deutsch übersetzt, nichts anderes bedeutet, als daß Landtagsabgeordnete kraft Bundesrechts volle Immunität in ihrem Lande haben sollen, auch gegenüber strafrechtlichen Verfolgungsmaßnahmen durch Bundesgerichte und Bundesbehörden, daß also Bundesgerichte und Bundesbehörden strafrechtliche Verfolgungsmaßnahmen nicht ergreifen dürfen, ohne daß zuvor der Landtag die Immunität des Landtagsabgeordneten aufgehoben hat.
Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht daß das Strafrechtsänderungsgesetz der rechte Ort ist, um diese verfassungsrechtliche Frage zu ordnen Sie läuft hinaus auf eine Änderung des Art. 46 de Grundgesetzes und will, wie der Antragsteller dargelegt hat, den Rechtszustand, der in der Weimarei Zeit gegolten hat, wiederherstellen. Ich weil nicht, ob wir jetzt Zeit haben, die bestehenden verfassungsrechtlichen und politischen Probleme, die mit dieser Frage verbunden sind, zu erörtern. Nach meiner Meinung steht diese Bestimmung auf jeden Fall mit dem § 11 des Strafgesetzbuches nur in einem scheinbaren Zusammenhang. Denn § 11 des Strafgesetzbuches, der die Folge aus der Indemnität des Abgeordneten zieht, stellt eben eine materiellrechtliche Vorschrift dar.
Vor allem bestehen hier ganz erhebliche politische Bedenken gegen die angeregte Änderung, die schon dazu geführt haben, daß im Grundgesetz die Ordnung der Weimarer Verfassung aufgegeben wurde. Gerade die Erfahrungen der Weimarer Zeit haben uns, glaube ich, gelehrt, daß es nicht richtig ist, dem Landtagsabgeordneten gegenüber Verfolgungsmaßnahmen der Bundesbehörden, insbesondere des Oberbundesanwalts und des Bundesgerichtes, Schutz zu gewähren. Brauche ich Sie zu erinnern an die Vorgänge in Thüringen im Jahre 1932, an die Gefahr, daß der Kampf gegen den Bund und seine Verfassungsordnung von der regionalen Basis aus geführt wird und daß der Bund dann nicht die Möglichkeit hat, sich dagegen zu schützen, daß hingegen der verfassungswidrig handelnde Landtagsabgeordnete die Möglichkeit hat, sich hinter den Schutz zu verschanzen, den die Landtagsimmunität ihm gewährt? Ich glaube, daß also sowohl rechtliche wie politische Bedenken dazu führen, dem Antrage nicht zu entsprechen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesminister der Justiz befindet sich leider in mehrfacher Hinsicht im Irrtum. Zunächst ist es nicht das Ziel des Antrags, den Rechtszustand der Weimarer Reichsverfassung Wiederherzustellen. Die Weimarer Reichsverfassung gewährte den Landtagsabgeordneten Immunität von Reichsverfassungs wegen, und zwar für das gesamte Reichsgebiet. Dieses Gesetz, wie wir es hier jetzt anregen, ist erstens kein Verfassungsgesetz, und zweitens soll sich die Immunität der Landtagsabgeordneten so, wie es in der Bismarckschen Zeit war, auf das Territorium des Landes beschränken. Eine Landesverfassung soll also nicht ermächtigt sein, eine räumlich weitergehende Immunität zu verleihen als für ihr Land. Das ist der erste Irrtum, in dem der Herr Bundesminister der Justiz sich befand.
Der andere Irrtum ist der, daß der Herr Bundesminister der Justiz meint, unser Ergänzungsantrag habe eine Änderung des Art. 46 des Grundgesetzes zum Inhalt. Das trifft nicht zu. Art. 46 des Grundgesetzes beschäftigt sich ausschließlich mit der Immunität von Bundestagsabgeordneten; die Immunität von Landtagsabgeordneten kommt darin überhaupt nicht vor. Er enthält nicht einmal eine Ermächtigung an die Länder, durch ihre Verfassungen Immunität zu gewähren. Diese Ermächtigung befindet sich vielmehr bisher in § 6 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung, und ich sagte vorhin schon: Wir haben uns bei der Neufassung der Strafprozeßordnung beim Vereinheitlichungsgesetz bemüht, diesen § 6 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung so abzufassen, daß er nicht allein die Befugnis des Landesgesetzgebers, Immunitäten gewährt zu haben, aufrechterhält, sondern daß — wobei wir damals an Hamburg und Niedersachsen dachten, deren Verfassungen noch nicht verabschiedet waren — auch der Landesgesetzgeber befugt bleibt, durch Landesverfassung seinen Abgeordneten neue Immunitäten einzuräumen. Bedauerlicherweise ist es uns, wie ich be-
reits ausführte, nicht gelungen, den § 6 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung so abzufassen, daß er allseits verstanden worden ist. Hier ist die Gelegenheit dazu, weil eben § 11 des Strafgesetzbuches die strafrechtliche Stellung von Landtagsabgeordneten regelt.
Zum Schluß noch eins: Der Herr Bundesminister der Justiz hat gesagt, es bestünden politische Bedenken dagegen, einem Landtagsabgeordneten eine volle Immunität einzuräumen. Meine Damen und Herren, ich glaube, ein solches Argument ist neu
und läuft letzten Endes auf eine Art Diskriminierung der Landtagsabgeordneten, aber nicht nur dieser, sondern der Landtage selbst hinaus,
weil es doch davon ausgeht, als ob die Landtage es bei dem Verdacht eines Hochverrats oder sonst einer strafbaren Handlung, für die der Bundesgerichtshof in einziger Instanz zuständig ist, an der erforderlichen Sorgfalt fehlen ließen und nicht bereit wären, die Immunität eines Landtagsabgeordneten aufzuheben, wenn ernste bundesstaatsrechtliche und bundespolitische Gründe dies erforderten. Ich glaube, zu einer solchen Diskriminierung der Landtage und der Landtagsabgeordneten sollten wir nicht die Hand bieten, um so weniger, als ja in der Bevölkerung, und zwar mit Recht, der Volksvertreter einheitlich gesehen wird. Wenn es in einer Demokratie möglich ist, daß ein Volksvertreter ohne Zustimmung seines Landtags von einem Bundesgericht und einer Bundesbehörde in Haft genommen wird, so, glaube ich, dienen wir damit nicht dem notwendigermaßen einheitlichen Ansehen der Volksvertreter. Die Immunität, wenn auch für Abgeordnete der Landtage räumlich anders als für die des Bundestages, kann nicht von verschiedener Kraft und verschiedenem Rang sein.
Ich wundere mich, daß das gerade in den Kreisen von Ihnen nicht von vornherein gesehen worden ist, die föderalistisch denken; denn wenn man die Eigenstaatlichkeit der Länder in besonderem Maße zu betonen pflegt, wie dies das Anliegen der Föderalisten ist, dann allerdings sollte man auch Gewicht darauf legen, daß die juristische Kraft einer Landtagsimmunität — von der räumlichen Ausdehnung abgesehen — keine andere ist als die einer Bundestagsimmunität. Deshalb bitte ich Sie sehr dringlich, diesen Anträgen zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Arndt hat ausgeführt, daß bei einer Novelle zu § 6 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung — ich erinnere mich an den Fall nicht — dem Bundestag in seinen Formulierungskünsten ein Malheur passiert sei. Ich bin besorgt, daß das Malheur noch größer wird, wenn dieser Paragraph so angenommen wird, wie er jetzt lautet.
Zunächst rein technisch: Die schönen Worte „im. Geltungsbereich dieses Gesetzes" sind ein juristischer Sprachgebrauch, den wir uns angewöhnen mußten, weil wir nicht das Wort „Inland" oder „Deutschland" gebrauchen und auch nicht etwa erklären wollten, die Ostzone gehöre nicht zum deutschen Vaterland,
während wir uns bewußt waren, daß wir diese Gesetze nur mit Geltung für Westdeutschland beschließen können. Es unterliegt überhaupt keinem Zweifel, daß dieser Sprachgebrauch, nunmehr auf Landesgrenzen angewandt, schwerfällig und undurchsichtig wirkt. Es müßte einfach heißen: „so sind innerhalb der Landesgrenzen auch die Bundesgerichte . . ." usw. Dann ist im Gesetz zunächst einmal klar, was Dr. Arndt in der Begründung klargestellt hat.
Nun meint er, die Föderalisten müßten begeistert sein, daß die Landesgrenzen verschiedene Rechtssysteme hervorrufen und daß ein verfolgter, aber von seinem Landtag geschützter Abgeordneter sich wie der Teufel hüten muß, die Landesgrenzen zu überschreiten. Denn das wird der Fall sein: dieses Gesetz — da wir überhaupt nur ein einziges Bundesgericht haben — schützt insonderheit alle Abgeordneten des Südweststaates, weil das Gericht im Südweststaat seinen Sitz hat und innerhalb der Landesgrenzen des Südweststaates kein dort durch die Immunität geschützter Abgeordneter verfolgt werden kann.
Alle anderen Staaten sind schlimmer dran. Wenn ein Nordrhein-Westfälinger etwa einen kleinen Ausflug nach Neuenahr oder zur Mosel machen sollte, kann er verhaftet werden; er wird von da dann in den Südweststaat zum Bundesgerichtshof geschleppt, und kein Mensch kann ihn mehr schützen, da er weder innerhalb seiner Landesgrenzen verhaftet noch dort vor Gericht gezogen wird. Ich sage Ihnen: über einen solchen Zustand kann ein Föderalist nur weinen; nur der Separatist kann darüber froh sein, daß wir endlich wieder Rechtsgebiete ganz verschiedener Wertigkeit haben.
Diese Dinge gehen so nicht! Wenn der Grundgesetzgeber, auf den Herr Dr. Arndt in anderem Zusammenhang so außerordentlichen Wert legt und dem er jede Weisheit und Güte zutraut, mit guten Gründen — wie wir gehört haben — davon abgesehen hat, die mißlichen Erfahrungen der Weimarer Republik in unserem neuen Staat wieder möglich zu machen, wollen wir uns den guten Gründen des Grundgesetzgebers doch auch in diesem Falle nicht verschließen. Wenn im § 11 des Strafgesetzbuchs geschrieben steht, daß das Fehlen der Rechtswidrigkeit bei in einem Parlament gesprochenen Worten gegeben ist, also nicht etwa nur ein Strafausschließungsgrund vorliegt, sondern der Sache nach keine strafbare Handlung vorhanden ist, so hat dieses mit der Frage einer Voraussetzung für die Strafverfolgung, die in diesem Antrag behandelt wird, überhaupt nichts zu tun. Insbesondere gehört so etwas unter keinen Umständen in das Strafgesetzbuch. Es gehört möglicherweise in die Straßprozeßordnung, vermutlich aber nur in die Verfassung, in der es ja auch immer gestanden hat. Anläßlich der Strafrechtsbereinigung läßt sich das, was Herr Kollege Arndt im Interesse der Kommunisten erstaunlicherweise für nützlich erklärt, nicht berücksichtigen. Ich bitte, den Antrag abzulehnen.
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.
Meine Damen und Herren! Der Kollege Ewers hat mit
Recht auf die Inkonsequenzen der vorliegenden Fassung hingewiesen.
Eine andere Konsequenz wäre, daß ein bayrischer Staatsanwalt einen Landtagsabgeordneten in Nordrhein-Westfalen nach der vorgeschlagenen Fassung des § 11 Satz 2 des Strafgesetzbuches verhaften lassen könnte; der Herr Oberbundesanwalt aber könnte es nicht. Die Dinge sind also in keiner Weise ausgereift.
Die Anträge sind auch im Rechtsausschuß nicht einmal angedeutet worden. Es stimmt mit dem Zweck und dem Rahmen unseres Strafrechtsänderungsgesetzes in keiner Weise überein, daß solche Anträge jetzt in letzter Stunde zur Debatte gestellt werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Über den Zweck des Strafrechtsänderungsgesetzes hat uns ja der Herr Berichterstatter in dankenswerter Weise einiges erzählt. Das auszudeuten, ist im Augenblick nicht meine Sache. Aber wenn ich jetzt den Herrn Minister und seine Einschränkungen höre, die er soeben vorgetragen hat, dann kommt mir der wirkliche Charakter dieses. Bereinigungsgesetzes noch sehr viel deutlicher zum Bewußtsein. Sie wollen mit Ihrem „Bereinigungsgesetz" nichts anderes, als Ihre reaktionäre Strafgesetzgebung noch einmal untermauern.
Aber nun zur Sache! Man sollte doch historische Tatsachen nicht in einer so eklatanten Weise aus der Welt zu schaffen versuchen, wie das heute mehrfach geschehen ist. Nun appelliere ich einmal an die alten, an die ehemaligen Mitglieder — alt sind sie j a nicht, wenigstens nicht alle — des Parlamentarischen Rates. Wenn bei der Beratung des Grundgesetzes die Frage der Immunität des Landtagsabgeordneten damals nicht aufgegriffen und geregelt worden ist, so resultiert das doch aus der damaligen politischen Situation in Westdeutschland. Wir durften damals einfach gar nicht an die Frage der Immunität der Landtagsabgeordneten herangehen, weil uns die Besatzungsmacht das verboten hatte. Das war der Tatbestand. Das ist Geschichte. Ihre Bemühungen nun, den Mangel einer verfassungsmäßigen Regelung der Immunität auch der Landtagsabgeordneten im Grundgesetz darauf abzustellen, man habe damals nicht daran gedacht oder nicht gewollt, die Regelung von Weimar wieder verfassungsmäßig einzuführen, gehen an den Tatsachen vorbei. Auch was wir eben zu dem Tatbestand, der diesen Antrag ausgelöst hat, hörten, geht doch an den Tatsachen vorbei. Ich finde übrigens kein Adjektiv, das mir nicht wieder einen Ordnungsruf einbringt, Herr Ewers, um das zu charakterisieren, was Sie sich mit Ihrer Feststellung erlaubt haben, der Antrag resultiere aus dem Bemühen, uns Kommunisten zu helfen. Ich denke, für einen Mann, der den Rechtscharakter eines Staates so mit Worten, so häufig und im Brustton der Überzeugung herausstellt, wie gerade Sie das tun, sollte bei der Beurteilung der Frage keine Rolle spielen, wem das im Augenblick zugute kommt oder welches Ereignis, welche Person die Diskussion ausgelöst hat. Hier geht es einfach um einen nackten Tatbestand, Herr Evers. Sie sind nun einmal der bekannte Reaktionär.
Ich kann Sie ja nicht mehr ändern; dazu sind Sie schon zu alt,
schon aus dem Grunde ist es unmöglich. Aber hier geht es doch um einen Tatbestand, der wert ist, daß er geklärt wird und im Augenblick geklärt wird! Hier ist doch Unrecht geschehen.
Und wenn Sie sich hinstellen und die Dinge so darstellen, als seien die Landtagsabgeordneten von Baden-Württemberg auf Grund der Tatsache, daß in Karlsruhe das Bundesverfassungsgericht seinen Sitz hat, geschützt, dann ist das auch nicht wahr. Man hat bei der Landtagsabgeordneten der KPD Erika Buchmann ja auch unter Bruch der Landesverfassung Hausdurchsuchungen durchgeführt. Man ist sogar so weit gegangen, daß man die Kasse der Landtagsfraktion der KPD bei der Gelegenheit mitgenommen hat.
Diese Kasse und ihr Inhalt waren anscheinend
auch staatsgefährdend. Das sind die Tatbestände.
Da soll man sich nicht hinstellen und sagen, die Abgeordneten des Landtags von Baden-Württemberg seien geschützt.
— Ich habe so viel „Millionen" in meiner Fraktionskasse, wie der Anteil der Diäten, den unsere Abgeordneten ihrer Partei zur Verfügung stellen, ausmacht. Sie wissen ja genau, wie hoch der Anteil an den Diäten ist, der in unserer Hand bleibt. Sie sollten mit Ihren Zwischenrufen etwas vorsichtiger sein, sonst verrate ich einmal den Anteil, den Sie an Ihre Partei abgeben. Dann spreche ich von den zehn Mark, die Sie pro Monat abgeben.
Nun zu Herrn Dehler zurück. Was ist das doch für eine an den Dingen vorbeigehende Darstellung, die er sich heute wieder einmal erlaubt hat. Herr Kollege Arndt hat ja in dankenswerter Klarheit ausgesprochen, daß seine Worte auf eine glatte Diffamierung der Landtage hinausliefen. Es geht doch nicht darum, einen Landtagsabgeordneten etwa von Nordrhein-Westfalen gegen die Folgen einer Straftat zu schützen. Es geht doch nur darum, ihn unter den Schutz seiner im Lande bestehenden Verfassung zu stellen, d. h. durch den zuständigen Landtag die Frage der Aufhebung der Immunität prüfen zu lassen, ehe man ihn verhaftet. Darum geht es doch. Es geht doch nicht darum, den Landtagsabgeordneten die Indemnität zuzubilligen. Es handelt sich darum, ein simples, legales Verfahren anzuwenden, nämlich das Verfahren, vor der Verhaftung den zuständigen Landtag zu befragen. Es ist doch eigenartig, daß der Landtag von Nordrhein-Westfalen dieselbe Auffassung hat, wie sie in diesem Antrag zum Ausdruck kommt. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat seine Regierung beauftragt, im Bundesrat dafür zu sorgen, daß eine Regelung erfolgt, die dem Sinne dieses Antrags gerecht wird. Bei der letzten Fragestunde hat der Herr Minister, als ich das festgestellt habe, nur die
Antwort gegeben: „Mir ist davon nichts bekannt." In der Zwischenzeit hat ja wohl das Telefon zwischen Düsseldorf und Bonn etwas gespielt; das darf man doch wohl annehmen.
— Heute ist Ihnen das bekanntgeworden! Ah, schau, schau! Heute!
Ja, ja, wenn Sie sich etwas mehr Zeit für die Wahrnehmung Ihrer eigentlichen Aufgaben ließen und Ihre wertgeschätzte und hockbezahlte Arbeitszeit nicht so sehr der Verfolgung einer gewissen Partei zur Verfügung stellten, dann sähe es in Ihrem Ministerium vielleicht doch so aus, daß Ihnen die Schriftsätze rechtzeitig zugeleitet werden. Aber das nur so zur Seite gesagt.
Also, meine Damen und Herren, es geht gar nicht darum, einen Abgeordneten in eine Situation der Straflosigkeit gegenüber einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu bringen; es geht darum, den Bundesrichter, den Oberbundesanwalt und den Oberbundesrichter dazu zu zwingen, die selbstverständlichen Verpflichtungen einzuhalten, die er auch gegenüber einem Abgeordneten des Bundestags hat. Sich nun hinzustellen und zu sagen: der Staat ist in Gefahr, das ist doch einfach an den Dingen unverantwortlich vorbeigeredet;
und daß das der Herr Bundesminister tut, macht die Sache noch viel schlimmer.
Meine Damen und Herren, seien Sie einmal korrekt, sorgen Sie einmal für wirkliches
Recht, auch wenn das im speziellen Fall einem Kommunisten zugute kommen soll, der verfassungswidrig verhaftet worden ist. Wenn ein Staat ein Rechtsstaat ist, dann sollten — solange das behauptet wird — auch alle seine Glieder vor dem Gesetz und den Organen des Staates gleich sein. Solange Sie dieses Prinzip nicht aufgeben — wenigstens nicht in Ihren Deklamationen aufgeben; praktisch ist es durch die Herren Minister längst schon liquidiert —, solange Sie diese Fiktion nicht aufgeben, sollten Sie sich als „Repräsentanten des Rechtsstaats" wirklich verpflichtet fühlen, diesem Antrag stattzugeben. Wenn er Ihnen in der Form nicht passen sollte, dann sollten Sie doch zumindest den Inhalt bejahen, ganz unabhängig davon — wie ich schon einmal sagte —, daß diese Diskussion durch die verfassungswidrige Verhaftung eines kommunistischen Abgeordneten ausgelöst worden ist.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte wirklich um Entschuldigung, daß ich ein drittes Mal in dieser Sache das Wort ergreifen muß, aber es kommen hier immer erneut Irrtümer und Mißverständnisse herein, die letzten Endes nicht ohne Klarstellung bleiben dürfen.
Der Herr Bundesminister der Justiz hat insoweit recht, als er bemängelt hat, daß diese Frage im Ausschuß nicht einmal angedeutet worden sei. Das hat zwei Grande. Einmal ist nicht unbekannt, daß meine Fraktion die Behandlung dieses Gesetzes nicht gerade als besonders vordringlich angesehen hat; darüber waren wir im Streit. Unsere Auffassung war, daß es nicht so eilt, den Ausdruck Schießgewehr in Schußwaffe, Advokat in Rechtsanwalt, Depesche in Telegramm, Mannsperson in Mann umzuwandeln und ähnliches mehr, anstatt uns dem Familienrechtsgesetz und dem Bundesentschädigungsgesetz zu widmen.
Das ist der eine Grund.
Der andere Grund ist, daß dieses Problem völlig überraschend erst durch die Haltung und die Erklärungen aufgetaucht ist, die der Herr Oberbundesanwalt kürzlich in dem. Fall Angenfort, oder wie jener Abgeordneter heißt, abgegeben hat, Erklärungen, die, wie gesagt, für mich verblüffend sind, und ich kann schlechterdings heute noch nicht die Rechtsauffassung des Herrn Bundesministers der Justiz und des Herrn Oberbundesanwalts verstehen.
Nun ein Wort zu Herrn Kollegen Ewers. Herr Kollege Ewers, Sie haben hier eine territoriale Aufspaltung der Immunität beklagt, die Ihnen geradezu separatistisch vorkommt. Ich muß deshalb doch darauf hinweisen, daß es so schon zur Bismarckschen Zeit war und, was Sie zu übersehen scheinen, auch heute wieder ist.
Zur bismarckschen Zeit war es doch so, daß die Immunität, die die bayerische Verfassung einem bayerischen Abgeordneten gewährte, nicht dem entgegenstand, daß ein preußisches Gericht gegen eben diesen bayerischen Landtagsabgeordneten ein Strafverfahren anhängig machte, wenn die Zuständigkeit eines preußischen Gerichts gegeben war. Das hatte erhebliche Konsequenzen, etwa bei Beleidigungen, wo die Zuständigkeit der Staatsanwaltschaft und der Gerichte ja sehr weitgreifend ist. War die Beleidigung öffentlich, in der Presse z. B., geschehen, so konnte eine Zuständigkeit in München und in Berlin gegeben sein. Die Folge war, daß der bayerische Landtagsabgeordnete zwar, solange er sich innerhalb der bayerischen Landesgrenzen aufhielt, nicht von einem bayerischen Gericht verfolgt werden konnte — praktisch auch nicht von einem preußischen, das ja nicht in seiner Abwesenheit verhandeln konnte und auch nicht in der Lage war, ihn zu verhaften oder vorzuführen —; wenn er sich aber nach Berlin begab, so konnte ihm dort der Prozeß gemacht werden. Genau dieselbe Lage haben wir heute auf Grund des §, 6 des Einführungsgesetzes der Strafprozeßordnung wieder, nachdem das Grundgesetz die Regelung der Weimarer Verfassung abgeschafft hat. Auch heute schon endet für alle Strafsachen die landesrechtliche Immunität an den Landesgrenzen, und der Abgeordnete aus einem Landtag, der glaubt, daß er wegen Beleidigung oder aus sonst einem Grunde verfolgt werden könnte, muß sich notwendigerweise hüten, die Landesgrenze zu überschreiten. Der „separatistische Zustand", wie Sie es nennen, ist also schon da. Wir sind ganz bestimmt nicht daran schuld, auch unser Antrag nicht.
Nichts anderes soll hergestellt werden auch für die Frage, ob Bundesbehörden und Bundesgerichte eingreifen können, wobei die Abgeordneten von Baden-Württemberg selbstverständlich nicht anders stehen als die von Nordrhein-Westfalen oder Bayern, weil doch Akte von Bundesbehörden als Akte gelten, die im gesamten Bereich des Bundes gültig sind und Kraft haben. Das heißt auf deutsch: ein Landtagsabgeordneter, ganz gleich, ob aus
Nordrhein-Westfalen oder Baden-Württemberg, kann zur Verantwortung vor einem Bundesgericht nur dann gezogen werden, wenn sein zuständiger Landtag es vorher genehmigt hat. Ich glaube also, Ihre Ausführungen waren insoweit durchaus irrig.
Zum Schluß eine persönliche Bemerkung. Herr Kollege Ewers, Sie werden mir wohl bestätigen, daß ich Ihnen schon Ihres Lebensalters wegen stets mit Hochachtung begegnet bin. Um so mehr bedauere ich, daß Sie hier eine Bemerkung haben fallen lassen, der von mir begründete Antrag meiner Fraktion verfolge ein Interesse der Kommunisten. Ich darf Sie an eines erinnern. Als der Bundestag schon konstituiert war und tagte, wurde von einer Besatzungsmacht ein Landtagsabgeordneter — ich glaube, es war in Hannover — mit der Begründung verhaftet, daß Besatzungsrecht vor deutsches Recht gehe. Das war auch ein Kommunist. Damals hat der Bundestag — Sie können das in den Protokollen nachlesen — einmütig protestiert und gesagt: Es widerspricht den Gesittungen einer parlamentarischen Demokratie, einen Abgeordneten, gleich welcher Art, ob Landtags- oder Bundestagsabgeordneten, strafrechtlich überhaupt zur Verantwortung zu ziehen, ohne daß eine Genehmigung seiner gesetzgebenden Körperschaft vorliegt. Denn dieses Zurverantwortungziehen ist, so haben wir allesamt damals einmütig gesagt, ein Angriff unmittelbar auf die Körperschaft selbst. Nun, ich glaube nicht, daß wir das damals vom Bundestag aus im Interesse der Kommunisten gesagt haben. Ich glaube auch nicht, daß die Verteidigung der parlamentarischen Demokratie, um die es sich j a hierbei im Grunde handelt, im Interesse der Kommunisten zu liegen pflegt; denn in kommunistischen Machtbereichen ist parlamentarische Demokratie nicht vorhanden. Deshalb verübeln Sie es mir nicht, Herr Kollege Ewers, wenn ich bei aller Hochachtung vor Ihnen sage, daß mir die von Ihnen durch diese giftige Bemerkung ausgedrückte Logik etwas unreifer erscheint, als man von Ihnen nach der Reife Ihrer Jahre hätte erwarten dürfen.
Der Herr Bundesminister der Justiz!
Ich bedauere überaus, daß diese Art der Diskussion jetzt heraufbeschworen worden ist. Der Herr Antragsteller ist überrascht über die Rechtsanschauung, die der Herr Oberbundesanwalt in dem Fall Angenfort zugrunde gelegt hat. Diese Rechtsauffassung entspricht dem einmütigen Beschluß sämtlicher Landesjustizminister, die die Richtlinien für das Strafverfahren •gebilligt haben. In Nr. 184 Abs. 6 ist eine Vorschrift folgenden Inhalts festgelegt worden:
„Für die Abgeordneten eines deutschen Landtages und für die Mitglieder von Körperschaften, die nach der Landesverfassung Immunität genießen, sind die Landesverfassung und die Übung des Parlaments maßgebend. Die Immunität schützt nur vor einer Strafverfolgung durch die Behörden des Landes, dessen Verfassung sie gewährt."
Die beiden maßgebenden Kommentare der Verfassung von Nordrhein-Westfalen von Geller und Kleinrahm und Vogel decken unseren Standpunkt. Man soll sich doch nicht hier aufspielen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Ich bitte um Ruhe! — Das Wort hat der Abgeordnete Ewers.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich darf Herrn Kollegen Arndt a) persönlich und b) sachlich mit einigen kurzen Sätzen antworten.
Zu a) persönlich: Da er selbst zugibt, daß der Fall Angenfort der Anlaß zu diesem in letzter Sekunde formulierten Antrag war, war meine Bemerkung nicht „giftig", sondern richtig. Man muß doch beachten, aus welchem Anlaß man bestehendes Recht ändert. Hier soll das bestehende Recht geändert werden, um Herrn Angenfort den Maschen des Bundesgesetzgebers zu entziehen.
Zu b): Darüber, ob es sehr weise von der Demokratie ist, jedem Landtag ein Immunitätsrecht auch in Fragen des Bundesrechts einzuräumen, kann man verschiedener Meinung sein. Da aber das Immunitätsrecht in den Ländern, die um ihre Hoheit ängstlich bemüht sind, nun einmal eingeführt ist, nehmen wir zur Kenntnis, daß die Befugnis eines bayerischen Gerichts, gegen einen Mann, der aus Hessen stammt, einzuschreiten, beibehalten bleibt, daß es also zur Strafverfolgung ermächtigt ist, wenn in Hessen nur ein Gerichtsstand begründet werden kann; das wird nur ausnahmsweise der Fall sein, nämlich wenn die Tat in Bayern begangen worden ist oder sonstige Tatbestände dort vorliegen. Damit finden wir uns ab. Daß aber, wenn ein Abgeordneter wegen eines Hoch-, Landes- oder Verfassungsverratsverfahrens, das sich nicht gegen das Land Nordrhein-Westfalen, sondern gegen uns alle richtet, von Bundesbehörden beansprucht wird, ein Landtag die Macht haben soll, diesen Mann dem Zugriff der Bundeshoheit zu entziehen, das vermögen wir nicht einzusehen, und hier sträubt sich unser Föderalismus. Wenn es sich um den Schutz des Bundes handelt, wollen wir beileibe nicht einem Landtag mit Rücksicht auf den Willen des dortigen Parlaments wohin das damals in Thüringen geführt hat, wissen wir älteren Juristen ja alle noch — die Möglichkeit einräumen, der Bundesregierung in den Arm zu fallen. Ich sage es offen: Ich kenne den Fall Angenfort zwar nicht. ich halte es aber von vornherein für eine unrichtige Anwendung des Immunitätsrechts, wenn ein dringender Tatverdacht wegen eines von dem Herrn Bundesanwalt zu verfolgenden Verbrechens vorliegt, in einem Land nicht als ausreichend zur Aufhebung der Immunität angesehen wird. Das macht die Demokratie im Volke nicht beliebt; denn wenn der Mann nicht zufällig im Landtag wäre, würde er ja ohne weiteres verfolgt. Da er aber kommunistischer Führer ist, sitzt er in einem Landtag und genießt einen Schutz, den seine Genossen, die nicht im Landtag sitzen, nicht haben. Dieser Methode, die also die Kraft des Landesrechts gegenüber dem Bundesrecht vergrößern soll, können wir nicht das Wort reden.
Im übrigen, Herr Kollege Arndt, ist nach Ihrer Formulierung das Domizil des Gerichts maßgebend für den Schutz, der gewährt wird. Es kann also, wie ich betonen möchte, kein Einwohner des Südweststaats, der dort in Stuttgart im Landtag
sitzt, vor dem Bundesverfassungsgericht zur Rechenschaft gezogen werden, wenn es der Landtag in Stuttgart nicht will. Bei allen anderen Landtagen geht es aber!
— Doch, da geht es unbedingt; denn in deren Bereich ist ja das Bundesverfassungsgericht nicht tätig, sondern es ist nur im Bereich der Landesgrenzen Baden-Württembergs tätig. Wenn Sie das anders wollen, dann müssen Sie mal ein halbes Jahr arbeiten, um Ihrem Antrag die Fassung zu geben, die Ihren Willen ausdrückt. Bisher ist es völlig klar, daß der Sitz des Gerichts und der Behörde maßgebend ist für den Schutz innerhalb der Landesgrenzen. Diese Anomalie ist völlig unmöglich und führt zu einer Zerrissenheit, die kein Mensch wollen kann.
Wünscht niemand mehr das Wort? — Herr Abgeordneter Renner hatte sich zunächst gemeldet. Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur eine Richtigstellung: Der Herr Bundesjustizminister hat hier soeben ausgesprochen, daß diese seine Auffassung von der Immunität der Landtagsabgeordneten, seine Auffassung von dem Recht des Eingreifens von Bundesbehörden ohne vorherige Klärung der Frage der Immunität, von den Justizministern der Länder gebilligt worden sei. Das haben mir der Herr Bundesjustizminister und sein Herr Staatssekretär Strauß vor Wochen einmal gesagt, als ich dem Herrn Minister zum erstenmal die Frage vorgelegt habe, wie er
) sich zu dieser Verhaftung des Abgeordneten verhält. Dieser Abgeordnete ist übrigens — wenn ich Sie an die Sache erinnern darf — auf Grund eines Haftbefehles, der 13 Tage alt war, „auf frischer Tat" verhaftet worden. Das nur so nebenbei! Also damals vor etwa fünf, sechs Wochen — es kann auch schon einige Tage länger her sein — haben mir die beiden Herren gesagt, es habe in ihren Räumen eine Landesjustizministerkonferenz stattgefunden und die Landesjustizminister hätten das gebilligt, was der Herr Bundesminister soeben zum Ausdruck gebracht hat. Als ich das gehört hatte, Herr Bundesjustizminister, habe ich selbstverständlich meine Freunde in Düsseldorf von dem unterrichtet, was Sie mir da erzählt haben. Meine Freunde haben nun in Düsseldorf im Ausschuß und im Landtag eine Anfrage gestellt, wie der Herr Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen — Amelunxen heißt der Herr — dazu komme, in dieser Form die Immunität von Landtagsabgeordneten seines Landes preiszugeben. Der Herr Landesjustizminister Dr. Amelunxen hat bestritten, daß er diese Geschichte mitgemacht habe.
Wer hat denn nun recht?
— Ja, ich stelle die Dinge so dar, wie sie laut Protokoll des Landtags von Nordrhein-Westfalen jederzeit kontrollierbar sind. Der Herr Minister hat bestritten, diese Zusage gemacht zu haben, an dieser Abmachung beteiligt gewesen zu sein. Soll ich noch deutlicher werden? Er hat noch etwas viel Härteres gesagt!
Und nun zurück zum Herrn Ewer s. Herr Ewers, meines Wissens gibt es in Westdeutschland, in der Bundesrepublik, noch keinen ordnungsgemäß von einem Gericht zum Hochverrat verurteilten Kommunisten. Es gibt nur einige hundert Inhaftierte. Es gibt einige Inhaftierte, die seit Monaten in Haft sind, ohne daß ein Richter wagt, die zu verurteilen. Das ist die Lage! Von Ihnen als „Vertreter des Rechtsgedankens" sollte man doch trotz Ihres hohen Alters, und obgleich Sie noch in der Bismarckschen Zeit stehen, erwarten, daß Sie nicht solche generellen Verleumdungen wiederholen, die hier gegen die Kommunisten schlechthin gang und gäbe sind. Noch muß etwas ja erst einmal bewiesen werden, und noch schaffen ja verfassungswidrige Akte gewisser Minister keinen Rechtszustand, sondern Unrecht. Es war mir ein Bedürfnis, das in diesem Zusammenhang und im Zusammenhang mit der Sache Angenfort auszusprechen.
Also der Herr Bundesjustizminister wird gebeten, sich zu meiner Behauptung zu äußern, daß der Herr Landesjustizminister Amelunxen bestreitet, eine derartige Geschichte mitgemacht zu haben.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Renner hat vorhin behauptet, der Art. 46 des Grundgesetzes habe seine Fassung auf Druck der Besatzungsmächte im Parlamentarischen Rat erhalten
oder habe die Fassung erhalten, weil die Besatzungsmächte dem Parlamentarischen Rat nicht gestattet hätten, den Zustand von Weimar aufrechtzuerhalten.
— So habe ich Sie auf jeden Fall verstanden. Vollkommen unrichtig! Der Art. 46 entspricht der frei
gefaßten Entscheidung des Parlamentarischen Rats.
Ich habe vorhin die einschlägigen Richtlinien für das Strafverfahren bekanntgegeben. Sie sind von der Justizministerkonferenz am 4. und 5. Dezember vorigen Jahres in Trier gefaßt worden. Auf der Justizministerkonferenz können Beschlüsse in Anbetracht der föderalen Struktur unserer Landesjustizverwaltungen nur einstimmig gefaßt werden. Sie sind einstimmig gefaßt worden. Der Herr Justizminister von Nordrhein-Westfalen, Herr Kollege Dr. Amelunxen, war nicht persönlich anwesend,
sondern sein Vertreter, Ministerialdirigent Dr. Krille, der für Nordrhein-Westfalen legitimiert war und diesen Richtlinien zugestimmt hat.
Ich will den Fall Angenfort nicht mehr aufgreifen. Der Herr Abgeordnete Renner gibt ihm wiederum eine falsche Darstellung. Das ganze Problem, das wir jetzt erörtern, hat bei der Verhaftung des Herrn Angenfort keine Rolle gespielt. Der Bundesgerichtshof hat bei der Prüfung der Haftfrage im Haftprüfungstermin vom 24. April 1953 ausdrücklich entschieden, daß Angenfort bei Aus-
übung der Tat festgenommen worden sei und daß schon aus diesem Grunde die Frage der Immunität überhaupt keine Rolle spielte, so daß dieses Rechtsproblem überhaupt nicht auftauchte. Nun nimmt der Herr Renner immer wieder daran Anstoß, daß der Haftbefehl schon einige Tage vorher erlassen worden sei. Herr Abgeordneter Renner, der Hochverrat pflegt ein Dauerdelikt zu sein!
Herr Abgeordneter Menzel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesjustizminister hat vorhin seine Rede mit den Worten an den Herrn Kollegen Arndt geschlossen, er möge sich „nicht aufspielen". Nun, Herr Bundesjustizminister, anscheinend meinen Sie, daß man über das Benehmen im Bundestag und über den Geschmack, wie man sich hier benimmt, streiten kann. Aber wenn ausgerechnet ein Mann wie Sie das sagt, dann können Sie davon überzeugt sein, daß das nicht überzeugt.
Herr Bundesjustizminister, Sie haben ferner erklärt, im Parlamentarischen Rat hätten wir frei entscheiden können, ob und in welchem Umfang Landtagsabgeordnete Immunität besitzen. Hier unterliegen Sie einem Gedächtnisirrtum.
Die Alliierten haben — wie auch bei anderen Vorschriften des Grundgesetzes — darauf bestanden, daß der Bund in keiner Weise in die Länderrechte eingreifen dürfe
und daß daher auch der Parlamentarische Rat nicht irgendwelche Vorschriften über die Rechte und die Pflichten und den Schutz von Landtagsabgeordneten in die Verfassung aufnehmen dürfe. Ich bedauere, daß Sie, ehe Sie vorhin diese Erklärung abgaben, das nicht sorgfältiger nachgeprüft haben.
Ein zweites. Was immer der Vertreter des Herrn Landesjustizministers von Nordrhein-Westfalen vor etwa einem halben Jahr bei einer Justizministerkonferenz in Trier für Erklärungen abgegeben haben möge,
bindend für uns ist die Erklärung, die der Herr Justizminister selbst im Landtag Nordrhein-Westfalen zu diesem Falle abgegeben hat.
Ich will Ihnen auch seine Argumente sagen. Der Landesjustizminister steht auf dem Standpunkt, daß mit dem Satz des Art. 28 des Grundgesetzes, der lautet:
Die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern muß den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates im Sinne dieses Grundgesetzes entsprechen,
sogar die Verpflichtung bestehe, nicht nur die üblichen Parlamente einzurichten, freie Wahlen zu veranstalten, sondern auch den gewählten Abgeordneten die gleichen Rechte zu geben wie einem Bundestagsabgeordneten. Daher steht der zuständige Landesjustizminister auf dem Standpunkt, daß auch der Landtagsabgeordnete die gleichen Immunitätsrechte besitze und besitzen müsse wie ein Bundestagsabgeordneter.
Drittens, Herr Kollege Ewers, auf Ihre Verdächtigung — und es war wohl als solche gemeint —, der Antrag meiner Fraktion, hier das Recht der Immunität zumindest einmal klarzustellen, sei eine Eideshilfe für die Kommunisten, die Sie damit begründeten, man müsse sich immer fragen, aus welchem Anlaß ein solcher Antrag gestellt werde, möchte ich Ihnen folgendes erwidern. Es war die einmütige Auffassung des Landtages von Nordrhein-Westfalen aus Anlaß des Falles Angenfort — und zwar auch, ich darf das wiederholen, die Auffassung der FDP-Abgeordneten und der Abgeordneten der CDU —, daß es völlig unhaltbar und politisch ein Skandal sei, daß der Oberbundesanwalt die Länderimmunität nicht achte. Man war einhellig darüber empört, daß der Herr Bundesjustizminister Dr. Dehler diesen Standpunkt deckte.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Ich bin verpflichtet, den Vorwurf gegen den Oberbundesanwalt, daß sein Verhalten ein Skandal sei, zurückzuweisen.
Herr Kollege Menzel hat offensichtlich gar nicht beachtet, was ich gesagt habe, nämlich daß diese Rechtsfrage keine Rolle gespielt hat, weil der Abgeordnete Angenfort auf frischer Tat verhaftet wurde und daß dieser Tatbestand durch den Beschluß des Bundesgerichtshofes, des obersten deutschen Gerichtes in Zivil- und Strafsachen, im Haftprüfungstermin vom 24. April bestätigt worden ist.
Die Frage, ob bei der Abfassung des Art. 46 des Grundgesetzes der Parlamentarische Rat wirklich unter dem Druck der Besatzungsmächte gehandelt hat, habe ich dem Herrn Kollegen Geheimrat Laforet und der Frau Kollegin Weber vorlegen lassen. Beide erinnern sich nicht an diese Dinge.
Ich war Mitglied des Ausschusses, der diese Frage behandelt hat,
und ich erkläre, daß keinesfalls in dieser Frage in irgendeiner Richtung eine Einflußnahme der Besatzungsmächte vorlag.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht davon gesprochen — das Protokoll wird es nachher ausweisen —, daß in dieser konkreten Frage des Art. 46 die Besatzungsmacht einen Druck ausgeübt habe.
— Das habe ich gar nicht gesagt.
— Das habe ich gar nicht gesagt! Ich bitte, das Protokoll nachzulesen, Frau Kollegin.
Ich habe nur gesagt, daß wir damals auf Grund der politischen Verhältnisse nicht in der Lage waren, an die Frage der Einbeziehung der Landtagsabgeordneten in unsere Immunitätsregelung heranzugehen.
— Nun schütteln Sie doch nicht Ihr junges, aber unweises Haupt. Die Sache ist doch an dem Fall Landwehr und an einem konkreten Fall im Landtag von Nordrhein-Westfalen damals durchexerziert worden. Wir Kommunisten haben im Parlamentarischen Rat sogar den Antrag gestellt, die Immunitätsregelung auf die Landtagsabgeordneten auszudehnen. Niemand hat hier behauptet, daß die Besatzungsmacht, wie das bei anderen Gelegenheiten ja so oft vorgekommen ist, in diesem speziellen Fall mit dem Bleihammer auf den Parlamentarischen Rat geschlagen hat. Das habe ich nicht gesagt; aber der Druck war da, und wir durften damals nicht an die Dinge herangehen. Insofern hat der Kollege Menzel recht und der Bundesjustizminister einmal mehr unrecht.
Nun zu dem „Haftprüfungstermin"! Es ist ja das zweite Mal, daß uns der Bundesjustizminister belehrt hat, daß wir Kommunisten — sozusagen im Schlafe noch — „kontinuierliche Hochverräter" seien, im Schlafe noch Hochverrat begingen. Sie haben schon einmal gesagt, daß Hochverrat ein kontinuierliches Verbrechen ist. Ja, ich weiß zwar nicht, wie das zugehen soll. Wenn ich schlafe, bin ich ein ganz friedlicher Mensch.
Um aber aus den Umständen der Verhaftung des Abgeordneten Angenfort zu konstruieren, daß er auf frischer Tat ertappt worden ist, dazu gehört mehr, als ein normaler Jurist kann. Der Jupp Angenfort geht in Duisburg spazieren, und da kommt ein Kommando der Ihnen so nahestehenden Sonderpolizei. In dem Wagen war übrigens eine „Dame". Das war die Dame, die den Herrn Angenfort „eruiert" hat, wie man so sagt; das war die Spitzelin. Das haben wir inzwischen herausgekriegt. Diese Spitzelin hat die Polizei darauf aufmerksam gemacht: „Das ist der Abgeordnete Angenfort". Und so ist der Abgeordnete Angenfort „auf frischer Tat ertappt" worden, und zwar bei einem Spaziergang in Duisburg. Daß sich das Bundesverfassungsgericht beim Haftprüfungstermin hinterher nicht selbst ins Gesicht geschlagen hat, ist verständlich, daß es das tun könnte, traue ich ihm gar nicht einmal zu.
Also für mich ist diese Bestätigung im Haftprüfungstermin nur eine Bestätigung der falschen Behauptung, die schon von Anfang an riskiert worden ist: der Abgeordnete ist auf frischer Tat ertappt worden.
So sehen die Dinge also in Wirklichkeit aus. Ich bin dankbar dafür, daß wir vom Herrn Minister jetzt endlich auch den Namen des Vertreters des Herrn Landesjustizministers Dr. Amelunxen auf dieser nebulösen Landesjustizministerkonferenz in Trier erfahren haben. Von dem Herrn Krille werden wir noch etwas hören, Herr Minister. Dieser Sache werden wir auch mal nachgehen. Wahrheit ist aber, was der Herr Kollege Menzel über die Haltung des Herrn Landesjustizministers Amelunxen gesagt hat. Das ist in den Protokollen des Landtags von Nordrhein-Westfalen nachzulesen. Ich lasse die Frage offen, wo nun der Widerspruch liegt, im gedruckten Wort des Protokolls oder in der Darstellung des Herrn Bundesjustizministers aus hohlem Bauch.
Meine Damen und Herren, keine weitere Wortmeldung? — Ich schließe die Besprechung zu Ziffer 5 und komme zur Abstimmung über den Ergänzungsantrag der Fraktion der SPD, Umdruck Nr. 909 Ziffer 1. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Ergänzungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 5 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Ziffer 5 ist angenommen.
Zu Ziffer 6 liegt ein Änderungsantrag der Gruppe der KPD vor. Herr Abgeordneter Renner wünscht, gleich sämtliche Änderungsanträge zu den weiteren Bestimmungen zu begründen. Ich nehme an, daß das der Vereinfachung dient und daß das Haus damit einverstanden ist.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will es wirklich kurz machen.
In Art. 1 Ziffer 6 steht im Augenblick folgende Formulierung des § 12:
Wahrheitsgetreue Berichte über die öffentlichen Sitzungen der in § 11 bezeichneten Gesetzgebungsorgane oder ihrer Ausschüsse bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei.
Ohne mir die Auslegung zu eigen zu machen, die man in der Praxis bei uns jetzt dem Adjektivum wahrheitsgetreu" gegeben hat, ohne diese Auslegungskunststücke mitzumachen, nur um Ihnen eine gewisse Inkonsequenz in Ihrer Haltung als „Europäer" zu zeigen, haben wir uns erlaubt, — —
— Quatsch! Ich bin aber konsequent, lieber verehrter Herr Kollege, und ich wollte Sie nur auf Ihre Inkonsequenz hinweisen, die in der Ablehnung dieses Antrages besteht. — Wir haben also beantragt, diese Vergünstigung der Ziffer 6 auf alle wahrheitsgetreuen Berichte über die Sitzungen der Gesetzgebungsorgane aller Länder und ihrer Ausschüsse auszudehnen. Nun, Europäer, tretet auf, werdet aktiv! Denn auf die Dauer ist es ja nicht zu verheimlichen: wenn ihr einmal in dem großen Verein zusammengeschlossen seid unter Führung Eisenhowers, dann kriegt ihr ja doch keine Möglichkeiten mehr, die Veröffentlichung dieser Dinge aufzuhalten.
Zu Art. 2 Ziffer 4 haben wir beantragt, folgende Streichung vorzunehmen. Es heißt dort
Strafaussetzung zur Bewährung wird nur angeordnet, wenn' die Persönlichkeit des Verurteilten und sein Vorleben in Verbindung mit seinem Verhalten nach der Tat oder einer günstigen Veränderung seiner Lebensumstände erwarten lassen, daß er unter der Einwirkung der Aussetzung in Zukunft ein gesetzmäßiges und geordnetes Leben führen wird.
Das ist der Auftakt zu unserem Antrag.
Nun gibt es gewisse Bestimmungen bezüglich der Strafaussetzung. Es sollen gewisse Voraussetzungen dafür gegeben sein, und in Ihrem Gesetzentwurf, der vom Ausschuß gebilligt worden ist, heißt es, daß eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht angeordnet werden darf, wenn das öffentliche Interesse die Vollstreckung der Strafe erfordert. Wir sind der Auffassung und der Überzeugung, daß bei der Mentalität, die sich in unserer Justiz durchgesetzt hat, eine derartige Formulierung geradezu einer parteilichen, klassenmäßigen Auslegung dieser Ausschußbestimmung Tür und Tor öffnet. Um es einmal in ganz verständlichem Deutsch zu sagen: wir sind der Auffassung, daß jeder Staatsanwalt die Strafaussetzung auch bei Vorliegen aller anderen im Gesetz vorgeschriebenen Bedingungen ablehnen wird, wenn es sich um einen Kommunisten oder um einen Kämpfer für den Frieden und die Einheit Deutschlands handelt. Der Auffassung sind wir. Wir kennen unsere Justiz, wir kennen die Absichten der Regierung, wir kennen die Herren Justizminister; und da das auf dem Verordnungsweg sogar noch geregelt werden soll, sind wir der Meinung: Principiis obsta!
Streichen wir diesen Paragraphen, der der politischen Willkür Tür und Tor öffnet!
Zu Art. 2 Ziffer 4 stellen wir zu § 24 den Antrag, die Absätze 2 und 6 zu streichen. In Abs. 2 heißt es, daß das Gericht einem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit, die man ihm eingeräumt hat, Pflichten auferlegen kann, um seine Lebensführung zu beeinflussen. Wir haben also in diesen Ziffern die Bestimmungen, die die Polizeiaufsicht regeln; und da mißfällt uns die Formulierung der Ziffer 2, in der es heißt, daß eine der Verpflichtungen, die dem Entlassenen auferlegt werden können, die sein soll, Weisungen zu befolgen, die sich ,auf den Aufenthaltsort, auf die Ausbildung, auf die Arbeit und auf die Freizeit — im Urtext hieß es „Freizeitgestaltung" — beziehen. Wir haben hier also eine unserer Auffassung nach mit der Verfassung im Widerspruch stehende Reihe von „Auflagen", die im Sinne einer Polizeiaufsicht einem Manne, dessen Strafe ausgesetzt worden ist, auferlegt werden können. Hier werden also klar gewisse Bestimmungen des Grundgesetzes außer Funktion gesetzt. Danach kann die Polizeibehörde nicht nur seinen Aufenthaltsort bestimmen; sie kann seine Ausbildung bestimmen; sie kann sogar bestimmen, welche Arbeit der Mann zu leisten hat, und sie hat das Recht, ihm zu sagen: lieber Freund. Kinobesuch etwa und Besuch von politischen Versammlungen und adenauerfeindliche Haltung kommen nicht in Frage! — Das steht in der Bestimmung, eindeutig und klar, und darum verlangen wir ihre Streichung!
Dasselbe gilt in bezug auf Ziffer 6 dieses Paragraphen, in der es heißt, daß, wenn der Verurteilte sich bewährt hat, die Strafe nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen werden kann, daß aber dann noch immerhin die Möglichkeit besteht, den Betreffenden unter die Aufsicht oder unter die Leitung eines „Bewährungshelfers" zu stellen. Was ist das, der Bewährungshelfer? Wenn man ihn kennt, wenn man aus der Praxis weiß, wie schädlich oft die Methoden sind, die die Polizei bei der Durchführung ihrer „Aufsichtspflicht" gegenüber diesen Menschen anwendet, dann muß man wünschen, daß diese Möglichkeiten weitestgehend eingeengt werden. Wie oft hat schon ein Mann seinen Arbeitsplatz verloren allein auf Grund der Tatsache, daß auf Grund der Methoden der Polizeiaufsicht bekanntwurde, daß es sich um einen „Vorbestraften" handelt! Also allein diese Tatsache, die schon oft genug in der öffentlichen Kritik herausgestellt worden ist, sollte Ihnen Anlaß geben, unserem Antrage zuzustimmen.
In Art. 2 stellen wir zu § 106 a einen Antrag, der darauf hinausläuft, die Sonderbestrafung bzw. die Höherbestrafung bei Verletzung des Bannkreises aus dem Gesetz zu beseitigen. Wir halten schon die Einführung des Bannkreises für verfassungswidrig und undemokratisch. Noch viel mehr aber sind wir der Auffassung, daß eine Verletzung des Bannkreises nicht durch eine über das normale Strafmaß hinausgehende Strafe geahndet werden darf.
Zu Nr. 12 b in Art. 2 haben wir ebenfalls einen Antrag gestellt. Hier heißt es im Text, daß, wer von dem Vorhaben oder der Ausführung eines Hochverrats — §§ 80, 81 usw. —, eines Verfassungsverrats — § 89 —, eines Landesverrats usw. glaubhaft erfährt und es unterläßt, der Behörde oder dem Bedrohten rechtzeitig Anzeige zu machen, in schweren Fällen mit einer Strafe bis zu fünf Jahren Zuchthaus belegt werden kann. Bei der Tatsache, daß heute die Begriffe Landesverrat und Hochverrat ja noch nicht einmal einheitlich von den Gerichten dieser Bundesrepublik beurteilt werden, — —
— Ja, es gibt Gerichte, die z. B. festgestellt haben, daß das Verbot der FDJ verfassungswidrig sei!
Ist Ihnen das bei Ihrer angestrengten Tätigkeit als Abgeordneter entgangen? Es gibt ein Gericht in der Bundesrepublik, das vor zwei bis drei Wochen durch Urteil ausgesprochen hat, daß die Anordnung der Bundesregierung, die Freie Deutsche Jugend sei verfassungswidrig, selbst Verfassungsbruch ist, daß die FDJ nicht verboten ist.
— Nein, nein, solche KPD-verwandten Gebiete existieren ja bei Ihnen nicht! Machen Sie doch keine Scherze! Sie haben doch bei der „Entnazifizierung" dafür gesorgt, daß die Justizbehörden nicht tangiert wurden. Dort sitzen doch noch mit Zustimmung und auf Anordnung der Besatzungsmächte alle die Richter, die Staatsanwälte, die unter Hitler amtiert haben, in den leitenden Positionen.
Sie waren bei Art. 2, Herr Abgeordneter Renner.
Ich muß mich aber doch gegen einen solchen unqualifizierbaren Zwischenruf zur Wehr setzen dürfen!
Wir sind also der Meinung, daß, da die Materie selbst noch sehr auslegungsbedürftig ist, man es nicht einem einfachen, harmlosen Menschen zumuten sollte, von sich aus zu begreifen, was das ist: „Vorbereitung zum Hochverrat", „Verfassungsverrat", „Landesverrat". Wenn dann dieser arme Teufel, der wegen vollkommener Unkenntnis des Inhalts dieser Begrifte nun, nehmen wir einmal an, tatsachlich hinter eine solche „ Vorbereitung" gekommen sein sollte und das nicht rechtzeitig zur Anzeige bringt, dann blüht ihm eine Bestrafung bis zu fünf Jahren Zuchthaus. Meine Damen und Herren, das ist doch einfach unhaltbar!
— Herr Krone, lassen Sie ihn sich ruhig austoben! Der beruhigt sich nachher wieder. Mich stört es ja nicht.
Nun zu Art. 4 Ziffer 8. Das ist der Abschnitt, in dem das Recht der Zeugnisverweigerung geregelt wird. Wir beantragen dazu die Schaffung eines vollen, uneingeschrankten Rechtes der Zeugnisverweigerung auch für Redakteure und politisch verantwortliche Leiter von Rundfunkanstalten, von Sendern. Wir sind der Meinung, daß die Einschränkungen, die hier vorgesehen sind, mit Demokratie und Ihrem Grundgesetz nichts mehr zu tun haben.
Weiter verlangen wir, den Art. 5 ganz zu streichen, der die Wiedereinführung des sogenannten Arbeitshauses bringt, des Arbeitshauses, das in der amerikanischen Zone auf Grund eines Sonderbefehls der Amerikaner ja noch nicht besteht.
— Nein, dort besteht es noch nicht. Das steht doch in Ihrer eigenen Erklärung. Es soll doch wieder auf die ganze Bundesrepublik übertragen werden.
— Selbst wenn ich mich irren sollte, ändert das nichts an der Beurteilung, die ein moderner Mensch an den Begriff „Arbeitshaus" anlegen sollte. Arbeitshäuser passen nicht in einen modernen Strafvollzug. Wer in Nordrhein-Westfalen lebt und Brauweiler aus der Erinnerung kennt, der weiß, wie notwendig es ist, daß solche Einrichtungen verschwinden. Man soll einen geregelten modernen Strafvollzug einführen. Aber man soll verhüten, daß Menschen, die nicht einmal ordnungsgemäß verurteilt sind, willkürlich in solche Anstalten gesperrt werden können
und daß sie dort durch gewisse „demokratische"
Unternehmer, die dann noch im allgemeinen Mitglied der CDU sind, Herr Wuermeling, maßlos ausgebeutet werden. Das möchte ich verhüten. Ich weiß nicht, ob Sie einmal das Glück hatten, einer solchen Ausbeutung in einem preußischen oder hitlerfaschistischen Gefängnis zu unterliegen.
Ich weiß, wie sich da die frommen Unternehmer
an der Ausbeutung der Gefangenen gesundgestoßen haben. Daß sich das bis heute nicht geändert
hat, ist ein Skandal. Aber daß Sie es nicht ändern,
sondern es durch die Beibehaltung der Arbeitshäuser noch verschärfen wollen, das fällt auf Sie zurück, und das ist ebenfalls ein Skandal.
Das sind unsere Anträge zu dem Gesetzentwurf. Wir bitten Sie, diese unsere Anträge einer sachlichen und ruhigen Beurteilung zu unterziehen und ihnen stattzugeben, nicht aber solche „Heißsporne" wie den Herrn Wuermeling zu Beratern Ihrer „demokratischen Grundsätze" zu erheben.
Ich unterstelle, daß weitere Wortmeldungen zu diesem Punkt nicht vorliegen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Gruppe der KP. Ich darf annehmen, daß Sie die Formulierung des Antrags des Herrn Abgeordneten Renner zu Ziffer 6 im Kopf behalten haben. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Bitte die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 6 in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich rufe die folgenden Ziffern nacheinander auf und bitte Sie, wenn Sie zu einer Ziffer das Wort zu nehmen wünschen, das kenntlich zu machen.
Ich rufe auf die Ziffern 7, — 8, — 9, — 10, —11, -12,-14,-15,-16,-17,-18,-21,22,-23,-24,-25,-26a,-27,-28,-29,
— 30 a, b, c, d, — 31 bis 35,-36,-37 a, b, c. — Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Ziffern des Art. 1 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
— Das ist die Mehrheit; diese Ziffern sind angenommen.
Ich rufe auf Art. 2, und zwar zunächst die Ziffern 1, — 2, — 3. — Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Ziffern des Art. 2 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Zu Ziffer 4 sind die beiden Änderungsanträge der Gruppe der KP von Herrn Abgeordneten Renner bereits begründet worden. Werden weitere Änderungsanträge zu Ziffer 4 gestellt? — Den Antrag der SPD Umdruck Nr. 909 Ziffer 2 und Ziffer 3 begründet Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bedauern es, daß das Gnadenrecht gewissermaßen mit der linken Hand als ein unselbständiger Bestandteil des Strafgesetzbuchs hier fragmentarisch geregelt worden ist. Unserer Auffassung nach verdient das Gnadenrecht eine Kodifizierung in einem systematisch geordneten Gesetz. Gleichwohl begrüßen wir es, daß hier wieder die Regelung eingeführt wird, wie sie vor der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft bestanden hat, nämlich die, daß die Gerichte selber Strafaussetzung gewähren dürfen.
§ 24 des Strafgesetzbuchs begann in der Regierungsvorlage mit den Worten: „Das Gericht greift für die Dauer der Bewährungszeit in die Lebensführung des Verurteilten durch Auflagen ein." Der Ausschuß hat statt dessen vorgeschlagen: „Das Gericht legt dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Pflichten auf, um seine Lebensführung zu beeinflussen." Wir haben gegen die Ausdrucksweise „Pflichten auferlegen" Bedenken,
weil „Pflichten" dem Begriff „Rechte" entsprechen müssen und diese Fassung unter Umständen zu dem Irrtum verleitet, die Pflichten seien irgendwie vollstreckbar oder durchsetzbar. Das ist vom Ausschuß ja auch wohl nicht gemeint. Außerdem ist die in der Einleitung des § 24 gewählte Ausdrucksweise in den weiteren Paragraphen des Gesetzes nicht beibehalten worden. Später ist niemals mehr von den „Pflichten" die Rede, sondern da wird sehr viel korrekter von den „Auflagen" gesprochen, die das Gericht dem Verurteilten macht. Diese Gründe waren für die Einbringung unseres Antrages maßgebend.
Herr Abgeordneter D r. Schneider hat mich dahingehend verständigt, seine Freunde könnten unserem Änderungsantrag zustimmen, wenn wir folgende Fassung, die ich dem Herrn Präsidenten gleich überreichen darf, wählten: „Das Gericht macht dem Verurteilten für die Dauer der Bewährungszeit Auflagen. Insbesondere kann es ihm auflegen ..." Dann folgen die einzelnen Möglichkeiten. Der einzige Unterschied zwischen dem Vorschlag des Abgeordneten Schneider und dem Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion besteht darin, daß nach unserer Formulierung das Gericht zwar ermächtigt, aber nicht verpflichtet ist, Auflagen zu machen, während das Gericht nach dem Vorschlag des Herrn Abgeordneten Schneider grundsätzlich dazu verpflichtet ist, es sei denn, daß eine der Ausnahmen nach Abs. 2 eingreift. Wir halten aber diesen Unterschied nicht für so schwerwiegend, so daß wir uns auch den Vorschlag des Herrn Abgeordneten Schneider zu eigen machen und unseren Antrag hiermit in der dadurch abgeänderten Fassung stellen.
Begründen Sie auch gleich Ziffer 5 § 24!
Zu Ziffer 5 darf ich folgendes sagen. Zu den Auflagen, die das Gericht einem Verurteilten machen kann, gehört verständlicherweise auch die, daß er einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung zahlen soll. Nun wollen wir die Gerichte davor schützen, daß sie sich auch nur dem Anschein aussetzen, unter 'den verschiedenen in ihrer Liebestätigkeit miteinander in Wettbewerb stehenden gemeinnützigen Einrichtungen eine Wahl zu treffen oder Partei zu ergreifen. Das könnte zu Weiterungen führen, die sowohl für das Gericht als auch für die Rechtspflege überhaupt nachteilig sind. Wahrscheinlich ist wohl auch nur gemeint, daß das Gericht sagen soll, der Verurteilte muß an eine gemeinnützige Einrichtung eine Buße zahlen, ganz gleich ob nun das Rote Kreuz, der Caritas-Verband, die Arbeiterwohlfahrt, die Innere Mission oder was immer in Betracht kommen mag. Um jeden Zweifel und jede Schwierigkeit auszuschließen, wollen wir hinter „Einrichtung" die Worte einfügen: „nach seiner Wahl", so daß es dem Verurteilten, der die Buße ja als Zeichen seiner Wiedergutmachungsgesinnung und seiner Läuterung leistet, überlassen bleiben muß, sich unter den gleichrangigen und gleichwertigen gemeinnützigen Einrichtungen die auszusuchen, die seinem Herzen am nächsten steht.
— Die Rote Hilfe, Herr Abgeordneter Weber, ist
zur Zeit im Westen nicht als gemeinnützige Einrichtung anerkannt. Das Bedenken brauchen wir nicht zu haben.
Meine Damen und Herren! Keine weiteren Wortmeldungen. — Der Herr Bundesminister der Justiz.
Der Eingangsfassung des § 24 Abs. 1 stimme ich ebenfalls zu. Zum Antrag zu § 24 Abs. 1 Ziffer 5, wonach es dem Verurteilten überlassen werden soll, an welche gemeinnützige Einrichtung er eine ihm auferlegte Geldbuße zahlen will, habe ich Bedenken, wenn die Dinge auch nicht ganz einfach liegen. Ich glaube, daß in der geforderten Änderung eine zu weitgehende Freistellung des Verurteilten läge. Es könnten unerquickliche Streitigkeiten darüber entstehen, welche Einrichtungen alsgemeinnützig behandelt werden.
Ich meine, man muß dem Richter so viel Vertrauen entgegenbringen, daß er die Entscheidung in zweckmäßiger und taktvoller Art trifft. Ich kenne die Dinge aus der Praxis und weiß, daß ein vernünftiger Richter so verfährt, daß der Geldbetrag, der bei Aussetzung der Strafe einem Verurteilten auferlegt wird, im Sinne des Verurteilten an eine gemeinnützige Einrichtung geleitet wird. Ich bitte also, diesem Antrag nicht zu entsprechen.
Herr Abgeordneter Dr. Arndt, bitte!
Dr. Arndt Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf Sie darauf aufmerksam machen, daß in diesem selben Gesetz an einer anderen Stelle dem Verurteilten noch eine sehr viel weitergehende Wahlbefugnis eingeräumt ist. Er darf nämlich aus seiner Strafhaft vorzeitig vom Gericht nur entlassen werden, wenn er zustimmt. Ich nehme an, daß das auch seinen Sinn darin hat, daß einem Verurteilten die Gelegenheit gegeben werden soll, eine Strafe im echtesten Sinne zu verbüßen, wenn er es für angemessen hält. Nun, wenn man so weit geht, wie da gegangen worden ist, dann sollte man auch beim Auferlegen der Buße dem Verurteilten dieses Recht einräumen, unter den gemeinnützigen Einrichtungen zu wählen. Sie alle wissen — anscheinend ist auch hier wieder ein Gedächtnisirrtum des Herrn Bundesjustizministers —, daß das, was gemeinnützige Einrichtung ist, festliegt; das ist feststellbar, steuerlich vor allem, so daß irgendein Zweifel darüber, was als gemeinnützige Einrichtungen in Betracht kommen kann, unmöglich ist. Ich möchte Sie doch davor bewahren, den Gerichten ein Danaergeschenk zu machen dadurch, daß die Richter unter Umständen den Anschein erwekken oder auch zu dem Vorwurf kommen, die eine oder die andere gemeinnützige Einrichtung zu bevorzugen. Der Sinn der Buße ist, daß der Verurteilte dabei aktiv werden soll. Dann muß man es auch ihm überlassen, welchen gemeinnützigen Zweck er in erster Linie zu unterstützen für richtig hält, um sich als einer zu erweisen, der Strafaussetzung verdient hat.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich wundere mich in etwa, daß die SPD-Fraktion diese Auflage unter 1, 2, 3, 4 und 5 überhaupt billigt. Aber zu Ihrem Antrag bzw. zu
der Antwort des Herrn Bundesministers der Justiz ist folgendes zu sagen. Was Herr Arndt so schonend, wie das seine Art ist, in die Form gekleidet hat, man möge sich doch hüten, den Herren Richtern ein Danaergeschenk in die Hand zu drücken, das will ich einmal in verständliches Deutsch übertragen.
Wer entscheidet über die Bewilligung einer Bewährung? Der Richter! Wo sind die Richter in der Mehrzahl weltanschaulich verankert? Beim Herrn Dehler und der Koalition! Der arme Sünder, der verurteilt ist und raus will, also auf Bewährungsfrist losgeht, der wird natürlich die leiseste Möglichkeit, seine Chance zu verbessern, wahrnehmen. Wenn er dann seine „Gabe" an eine im guten Geruche stehende gemeinnützige Anstalt gibt, dann fördert das normalerweise das Entgegenkommen der Gerichtsbehörde außerordentlich. Hier haben Sie also nichts anderes in ein Gesetz eingekleidet als einen Anreiz zu Spenden für die Ihnen genehmen gemeinnützigen Anstalten. Das ist der Hintergrund Ihrer Regelung. Ich habe den Zwischenruf gemacht: Warum ergänzen Sie den Antrag nicht durch Hinzufügen der Worte „oder den Wahlfonds der CDU?"
Das wäre eine durchaus in der Linie Ihrer Auffassung liegende, wohltuende Ergänzung der Ziffer. Warum machen Sie denn das nicht? So schlau sind Sie natürlich, daß Sie das im Gesetz nicht verankern.
Aber was Sie wollen, das hat Herr Dehler ganz klar zum Ausdruck gebracht. Sie wollen, daß die Gelder den Ihnen nahestehenden Wohlfahrtseinrichtungen zufließen; das wollen Sie. Und das überschreiben Sie dann noch mit „Demokratie"!
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Beratung zu Ziffer 4.
Zunächst Abstimmung über den Antrag der Gruppe der KP, im § 23 die Ziffer 1 zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Weiter der Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion Umdruck Nr. 909 Ziffer 2 betreffend § 24 Abs. 1, und zwar in der neuen Fassung, die von Herrn Abgeordneten Arndt vorgelegt worden ist. Ich brauche sie nicht noch einmal zu verlesen.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag betreffend § 24 Abs. 1 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die überwiegende Mehrheit; der Antrag ist angenommen.
Dann der Antrag der Gruppe der KPD, die Ziffern 2 und 6 in § 24 zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ferner der Antrag, den -Herr Abgeordneter Arndt eben begründet hat, betreffend Ziffer 5, auf Einfügung der Worte „nach seiner Wahl". Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Meine Damen und Herren, ich vermag bei dieser unterschiedlichen Besetzung des Hauses nicht festzustellen, wo die Mehrheit ist. Ich bitte, das im Wege des Hammelsprungs zu entscheiden. Wer für den Antrag des Herrn Abgeordneten Arndt ist, begibt sich durch die Ja-Tür.
Ich bitte mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte die Türen zu schließen.
Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den Antrag haben gestimmt 123 Abgeordnete, dagegen 130 bei null Enthaltungen. Der Antrag ist abgelehnt.
Damit sind die Änderungsanträge betreffend Ziffer 4 erledigt. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 4 insgesamt zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen angenommen.
— Meine Damen und Herren, darf ich Sie bitten, Ihre Plätze einzunehmen und uns die Freude Ihrer Anwesenheit weiter zu gönnen! Wir kommen dann mit der Abstimmung besser durch.
Ich rufe auf die Ziffern 5, — 5 a, — 5 b, — 6, — 7,
— 8. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Ziffern zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
— Meine Damen und Herren, ich habe vorhin schon darauf hingewiesen, daß der von Herrn Abgeordneten Schneider vorgetragene Änderungsantrag betreffend § 42 f Abs. 3 zum Antrag des Ausschusses vermerkt worden ist. — Diese Ziffern sind angenommen.
Zu Ziffer 8 a liegt auf Umdruck Nr. 909 unter Ziffer 4 ein Änderungsantrag vor, § 93 ersatzlos zu streichen. Wer wünscht, ihn zu begründen? — Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie bereits aus den Ausschußberatungen bekannt ist, kann meine Fraktion sich mit dieser Neufassung des § 93 StGB nicht einverstanden erklären. Die Regierungsvorlage enthielt eine solche Bestimmung nicht. Es könnte daher schon Bedenken aus der Geschäftsordnung unterliegen, ob es überhaupt zulässig ist, in die Vorlage einen völlig andersartigen und neuen Paragraphen aufzunehmen. Auf alle Fälle aber ist es eine schlechte Art der Gesetzgebung, eine Vorschrift, die der Bundestag soeben erst verabschiedet hat und die vor ganz kurzer Zeit verkündet ist, nun schon wieder zu ändern, ehe sich überhaupt ihre praktische Anwendung übersehen läßt. Das vorangegangene Strafrechtsänderungsgesetz hat auch mit unserer Zustimmung damals in das Strafgesetzbuch einen § 93 eingeführt, der die stichwortartige
Bezeichnung trägt „Einfuhr verfassungsverräterischer Publikationen". Dabei lag der Akzent auf „Einfuhr", und der innere Sinn der Vorschrift war der, daß wir den Verbreiter gewisser Publikationen dann strafrechtlich fassen wollten, wenn es hier im Westen nicht möglich ist, den Hersteller, Drucker oder sonstwie Verantwortlichen, den Autor insbesondere, strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Eine solche Vorschrift, die ohnehin problematisch ist und damals schon auf einen gewissen Widerstand im Bundesrat stieß, erklärt sich überhaupt nur aus der ungücklichen Lage Deutschlands, seinem Gespaltensein, das uns dazu gezwungen hat, den Versuch mit einer derartigen Bestimmung, wie § 93 sie enthält, zu machen. Jetzt ist dagegen etwas völlig anderes daraus geworden. Jetzt soll dieser § 93 strafrechtlich die freie Meinungsäußerung in einer Weise einschränken, die wir nicht mehr für vertretbar halten.
Ich bedaure, daß ich Ihre Geduld etwas in Anspruch nehmen muß, um das zu erklären. Jetzt soll nach § 93 neuer Fassung, wie der Ausschuß sie vorgeschlagen hat, bestraft werden, wer gewisse Schriften, Schallaufnahmen usw. herstellt, vervielfältigt oder verbreitet, also auch gerade dann, wenn das hier im Westen geschieht, der Hersteller, der Verbreiter also ohnehin nach den sonst bestehenden strafrechtlichen Bestimmungen für seine Äußerungen zur Verantwortung gezogen werden kann. Zur einzigen Voraussetzung ist gemacht, daß der Inhalt dieser Schriften oder Abbildungen oder Schallaufnahmen dazu bestimmt ist, Bestrebungen herbeizuführen oder zu fördern, die darauf gerichtet sind, einmal „den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen" — dagegen haben wir nichts einzuwenden; aber das wird
ja wahrscheinlich ohnehin schon nach anderen Vorschriften bestraft werden können — „oder einen der in § 88 bezeichneten Verfassungsgrundsätze zu beseitigen, außer Geltung zu setzen oder zu untergraben".
Wir waren uns schon bei der Verabschiedung des vorangegangenen Strafrechtsänderungsgesetzes darüber im klaren, daß der § 88 notgedrungen in einer für ein Strafgesetz kaum noch erträglichen Weise summarisch die Verfassungsgrundsätze aufzählt. Dazu gehört in § 88 Abs. 2 Ziffer 4 auch die parlamentarische Verantwortlichkeit der Regierung. Nun ist bekannt, daß sich meine Fraktion und Partei überwiegend für das sogenannte echte parlamentarische System auszusprechen pflegt. Aber nach dieser Vorschrift — und das scheint uns unter allen Umständen zu weit zu gehen — würde sich bereits strafbar machen, wer sich hier im Inland durch irgendeine Schrift etwa für eine legitime demokratische Verfassungsänderung in Richtung auf das sogenannte System der Präsidialdemokratie, kurz gesagt auf das amerikanische System, einsetzen würde. Der Betreffende würde nach diesem § 93 neuer Fassung bestraft werden. Im Bundesrat hat seinerzeit Herr Küster für das Land — damals noch — Württemberg-Baden bereits dieselbe Behauptung für die alte Fassung aufgestellt. Damals ging sie meines Erachtens zu weit, und da ist es ja auch eine Frage der Genehmigung der Einfuhr, während es jetzt so liegt, daß — und Sie, Herr Abgeordneter Schneider, sind ja z. B., glaube ich, ein Anhänger des Präsidialsystems —, wenn Sie jetzt eine Broschüre verfassen, durch die Sie dafür eintreten, daß in Zukunft nach amerikanischem Vorbild der Regierungschef in direkter oder indirekter Wahl vom Volke gewählt wird und wir die Bestimmungen der amerikanischen Verfassung in etwa nachahmen, Sie nach diesem § 93 bestraft werden würden. Eine solche Ausdehnung der strafrechlichen Einschränkung der freien Meinungsäußerung erscheint uns unerträglich und auch der öffentlichen Meinung nicht förderlich. Wir sehen keine Veranlassung, bei der Gelegenheit dieses Gesetzes an einer Bestimmung etwas zu ändern, die der Bundestag erst vor ganz kurzer Zeit einhellig verabschiedet hat.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich nehme nicht an, daß geschäftsordnungsmäßige Bedenken gegen die Einfügung dieser Bestimmung bestehen können. Es ist richtig, daß der § 93 in seiner gegenwärtigen Fassung erst vor kurzem beschlossen worden ist. Aber die Taktik der Staatsfeinde hat sich seitdem eben wesentlich geändert, und das führt dazu, den § 93 zu erweitern und auf andere Tatbestände zu erstrecken. In ihrer bisherigen Form richtet sich die Bestimmung nur gegen die Einführung von staatsgefährdenden Schriften und von sonstigem staatsgefährdenden Propagandamaterial in das Bundesgebiet und gegen die Verbreitung solchen eingeführten Propagandamaterials und auch gegen das Vorrätighalten derartigen Materials. Als man diese Bestimmung beschloß, ging man von der Tatsache aus, daß solches Material überwiegend aus der Sowjetzone eingeführt wurde, und zwar in gewaltigen Mengen. Sobald das Gesetz in Kraft getreten war, wurde die Methode vollkommen geändert. Das Propagandamaterial wurde im Inland hergestellt und verbreitet. Nur dieser veränderten Taktik der Staatsfeinde soll die nunmehrige Bestimmung begegnen.
Man muß doch damit rechnen, daß sich die Dinge verschärfen. Der § 93 in seiner jetzigen Form wäre ein völlig untaugliches und unzureichendes Mittel zur Bekämpfung dieser Propagandamethoden. Er versagt vor allem erstens, wenn das Material in der Bundesrepublik selbst hergestellt wird — und zwar gegenüber allen Beteiligten, also vor allem auch gegenüber dem Drucker und gegenüber dem Verbreiter —; er versagt zweitens, wenn lediglich ein Exemplar einer staatsgefährdenden Druckschrift in die Bundesrepublik eingeführt wird und hier erst vervielfältigt wird; drittens versagt die Bestimmung auch, wenn dem Verbreiter staatsgefährdenden Materials nicht nachzuweisen ist, daß er die Herkunft aus einem Gebiet außerhalb der Bundesrepublik kannte.
Diese sehr empfindlichen Lücken werden nicht dadurch ausgeglichen, daß das Propagandamaterial unter Umständen auch gegen andere Vorschriften des Ersten Strafrechtsänderungsgesetzes verstößt und deswegen beschlagnahmt werden kann, z. B. gegen § 84 — Hochverräterische Publikation —, § 91 — Verfassungsverräterische Zersetzung —, § 96 — Beschimpfung der Bundesrepublik —, § 99 — Verunglimpfung eines Gesetzgebungsorgans oder der Bundesrepublik —. Denn diese staatsgefährdende Propaganda stellt sich erfahrungsgemäß darauf ein, dort, wo es ihr wichtig ist, die Verletzung derartiger spezieller Strafvorschriften, auch den Anschein des Hochverrats zu vermeiden. Will man also dieser doch beängstigenden staatsgefähr-
denden Propagandawelle einen wirksamen Riegel vorschieben, so ist die Ausweitung des § 93, wie sie im Rechtsausschuß beschlossen worden ist, unumgänglich. Gerade sie schließt die Lücken des § 93, die ich aufgezeigt habe.
Die Sorge, die in dem Antrag des Herrn Antragstellers auftauchte, die Vorschrift könne zu weit ausgedehnt werden oder könne selbst auf legale Versuche der Verfassungsänderung erstreckt werden, teile ich nicht.
Schon die bisher vorliegenden Kommentare zu § 93 haben die richtige Linie in der Auslegung gefunden, und die Wissenschaft und die Strafrechtspraxis werden auch in der Durchführung der neuen Fassung des § 93 den richtigen Weg finden und niemals zu so unmöglichen Ergebnissen kommen, wie sie der Herr Antragsteller befürchtet.
Herr Abgeordneter Renner!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sprecher der SPD hat die Hintergründigkeit dieses Paragraphen meiner Meinung nach richtig dargelegt. Der Herr Justizminister hat uns die Notwendigkeit der Schaffung dieses Paragraphen mit der „neuen Taktik der Staatsfeinde" begründet. Der Sprecher der SPD sagt: Die heutige Strafgesetzgebung genügt, um alle strafwürdigen Sachverhalte zu decken. Der Herr Minister sagt, das sei nicht wahr; es bestehe eine Lücke, die man ausfüllen muß.
Preisfrage: In einer Druckerei in Nordrhein-Westfalen wurden Druckschriften hergestellt, die von den Organen des Ressorts des Herrn Dehler als
verfassungsfeindlich und verfassungswidrig angesprochen worden sind. Daraufhin haben diese Organe nicht nur ein Strafverfahren gegen den Inhaber dieser Druckerei eingeleitet, sondern auch die ihm gehörenden Maschinen beschlagnahmt.
Frage: Wie war das möglich, wenn da noch die „Lücke" besteht?
Auf Grund welches bestehenden Paragraphen der Strafgesetzgebung
wurde denn da die Beschlagnahme der Druckmaschinen durchgeführt? Vielleicht ist der Herr Minister so nett, zu sagen, ob das die „Lücke" ist, die ausgefüllt werden soll.
— Sie haben andere Sorgen? Sie haben aber gesagt, die Situation wird schärfer werden. Wo endet das denn eines schönen Tages bei der sprunghaften Entwicklung, die Sie annehmen, wenn das noch schärfer werden wird, wie Sie selbst gesagt haben? Wer bestimmt denn das „Schärfer-werden"?! Die Herren Amerikaner!
Das ist in der Tat die Ursache für dieses Tempo, das hier zur Beseitigung der demokratischen Rechte unseres Volkes eingelegt wird. Die Herren Amerikaner drücken, weil die amerikanischen Kriegsziele realisiert werden sollen. Darum muß man auf allen Gebieten die „Lücken" ausfüllen, die darin bestehen, daß wir in diesem Bonner Grundgesetz
noch so etwas wie demokratische Grundrechte haben. Diese Lücken müssen ausgefüllt werden. Da hat man in unserem Herrn Bundesjustizminister einen Mann gefunden, der alle Voraussetzungen mitbringt, die Lücken auszufüllen.
An dem ist etwas dran, meine Damen und Herren, bloß keine Demokratie. Das fehlt ihm; das geht ihm ab.
Aber es wäre interessant zu hören, mit welchem Recht, unter welchem Rechtstitel diese Druckmaschinen beschlagnahmt worden sind. Wir haben ja öffentlich behauptet, es ist Verfassungsbruch und Diebstahl. Vielleicht ist er so nett und äußert sich einmal zu dieser Frage.
Da drückt der Herr Minister sich ja auch an einer klaren Antwort vorbei!
Keine weiteren Wortmeldungen. — Ich schließe die Aussprache.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der SPD Umdruck Nr. 909 Ziffer 4 auf Streichung der Ziffer 8 a — § 93 StGB — zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit.
— Der Vorstand ist sich nicht einig.
— Also versuchen wir es mit Aufstehen, um zu vermeiden, daß es wieder zum Hammelsprung kommt. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Antrag sind, sich von ihren Sitzen zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Meine Damen und Herren, der Sitzungsvorstand ist sich nicht einig. Ich bitte also, im Wege des Hammelsprungs abzustimmen. Wer für den Antrag der Fraktion der SPD ist, begibt sich durch die Ja-Tür. Ich bitte, das Verlassen des Saales möglichst zu beschleunigen, um weitere unnötige Verzögerungen zu vermeiden.
Ich bitte, mit der Auszählung zu beginnen.
Ich bitte, die Abstimmung zu beschleunigen. —
Ich bitte, zum Schluß der Abstimmung zu kommen.
— Ich bitte, die Türen zu schließen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für den Antrag der Fraktion der SPD haben 115, dagegen 130 Abgeordnete gestimmt. Ein Abgeordneter hat sich der Stimme enthalten. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich darf bitten, die Plätze einzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die Ziffer 8 a in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Enthaltungen? — Das erste war die Mehrheit. Ziffer 8 a ist angenommen.
Meine Damen und Herren, ich habe die Bitte, daß Sie doch nach Möglichkeit im Saal verbleiben, Sie erleichtern uns die Abstimmung dadurch wesentlich.
Ich rufe Ziffer 8 b auf. Dazu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 909 unter Ziffer 5 vor. Wünschen Sie ihn zu begründen, Herr Abgeordneter Arndt?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir bitten Sie darum, den § 103, den § 104 a und den zweiten Absatz von § 104 b zu streichen. Zu diesem Antrage bestimmen uns folgende Gründe.
Um unsere Kritik am § 103 richtig zu würdigen, muß man sich vor Augen halten, daß die darin privilegierten ausländischen Staatsoberhäupter oder Regierungsmitglieder einen Ehrenschutz in Deutschland ohnehin und in jedem Fall genießen. Es ist selbstverständlich unzulässig und strafbar, hier eine Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung gegen einen Ausländer, auch wenn er sich im Ausland aufhält, auszusprechen, und der Ausländer ist durchaus in der Lage, im Wege des Strafantrags die ihm hier in Deutschland zugefügte Ehrverletzung zu verfolgen. An und für sich ist also der Strafschutz bereits gegeben.
Die Privilegierung von Staatsoberhäuptern und Regierungsmitgliedern ist ein alter Brauch, hat aber früher die leider noch nicht wieder erreichte Homogenität der zivilisierten Welt vorausgesetzt. Diese Homogenität wird auch nicht erreicht durch § 104 a, wie Sie mir einwenden könnten, nämlich durch den Hinweis darauf, daß das ausländische Staatsoberhaupt ja nur dann einen privilegierten Schutz genießt, wenn sein Staat mit uns nicht nur in diplomatischen Beziehungen steht, sondern auch die Gegenseitigkeit verbürgt hat. Diese Gegenseitigkeit aber ist ohne Substanz, solange wir auch in der westlichen Welt bedauerlicherweise einen Unterschied haben zwischen Demokratien und Diktaturen, ein Problem, das uns später, im nächstfolden Punkt der Tagesordnung, und auch sonst beim Auslieferungsrecht noch Kopfzerbrechen machen 3) wird.
Diese Gegenseitigkeit ist nur eine formale. Ich darf Ihnen das an einer vielleicht nicht unbekannten Anekdote klarmachen. Ein Amerikaner und ein Russe unterhalten sich über die Vorzüge ihres Landes, und der Amerikaner sagt zu dem Russen: „Sehen Sie, ich kann in meinem Lande mich jederzeit auf die Straße stellen und" — es war in der Zeit der Präsidentschaft von Mr. Truman —„rufen: ,Nieder mit Truman! „Worauf der Russe antwortet: „Aber gewiß, Brüderchen, das kannst du in Moskau jederzeit auch!" Sehen Sie, das ist nicht die echte Gegenseitigkeit, weil eben in einer Diktatur das nicht angeht, was in Demokratien zulässig ist. Wir haben keine Gewähr dafür, daß in diktatorisch regierten Staaten Westeuropas und auch Amerikas Ehrverletzungen im wirklichen Sinne der Gegenseitigkeit so behandelt werden, daß die öffentliche Meinung und der Wahrheitsbeweis und die Wahrnehmung berechtigter Interessen gestattet sind. Solange diese substantielle Gegenseitigkeit nicht gewährt ist, die zwischen Demokratien und Diktaturen nun einmal nicht bestehen kann, sind wir nicht bereit, dieses Privileg wieder zu gewähren und auch auf solche Staatsoberhäupter auszudehnen, die bei sich zu Hause diktatorische Staatsformen haben.
Dazukommt, daß die Vorschrift des § 104 a, wie uns scheint, nicht hinreichend durchdacht ist. Sie bringt nämlich eine Einschränkung, die weit über das hinausgeht, was in diesem vierten Abschnitt sein sollte. § 104 a sagt, daß die Verbrechen und Vergehen dieses Abschnitts nur dann verfolgt werden, wenn diplomatische Beziehungen unterhalten werden, die Gegenseitigkeit verbürgt ist und ferner ein Strafverlangen der ausländischen
Regierung vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilt. Diese Einschränkungen beziehen sich auch auf den § 104, auf den sie sich nicht beziehen dürften. Denn in § 104 ist mit Strafe bedroht, wer eine auf Grund von Rechtsvorschriften oder nach anerkanntem Brauch öffentlich gezeigte Flagge eines ausländischen Staates entfernt, zerstört, beschädigt oder unkenntlich macht oder wer beschimpfenden Unfug daran verübt. Das sind die leidigen Flaggenzwischenfälle. Wir sind der Meinung, wenn ein solcher Flaggenzwischenfall eintritt, wenn irgendwelche unreifen und verbrecherischen Leute z. B. sich einfallen lassen, die Flagge eines anderen Staates von dessen diplomatischer Vertretung herunterzuholen, sie zu zerreißen, zu verbrennen und ähnliches mehr, dann muß die deutsche Behörde sofort eingreifen können. Denn es liegt nun einmal in unserem eigenen Interesse und sollte den Geboten der gesitteten Welt entsprechen, daß wir einen solchen Flaggenfrevel auf deutschem Boden nicht zulassen. Hiernach aber müßten Polizei, Staatsanwaltschaft und Gerichte untätig bleiben, bis von der ausländischen Regierung ein Strafverlangen vorliegt und die Bundesregierung die Ermächtigung erteilt hat, was in der Regel ja gar nicht so schnell zu vollziehen sein wird. Nehmen Sie an, die Flagge irgendeines uns durchaus befreundeten Staates wird heruntergeholt, beschimpft und in den Staub getreten. Am nächsten Tag steht das in der Presse, es steht vielleicht in der ganzen Weltpresse, und hier geschieht nichts, weil die Behörden sagen müssen: Ja, wir haben noch kein Strafverlangen — ich will einmal irgendein ganz konkretes Beispiel nennen — der französischen Regierung, der belgischen Regierung oder der amerikanischen Regierung, und es liegt auch noch nicht die Ermächtigung der Bundesregierung zur Strafverfolgung vor. Vielleicht kann man sich mit einer Anklage wegen Sachbeschädigung und ähnlichem mehr helfen; aber es ist nicht immer gesagt, daß dieses Delikt hier sonst eine Sachbeschädigung ist. Die Einschränkung des § 104 a gegenüber § 104 scheint uns also unangebracht. § 104 ist ein Delikt, das sofort von Amts wegen verfolgt werden müßte, auch dann, wenn kein Strafverlangen der ausländischen Regierung vorliegt und wenn keine Ermächtigung der Bundesregierung dazu gegeben ist.
Schließlich darf ich zu § 104 b bemerken, daß diese Bestimmung uns nicht ganz mit § 104 a in Einklang zu stehen scheint. Sie ist an und für sich sachlich nicht wichtig; sie ist nicht erforderlich. Ich glaube nicht, daß eine ausländische Regierung Gewicht auf die öffentliche Bekanntmachung legen wird. Aber wenn man es nun einführen will, kann man es nicht in der Weise tun, wie es hier geschehen ist. Denn hier heißt es: die Befugnis zur öffentlichen Bekanntmachung kann nur gegeben werden, wenn die Tat öffentlich oder in einer Versammlung begangen worden ist, während § 104 ja andere Straftaten als öffentlich begangene überhaupt nicht kennt.
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, dem Antrage nicht zu entsprechen. Er würde darauf hinauslaufen, daß auch der geltende § 104 des Strafgesetzbuchs, der die Gesandtenbeleidigung regelt, wegfiele und daß dann überhaupt kein be-
sonderer Schutz diplomatischer Vertreter gegen Beleidigungen mehr bestünde. Ich glaube, daß ein derartiger Rechtszustand untragbar wäre und sich weder mit der historischen Entwicklung noch mit den allgemeinen Usancen und auch nicht mit dem Recht der anderen Staaten deckte, so daß es fast als ein internationaler Affront anzusehen wäre, wenn diese in allen Rechtsordnungen bestehende Vorschrift gestrichen würde. Eine solche nicht gerade liebenswürdige Handlung würde das Bestreben der Bundesregierung um die Herstellung freundlicher und freundschaftlicher internationaler Beziehungen stören.
Ich glaube, daß auch auf § 104 a nicht verzichtet werden kann. Überzeugende Gründe für eine Streichung sind jedenfalls nach meiner Meinung nicht vorgetragen worden.
Daß § 103 einen gesteigerten Ehrenschutz erstrebt, ist richtig. Eine völlige Homogenität der gesellschaftlichen und rechtlichen Voraussetzungen, wie sie der Antragsteller fordert, wird niemals zu erreichen sein. Am Ende stellt die Bestimmung einen Druck auf die Herstellung dieser Homogenität dar.
Die Frage, ob § 104 b Abs. 2 den Änderungsanträgen entsprechend gestrichen werden soll, ist an sich nicht bedeutsam. Es handelt sich darum, ob ein Urteil veröffentlicht werden kann. Ich bin der Meinung, daß man auch diese Möglichkeit im Interesse der ausländischen Staaten und unserer Beziehungen zu ihnen gewähren sollte.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung.
Sie sind mit einer Abstimmung über alle drei Streichungsanträge insgesamt einverstanden. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag der SPD Umdruck Nr. 909 Ziffer 5 auf Streichung der §§ 103, 104 a und 104 b Abs. 2 zu entsprechen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; dieser Streichungsantrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 8 b insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Zu Ziffer 8 c ist der Änderungsantrag der KPD von Herrn Abgeordneten Renner bereits begründet. Herr Abgeordneter Arndt hat einen Änderungsantrag gestellt: statt „einem Jahr" „sechs Monaten" zu setzen. Bitte schön, Herr Abgeordneter Arndt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dem soeben verabschiedeten Versammlungsordnungsgesetz findet sich die Strafvorschrift, daß der Veranstalter einer verbotenen Versammlung mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft werden kann. Eine verbotene Versammlung, und zwar kraft Gesetzes verbotene Versammlung, ist auch die innerhalb der Bannmeile. Es Ist eine Divergenz, den Teilnehmer an einer Versammlung in der Bannmeile mit Gefängnis bis zu einem Jahr zu bestrafen, wenn der Veranstalter nur höchstens sechs Monate bekommen kann. Das hat uns zu diesem Antrag veranlaßt.
Ich glaube, es bedarf keiner weiteren Debatte darüber. — Keine Wortmeldungen.
Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Antrag der Gruppe der KP, die Ziffer 8 c, § 106 a, zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Streichungsantrag zustimmen, um ein Handzeichen. — Das ist außer den Antragstellern niemand; der Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Dr. Arndt, der eben begründet worden ist, zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die überwiegende Mehrheit; dieser Änderungsantrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 8 c insgesamt zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe auf 8 d, — 9, — 10, — 11, — 11a — 12, — 12 a. —
— Haben Sie einen Antrag dazu?
Sie wollten das Wort dazu. Darf ich zunächst bis Ziffer 11 aufrufen.
Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Ziffern bis Ziffer 11 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Zu Ziffer 11 a Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion stimmt der Ausschußvorlage zu. Sie ist mit der Streichung des Kanzelparagraphen einverstanden. Hierzu bestimmen uns die Gründe, die ich jetzt vorzutragen die Ehre habe.
Erstens. Diese Strafvorschrift hat ihren Ursprung besonders im Jahre 1876, im Bismarckschen Kulturkampf. Die Sozialdemokratie hat keinerlei Veranlassung, ein Überbleibsel des Bismarckschen Kulturkampfes zu verewigen, da wir Kulturkampf jeder Art verabscheuen und für schädlich für Staat und Volk halten.
Zweitens. Der § 130 a des Strafgesetzbuches, so wie er uns überkommen ist, ist in einer Weise gefaßt, die wir nicht für rechtsstaatlich halten können. Es heißt darin:
Ein Geistlicher . . ., welcher in Ausübung oder in Veranlassung- der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge oder welcher in einer Kirche . . . Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängnis . . . bis zu zwei Jahren bestraft.
Was „Angelegenheiten des Staats", was „in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise" bedeutet, ist so unbestimmt und so wenig rechtsstaatlich feststellbar, daß wir auch aus diesem Grunde eine solche Vorschrift nicht billigen können. Diese Unbestimmtheit der Strafbestimmung hat ja auch dazu geführt, daß ihre Anwendbarkeit außerordentlich beeinträchtigt worden ist. Uns sind, besonders aus den letzten Jahren, keine Fälle der Anwendung mehr bekannt.
Drittens hat es noch einen damit zusammenhängenden tieferen Grund, daß wir in die Streichung des Kanzelparagraphen einwilligen. Dieser tiefere Grund ist das geschichtliche Erlebnis der totalitären Diktatur; ein bitteres und schmerzliches Erlebnis, das leider noch nicht abgeschlossen ist, wie wir uns täglich bewußt werden müssen, wenn wir an die Kirchenverfolgungen in der sowjetischen Zone denken.
Der Sinn der ursprünglichen Bestimmung war der, den Kirchen das Recht abzusprechen, zu den Fragen des Staates ihr Wort zu sagen. Heute muß es sowohl für die Menschen, die sich zu einer Kirche bekennen, als auch für die außerhalb der Kirchen stehenden Menschen, die sich zur freiheitlichen Demokratie bekennen, eine sie verbindende gemeinschaftliche Überzeugung sein, daß es Gefährdungen des Menschen im Staate gibt oder geben kann, zu denen die Kirchen nicht schweigen können. Die Adventspredigten des Kardinal-Erzbischofs Faulhaber, die Barmer Synode der Bekennenden Kirche, die Worte des späteren Landesbischofs W u r m und des Münsteraner Bischofs Graf Galen zur Frage der Ermordung von Geisteskranken sind unvergessen und müssen uns als gemeinsames geschichtliches Erlebnis unvergessen bleiben.
Viertens. Das Mittel der Strafandrohung erscheint uns unangemessen und untauglich gegenüber Mißständen, die sich aus der besonderen Rechtsstellung der Kirchen und aus dem gesetzlichen Schutz ihres Friedens und ihrer Einrichtungen ergeben.
Unsere Zustimmung — und auch das möchte ich mit aller Eindeutigkeit und Unverhülltheit sagen — bedeutet leider keineswegs das Anerkenntnis, daß es einen Kanzelmißbrauch gegenwärtig nicht gebe.
Wir beklagen vielmehr, daß der parteipolitische Mißbrauch der Kanzel leider geradezu den alltäglichen Erfahrungen in Deutschland zuzuzählen ist. Das staatliche Leben in Deutschland wird durch keine Krankheit so tief vergiftet wie durch die Versuchung, politische Meinungsverschiedenheiten als Religionskriege auszutragen und sie von der Kanzel herab zu erörtern.
Wir sind aber der Überzeugung, daß Polizei, Staatsanwalt und Strafrichter die schlechterdings unzuständigen Instanzen sind, um dieses tiefgreifende Problem zu lösen. Es ist eine Auseinandersetzung auf einer anderen Ebene, im geistigen Raum erforderlich. Unsere Aufgabe ist es, viel historischen Schutt, dessen Staub unser Zusammenleben vergiftet, im echten Gespräch wegzuräumen. Letzten Endes wird es sich auch für die Kirchen erweisen, wie gefahrvolles für ihren ewigen Auftrag wäre, ihr Schicksal durch politische Parteinahme mit einer wechselnden und vorübergehenden Organisation profaner Art zu verknüpfen. Auf dem notwendigen Wege zu einem geläuterten Verständnis zwischen Staat und Kirchen sowie zwischen den Kirchen und allen demokratischen Parteien ist der Kanzelparagraph weit mehr ein Hindernis für die Begegnung miteinander als eine Sicherung des Friedens, an der uns allen gelegen sein sollte.
Keine weiteren Wortmeldungen. — Ich schließe die Besprechung zu Ziffer 11 a. Ich bitte die Damen und Herren, die Ziffer 11 a zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Ziffer 11 a ist angenommen.
Ich rufe auf die Ziffern 12, — 12 a. Ich bitte die Damen und Herren, die den Ziffern 12 und 12 a zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; sie sind angenommen.
Zu Ziffer 12 b liegt der Antrag der KP vor, die Worte „eines Hochverrats" — unter Paragraphenangabe —, „eines Verfassungsverrats, eines Landesverrats" — in jedem Fall nach Angabe der Paragraphen — zu streichen. — Keine Wortmeldungen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Streichungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt. — Ich bitte die Damen und Herren, die 12 b insgesamt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Ziffer 12 b ist angenommen.
Zu Ziffer 12 c liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 909 Ziffer 6 vor. — Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In dieser Vorschrift handelt es sich um das Verschwiegenheitsrecht der Seelsorger, des Arztes und des Rechtsanwalts, die von der sonst für jedermann bestehenden Verpflichtung freigestellt werden, anzuzeigen, daß ihnen bekannt ist, ein Verbrechen bestimmter Art werde beabsichtigt. Die jetzt vorliegende Fassung des Gesetzes macht aber einen uns nicht angemessen erscheinenden Unterschied zwischen dem Seelsorger einerseits und dem Rechtsanwalt oder Arzt andererseits. Für den Seelsorger wird zutreffend sehr klar bestimmt, daß er nicht zur Anzeige verpflichtet ist. Beim Rechtsanwalt und dem Arzt wird nur gesagt, daß er straffrei sei, wenn er nicht anzeigt. Straffreiheit heißt aber, daß hiermit kraft Gesetzes dem Anwalt und dem Arzt bescheinigt wird, an und für sich rechtswidrig zu handeln und lediglich einen persönlichen Strafausschließungsgrund zur Verfügung zu haben.
Das ist nach unserer Auffassung nicht gerechtfertigt. Der Gewissenskonflikt des Arztes und des Rechtsanwalts, der von dem Plan zu einem Mord, einem Verfassungsverrat oder einem ähnlichen Verbrechen erfährt, zwischen seiner Pflicht, als Anwalt oder Arzt zu schweigen, und seiner Pflicht, nun die Öffentlichkeit und diejenigen, die von diesen Verbrechen bedroht sind, zu bewahren, muß von dem Anwalt und von dem Arzt in sich ausgetragen werden. Es ist nicht angängig zu sagen, daß dieser Arzt oder Anwalt an sich rechtswidrig handelt, wenn er nicht anzeigt, sondern nur für seine Person straffrei bleibt.
Aus diesen Gründen bitten wir, daß für Anwalt und Arzt dieselbe Formulierung wie beim Seelsorger gewählt wird, nämlich daß sie nicht verpflichtet sind, anzuzeigen, wobei, wie ich ins Gedächtnis rufe, selbstverständlich die Voraussetzung des letzten Absatzes bestehen bleibt: daß sie nämlich als Arzt und Anwalt alles getan haben, was in ihren Kräften stand, den Mann oder die Frau, die ihnen von diesem Verbrechensplan Kenntnis gaben, davon abzubringen.
Meine Damen und Herren! Es ist klar: der letzte Satz des vorletzten Absatzes würde damit heißen: „Unter denselben Voraussetzungen ist ein Rechtsanwalt, Verteidiger oder Arzt nicht verpflichtet anzuzeigen, was ihm in dieser Eigenschaft anvertraut worden ist".
Es bedarf keiner weiteren Debatte. — Keine Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag des Herrn Abgeordneten Arndt, den er eben begründet hat, zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist angenommen. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 12 c insgesamt mit dieser Änderung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Ziffer 12 c ist angenommen.
Ich rufe auf die Ziffern 12 d, — 12 e, — 13. — Herr Abgeordneter Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst darf ich darauf aufmerksam machen, daß die Vorlage einen Druckfehler enthält. Der Paragraph muß mit den Worten beginnen: „Wer einen noch nicht 18jährigen ...". Hier steht: „Wer noch einen nicht 18jährigen ...". Ich bitte, das zu berichtigen.
In der Sache selbst habe ich mich nur deshalb zum Wort gemeldet, um hier zu sagen, daß meine Fraktion dieser Bestimmung zwar zustimmen wird, es aber nicht ohne die erheblichsten Bedenken tut. Die ganze Vorschrift erinnert in peinlicher Weise an Vorstellungen der Sippenhaft; sie stammt auch aus der Zeit des Nationalsozialismus. Wir können uns aber auf der andern Seite der Einsicht nicht verschließen, daß die Gefahren der modernen technisierten Welt so viel vergrößerte und beschleunigte sind, daß auch an die Aufsicht, wie sie die Erziehungsberechtigten auszuüben haben, wesentlich strengere und vor allen Dingen auch strafrechtlich mehr gesicherte Anforderungen gestellt werden müssen, als dies früher der Fall war. Das Delikt ist ja ein Unterlassungsdelikt, das dadurch begangen wird, daß der Erziehungsberechtigte und -verpflichtete seiner Aufsichtspflicht nicht genügt; es ist zugleich ein Gefährdungsdelikt, weil dadurch eben die Möglichkeit geboten wird, daß der Minderjährige, der der Aufsicht unterliegt, nun ein Verbrechen oder ein Vergehen verübt, Taten, die unter Umständen sehr schwerwiegend sein können. Nehmen Sie einmal an, minderjährige Jungen bauen eine Autofalle und verursachen dadurch Todesopfer und ähnliches mehr. Wir möchten auch aus diesem Grunde hier in den Verhandlungen klarstellen, daß dieses Unterlassungsdelikt nur vorsätzlich begangen werden kann. Von Fahrlässigkeit ist in der Vorschrift keine Rede. Zum andern gehört nach unserer Auffassung zu diesem Vorsatz auch, daß sich der Täter, der die gehörige Aufsicht unterläßt, über die dadurch herbeigeführte Gefährdung im klaren ist und sie mindestens in Kauf nimmt, wenn er sie auch nicht direkt zu billigen braucht. Nur in diesem Sinne wünschen wir die Vorschrift angewandt zu sehen. Soweit wir es überblicken können, sind bisher in der Praxis noch keine Erfahrungen gemacht worden, die zu einem besonderen Unbehagen geführt haben. Aber wir behalten uns vor, bei der hoffentlich bald kommenden Großen Strafrechtsreform diese Bestimmungen doch noch vorsichtiger und sorgfätiger zu fassen, als das bisher der Fall war.
Ich war beim Aufrufen bei Ziffer 14, — 14 a, — 15, — 16.
— Herr Abgeordneter Ewers, ein Wort.
Ich möchte nur einem Wort von Dr. Arndt widersprechen. Mir ist die Spruchpraxis zu § 43 alter Fassung nicht bekannt. Aber wenn Herr Dr. Arndt hier die Meinung vertritt, daß damit, wenn einer etwas „Gehöriges" nicht tue, nur Vorsatz gemeint sein könne, dann möchte ich das jedenfalls als einhellige Meinung dieses Hauses nicht stehenlassen. Für mich unterliegt es gar keinem Zweifel, daß in solchem Falle mindestens auch Leichtfertigkeit bestraft werden muß. Im übrigen können wir es getrost der Rechtsprechung überlassen, wie es gemeint ist. Jedenfalls möchte ich dem widersprechen, daß der Bundestag stillschweigend zur Kenntnis nimmt, hier sei ausschließlich ein Vorsatzdelikt geschaffen.
Keine weiteren Wortmeldungen dazu. Ich war bei 16. Ich rufe weiter auf 17, — 18, — 19, — 20, — 21, — 22, — 23, — 24, 25, — 26, — 27, — 28, — 30. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Ziffern zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; es ist angenommen.
Zu 31 ein Antrag des Herrn Abgeordneten Eberhard. Bitte, zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe dem Hohen Hause einen Antrag vorgelegt, die ursprüngliche Fassung der Regierungsvorlage bezüglich des § 300 StGB in Verbindung mit § 53 StPO wiederherzustellen mit dem Zusatz, daß außerdem auch noch die vereidigten Bücherrevisoren hier mit erwähnt werden. Die Tatsache, daß die Regierung die Entwicklung der steuerberatenden und wirtschaftsberatenden Berufe in vollem Umfange erkannt hat, ergibt sich daraus, daß diese Berufsschichten im Regierungsentwurf mit eingebaut waren. Leider hat der Rechtsausschuß dieser Entwicklung nicht Rechnung getragen. Der Berichterstatter, Herr Kollege Dr. Schneider, hat darauf hingewiesen, daß beispielsweise die Wirtschaftsprüfer zum größten Teil auch Steuerberater seien und man es aus diesem Grunde unterlassen müsse, die Wirtschaftsprüfer mit einzubeziehen, weil gleichzeitig auch der Berufsstand der vereidigten Bücherrevisoren verlangt habe, das Zeugnisverweigerungsrecht zuerkannt zu bekommen. Ich habe dafür kein Verständnis. Ich erinnere daran, daß wir eine Reihe Rechtsanwälte haben, die ebenfalls den steuerberatenden Beruf ausüben. Die Ablehnung meines Antrags würde bedeuten, daß wir hier zweierlei Recht schaffen. Denn wenn der Rechtsanwalt in seiner Eigenschaft als Steuerberater das Zeugnisverweigerungsrecht hat, während umgekehrt seine Kollegen, die sich ausschließlich dem steuerberatenden Beruf widmen, dieses Zeugnisverweigerungsrecht nicht haben, so wird hier zweifellos zweierlei Recht geschaffen. Es wird auch zweierlei Recht in bezug auf die Wirtschaftsprüfer geschaffen. Die Wirtschaftsprüfer sind auf Grund der Bestimmungen des Aktiengesetzes zur Verschwiegenheit verpflichtet. Der Unternehmer, d. h. die Aktiengesellschaft, hat dem Wirtschafts-
prüfer sämtliche Unterlagen, die er zu einer sorgfältigen Prüfung benötigt, vorzulegen, hat ihm Einsicht in die Warenbestände, in die Wertpapierbestände und dergleichen mehr zu gewähren. Wenn der Wirtschaftsprüfer gegen die Schweigepflicht verstößt, macht er sich strafbar. Auf der anderen Seite wird er aber gezwungen auszusagen. Auch hier ist also ein Widerspruch.
Aus den angeführten Gründen bitte ich, dem von mir eingereichten Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Herr Bundesminister, ich würde Wert darauf legen, den Antrag der Herren Abgeordneten Naegel und Dr. Fricke begründen zu lassen, der zum gleichen Thema gestellt ist. — Bitte, Herr Abgeordneter Naegel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Vorredner hat bereits darauf hingewiesen, daß man die Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und vereidigten Buchprüfer unter die gleichen Kautelen stellen sollte wie die Rechtsanwälte usw. und ihnen einerseits das Zeugnisverweigerungsrecht geben und andererseits das Schweigegebot auferlegen sollte. Meine Freunde und ich sind der Meinung, daß wir aus Gerechtigkeitsempfinden noch einen Schritt weitergehen müßten und auch die Helfer in Steuersachen mit einbeziehen sollten. Wir haben uns dazu nicht im Interesse dieser Berufsgruppe entschlossen, sondern mit Rücksicht auf die echten Belange der Wirtschaft, die uns immer deutlicher vor Augen geführt werden. Natürlich muß neben einem Bankgeheimnis, dem Postgeheimnis und dem Steuergeheimnis auch die Geheimnismöglichkeit für die Erfahrungen und Kenntnisse bestehen, die diese helfenden Berufe in der Steuer- und Bilanzbearbeitung nun einmal bekommen. Ich glaube, es ist vom wirtschaftlichen Standpunkt aus berechtigt, diese Forderung zu erheben. Ich bitte Sie deshalb, dem von meinen Freunden und mir gestellten Antrag zuzustimmen und sowohl in Art. 2 Nr. 31 als auch in Art. 4 Nr. 8 die entsprechenden Änderungen vorzunehmen.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, von Änderungen abzusehen. Was der Herr Berichterstatter Ihnen insoweit dargelegt hat, scheint mir überzeugend. Mit Recht verweist der Herr Kollege Eberhard darauf, daß in meinem Entwurf beabsichtigt war, gewisse weitere Berufsgruppen in die Bestimmung des § 300 StGB über den Geheimnisbruch und analog des § 53 StPO über das Zeugnisverweigerungsrecht einzubeziehen. Die Erwägungen im Ausschuß haben ergeben, daß die Dinge noch nicht reif sind und daß es in dem Stadium eines Strafrechtsänderungsgesetzes nicht möglich ist, den Rahmen weiter zu spannen. Wir müssen die Aufgabe der bevorstehenden Reform des Strafgesetzbuchs und auch der Strafprozeßordnung vorbehalten.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich schließe die Besprechung.
Der weitestgehende Antrag ist der des Abgeordneten Naegel, der auch die Helfer in Steuersachen einbezieht. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag, die Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, vereidigte Buchprüfer oder Helfer in Steuersachen einzubeziehen, zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich darf annehmen, Herr Abgeordneter Eberhard, daß Ihr Antrag auch erledigt ist.
Herr Abgeordneter Eberhard hat die Abstimmung beantragt. Ich darf den Antrag so formulieren, wie er geschäftsordnungsmäßig möglich ist: In Art. 2 Ziffer 31 die Fassung des § 300 der Regierungsvorlage wieder herzustellen und hinter dem Wort „Steuerberater" die Worte „vereidigte Bücherrevisoren" einzufügen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite ist die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die Ziffer 31 insgesamt in der Ausschußfassung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe auf die Ziffern 32 und 33. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe auf Art. 3 Ziffer 1, 2, 2 a und 3. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Ich rufe auf Art. 4, Ziffer Vor 1, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Ziffern bis 7 zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; ist angenommen.
Zu Ziffer 8 liegt der Antrag des Herrn Abgeordneten Naegel vor, der durch die eben stattgefundene Abstimmung erledigt ist.
Es liegt weiter vor der Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 909 Ziffern 7 und 8. Bitte zur Begründung, Herr Abgeordneter Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben im ganzen zu Ziffer 8 drei Anträge gestellt, und ich glaube, es vereinfacht das Verfahren, wenn ich alle drei Anträge auf einmal begründe.
Zunächst liegt uns daran, die Regierungsvorlage durch Einfügung der Ziffer 6 in den ersten Absatz des § 53 der Strafprozeßordnung wiederherzustellen. Nach unserer Auffassung behandelt die Regierungsvorlage mit Recht den Rundfunk genau so wie die Presse; denn der Nachrichtendienst des Rundfunks ist ja nichts anderes als eine gesprochene Presse. Wenn mit Recht das Zeugnisverweigerungsrecht den Redakteuren, Verlegern und Herausgebern bei der Herstellung und Veröffentlichung von periodischen Druckschriften eingeräumt wird, so muß unter den gleichen Voraussetzungen ein solches Zeugnisverweigerungsrecht auch den Intendanten, Sendeleitern und anderen Personen, die am Nachrichtendienst des Rundfunks beteiligt sind, zugebilligt werden. Die Gründe des Ausschusses für die Streichung er-
scheinen uns nicht überzeugend. Ich beantrage
daher, die Regierungsvorlage wiederherzustellen.
Ich darf dann unseren weiteren Antrag zu § 53 a begründen. Dort ist als Neuerung das Zeugnisverweigerungsrecht des Gehilfen geregelt. Der Arzt, der Anwalt, der Abgeordnete und wer sonst in Betracht kommt, kann unter den modernen Verhältnissen nicht mehr ohne Gehilfen arbeiten. Er kann es nicht verhindern, daß der Gehilfe notwendigerweise Tatsachen erfährt, die vom Verschwiegenheitsrecht und auch von der Verschwiegenheitspflicht umgriffen werden. Selbstverständlich muß der Anwalt eine Sekretärin zuziehen können, um irgend etwas als Diktat aufnehmen zu lassen. Dasselbe gilt beim Arzt; dasselbe ist auch der Fall beim Abgeordneten, so daß wir das begrüßen.
Wir halten es aber nicht für richtig, die Definition des Gehilfen auf den berufsmäßig tätigen Gehilfen einzuschränken. Es kann vielmehr nur darauf ankommen, wer im konkreten Fall tatsächlich als Gehilfe des Arztes, des Anwalts und des Abgeordneten tätig ist. Das kann durchaus auch jemand sein, der ad hoc zugezogen ist. Gerade wenn Sie an Ihre eigene parlamentarische Tätigkeit denken, werden Sie sich sehr leicht des einen oder anderen Falles erinnern können, in dem Ihnen dies und jenes in Ihrer Eigenschaft als Abgeordneter anvertraut worden ist und in dem Sie aus besonderem Grunde ad hoc jemanden als Ihren Gehilfen zugezogen haben. Da darf die Verschwiegenheitsbefugnis des Abgeordneten, des Arztes und des Anwalts nicht in der Weise umgangen werden, daß man den Gehilfen, den, der effektiv Gehilfe war — das muß ja das Gericht entscheiden, ob er wirklich Gehilfe war —, nur dann als Gehilfen gelten läßt, wenn es ein berufsmäßig tätiger Gehilfe gewesen ist.
Ich darf Sie an Vorgänge erinnern, die wir im sogenannten Spiegel-Ausschuß, d. h. in dem Untersuchungsausschuß erörtert haben, der sich mit den angeblichen Vorgängen um die Wahl Bonns zur Bundeshauptstadt befaßte. In jenem Untersuchungsausschuß ist mindestens die überwiegende Meinung — es war gerade die Auffassung der Koalition — dahin zum Ausdruck gekommen, daß zu den zeugnisverweigerungsberechtigten Gehilfen etwa eines Abgeordneten auch selbständige Institute wie die Banken, das Postscheckamt und ähnliche Einrichtungen gehören, die man keineswegs als berufsmäßig tätige Gehilfen bezeichnen könnte. Die Befugnis des Abgeordneten zur Verschwiegenheit über ihm anvertraute Tatsachen — und dazu gehört nach einer wenn auch umstrittenen Auffassung, wie sie aber gerade von der Koalition vertreten wird, ja auch die Hergabe von Zahlungen, von Spenden — darf nicht aufgebrochen werden auf dem Umwege über die Stellen, die für den Abgeordneten die Konten führen.
Wir haben also Bedenken gegen die Einschränkung, daß Gehilfe nur ist, wer berufsmäßig als solcher tätig ist. Wir halten es für ausreichend, daß der Richter prüft, ob es sich im konkreten Fall ernstlich und tatsächlich um eine Hilfsperson, um einen Gehilfen gehandelt hat.
Für völlig untragbar halten wir den Zusatz, den der Ausschuß entgegen der Regierungsvorlage gemacht hat, daß der Gehilfe kein Zeugnisverweigerungsrecht besitzen soll, wenn die Entscheidung der Hauptperson, d. h. des Anwalts, des Arztes und des Abgeordneten nicht in absehbarer Zeit herbeigeführt werden kann. Dies würde bedeuten, daß beim Tode des Arztes, Anwalts oder Abgeordneten oder auch nur bei einer längeren Erkrankung oder sonstigen Verhinderung über den Gehilfen an die Verschwiegenheit des Abgeordneten, Arztes und Anwalts herangegangen werden dürfte. Das erscheint uns nicht erträglich. Wir bitten Sie, die Regierungsvorlage insoweit wiederherzustellen, daß der Zusatz „es sei denn, daß diese Entscheidung in absehbarer Zeit nicht herbeigeführt werden kann" gestrichen wird.
Das Wort hat der Bundesminister der Justiz.
Ichäußere mich zu Ziffer 8 des Änderungsantrags der SPD zu § 53 a Abs. 1 der Strafprozeßordnung, die das Zeugnisverweigerungsrecht der Gehilfen der Geistlichen, Ärzte, Rechtsanwälte und Abgeordneten betrifft. Es ist zuzugeben, daß die Fassung dieser Bestimmung nicht glücklich ist. Aber wir waren hier nicht frei, weder beim § 300 des Strafgesetzbuchs noch beim § 53 a der Strafprozeßordnung, weil wir uns an die Formulierung des § 13 der Reichsärzteordnung halten mußten, die ihrerseits wieder auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts zurückgeht.
Was Herr Abgeordneter Dr. Arndt wünscht, ist nach meiner Überzeugung durch die Formulierung gedeckt; denn die Formulierung „berufsmäßig tätiger Gehilfe" heißt, daß es sich um Gehilfen handelt, die vom Arzt usw. bei der Ausübung seines Berufs beigezogen werden. Nur so ist es zu verstehen. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung. Also nicht an die Putzfrau ist gedacht, aber all die anderen Personen, die der Arzt zur Ausübung seines Berufs beizieht. Ich glaube also, daß kein Anlaß besteht, die Bestimmung zu ändern, sondern daß das, was der Herr Abgeordnete Dr. Arndt mit Recht erstrebt, schon erreicht ist. Durch die Beschränkung soll namentlich das Hauspersonal des eigentlichen Geheimnisträgers von dem Geltungsbereich dieser Vorschriften ausgeschlossen werden.
Es ist nun zuzugeben, daß auch ein gewisses Bedürfnis besteht, ein Zeugnisverweigerungsrecht z. B. der Ehefrau des Arztes, besonders der Ehefrau des Landarztes, die in der Praxis ihres Mannes tätig ist, festzulegen. Aber auch insoweit entspricht bereits die Rechtsprechung diesem verständlichen Bedürfnis. Ich bitte schon aus diesem Grunde — weil eine Differenzierung der Formulierung des § 300 des Strafgesetzbuchs und des § 13 der Reichsärzteordnung eintreten würde —, von einer Änderung abzusehen.
Dann der Satz 2 des § 53 a Abs. 1: „es sei denn, daß diese Entscheidung in absehbarer Zeit nicht herbeigeführt werden kann". Diese Einführung beruht auf einem Ergänzungsvorschlag, den der Bundesrat gemacht und den der Rechtsausschuß übernommen hat. Durch diese Ergänzung wird insbesondere der Fall geregelt, daß der Haupt-geheimnisträger verstorben ist und somit über die Ausübung des Rechts der Hilfsperson, das Zeugnis zu verweigern, nichts mehr entschieden werden kann. Nach dem Vorschlag des Bundesrats soll entgegen der Annahme des Herrn Kollegen Dr. Arndt der Gehilfe selbst über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechtes entscheiden. Ich halte diesen Vorschlag des Bundesrats für eine wertvolle Verbesserung der ursprünglichen Vorlage. Dadurch wird eine Lücke, die ohne diesen
Vorschlag des Bundesrats bestünde, in sachgemäßer Weise geschlossen. Ich bitte, auf diese Ergänzung nicht zu verzichten.
Herr Abgeordneter Dr. Arndt!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann leider nicht zugeben, daß die Ausführungen, die der Herr Bundesminister der Justiz über den Begriff des „berufsmäßig tätigen" Gehilfen gemacht hat, die von uns vorgetragenen Bedenken ausräumten. Wir können diese Bestimmung ja nicht so eng an das Ärzterecht anpassen, zumal sie auch für den Abgeordneten gilt, und der Abgeordnete wird in ganz anderen Situationen, als sie beim Arzt auftreten, dazu kommen, Gehilfen zuzuziehen. Sicherlich ist bei jeder Ihrer Fraktionen der Fall schon häufig eingetreten, daß Sie es für erforderlich hielten, etwa in einer Sitzung Ihres Fraktionsvorstandes ein führendes Mitglied Ihrer Partei — sei es aus dem Parteivorstand, sei es aus einer Landesregierung — als Ihren Gehilfen oder als einen Berater in irgendwelchen anderen Dingen zuzuziehen, eine Person, die nicht ebenfalls Abgeordneter ist, die nur Hilfestellung leisten sollte. Es kann nicht der Sinn dieser Bestimmung sein, daß nun Ihre internen Fraktionsbesprechungen zum Gegenstand einer Beweisaufnahme über die Anwesenheit dieses Gehilfen gemacht werden. Aber ich darf Sie auf eine andere Ungereimtheit — möchte ich sagen — hinweisen. Was man hier dem Anwalt, Arzt und vor allen Dingen dem Abgeordneten verweigern will, wird selbstverständlich für die Presse anerkannt und, falls unser Antrag durchgeht, auch für den Rundfunk. Denn in der
Bestimmung über die Presse heißt es: „und andere Personen, die bei der Herstellung mitgewirkt haben". Damit sind ganz ausgesprochen die Hilfspersonen gemeint, die mitgewirkt haben, ohne Rücksicht darauf, ob sie nun als Berufstätige mitwirken oder ob sie nicht als Berufstätige mitwirken. Wenn das richtig wäre, dann würde das Aussageverweigerungsrecht des Gehilfen bei der Presse und — wenn auf unseren Antrag die Regierungsvorlage wiederhergestellt wird — beim Rundfunk weitergehen als des Gehilfen beim Abgeordneten, beim Arzt und beim Anwalt. Beim Arzt ist es auch so, daß er nachts, oder wenn sonst etwas vorliegt, selbstverständlich als Gehilfin notwendigerweise seine Frau, seine Tochter seine Hausangestellte zuziehen können muß mit der Maßgabe, daß die Tochter, die Frau, die Hausangestellte oder die Nachbarin dadurch Gehilfin werden, ganz gleichgültig, ob sie bei ihm sonst berufstätig sind oder nicht. Im Einzelfall muß eben der Richter entscheiden, ob jemand Gehilfe war oder nicht. Es kann nur darauf ankommen, daß das effektive Hilfsverhältnis vorliegt, nicht aber darauf, ob der Gehilfe als solcher berufstätig tätig geworden ist.
Ich bitte Sie deshalb, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
Keine weiteren Wortmeldungen. — Ich schließe die Besprechung zu Ziffer 8.
Der Antrag Naegel und Genossen ist erledigt.
Der Antrag der Gruppe der KPD wünscht, in Ziffer 5 die Worte „wenn ein Redakteur" bis , entgegenstehen" zu streichen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Streichungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller abgelehnt.
Ich komme weiter zu dem Antrag der Gruppe der KPD als dem weitergehenden, in § 53 Ziffer 6 die Regierungsvorlage wiederherzustellen, und zwar bis zu dem Worte „Inhalts" in Zeile 10, also die Sätze „wenn eine für die Sendung verantwortliche Person" usw. wegfallen zu lassen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Dieser Antrag ist abgelehnt.
Der Antrag der Fraktion der SPD Umdruck Nr. 909 Ziffer 7 will in § 53 Abs. 1 Ziffer 6 die Regierungsvorlage wiederherstellen.
— Wörtlich, wie sie auf der linken Spalte steht.
Ich bitte die Damen und Herren, die diesem An-
trag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen.
— Das ist die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
Dann komme ich zu § 53 a.
— Ja, wir sind noch nicht ganz soweit, Herr Minister. Darf ich bitten, gleich darauf zu sprechen zu kommen. Wir sind bei Ziffer 8.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag Umdruck Nr. 909 Ziffer 8 betreffend § 53 a auf Streichung der Worte „berufsmäßig tätigen" und Streichung der Worte „es sei denn, daß diese Entscheidung in absehbarer Zeit nicht herbeigeführt werden kann".
— Getrennte Abstimmung. Also zunächst Antrag auf Streichung der Worte „berufsmäßig tätigen", zweite und dritte Zeile des Abs. 1 in § 53 a. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Streichungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; dieser Streichungsantrag ist angenommen.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem An-. trag auf Streichung der Worte „es sei denn, . . ." zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. Enthaltungen? — Jetzt war das zweite die Mehrheit. Dieser Antrag ist abgelehnt.
Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 8 unter Berücksichtigung der beschlossenen Änderung insgesamt zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Ziffer 8 ist angenommen.
Ziffer 9, — Ziffer 10! — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Das ist angenommen.
Zu Ziffer 11 war der Hinweis der Regierung gekommen.
Ziffer 11 Abs. 5 muß jetzt in der Fassung der Regierungsvorlage wiederhergestellt werden.
Nachdem zu Ziffer 8 bezüglich § 53 der Antrag angenommen worden ist, vertritt der Bundesjustizminister die Meinung, daß in Abs. 5
die Regierungsvorlage wiederhergestellt werden muß.
Es würde zwischen „Veröffentlichung" und „strafbaren Inhalts" lediglich einzufügen sein: „oder Sendung", und oben auf Seite 35 der Drucksache Nr. 4250 müßte es heißen: „Nrn. 5 und 6".
Ja, das ist klar. Ich bitte die Damen und Herren, die der Ziffer 11 unter Berücksichtigung dieser als redaktionell anzusehenden Änderung zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Das ist angenommen.
Ich rufe auf: 12, — 13, — 14, — 15, — 16, — 17,
— 18, — 19, — 20, — 21, — 22, — 22 a, — 23, —24,— 25, — 26, — 27, — 28, — 29, — 30, — 30 a,
— 31, -31a, -32 bis 35, -35a, -36 bis 39,40, — 40 a. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
— Das ist die Mehrheit. Das ist angenommen.
Zu 41 liegt ein Antrag der Fraktion der FDP betreffend § 453 Abs. 3 der Strafprozeßordnung vor. Es handelt sich um den Antrag Umdruck Nr. 911. Wer wünscht das Wort zur Begründung?
— Auf Begründung wird verzichtet. Der Antrag auf Umdruck Nr. 911 betrifft Art. 4 Ziffer 41. Es soll hier dem § 453 Abs. 3 der Strafprozeßordnung ein Satz 4 angefügt werden. Ich komme zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Änderungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Das ist angenommen.
Ich rufe weiter auf: 42, — 43. — Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist angenommen.
Ich rufe Art. 4 a auf. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit. Das ist angenommen.
Zu Art. 5 liegt der Antrag der Gruppe der KPD auf Streichung dieses Artikels vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Streichungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Dieser Antrag ist gegen die Stimmen der Antragsteller und gegen eine weitere Stimme abgelehnt.
Damit ist Art. 5 in der Ausschußfassung angenommen.
Ich rufe auf Art. 6, — Art. 7, — Art. 8, — Art. 9, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Artikeln und Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; angenommen.
Damit ist die zweite Beratung dieses Gesetzentwurfes beendet. Die dritte Beratung findet in der ersten Sitzungswoche nach Pfingsten statt.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs
eines Gesetzes über den Auslieferungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich .
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (Nr. 4008 der Drucksachen).
Dazu hat die Fraktion der SPD auf Umdruck Nr. 912 einen Antrag gestellt. Wünschen Sie Abstimmung über diesen Antrag vor Beginn der zweiten Beratung?
Also unter Verzicht auf die Berichterstattung?
— Also zunächst die Berichterstattung. Herr Abgeordneter Brill ist Berichterstatter. Bitte, Herr Abgeordneter.
Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf ist in der 229. Sitzung des Deutschen Bundestages am 11. September vorigen Jahres in erster Lesung behandelt worden. Dabei hat eine Aussprache nicht stattgefunden. Das hat die beteiligten Ausschüsse, nämlich den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht und den Auswärtigen Ausschuß, insofern in eine schwierige Lage gebracht, als sie Ihnen Vorschläge unterbreiten sollen in Fragen, die von grundsätzlicher staatsrechtlicher und strafrechtlicher Bedeutung sind.
Der Rechtsausschuß hat am 28. November zum erstenmal über den Gegenstand verhandelt und als solche Fragen angesehen die Frage der Auslieferung politischer Verbrecher — Art. 4 des Vertragswerks —, die Auslieferung von Verbrechern, an denen in Frankreich die Todesstrafe vollzogen werden kann — Art. 18 des Vertragswerks —, die Frage der räumlichen Geltung des Vertragswerks in der Form der Anwendung des Vertrages auf Berlin — Art. 22 — und die Frage, wie Vergehen und Verbrechen, die vor dem 8. Mai 1945 begangen worden sind, nach Art. 23 dieses Vertrages behandelt werden sollen. Im Anschluß daran hat der Ausschuß die Frage des Verhältnisses von Bund und Ländern im Ausführungsverfahren geprüft.
Wenn ich in dieser Reihenfolge auf die kritischen Punkte eingehen darf, so erlaube ich mir, Ihnen folgendes darzulegen.
In Art. 4 des Vertrages — Seite 3 .der Drucksache Nr. 3599 — wird der Grundsatz aufgestellt, daß bei politischen Straftaten eine Auslieferung nicht stattfindet. Abs. 2 macht jedoch zwei Ausnahmen. Er bezeichnet, was nicht als politische Straftat angesehen werden soll, und sagt unter Nr. 2: „Als politische Straftat wird nicht angesehen ein Angriff gegen das Leben eines Staatsoberhauptes oder eines Mitglieds der Regierung." Diese Ausnahme, meine Damen und Herren, steht in offenem Widerspruch zu dem noch in Geltung befindlichen deutschen Auslieferungsgesetz vom 23. Dezember 1929. Dort heißt es in § 3 Abs. 2:
Politische Taten sind die strafbaren Angriffe, die sich ... unmittelbar gegen das Oberhaupt oder gegen ein Mitglied der Regierung des Staates als solches richten.
Zwischen diesem geltenden deutschen Gesetzesrecht und dem vorgetragenen Vertragsrecht des deutsch-französischen Auslieferungsvertrages besteht also ein offener Widerspruch. Der Ausschuß
hat durch Befragung der Regierungsvertreter versucht, diesen Wiederspruch zu klären. Die Regierungsvertreter haben zur Rechtfertigung der Vertragsbestimmungen darauf hingewiesen, daß sie sich während der Verhandlungen durchaus auf dem Boden des deutschen Auslieferungsgesetzes bewegt hätten. Sie seien jedoch von französischer Seite darauf hingewiesen worden, daß es in der französischen Gesetzgebung a) keine Legaldefinition des Begriffs „politische Straftaten" gibt und .daß b) die französischen Rechtsauffassungen, wie sie von der Regierung und von den Gerichten vertreten werden, außerordentlich stark schwanken, nicht präzise erfaßbar sind und sich überhaupt je nach der Lage des Falles in ein mystisches Dunkel hüllen. Man hat also dann der französischen Auffassung, diese Formel zu wählen, nachgegeben.
Ähnliche Widersprüche, aber noch schwerwiegenderer Art, liegen zwischen .dem Art. 18 des deutschfranzösischen Auslieferungsabkommens und dem Art. 102 unseres Grundgesetzes vor. Der Widerspruch betrifft die Anwendung der Todesstrafe. Art. 102 des Grundgesetzes verbietet die Todesstrafe, und dieser Bundestag hat in drei Abstimmungen die Aufrechterhaltung dieses Verbots mit großer Mehrheit bestätigt. Nach Art. 18 des deutschfranzösischen Auslieferungsabkommens aber soll die Todesstrafe an einem Menschen, der von der Bundesrepublik Deutschland an die französische Republik ausgeliefert wird, möglich sein. Frankreich hat nur zugestanden, daß die Bundesrepublik eine Empfehlung abgeben kann, im Falle einer Verurteilung zum Tode das Todesurteil durch die Gnadeninstanz in die nächst niedere Strafe umzuwandeln. Ob das tatsächlich eine Änderung in der Sache bedeutet, muß bezweifelt werden. Denn
die Umwandlung in die nächst niedere Strafe wäre lebenslängliche Zwangsarbeit, vielleicht vollzogen in Cayenne, und ob ,das eine Milderung gegenüber dem Vollzug der Todesstrafe an einem Verurteilten bedeutet, kann füglich bestritten werden. Weiter aber ist in den Ausschußberatungen zutage getreten, daß sich diese Empfehlung, die Deutschland bei der Auslieferung abgeben könnte, nur an den Präsidenten der Französischen Republik richtet, also unbrauchbar wird in einem Verfahren, das vielleicht in ein militärgerichtliches umgewandelt wird und in dem der Gerichtsherr darüber zu entscheiden hat, ob die Todesstrafe zu vollstrecken ist oder ob sie in die nächst niedere Strafe umgewandelt werden kann.
Dieser Widerspruch zwischen Art. 102 unseres Grundgesetzes und Art. 18 des Auslieferungsvertrages schien dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht einer weiteren Erörterung wert. Diese Erörterung ist unter dem Gesichtspunkt angestellt worden, daß ,die Vorteile, die durch den Vertrag eintreten, abgewogen werden sollten gegen die unleugbaren Nachteile, die ich eben darzustellen die Ehre hatte.
Die Vorteile, die der Vertrag bringt, liegen in folgendem: Der jetzige Zustand, daß der französischen Regierung durch ihre Besatzungsbehörden jeder Zugriff möglich ist, wird beendet. Es wird ein vertraglich geregelter Rechtszustand geschaffen, und es wird ein Auslieferungsverfahren eingeführt, in dem die Bundesrepublik Deutschland bestimmte Rechte hat. Unter dem gesamten politischen Aspekt der Entwicklung seit 1949 schien dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht der so erreichte Fortschritt im Rechtsverhältnis zwischen der Französischen Republik und der Bundesrepublik
Deutschland so groß, daß er glaubt, dem Hause empfehlen zu sollen, die unleugbaren Nachteile des Art. 4 und des Art. 18 des Vertrages in Kauf zu nehmen.
Weiter hat sich die Frage erhoben, wie nach Art. 22 in Verbindung mit dem Briefwechsel vom 28. und 29. November 1951 Berlin behandelt werden sollte.
In Art. 22 Abs. 2 ist die Ausdehnung des Auslieferungsvertrags auf andere Gebiete vorgesehen. Aus den Motiven und den Berichten der Herren Regierungsvertreter ergab sich, daß unter diesen anderen Gebieten Gebiete der Französischen Union mit Protektorats- oder anderem kolonialem Charakter verstanden werden sollen. So schien es dem Rechtsausschuß und dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten rechtlich und moralisch völlig unmöglich, die Frage der Einbeziehung des Gebiets von Berlin unter dem eben skizzierten Gesichtspunkt des Art. 22 Abs. 2 zu behandeln. Zudem ist ja auch in dem Briefwechsel bereits ausgesprochen, daß die Unterhändler, die den Vertrag zustande gebracht haben, einer Ausdehnung auf Berlin nicht abgeneigt sind. Und in dem Katalog derjenigen Rechtsgegenstände, die nach Anlage 3 des Deutschlandvertrags künftig durch die Gesetzgebung der Bundesrepublik auf Berlin ausgedehnt werden sollen, findet sich auch das Auslieferungswesen.
Wir waren also im Ausschuß in einer sehr guten Position, wenn wir verlangten, daß in dieser Frage unverzüglich Klarheit geschaffen werde. Nach Erklärungen der Vertreter des Berliner Senats waren im November vorigen Jahres bereits Verhandlungen zwischen dem Senat und der Alliierten Kommandantur im Gange, durch die die Ausdehnung des Vertragswerks auf Berlin erreicht werden sollte. Diese Verhandlungen sind inzwischen zu einem günstigen Abschluß gekommen. Ich bin in der glücklichen Lage, Ihnen die Mitteilung der Alliierten Kommandantur Berlin vom 19. Dezember 1952, die mir der Herr Senator für Bundesangelegenheiten hat zugehen lassen, bekanntgeben zu können. Ich glaube nicht, daß es notwendig ist, hier den Wortlaut zu verlesen. In dieser Erklärung der Alliierten Kommandantur in Berlin vom 19. Dezember 1952, Aktenzeichen Bk/L 52 Nr. 128, wird die Bereitschaft der Kommandantur ausgedrückt, nach Inkrafttreten des Ratifikationsgesetzes das Auslieferungsverfahren zwischen Berlin und der Französischen Republik nach Maßgabe dieses Vertrages zu behandeln. Ich glaube sagen zu dürfen, daß das ein außerordentlich erfreulicher Rechtszustand ist, der ja ohne diese Erklärung zu weitreichenden völkerrechtlichen und staatsrechtlichen Überlegungen Anlaß gäbe und vielleicht von beiden Gesichtspunkten her in Frage gezogen werden könnte.
Der letzte kritische Punkt, der behandelt wurde, war der Art. 23 des Vertrags, der sagt, daß der Vertrag auf strafbare Handlungen Anwendung findet, welche nach dem 8. Mai 1945 begangen worden sind. Aus diesem Wortlaut ergibt sich die Frage, wie es mit den strafbaren Handlungen steht, die vor diesem Tage begangen worden sind. Sie fallen fraglos nicht unter den Vertrag. Nach der Erklärung des Vertreters des Herrn Bundesministers der Justiz ist in allen solchen Fällen eine vertragslose Einzelregelung notwendig.
Für diese Einzelregelung ist von besonderer Bedeutung die Frage der sogenannten Kriegsver-
brecher. Der Ausschuß hat sich mit dem theoretischen Fall befaßt, daß ein rein krimineller, nicht politischer Kriegsverbrecher-Fall, der von der französischen Seite als Mord deklariert wird, von deutscher Seite als politisch angesehen wird. Dem Ausschuß ist die Erklärung abgegeben worden, diese Frage sei durch einen besonderen Briefwechsel zwischen dem Herrn Bundeskanzler und den französischen Stellen zu regeln. Auf jeden Fall steht nach dem Deutschland-Vertrag fest, daß für die Aburteilung von Kriegsverbrechern im echten Sinne nach Inkrafttreten des Deutschland-Vertrags allein die deutsche Zuständigkeit gegeben sein wird.
Der Auswärtige Ausschuß hat dieses Verhandlungsergebnis des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht gebilligt. Er hat nur auf eine Fortentwicklung in der Frage der Einbeziehung Berlins in den Geltungsbereich des Ratifikationsgesetzes und für die Anwendung des Vertragswerks Wert gelegt. Entsprechend dem technischen Vorgang der Gesetzgebung beim Deutschland-Vertrag hat der Auswärtige Ausschuß vorgeschlagen, auch den Briefwechsel vom 28. und 29. November 1951 zum Gegenstand des Ratifikationsgesetzes zu machen. Sie finden deshalb in der Spalte 2 in Art. 1 des Ratifikationsgesetzes auch die Erwähnung dieses Briefwechsels.
Namens der beiden Ausschüsse habe ich Ihnen vorzuschlagen, dem Ratifikationsgesetz in der Form, wie sie der Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht empfiehlt, Ihre Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
— Ich unterstelle, daß die beiden gestellten Anträge Umdrucke Nrn. 910 und 912 mit den Entschließungen in der dritten Beratung zur Abstimmung kommen sollen. Ist das die Meinung der Antragsteller?
Dann rufe ich in der zweiten Beratung auf die Art. 1, — 2, — 3, — Einleitung und Überschrift. — Wird das Wort dazu gewünscht? — Das ist nicht der Fall. Ich schließe die Besprechung.
Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln, Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Bei zahlreichen Enthaltungen in zweiter Beratung angenommen.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Zur dritten Beratung ist von der Fraktion der SPD mit Umdruck Nr. 912 der Antrag gestellt worden, die Beschlußfassung über diesen Gesetzentwurf zurückzustellen, ferner der Entschließungsantrag unter Ziffer 1. Soll zur Begründung noch etwas gesagt werden? — Offenbar nicht. — Herr Abgeordneter Brill?
— Darf ich vorschlagen, daß wir zunächst einmal über den Antrag der Fraktion der SPD abstimmen; denn falls der angenommen wird, ist die Beschlußfassung überhaupt auszusetzen.
— Sie wollen zu dem Antrag der SPD sprechen? Herr Kollege Brill, ich will Sie nicht zwingen, zu irgend etwas zu sprechen; das war nicht der Sinn meiner Ausführungen. Ich hatte den Wunsch, zunächst über den Antrag der Fraktion der SPD zu einer Abstimmung zu kommen und, falls dieser Antrag abgelehnt würde, den Entschließungsantrag Umdruck Nr. 910 begründen zu lassen. Sind Sie einverstanden? —
Dann brauchen wir im Augenblick also keine weitere Diskussion.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Der Antrag bezweckt, dem Bundesjustizministerium aufzuerlegen, den Entwurf eines neuen Auslieferungsgesetzes unverzüglich vorzulegen und die Beschlußfassung über das vorliegende Gesetz bis zur Beschlußfassung über dieses neue Auslieferungsgesetz auszusetzen. Das Auslieferungsgesetz — —
Darf ich bitten, etwas weiter nach links zu gehen?
Zu Herrn Kollegen Brill? — Sehr gern!
Es besteht kein Anlaß, das in Kraft befindliche Auslieferungsgesetz wesentlich zu ändern, geschweige denn ein neues Auslieferungsgesetz vorzulegen. Einige Bestimmungen sind zu variieren und besonders der Begriff der politischen Straftat näher zu umschreiben. Damit befassen wir uns. Nach meiner Meinung ist es also in keiner Weise schlüssig, daß man einen so wichtigen Akt wie den Auslieferungsvertrag mit Frankreich im Hinblick auf die Möglichkeit der Neuauflage eines Auslieferungsgesetzes aussetzt. Ich bitte daher das Hohe Haus, diesem Antrage nicht zu entsprechen.
Herr Abgeordneter Professor Brill.
Die Erklärung des Herrn Bundesministers der Justiz setzt mich etwas in Erstaunen, denn im Rechtsausschuß haben wir etwa das Gegenteil gehört. Im Rechtsausschuß ist gesagt worden, daß das ganze Auslieferungsgesetz überarbeitet werden, daß insbesondere der Zentralbegriff der politischen Verbrechen neu zu fassen sei und daß in Verbindung damit das Asylrecht endlich eine positiv-rechtliche Regelung erfahren müsse. Uns war das im Ausschuß außerordentlich willkommen, denn wir glauben, daß sich tatsächlich seit dem Jahre 1929 die Situation, aus der dieses Gesetz entstand, ganz wesentlich geändert hat. Darf ich das Hohe Haus darauf hinweisen, daß in diesem ganzen Jahrzehnt 1920 bis 1930 der alte Reichstag sich in einer außerordentlich tiefgründigen Weise mit Fragen des Auslieferungsrechts befaßt hat. Damals gab es einige Auslieferungsbegehren — beispielsweise von Spanien —, die die Gemüter in Deutschland auf das tiefste bewegt haben. Das Ergebnis war der vorhin von mir als Berichterstatter vorgetragene § 3 Abs. 2.
Die Erörterungen über dieses Auslieferungsgesetz von 1929 aber vollzogen sich unter der stillschweigenden Voraussetzung, daß die zivilisatorische Grundlage des ganzen Auslieferungs-
wesens eine liberale Grundgesinnung ist und daß deshalb auch die rechtlichen Grundanschauungen überall dieselben sind. Heute können wir dies nicht mehr zur selbstverständlichen Voraussetzung machen. Heute haben wir es mit dem Widerstreit zwischen liberal-demokratischen und autoritären Staaten zu tun, und dieser Widerstreit muß in der Gesetzgebung irgendwie berücksichtigt werden; wie, möchte ich in diesem Zusammenhang nicht sagen.
Weiter ist darauf hinzuweisen, meine
Damen und Herren, daß die bisherige Art und Weise des Wiederinkraftsetzens von Auslieferungsabkommen uns in keiner Weise befriedigt. Wenn ich richtig informiert bin, so sind mit Genehmigung der Alliierten Hohen Kommission die Auslieferungsabkommen mit der Schweiz und mit Spanien, die aus dem vorigen Jahrhundert stammen, als neutralen Staaten wieder in Kraft gesetzt worden. Mit Genehmigung der Alliierten Hohen Kommission ist der Auslieferungsverkehr Deutschlands mit der Türkei und noch zwei Ländern wieder begonnen worden. Auslieferungsersuchen von Großbritannien und Amerika zu erledigen, gehörte bisher nicht zu unserer Zuständigkeit. Auch das ist eine Frage, die, wenn Deutschland, wie die Regierungsmehrheit hofft, seine außenpolitische Souveränität wiedererlangt, vom Standpunkt einer grundlegenden Gesetzgebung aus beachtet werden muß. Dazu kommt noch die Frage der Todesstrafe, die ich in meinem Bericht schon erwähnt habe. Es ist zuzugeben, daß, wenn die Beschlußfassung über das Ratifikationsgesetz heute in dritter Lesung nicht stattfindet, der vertraglose Zustand zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik an-B) dauert, und es ist auch zuzugeben — ich sage das aus gewissen Erfahrungen in meinem Wahlkreis Frankfurt —, daß dadurch Mißstände eintreten können, die von der öffentlichen Meinung übel vermerkt werden. Es wird Ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen sein, meine Damen und Herren, daß in der vorigen Woche die Bankräuber und Mörder Mais und Maikranz in Frankfurt abgeurteilt worden sind. Sie waren nach Frankreich ausgerissen, und die französischen Behörden bestanden unverständlicherweise darauf, daß diese sauberen Burschen vor der Auslieferung an die Bundesrepublik erst noch sechs Wochen Haft in französischen Gefängnissen wegen unerlaubten Grenzübertritts absaßen. Aber diese Nachteile sind klein gegenüber der ganz grundlegenden Bedeutung einer Neubestimmung des Begriffs der politischen Verbrechen und der Anwendung dieses Begriffs bei der Schaffung neuer Rechtsverhältnisse zwischen der Bundesrepublik Deutschland und anderen Ländern.
Aus diesen Motiven haben wir den Antrag gestellt. Es kann kaum angenommen werden, daß darin ein unfreundlicher Akt gegenüber der Französischen Republik liegt. Wenn es vom November 1951 bis zum Mai 1953 nicht unfreundlich gewesen ist, dieses Ratifikationsgesetz zu behandeln, dann kann es auch nicht unfreundlich sein, vielleicht zu Ende dieses Jahres ein neues Auslieferungsgesetz, an dem, wie der Herr Minister eben mitgeteilt hat, bereits gearbeitet wird, zu verabschieden.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, mir zu glauben, daß das Auslieferungsgesetz als solches nicht revisionsbedürftig ist und sich unsere Überprüfung im wesentlichen nur auf die Frage erstreckt, wie der Begriff der politischen Straftat zu umgrenzen ist — eine überaus schwierige Frage —; damit ist dem Vertagungsantrag der Boden entzogen.
Für uns ist es bedeutsam, mit Frankreich diesen Auslieferungsvertrag schließen zu können. Die. Ausschüsse haben bereits einstimmig dem Ratifikationsgesetz zugestimmt. Die Bedenken, die von Herrn Dr. Brill schon im Ausschuß im einzelnen vorgetragen und heute wiederholt worden sind, waren Gegenstand der Erörterung der Ausschüsse und haben nicht dazu geführt, daß gegen den Vertrag ernstliche Einwendungen erhoben worden sind. Seine Annahme, daß zwischen unserem Auslieferungsgesetz und einzelnen Bestimmungen des Auslieferungsvertrags Widersprüche bestünden, mag dahingestellt sein. Das Entscheidende ist ja, daß das Ratifikationsgesetz des Auslieferungsvertrages, der notwendig den Versuch darstellt, zwischen zwei verschiedenartigen Rechtsordnungen eine Brücke zu schlagen, dem Auslieferungsgesetz als Spezialbestimmung vorgeht. Die Bedenken, die in rechtlicher Hinsicht geltend gemacht worden sind, schlagen nicht durch.
Nur zur Korrektur: Die von Herrn Dr. Brill erwähnten Auslieferungsverträge mit der Schweiz und Spanien sind in Kraft geblieben, weil die beiden Staaten nicht in den Krieg einbezogen waren. Wieder in Kraft sind bereits die Auslieferungsverträge mit der Türkei, mit Griechenland, mit Belgien und mit Italien.
Also ich sehe gar keinen Grund, daß wir dieses wirklich mühsam erarbeitete Werk — das stellt der Auslieferungsvertrag dar — nicht realisieren. Ich bitte Sie, dem Vertagungsantrag nicht zuzustimmen, sondern die Vorlage zu verabschieden.
Keine weiteren Wortmeldungen. Ich darf dann die Beratung schließen und zunächst über den Antrag Umdruck Nr. 912 der Fraktion der SPD abstimmen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das zweite war die Mehrheit; dieser Antrag ist abgelehnt.
Wird das Wort zur dritten Beratung noch gewünscht?
Herr Abgeordneter Brill zur Begründung der Entschließung. — Herr Abgeordneter Laforet, wir haben es nicht vergessen. — Bitte schön, Herr Abgeordneter Brill.
Meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, folgende interfraktionell beantragte Entschließung vorzutragen:
Die Bundesregierung wird ersucht, die Arbeiten des Europarats und seiner Kommission zur Herbeiführung einer europäischen Auslieferungskonvention mit aller Entschiedenheit zu fördern.
Zur Begründung habe ich folgendes auszuführen. Während der Beratungen des deutsch-französischen Auslieferungsvertrags wurde dem Ausschuß bekannt, daß sich der Europarat in Straßburg mit
der Schaffung einer alle europäischen Staaten umfassenden Auslieferungskonvention beschäftigt hat. Am 6. Dezember 1951 hat der Herr Generalsekretär des Europarats der Beratenden Versammlung ein vorläufiges Memorandum über diesen Gegenstand vorgelegt, das sich mit folgenden Fragen beschäftigt: Frage der Nichtauslieferung der eigenen Staatsangehörigen, Folgen dieses anerkannten Grundsatzes, Auslieferung wegen Steuerstraftaten, Auslieferung wegen militärischer Zuwiderhandlungen, Auslieferung bei politischen Vergehen und technische Probleme der Auslieferung. Der Rechtsausschuß der Beratenden Versammlung hat am selben Tag zu diesem vorläufigen Memorandum Stellung genommen und der Beratenden Versammlung am 8. Dezember vorgeschlagen, den Ministerrat des Europarats zu ersuchen, Arbeiten zur Ausarbeitung einer Konvention aufzunehmen und, um diese Arbeiten zu beschleunigen, ein aus 6 Mitgliedern des Ministerausschusses und 6 Delegierten zur Beratenden Versammlung bestehendes Unterkomitee einzusetzen, das die notwendigen Materialien zusammenstellen und eine Konvention entwerfen soll.
Aber erst am 31. März 1952 hat der Generalsekretär an die Außenminister der Mitgliedstaaten geschrieben, und erst am 6. März dieses Jahres hat sich der Ministerrat mit der Fortentwicklung der Angelegenheit befaßt. Dabei ist interessant, die Stellungnahme der einzelnen Staaten kennenzulernen. Neun Mitglieder des Europarats haben sich grundsätzlich für den Abschluß einer europäischen Auslieferungskonvention ausgesprochen, und zwar Frankreich, Island, Italien, Luxemburg, Norwegen, die Niederlande, Deutschland, das Saarland und die Türkei. Drei Mitglieder, nämlich Belgien, Dänemark und Griechenland, sind der Ansicht, daß
es unter den derzeitigen Umständen nicht angebracht sei, ein europäisches Auslieferungsabkommen auszuarbeiten. Sie haben jedoch nicht die Absicht, eine ablehnende Haltung einzunehmen, falls die übrigen Mitglieder des Europarats sich zugunsten des Abkommens aussprechen sollten. Die Regierungen von Irland, Großbritannien und Schweden halten den Abschluß eines multilateralen Abkommens nicht für ratsam; jedoch haben sie sich dafür ausgesprochen, daß der Mustertext eines bilateralen Auslieferungsabkommens ausgearbeitet wird. Irland weist außerdem darauf hin, daß es sich bei der Ausarbeitung eines europäischen Auslieferungsabkommens nicht entgegenstellen würde.
Nun hat der Ministerrat auf Grund dieses Berichts beschlossen, zunächst einmal eine Sachverständigenkonferenz einzuberufen. Ob die Einberufung bereits erfolgt ist, ist mir bis zu diesem Augenblick nicht bekannt. Es konnte auch dem Ausschuß nicht mitgeteilt werden.
Im Gegensatz zu diesen mühseligen europäischen Bemühungen stehen wir vor der Tatsache, daß zwischen den Vereinigten Staaten von Nordamerika und der Panamerikanischen Union im Jahre 1933 ein alle amerikanischen Staaten umfassendes Auslieferungsabkommen geschlossen worden ist. Dieses Abkommen befindet sich bereits seit dem Jahre 1935 in Kraft. Wir waren im Ausschuß der Auffassung, daß sich die europäischen Staaten durch dieses amerikanische Beispiel nicht beschämen lassen sollten, und hielten es für angebracht, die Bemühungen der Bundesregierung, zu einer europäischen Lösung der Auslieferungsfrage zu kommen, zu unterstützen. Aus diesem Grunde die vorgeschlagene Entschließung. Sie hindert nicht, daß der ursprüngliche Beschluß der Beratenden Versammlung, ein Sonderkomitee aus Beratender Versammlung und Ministerrat mit der Ausarbeitung der Konvention zu beauftragen, ausgeführt wird. Sie begünstigt auch den neuen Weg, durch ein Expertenkomitee des Ministerrats vorwärtszukommen.
Ich bitte Sie im Namen der Abgeordneten, die aus dem Rechtsausschuß interfraktionell diese Entschließung beantragt haben, ihr Ihre Zustimmung zu geben. Ich bitte Sie vor allen Dingen auch deshalb darum, weil dann höchstwahrscheinlich all die Fragen, die bei dem eben besprochenen deutschfranzösischen Auslieferungsvertrag zu Gegensätzen geführt haben, ihre Erledigung finden würden.
Das Wort hat der Herr Bundesminister der Justiz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bundesregierung hat der Anregung des Europarats, die Herr Kollege Dr. Brill dargelegt hat, von Anfang an ihre besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Sie glaubt, daß sie auch durch ihre eingehende schriftliche Stellungnahme einen wesentlichen Beitrag geliefert hat. Sie wird sich auch weiterhin an den Arbeiten zur Schaffung einer derartigen Konvention beteiligen. Ein Termin für den Zusammentritt der Konferenz ist noch nicht bestimmt. Die Bundesregierung begrüßt den Gedanken, den Auslieferungsverkehr der europäischen Staaten durch eine Auslieferungskonvention zu vereinfachen. Sie wird dabei ihr besonderes Bestreben darin setzen, fortschrittliche Gedanken auf diesem Gebiet zur Geltung zu bringen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Besprechung.
Ich rufe zunächst zur dritten Beratung auf Art. 1, 2, 3, Einleitung und Überschrift des Gesetzes über den Auslieferungsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich. Ich bitte die Damen und Herren, die den aufgerufenen Artikeln sowie Einleitung und Überschrift zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Das Gesetz ist bei zahlreichen Enthaltungen angenommen. Die Schlußabstimmung entfällt laut § 88 Satz 4 der Geschäftsordnung.
Ich komme zur Abstimmung über den Entschließungsantrag auf Umdruck Nr. 910, den Herr Abgeordneter Dr. Brill begründet hat. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Entschließungsantrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Dieser Entschließungsantrag ist mit überwiegender Mehrheit angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 10:
Beratung des Antrags der Fraktion der Deutschen Partei betreffend Änderung der geltenden Zollsätze für Schlachtvieh und Fleisch .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, auf eine Begründung und Aussprache zu verzichten. Ich schlage Ihnen vor, diesen Gesetzentwurf dem Ausschuß für Außenhandelsfragen als federführendem und dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als mitberatendem Ausschuß zu überweisen. — Das Haus ist einverstanden.
Meine Damen und Herren, Herr Abgeordneter Tobaben ist der Meinung, daß der Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für eine Änderung der geltenden Zollsätze für Schlachtvieh und Fleisch federführend sein müßte. Ich bitte die Damen und Herren, die dafür sind, daß der Außenhandelsausschuß federführend ist, eine Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 12:
Beratung des Antrags der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD, FDP, DP, FU betreffend berufliche und gesellschaftliche Eingliederung der aus der Sowjetzone geflüchteten Jugend (Nr. 4328 der Drucksachen).
Der Ältestenrat schlägt Ihnen auch hier vor, auf eine Begründung und Aussprache zu verzichten. Ich schlage Ihnen vor, diesen Antrag dem Ausschuß für Fragen der Jugendfürsorge als federführendem und dem Ausschuß für gesamtdeutsche Frage als mitberatendem Ausschuß zu überweisen. Sie sind damit einverstanden; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe auf als letzten Punkt:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Jacobi gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 22. Juni 1951 und 24. Juli 1951 (Nr. 4344 der Drucksachen).
Das Wort zur Berichterstattung hat Herr Abgeordneter Dr. Mende.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität lag ein Ersuchen des Bundesministers der Justiz vom 22. Juni 1951 vor, die Genehmigung zur Strafverfolgung gegen den Bundestagsabgeordneten Jacobi zu erteilen. Zugrunde lag dem Ersuchen des Herrn Bundesjustizministers ein Antrag des Justizministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 5. Juni 1951, mit dem der Landesjustizminister den Bericht der Oberstaatsanwaltschaft in Wuppertal übersandte. Ein weiteres Ersuchen wurde vom Bundesminister der Justiz mit Schreiben vom 24. Juli 1951 übersandt. Diesem lag ein Bericht des Landesjustizministers des Landes Nordrhein-Westfalen vom 7. Juli 1951 mit einem Bericht des Oberstaatsanwalts in Köln zugrunde.
Wie sich aus den Akten ergibt, hat der Oberstaatsanwalt in Köln längere Zeit Ermittlungen gegen den Bundestagsabgeordneten Jacobi angestellt, da ihm erst, wie er selbst berichtet, gegen Ende Mai 1951 bekanntgeworden sei, daß der Abgeordnete Jacobi Mitglied des Bundestags sei. Der Bundesjustizminister betont, daß diese Ermittlungen unzulässig gewesen sind, und verweist auf das Schreiben des Landesjustizministers von Nordrhein-Westfalen, nach dem dieser bereits die erforderlichen Maßnahmen veranlaßt hat, um eine Wiederholung derartiger Fälle auszuschließen.
Der Oberstaatsanwalt in Hagen hat mit Schreiben vom 2. Juli 1951 über den Bundesminister der Justiz an den Präsidenten des Deutschen Bundestags mitgeteilt, daß bei ihm ein Ermittlungsverfahren gegen den ehemaligen Staatskommissar in Nordrhein-Westfalen Jacobi auf Grund einer Anzeige des Herrn Harry Schneider aus Wuppertal anhängig gewesen sei, das jedoch eingestellt wurde, da ein Verschulden des ehemaligen Staatskommissars Jacobi nicht festzustellen sei. Der Oberstaatsanwalt in Hagen beabsichtigte daher auch nicht, die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Jacobi zu beantragen.
Mit Schreiben des Ausschusses vom 27. November 1951 wurden die Akten auf Grund einer Besprechung mit dem Justizminister des Landes Nordrhein-Westfalen an den Landesjustizminister zurückgereicht. Der Bundesminister der Justiz hat nunmehr die gesamten Akten mit Schreiben vom 17. März 1952 erneut vorgelegt mit der Bitte, eine Entscheidung des Bundestags darüber herbeizuführen, ob die Genehmigung zur Durchführung des Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Jacobi wegen der sich aus den Berichten des Oberstaatsanwalts in Köln vom 15. Juni 1951 und des Oberstaatsanwalts in Wuppertal vom 2. Mai 1951 ergebenden Vorwürfe strafbarer Handlungen erteilt wird.
Das Verfahren beruht auf einer Anzeige des Kaufmanns Schneider aus Wuppertal, der sich auch in mehreren Petitionen an den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, die Landesregierung und den Justizminister von Nordrhein-Westfalen sowie an den Präsidenten des Deutschen Bundestags gewandt hat. Der Anzeigende wirft dem ehemaligen Staatskommissar zur Bekämpfung von Korruption und Mißwirtschaft im Lande Nordrhein-Westfalen vor, er habe ihn als Eigentümer einer Tauschzentrale zu Unrecht wegen Betrugs angezeigt und der Iserlohner Kriminalpolizei den Auftrag erteilt, in seinem Unternehmen einen Betrug zu inszenieren. Weiterhin soll der Abgeordnete Jacobi als Häftling im Konzentrationslager Groß-Rosen vor etwa 10 Jahren strafbare Handlungen begangen haben.
Hinsichtlich der Vorwürfe gegen den früheren Staatskommissar wegen seines Vorgehens gegen die Tauschzentrale des Anzeigenden ist das bei der Staatsanwaltschaft Hagen anhängige Verfahren durch Einstellungsbescheid an den Anzeigenden erledigt worden. Bezüglich der Vorwürfe, die der Anzeigende gegen den ehemaligen Insassen des Konzentrationslagers Groß-Rosen, Jacobi, erhebt, hatte der Ausschuß Gelegenheit, sich von einem Mitglied des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität, das selbst eine Zeitlang Konzentrationslagerhäftling in Groß-Rosen war, nämlich von dem Alterspräsidenten dieses Hauses, Löbe, die Zustände in diesem KZ schildern zu lassen. Aus den Ausführungen des Präsidenten Löbe ging hervor, unter welch körperlichem und seelischem Terror die politischen Häftlinge in dem Konzentrationslager Groß-Rosen dadurch gelitten haben, daß sie von den Berufsverbrechern ständig mißhandelt und seelisch und körperlich unter Druck gesetzt wurden, wie überhaupt aus den Schilderungen des Präsidenten Löbe jenes teuflische System sichtbar wurde, das darin bestand, politische Idealisten mit Berufsverbrechern zusammenzubringen.
Der Ausschuß hatte daher den Eindruck, daß insbesondere die Angaben des Anzeigenden Schneider querulatorischen und vexatorischen Charakter zeigten, nachdem er mit seiner Anzeige gegen den Staatskommissar Jacobi wegen Schließung seines Geschäfts in Iserlohn nicht weitergekommen sei. Er hat ferner davon Kenntnis genommen, daß der Bundestagsabgeordnete Jacobi gegen einen der in dieser Anzeige auftretenden Zeugen Köster Strafantrag wegen Verleumdung gestellt hat, wobei das
öffentliche Interesse bejaht wurde. Es ist hierbei festzustellen, daß dieser Zeuge Köster selbst ein vielfach vorbestrafter Berufsverbrecher und ehemaliger Insasse des Konzentrationslagers ist.
Da der Ausschuß in der ersten Sitzung wegen der Fülle des Materials nicht zu einer Entscheidung kam, hat er eine Woche später am 27. Juni 1952 die Behandlung der Angelegenheit fortgesetzt. Bei dieser zweiten Sitzung des Ausschusses ist bekanntgeworden, daß der Abgeordnete Jacobi am 19. Mai 1952 bei der Staatsanwaltschaft Hagen gegen den Schriftsteller Köster Strafantrag wegen Beleidigung und am 24. Juni 1952 weitere Strafanzeige wegen versuchter Nötigung erstattet hat. Köster wird u. a. vorgeworfen, versucht zu haben, den Abgeordneten Jacobi zu einer Untreuehandlung zu verleiten, damit seine Einweisung in eine Strafkompanie im Konzentrationslager, die tatsächlich erfolgt ist, nicht von Köster bekanntgegeben würde. Köster ist der Hauptbelastungszeuge in dem gegen den Abgeordneten Jacobi anhängigen Verfahren.
Ich weise als Berichterstatter darauf hin, daß es sich bei Köster um einen vielmals vorbestraften Berufsverbrecher handelt, dessen Anschuldigungen als querulatorisch und vexatorisch anzusehen sind. Im übrigen beziehen sich fast alle Zeugenaussagen gegen den Abgeordneten Jacobi auf Hörensagen oder auf das Zeugnis inzwischen Verstorbener oder auf Personen, deren Adresse nicht mehr bekannt ist.
Nachdem die Akten — weil es sich um umfangreiches Material handelt — der Fraktion der CDU und auch der Fraktion der DP zugeleitet worden waren —und zwar den Mitgliedern des Ausschusses dieser Fraktionen —, hat ein Mitglied der CDU/ CSU-Fraktion ausgeführt, daß die Zeugenaussagen zu 90 % vom Hörensagen stammen und daß alle wesentlichen Zeugen berufsmäßige Rechtsbrecher waren. Bei dem Anzeigenden handle es sich um eine Person, die zu Übertreibungen neige und die Gelegenheit gehabt habe, durch ein Dienstaufsichtsverfahren im Verwaltungsstreitverfahren gegen den Abgeordneten Jacobi vorzugehen.
Nach Durcharbeitung des umfangreichen Materials lagen dem Ausschuß drei Anträge vor, erstens die Ablehnung der Strafverfolgung vorzuschlagen; zweitens die Beschlußfassung auszusetzen, bis das Verfahren gegen Köster, das durch den Bundestagsabgeordneten Jacobi angestrengt worden ist, durchgeführt worden ist, und schließlich drittens eine Genehmigung zur Durchführung der Ermittlungen zu geben mit dem Ziel, eine Möglichkeit zur Einstellung des Verfahrens zu geben.
Der Ausschuß hat schließlich mit Mehrheit beschlossen, die Genehmigung zur Strafverfolgung nicht zu erteilen, da es sich offensichtlich um eine tendenziöse und querulatorische Verfolgung des Bundestagsabgeordneten Jacobi handele. Sie werden gebeten, diesem Mehrheitsbeschluß zuzustimmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität Drucksache Nr. 4344. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, um ein Handzeichen. — Das ist die Mehrheit; dieser Antrag ist angenommen.
Ich gebe bekannt, daß die FDP-Fraktion eine Stunde nach Sitzungsschluß eine Fraktionssitzung abhält.
Ich berufe die nächste, die 266. Sitzung, auf Mittwoch, den 13. Mai, also morgen, 9 Uhr, und schließe die 265. Sitzung.